OPPORTUNITY: Systems Engineering – Produktentwicklung erfindet sich neu

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Systems Engineering Produktentwicklung erfindet sich neu

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Key Facts57 % der produzierenden Unternehmen sehen heute Vernetzung und Intelli- genz als technische Innovationstreiber. Sie ermöglichen smarte Produkte und Services: von Industrie 4.0 Anwendungen bis zu integrierten Mobilitätsservices.

Systems Engineering nutzt messbar dem Business: Überdurchschnittlich er-folgreiche Unternehmen erreichen ihre Qualitäts-, Kosten-, Time-to-Market- und Umsatzziele in 84 % ihrer Entwicklungsprojekte.

Systems Engineering gilt als Expertenthema in Entwicklungsprojekten, es ist aber mehr: 75 % der Unternehmen sehen darin die Managementaufgabe zur Orchestrierung der fachbereichsübergreifenden Zusammenarbeit.

Systems Engineering ist ein umfangreicher Werkzeugkasten, der für Unter-nehmen vieler Branchen geeignete Best Practices bereitstellt. Die ISO15288 bietet eine hilfreiche normative Struktur.

Systems Engineering ist in der Praxis angekommen. Ein Indikator: Die Ge-sellschaft für Systems Engineering wächst seit Jahren um 12-15 % p.a. – vor allem durch Automobilbau, Medizintechnik und Maschinenbau.

Die heutigen Organisationen und Rollen müssen in der Regel erheblich wei-terentwickelt und verändert werden. Systems Engineers dirigieren die Ent-wicklung im Projekt orthogonal zu den Fachbereichen.

Modellbasiertes Systems Engineering ist der Schlüssel zur frühen Synchroni-sierung der Fachbereiche. Im Durchschnitt erzielt jeder in die Konzeptphase investierte Euro eine Einsparung in späteren Phasen um den Faktor 3,5.

Erfolgreiche Einführungsstrategien setzen top-down die notwendigen Strukturen auf und errichten entlang eines Stufenplans überzeugende und kommunizierbare Leuchttürme.

Systems Engineers wachsen nicht auf Bäumen. Die Ausbildung an den Uni-versitäten kann den Bedarf nicht decken – die Unternehmen müssen Mitar-beiter qualifizieren und besondere Integratoren fördern.

Systems Engineering ist nicht die Revolution der Entwicklung, es ist die konsequente Evolution. 80 % der leistungsstarken Unternehmen führen eine kontinuierliche Leistungsmessung und -optimierung durch.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Die Technologietreiber in allen Branchen erfordern mehr denn je Systemverständnis.

EinleitungInteraktion und Vernetzung sind die Innovationstreiber in vielen Branchen: Vom autonomen Fahren in der Automobilindustrie über Industrie 4.0 Anwendungen im Maschinen- und Anlagen-bau bis hin zu differenzierenden Services, die eine technische Infrastruktur für Leistungserbringung und -abrechnung erfordern. Die Konsequenzen für die Produkt- und Service-Entwicklung sind erheblich: Die Systemgrenzen der Produkte und Dienstleistun-gen erweitern sich – sie werden zu interagierenden Teilen eines „system of systems“ [1], [2]. Der Begriff Systems Engineering beschreibt also die Entwicklung eines Produkts, eines Services oder einer integrierten Kombination.

Mit der Erweiterung der Produkte ändern sich häufig auch die Geschäftsmodelle der Unternehmen und die Netzwerke, in de-nen die Leistungen erbracht werden. Neue Partner werden in Entwicklung, Produktion und Betrieb eingebunden. All das muss in der Entwicklung vorgedacht werden [3].

Was ist Systems Engineering?Eine einfache Definition lautet: Systems Engineering ermöglicht die fachbereichsübergreifende Entwicklung von Produkten und Services. Es adressiert das zu entwickelnde Produkt und/oder den Service sowie das dazugehörige Projekt und die Organisa-tion. Systems Engineering ist dementsprechend ein Enabler für die komplexen Systeme von morgen.

Die Wurzeln von Systems Engineering liegen in der Luft- und Raumfahrt – hier ist es seit 40 Jahren Standard. Die große tech-nische und organisatorische Komplexität sowie die hohen regu-

Abb. 1: Vernetzung und Interaktion sind zentrale Erfolgsfaktoren in allen Branchen.

Infrastruktur- systeme

Mobilitäts- konzepte

Autonome Systeme

Vernetzte Systeme

Smart Grid/ Smart Home

Industrie 4.0

SMART GRIDS

SMARTBUILDINGS

SMART HEALTH

SMART LOGISTICS

SMART PRODUCTS

SMART MOBILITY

SMART FACTORY

Systems Engineering ist im Kern „gute Produktentwicklung“ für Produkte und Services.

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latorischen Anforderungen in der Branche erfordern ein sehr systematisches Vorgehen und den umfangreichen Einsatz von Simulations- und Testverfahren. In dieser Historie hat sich ein umfangreicher Systems Engineering Werkzeugkasten entwickelt, der heute auch für viele andere Branchen nutzbar ist.Die Studie „Systems Engineering in der industriellen Praxis“ belegt, dass, getrieben durch die zunehmende Intelligenz und Vernetzung der Produkte, dieselben Herausforderungen wie in der Luftfahrt auch im Automobilbau und im Maschinen- und An-lagenbau sichtbar werden: die Orchestrierung der disziplinüber-greifenden Zusammenarbeit, die Planungs- und Steuerbarkeit von immer komplexeren Projekten sowie die Wiederverwendung von Lösungswissen [4].

Dem stehen etablierte Strukturen, Prozesse und Werkzeuge in den F&E-Abteilungen gegenüber. Die aufreißende Lücke stellt den Bedarf an einer umfassenden und fachbereichsübergreifen-den Systembetrachtung und einer Synchronisation der Fachbe-reiche dar. Das verbindende Element ist Systems Engineering.

Abb. 3: Der Bedarf an Systems Engineering steigt stetig an.

