Open characters / Identität

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O P EN CH A RA C T E R S / IDE N TIT Ä T

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Open Characters untersucht die Möglichkeit zur Visualisierung von Personen und deren Charakter, unter dem Aspekt der Ballance zwischen Zufall, Selbstbestimmung und subjektiver Wahrnehmung. Finale Bilder unter: www.he-artworks.org

Transcript of Open characters / Identität

OPEN CHARACTERS / IDENTITÄT

Open Characters untersucht die Möglichkeit zur Visualisierung von Personen und deren Charakter, unter dem Aspekt der Ballance zwischen Zufall, Selbstbestimmung und subjektiver Wahrnehmung.

Personen formen und verändern sich im Laufe Ihres Lebens durch unterschiedlichste Einflüsse. Diese können zufällig oder gewollt, spontan, temporär oder traumatisch sein. Viele verschieden Einflüsse formen am Ende eine unverwechselbare Identität für einen selbst und für andere.Mein Projekt stellt das Verhältnis dieser Pole zur Diskussion. Inwiefern existiert ein fester Kern, ein unanastbares Etwas in unserem Inneren, dass trotz aller Bemühungen oder Unwegsamkeiten immer wieder zum Vorschein kommt. Existiert unser Spiegelbild auch für andere? Ist es möglich dieses festzuhalten? Wieviel Gewicht haben all die verschiedenen Aspekte, die eine Person ausmachen und wie verändert sich Ihr Verhältnis unter subjektiven Gesichtspunkten? Und vor allem: Wie kann ich all diese Faktoren visuell ausdrücken?Es ist auch gleichzeitig ein Selbstversuch in dem ich mich zusammen mit den Charakteren weiterentwickeln wollte. Mit Arbeitstechniken experimentieren, die Qualitäten und Charakteristiken von Materialien kennenzulernen und die Grenzen zu testen in denen es möglich ist über Bilder zu kommunizieren.

Wie entstand dieses Projekt

Alles fing damit an, dass ich versuchte Personen in der Bahn nachzuzeichnen. Dabei bemerkte ich, dass in meinem Kopf ein Bild der gezeichneten Personen entstand. Manchmal waren es nur bestimmte Details die mich faszinierten und mir einen kleinen Einblick in deren Persönlichkeit gewährten. Ich erfand Geschichten, Lebensläufe, Gedanken, Freunde, Ängste, Hobbys und ganze Schicksale, ohne dass ich dies bewusst kontrollieren konnte. Diese Erkenntnis machte mich neugierig.Ich begann mich zu fragen, welches Recht ich dazu hatte, mir anhand von oberflächlichen Eindrücken ein Bild zu machen, oder mir gar eine Geschichte zu der Person auszudenken. Wir achten auf die Details, die uns ins Auge springen und ignorieren andere Eigenschaften, die nicht in unser Bild passen. So betrügen wir nicht nur uns sondern auch unseren Gegenüber und beschränken unsere eigene Wahrnehmung. Für mich war diese Erkenntniss frustrierend und ernüchternd und ich wollte mich selbst dazu zwingen, die entstandenen Bilder in meinem Kopf zu zerstören, sie zu öffnen, Neues hineinzubringen und aus einer anderen Perspektive neu zu erschaffen. Ähnlich wie Phantombilder bei der Suche eines Verbrechers bestehen meine Bilder ebenfalls aus einzelnen Teilen. Oft habe ich Teile einer Person in eine andere übertragen, wieder entfernt oder verändert bis ich das Gefühl hatte ein undurchsichtiges Wirrwarr erschaffen zu haben. Denn der menschliche Charakter ist unmöglich in einem einzigen Bild zu erfassen.

WIE KANN MAN ETWAS SO KOMPLEXES WIE DEN MENSCHLICHEN CHARAKTER ÜBERHAUPT DARSTELLEN?

WELCHE MATERIALIEN EIGNEN SICH FÜR DAS GESTALTEN VON MENSCHLICHEN EIGENSCHAFTEN?

LÄSST SICH DIE CHARAKTERISTIK VON MATERIALIEN AUF PERSONEN ÜBERTRAGEN UND UMGEKEHRT?

WELCHE ROLLE SPIELEN DIE EINZELNEN PUZZLETEILE UND EINFLÜSSE UND WIE BEEINFLUSSEN DIESE SICH GEGENSEITIG?

WIE KANN ICH VERHINDERN, DASS EIN KLISCHEE ENTSTEHT?

LÄSST SICH DER ERSTE EINDRUCK VERÄNDERN, BEEINFLUSSEN ODER GAR GANZ VERMEIDEN?

WIE KANN ICH DIE WAHRNEHMUNG EINER PERSON AUF BESTIMMTE ASPEKTE LENKEN?

FragestellungUm meine Arbeitsweise zu überprüfen fragte ich mich bei jedem einzelnen Bild ...

Der richtige Charakter

Wie definiert sich eine Person überhaupt? Welche Kriterien gibt es für den richtigen „Charakter“ und woraus besteht er? Im Laufe meiner Arbeit habe ich unendlich viele Einflüsse entdeckt, die einen Menschen ausmachen können. Ich gehe in meiner Arbeit grundsätzlich davon aus, dass es niemals möglich ist ein vollständiges oder „richtiges“ Bild einer Person zu erzeugen. Um dieser Utopie jedoch so nahe wie möglich zu kommen, habe ich mich auf folgende Aspekte meiner Charaktere konzentriert.

