Osteopathie und Swedenborg

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39 Osteopathische Medizin LITERATUR 15. Jahrg., Heft 1/2014, S. 37–40, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed David B. Fuller Osteopathie und Swedenborg Swedenborgs Einfluss auf die Entstehung der Osteopathie, im Beson- deren auf A.T. Still und W.G. Sutherland 560 Seiten (Hardcover) Jolandos, 2013 ISBN: 978-3- 936679-34-2, € 79,00 Wie in Trowbridges Still-Biografie Andrew Taylor Still 1828–1917 angedeu- tet, spielte der sogenannte „Swedenbor- gianismus“ bei der Entstehung der Osteopathie eine bedeutende Rolle. Da- vid Fullers gut 500 Seiten umfassendes Werk widmet sich nun ausschließlich diesem ema. Nach einer Kurzeinführung und einer Biografie über das Leben des schwe- dischen Naturwissenschaſtlers, Philo- sophen und Mystikers Emanuel Swedenborg (1688–1772) folgt eine kurze Darlegung seiner Kernparadig- men. In den folgenden 14 Kapiteln werden die metaphysischen Strömun- gen während der Großen Erweckungs- bewegung in den USA des 19. Jahrhunderts vorgestellt, allen voran natürlich der Swedenborgianismus. Für Kenner der frühen Osteopathie ergänzen sich hier endlich einige Puzzleteile: Phrenologie, Methodis- mus, Mesmerismus, Spiritismus u.v.m. werden in ihren Zusammen- hängen, Entwicklungen und Wirkun- gen beschrieben. Mit diesem Wissen im Gepäck ist man gut für den nächs- ten Abschnitt gerüstet. In 13 weiteren Kapiteln werden mit Still, Sutherland, Littlejohn und Fulford vier bedeutende Osteopathen vorge- stellt und ihre Ideen anschließend mit den Paradigmen Swedenborgs vergli- chen. Hier offenbart sich nun in vollem Umfang, wie umfassend Swedenborg die Still’sche Philosophie der Osteopa- thie mit seinen Ideen prägte und dass fast alle Kernparadigmen von Suther- lands kraniosakralem Konzept bereits in Swedenborgs anatomisch-physiolo- gischen Abhandlungen anzutreffen sind. All dies wird mit vielen spannen- den und informativen Begebenheiten belegt und unterfüttert. Eine übersicht- liche Zeittafel, ein ausführlicher Para- digmenvergleich, ein umfassendes Literaturverzeichnis mit über 1.500 Quellennachweisen und ein ordentli- cher Index runden das Gesamtbild des gut übersetzten und sehr schön gestal- teten Buchs ab. Warum sollte man dieses Buch lesen? Es ist immer interessant, wenn wir einen Einblick bekommen, wie ein Phi- losoph oder Wissenschaſtler zu seiner Erkenntnis gekommen ist. Für Still war die Ablehnung der herrschenden Me- dizin verbunden mit der Ablehnung der herrschenden Kirche. Die Schriſten Swedenborgs sowie der Swedenborgi- anismus hatten nach den Quellen von Fuller einen wesentlichen Einfluss auf seine Entwicklung der Osteopathie. In den Kapiteln über Sutherland geht es nicht darum, in wieweit Sutherland von Swedenborg „abgeschrieben“ haben könnte, sondern inwiefern seine Kenntnis von Swedenborgs „e Brain“ die Entwicklung seiner kranialen Os- teopathie unterstützt hat. Auch wenn es nicht im Buch erwähnt wird, ist es für die an der Biodynamik interessierten Leser insbesondere auf- klärend, welche Wandlung ein spiri- tuelles Modell durchläuft – von Swedenborg zu Still, von Still zu Suther- land – und was sich in welcher Variation davon bei den biodynamische Autoren findet – auch wenn diese Swedenborg nicht in ihren Literaturlisten aufführen. „Osteopathie und Swedenborg“ ist ein Meisterwerk der Osteopathiege- schichte, das mal wieder aufzeigt, wie Geschichte die Gegenwart prägt. Dr. med. Rudolf Merkel, Obfelden/Zürich