Abb. 2: Nutzenerwartung an Systems Engineering

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Der grundsätzliche Bedarf an diesem verbindenden Element steht in der Praxis außer Frage. Die eigentliche Herausforderung ist seine Ausprägung für das jeweilige Unternehmen: ▪ Was muss es für seine Produkte von morgen beherrschen? ▪ Welches methodische und fachliche Know-how benötigt es? ▪ Welche Veränderungen ergeben sich dadurch in der Zusam-

menarbeit in Projekten und in der Organisation? ▪ Welche Verantwortungen und Machtverhältnisse verschieben

sich zwischen den Fachbereichen? ▪ Wie steuert man den Veränderungsprozess und wer muss

integriert werden?

Die OPPORTUNITY folgt diesen Fragestellungen aus Sicht eines Unternehmens und beleuchtet die entsprechenden Gestaltungs-felder: von der Definition einer individuellen Systems Engineering Strategie, über die Ausgestaltung der Kompetenzen, der Prozesse und der Organisation bis hin zur Befähigung konkreter Entwick-lungsprojekte und der Etablierung im Unternehmen.

„Marktführerschaft durch Innovation bedarf gewaltiger Anstren-gungen, die historisch getrennten Konstruktionsprozesse für Mechanik, Elektronik und Software zusammenzuführen, um effiziente Produktentwicklung zu ermöglichen und die dabei anfallenden Kosten und Projektlaufzeiten zu minimieren.“

Dirk Spindler Leiter Forschung und Entwicklung IndustrieMitglied der Geschäftleitung IndustrieSchaeffler Technologies GmbH & Co. KG

Abb. 4: Die folgenden Kapitel orientieren sich an der Einführung von Systems Engineering im Unternehmen.

Systems Engineering ist kein Patentrezept, sondern muss für jedes Unternehmen spezifisch ausgeprägt werden.

Die OPPORTUNITY folgt den Gestaltungsfeldern eines Unter-nehmens bei der Etablierung von Systems Engineering.

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Wer braucht Systems Engineering? Die Frage nach dem „Ob“ und „Wie viel“ an Systems Engineering wird durch die Positionierung des Unternehmens im Markt und im Wettbewerb getrieben – aus ihr leitet sich die Systems Engineering Strategie ab. Eine schlüssige Systems Engineering Strategie be-inhaltet vier Elemente. ▪ Ausgangssituation: Welche Kompetenzen besitzt die F&E

des Unternehmens aktuell? ▪ Leitbild und angestrebte Position: Was will das Unterneh-

men im Bereich der F&E erreichen? ▪ Strategische Kompetenzen: Welche Fähigkeiten benötigt

das Unternehmen, um die angestrebte Position zu erreichen? ▪ Maßnahmen zur Strategieumsetzung: Was muss das Unter-

nehmen konkret dafür tun?

Die Ausgangsposition lässt sich durch einen grundlegenden Abgleich der eigenen Fähigkeiten mit etablierten Normen und Standards fundiert beschreiben – zu nennen sind dabei CMMI [5] oder die Systems Engineering Norm ISO 15288 [6]. Mit einem kurzen Audit lässt sich ermitteln, welche Handlungsfelder in der Entwicklung wie gut beherrscht und gemäß Industrie-Best- Practice gelebt werden.

Die zentralen Festlegungen der Systems Engineering Strategie sind das Leitbild und die angestrebte Position (vgl. Abb. 5). Aus dem Zukunftsbild der Marktleistung und der Wettbewerbs-position lassen sich die wichtigsten Schlüsse ziehen. Die Markt-leistung beschreibt die angestrebten Märkte, das Produktportfo-lio, die Preisposition und den Umfang der eigenen Wertschöpfung bei Produkt und Service. Die angestrebte Wettbewerbsposition beschreibt die Ausprägung der eigenen Technologieführerschaft sowie Art und Umfang der Zusammenarbeit mit Partnern.

Die strategischen Kompetenzen und Maßnahmen zur Strategie-umsetzung leiten sich daraus ab und betreffen die Kompeten-zen, die Prozesse und die Organisation des Unternehmens wie eingangs erklärt.

Systems Engineering Strategie

Die Systems Engineering Strategie ergibt sich aus den zukünftigen Produkten und der Positionierung des Unter- nehmens im Wettbewerb.

Eine Standortbestimmung der Leistungsfähigkeit einer Entwick-lung lässt sich in einem schnellen Audit erreichen.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Zur Definition der eigenen angestrebten Position hilft oft der Blick auf andere Unternehmen in der eigenen Branche, aber auch auf andere Branchen, die bereits Komplexitäts- und Technologie-sprünge absolviert haben. Hier lassen sich zukünftige Bedürf-nisse antizipieren und die Wege adaptieren, die andere bereits eingeschlagen haben. Die bereits genannte Studie [4] zeigt, dass das Thema Virtualisierung der Produktentwicklung ein branchen-übergreifendes Handlungsfeld ist. Ebenso zeigt sie, dass die Luftfahrt in vielen Bereichen Lösungen geschaffen hat, die als Referenzen geeignet sind. Man kann sich also etwas abschauen.

Welchen Nutzen bringt Systems Engineering?In zahlreichen Studien wurden empirische Analysen von über 150 vergleichbaren Projekten durchgeführt, um herauszuarbeiten, welche Effekte Systems Engineering auf die Projektarbeit und die Ergebnisse hat [7], [8], [9], [10].Die Frage nach dem Effekt lässt sich klar beantworten: Alle Studi-en belegen den positiven Einfluss von Systems Engineering auf die Leistung des Projekts und des Projektergebnisses, was sich beispielsweise an einer besseren Planungsgenauigkeit und ge-ringeren Budgetüberschreitungen erkennen lässt. Die Effekte schwanken je nach Projektkomplexität und Art und Umfang des Systems Engineering Einsatzes. Jeder Euro, der in der Anfor-derungs- und Konzeptdefinition eingesetzt wird, zahlt sich im Durchschnitt durch weniger Änderungen und Fehlerkorrek-turmaßnahmen in späteren Phasen um den Faktor 3,5 aus.

