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FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR WINDENERGIE UND ENERGIESYSTEMTECHNIK IWES OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE REGELLEISTUNGSERBRINGUNG DURCH ERNEUERBARE ENERGIEN KURZSTUDIE IM AUFTRAG DES BUNDESVERBANDES ERNEUERBARE ENERGIE E.V. UND DER HANNOVER MESSE

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F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R W I N D E N E R G I E U N D E N E R G I E S Y S T E M T E C H N I K I W E S

OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE REGELLEISTUNGSERBRINGUNG DURCH ERNEUERBARE ENERGIEN

KURZSTUDIE IM AUFTRAG DES BUNDESVERBANDES

ERNEUERBARE ENERGIE E.V. UND DER HANNOVER MESSE

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Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie

e.V. und der Hannover Messe realisiert. Die Verantwortung für den Inhalt der Studie liegt bei dem Autor.

Auftraggeber:

Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)

Hannover Messe

Auftragnehmer:

Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES)

Bereich Energiewirtschaft & Netzbetrieb

Königstor 59

34119 Kassel

www.iwes.fraunhofer.de

Autor:

Malte Jansen

[email protected]

+49 (0)561 / 7294 - 465

Copyright:

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ähnlichen Weg und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei nur auszugsweiser

Verwertung dem Fraunhofer IWES bzw. dessen Auftraggeber vorbehalten.

KASSEL, APRIL 2014

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Inhalt

1 Aufgabenstellung ............................................................................................. 5

1.1 Aufgabenstellung................................................................................................. 5

1.2 Motivation ........................................................................................................... 5

1.3 Vorgehen ............................................................................................................. 6

2 Systemdienstleistungen im Rahmen der Energiewende ............................... 8

2.1 Stromversorgung ................................................................................................. 8

2.2 Lastdeckung und Ausgleichsmaßnahmen in der Stromversorgung ....................... 8

2.3 Systemstabilität .................................................................................................... 11

3 Regelleistungspotentiale Erneuerbarer Energien .......................................... 15

3.1 Relevante Studien zum Thema Regelleistung ........................................................ 15

3.1.1 Evaluation Direktvermarktung .............................................................................. 15

3.1.2 Kombikraftwerk II ................................................................................................ 16

3.1.3 dena-Studie Systemdienstleistungen 2030 ........................................................... 16

3.1.4 TWENTIES ............................................................................................................ 17

3.1.5 Regelenergie durch Windkraftanlagen ................................................................. 17

3.1.6 Dynamische Bestimmung des Regelleistungsbedarfs ............................................ 18

3.2 Einfluss der Rahmenbedingungen auf das Regelleistungspotential von

fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien .............................................. 18

3.3 Übertragung der Studienergebnisse auf den Betrachtungszeitraum ..................... 20

3.3.1 Annahmen und Datenqualität .............................................................................. 20

3.4 Optimale Bedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare

Energien .............................................................................................................. 21

3.4.1 Energetische Potentiale ........................................................................................ 22

3.4.2 Potentiale im Zeitverlauf ....................................................................................... 24

3.4.3 Ökonomische Potentiale ...................................................................................... 25

4 Regelleistungspotentiale Erneuerbarer Energien unter realen

Marktbedingungen ........................................................................................... 27

4.1 Beschreibung der Marktbedingungen .................................................................. 27

4.2 Anpassungen an das reale Marktmodell ............................................................... 29

4.3 Angebotspotentiale durch die Regelleistungsbereitstellung von fluktuierend

einspeisenden Erneuerbaren Energien unter realen Marktbedingungen ............... 31

4.4 Potentialnutzung im Zeitverlauf ............................................................................ 32

4.5 Ökonomische Potentiale ...................................................................................... 34

4.6 Reales Gebotsverhalten & Pooling ........................................................................ 35

5 Vergleich und Fazit ........................................................................................... 37

5.1 Potentialunterschiede durch Marktbedingungen .................................................. 37

5.2 Handlungsempfehlung ......................................................................................... 39

6 Literatur ............................................................................................................. 43

7 Begriffsdefinitionen .......................................................................................... 45

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Teilnahme steuerbarer Erneuerbarer Energien am Regelleistungsmarkt

(Lange et. al 2014) ...................................................................................... 15

Abbildung 2: Kumulierte Regelleistungspotentiale des 30 GW Windpools und des

30 GW Photovoltaikpools ohne Marktrestriktionen ..................................... 22

Abbildung 3: Kumulierte Regelleistungspotentiale des 5 GW Windpools und des 5 GW

Photovoltaikpools ohne Marktrestriktionen ................................................. 23

Abbildung 4: Potentiale zur Deckung der negativen Regelleistung ohne

Marktrestriktionen (30 GW) ........................................................................ 24

Abbildung 5: Potentiale zur Deckung der negativen Regelleistung ohne

Marktrestriktionen (5 GW) ......................................................................... 24

Abbildung 6: Wirtschaftliche Potentiale negativen Minutenreservebereitstellungdurch

Wind- und Photovoltaikanlagen ohne Marktrestriktionen (30 GW) ............. 25

Abbildung 7: Wirtschaftliche Potentiale negativen Minutenreservebereitstellungdurch

Wind- und Photovoltaikanlagen ohne Marktrestriktionen (5 GW) ............... 26

Abbildung 8: Kumulierte Regelleistungspotentiale des 30 GW Windpools und des

30 GW Photovoltaikpools unter realen Marktbedingungen ......................... 31

Abbildung 9: Kumulierte Regelleistungspotentiale des 5 GW Windpools und des 5 GW

Photovoltaikpools unter realen Marktbedingungen ..................................... 32

Abbildung 10: Potentiale zur Deckung der negativen Regelleistung unter realen

Marktbedingungen (30 GW) ....................................................................... 33

Abbildung 11: Potentiale zur Deckung der negativen Regelleistung unter realen

Marktbedingungen (5 GW GW) .................................................................. 33

Abbildung 12: Wirtschaftliche Potentiale negativen Minutenreservebereitstellungdurch

Wind- und Photovoltaikanlagen unter realen Marktbedingungen

(30 GW) ...................................................................................................... 34

Abbildung 13: Wirtschaftliche Potentiale negativen Minutenreservebereitstellungdurch

Wind- und Photovoltaikanlagen unter realen Marktbedingungen

(30 GW) ...................................................................................................... 35

Abbildung 14: Angebotspotentiale eines Pools aus Windenergieanlangen und

Gasturbinen (Speckmann et. al 2014) ......................................................... 36

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Marktbedingungen auf dem deutschen Markt für Regelleistung ......................... 28

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Aufgabenstellung

1 Aufgabenstellung

1.1 Aufgabenstellung

Diese Kurzstudie im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE) und

der Hannover Messe dient zur Darstellung der Möglichkeiten der Bereitstellung von

Systemdienstleistungen, insbesondere der Regelleistungsbereitstellung, durch

Erneuerbare Energien.

Diese Kurzstudie baut auf Ergebnissen aus verschiedenen vorausgegangenen

nationalen und internationalen Projekten auf. In diesen Projekten wurden die Potentiale

für die Erneuerbaren Energien ermittelt. Dabei wurde aber bewusst auf den Einbezug

der realen Marktbedingungen bei der Potentialermittlung verzichtet, um die Potentiale

unverzerrt darzustellen. Aus diesem Grund macht diese Kurzstudie sich zum Ziel, diese

theoretischen Potentialuntersuchungen mit Potentialen unter realen Marktbedingun-

gen zu vergleichen. In Abstimmung mit den Marktteilnehmern werden im Rahmen

dieser Studie mögliche reale Marktbedingungen erläutert, welche sich derzeit in der

Diskussion befinden. Dadurch können jene Marktregelungen bestimmt werden, welche

mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Umsetzung den Regelenergiemarkt für die

Erneuerbaren Energien und im Speziellen für Windkraft- und Photovoltaikanlagen

stärker öffnen.

1.2 Motivation

Im Zuge der Energiewende wird in Deutschland inzwischen mehr als 25% der

verbrauchten Elektrizität aus Erneuerbaren Energie bereitgestellt. Diese Energie speist

sich zu einem großen Teil aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen, Wasserkraft und

Biomasse. Mit diesem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien in der Energieversor-

gung wird es zunehmend wichtig, dass sich auch Erneuerbare Energien an der

Bereitstellung von Systemdienstleistungen beteiligen. Dies gilt insbesondere für die

Zeiten, in denen es ein großes Angebot von volatiler erneuerbarer Erzeugung

vorhanden ist.

Mit der 2012er EEG-Novelle ist der Weg zur Direktvermarktung mit einem

Marktprämienmodell eröffnet worden. Damit wird es Erneuerbaren Energien seit

Anfang 2012 auch im Rahmen des EEG ermöglicht, an verschiedenen Märkten

teilzunehmen. Durch den Wegfall des Doppelvermarktungsverbotes kann damit parallel

zur Teilnahme am Spot-Markt auch an Märkten für die Bereitstellung von Sys-

temdienstleistungen teilgenommen werden. In diesem Kontext wird Regelleistung

bereits von Biogasanlagen und Wasserkraftwerken erfolgreich bereitgestellt.

Windenergieanlagen oder Photovoltaikparks haben bisher allerdings keine

Regelleistung bereitgestellt. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Regularien für den

Regelleistungsmarkt eine Teilnahme volatiler Erzeugung derzeit nicht ermöglichen.

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Aufgabenstellung

Derzeit sind kleinere Anpassungen der derzeitig gültigen Marktbedingungen in der

Diskussion, um die Teilnahme fluktuierend einspeisender Erneuerbaren Energien zu

ermöglichen. Doch diese Anpassungen schaffen Marktregeln, welche für volatile

Erzeuger nicht ausreichend geeignet sind. Aus diesem Grund zeigt diese Studie

Unterschiede zwischen dem Potential unter idealen Bedingungen und dem Potential

unter Anwendung heutiger Marktregeln auf.

Eine gleichberechtigte Regelleistungsbereitstellung aller Regelleistungsarten durch

fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien wäre in Europa einmalig. Bisher gibt

es wenige Regelungen in Europa, welche den fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren

Energien den Zugang zu einzelnen Systemdienstleistungsmärkten eröffnet. In

Dänemark stellen Windenergieanlagen bereits Regelenergie bereit, der Zugang zum

Reserveleistungsmarkt bleibt aber verwehrt. In Irland stellen Windenergieanlagen

bereits Primärregelleistung bereit. Eine Umstellung der Marktbedingungen zugunsten

fairer Wettbewerbsbedingungen aller Teilnehmer stellt für Betreiber, Hersteller von

Windenergieanlagen und Virtuellen Kraftwerken sowie Direktvermarkter eine neue

Herausforderung dar. Viele technische Innovationen sind im Zuge dessen schon

entstanden oder noch zu erwarten. Eine derartige Einbindung der Erneuerbaren wird

nicht nur Deutschlands Vorreiterrolle gerecht sondern stärkt substantiell auch die

Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im internationalen Kontext.

Nicht zuletzt geht es auch darum, die Energiewende als solche weiterzuführen. Dazu

gehören auch die sukzessive Flexibilisierung der Anlagen und die Reduzierung von

„Must-Run“-Kraftwerken. Durch eine weitestgehende Bereitstellung der Regelleistung

aus Erneuerbaren Energien, kann die Sockelleistung, welche nur am Netz ist, um

Systemdienstleistungen zu erbringen, signifikant reduziert werden und weitere

CO2-Einsparungen generieren. Die Auswertungen von (Grunwald et. al 2012) kommen

zu dem Ergebnis, dass diese Sockelleistung thermischer Kraftwerke für die

Regelleistungsbereitstellung bis zu 13,5 GW beträgt. Ein anderes Gutachten

(FGH et. al 2012) kommt zu dem Schluss, dass diese Sockelleistung zwischen 8 GW

und 25 GW beträgt. Eine Leistung im Energiesystem, welche nicht konstant durch

Erneuerbare Energien bedient werden kann, ist daher ein Grund zur Abregelung von

Anlagen, insbesondere bei hoher Einspeisung aus fluktuierend einspeisenden

Erneuerbaren. Vorrangig für die Bereitstellung von Regelleistung aus Erneuerbaren

Energien ist der Umstand, dass bei hoher Einspeisung ein großer Regelenergiebedarf

besteht, welcher zusätzlich die Sockellast erhöhen könnte.

1.3 Vorgehen

In diesem Abschnitt wird das Vorgehen der Studie erläutert. Dabei wird auf die zuerst

der allgemeine Rahmen für die Notwendigkeit von Systemdienstleistungen gesetzt, um

die Studie in ihren Kontext zu setzen. Der Schwerpunkt der Studie liegt dabei auf den

Herausforderungen welche sich durch die fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren

Energien ergeben im Kontext der Regelleistung ergeben und welche Lösungsmöglich-

keiten es gibt. Um Hindernisse und Lösungsmöglichkeiten darzustellen ist die Studie in

drei Teile ausgeteilt. Die konkreten Schritte in der Studie sind:

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Aufgabenstellung

1. Es werden relevante vorangegangene Arbeiten zum Thema Regelleistung aus

Erneuerbaren Energien dargestellt. Dies beinhaltet Ergebnisse aus verschiede-

nen Projekten („TWENTIES“, „Regelenergie durch Windkraftanlangen“, Kom-

bikraftwerk II“, „Dynamische Bedarfsdimensionierung“) und Studien

(„Evaluation Direktvermarktung“, „dena-Studie Systemdienstleistungen

2030“) in denen die Regelleistungsbereitstellung aus Windenergie- und Photo-

voltaikanlagen, Biomasseanlagen und Wasserkraftwerken untersucht wurden.

Dieses Kapitel erlaubt es, den derzeitigen Stand zu erfassen und erläutert die

wichtigsten Bedingungen zu benennen unter denen eine Regelleistungsbereit-

stellung durch Erneuerbare Energien stattfinden könnte.

2. Die vorangegangenen Studienergebnisse werden für die fluktuierend einspei-

senden Erneuerbaren Energien auf das Jahr 2013 übertragen. Die Potentiale

unter verschiedenen möglichen Bedingungen werden dargestellt, um die für

die fluktuierend einspeisend Erneuerbaren Energien besten Bedingungen zur

Regelleistungsbereitstellung zu ermitteln. Es werden aus dieser Auswahl ideale

Marktbedingungen identifiziert, welche im Folgenden als Vergleich dienen

werden.

3. Die derzeitigen Marktbedingungen werden in Absprache mit den Marktteil-

nehmern erörtert. Die Potentiale unter realen Bedingungen werden ermittelt

und mit den Potentialen unter idealen Bedingungen aus (2) verglichen.

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

2 Systemdienstleistungen im Rahmen der Energiewende

2.1 Stromversorgung

Während heute durch den Einsatz von gespeicherter fossiler und nuklearer Energie

Schwankungen auf der Nachfrageseite ausgeglichen werden, gilt es, in einem System

mit hohen Anteilen Erneuerbarer Energien wetterbedingte Schwankungen der

Angebotsseite mit dem schwankenden Energiebedarf zu synchronisieren. Dies stellt

besondere Anforderungen an die Integration der Erneuerbaren Energien in das

elektrische Energieversorgungssystem dar.

