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1 2 3 4 Herz-Kreislauf-System B4 Hypertonie und Antihypertonika 539 entwickelt, die bei Einhaltung des (einschleichenden) Dosie- rungsschemas zu verringerten Nebenwirkungen führt. Als solche, die großenteils auf der gefäßerweiternden Wirkung beruhen, beobachtet man häufig ein Flush-Syn- drom, Blutdruckabfall, Juckreiz sowie gastrointestinale Be- schwerden. Gegen die Flush-Nebenwirkung hilft die Ein- nahme von Cyclooxygenasehemmstoffen wie z.B. Acetylsa- licylsäure. Bei längerer Anwendung können ferner Leber- funktionsstörungen und verminderte Kohlenhydrattoleranz auftreten. Durch Wechselwirkung mit dem Harnsäurecarrier besteht die Gefahr der Verschlechterung einer Hyperurikämie. 4.2.4 Hypertonie und Antihypertonika 4.2.4.1 Pathophysiologische Grundlagen Als Bluthochdruck (Hypertonie) bezeichnet man jede die Norm überschreitende, anhaltende Steigerung des arteriellen Blutdrucks. Von der Deutschen Liga zur Be- kämpfung des hohen Blutdrucks wurde ein erhöhter Blutdruck – wie in Tab. B 4.2-5 angegeben – definiert und klassifiziert. Als unter Gesundheitsgesichtspunk- ten optimaler Blutdruck wurden Werte von 120 mm Hg systolisch und 80 mm Hg diastolisch festgelegt. Da, wie bereits beschrieben, der Blutdruck die Resul- tante aus Herzzeitvolumen und peripherem Widerstand ist, kann eine Hypertonie durch ein erhöhtes Herzzeit- volumen, einen erhöhten peripheren Widerstand oder durch eine Erhöhung beider Parameter bedingt sein. Während man bei Jüngeren bevorzugt einen Herzzeit- volumenhochdruck findet, liegt bei Älteren häufiger ein Widerstandshochdruck vor. Bei diesen Patienten findet man auch nicht selten eine isolierte Erhöhung des sys- tolischen Blutdrucks, dessen Gefährdungspotential in der Vergangenheit stark unterschätzt wurde. Hypertoniefolgen. Ein längerdauernder erhöhter Ge- fäßwiderstand führt durch Freisetzung von Wachstums- faktoren, u. a. von PDGF (platelet derived growth factor), zu einer Intima- und Mediaverdickung und da- mit zu einer zusätzlichen Widerstandserhöhung (Circu- lus vitiosus). Hypertonie ist ferner eine der wichtigsten Ursachen der Arteriosklerose, als deren Folge es am Gehirn zum apoplektischen Insult (Schlagan- fall), am Herzen zur koronaren Herzkrankheit, Linksherz- hypertrophie sowie Herzinsuffizienz und an den Nieren zur Niereninsuffizienz kommen kann. Hypertonieformen. Nach klinischen und organpatho- genetischen Gesichtspunkten werden folgende Hyper- tonieformen unterschieden: A. Primäre Hypertonie (synonym: essentielle, genuine, idiopathische Hyperto- nie) mit noch weitgehend unbekannter Ursache (s. u.) B. Sekundäre Hypertonie als Folge pathologischer Organveränderungen 1. renal 1.1. renovaskulär (infolge Stenosierung der Arteria renalis) 1.2. renoparenchymal (z.B. bei chronischer Glomerulo- nephritis, pyelonephritischer Schrumpfniere, Zysten- niere, Amyloidose, Panarteriitis nodosa, Schwanger- schaftsnephropathie) 2. endokrin (bei Cushing-Syndrom, Conn-Syndrom, Hyperthy- reose, Akromegalie, Phäochromozytom) 3. kardiovaskulär (z. B. bei Aortenisthmusstenose, Aortensklerose, to- talem Herzblock, hyperkinetischem Herzsyndrom) 4. neurogen (infolge organischer Erkrankungen des Nervensys- tems, z.B. Tumoren, Enzephalitis, Meningitis, Koh- lenmonoxid- und Thalliumvergiftungen). Tab. B 4.2-5. Klassifikation von Blutdruckbereichen (in mm Hg; nach Empfehlungen der Deutschen Liga zur Bekämpfung des ho- hen Blutdrucks)

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entwickelt, die bei Einhaltung des (einschleichenden) Dosie-rungsschemas zu verringerten Nebenwirkungen führt.