Abb. 5: Beispiel für die Formulierung eines Leitbilds

Trends in anderen Branchen neh-men Entwicklungen oft vorweg und geben Orientierung für die Zukunft.

Systems Engineering schlägt sich, empirisch belegt, in einer besseren Projektperformance nieder.

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Der Anteil der Projekte mit erheblichen Abweichungen von der Planung lässt sich in der Regel um etwa 40 Prozent reduzieren. Das liegt vor allem an einer fundierten technischen Konzeption, der Vereinbarung von klaren Schnittstellen und an einer struktu-rierteren Durchführung. Wie bei jedem anderen Projekt mit dem Ziel einer Optimierung interner Abläufe und der Leistungssteigerung der Organisation gilt es auch bei der Einführung von Systems Engineering, eine begleitende Erfolgskontrolle zu implementieren. Dabei hat sich die Erhebung von Leistungskennzahlen auf drei Ebenen bewährt: auf der Ebene der einzelnen Projekte, auf der Ebene der Prozes-se und auf der Ebene des Gesamtunternehmens. Primär sollten Kennzahlen genutzt werden, die zur Führung von Projekten und des Geschäfts verwendet werden und für die sich Verantwortliche finden lassen.

Die UNITY-Projekterfahrungen zeigen neben signifikanten Ver-änderungen dieser Daten weitere positive Effekte, die sich zeit-verzögert ergeben. Dazu gehören eine verbesserte Kultur der Zusammenarbeit, eine höhere Produktqualität, reduzierte Quali-tätskosten und letztlich eine erhöhte Kundenzufriedenheit.

Abb. 6: Der Nutzen von Systems Engineering kann durch entsprechende Leistungskennzahlen gemessen werden.

„Durch den Einsatz von Systems Engineering bei der Produkt-definition und die konsequente Nutzung der Methodik im Ent-wicklungsprojekt konnten wir die Entwicklungszeit von fünf auf dreieinhalb Jahre verkürzen.“

Technischer LeiterUnternehmen der Gebäudetechnikbranche

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Was ist die Aufgabe eines Systems Engineers?Systems Engineering kann man gut mit dem Bild eines Orches-ters darstellen: Jedes Orchester braucht einen Dirigenten, der die Musiker und damit die einzelnen Instrumente steuert und kreativ zum Erfolg führt. Aber was leistet ein Dirigent? Steht er doch nur da und trägt mit keinem Ton zum Stück bei – könnte das nicht der Intendant übernehmen, der Budget, Marketing und Zeitpunkt der Aufführung verantwortet? Das funktioniert sicher nicht.

Der Systems Engineer ist der Dirigent. Er koordiniert die inter-disziplinären Teams mithilfe von Prozessen und Methoden, wägt interne Projektrandbedingungen mit Kundenanforderungen ab, sodass ein erfolgreiches Produkt oder eine Dienstleistung ent-steht. Die zunehmende Komplexität, der Innovationsdruck, der Trend zu verteiltem Arbeiten und der wachsende Anteil zugekauf-ter Komponenten und Dienstleistungen erfordern einen Akteur, der das technische Gesamtbild sicherstellt. Er muss die wesent-lichen Zusammenhänge und Wirkungen zwischen den Fach-bereichen über alle Phasen des Produktlebenszyklus hinweg überblicken, nachvollziehbar darstellen und so begründen, dass die Geschäftsleitung fundierte Entscheidungen treffen kann.

Die drei Aufgabenkomplexe des Systems Engineers werden im Folgenden genauer erklärt:1. Der Systems Engineer ist verantwortlich für die technische

Lösung und dirigiert das Orchester im Projekt, um das beste Ergebnis zu erreichen.

2. Der Systems Engineer dirigiert die Arbeiten der einzelnen Fach- experten – sowohl im Einzelprojekt als auch bei der Implemen-tierung von internen Standards der Zusammenarbeit.

3. Der Systems Engineer sorgt für die Wiederverwendung von etablierten technischen Lösungen und bringt die „Noten“ mit.

In kleineren Projekten ist der Dirigent Projektleiter und Systems Engineer in einer Person. Bei großen Projekten ist die Verant-wortung für Projekt und Produkt bzw. System geteilt. Projektleiter und Systems Engineer interagieren als Team mit unterschied-lichen Verantwortungsschwerpunkten. Die inhaltlichen Entwick-lungsaufgaben werden in der Regel durch den Systems Engineer

Kompetenzen

Der Systems Engineer ist der Dirigent der unterschiedlichen Disziplinen bei der Entwicklung komplexer Systeme.

Systems Engineering organisiert die Zusammenarbeit der Fachex-perten in Projekten – und etabliert Spielregeln und Standards in der Organisation.

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geführt, die Projektsteuerung nach Zeit und Aufwand durch den Projektleiter. Viele Themen wie Entscheidungsvorbereitung und -umsetzung, Risikomanagement etc. müssen gemeinsam bear-beitet werden.

Die Verantwortlichen für das Systems Engineering sind zumeist auch die treibende Kraft bei der Veränderung von Prozessen und Zusammenarbeitsmodellen im Unternehmen. Sie können die Be-dürfnisse in Projekten erkennen und davon ausgehend Methoden und Prozesse weiterentwickeln.

Gerade in global verteilten Kontexten spielen die Öffnung der Prozesse für weitere Beteiligte und die Standardisierung von kollaborativen Arbeitsweisen eine wichtige Rolle. Dasselbe gilt für die Etablierung von Produktstandards. In großen Organisationen weiß A oft nicht, was B bereits entwickelt hat. Sys-tems Engineers können über Projekte hinweg Brücken schlagen sowie die Einhaltung von Gestaltungsregeln und die Nutzung von Baukästen sicherstellen. Gerade hier ergeben sich große Kosten-einsparpotenziale, beispielsweise durch die Wiederverwendung derselben Lösungen – z.B. in für den Kunden „unsichtbaren“ und nicht entscheidungsrelevanten Antriebskomponenten einer Ma-schine.

Abb. 7: Die Aufgabenverteilung zwischen Systems Engineer und Projektleiter

Der Systems Engineer ist zentra-ler Player im Entwicklungsprojekt als Partner des Projektleiters.