In der Studie „Leitszenarien 2011“ (Nitsch, et. al 2012) konnte in einem Szenario

gezeigt werden, dass eine hauptsächlich erneuerbare Stromversorgung in Zukunft

möglich ist. Dazu müssen die richtigen Weichen jetzt gestellt werden, was

hauptsächlich den Netzausbau, den Ausbau flexibler Anlagen und die europäische

Verknüpfung betrifft.

Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung.

Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer die Lastspitzen ab. Eine ebenso wichtige

Rolle spielen die flexiblen Kapazitäten und das Lastmanagement. Die Studie

„Leitszenarien 2011“ geht dabei davon aus, dass Elektrofahrzeuge sowie ggf. die

Erzeugung von Wasserstoff dafür genutzt werden, um Erzeugungspitzen von Wind-

und Solarenergie auszugleichen.

Das Projekt „Regeneratives Kombikraftwerk 1“ (Mackensen, Rohrig, Emanuel 2008)

hat mit einer Skalierung von 1/10000 gezeigt, dass eine Versorgung der deutschen

Stromnachfrage mit Erneuerbaren Energien und Speichern allein möglich ist. Es wurde

nachgewiesen, dass die Schwankungen der Stromeinspeisung aus Wind- und

Solarenergie durch wetterunabhängige Anlagen wie Biomasse, Wasserkraft und

Speicher ausgeglichen werden können und somit eine 100%ig regenerative

Stromversorgung in Deutschland möglich ist. Seit dem Abschluss des Projekts hat sich

der Anteil der Erneuerbaren Energien noch einmal stark erhöht, von einem

Nischendasein kann nicht mehr gesprochen werden. Der weitere Ausbau bis hin zu

einer überwiegend erneuerbaren Stromversorgung ist offizielles Ziel der Bundesregie-

rung und wird vom Großteil der Gesellschaft getragen, trotz der politischen Debatte zu

den Kosten der Energiewende.

2.2 Lastdeckung und Ausgleichsmaßnahmen in der Stromversor-gung

Der zunehmende Ausbau der Erneuerbaren Energien hat einen steigenden Bedarf an

Regelleistung zur Folge, dessen Höhe zukünftig stark durch die Prognosegüte für die

Wind- und Photovoltaik-Einspeisung bestimmt wird. Die Leitstudie kommt zu dem

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

Schluss, dass eine tägliche Ausschreibung es dem Kraftwerkspark ermöglicht, sich in

der Bereitstellung von Regelleistung flexibel an die zu erwartende Einspeisung aus

Erneuerbaren Energien anzupassen. Aus diesem Grund wären Änderungen der

Marktbedingungen empfehlenswert.

Durch die Fluktuation volatil einspeisender Erneuerbarer Energien entstehen

Schwankungen in der Residuallast. Um diese Schwankungen zu dämpfen, sind auf der

Stundenbasis Ausgleichsmaßnahmen notwendig. Dabei stehen vielfältige Lastaus-

gleichsoptionen zur Verfügung, welche die Residuallast weitgehend glätten können.

Damit diese Optionen zur Verfügung stehen, bedarf es unter Umständen eines

Anreizsystems, insbesondere im Hinblick auf die gesicherte Erzeugung. Die wichtigsten

Optionen sind angelehnt an (Krzikalla et. al 2013) und ohne Anspruch auf

Vollständigkeit im Folgenden ausgeführt:

1. Konventionelle Kraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen

Die heute vorhandenen konventionellen Kraftwerke und KWK-Anlagen decken

(zusammen mit Pumpspeichern) einen großen Teil der benötigten Flexibilität

ab. Sie decken üblicherweise die Lücke zwischen dem Stromangebot durch

fluktuierend einspeisende Erneuerbaren Energien und der Nachfrage und stel-

len gleichzeitig eine Reihe von Systemdienstleistungen bereit. Durch die zu-

nehmenden Mengen von Erneuerbaren Energien am Spotmarkt sinken die

Einsatzstunden allerdings rapide. Darüber hinaus sind KWK-Anlagen in ihrer

Flexibilität beschränkt, da sie eine definierte Wärmenachfrage bedienen müs-

sen. In Zukunft können außerdem stärkere Lastgradienten gefordert sein, um

die fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien auszugleichen, weshalb

die heutige Flexibilität aus den konventionellen Erzeugungsanlagen u.U. nicht

ausreichend ist. Dies gilt insbesondere für Braunkohlekraftwerke und Atom-

kraftwerke, welche hauptsächlich die Grundlast bedienen.

2. Bedarfsgerechte Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien

fluktuierend einspeisende Erneuerbaren Energien:

Ein aktives Einspeisemanagement von fluktuierend einspeisenden Erneuerba-

ren Energien könnte helfen die Einspeiseleistung besser an die Nachfrage an-

zupassen. Das kann die Abschaltung einzelner Anlagen bedeuten, oder die

Begrenzung der Gradienten der Anlagen. Dies kann notwendig werden, wenn

die Residuallast sehr gering ist und der Ausgleich des Systems nur über kon-

ventionelle Kraftwerke stattfindet. Diese werden dann als Must-Run-

Kraftwerke priorisiert, da sie für die Systemdienstleistungen unabdingbar sind.

Werden Systemdienstleistungen aus anderen Quellen bereitgestellt, kann die

Sockellast somit reduziert werden.

Biomasse:

Flexibilität ist auch für Biomasseanlagen notwendig. In Zeiten von Wind- und

Solarstromüberschüssen muss vermieden werden, dass zeitgleich Biomassean-

lagen einspeisen. Durch die EEG-Flexibilitätsprämie ist hier für Biogas ein erstes

Instrument geschaffen worden. Für die Flexibilisierung der Biogasanlagen sind

Gasspeicher und/oder Wärmespeicher notwendig sowie eine höhere Leistung

des BHKW. Ohne diese Maßnahmen setzt der kontinuierlich betriebene Fer-

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

menter starke Grenzen zur Flexibilisierung. Für feste Biomasseanlagen bietet es

sich an, den ohnehin vorhandenen Speicher des Brennstoffes zu nutzen und

bedarfsgerecht zu befeuern. Längerfristig wird ein hoher Biomasse-Anteil im

Gasnetz mittels Biomethan und ggf. auch Holzgas anzustreben sein. Damit ist

ein saisonaler Ausgleich möglich, welcher die vorhandene Gasinfrastruktur

nutzt. Aus diesen Überschüssen würden auch konventionelle Kraftwerke be-

feuert werden können.

3. Lastmanagement:

Industrie:

Grundsätzlich gibt es in der Industrie ein großes Potential, industrielle Prozesse

zeitlich zu verlagern. Das bedeutet, dass zu einem Zeitpunkt eine Lastreduktion

stattfindet, welche durch eine Lasterhöhung zu einem späteren Zeitpunkt wie-

der kompensiert wird. Gleiches gilt auch für den Fall, dass die Last zu einem

Zeitpunkt erst erhöht wird, um sie später entsprechend zu reduzieren. Eine

Anwendung wäre dabei ein Kühlhaus, welches Tiefkühlware tiefer kühlt als

notwendig, um die Energie zu speichern. Dafür kann zu einem späteren Zeit-

punkt die Kühlung für einen Moment weniger beansprucht werden.

Haushalte:

Stromanwendungen im Haushaltsbereich funktionieren prinzipiell ähnlich wie

industrielle Anwendungen, behandeln jedoch andere Anlagen. Zusätzlich dazu

ist beim Lastmanagement im Haushalt ein erhöhter Organisationaufwand zu

beachten. Typische Anlagen sind Waschmaschinen, Trockner und Kühl- bzw.

Gefrierschränke. Flexible, stromgeführte Wärmepumpen bieten ein zusätzli-

ches Lastverlagerungspotenzial, wenn sie die thermische Speicherfähigkeit der

Gebäudehülle mit einbeziehen. Die Hebung dieser Potentiale kann sich als

schwierig gestalten und bedarf entsprechender Anreizsystem, wie z.B. Erneu-

erbare-Energien-variable Stromtarife.

Power-to-Heat:

Überschüssiger Strom aus Erneuerbaren Energie kann zur Erzeugung von

Warmwasser genutzt und gespeichert werden. Zum einen kann er direkt ge-

nutzt werden um einen fossil gefeuerten Kessel ersetzen, welcher bedarfsge-

recht Wärme bereitstellt. Zum anderen könnte er in Kombination mit einem

Wärmespeicher die Wärme speichern. Das gespeicherte warme Wasser wird

dann entnommen, wenn eine Wärmenachfrage besteht. Ohne diese Maß-

nahmen würden Erzeuger abgeregelt werden müssen. Derzeit wird Power-to-

Heat vor allem in Fern- und Nahwärmenetzen genutzt, kann aber auch in klei-

nere Anwendungen mit Speichern genutzt werden.

4. Speicher

Pumpspeicher:

Der Einsatz von Pumpspeichern bietet in Deutschland nur ein sehr begrenztes

Potential, um einen langfristigen Ausgleich zu ermöglichen. Als Kurzzeitspei-

cher ermöglichen sie den Ausgleich über den Zeithorizont von einigen Stun-

den. Die Potentiale für neue Pumpspeicher sind in Deutschland stark begrenzt.

Die Wirtschaftlichkeit ist derzeit stark umstritten. Den Anschluss an skandinavi-

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

sche Wasserkraft gilt perspektivisch als Ziel zur besseren Nutzung vorhandener

Speicher, welche auch den Langzeitausgleich ermöglichen.

Batterien:

Batterien haben ein sehr geringes Potential, große Mengen an Energie zu spei-

chern. Allerdings sind sie gut für Anwendungen geeignet, welche primär die

Leistung abfragen. Ähnlich wie Kondensatoren könnten sie innerhalb kurzer

Zeit hohe Leistungen abgeben, welche dem Energiesystem dann für einen sehr

kurzen Zeitraum als Ausgleichsmöglichkeit bereit steht

Power-to-Gas

Die letzte Ausgleichsoption sind Gasspeicher als Langzeitspeicher. Gas aus

Power-to-Gas-Anwendungen (EE-Wasserstoff und EE-Methan) könnte fossile

Energieträger in ihrer Speicherfunktion ablösen. Die langfristigen Potentiale

einzelner Speichersysteme sind dabei nur schwer zu bestimmen. Der Speicher-

bedarf hängt dabei vor allem von der restlichen Flexibilität im Energiesystem

ab. Für den kurzzeitigen Ausgleich eignen sich diese Speicher aufgrund ihrer

hohen Energieverluste nicht.

In den Szenarien der Leitstudie führt der Einsatz dieser Optionen dazu, dass unter

idealen Bedingungen keine nennenswerten Energieüberschüsse (TWh) entstehen und

die Last jederzeit gedeckt werden kann. Aus der volkswirtschaftlichen Sichtweise sollte

zunächst die effizienteste und kostengünstigste Flexibilitätsoption eingesetzt werden,

um möglichst effizienten Klimaschutz umzusetzen. Insgesamt kann durch den Einsatz

der Ausgleichsoptionen die Abregelung von Erneuerbaren Energien vermieden werden.

Besondere Bedeutung kommt hierbei den Biogasanlagen zu, welche statt der

derzeitigen Einspeisung in Grundlast flexibel mit einer Auslastung von ca. 4000

Volllaststunden eingesetzt würden.

2.3 Systemstabilität

Tatsächlich ist es für die Stromversorgung nicht ausreichend immer nur genügend

Energie im System zu haben, sondern auch die entsprechenden notwendigen

Netzdienstleistungen jederzeit bereitstellen zu können. Die Versorgungszuverlässigkeit

wird nicht nur über die bilanzielle Versorgung definiert, sondern durch die tatsächliche

Verfügbarkeit zu jedem Zeitpunkt. Das bedeutet, dass es nicht reicht, jede Stunde im

Jahr genügend Energie zur Verfügung zu haben, sondern diese Energie in genau dem

Moment zur Verfügung zu stellen, in dem Sie benötigt wird. Dies hat einen Einfluss auf

die Netzstabilität.

Netzstabilität wird über Netzkenngrößen definiert, welche eingehalten werden müssen,

damit die Anlagen am Netz sicher betrieben werden können. Die Netzstabilität setzt

sich durch die Anforderungen an Netzfrequenz und Netzspannung zusammen, welche

zu jedem Zeitpunkt innerhalb sehr kleiner Toleranzkorridore um die Sollfrequenz und

Sollspannung befinden muss. Darüber hinaus müssen die Größen nach Störungen oder

Ab- und Zuschaltungen von Netzbetriebsmitteln innerhalb einer kurzen, festgelegten

Zeit in diesen Toleranzkorridor zurückkehren. Die so genannten Systemdienstleistungen

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

dienen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität. Zu diesen Systemdienstleistungen

gehören Frequenz- und die Spannungshaltung, der Versorgungswiederaufbau

(Schwarzstart) im Fehlerfalle und das Netzengpassmanagement (Redispatch). Diese

werden durch ganz unterschiedliche Anlagen zu unterschiedlichen Konditionen

erbracht.

Derzeit werden die Systemdienstleistungen mehrheitlich noch aus konventioneller

Erzeugung bereitgestellt. Die Notwendigkeit des Betriebs konventioneller Anlagen wird

häufig auch über eine möglicherweise gefährdete Netzstabilität gerechtfertigt, wenn

diese nicht mehr vorhanden wären. Diese Kraftwerke werden häufig als systemrelevan-

te Komponente der Energieversorgung definiert, weshalb ein Weiterbetrieb zwingend

nötig ist.

In Zukunft wird es wichtig sein, dass alle Systemdienstleistungen durch die in

Kapitel 2.2 genannten Flexibilisierungsoptionen erbracht werden können. Das Projekt

Kombikraftwerk II hat hier gezeigt, dass dies in einem Szenario mit 100% Erneuerbaren

Energien erfolgreich gelingen kann. Eine Übersicht über die verschiedenen

Systemdienstleistungen ist nachfolgend aufgeführt:

1. Frequenzhaltung mit Hilfe von Regelleistung

Die Frequenz ist im gesamten Synchronnetz an allen Orten nahezu identisch.

Die Frequenzstabilität ist gefährdet, wenn die Frequenz deutlich von dem Soll-

wert von 50 Hz abweicht. Die Frequenz ändert sich, wenn Verbrauch und Ein-

speisung nicht exakt identisch ist. Dies kann durch Abweichungen von der

geplanten Erzeugung (Kraftwerksausfälle, Wind- und Photovoltaik-

Prognosefehler) oder der prognostizierten Last verursacht werden. Die Netz-

frequenz darf dabei im europäischen Synchronnetz der ENTSO-E Regional-

gruppe Kontinentaleuropa nicht mehr als ±200 mHz von der Sollfrequenz von

50 Hz abweichen. Über diesen Bereich hinaus wird der Bereich der normalen

Betriebsführung verlassen und es werden je nach Situation Lasten oder Kraft-

werke abgeschaltet. Schwankungen innerhalb des ±200 mHz Toleranzbandes

werden kurzfristig durch den Einsatz von Regelleistung ausgeglichen.