Als solche, die großenteils auf der gefäßerweiterndenWirkung beruhen, beobachtet man häufig ein Flush-Syn-drom, Blutdruckabfall, Juckreiz sowie gastrointestinale Be-schwerden. Gegen die Flush-Nebenwirkung hilft die Ein-nahme von Cyclooxygenasehemmstoffen wie z.B. Acetylsa-licylsäure. Bei längerer Anwendung können ferner Leber-funktionsstörungen und verminderte Kohlenhydrattoleranzauftreten.

Durch Wechselwirkung mit dem Harnsäurecarrier bestehtdie Gefahr der Verschlechterung einer Hyperurikämie.

4.2.4 Hypertonie und Antihypertonika

4.2.4.1 Pathophysiologische Grundlagen

Als Bluthochdruck (Hypertonie) bezeichnet man jededie Norm überschreitende, anhaltende Steigerung desarteriellen Blutdrucks. Von der Deutschen Liga zur Be-kämpfung des hohen Blutdrucks wurde ein erhöhterBlutdruck – wie in Tab. B 4.2-5 angegeben – definiertund klassifiziert. Als unter Gesundheitsgesichtspunk-ten optimaler Blutdruck wurden Werte von 120 mm Hgsystolisch und 80 mm Hg diastolisch festgelegt.

Da, wie bereits beschrieben, der Blutdruck die Resul-tante aus Herzzeitvolumen und peripherem Widerstandist, kann eine Hypertonie durch ein erhöhtes Herzzeit-volumen, einen erhöhten peripheren Widerstand oderdurch eine Erhöhung beider Parameter bedingt sein.Während man bei Jüngeren bevorzugt einen Herzzeit-volumenhochdruck findet, liegt bei Älteren häufiger einWiderstandshochdruck vor. Bei diesen Patienten findetman auch nicht selten eine isolierte Erhöhung des sys-tolischen Blutdrucks, dessen Gefährdungspotential inder Vergangenheit stark unterschätzt wurde.

Hypertoniefolgen. Ein längerdauernder erhöhter Ge-fäßwiderstand führt durch Freisetzung von Wachstums-

faktoren, u. a. von PDGF (platelet derived growthfactor), zu einer Intima- und Mediaverdickung und da-mit zu einer zusätzlichen Widerstandserhöhung (Circu-lus vitiosus). Hypertonie ist ferner eine der wichtigstenUrsachen der Arteriosklerose, als deren Folge es

■ am Gehirn zum apoplektischen Insult (Schlagan-fall),

■ am Herzen zur koronaren Herzkrankheit, Linksherz-hypertrophie sowie Herzinsuffizienz und

■ an den Nieren zur Niereninsuffizienz

kommen kann.

Hypertonieformen. Nach klinischen und organpatho-genetischen Gesichtspunkten werden folgende Hyper-tonieformen unterschieden:

A. Primäre Hypertonie(synonym: essentielle, genuine, idiopathische Hyperto-nie) mit noch weitgehend unbekannter Ursache (s.u.)

B. Sekundäre Hypertonieals Folge pathologischer Organveränderungen

1. renal

1.1. renovaskulär(infolge Stenosierung der Arteria renalis)

1.2. renoparenchymal (z.B. bei chronischer Glomerulo-nephritis, pyelonephritischer Schrumpfniere, Zysten-niere, Amyloidose, Panarteriitis nodosa, Schwanger-schaftsnephropathie)

2. endokrin(bei Cushing-Syndrom, Conn-Syndrom, Hyperthy-reose, Akromegalie, Phäochromozytom)

3. kardiovaskulär(z.B. bei Aortenisthmusstenose, Aortensklerose, to-talem Herzblock, hyperkinetischem Herzsyndrom)

4. neurogen(infolge organischer Erkrankungen des Nervensys-tems, z.B. Tumoren, Enzephalitis, Meningitis, Koh-lenmonoxid- und Thalliumvergiftungen).