Systems Engineering ist verant-wortlich für die Etablierung von Standards der fachbereichsüber-greifenden Zusammenarbeit in Produkten und Prozessen.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Was muss ein Systems Engineer können?In Vorreiter-Branchen haben sich Systems Engineers auf allen Ebenen des Systems etabliert. Wichtig ist dabei immer eine Kombination aus Managementfähigkeiten und technischem Ver-ständnis. Da der Systems Engineer die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus eines Produkts übernimmt, muss er alle Phasen bedenken und bleibt im Idealfall auch später immer für das Produkt technisch verantwortlich.

Die Befragten der Studie zum Systems Engineering in der indus-triellen Praxis [4] bestätigen, dass sich die Aus- und Weiterbil-dung weiterentwickeln und mehrere Qualifikationen bei den Mitarbeitern der Entwicklung sicherstellen muss. Gefragt sind im Wesentlichen drei Schwerpunkte: ▪ (D) Design Know-how in einer spezifischen Fachdisziplin

bzw. in einem Anwendungsfeld – „Wissen in der Tiefe“ ▪ (SE) Systems Engineering Know-how, d.h. Gesamtverständ-

nis für den Produktentstehungsprozess – „Wissen in der Breite“ ▪ (PM) Projektmanagement Know-how und Soft Skills wie

Kommunikation, Führungsstärke etc.

Dabei gilt nicht dasselbe Anforderungsprofil für jeden Systems Engineer. Dies ist abhängig von den Aufgaben und der Verant- wortung. Wer die Verantwortung für ein komplexes System als Chief Systems Engineer trägt, benötigt mehr Projektmanage-ment- und Systems Engineering-Kompetenz als der für ein

Abb. 8: Entsprechend der Verantwortung in den verschiedenen Ebenen der Produktstruktur werden in einem Systems Engineering Projekt unterschiedliche Kompetenzprofile benötigt.

Systems Engineers verfügen über Fach-Know-how und über Managementkompetenz.

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Sub-System zuständige Systems Engineer. Der fachspezifische Entwickler muss ebenfalls über das Grundverständnis eines Systems Engineers verfügen, sein Schwerpunkt liegt aber auf dem Design-Know-how.

Wie werden Systems Engineers ausgebildet?Die Systems Engineers von morgen werden derzeit an den Universitäten ausgebildet. Immer mehr Studiengänge mit einzel-nen Systems Engineering Inhalten oder konsequenten Curricula entstehen. Bis die Absolventen jedoch in der Industrie angekom-men und die notwendige Praxiserfahrung und das Anwendungs-wissen erworben haben, kann die Deckung des Bedarfs nur über die Weiterqualifizierung der vorhandenen Mitarbeiter erfolgen. Es gilt also, den erfahrenen Entwicklern mit ihrer (D)-Kompetenz die ergänzenden Fähigkeiten in den Kategorien (SE) und (PM) zu vermitteln.

Die Mitarbeiterqualifizierung kann prinzipiell auf zwei Wegen erfolgen: ▪ über allgemeine Schulungen unabhängiger Anbieter oder ▪ über unternehmensspezifische Schulungs- und Qualifizie-

rungsprogramme.

Im ersten Fall werden Schulungen bei Schulungsanbietern ge-bucht. Sie vermitteln Systems Engineering Inhalte entsprechend der ISO 15288 [6]. Die Schulungen stellen eine Wissensbasis her, vermitteln einen gemeinsamen Wortschatz, Standardmethoden und -prozesse.

Je spezifischer das zu vermittelnde Wissen ist, desto sinnvoller sind unternehmensspezifische Seminare oder sogar unterneh-mensspezifische Schulungsprogramme. Sie haben den Vorteil, neben den individuellen Begriffen und Prozessen auch die ei-genen Beispiele nutzen zu können. Sie zeigen den Mitarbeitern darüber hinaus einen Entwicklungspfad für Qualifizierung und Karriere auf.

Systems Engineers müssen in der Regel durch Personalentwick-lung selbst qualifiziert werden.

Eine Basisqualifikation erfolgt über Schulungsanbieter. Größere Unternehmen definieren individu-elle Entwicklungspfade und unter-nehmensspezifische Programme.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Wie unterscheiden sich die Zertifizierungsoptionen?Es gibt zwei Optionen zur Zertifizierung von Personen im Kontext Systems Engineering: die deutsche nach den Regeln der Ge-sellschaft für Systems Engineering (GfSE) und die internationa-le des International Council on Systems Engineering (INCOSE). Inhaltlich sind sie vergleichbar, jedoch unterschiedlich in Spra-che, Vermittlung, Dauer und Prüfung. Die folgende Tabelle zeigt die Voraussetzungen und Modalitäten für die Zertifizierung eines Systems Engineers nach beiden Systemen.

Abb. 9: Möglichkeiten der berufsbegleitenden SE-Weiterbildung

Abb. 10: Modalitäten für die zwei möglichen SE-Zertifizierungswege

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Der Best Practices WerkzeugkastenEin Großteil der Komplexität der Entwicklungsprojekte ergibt sich aus ihrer Interdisziplinarität: Software, elektrische, elektronische und mechanische Anteile der Produkte bringen unterschied-liche Entwicklungszyklen und Vorgehensweisen mit sich. Agile Softwareentwicklung trifft auf Prototypenbau und Service-Ent-wicklung – und damit auf unterschiedliche Reifegrade und Pro-zesse innerhalb eines Teams. Im Entwicklungsprozess gilt es, die Arbeiten auf definierte Punkte und aussagekräftige Stände zu synchronisieren und interdisziplinär zu managen.

Dafür gibt es drei entscheidende Erfolgsfaktoren:1. Systematische KonzeptphaseIm Projekt gilt es, die Kernfragen und -herausforderungen früh-zeitig zu identifizieren und sofort in Angriff zu nehmen. Empirische Untersuchungen belegen, dass die Anwendung des Systems Engineering in den frühen Phasen immer eine gute Investition ist.