Zum Ausgleich des Ungleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch

kann positive und negative Regelleistung eingesetzt werden, welche mit unter-

schiedlichen Aktivierungszeiten eingesetzt werden kann. Die für die Frequenz-

haltung verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber halten

Primärregelleistung, Sekundärregelleistung und Minutenreserve vor, welche

sich vor allem in ihrer Aktivierungszeit unterscheiden. In der Regionalgruppe

Kontinentaleuropa der ENTSO-E muss Primärregelleistung innerhalb von 30

Sekunden zur Verfügung stehen, Sekundärregelleistung innerhalb von fünf

Minuten und Minutenreserve innerhalb von 15 Minuten.

Die verschiedenen Regelleistungsprodukte werden in Deutschland über Aus-

schreibungen durch die Übertragungsnetzbetreiber beschafft. Die ausgeschrie-

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Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

bene Menge wird mit Hilfe des Graf-Haubrich-Verfahrens1 alle drei Monate für

die folgenden drei Monate bestimmt.

2. Spannungshaltung und Blindleistungsmanagement

Die Spannungsstabilität eines Stromnetzes ist nur gegeben, wenn die Span-

nung an allen Punkten des Netzes innerhalb der Toleranzbereiche um den

jeweiligen Sollwert liegt. Die Spannung ist in den einzelnen Netzbereichen

lokal unterschiedlich. Sie variiert durch die Auslastung einzelner Netzkompo-

nenten. Je stärker die Komponente belastet ist, desto größer ist der Span-

nungsabfall an ihr. Dabei wird die Auslastung der Betriebsmittel nicht nur

durch Wirkleistung hervorgerufen, sondern in Abhängigkeit der Auslastung

auch durch Blindleistung. Die Auslastung ist somit von der Scheinleistung ab-

hängig. Üblicherweise kann durch Stufenstellertrafos die Spannung am Anfang

der Leitung erhöht werden, damit der netztechnisch gesehen letzte Abnehmer

noch eine ausreichende Spannung vorfindet. Dieses Vorgehen ist aber durch

den Spannungsabfall auf der Leitung begrenzt. Am Trafo kann die Spannung

nur soweit erhöht werden, dass der netztechnisch gesehene erste Abnehmer

keine Überspannung feststellt. Insbesondere in Netzen mit hoher Einspeisung

aus fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien, im Niederspannungs-

netz hauptsächlich Photovoltaikanlagen, entsteht eine negative vertikale Netz-

last. Das bedeutet, dass Strom aus dem Ortsnetz ins Verteilnetz gespeist wird.

Die Spannungsregelbarkeit durch den Trafo ist damit stark begrenzt. Die

Spannung muss somit stärker durch einzelne Einheiten im Netz selber gesteu-

ert werden, was hauptsächlich über die Blindleistung geschehen kann.

Dieses Blindleistungsmanagement ist die Kompensation von Blindleistung

durch Netzkomponenten mit dem Ziel, die Blindleistungsübertragung zu ver-

ringern, um somit die übertragbare Wirkleistung zu erhöhen oder den Span-

nungsabfall zu verringern. Dies führt dann dazu, dass die Spannung in jedem

Netzteil innerhalb der Grenzen gehalten werden kann. Derzeit findet Blindleis-

tungsmanagement hauptsächlich durch entsprechende Kondensator- und

Spulenanordnungen statt. In Zukunft wird es wichtig werden, dass die Blind-

leistung auch aus den dezentralen Einheiten am Netz erbracht werden kann.

Viele der heutigen Anlagen sind durch die technischen Anschlussbedingungen

bereits zu einem definierten Spannungsverhalten verpflichtet. Das beinhaltet

auch das Verhalten im Fehlerfalle.

3. Netzengpassmanagement durch Redispatch

Bei der Bewirtschaftung des Stromnetzes in Deutschland wird angenommen,

dass innerhalb einer Regelzone keine Netzengpässe auftreten. Gleiches gilt für

die Grenzen zwischen den Übertragungsnetzbetreibern innerhalb Deutsch-

1 Das Graf-Haubrich-Verfahren dient den Übertragungsnetzbetreibern zur Bestimmung des Bedarfs an

Sekundär- und Minutenreserveleistung. Dabei werden die in den letzten zwölf zurückliegenden Monaten

aufgetreten Fehler genutzt um den Regelleistungsbedarf zu dimensionieren. Diese Verfahren wird alle drei

Monate angewandt um den Regelleistungsbedarf für drei die nächsten drei Monate zu bestimmen.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 14 | 46

Systemdienstleistungen im

Rahmen der Energiewende

lands. Aus diesem Grund wird der Kraftwerksabruf alleinig aufbauend auf den

Abrufkosten organisiert. Netzrestriktionen werden bei dieser Planung nicht

berücksichtigt. In der Realität gibt es im Übertragungsnetz nur eine endliche

Übertragungskapazität. Dies kann zur Folge haben, dass die zuvor geplante

Menge nicht frei im Netz verteilt wird. Dies ist insbesondere der Fall wenn gro-

ße Mengen Windenergie im Norden Deutschlands in den Süden transportiert

werden sollen. Durch die Beschränkungen der Übertragungskapazitäten müs-

sen die Mengen, welche nicht transportiert werden können, abgeregelt wer-

den und an anderer Stelle ersetzt werden. Damit das Energiesystem wieder im

Gleichgewicht ist, werden derzeit hauptsächlich Windenergieanlagen im Nor-

den Deutschlands abgeregelt und steuerbare fossile Kraftwerke im Süden

Deutschlands zugeschaltet. Die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland

beschaffen diese Leistung aufbauend auf bilateral geschlossenen Verträgen mit

einzelnen Kraftwerken.

Die Problematik beginnt bereits bei Annahmen in der der Planung, welche

davon ausgehen, dass es keine Netzengpässe geben wird. Dies entspricht nicht

der Realität und ist eine Schwäche des derzeitigen Marktdesigns. Besonders im

Hinblick auf den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien ist es wichtig,

dort gegen zu steuern. So könnte die Einrichtung von regionalen Preiszonen

nach skandinavischem Vorbild diesem Umstand Rechnung tragen. Dadurch

ließen sich überregionale Netzengpässe schon bei der Planung vermeiden.

4. Versorgungswiederaufbau durch Schwarzstartfähigkeit

Im Falle eines Zusammenbruchs des Stromnetzes aufgrund der Verletzung der

Netzstabilität müssen Anlagen in der Lage sein die Versorgung wieder aufzu-

bauen. Nach dem Verlust der Synchronisierung des Stromnetzes bauen Kraft-

werke die Versorgung dezentral wieder auf. Dies geschieht durch stufenweise

Zuschaltung kleiner Verbrauchergruppen bis schließlich der gesamte Bereich

wieder versorgt ist. Anschließend werden die Teilnetze wieder synchronisiert

und der Netzbetrieb in einen normalen Zustand zurück gebracht.

In einem zukünftigen Energieversorgungssystem ist es wichtig, dass auch der

Versorgungswiederaufbau durch Erneuerbare Energien möglich ist. Dies ist

zum Beispiel durch den Inselbetrieb einzelner Verteilnetze durch Erneuerbare

Energien möglich. Anschließend wird aus diesen Verteilnetzen der Versor-

gungswiederaufbau durchgeführt.

Die Regelleistungsbereitstellung ist derzeit die einzige Systemdienstleistung, für die es

einen Markt gibt. Alle anderen genannten Systemdienstleistungen werden entweder

über die Netzanschlussbedingungen geregelt oder bilateral durch die Übertragungs-

netzbetreiber beschafft. Aus diesem Grund wird sich diese Studie zentral mit den

Bedingungen der Regelleistungserbringung befassen.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 15 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3 Regelleistungspotentiale Erneuerbarer Energien

3.1 Relevante Studien zum Thema Regelleistung

3.1.1

Evaluation Direktvermarktung

Das Arbeitspapier „Regelleistungsbereitstellung von Erneuerbaren Energien in der

Direktvermarktung – Auswirkungen, Potenziale und Weiterentwicklung“ im Projekt

„Laufende Evaluierung der Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien“

(Lange et. al 2014) betrachtet die Regelleistungsbereitstellung aus steuerbaren

Erneuerbaren Energien. Es wird gezeigt, dass ca. 1.050 MW an Erneuerbaren Energien

am Regelleistungsmarkt genutzt werden. Davon entfallen rund 230 MW auf

Wasserkraftanlagen. Der Rest von 820 MW entfällt somit auf Biomasseanlagen2. Es

nehmen derzeit schätzungsweise 27 % der direktvermarkteten Biomasseanlagen am

Regelleistungsmarkt teil. Dabei ist die Aufteilung auf Sekundär- und Minutenreserve-

leistung unklar, da Anlagen für beide Märkte präqualifiziert sein können. Der

Monitoringbericht geht davon aus, dass 20-30% der oben genannten Leistung sowohl

als Minutenreserve als auch als Sekundärregelleistung angeboten werden kann. Das

regelmäßig angebotene Volumen am RL-Markt wird zudem aufgrund von

Poolabsicherung, Prognose, Verfügbarkeit der Anlagen usw. unter diesem Wert liegen.

Nachfolgend wird die Teilnahme von steuerbaren Erneuerbaren Energien am

Regelleistungsmarkt dargestellt.

2 Der Anteil der Biomasseleistung wurde geschätzt und kann ggf. auch geringer sein, da einige

Direktvermarkter die Regelleistung anbieten auch Wasserkraft anbieten. Es kann aber davon ausgegangen

werden, dass mindestens 750 MW Biomasse dem Regelleistungsmarkt zur Verfügung stehen.

0

100

200

300

400

500

600

700

Leis

tung

in M

W

Biomasse im Portfolio (MW)

Wasserkraft im Portfolio (MW)

Angebot Regelenergie (MW)

Abbildung 1: Teilnahme

steuerbarer Erneuerbarer

Energien am

Regelleistungsmarkt (Lange

et. al 2014)

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 16 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3.1.2

Kombikraftwerk II

Das Projekt „Kombikraftwerk II“ (Knorr et. al 2014) hat die Regelleistungsbereitstellung

von verschiedenen Erneuerbaren Energien getestet, um zu bestimmen, ob in einem

100%-Erneuerbare Energien-Szenario die Systemdienstleistungen noch zuverlässig

bereitgestellt werden können. Das Projekt kommt zu dem Schluss, dass für die

Transformation des Energiesystems die Regeln auf dem Regelleistungsmarkt geändert

werden müssen, um die Teilnahme fluktuierend einspeisender Erneuerbarer Energien

zu ermöglichen. Durch kürzere Ausschreibungsfristen, Produktlängen, Vorlaufs- und

Auktionszeiten können auch Photovoltaik- und Windenergieanlagen, deren

Einspeiseleistungen sich nur mit einer Vorlaufzeit von einigen Stunden bis zu etwa

einem Tag genau genug vorhersagen lassen, am Regelleistungsmarkt teilnehmen.

Darüber hinaus würde dies auch wärmegeführten flexiblen Anlagen, welche mit Gas

aus erneuerbaren Quellen und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung bedarfsorientiert

betrieben werden, den Marktzugang ermöglichen. Das Projekt bewertet dabei die

Initiative von ACER zur Einführung eines separaten Regelenergiemarktes mit

Produktlängen und Vorlaufzeiten von circa 1 Stunde positiv und als Schritt in die

richtige Richtung. Es wird hervorgehoben, dass große Lasten (Power-to-Gas, Power-to-

Heat, etc.) vermehrt in den Regelleistungsmarkt mit aufgenommen werden sollten.

Darüber hinaus konnte das Projekt zeigen, dass die Deckung des Regelleistungsbedarfs

in einem 100%-Erneuerbare Energien-Szenario problemlos erfolgen kann. Hierbei

werden auch Wind- und Photovoltaikparks zur Regelleistungsbereitstellung benötigt,

wobei deren Anteil von der Anzahl der restlichen Flexibilitäten im System abhängt.

3.1.3

dena-Studie Systemdienstleistungen 2030

Die dena-Studie „Systemdienstleistungen 2030“ (Agricola et. al 2014) untersucht

Regelleistung als Teil der Systemdienstleistungen für ein Szenario im Jahr 2033. In

Bezug auf die Regelleistung kommt die Studie zu dem Schluss, dass neben der

Regelleistungsbereitstellung aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen Einheiten wie

Biomasseanlagen, Wasserkraftanlagen, Batterien und Lastmanagement besondere

Bedeutung zukommen wird, um den Bedarf an Regelleistung bedienen zu können. Die

Studie kommt zu dem Schluss, dass die Erbringung der benötigten Sekundärregelleis-

tung und Minutenreserve in Stunden mit geringer Residuallast nicht mehr durch

konventionelle Anlagen geleistet werden kann. Damit in diesen Zeiten keine „must-

run“-Kraftwerke für die Regelleistungserbringung gibt, müssen auch andere technische

Einheiten, insbesondere Erneuerbare Energien in die Bereitstellung Regelleistung mit

einbezogen werden. Die Studie schließt, dass eine Verkürzung der Vorhaltezeit und der

Vorlaufzeit ein notwendiger Schritt ist, um die Erschließung zusätzlicher Flexibilitäten zu

ermöglichen.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 17 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3.1.4

TWENTIES

In dem europäischen Projekt „TWENTIES“ (Europäische Kommission 2013) wurde unter

anderem untersucht, inwieweit Windenergieanlagen Systemdienstleistungen

bereitstellen können. Es wurden Tests mit Windparkclustern in Südspanien

durchgeführt, um zu zeigen, dass Windenergieanlagen in der Lage sind, sowohl

frequenz- als spannungsstützend eingesetzt zu werden.

Die Ergebnisse dieser Tests haben gezeigt, dass Windparks Abweichungen von der

Sollspannung erfolgreich reduzieren können. Darüber hinaus wurde nachgewiesen,

dass Windparks mit derselben technischen Zuverlässigkeit wie konventionelle

Kraftwerke Sekundärregelleistung erbringen können. Die Sekundärregelleistungsbereit-

stellung stellt dabei hohe Anforderungen an die Prognosegenauigkeit und das

Windparkmanagement. Das im Projekt verwendete Verfahren geht davon aus, dass

Windparks abgeregelt werden, damit ein Fahrplan eingehalten werden kann. Diese

Abregelung führt insbesondere bei positiver Regelleistungsbereitstellung aber auch

negativer Regelleistungsbereitstellung zu Energieverlusten. Das hat den Nachteil, dass

dem System weniger CO2-freier Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht,

welcher durch Erzeugung aus konventionellen Kraftwerken ersetzt werden muss. Das

Ergebnis der Auswertung ist, dass ohne eine Änderung der Marktregeln eine

Regelleistungsbereitstellung wirtschaftlich nicht attraktiv ist.