Tab. B 4.2-5. Klassifikation von Blutdruckbereichen (in mm Hg; nach Empfehlungen der Deutschen Liga zur Bekämpfung des ho-hen Blutdrucks)

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540 Gefäßsystem und Kreislauf

Davon entfallen auf die

■ primäre (essentielle) Hypertonie ca. 90%,

■ renale Hypertonie 6–8%,

■ endokrine Hypertonie ≤1%,

■ kardiovaskuläre Hypertonie ≤1%,

■ neurogene Hypertonie <1%.

Die Ursachen und die Entstehung der zahlenmäßig bedeut-samsten Hypertonieform, der essentiellen oder genuinen Hy-pertonie, sind noch weitgehend unbekannt. Eine Vielzahl vonauslösenden Faktoren wird diskutiert, z.B. familiäre Belas-tung, Bewegungsarmut, häufige Stress-Situationen, Überer-nährung u. a.

Weiterhin mehren sich Hinweise darauf, dass Veränderun-gen zentralnervöser Funktionen, insbesondere ein erhöhterSympathikustonus, für die Entwicklung und Aufrechterhal-tung der essentiellen Hypertonie bedeutsam sind. Außerdemwird eine verminderte Bildung körpereigener vasodilatieren-der Substanzen (u. a. NO, Prostaglandin E2, Bradykinin) mitder Hochdruckpathogenese in Verbindung gebracht. BeiÜbergewichtigen entwickelt sich signifikant häufiger eineHypertonie als bei Normalgewichtigen, besonders wenn eineInsulinresistenz und – dadurch bedingt – eine Hyperinsulin-ämie vorliegt (metabolisches Syndrom, s. S. 410). Alle dieseBefunde weisen darauf hin, dass es sich bei der essentiellenHypertonie um ein sehr komplexes, multifaktorielles Ge-schehen handelt.

Schweregrad der Hypertonie und prognostische Fak-toren. Von der Deutschen Liga zur Bekämpfung deshohen Blutdrucks wurden, wie oben erwähnt, Empfeh-lungen zur Einteilung der Hypertonie herausgegeben(s. Tab. B 4.2-5). Zur Beurteilung des kardiovaskulärenGesamtrisikos wurden außerdem Risikofaktoren ange-geben, die sich bei Patienten mit Hypertonie ungünstigauswirken (s. Tab. B 4.2-6).

Durch gemeinsame Betrachtung des Schweregrads derHypertonie und der Risikofaktoren lassen sich Rück-schlüsse auf die Prognose der Erkrankung ziehen (s.

Tab. B 4.2-7). So ist beispielsweise eine schwere Hy-pertonie (> 180 mm Hg systolisch, > 110 mm Hg dias-tolisch) bei gleichzeitigem Vorliegen einer Herzinsuffi-zienz oder einer koronaren Herzkrankheit mit einemsehr hohen Risiko verbunden (Wahrscheinlichkeit, in-nerhalb der nächsten 10 Jahre zu versterben > 30 Pro-zent).

Da die Prognose eines Hypertoniepatienten außer-dem in hohem Maße davon abhängt, in welchem Sta-dium der Hochdruck erkannt wird, kommt der Vorsor-geuntersuchung auf diesem Gebiet besondere Bedeu-tung zu.