2. Kontinuierliche AbsicherungIn der Praxis ergibt sich ein ständiges Aufbauen von virtuellen und Hardware-Prototypen, Demonstratoren und Mustern mit ver-schiedenen Reifegraden für unterschiedliche Zwecke. Gerade in Verbindung mit der parallelen Konzeption von Services und In-frastrukturbausteinen bei Produkt-Service-Kombinationen steigt der Bedarf an systematischen und geplanten Absicherungen des Gesamtsystems.

3. Betrachtung des gesamten ProduktlebenszyklusEin Weitergeben ausgearbeiteter Strategien in die Entwicklung und von Lösungen der Entwicklung in die Produktion ist die be-kannte schlechte Lösung. Stattdessen müssen im gesamten Team und in Verantwortung des Systems Engineers Konzepte ausgearbeitet werden, die die Durchgängigkeit der Aufgaben-bearbeitung und eine einheitliche Sprache über die Abteilungen hinweg gewährleisten.

Folglich müssen Unternehmen ihre Abläufe und Arbeitsweisen konsequent aufeinander abstimmen und Standards etablieren. Der UNITY Systems Engineering Werkzeugkasten stellt eine

Prozesse

Der systematische und gezielte Einsatz von SE-Methoden ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Entwicklung.

Der Fokus des Systems Enginee-ring liegt auf einer gründlichen fachbereichsübergreifenden Kon-zeptphase, einer kontinuierlichen Absicherung und der Betrachtung des kompletten Produktlebens-zyklus.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Basis für eine solche Implementierung im Unternehmen dar. Er setzt sich unter Nutzung der ISO15288 aus den drei Ebenen „Organisatorische Prozesse“, „Technische Prozesse“ und „Leis-tungsbewertungsprozesse“ zusammen.

Organisatorische ProzesseEin Chief Systems Engineer kann eine eigene Organisation von Mitarbeitern führen (siehe Kapitel Organisation). Sie verantwortet den Systems Engineering Management Plan (SEMP). Dieser beschreibt die technische Projektsicht auf Planung und Steuerung, Ressourcen, eingesetzte Technologien und deren Risiken. Diese Aktivitäten sind mit dem Produktentwicklungsprozess und den einzelnen Gates des führenden Projekt Management Plans syn-chronisiert und beschreiben die Aktivitäten und Lieferumfänge

Abb. 11: Der UNITY Systems Engineering Werkzeugkasten bestehend aus organisatorischen Prozessen, technischen Prozessen und Leistungsbewertungsprozessen.

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der technischen Entwicklung im Projekt.Wesentliche Elemente des Informationsmanagements sind die Festlegung der für das Projekt genutzten IT-Infrastruktur, der Kommunikationswege, der Formblätter und der Datenverwal-tung. Speziell in den verteilt arbeitenden und in Kooperationen realisierten Projekten ist eine Harmonisierung der Prozesse, Methoden und Austauschformate zwingend erforderlich, um eine stabile Arbeitsumgebung langfristig sicherzustellen.

Ein Schlüsselbaustein der organisatorischen Prozesse ist die Vereinbarung des Konfigurationsmanagements für das Projekt und das Produkt. Es beinhaltet damit auch das Änderungsma-nagement über den gesamten Lebenszyklus, d.h. die Steuerung von Änderungen während der Entwicklung, im Betrieb und bei der Wartung einzelner Serien oder sogar einzelner Auslieferungen.

Im Baustein Entscheidungsmanagement finden sich Metho-den zur Vorbereitung von Entscheidungen auf den einzelnen Hierarchieebenen und für die Bereiche Make-or-Buy, Vergleichs-studien, Wertanalyse oder Design-to-Cost.

Technische ProzesseIm Anforderungsmanagement werden alle Kundenbedürfnisse gesammelt und in nachweisbare Anforderungen übersetzt. Die Anforderungen werden soweit wie möglich direkt mit den Betrof-fenen validiert. Durch eine rückverfolgbare Dokumentation kön-nen Anforderungsänderungen, das Hinzufügen neuer sowie das Löschen alter Anforderungen auf die Ebenen des Produkts und die beteiligten Teams und Partner heruntergebrochen werden.

Abb. 12: Nutzen eines konsequenten Anforderungsmanagements

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Für alle Anforderungen erfolgt eine Planung der Maßnahmen zur Verifikation und Validierung. Konsequenterweise werden Pla-nung und Nachweisführung über alle Ebenen der Produktstruktur durchgeführt, um sowohl die horizontale als auch die vertikale Konsistenz von Anforderungen und Resultaten sicherzustellen.

Parallel zum Anforderungsmanagement werden die Architek-turentwicklung und eine funktionale Gestaltung des Systems durchgeführt. Dabei können bestehende Architekturen und Funk-tionsspezifikationen wiederverwendet werden, da sie generisch sind und keine explizite Lösungsfestlegung beinhalten. In der Ar-chitektur werden optimale Schnittstellen unter Betrachtung des geplanten Produktprogramms mit allen seinen Varianten festge-legt. Dies ist die Grundlage für Make-or-Buy-Entscheidungen und die Ausprägung einer Modul-, Plattform- oder Baukastenstrategie.

Die funktionale Gestaltung wird in Form von Funktionsbäumen, Blockdiagrammen etc. dokumentiert und unterstützt ein lösungs-neutrales Herangehen an die Entwicklungsaufgabe und das Treffen von Konzeptentscheidungen. Die Prüfung der Architektur und des funktionalen Modells im Hinblick auf die Anforderungen stellt sicher, dass alle Anforderungen berücksichtigt und an de-finierter Stelle im System umgesetzt werden. Sowohl Über- als auch Unterspezifizierung werden vermieden. Die funktionalen Modelle lassen sich über den Lebenszyklus hinweg für verschie-dene Optimierungsmethoden nutzen.

Das Schnittstellenmanagement betrachtet neben den tech-nischen Schnittstellen im System auch die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Sie rückt die Akzeptanz des Service- und Wartungs-personals in den Fokus, was die Zugänglichkeit und Einfachheit der Bedienung betrifft.