3.1.5

Regelenergie durch Windkraftanlagen

Das Projekt „Regelenergie durch Windkraftanlagen“ (Speckmann et. al 2014) hat sich

detailliert mit der Regelleistungsbereitstellung durch Windenergieanlagen auseinander

gesetzt. Dabei wurde insbesondere auf das Angebotsverfahren, das Nachweisverfahren

und die technische Anbindung in einem Feldtest eingegangen. Für die Bestimmung der

Angebotspotentiale wurden präzise probabilistische Prognosen3 genutzt, welche es

erlauben, dass die Windleistung mit hoher Zuverlässigkeit prognostiziert werden kann.

Probabilistische Prognosen sind Prognosen, welche zusätzlich zum Leistungswert eine

Eintrittswahrscheinlichkeit angeben. Das Nachweisverfahren geht auf den Nachweis zur

Erbringung von Regelleistung ein, welcher in diesem Projekt mit Hilfe der möglichen

Einspeisung eines Windparks erbracht werden kann.

Das Projekt hat dabei gezeigt, dass es technisch möglich ist, mit Windenergieanlagen

Regelleistung bereit zu stellen. Die Nutzung der möglichen Einspeisung gilt dabei aber

noch als technische Herausforderung, welche es zu meistern gilt. Ökonomisch wird

3 Eine Probabilistische Prognose gibt die Zuverlässigkeit oder auch die Eintrittswahrscheinlichkeit an. Anders

als die herkömmliche Erwartungswertprognose wird die probabilistische Prognose immer als Kombination

einer Zuverlässigkeit und der dazugehörigen ausgedrückt. Beispiel: Eine prognostiziert Leistung von 5 MW

mit einer Zuverlässigkeit von 99 % bedeutet, dass der Leistungswert mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 %

erreicht wird oder darüber liegt.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 18 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

zunächst nur der negative Sekundär- und Minutenreserveleistungsmarkt für

Windenergieanlagen attraktiv sein. Auswertungen für Photovoltaikanlagen haben

ergeben, dass die Ergebnisse aus Photovoltaikanlagen übertragbar sind. Um die Effekte

genauer zu untersuchen wir jedoch ein Folgeprojekt aufgelegt. Die Betrachtungen der

Potentiale zur Regelleistungsbereitstellung durch Wind wurden analog auch für

Photovoltaik in (Jansen et. al 2014a, Jansen et. al 2014b) gemacht.

3.1.6

Dynamische Bestimmung des Regelleistungsbedarfs

Das Projekt „Dynamische Bestimmung des Regelleistungsbedarfs“ beschäftigt sich mit

dem Regelleistungsbedarf in einem System mit hohem Anteil fluktuierend einspeisen-

der Erneuerbaren Energien. Derzeit wird der Regelleistungsbedarf alle drei Monate mit

Hilfe des Graf-Haubrich-Verfahrens bestimmt. Als Ursachen für den Regelleistungsbe-

darf werden dabei der Prognosefehler, Fahrplansprünge, Kraftwerksausfälle, das

Lastrauschen sowie Stundensprünge betrachtet. In der Vergangenheit war es zulässig

diese Dimensionierung lediglich alle drei Monate durchzuführen, da es de facto keine

sich zeitlich ändernde Abhängigkeit des Regelleistungsbedarfs beim Lastrauschen, dem

Lastprognosefehler und den Kraftwerksausfällen gibt. Beim Prognosefehler der

fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien ist dies anders. Das Projekt zeigt

dabei Wege auf, wie der Bedarf an Regelleistung am Vortag dimensioniert werden

kann, und somit die prognostizierten Mengen an Windenergie und Photovoltaik mit in

die Betrachtung gezogen werden können. Das Projekt ist zum Zeitpunkt der

Studienerstellung noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse zeigen eine starke

Korrelation des Regelleistungsbedarfs mit der prognostizierten Einspeisung aus

fluktuierenden Erneuerbaren Energien. Dies führt zu einem Anstieg des Regelleistungs-

bedarfs an einzelnen Tagen. In der Summe würde durch eine dynamische Dimensionie-

rung im Schnitt weniger Regelleistung benötigt, als mit der statischen

Dimensionierung.

3.2 Einfluss der Rahmenbedingungen auf das Regelleistungspo-tential von fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien

Die folgenden Faktoren beeinflussen das Potential zur Bereitstellung von Regelleistung

maßgeblich:

1. Sicherheitslevel

In vorangegangenen Auswertungen wurden probabilistische Prognosen ver-

wendet, um das Angebotspotential von fluktuierend einspeisenden Erneuerba-

ren Energien bei der Regelleistungsbereitstellung zu bestimmen.

Probabilistische Prognosen ermöglichen es, die Leistungsprognose mit einer

Eintrittswahrscheinlichkeit zu verknüpfen. Dabei wurde im Projekt „Regelener-

gie durch Windkraftanlagen“ ein Sicherheitslevel von 99,994% für die Regel-

leistungvorhaltung von den Übertragungsnetzbetreibern als Richtwert

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 19 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

vorgeschlagen. Diese Zuverlässigkeit bedeutet, dass in nur 0,006% die ange-

botene Leistung nicht komplett zur Verfügung gestanden hätte. Dabei ist diese

Zuverlässigkeit so gewählt, dass die angebotene Leistung genauso zuverlässig

bereitgestellt wird, wie es heutige Anbieter können. Dabei gilt, dass eine höhe-

re Zuverlässigkeit ein geringeres Potential zur Bereitstellung durch fluktuierend

einspeisende Erneuerbare Energien hervorruft und umgekehrt. Wie stark diese

Abhängigkeit ist, hängt im hohen Maße von der verwendeten Prognose, der

Produktlänge und der Vorlaufzeit ab.

2. Produktlänge

Die Produktlänge beschreibt, wie lange die Regelleistung vorgehalten werden

muss. Sie hat dabei ebenfalls einen Einfluss auf das Angebotspotential, wel-

ches hauptsächlich durch die Angebotscharakteristik der fluktuierend einspei-

senden Erneuerbaren Energien bestimmt wird. So hat die Produktlänge

weniger starke Auswirkungen auf gleichmäßig produzierenden Anlagen, wie

beispielsweise im Falle der Offshore-Windenergie. Bei einer Verkürzung der

Produktlänge von vier Stunden auf eine Stunde ist der Potentialunterschied bei

Onshore- und Offshore-Wind relativ gering, wohingegen der Potentialunter-

schied bei Photovoltaikanlagen sehr groß ist. Allgemein gilt jedoch, dass eine

zunehmende Produktlänge zu geringeren Potentialen führt.

3. Vorlaufzeit

Die Vorlaufzeit bestimmt die Zeit, die zwischen Versteigerung des Produkts

und dem eigentlichen Lieferzeitpunkt liegt. Ist die Vorlaufzeit kurz, haben fluk-

tuierend einspeisende Erneuerbare Energien einen relativ kleinen durchschnitt-

lichen Prognosefehler. So kann bei einer 1h-Kurzfristprognose sehr sicher

gesagt werden, welche Leistung zur Verfügung steht. Wird hingegen die Vor-

tagesprognose genutzt, um das Angebot zu erstellen, ist der durchschnittliche

Prognosefehler deutlich größer, weshalb höhere Abschläge nötig sind, um die

gewünschte Zuverlässigkeit zu erreichen.

4. Gebotsgröße

Gibt es Einschränkungen bei der Mindestangebotsgröße, kann es zu bestimm-

ten Zeitpunkten sein, dass ein Angebotspotential vorhanden ist, allerdings die

Mindestangebotsgröße nicht erreicht wird. Es konnte beobachtet werden, dass

eine geringe Angebotsgröße meist in Zeiten geringer Windenergie- und Photo-

voltaikeinspeisung vorliegt. Gebote in dieser Zeit sind wirtschaftlich weniger

interessant aufgrund hoher Preise am Spotmarkt. Der Wegfall dieses Regelleis-

tungspotentials ist außerdem nicht kritisch für die Sockellastreduzierung. In

Zeiten mit hoher Einspeisung ist auch das Regelleistungspotential groß. Der

Einfluss der Mindestgebotsgröße hat daher einen geringeren Einfluss auf das

Angebotspotential.

5. Poolgröße

Die Poolgröße hat einen unmittelbaren und einen mittelbaren Einfluss auf das

Angebotspotential. Unmittelbar wird das Angebotspotential durch die

Poolgröße bestimmt, welche sich proportional zur installierten Leistung ska-

liert. Der mittelbare Einfluss liegt in der Qualität der Prognose. Unterschiedliche

Pools haben verschiedene Prognosen mit unterschiedlichen Fehlercharakteristi-

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 20 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

ken, welche hauptsächlich durch die Standorte der Anlagen bestimmt werden.

Durch eine optimierte Auswahl der Anlagen eines Regelleistungspools kann

der Einfluss der Poolgröße auf das Potential verringert werden. Allgemein gilt

aber, dass mit abnehmender Poolgröße das Angebotspotential überproportio-

nal abnimmt. Des Weiteren reagieren kleinere Pools sensibler auf die vorab

genannten Aspekte.

3.3 Übertragung der Studienergebnisse auf den Betrachtungszeit-raum

Die Potentiale, welche in den vorangegangenen Studien präsentiert wurden, sind

hauptsächlich auf die Jahre 2010 und 2012 beschränkt. Im Rahmen dieser Studie

werden die vorhandenen Erkenntnisse genutzt, um die Ergebnisse auf das Jahr 2013 zu

übertragen. Die Faktoren, welche das Angebotspotential bestimmen, wurden im

vorangegangenen Kapitel erläutert.

3.3.1 Annahmen und Datenqualität

Für die Übertragung der vorherigen Ergebnisse auf das Jahr 2013 dieser Studie werden

die folgenden Rahmenbedingungen angenommen:

Regelleistung wird gleichzeitig mit den Spotmarktprodukten versteigert. In der

Realität wird die Regelleistung allerdings schon um 10 Uhr morgen versteigert,

Energie am Spotmarkt um 12 Uhr. Das bedeutet für die Marktteilnehmer, dass

sie sich entscheiden müssen Regelleistung anzubieten, bevor sie wissen, ob sie

auch Energie im Spotmarkt bereitstellen werden. Darüber hinaus wird implizit

von einer perfekten Preisprognose für den Spotmarkt ausgegangen, da zum

Zeitpunkt der Regelleistungsgebotserstellung die Preise am Spotmarkt noch

nicht bekannt sein können. Zeitlich gesehen basieren beide Prognosen aber

auf den Leistungsprognosen, die aus der 6-Uhr-Wetterprognose erstellt wer-

den, und sind somit identisch.

Es werden zwei Poolgrößen untersucht:

1. 30 GW Pool:

Der 30 GW Windparkpool wurde in den Auswertungen für 2010 und

2012 jeweils genutzt, um die Angebotspotentiale für die Summe aller

Windenergieanlangen zu berechnen. Es wurde in allen Jahren dieselbe in-

stallierte Leistung gewählt, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Jahren

herstellen zu können. Aus diesem Grund wird auch für das 2013 diese

Poolgröße gewählt. Damit wird das Potential 2010 allerdings leicht über-

schätzt, das Potential für 2012 nahezu exakt dargestellt und die Potentiale

für 2013 leicht unterschätzt.

2. 5 GW Pool:

In vorangegangenen Studien wurde jeweils ein 1 GW Windparkpool unter-

sucht, welcher das Portfolio eines großen Direktvermarkters darstellen soll.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 21 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

In dieser Untersuchung weichen wir davon ab, da wir annehmen, dass

mehrere Direktvermarkter an diesem Markt teilnehmen werden. Dabei ha-

ben wir angenommen, dass fünf Direktvermarkter mit einem jeweils 1 GW

großen Pool anbieten. Die Angebotspotentiale sind dann die Summer die-

ser Direktvermarkter.

Die zugrundeliegende Einspeisevergütungen sind:

1. Wind: 89 €/MWh

2. Photovoltaik: 120 €/MWh (Anlagenbestand Freiflächenanlagen)

3. Photovoltaik alternative Variante für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung:

90 €/MWh (Zubau Freiflächenanlagen)

Die Prognosegüte der verwendeten Prognosen ergibt sich aus den bereitge-

stellten Daten. Für die Vortagesprognose wurden die Daten von der Plattform

www.transparency.eex.com genutzt. Die Ein-Stunden-Vortagesprognose sind

die Persistenzprognosen, welche mit einer Regressionsfunktion angepasst wird,

um bereits vorhandene Prognosefehler aus dem vergangenen Zeitraum mit

einzubeziehen. Das bedeutet, dass die Prognose für in einer Stunde auf der

derzeit gemessenen Einspeisung basiert, korrigiert um die Trends und Progno-

sefehler aus der Viertelstunde zuvor. Dieser Ansatz ist solide, kann aber nicht

mit den Produkten kommerzieller Anbieter konkurrieren.

1. Wind:

a. Vortagesprognose:

nRMSE4 = 4,36 %

b. Ein-Stunden-Untertagsprognose:

nRMSE = 2,06 %

2. Photovoltaik:

a. Vortagesprognose:

nRMSE = 3,70 %

b. Ein-Stunden-Untertagsprognose:

nRMSE = 1,43 %

3.4 Optimale Bedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien

Die nachfolgenden Betrachtungen sind hypothetischer Natur und beinhalten nicht die

Restriktionen, welche durch den realen Markt herrschen. Dies dient dazu die optimalen

Bedingungen für eine Regelleistungsbereitstellung aus fluktuierend einspeisenden

Erneuerbaren Energien zu bestimmen.

4 normalised root-mean-square error; Messgröße für die Qualität der Windleistungsprognose bezogen auf die

installierte Leisung

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 22 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3.4.1

Energetische Potentiale

In nachfolgenden Abbildungen (Abbildung 2 und Abbildung 3) werden die kumulierten

Potentiale für die Regelleistungsbereitstellung am Vortag (Day-Ahead) in Abhängigkeit

des Sicherheitsniveaus und der Produktlänge dargestellt. Abbildung 2 zeigt dabei die

Regelleistungspotentiale für jeweils einen 30 GW Windparkpool (blau) und einen

30 GW Photovoltaikpool (gelb). Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse für einen

Windparkpool und einen Photovoltaikpool von jeweils 5 GW. Die Angebotspotentiale

werden in MWh angegeben. Sie sind das Integral der Leistungen eines Jahres, welche

als Regelleistungsangebote genutzt werden können.

Es ist ersichtlich, dass das Regelleistungspotential mit zunehmender Produktlänge

(Vorhaltezeit) und zunehmender Zuverlässigkeit des Angebots sinkt. Da aus

systemrelevanten Gründen die Regelleistungserbringung mit hinreichender

Zuverlässigkeit erfolgen muss, steht bei der Zuverlässigkeit kein Freiheitsgrad zur

Verfügung. Deshalb wird in dieser Studie davon ausgegangen, dass die Regelleistung

mit einer Zuverlässigkeit von 99,994 % bereitgehalten wird. Dies garantiert, dass die

Zuverlässigkeit nicht geringer ist als die der vorhandenen Anbieter. Darüber hinaus ist

davon auszugehen, dass die vortägliche Ausschreibung in naher Zukunft nicht auf

kürzere Zeiträume verkürzt werden kann. Dies hat hauptsächlich den Grund, dass

konventionelle Kraftwerke z.T. lange Anlaufzeiten haben.