Der Harte KernDie moderne Psychologie geht davon aus, dass viele unserer Verhaltensweisen und daraus resultierende Probleme sich bereits in frühester Kindheit manifestieren. Traumatische Erlebnisse, die Erziehung, Erfahrungen im Kindergarten und in der Schule, sowie Spiele und Freizeitaktivitäten bilden eine innere Form, die sich im laufe unseres Lebens mit äußeren Faktoren verbindet und nur schwer zu verändern ist. Bereits hier fällt die Entscheidung, welchen äußeren Einflüsse wir überhaupt eine Rolle in unserer persönlichen Entwicklung zugestehen.

Äußere EinflüsseDiese sind z.B. das persönliche Umfeld, Freunde, Bekannte, Familie, Beruf, Hobbies, Freizeitaktivitäten, Orte, die eigene Kultur, Medien, politische Umstände und regionale Einflüsse wie Stadt oder Land.

Subjektive WahrnehmungAusgehend von unserem inneren Kern treffen wir tagtäglich Entscheidungen die unsere Persönlichkeit und unsere

Wahrnehmung beeinflussen. Wir sehen nur das was wir sehen wollen, sind getrieben von Stimmungen, Emotionen, Trends und inneren Impulsen, die sich jeden Tag verändern. Wie wir die Dinge sehen hängt nicht nur von unseren Erfahrungen und unserem inneren Kern ab, sondern verändert sich ständig. Innerhalb eines Tages unterliegen wir zahlreichen Stimmungsschwankungen die unser Bild von anderen Personen beeinflussen. Ein Fremder auf der Straße kann uns plötzlich vertraut vorkommen, oder ein Freund manchmal fremd.

ZufallEgal wie sehr wir uns bemühen, es wird immer eine Reihe von Einflüssen geben, die wir nicht kontrollieren können. Wie mit dem Butterfly-Effekt bereits oft und ausführlich beschrieben, gibt es unendlich vielfältige Situationen, die unser Leben unvorhersehbar beeinflussen können, vom Verkehrsunfall bis zum Lottogewinn.

Temporäre VeränderungenDiese meinen vor allem momentane Stimmungen. Haben wir einen guten Tag gehen wir vielleicht gern shoppen oder was trinken. Rempelt uns jemand in der Bahn an reagieren wir genervt. Diese Impulse verzerren nur für einen kurzen Augenblick unser Persönlichkeit, haben jedoch zusammengenommen einen großen Anteil an unserer Entwicklung.

Arbeitsweise

SkizzenNachdem meine anfänglichen Skizzen von Personen in der Bahn mich nicht zufriedenstellten, weil ich es nie schaffte genügend Details aufzunehmen um ein vollständiges Bild zu erschaffen, wechselte ich meine Arbeitsweise. Ich konzentrierte mich zuerst auf ein wesentliches Detail, wie zum Beispiel den Mund, die Augen, den Kragen der Jacke, bestimmte Accessoires, Schmuck, Kleidungsstücke oder das Buch, dass die Person gerade las. Nach ein paar Monaten hatte ich zahlreiche Bausteine zusammen, die ich nun komplett unabhängig voneinander evaluierte und versuchte assoziationen aufzubauen. So ergaben sich die groben Skizzen, sozusagen ein Grundgerüst oder Fundament (der innere Kern), auf dem ich meine Charaktere aufbauen wollte.

SammelnIch beobachtete meine Umgebung und fing an absolut alles zu sammeln, dass für mich mit einer Person in Verbindung gebracht werden könnte. Von der Holzplatte in meinem Zimmer, Blumen auf dem Gehweg, alten Bleistiftskizzen, Zigarettenschachteln, Papierresten, Verpackungsmaterialien, Bilder aus alten Büchern, Tapetenreste, Klebeband, Farbklekse, Fotos, Bilder aus dem Internet, Vektorgrafiken, Servietten, Muster und Formen aus Zeitschriften, Flyer, Poster, Strukturen und Texturen die ich abfotografierte, alte Siebdrucke usw. Ich wollte nichts außen vor lassen und jedem noch so kleinen Objekt die Chance geben, in das Leben meiner Charaktere einzutreteten. So wie der Zufall es oft mit uns macht.

Drucken und FeinschliffMit den fertigen Bildern am Rechner wollte ich mich immernoch nicht zufrieden geben. Auch im letzten Schritt meiner Bilder musste sich nochmals etwas verändern, so als würde ich einen neuen Abschnitt im Lebenslauf meiner „Babies“ einläuten. Ich habe also entweder das Format nochmal angepasst, Bilder mehrfach übereinander gedruckt oder mit Prägungen auf unterschiedlichen Papieren versehen.

Arbeitstechniken

Wenn ich das Gefühl hatte, ich müsste einen Wesenszug der Person auf bestimmte Art und Weise darstellen, weil die entsprechende Technik dies gut wiedergibt, musste ich sie mir aneignen. So konnte ich mich auch selbst bei der Arbeit weiterentwickeln. Es konnte für mich niemals ein abgeschlossenes Fertiges Bild geben.

* Bleistiftskizzen* Malen mit Tinte, Finelinern, Acryl, Buntstiften etc.* Collagieren von einzelnen Teilstücken (analog/digital)* Abfotografieren und erneutes Ausdrucken* Mehrfaches kopieren einzelner Farbkanäle (analog)

Experimente

Eine Arbeit entanden im Kurs 5 Sterne Illustrationvon Stefan Busch

Fachhochschule Potsdam, WS 2015Unter der Leitung von

Prof. Hans Jörg Kotulla