Unter Sicherheit sind die Maschinenrichtlinie oder andere bran-chenspezifische Regularien zur Produkthaftung und Health & Safety-Analysen aus zulassungsrelevanter Sicht zusammenge-fasst. Immer von Bedeutung sind die sogenannten RAM-Design-kriterien (Reliability, Availability, Maintainability), die die Zuver-

Verifikation: You built the thing right. Validierung: You built the right thing.

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lässigkeit, Verfügbarkeit und Wartbarkeit der Lösung bewerten.LeistungsbewertungsprozesseBegleitend zum Entwicklungsvorgehen findet eine Leistungs-messung mithilfe von Kennzahlen statt. Sie beziehen sich auf die Projektperformance (Key Performance Indicators, wie z.B. die Freigabe von Bauunterlagen und die Erreichung von Meilen-steinen) und technische Performance (Technical Performance Measures, wie z.B. Gewichts- oder Leistungsziele aus den An-forderungen). Ein sofortiger Beginn der Messung von Projekt und Produkt ist notwendig, um umsetzungsbegleitend Abweichungen zu erkennen und ggf. nachsteuern zu können. Reviews und Audits stellen die Prozesskonformität der Arbeit sicher.

Im Baustein Simulation gewinnt das Model-Based Systems Engineering (MBSE) zunehmend an Bedeutung. Es dient dazu, Konzeptalternativen mit vertretbarem Aufwand und genügender Genauigkeit virtuell aufzubauen, zu bewerten und zu vergleichen. Dabei werden abstrahierte Modelle erstellt, mit denen im Abgleich mit den Anforderungen schnelle Einflussanalysen durchgeführt und eine frühe Verifikation des gesamten Konzepts visualisiert werden können. Die einmal definierten Verifikationsanforderun-gen lassen sich über den Model-Based Systems Engineering Ansatz sowohl in den Testfällen bei der Simulation als auch bei der Integration von Komponenten bis zur Gesamtsystemebene in Hardwaretests wiederverwenden. Model-Based Systems En-gineering erweitert in der Folge die Ansprüche an ein integriertes Datenmanagement und die IT-Bebauung zur Unterstützung der Systems Engineering Prozesse.

Abb. 13: Model-Based Systems Engineering schließt die Kette zwischen virtueller und Hardware-basierter Absicherung.

Model-Based Systems Engineering erzeugt in Reviews mit dem Management einen hohen Reifegrad.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Wo ist der Systems Engineer organisatorisch verankert?Aus den Aufgaben des Systems Engineering ergeben sich in gro-ßen Unternehmen die Anforderungen an eine organisatorische Verankerung: ▪ Positionierung nah an der Verantwortung für Business und

Arbeitsergebnis der Produktentwicklung ▪ Organisatorische Trennung von Projektmanagement und Sys-

tems Engineering ▪ Organisatorische Trennung von Systems Engineering und ein-

zelnen Fachbereichen ▪ Etablierung des Systems Engineers auf Augenhöhe mit seinen

Prozesspartnern

Für die Umsetzung einer Systems Engineering Organisation gibt es verschiedene Blue Prints, die auf die individuellen Rahmen-bedingungen adaptiert werden können. Welche Ausprägung der Organisation von einem Unternehmen gewählt wird, hängt einer-seits davon ab, welche Aufgaben die Organisation erfüllen muss und welche bereits in bestehenden Unternehmenseinheiten ver-ankert sind. Andererseits ist diese Ausprägung abhängig von den Merkmalen des Unternehmens selbst – also Unternehmensgröße und -kultur, Produkt- und Projektspektrum etc. Die Schaffung einer Organisation, die sich um die inhaltliche Steuerung von Entwicklungsprojekten, aber auch um die Stan-dardisierung der fachbereichsübergreifenden Zusammenarbeit kümmert, ist im internationalen Kontext oft der Schlüssel für erfolgreiche Entwicklungsprojekte.

Abb. 14: Die organisatorische Verankerung des Systems Engineer am Beispiel eines Großunternehmens

Systems Engineering ist dem Top- Management verpflichtet. Es stellt die Balance zwischen Projekt- und Unternehmenszielen her.

Systems Engineering erfordert eine unternehmensindividuelle Ausgestaltung – „von der Stange“ funktioniert hier nicht.

Organisation

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Wie führt man Systems Engineering in einem Unternehmen ein?Ist die angestrebte Systems Engineering Strategie geklärt und die grobe Ausgestaltung in den Bereichen Kompetenzen, Prozesse und Organisation definiert, stehen Unternehmen vor der großen Herausforderung, ihre Organisation erfolgreich auf dem Weg dorthin zu begleiten. Die Einführung von Systems Engineering ist in den Entwicklungsbereichen oft mit einem deutlichen Wandel verbunden, daher ist es notwendig eine Einführungsstrategie zu wählen, die diesen Anforderungen gerecht wird.

Generell existieren verschiedene Ansätze, um neue Prozesse, Systeme oder Methoden in Unternehmen einzuführen. Die Extre-ma sind eine Top-down- bzw. eine Bottom-up-Strategie. Sie sind jedoch für eine Systems Engineering Einführung nicht geeignet. Vielmehr muss auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig angesetzt werden, dabei hat sich vor allem die bipolare Strategie bewährt.

Es hat sich gezeigt, dass für eine erfolgreiche Einführung von Systems Engineering die Unterstützung durch das Top-Manage-ment essenziell ist. Neben dieser Unterstützung empfiehlt es sich, konkrete Pilotprojekte auszuwählen, in denen neue Methoden, Prozesse und Rollen erprobt werden. Systems Engineering ist kein Patentrezept, sondern muss unternehmensspezifisch aus-gestaltet werden. Dieses Tailoring für ein Unternehmen lässt sich über ebendiese Pilotprojekte durchführen. Dabei ist es notwen-dig, dass das Linien- und Projektmanagement hinter dem Einsatz von Systems Engineering in diesem Pilotprojekt stehen.

Projektbefähigung

Abb. 15: Unterschiedliche Einführungsstrategien – nicht alle sind für Systems Engineering geeignet

Die Einführung von SE erfordert konsequente Managementunter-stützung.