Bei der Produktlänge ergibt sich hingegen ein Freiheitsgrad. Aus Abbildung 2 und

Abbildung 3 ergibt sich, dass eine kurze Produktlänge besser ist für das Angebotspo-

tential. Für Photovoltaikanlagen sind Produktlängen von mehr als zwölf Stunden, wie

sie derzeit in der Sekundärregelleistung vorherrschen, bereits ein Ausschlusskriterium.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine Produktlänge von einer Stunde optimal ist,

damit fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien Regelleistung bereitstellen

können.

1 h 4 h 12 h0

10 000 000

20 000 000

30 000 000

40 000 000

50 000 000

Produktlänge

Sum

me d

er

anbie

tbare

n M

enge [

MW

h]

Wind

95 %

Wind

99 %

Wind

99.9 %

Wind

99.994 %

PV

95 %

PV

99 %

PV

99.9 %

PV

99.994 %

Abbildung 2: Kumulierte

Regelleistungspotentiale des

30 GW Windpools und des

30 GW Photovoltaikpools ohne

Marktrestriktionen

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Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

Unter den zuvor identifizierten idealen Marktbedingungen mit einer Vorlaufzeit von

einer Stunde, bei einer Vortages-Ausschreibung, keiner Mindestgebotsgröße und

Regelzonenübergreifendem Pooling beträgt das Regelleistungspotential eines 30 GW

Pools aus Windenergieanlagen 17,1 TWh, bei einer Zuverlässigkeit von 99,994 %. Für

einen 30 GW Pool aus Photovoltaikanlagen beträgt das Potential 7,1 TWh unter

idealen Marktbedingungen bei einer Zuverlässigkeit von 99,994 %. Bei einem 5 GW

Pool aus Windenergieanlagen, unter ansonsten gleichen Bedingungen, beträgt das

Potential 2,8 TWh. Für ein 5 GW Pool aus Photovoltaikanlagen beträgt das Potential

1,3 TWh %. Nachfolgende Abbildung zeigt dies für die 5 GW Pools.

Demnach ist es für Windparks zumindest theoretisch möglich, an jedem beliebigen

Markt teilzunehmen, der auf einer Vortagesbasis operiert. Die Anforderungen, die

erfüllt werden müssen um Regelleistung bereit zu stellen, sind dabei eine besondere

Herausforderung, wenn die Produktlänge groß ist. Dies gilt für das Verfahren der

Präqualifikation, der Angebotserstellung und des Nachweises. Photovoltaikanlangen

sind in ihrem Angebotspotential beschränkt, wenn die Produktlänge zu lang ist, oder

das Sicherheitsniveau zu hoch.

Es kann daraus geschlossen werden, dass sich eine kurze Produktlänge positiv auf das

Angebotspotential auswirken wird. Das zeigt sich besonders deutlich bei dem 5 GW

Pool von Photovoltaikanlagen, bei dem sich das Angebotspotential mehr als halbiert

wird, wenn die Produktlänge vier Stunden anstatt einer Stunde beträgt. Windenergie-

anlagen haben dabei weniger Probleme mit einer langen Produktlänge. Die optimale

Produktlänge wäre demnach eine Stunde bei einer Vorlaufzeit von einem Tag.

1 h 4 h 12 h0

2 000 000

4 000 000

6 000 000

8 000 000

10 000 000

Produktlänge

Sum

me d

er

anbie

tbare

n M

enge [

MW

h]

Wind

95 %

Wind

99 %

Wind

99.9 %

Wind

99.994 %

PV

95 %

PV

99 %

PV

99.9 %

PV

99.994 %

Abbildung 3: Kumulierte

Regelleistungspotentiale des

5 GW Windpools und des

5 GW Photovoltaikpools ohne

Marktrestriktionen

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 24 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3.4.2

Potentiale im Zeitverlauf

Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen die Potentiale zur Bereitstellung von

Regelleistung durch Erneuerbare Energien. Die Potentiale für Windenergie und

Photovoltaik sind dargestellt für ideale Marktbedingungen. Biomasse und Wasserkraft

entsprechen den derzeitigen Mengen, die am Regelleistungsmarkt teilnehmen. Die

graue Fläche würde durch andere Flexibilitäten erbracht werden müssen. Die rote Linie

zeigt die Menge an, welche als negative Minutenreserveleistung ausgeschrieben

wurde.

1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

1000

2000

3000

4000

5000

Stunden im Jahr

Leis

tung

Andere Flexibilitäten

(inklusive zus. Biomasse)

vorhandene

Wasserkraft

vorhandene

Biomasse

Potential

Photovoltaik

Potential

Windenergie

Bedarf

Neg. Minutenreserve

1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

1000

2000

3000

4000

5000

Stunden im Jahr

Leis

tung

Andere Flexibilitäten

(inklusive zus. Biomasse)

vorhandene

Wasserkraft

vorhandene

Biomasse

Potential

Photovoltaik

Potential

Windenergie

Bedarf

Neg. Minutenreserve

Abbildung 4: Potentiale zur

Deckung der negativen

Regelleistung ohne

Marktrestriktionen (30 GW)

Abbildung 5: Potentiale zur

Deckung der negativen

Regelleistung ohne

Marktrestriktionen (5 GW)

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 25 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

3.4.3

Ökonomische Potentiale

Abbildung 6 und Abbildung 7 zeigen die wirtschaftlichen Potentiale eines Pools aus

Windenergie- und Photovoltaikanlagen. Diese Auswertung zeigt, welche Kosten bei der

Regelleistungsbereitstellung gespart werden könnten und welche Zusatzerlöse für die

Betreiber von Windenergie- und Photovoltaikanlagen erwirtschaftet werden können.

Die Kosteneinsparungen ergeben sich dadurch, dass die Anlagen Regelleistung

günstiger anbieten können als vorhandene Anbieter. Es wird dabei davon ausgegan-

gen, dass das Potential aus Kapitel 3.4.1 geboten werden. Die Gebote orientieren sich

dabei am letzten ersetzen Gebot. Die Zusatzerlöse sind die Differenz zwischen diesen

am Markt erzielten Preis und den Grenzkosten der Regelleistungsbereitstellung. Die

Kosteneinsparungen lassen sich realisieren, wenn angenommen wird, dass die

Teilnahme der Anlagen keine Rückkopplung auf Marktpreise hat.

Die gelben durchgezogenen Linien zeigen das wirtschaftliche Potential bei einer

Bereitstellung von negativer Minutenreserveleistung durch Photovoltaikanlagen bei

unterschiedlichen Sicherheitsleveln und Produktlängen. Die blauen Linien repräsentie-

ren die Ergebnisse für die Windenergie. Die gelben gestrichelten Linien sind die

möglichen Zusatzerlöse für die Photovoltaikparks, die blauen gestrichelten Linien für

die Windenergie.

Abbildung 6 zeigt die Ergebnisse für die Pools aus jeweils 30 GW Windenergie- und

Photovoltaikanlagen. Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse für Pools von jeweils 5 GW. Es

ist wichtig anzumerken, dass Windenergie- und Photovoltaikanlagen getrennt

berechnet werden. Das wirtschaftliche Potential beider Anlagen darf nicht addiert

0

12 000 000

24 000 000

36 000 000

48 000 000

60 000 000

Koste

nein

sparu

ng/Z

usatz

erlös [

€]

95 %99 %

99.9 %99.994 %

Wind

12 Std. Einsparung

Wind

12 Std. Zusatzerls

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

4 Std. Zusatzerlös

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

1 Std. Zusatzerlös

PV

12 Std. Einsparung

PV

12 Std. Zusatzerlös

PV

4 Std. Einsparung

PV

4 Std. Zusatzerlös

PV

1 Std. Einsparung

PV

1 Std. Zusatzerlös

Abbildung 6: Wirtschaftliche

Potentiale negativen

Minutenreservebereitstellungd

urch Wind- und

Photovoltaikanlagen ohne

Marktrestriktionen (30 GW)

Page 26: OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE ......2014/04/07  · Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung. Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer

Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 26 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien

werden, da es bei einer gleichzeitig zum Teil dieselben Potentiale erschließt. In Summe

wäre das Angebot also geringer.

Ebenso wie bei dem technischen Potential aus Kapitel 3.4.1 kann man erkennen, dass

eine Stunde Produktlänge das größte Potential eschließt, welches ebenfalls mit

steigender Zuverlässigkeit abnimmt. Mit einem 30 GW Pool von Windkraftanlagen

ließe sich unter idealen Bedingungen ein Kostenreduktionspotential von ca. 39 Mio. €

erschließen, mit einem gleichgroßen Pool von Photovoltaikanlagen ca. 13 Mio. €.

Für die Photovoltaikanlagen wurde eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Die hier

präsentierten Ergebnisse basieren auf der Annahme, dass große Bestandsanlagen

Regelleistung bereitstellen. Es wurde eine mittlere Einspeisevergütung von 120 €/MWh

angenommen. Wird die mittlere Einspeisevergütung auf 90 €/MWh festgelegt haben

die Photovoltaikanlagen eine leichten Kostenvorteil. Dieser ist letztendlich kaum

spürbar in den Auswertungen. Er zeigt sich in marginal höheren Einsparpotentialen,

welche aber zu gering sind, um grafisch dargestellt werden zu können.

0

4 000 000

8 000 000

12 000 000

16 000 000

20 000 000

Koste

nein

sparu

ng/Z

usatz

erlös [

€]

95 %99 %

99.9 %99.994 %

Wind

12 Std. Einsparung

Wind

12 Std. Zusatzerls

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

4 Std. Zusatzerlös

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

1 Std. Zusatzerlös

PV

12 Std. Einsparung

PV

12 Std. Zusatzerlös

PV

4 Std. Einsparung

PV

4 Std. Zusatzerlös

PV

1 Std. Einsparung

PV

1 Std. Zusatzerlös

Abbildung 7: Wirtschaftliche

Potentiale negativen

Minutenreservebereitstellungd

urch Wind- und

Photovoltaikanlagen ohne

Marktrestriktionen (5 GW)

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 27 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

4 Regelleistungspotentiale Erneuerbarer Energien unter realen Marktbedingungen

4.1 Beschreibung der Marktbedingungen

Der Bedarf an Regelleistung, also Primär- und Sekundärregelung sowie Minutenreserve,

wird von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) entsprechend der

Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) auf dem freien Markt für Regelleistung

beschafft. An dem Ausschreibungswettbewerb auf der gemeinsamen Internetplattform

der ÜNB (www.regelleistung.net) können sich zahlreiche Anbieter (Erzeuger, Speicher

und Lasten) beteiligen. Hier erfolgt die Veröffentlichung der Ausschreibung, die

Abwicklung der Angebotsabgabe und die Information der Anbieter über erteilte

Zuschläge bzw. Absagen.

Um an der Ausschreibung teilnehmen zu können, müssen potentielle Anbieter für die

verschiedenen Arten von Regelleistung ein Präqualifikationsverfahren durchlaufen. Im

Rahmen dieses Verfahrens wird nachgewiesen, dass die Anlagen die Anforderungen

für die Erbringung einer oder mehrerer Arten von Regelleistung erfüllen. Des Weiteren

muss ein Rahmenvertrag mit dem jeweiligen ÜNB und ggf. mit dem entsprechendem

Verteilnetzbetreiber (VNB) geschlossen werden. Der Zusammenschluss mehrerer

technischer Einheiten (Erzeuger, Speicher und Lasten) zu einem Pool erlaubt es auch

Kleinanbietern, die geforderte Mindestangebotsgröße und Zuverlässigkeit zu erreichen,

um an den Ausschreibungen teilzunehmen. Die Poolbildung ist auch über die ÜNB-

Regelzonen hinaus möglich, wenn andernfalls die Mindestlosgröße nicht erreicht

werden kann.

Ein Angebot am Regelleistungsmarkt besteht aus der Angebotsgröße [MW] sowie

einem angebotenem Leistungs- [€/MW] und Arbeitspreis [€/MWh]. Im Fall der

Primärregelleistung entfällt der Arbeitspreis. Die Bezuschlagung erfolgt anhand des

gebotenen Leistungspreises. Es werden so viele Anbieter bezuschlagt, bis die vorab

bestimmte Höhe der notwendigerweise vorzuhaltenden Regelleistung erreicht ist. Aus

den bezuschlagten Angeboten erstellt der ÜNB im Fall der Sekundärregelleistung und

Minutenreserve eine Merit-Order (Einsatz-Reihenfolge) aufbauend auf den

Arbeitspreisen. So kann der Anbieter mit dem günstigsten Arbeitspreis im Bedarfsfall

zuerst abgerufen werden, dann der zweitgünstigste usw. Alle Anbieter, die einen

Zuschlag bekommen haben, erhalten vom ÜNB den angebotenen Leistungspreis. Wird

positive Regelleistung abgerufen, zahlt der ÜNB zusätzlich den gebotenen Arbeitspreis

an den Anbieter. Wird negative Regelleistung abgerufen, zahlt teilweise der Anbieter –

weil er seine Erzeugungsleistung reduzieren darf und Brennstoffkosten einspart -

seinen gebotenen Arbeitspreis an den ÜNB, teilweise bekommt der Anbieter eine

Vergütung für den nicht produzierten Strom. Bei der Primärregelleistung gibt es die

Verpflichtung zur symmetrischen Gebotsabgabe. Das heißt, dass der Anbieter in der

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 28 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

angebotenen Höhe gleichermaßen in der Lage sein muss, negative und positive

Leistungsreserven bereitstellen zu können.

Die Regeleistungsanbieter müssen die Bereitstellung der Regelleistung mit einer

Zuverlässigkeit von 100 % vertraglich zusichern. Die derzeitigen Anbieter erreichen

diese durch die Besicherung ihres Pools gegen einen Anlagenausfall. In der Regel

werden die größten Anlagen oder die zwei größten Anlagen im Pool besichert (n-1 und

n-2). Oftmals wird auch so viel Besicherungsleistung vorgehalten, dass circa 20 % des

Regelleistungsangebots abgesichert sind. Die Höhe der Besicherungsleistung ist stark

abhängig von der Verfügbarkeit der Poolteilnehmer und der Prognosegüte der

erstellten Fahrpläne.

Im Folgenden werden die Marktbedingungen am Regelleistungsmarkt aufgeführt.

Dabei wird sich auf die für Regelleistungserbringung aus Erneuerbaren Energien

wichtigsten Aspekte beschränkt.

Primärregelleistung Sekundärregelleistung Minutenreserve

Mindestangebot ± 1MW 5MW 5MW

Pooling Ja , nur regelzonenintern

Ja, nur regelzonenintern.