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Osteopathische MedizinL I T E R AT U R

15. Jahrg., Heft 1/2014, S. 37–40, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed

David B. Fuller

Osteopathie und SwedenborgSwedenborgs Einfl uss auf die Entstehung der Osteopathie, im Beson-deren auf A.T. Still und W.G. Sutherland560 Seiten (Hardcover)Jolandos, 2013ISBN: 978-3- 936679-34-2, € 79,00

Wie in Trowbridges Still-Biografi e Andrew Taylor Still 1828–1917 angedeu-tet, spielte der sogenannte „Swedenbor-gianismus“ bei der Entstehung der Osteopathie eine bedeutende Rolle. Da-vid Fullers gut 500 Seiten umfassendes Werk widmet sich nun ausschließlich diesem Th ema.Nach einer Kurzeinführung und einer Biografi e über das Leben des schwe-dischen Naturwissenschaft lers, Philo-sophen und Mystikers Emanuel

Swedenborg (1688–1772) folgt eine kurze Darlegung seiner Kernparadig-men. In den folgenden 14 Kapiteln werden die metaphysischen Strömun-gen während der Großen Erweckungs-bewegung in den USA des 19. Jahrhunderts vorgestellt, allen voran natürlich der Swedenborgianismus. Für Kenner der frühen Osteopathie ergänzen sich hier endlich einige Puzzleteile: Phrenologie, Methodis-mus, Mesmerismus, Spiritismus u.v.m. werden in ihren Zusammen-hängen, Entwicklungen und Wirkun-gen beschrieben. Mit diesem Wissen im Gepäck ist man gut für den nächs-ten Abschnitt gerüstet. In 13 weiteren Kapiteln werden mit Still, Sutherland, Littlejohn und Fulford vier bedeutende Osteopathen vorge-stellt und ihre Ideen anschließend mit den Paradigmen Swedenborgs vergli-chen. Hier off enbart sich nun in vollem Umfang, wie umfassend Swedenborg die Still’sche Philosophie der Osteopa-thie mit seinen Ideen prägte und dass fast alle Kernparadigmen von Suther-lands kraniosakralem Konzept bereits in Swedenborgs anatomisch-physiolo-gischen Abhandlungen anzutreff en sind. All dies wird mit vielen spannen-den und informativen Begebenheiten belegt und unterfüttert. Eine übersicht-liche Zeittafel, ein ausführlicher Para-digmenvergleich, ein umfassendes Literaturverzeichnis mit über 1.500 Quellennachweisen und ein ordentli-cher Index runden das Gesamtbild des

gut übersetzten und sehr schön gestal-teten Buchs ab. Warum sollte man dieses Buch lesen? Es ist immer interessant, wenn wir einen Einblick bekommen, wie ein Phi-losoph oder Wissenschaft ler zu seiner Erkenntnis gekommen ist. Für Still war die Ablehnung der herrschenden Me-dizin verbunden mit der Ablehnung der herrschenden Kirche. Die Schrift en Swedenborgs sowie der Swedenborgi-anismus hatten nach den Quellen von Fuller einen wesentlichen Einfl uss auf seine Entwicklung der Osteopathie. In den Kapiteln über Sutherland geht es nicht darum, in wieweit Sutherland von Swedenborg „abgeschrieben“ haben könnte, sondern inwiefern seine Kenntnis von Swedenborgs „Th e Brain“ die Entwicklung seiner kranialen Os-teopathie unterstützt hat.Auch wenn es nicht im Buch erwähnt wird, ist es für die an der Biodynamik interessierten Leser insbesondere auf-klärend, welche Wandlung ein spiri-tuelles Modell durchläuft – von Swedenborg zu Still, von Still zu Suther-land – und was sich in welcher Variation davon bei den biodynamische Autoren fi ndet – auch wenn diese Swedenborg nicht in ihren Literaturlisten auff ühren.„Osteopathie und Swedenborg“ ist ein Meisterwerk der Osteopathiege-schichte, das mal wieder aufzeigt, wie Geschichte die Gegenwart prägt.

Dr. med. Rudolf Merkel, Obfelden/Zürich

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