Mit Pilotprojekten erzeugt man schnelle Erfolge und bezieht die Organisation ein.

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Doch welche Projekte sollen Unternehmen für eine Einführung wählen? Dabei sind zwei wesentliche Aspekte zu beachten:1. Das Projekt stellt eine besondere Herausforderung dar, bei-

spielsweise weil mit Einsatz einer neuen Technologie die Zusammenarbeit mit zusätzlichen Abteilungen oder Partner-unternehmen notwendig wird.

2. Das Projekt befindet sich für das Unternehmen auf der höchs-ten Systemebene und eignet sich zur Erprobung von Effizienz-steigerungen.

Wie lässt sich die Einführung planen?Die Umsetzung der Einführungsstrategie lässt sich pragmatisch in einer Systems Engineering Roadmap festhalten. Sie beschreibt die Maßnahmen der Einführungsstrategie in verschiedenen Ge-staltungsfeldern und in verschiedenen Stufen. Dabei sind folgen-de Fragen zu beantworten: ▪ Wie werden die Organisation und neue Rollen etabliert? ▪ Wie werden die Mitarbeiter befähigt und die notwendigen

Kompetenzen aufgebaut? ▪ Welche Prozesse und damit Methoden, Werkzeuge und IT-

Systeme sind geeignet und müssen weiterentwickelt oder neu eingeführt werden?

▪ Wie können Partner oder Lieferanten eingebunden werden? ▪ Welche Projekte eignen sich für ein „Erproben“ der neuen

Organisation und Prozesse? ▪ Welche internen und externen Gremien können zum Aus-

tausch und Marketing genutzt werden?

Als Pilotprojekte eignen sich Entwicklungsprojekte mit beson-deren Herausforderungen.

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Was sind die Erfolgsfaktoren für den Wandel?

1. VeränderungsmanagementSystems Engineering modifiziert die Arbeitsweise in Projekten und die Verantwortlichkeiten teilweise deutlich und stellt oft auch einen Kulturwandel innerhalb der Entwicklung dar. Daher ist eine professionelle Begleitung dieser Veränderung notwendig. Insbe-sondere die Planung und Koordination der Aktivitäten innerhalb der Roadmap ist unter den Gesichtspunkten des Veränderungs-managements zu gestalten.

Abb. 16: Beispiel für eine Systems Engineering Roadmap

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

Das Modell nach Kurt Lewin beschreibt die Phasen, die eine Veränderung charakterisieren. In der ersten Phase „Unfreeze“ gilt es, die Bereitschaft zur Veränderung zu fördern. Bei einer Systems Engineering Einführung sind hier insbesondere die Möglichkeiten von Systems Engineering zu verdeutlichen und einzelne Mitarbeiter zu qualifizieren. In der zweiten Phase „Move/Change“ werden dann erste Pilotprojekte durchgeführt und Me-thoden und veränderte Rollen ausprobiert. Die Beteiligten erken-nen dabei den Mehrwert und Nutzen von Systems Engineering. Die dritte Phase „Freeze“ dient der Stabilisierung des Zustands, hier liegt der Fokus darauf, die Änderungen auch konsequent zu leben. Ein wichtiger Erfolgsfaktor hierbei ist, den Erfolg durch Systems Engineering zu messen und zu kommunizieren.

2. RolloutDer Prozess zur Einführung von Systems Engineering in einem Unternehmen erstreckt sich erfahrungsgemäß über mehrere Jahre und erfolgt in unterschiedlichen Stufen. Um diesen langen Rollout erfolgreich zu meistern, müssen die Aktivitäten genau geplant und gesteuert werden.

3. UmsetzungscontrollingEin wichtiger Erfolgsfaktor ist das Umsetzungscontrolling, das ein konsequentes Realisieren der geplanten Umfänge und dabei auch die Leistungssteigerung verfolgt. Dazu müssen geeignete Kennzahlen in den Prozessen und Projekten definiert und deren Entwicklung beobachtet werden. So lassen sich positive Trends erkennen und Schwung in die nächsten Umsetzungsschritte bringen.

Abb. 17: Die drei Phasen der Veränderung nach Kurt Lewin [11]

In den Veränderungsprozess werden alle Mitarbeiter einbe-zogen. Eine Aktivierung der Veränderungsbereitschaft und die Begleitung schwieriger Projekt-phasen sollten von vornherein im Umsetzungsplan berücksichtigt werden.

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24 ▪ SYSTEMS ENGINEERING

Automobilhersteller: Nutzenbewertung von Systems Engineering Analyse und Bewertung des SE-Nutzens anhand von Pilotumfängen in der kollaborativen Produktentwicklung; Ableitung von strategischen SE-Handlungsfeldern und Abstimmung einer Roadmap

Windenergie: Strategische Planung von SE-StrukturenDurchführung eines Systems Engineering Audits; Konzeption der Ein-führung von Systems Engineering bei einem internationalen Windkraft-anlagenhersteller bezogen auf Organisation, Prozesse und Methoden

Nutzen

Die Produktentwicklung steht vor einer neuen Komplexitätsstufe, die Unternehmen mit Systems Engineering erfolgreich bewältigen können. Systems Engineering bietet Struktur und Methodik für Unternehmen: es führt u.a. zu einer besseren Planungsgenauig-keit in Projekten, zu geringeren Kosten und einer höheren F&E Produktivität. Die erfolgreiche Einführung von Systems Enginee-ring im Unternehmen setzt eine klare Strategie voraus und basiert auf der zielgerichteten Ausarbeitung auf den Ebenen Kompeten-zen, Prozesse und Organisation. Als Startpunkt empfiehlt sich ein neutrales Audit zur Bestimmung der individuellen Bedarfe.