Zur Erreichung der

Mindestangebotsgröße

auch regelzonenübergrei-

fend

Ja, nur regelzonenintern.

Zur Erreichung der

Mindestangebotsgröße

auch regelzonenübergrei-

fend

Ausschreibungs-

zeitraum 1 Woche 1 Woche

Täglich, Ausnahme

Wochenenden und

Feiertage

Produktlänge 1 Woche

HT (8 Uhr – 20 Uhr)

werktags und ansonsten

NT

Täglich sechs

4-Stundenblöcke,

beginnend bei 0 Uhr

Vergütungsprinzip Leistungspreis Leistungspreis und

Arbeitspreis

Leistungspreis und

Arbeitspreis

Auktionskriterium Günstigster

Leistungspreis

Günstigster

Leistungspreis

Günstigster

Leistungspreis

Aktivierungsge-

schwindigkeit 30 Sekunden 5 Minuten 15 Minuten

Abruf Dezentral über

Frequenzmessung

Signal vom zentralen

Netzregler Auf Abruf vom ÜNB

auktionierte

Leistung

(Durchschnitt

2013)

± 576 MW -2066 MW (neg) /

2108 MW (pos)

-2578 MW (neg) /

2470 MW (pos)

Die vorangegangen Marktbedingungen befähigen derzeit eine Vielzahl von Anlagen

am Regelleistungsmarkt teilzunehmen. Dazu zählen auch viele Biogasanlagen und

Wasserkraftwerke, welche bereits in großem Stil Regelleistung bereitstellen.

Voraussetzung für die Bereitstellung von Regelleistung ist die Teilnahme dieser Anlagen

an der Direktvermarktung.

In Kapitel 3.1.1 wurde bereits beschrieben, welche Erneuerbare-Energien-Anlagen

bereits Regelleistung bereitstellen. Aus dem Umstand, dass diese Anlagen bereits

Regelleistung bereit stellen, kann geschlussfolgert werden, dass die Marktbedingungen

hinreichend sind, damit Regelleistung angeboten werden kann. Hauptprobleme bei der

Tabelle 1: Marktbedingungen

auf dem deutschen Markt für

Regelleistung

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 29 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

Erbringung von Regelleistung ist derzeit die Anlagenanbindung an den Regelleistungs-

pool, weniger die Marktbedingungen. Biomasseanlagen stellen derzeit i.d.R. negative

Regelleistung bereit. Grund hierfür sind zum einen die höheren Erlöspotentiale im

Vergleich zur positiven Regelleistung. Zum anderen passt die Bereitstellung negativer

Regelleistung gut zu den etablierten, oft rein wärmegeführten Betriebskonzepten

(Lange et. al 2014).

Für die Regelleistungsbereitstellung von fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren

Energien kommt derzeit nur der Minutenreservemarkt in Betracht. Die Sekundär- und

Primärregelleistung sind aufgrund der großen Vorlaufzeiten von mehr als einer Woche

prognosetechnisch nicht abbildbar. Ähnliche Probleme kann es für einen Teil der

Biomasseanlagen geben, welche über nur geringe Gasspeicherkapazitäten verfügen

und daher eine Angebotserstellung nur schwer möglich ist. Vorangegangene

Untersuchungen (Speckmann et.al 2014, Jansen et.al 2012) haben außerdem gezeigt,

dass derzeit nur negative Regelleistung wirtschaftlich durch Windenergie und

Photovoltaik bereitgestellt werden kann. Daher konzentriert sich diese Studie auf das

Produkt der negativen Minutenreserveleistung.

Ein zukünftiger Regelenergiemarkt, der hier bis jetzt nicht betrachtet wird, ist der von

ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) geplante, europäische

Regelenergiemarkt, welcher im ENTSO-E Networkcode Electricity Balancing

ausformuliert werden soll (ACER 2012). Dieser Markt soll in naher Zukunft

implementiert werden, um den Austausch von Regelenergie über die Ländergrenzen

hinweg standardisiert zu ermöglichen. Anders als der Regelleistungsmarkt in diesem

Kapitel wird dieser Markt als ein reiner Markt für Regelenergie organisiert sein. Das

bedeutet, dass dort nur Energiemengen bereitgestellt werden. Ähnlich der

Minutenreserve, jedoch ohne Leistungspreisvergütung. Durch diese Ausgestaltung ist

es vielen flexiblen Anbietern möglich, diese Leistung anzubieten. Die Bereithaltung der

Regelleistung kann er aber nicht ersetzen. Aus diesem Grund wird dieser Markt auch

nicht die Must-Run-Problematik adressieren können. In (ACER 2012) werden konkrete

Marktregeln vorgeschlagen. Dabei soll es Marktteilnehmern möglich sein, ihre Gebote

mit maximal einer Stunde Vorlaufzeit einzustellen. Die Vorlaufzeiten und Produktlän-

gen sollen sich dabei an grenzüberschreitenden Strommärkten orientieren. Damit ist

eine Produktlänge von einer Stunde zu erwarten.

4.2 Anpassungen an das reale Marktmodell

Die vorangegangen Marktbedingungen ermöglichen bereits heute erfolgreich die

Teilnahme am Regelleistungsmarkt von Biomasseanlagen und Wasserkraftwerken.

Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen sind bis jetzt aufgrund der fehlenden

Möglichkeit zur Präqualifikation noch nicht am Regelleistungsmarkt etabliert. Laut der

Aussage der Übertragungsnetzbetreiber liegt dies hauptsächlich an der Prognoseunsi-

cherheit, welcher dargebotsabhängige Erzeugung unterliegt. Mit Hilfe von

probabilistischen Prognosen kann dieses Problem aber beherrschbar gemacht werden

(Speckmann et. al 2014).

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 30 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

Derzeitig befindet sich ein Verfahren für die Präqualifikation zur Regelleistungsbereit-

stellung durch Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen in der Diskussion, welches sich

stark an die bereits bestehenden Marktbedingungen anlehnt. In Kapitel 3 wurden die

idealen Rahmenbedingungen identifiziert, welche die Regelleistungsbereitstellung

fluktuierend einspeisender Erneuerbarer Energien ermöglichen.

Um den Marktbedingungen zu entsprechen und die Potentiale abbilden zu können,

werden die folgenden limitierenden Faktoren in die Angebotserstellung mit

einbezogen:

Das Mindestgebot beträgt 5 MW. Alle Gebote, die kleiner sind als 5 MW,

werden nicht betrachtet und zu null gesetzt.

Bei der wochentäglichen Ausschreibung wird angenommen, dass das Regel-

leistungsangebot nur maximal mit einem Tag Vorlaufzeit zuverlässig bestimmt

werden kann. Da freitags die Regelleistung für Samstag, Sonntag und Montag

versteigert wird, ergibt sich, dass Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen frei-

tags nur an der Auktion für Samstag teilnehmen können. Damit können Re-

gelleistungspotentiale an Sonntagen und Montagen grundsätzlich nicht

genutzt werden.

Die Produktlänge für die Regelleistungsbereitstellung beträgt vier Stunden.

Dies führ zu einer Reduktion des Regelleistungspotentials für Windenergie im

Allgemeinen und Photovoltaik im Speziellen.

Verbot des regelzonenübergreifenden Poolings bedeutet, dass Regelleistungs-

pools immer nur in einer Regelzone gebildet werden können. Als einzige Aus-

nahme darf regelzonenübergreifend gepoolt werden, wenn ansonsten die

Mindestangebotsgröße nicht erreicht werden könnte.

Die derzeitig diskutierten Regelungen zur Präqualifikation sehen den Nachweis

der Regelleistungserbringung mit Hilfe des Fahrplans vor. Das bedeutet, dass

Windenergieanlagen auf den Fahrplan abgeregelt werden müssen, wenn sie

Regelleistung anbieten wollen. Dies geht mit Energieverlusten einher, welche

die Wirtschaftlichkeit negativ beeinflussen. Das technische Potential ist davon

unabhängig, jedoch wird de facto weniger Regelleistung angeboten.

Die ausgeschriebene Regelleistung ist begrenzt. Das Potential kann daher

unter Umständen nicht vollständig genutzt werden. Die Gebote werden daher

auf den Jahresmittelwert von 2013 begrenzt.

Der Unterschied, der durch eine Verkürzung der Vorlaufzeit entsteht, wird im Rahmen

dieser Studie nicht untersucht. Zum einen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die

Regelleistungsbeschaffung in naher Zukunft wesentlich kürzer wird. Dies hat Gründe

der Versorgungssicherheit. Es besteht die Befürchtung, dass nicht genügend Anlagen

kurzfristig Regelleistung bereitstellen können und dann keine Zeit mehr zum Reagieren

besteht. Thermische Kraftwerke brauchen eine längere Vorlaufzeit, um am Netz zu sein

und Regelleistung bereit zu stellen. Zum anderen steht derzeit die Umsetzung der

„ACER Framework Guidelines for Electricity Balancing“ an. Dort wird die Einführung

eines europaweiten Energy-Only-Regelenergiemarktes vorgesehen (wie oben

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 31 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

beschrieben). Kurzfristige Angebote hätten somit die Möglichkeit dort Berücksichti-

gung zu finden.

4.3 Angebotspotentiale durch die Regelleistungsbereitstellung von fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien unter realen Marktbedingungen

Nachfolgend, in Abbildung 8 und Abbildung 9, werden die Regelleistungspotentiale

unter realen Marktbedingungen gezeigt. In grau werden die Werte aus Abbildung 2

und Abbildung 3 zum Vergleich gezeigt. Die rote gestrichelte Linie zeigt dabei das

Potential bei einer Produktlänge von einer Stunde, einer Zuverlässigkeit von 99,994 %,

was den idealen Marktbedingungen entspricht. Die blauen Balken zeigen das Potential

für die Regelleistungsbereitstellung aus Windenergieanlangen, die gelben Balken

repräsentieren das Potential der Photovoltaikanlagen. Die grüne gestrichelte Linie zeigt

die Potentiale unter realen Marktbedingungen, welche durch die Mindestgebotsgröße,

die wochentägliche Ausschreibung und Produktlänge begrenzt sind. Abbildung 8 zeigt

die Ergebnisse für die Pools aus jeweils 30 GW Windenergie- und Photovoltaikanlagen.

Abbildung 9 zeigt die Ergebnisse für die jeweils 5 GW großen Pools.

Unter realen Marktbedingungen mit einer Produktlänge von vier Stunden beträgt das

Potential von einem 30 GW Pool von Windenergieanlagen 9,9 TWh. Das Potential eines

30 GW Pools von Photovoltaikanlagen beträgt noch 2,1 TWh. Würden Windenergiean-

lagen unter idealen Marktbedingungen anbieten, könnte sich ihr Angebot um 73 %

erhöhen, das Photovoltaikpotential würde sich um 230 % erhöhen. Beide Pools

zusammen könnten dabei das Angebotspotential um 101 % steigern.

1 h 4 h 12 h0

10 000 000

20 000 000

30 000 000

40 000 000

50 000 000

Produktlänge

Sum

me d

er

anbie

tbare

n M

enge [

MW

h]

Wind

95 %

Wind

99 %

Wind

99.9 %

Wind

99.994 %

PV

95 %

PV

99 %

PV

99.9 %

PV

99.994 %

Abbildung 8: Kumulierte

Regelleistungspotentiale des

30 GW Windpools und des

30 GW Photovoltaikpools

unter realen

Marktbedingungen

Page 32: OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE ......2014/04/07  · Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung. Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer

Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 32 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

Für die 5 GW großen Pools beträgt das Potential unter realen Marktbedingungen

1,6 TWh für Windenergieanlagen. Das Potential eines 5 GW Pools von Photovoltaikan-

lagen beträgt noch 0,4 TWh. Unter idealen Marktbedingungen könnten Windenergie-

anlagen ihr Angebot um 75 % erhöhen, das Photovoltaikpotential würde sich um

225 % erhöhen. Beide Pools zusammen könnten dabei das Angebotspotential um

105 % steigern.

Die Auswertungen zeigen sowohl für den 5 GW Pool als auch für den 30 GW Pool,

dass sich die Angebotspotentiale unter idealen Marktbedingungen gegenüber den

realen Marktbedingungen ungefähr verdoppeln ließen, wenn die in Kapitel 3

genannten Marktbedingungen implementiert würden. Dabei gilt, dass kleinere Pools

von Photovoltaikanlagen überproportional profitieren würden.

4.4 Potentialnutzung im Zeitverlauf

In diesem Kapitel wird gezeigt, wie der Bedarf an negativer Minutenreserveleistung

durch Wind, Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft derzeit gedeckt werden könnte.

Dabei ist zu bemerken, dass Biomasse konstant mit 820 MW (grüne Fläche)

angenommen wurde und Wasserkraft (blaue Fläche) mit 230 MW. Diese repräsentieren

das bereits am Regelleistungsmarkt teilnehmende Portfolio von Biomasseanlagen und

Wasserkraftanlagen. Die schwachgraue Fläche ist der Bedarf, welcher nicht unmittelbar

durch das Angebot des Wind- oder Photovoltaikpools gedeckt werden kann. Dies wird

dann durch andere Regelleistungsanbieter gefüllt werden müssen. Darunter zählen

unter anderem auch alle unter Kapitel 2.2 aufgezählten Flexibilitätsoptionen. Weiterhin

gibt es auch ein noch nicht erschlossenes Potential an Biomasseanlagen, welche in dem

grauen Bereich enthalten sind.

In der nachfolgenden Grafik wird die Deckung des Minutenreservebedarfs durch

Erneuerbare-Energien-Anlagen durch einen jeweils 30 GW großen Pool von

Windenergieanlangen und Photovoltaikanlagen dargestellt. Es zeigt sich, dass unter

realen Bedingungen wöchentlich Lücken im Potentialverlauf vorhanden sind, an denen

Windenergie- und Photovoltaikanlagen keine Regelleistung bereitstellen können. In

diesen Zeiten wird die Regelleistung durch andere Anbieter bereitgestellt werden

1 h 4 h 12 h0

2 000 000

4 000 000

6 000 000

8 000 000

10 000 000

Produktlänge

Sum

me d

er

anbie

tbare

n M

enge [

MW

h]

Wind

95 %

Wind

99 %

Wind

99.9 %

Wind

99.994 %

PV

95 %

PV

99 %

PV

99.9 %

PV

99.994 %

Abbildung 9: Kumulierte

Regelleistungspotentiale des

5 GW Windpools und des

5 GW Photovoltaikpools unter

realen Marktbedingungen

Page 33: OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE ......2014/04/07  · Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung. Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer

Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 33 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

müssen, beispielsweise durch Wasserkraft oder Biomasseanlagen. Wird nun

angenommen, dass der gesamte deutsche Windenergie- und Photovoltaikanlagenpool

mit je 30 GW Regelleistung bereitstellt, lässt sich erkennen, dass der Abdeckungsgrad

durch die fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien bereits sehr hoch ist. Es ist

aus diesem Aspekt her also wünschenswert, dass so viele fluktuierend einspeisende

Erneuerbaren Energien wie möglich am Regelleistungsmarkt teilnehmen. Das Potential

ließe sich noch einmal deutlich steigern, wenn die Ausschreibung täglich anstatt

wochentäglich wäre.

Abbildung 11 zeigt die Potentialabdeckung bei einem Pool von jeweils 5 GW von

Windenergie- und Photovoltaikanlagen. Bei einem jeweils 5 GW großen Pool würde

derzeit fast das gesamte Potential in der Minutenreserveleistung genutzt werden

können.

Abbildung 10 und Abbildung 11 zeigen außerdem eine gute saisonale Ergänzung von

Windenergieanlangen und Photovoltaikanlagen. Im Sommer kann die Photovoltaik

mehr anbieten und gleichzeitig die Windenergie weniger. Im Winter ist dies

1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

1000

2000

3000

4000

5000

Stunden im Jahr

Leis

tung

Andere Flexibilitäten

(inklusive zus. Biomasse)

vorhandene

Wasserkraft

vorhandene

Biomasse

Potential

Photovoltaik

Potential

Windenergie

Bedarf

Neg. Minutenreserve

1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

1000

2000

3000

4000

5000

Stunden im Jahr

Leis

tung

Andere Flexibilitäten

(inklusive zus. Biomasse)

vorhandene

Wasserkraft

vorhandene

Biomasse

Potential

Photovoltaik

Potential

Windenergie

Bedarf

Neg. Minutenreserve

Abbildung 10: Potentiale zur

Deckung der negativen

Regelleistung unter realen

Marktbedingungen (30 GW)

Abbildung 11: Potentiale zur

Deckung der negativen

Regelleistung unter realen

Marktbedingungen (5 GW GW)

Page 34: OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE ......2014/04/07  · Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung. Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer

Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 34 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

umgekehrt. Allerdings wird auch ersichtlich, dass für die Regelleistungsvorhaltung

unbedingt regelbare Biomasseanlagen und Wasserkraft nebst anderen Flexibilitäten

vorhanden sein müssen. Windenergieanlangen und Photovoltaikanlagen stellen

Regelleistung fast nur in Zeiten starker Einspeisung aus fluktuierend einspeisenden

Erneuerbaren Energien bereit. Damit ermöglichen Sie zum einen die Ablösung der

fossilen „Must-Run“-Kraftwerke und zum anderen die Absicherung der Versorgungssi-

cherheit gegenüber den eigenen Schwankungen.

4.5 Ökonomische Potentiale

Nachfolgende werden die ökonomischen Potentiale unter realen Marktbedingungen

dargestellt. Dabei wurden die Potentiale aus Kapitel 4.3 genutzt und die Kosteneinspa-

rungspotentiale und möglichen Zusatzerlöse mit der gleichen Methodik berechnet wie

in Kapitel 3.

Die zu erwartenden Einsparungen sinken unter realen Marktbedingungen stärker ab als

das energetische Potential. Bei einem 30 GW großen Pool von Windenergieanlagen

beträgt das Potential noch ca. 7,5 Mio. €, bei einem gleich großen Pool von

Photovoltaikanlagen weniger als 1 Mio. €. Bei einem 5 GW großen Pool von

Windenergieanlagen sind noch ca. 3 Mio. € Einsparung möglich. Bei Photovoltaikanla-

gen sind es deutlich weniger als 1 Mio. €. Die Einsparungen und die Zusatzerlöse

sinken überproportional mit abnehmender Poolgröße. Das liegt daran, dass bei der

Gebotserstellung immer der letzte ersetzte Preis maßgeblich ist. Je höher das Angebot,

desto tiefer kann der gebotene Preis angesetzt werden. Aus diesem Grund ist es

wünschenswert, möglichst viele fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien

0

12 000 000

24 000 000

36 000 000

48 000 000

60 000 000

Koste

nein

sparu

ng/Z

usatz

erlös [

€]

95 %99 %

99.9 %99.994 %

Wind

12 Std. Einsparung

Wind

12 Std. Zusatzerls

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

4 Std. Zusatzerlös

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

1 Std. Zusatzerlös

PV

12 Std. Einsparung

PV

12 Std. Zusatzerlös

PV

4 Std. Einsparung

PV

4 Std. Zusatzerlös

PV

1 Std. Einsparung

PV

1 Std. Zusatzerlös

Abbildung 12: Wirtschaftliche

Potentiale negativen

Minutenreservebereitstellungd

urch Wind- und

Photovoltaikanlagen unter

realen Marktbedingungen

(30 GW)

Page 35: OPTIMIERUNG DER MARKTBEDINGUNGEN FÜR DIE ......2014/04/07  · Von den Erneuerbaren Energien hat Wind den größten Anteil an der Versorgung. Photovoltaik deckt insbesondere im Sommer

Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 35 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

Anlagen im Regelleistungsmarkt zu haben, da sie die Kosten signifikant senken

können. Würden die idealen Marktbedingungen implementiert, könnten die

Kosteneinsparungen bei Teilnahme eines 30 GW Pools am Regeleistungsmarkt 420 %

höher sein. Photovoltaik hat ein insgesamt geringeres Kostensenkungspotential, allein

schon bedingt durch die geringeren Vollaststunden. Insgesamt könnten durch die

Implementierung der idealen Marktbedingungen gegenüber dem Status quo ein um

1400 % höheres Kostensenkungspotential erreicht werden.

4.6 Reales Gebotsverhalten & Pooling

Die oben dargestellten Ergebnisse grenzen die Gebote zwischen Wasserkraftwerken,

Biogasanlagen, Windenergieanlagen, Photovoltaikanlagen und flexiblen Lasten

(inklusive KWK) voneinander ab. Für die reine Potentialanalyse ist es zweckdienlich die

Potentiale einzeln darzustellen. Dies bildet allerdings nicht die Realität ab. Regelleistung

aus Erneuerbaren Energien wird aller Voraussicht nach nicht alleinig aus Regelenergie-

pools erbracht werden, welche nur eine Anlagengattung beinhalten. Ein realer Pool

zum Angebot von Regelleistung wird aller Wahrscheinlichkeit nach aus verschiedenen

Erneuerbaren Energien-Anlagen, Lasten (wie z.B. Power-to-Heat) und kleineren KWK-

Anlagen bestehen. Dies hat den Vorteil, dass Risiken reduziert werden können und

bietet die Möglichkeit, Kosten einzelner Sparten gegeneinander zu optimieren.

Werden steuerbare Erneuerbare Energien, oder auch Lasten und KWK-Anlagen, mit

fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien kombiniert, können durch den

Zusammenschluss die Zuverlässigkeit und das Angebotspotential gesteigert werden.

Dies liegt vor allem an dem verschiedenen Charakteristiken der probabilistischen

0

4 000 000

8 000 000

12 000 000

16 000 000

20 000 000

Koste

nein

sparu

ng/Z

usatz

erlös [

€]

95 %99 %

99.9 %99.994 %

Wind

12 Std. Einsparung

Wind

12 Std. Zusatzerls

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

4 Std. Zusatzerlös

Wind

4 Std. Einsparung

Wind

1 Std. Zusatzerlös

PV

12 Std. Einsparung

PV

12 Std. Zusatzerlös

PV

4 Std. Einsparung

PV

4 Std. Zusatzerlös

PV

1 Std. Einsparung

PV

1 Std. Zusatzerlös

Abbildung 13: Wirtschaftliche

Potentiale negativen

Minutenreservebereitstellungd

urch Wind- und

Photovoltaikanlagen unter

realen Marktbedingungen

(30 GW)

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 36 | 46

Regelleistungspotentiale

Erneuerbarer Energien unter

realen Marktbedingungen

Prognosen für fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien und der Ausfallwahr-

scheinlichkeit von steuerbaren Anlagen. Dieser Poolingeffekt hat zur Folge, dass ein

gemeinsam anbietender Pool ein höheres Angebotspotential hat als beide Pools jeweils

getrennt.

Die Ausfallwahrscheinlichkeit der steuerbaren Anlagen haben eine diskrete

Wahrscheinlichkeitsverteilung, mit Werten ausschließlich für die verschiedenen

Betriebszustände (normaler Betrieb, Teilausfall, Totalausfall), während der Prognosefeh-

ler der fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien eine stetige Wahrscheinlich-

keitsverteilung mit funktionalen Zusammenhang hat. Werden die Anlagen nun

gemeinsam angeboten, indem die probabilistische Prognose für den Windparkpool,

wie oben beschrieben für die Zuverlässigkeit von 99,994%, mit der Wahrscheinlichkeit

der steuerbaren Anlagen kombiniert wird, kann sich ein höheres Potential ergeben.

Folgendes Beispiel soll verdeutlichen wie dieses Vorgehen funktioniert. Nachfolgende

Abbildung zeigt das Ergebnis der Kombination eines Windparkpools mit einer

Nennleistung von insgesamt 1000 MW und einem Pool aus 5 Gaskraftwerken, die je

200 MW Regelleistung bereitstellen können. Das Angebot über zwei Tage basiert auf

der Vortagsprognose. Die Blaue Linie zeigt den Verlauf des Angebots des Gaskraft-

werkpools einzeln, die grüne Linie das Angebot des Windparkpools einzeln. Die braune

Linie ist die Summe des Angebots beider Angebote, während die rote Linie das

Angebot des gemeinsam angebotenen Pools aus Windparks und Gaskraftwerken ist. Es

ist zu erkennen, dass durch Kombinationseffekte das Angebot der Gasturbinen durch

die Kombination mit Windenergieanlagen deutlich gesteigert werden kann, selbst in

Zeiten, in denen der Windparkpool alleine keine oder kaum Regelleistung hätte

anbieten können. Die Stärke dieses Effekts hängt davon ab, wie stark sich die

kombinierten Prognosen in ihrer Charakteristik unterscheiden. Wird eine Untertags-

prognose des Windparks mit den Gasturbinen kombiniert, so ist der Effekt weniger

stark ausgeprägt, da die Fehlerverteilung bei der Untertags-Prognose wesentlich

schmaler ist und damit eher einen diskreteren Charakter hat als die Vortagsprognose.

Bestünde der Pool aus 50 Gasturbinen zu je 20 MW (bei derselben Gesamtleistung)

würde sich der Effekt auch verkleinern, da die Ausfallwahrscheinlichkeit der

Gasturbinen stetiger ist im Vergleich zu dem Pool mit 5 Gasturbinen zu je 200 MW.

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 2000

200

400

600

800

1000

1200

1400

Zeit [1/4 Stunden]

Ma

x. A

ng

ebo

t [M

W]

Pool WindparksPool GasturbinenSumme beider PoolsGemeinsamer Pool

Abbildung 14:

Angebotspotentiale eines

Pools aus

Windenergieanlangen und

Gasturbinen (Speckmann et. al

2014)

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 37 | 46

Vergleich und Fazit

5 Vergleich und Fazit

5.1 Potentialunterschiede durch Marktbedingungen

In Kapitel 3 werden die optimalen Bedingungen zur Bereitstellung von Regelleistung

aus fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren dargestellt. Dabei haben die einzelnen

Regelungen einen unterschiedlichen Einfluss.

1. Die Produktlänge hat ein Einfluss auf das Regelleistungspotential. Da jeweils

immer nur das Minimum eines Zeitintervalls als Regelleistung angeboten wird,

ist die Variabilität der fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien ein

limitierender Faktor.

o Bei Windenergieanlagen gilt, dass eine Potentialreduktion bei einem

Produktlängenunterschied von einer Stunde und vier Stunden relativ

gering ausfällt. Das Regelleistungspotential verringert sich deutlich

stärker bei einer Verlängerung der Produktlänge. In die Realität über-

tragen bedeutet dies, dass Windenergie mit den Vier-Stunden-

Produkten am Minutenreservemarkt teilnehmen kann. Die Vorhalte-

zeit von 12 Stunden bei der Sekundärregelleistung im HT/NT-Tarif al-

lerdings stellt sich als limitierender Faktor heraus.

o Für Photovoltaikanlagen sieht die Situation hingegen anders aus. Die

größten Potentialverluste ereignen sich bei einem Produktlängenun-

terschied von einer Stunde und vier Stunden. Dies gilt insbesondere

für die derzeitige Lage der Regelleistungsprodukte am Tag. Minuten-

reserve wird in Vier-Stunden-Blöcken beginnend bei 0:00 Uhr ausge-

schrieben. Das bedeutet, dass für Photovoltaik nur die Blöcke von

8:00-12:00 Uhr und 12:00-16:00 Uhr für die Teilnahme in Frage

kommen und dies in signifikanten Mengen auch nur in den Sommer-

monaten relevant ist. Die Bereitstellung von Sekundärregelleistung

durch Photovoltaikanlagen wäre demnach nicht möglich.

o Biomasse und Wasserkraftanlagen würden ebenfalls von einer kürze-

ren Produktlänge profitieren, da die Bereitstellung von Regelleistung

auf Stundenbasis besser mit dem normalen Betrieb übereingebracht

werden kann. Bei den Biogasanlagen ist der limitierende Faktor häufig

die Größe des Gasspeichers. Bei dem Abruf von negativer Regelleis-

tung über die gesamte Produktlänge füllt sich der Gasspeicher einer

Biogasanlage. Besteht keine Möglichkeit dieses Gas anderweitig zu

nutzen, muss das Gas verbraucht werden und limitiert somit das Re-

gelleistungspotential. Ein weiterer Aspekt ist die Wärmenachfrage bei

wärmegeführten Anlagen, welche bedient werden muss.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 38 | 46

Vergleich und Fazit

2. Die Vorlaufzeit zwischen Auktionierung und Regelleistungsbereitstellung

variiert derzeit zwischen einigen Stunden und mehr als einer Woche. In der

Minutenreserve können wochentäglich Angebote erstellt werden.

o Für Windenergie- und Photovoltaikanlagen kann am Vortag mit hin-

reichender Sicherheit die Einspeisung prognostiziert werden. Das be-

deutet, dass diese Anlagen Ihr Potential jeweils von Dienstag bis

Samstag nutzen können. Da Minutenreserve für Sonntag und Montag

ebenfalls schon am Freitag beschafft wird, können die Potentiale nicht

genutzt werden. Dabei ist insbesondere der Sonntag kritisch, da die

Regelleistung aus konventioneller Erzeugung bereitgestellt werden

muss, in Zeiten mit geringer Nachfrage und womöglich hoher Einspei-

sung aus fluktuierender Erzeugung aus Erneuerbaren Energien. Letzt-

endlich führt diese Must-Run-Problematik zu einer Situation in der

Erzeugung aus Erneuerbaren Energien abgeregelt werden muss, weil

andere Kraftwerke systembedingt nicht heruntergefahren werden

können.

o Für Biomasse und Wasserkraftanlagen stellt die Vorlaufzeit kein größe-

res Problem dar. Einzig die Ungewissheit über die Teilnahme am

Spotmarkt, welche zum Zeitpunkt des Angebots noch unsicher ist,

kann hier genannt werden. Dies ist aber ein Mechanismus dem alle

Anbieter unterliegen.