UNITY begleitet Unternehmen bei der individuellen Zusammen-stellung ihres Systems Engineering Werkzeugkastens und der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter. Zahlreiche Kundenprojekte bele-gen die umfassende Systems Engineering Expertise von UNITY. Jedes Projekt fokussiert einen der folgenden Nutzenaspekte:

Fazit

UNITY-Expertise

UNITY-Referenzen: Systems Engineering

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SYSTEMS ENGINEERING ▪ 25

FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

UNITY-Referenzen: Systems Engineering

Medizintechnik: Projektgetriebene OrganisationsentwicklungIntegrierte Entwicklung von Produkt und Produktionssystem für ein neues Produkt; projektbegleitende Definition von Best Practices zur Weiterentwicklung der Prozesse und Organisation

Maschinen- und Anlagenbau: Integrierte Produkt- und Produkti-onssystementwicklungIntegrierte Entwicklung von Produkt und Produktionssystem für ein neues Produkt; Coaching des internen Projektleiters in SE-Aufgaben und Sicherstellung der Qualitäts-, Zeit- und Kostenziele

Automobilzulieferer: Einführung, Zertifizierung von SE-ProzessenSE-Audit und anschließende Harmonisierung der Entwicklungspro-zesse eines internationalen Unternehmens. Optimierung der Systems Engineering Prozesse und Zertifizierung nach CMMI

Automobilhersteller: Prozess- und IT-Bebauung SEFachbereichsübergreifende IT-Bebauung für Systems Engineering; Definition von Stufenplänen zur Steigerung der Prozessreife und der Nutzung in Fahrzeugprojekten

Luftfahrt: Definition der End-to-End-Prozesse für ein ziviles Luft-fahrtprogramm Sicherstellung transparenter Abläufe in einem internationalen Groß-projekt und Unterstützung des Prozessrollouts inklusive Rolloutsteue-rung und Performancemessung

Gebäudetechnik: Verbesserung internationaler ZusammenarbeitAudit der aktuellen Prozesse, Methoden, Tools im Systems Enginee-ring; Harmonisierung und Schulung der Arbeitsweisen unter Berück-sichtigung lokaler und kultureller Randbedingungen

Automobilzulieferer: Konzeption des SE-SchulungsprogrammsErstellung eines unternehmensspezifischen Schulungsprogramms mit zertifizierbaren Standardbausteinen nach INCOSE sowie individuellen Beispielen und Trainingsbausteinen

Nutzen

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26 ▪ SYSTEMS ENGINEERING

Literatur[1] acatech – Deutsche akaDemie Der technikwissenschaften:

Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, April 2013

[2] Gausemeier, J. et al.: Auf dem Weg zu Industrie 4.0: Lösungen aus dem Spitzencluster it´s OWL, April 2014

[3] münchner kreis e. V.: Innovationsfelder der digitalen Welt. Bedürfnisse von übermorgen, April 2013

[4] unity aG, heinz nixDorf institut, fraunhofer iPt: Systems Engineering in der industriellen Praxis, 2013 (Kostenfrei erhältlich unter www.unity.de/studien)

[5] chrissis, m. B., konraD, m., shrum, s.: CMMI. Richtlinien für Prozess-Integration und Produkt-Verbesserung, 2009

[6] ISO/IEC 15288:2008. Systems and software engineering – System life cycle processes

[7] elm, J. P.: A Study of Systems Engineering Effectiveness: Building a Business Case for SE, 2011

[8] honour, e. c.: Understanding the Value of Systems Engi-neering, 2004

[9] ValerDi, r.; Boehm, B.: The ROI of Systems Engineering: Some Quantitative Results, 2007

[10] aBerDeen GrouP, inc.: The Mechatronics System Design Benchmark Report – Coordinating Engineering Discipline, 2006

[11] Vahs, D.; weianD, a.: Workbook Change Management, 2010

Die Autoren dieser Ausgabe:

Dr.-Ing. Daniel SteffenSenior Manager

Sven-Olaf Schulze Senior Experte

Franz GauppBerater

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FAKTEN FÜR ENTSCHEIDER

UNITY ist seit über 15 Jahren etablierter Partner im Bereich Produktentstehung in der Automobilindustrie, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Luftfahrt und vielen weiteren Branchen. Wir sind Mitglied der Gesellschaft für Systems Engineering und unterstützen unsere Kunden bei der Etablierung der Systems Engineering Kompetenzen, die sie für die Entwicklung komplexer, innovativer Produkte und Dienstleistungen in globalen Partner-netzwerken benötigen. Unsere Beratungsleistungen umfassen sowohl die Ausgestaltung der Organisation, der Prozesse und der IT-Systeme als auch die Umsetzungsbegleitung in Entwicklungsprojekten durch Schu- lungen und das Coaching ihrer Mitarbeiter. Unsere Kunden pro-fitieren von etablierten Standards und branchenübergreifenden Best Practices.

„OPPORTUNITY – Fakten für Entscheider“ erscheint zweimal pro Jahr und infor-miert Unternehmer bran-chenübergreifend zu ak-tuellen Trendthemen. Ziel der Publikationsreihe ist es, Entscheidungsträgern einen kurzen, prägnanten Über-blick zu diesen zu geben.

Ihr Ansprechpartner:Matthias SchwarzenbergTel.: +49 2955 [email protected]

Über UNITY

Dr. Ulrich Deppe Partner Tel.: +49 2955 743-275 [email protected]

Dr. Dominik Freund Geschäftsfeldleiter Tel.: +49 2955 743-253 [email protected]

Jörg Greitemeyer Senior Geschäftsfeldleiter Tel.: +49 2955 743-257 [email protected]

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Dr.-Ing. Frank Thielemann Mitglied des Vorstands Tel.: +49 2955 743-211 [email protected]

Philipp Wibbing Partner Tel.: +49 2955 743-440 [email protected]

Michael Wolf Partner Tel.: +49 40 600988-11 [email protected]

Dieter Schatz Geschäftsführer UNITY Schweiz AG Tel.: +41 44 22010-08 [email protected]

Sven-Olaf Schulze Senior Experte Tel.: +49 40 600988-281 [email protected]

Dr.-Ing. Daniel Steffen Senior Manager Tel.: +49 2955 743-453 [email protected]

Dr.-Ing. Alexander Suhm Partner Tel.: +49 89 1301006-512 [email protected]

Ihre Ansprechpartner:

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KairoB 115, Smart Village12577 Giza, Kairo, Ägypten

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