3. Die geforderte Zuverlässigkeit von 99,994 % stellt eine Herausforderung für

alle Marktteilnehmer dar. Diese Zuverlässigkeit wird durch die Besicherung des

Angebots erreicht.

o Das Potential zur Regelleistungsbereitstellung bei Windenergie- und

Photovoltaikanlagen sinkt bei steigender Zuverlässigkeit. Es ist aber

wenig wünschenswert die Zuverlässigkeit unter die Zuverlässigkeit

vorhandener Anbieter zu bringen, da die Regelleistung als Systemre-

serve gebraucht wird. Die Folgen einer Nicht-Erbringung im großen

Maßstab sind schwer abzuschätzen. Darüber hinaus kann die Zuver-

lässigkeit des Angebots durch das Pooling mit steuerbaren Anlagen

positiv beeinflusst werden. Durch die Kombination von Anlagen, wel-

che unterschiedliche Faktoren haben, die die Zuverlässigkeit beeinflus-

sen, sind neue Ansätze denkbar, welche die Nachteile einer hohen

Zuverlässigkeit teilweise ausgleichen können.

o Biomasse- und Wasserkraftanlagen nehmen bereits am Markt teil und

haben diese Herausforderung bereits erfolgreich adressiert.

Flexible Einheiten wie Biomasse, Wasserkraftanlagen, Blockheizkraftwerke, Speicher

und steuerbare Lasten werden jeweils immer dann flexibel zur Regelleistungsbereitstel-

lung herangezogen, wenn dies gesamtwirtschaftlich optimal ist. Das bedeutet, dass

sich ein konstant ändernder Mix der Regelleistungsvorhaltung ergibt, welcher sich

flexibel am Bedarf orientiert. Viele Probleme wie z.B. die Wochenendproblematik kann

schon durch diese Flexibilität begegnet werden. Allerdings ist es besser ein größeres

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 39 | 46

Vergleich und Fazit

Potential zur Verfügung zu haben, damit daraus dann die am besten geeigneten

Einheiten ausgewählt werden können.

5.2 Handlungsempfehlung

Um die Erbringung von Regelleistung aus fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren

Energien zu fördern werden folgenden Maßnahmen vom Fraunhofer IWES

vorgeschlagen:

1. Eine Verkürzung der Vorlaufzeiten, also der Zeit zwischen Ausschreibung und

tatsächlicher Vorhaltung der Regelleistung, auf einen Tag würde es ermögli-

chen, dass fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien am Regelleis-

tungsmarkt ihr Potential nutzen können.

o Eine noch kürzere Vorlaufzeit für Windenergie- und Photovoltaikanla-

gen ist zusätzlich vorteilhaft, da durch den kürzeren Prognosehorizont

die Unsicherheit der Prognose abnimmt. Eine so radikale Verkürzung

könnte allerdings andere Marktteilnehmer evtl. Probleme bereiten, da

z.B. konventionelle Kraftwerke eine längere Inbetriebnahmezeit brau-

chen, wenn sie nicht am Netz sind.

o Historisch gesehen wird Regelleistung über lange Zeiten ausgeschrie-

ben, da diese durch konventionelle Kraftwerke erbracht wurde. In Zei-

ten, in denen die Last jeden Tag annähernd gleich ist, kann der

Kraftwerksbetreiber gut abschätzen, dass seine Anlagen zu einer be-

stimmten Zeit Strom liefern werden. Bedingt durch die fluktuierend

einspeisenden Erneuerbaren Energien werden konventionelle Kraft-

werke zunehmend flexibel gefahren. Der Betreiber hat die Sicherheit,

dass er Strom liefern wird, nicht mehr über einen langen Zeitraum.

Der Einsatzplan ändert sich von Tag zu Tag. Aus diesem Grund ist es

sinnvoll, die Vorlaufzeiten zu reduzieren, damit Kraftwerke Regelleis-

tung bereitstellen können, wenn sie ohnehin Strom liefern.

o Derzeitig wird Regelleistung in den verschiedenen Qualitäten be-

schafft. Primärregelleistung und Sekundärregelleistung werden wö-

chentlich ausgeschrieben, Minutenreserve wochentäglich als

Vortagesauktion (also von Montag bis Freitag). Im Falle der Primärre-

gelleistung und Sekundärregelleistung bedeutet das, dass der Anbieter

u.U. bereits mehr als eine Woche im Voraus wissen muss, ob seine

Anlage Regelleistung liefern kann oder nicht. Wie viele andere Anbie-

ter auch, können fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien mit

einem derart langen Prognosehorizont nicht zuverlässig anbieten.

Gleiches gilt für die wochentägliche Ausschreibung der Minutenreser-

veleistung, welche ebenfalls verhindert, dass fluktuierend einspeisende

Erneuerbare Energien zuverlässig für Sonntage und Montage Regel-

leistung anbieten könnten.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 40 | 46

Vergleich und Fazit

2. Die Vorhaltezeit, auch Produktlänge genannt, sollte auf eine Stunde reduziert

werden.

o Bei der Primärregelleistung muss über den Zeitraum einer Woche die

Regelleistung vorgehalten werden, bei der Sekundärregelleistung je-

weils 12 Stunden eines Tages am Stück für sieben Tage. Bei der Minu-

tenreserve sind es Blöcke von vier Stunden, welche einzeln beschafft

werden.

o Die Regelleistungsprodukte wurden ausgestaltet mit einem konventi-

onellen Kraftwerkspark im Hinterkopf. Grundlastkraftwerke sind dafür

geeignet Primärregelleistung für den Zeitraum einer Woche vorzuhal-

ten, da sie immer am Netz sind. Mittellastkraftwerke sind prädestiniert

um Sekundärregelleistung anzubieten, da die Sekundärregelleistung

sich am Tag-Nacht-Wechsel (Peak/Off-Peak) orientiert. Spitzenlast-

kraftwerke sind demnach für die Minutenreserve vorgesehen. Durch

den Wandel im Energiesystem ist eine eindeutige Unterteilung der Be-

triebsführung in Grundlast, Mittellast und Spitzenlast nicht mehr mög-

lich. Folglich ist die eigentliche Zielgruppe, welche bei der

Ausgestaltung der Regelleistungsprodukte vorgesehen war, nicht

mehr unbedingt vorhanden. Kürzere Produktlängen würden konventi-

onellen Kraftwerken die Freiheit geben, Regelleistung dann bereit zu

stellen, wenn sie auch Strom liefern.

o Je länger die Vorhaltezeit, desto schwieriger ist es, einen Block bedie-

nen zu können. Eine Verkürzung der Vorhaltezeit würde bedeuten,

dass Regelleistung flexibler und bedarfsgerechter angeboten werden

kann, nämlich immer genau aus den Einheiten, die zum Zeitpunkt am

besten geeignet sind.

o Die Synchronisation mit dem Spotmarkt ermöglicht eine Entkopplung

der „Must-Run“-Kraftwerke von der Regelleistungsbereitstellung.

Wenn diese Kraftwerke keine Elektrizität bereitstellen, werden sie

auch keine Regelleistung bereithalten.

3. Abschaffung des Verbots von regelzonenübergreifenden Pooling

o Regelleistung wird üblicherweise von einem Pool aus Anlagen er-

bracht. Das Verbot von regelzonenübergreifendem Pooling bedeutet,

dass Regelleistung gemeinsam immer nur aus Anlagen einer Regelzo-

ne gemeinsam erbracht werden kann.

o Regelzonenübergreifendes Pooling ist nicht möglich, da jeder Übertra-

gungsnetzbetreiber für seinen Netzbereich verantwortlich ist. Mit der

Einführung eines gemeinsamen Netzregelverbunds aller deutschen

Übertragungsnetzbetreiber ist diese Verantwortung gemeinschaftlich

übernommen worden. Das Verbot des regelzonenübergreifenden Poo-

ling ist historisch bedingt und nicht mehr zwingend notwendig. Wür-

de es abgeschafft werden, müssten allerdings Netzengpässe bei der

Regelleistungsbereithaltung vermehrt betrachtet werden.

o Für die fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien bedeutet

das, dass Ausgleichseffekte aufgrund der geografischen Verteilung

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 41 | 46

Vergleich und Fazit

von Windenergieanlangen und Photovoltaikanlagen nicht genutzt

werden können. Diese Ausgleichseffekte bewirken, dass Prognosefeh-

ler sich teilweise gegenseitig aufheben. Zusätzlich dazu sichern sie ge-

gen extreme unvorhergesehene Wetterereignisse ab, da diese nie

zeitgleich im gesamten Land auftreten, wohl aber eine große Gleich-

zeitigkeit innerhalb einer Regelzone aufweisen können.

o Ein Pooling mit steuerbaren Anlagen kann u.U. dadurch erschwert

werden, dass die Einheiten in einer anderen Regelzone angeschlossen

sind.

4. Die Präqualifikationsbedingungen muss für stochastische Einheiten angepasst

werden

o Alle Einheiten haben eine Wahrscheinlichkeit, die angebotene Regel-

leistung beim Abruf nicht liefern zu können. Einheiten, welche einem

anderen Typ von Risiko unterliegen, wird der Zugang verwehrt. Darun-

ter zählen neben fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren Energien

zum Beispiel in Zukunft auch E-Kfz oder Lastmanagementanwendun-

gen. Bei diesen Einheiten ist nicht der technische Fehler einer Einheit

determinierend über die Zuverlässigkeit der Regelleistungsvorhaltung,

sondern die Prognoseungenauigkeit bei der Ermittlung der Angebots-

erstellung.

o Dieses stochastische Verhalten, gepaart mit der Charakteristik der va-

riablen Einspeisung, ist anders als das Ausfallverhalten konventioneller

Anlagen. Ausschlaggebend sollte aber nicht das Ausfallverhalten sein,

sondern nur die Zuverlässigkeit der Erbringung beim Abruf. Diesem

Umstand sollte mit geänderten Regelleistungspräqualifikationsbedin-

gungen bedacht werden.

o Die Herausforderung hier ist, dass mit Einheiten umgegangen werden

muss, welche in der Energiewirtschaft auf der Erzeugerseite so nicht

vorgekommen sind. Die Zunahme kleiner dezentraler Einheiten mit

stochastischem Verhalten in das Energiesystem ist eine Herausforde-

rung an den Systembetrieb.

Für alle vorangegangenen Handlungsempfehlungen gilt, dass die Marktbedingungen

stets das Optimum darstellen sollten, um allen Marktteilnehmern einen fairen

Wettbewerb zu ermöglichen. Nur so kann garantiert werden, dass zu jedem Zeitpunkt

auch tatsächlich die am besten geeignete Einheit Regelleistung bereitstellt. Bei dieser

Betrachtung müssen auch die etwaigen Geschäftsmodelle der einzelnen Anbieter eine

Rolle spielen. Selbst wenn Windenergieanlangen und Photovoltaikanlagen technisch in

der Lage sind, Regelleistung zu erbringen, heißt das noch nicht, dass es wirtschaftlich

attraktiv ist.

Über die vorangegangen Fragestellungen hinaus ist es grundsätzlich sinnvoll, über die

zukünftige Gestaltung der Strommärkte nachzudenken. Um die Wochenendproblema-

tik in den Griff zu kriegen müssten nicht unbedingt die Vorlaufzeiten geändert werden,

sondern wäre es auch denkbar, dass die Produkte ganz anders gestaltet werden. Ein

wirkleistungsabhängiges Regelleistungsprodukt wäre hier ein Ansatz. Dies würde dem

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 42 | 46

Vergleich und Fazit

Fakt Rechnung tragen, dass bei viel Windenergie und Photovoltaik im Netz ein hoher

Regelleistungsbedarf besteht. Ein Produkt, welches sich nach der Wirkleistung richtet

wäre in diesem Zusammenhang dann für die fluktuierend einspeisenden Erneuerbaren

Energien wünschenswert, weil dadurch viel Regelleistung bereitgestellt wird, wenn sie

benötigt würde. Das bedeutet, dass das Regelenergiepotential hoher Einspeisung groß

ist und damit der hohe Regelleistungsbedarf zu diesem Zeitpunkt bedient werden

kann. Konkret könnte es dann so ausgestaltet werden, dass die Einheiten einen

bestimmten Prozentsatz ihrer derzeitigen Einspeisung als Regelleistung anbieten

würden. Diese Art der Regelleistungsbereitstellung wird derzeit in Irland (EirGrid 2013)

praktiziert. Eine solche Umsetzung würde aber auch bedeuten, dass die Marktregeln

grundsätzlich angepasst werden müssen. Das derzeitige System des Angebots und des

Nachweises ist dann nicht mehr anwendbar. Insbesondere der heute übliche Nachweis

über den Fahrplan einer Anlage ist dann nicht mehr möglich, was auch in dem irischen

Beispiel der Fall ist.

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 43 | 46

Literatur

6

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Fraunhofer IWES Marktbedingungen für die Regelleistungsbereitstellung durch Erneuerbare Energien 45 | 46

Begriffsdefinitionen

7

Begriffsdefinitionen

BHKW Blockheizkraftwerk; KWK-Generator

EE Erneuerbare Energien

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz

EE-Methan Synthetische Methan, welches mit Überschuss-

strom hergestellt wird

EE-Wasserstoff Synthetischer Wasserstoff, welcher mit

Überschussstrom hergestellt wird

ENTSO-E European Network of Transmission System

Operators for Electricity, Verband der europäi-

schen ÜNB

Graf-Haubrich-Verfahren Verfahren zur Dimensionierung des Regelleis-

tungsbedarfs, angewandt durch die vier ÜNB in

Deutschland

Hz/mHz Hertz/Milihertz; Einheit für die Frequenz

KWK Kraft-Wärme-Kopplung; Gleichzeitige

Bereitstellung Strom und Wärme

Must-Run Kraftwerke die für Aufrechthaltung der

Systemstabilität notwendig sind

nRMSE normalised root-mean-square error; Messgröße für

die Qualität der Windleistungsprognose

n-1 Absicherung des Ausfall des größten Betriebsmit-

tels, auch n-2 möglich

MW Megawatt; Einheit für elektrische Leistung

TWh Terrawattstunde; Einheit für elektrische Energie

PV Photovoltaik

Überschussstrom Strom aus EE, zu welchem es keine Nachfrage

gibt. Bei Nichtnutzung wird er abgeregelt

ÜNB Übertragungsnetzbetreiber

Untertags-Prognose: Prognose die eine Stunde vor Beginn des

prognostizierten Zeitraums erstellt wurde. Kann

beliebig auf andere Vorlaufzeiten erweitert wer-

den

VNB Verteilnetzbetreiber

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Auftraggeber:

Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)

Hannover Messe

Auftragnehmer:

Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES)

Bereich Energiewirtschaft & Netzbetrieb

Königstor 59

34119 Kassel

www.iwes.fraunhofer.de

Autor:

Malte Jansen

[email protected]

+49 (0)561 / 7294 - 465