Therapeutische Maßnahmen bei Hypertonie. Wäh-rend die endokrine, kardiovaskuläre und neurogene Hy-pertonie – wenigstens teilweise – durch die Behandlungdes Primärleidens und damit kausal beeinflusst werdenkann, ist bei der häufigsten Hypertonieform, der essen-tiellen Hypertonie, und den einer kausalen Therapienicht zugänglichen anderen Formen (z.B. einer nicht-operablen, doppelseitigen renovaskulären Hypertonie)nur eine symptomatische medikamentöse Therapiemöglich. Diese ist dringend geboten, da etwa 25% allerTodesfälle direkt oder indirekt auf eine Hypertonie zu-rückzuführen sind. Es ist erwiesen, dass die Lebenser-wartung des Hypertonikers – auch bei malignen Ver-laufsformen – durch medikamentöse Behandlung we-sentlich erhöht werden kann, sofern diese konsequentdurchgeführt wird.

Vor bzw. zusätzlich zur Anwendung von Arzneimit-teln sind bei der Therapie eines Hochdrucks folgendeMaßnahmen vorzunehmen:

■ Einstellen des Rauchens,

■ Senkung des Alkoholkonsums auf < 30 g/Tag,

■ verstärkte körperliche Betätigung und Abbau vonStressfaktoren,

Tab. B 4.2-6. Prognosefaktoren bei Hochdruckerkrankungen

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■ Einschränkung der Kochsalzzufuhr,

■ Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen und

■ sorgfältige Überprüfung der Indikation für eine The-rapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, Gluco-corticoiden oder Kontrazeptiva.

Eine Verminderung des kardiovaskulären Gesamtrisi-kos kann außerdem durch die konsequente Behandlungeines Diabetes mellitus erreicht werden.

Die medikamentöse Therapie eines Bluthochdrucks ist– der komplexen Blutdruckregulation entsprechend –mit zahlreichen, sehr unterschiedlich wirkenden Sub-stanzen möglich. Ihre Angriffsorte sind schematisch inAbb. B 4.2-5 angegeben.

Mittel der ersten Wahl sind derzeit �-Adrenozeptoren-blocker, ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Diuretika undCalciumantagonisten.

Anzustreben ist eine Normalisierung des Blut-drucks, d.h. – unabhängig vom Lebensalter! – eineSenkung des diastolischen Blutdrucks auf unter 90 mmHg sowie des systolischen Blutdrucks auf < 140 mmHg. Da eine rasche Blutdruckabnahme subjektiv oftschlecht toleriert wird und besonders bei älteren Patien-ten gefährliche Komplikationen (z.B. zerebrale Ischä-mien) hervorrufen kann, hat (außer bei Blutdruckkri-sen) die Blutdrucksenkung langsam zu erfolgen. DieAuswahl des Antihypertonikums sollte der Gesamtsi-tuation des Patienten (u. a. dem Lebensalter, eventuel-len Begleiterkrankungen) angepasst und die Dosis zur

Vermeidung von Nebenwirkungen möglichst niedriggehalten werden.

Zur Therapieüberwachung gehören regelmäßigeBlutdruckmessungen und das Erfassen von Nebenwir-kungen.

Die Lebensqualität beeinträchtigende Nebenwir-kungen sind bei der Hypertonietherapie für die Patien-ten deswegen besonders schwer akzeptabel, weil sie vorBehandlungsbeginn meist keine subjektiven Beschwer-den hatten. Es ist daher unabdingbar, sie sorgfältig auf-zuklären und ihnen die langfristigen Vorteile der The-rapie zu verdeutlichen.

4.2.4.2 Antihypertensiv wirkende Pharmaka

4.2.4.2.1 Am Sympathikus angreifende Anti-hypertonika

Von den am Sympathikus angreifenden Substanzen, diebereits unter B 1.13, S. 337 ff., besprochen wurden,werden als Antihypertonika

■ α-Adrenozeptorenblocker,

■ �-Adrenozeptorenblocker und

■ Antisympathotonika

eingesetzt.

Von den α-Adrenozeptorenblockern sind vor allemα1-selektive Substanzen für die Hochdrucktherapie vonBedeutung. Der blutdrucksenkende Effekt beruht auf

Tab. B 4.2-7. Risikostratifizierung bei Hypertonie (kardiovaskulär bedingter Tod, nicht-tödlicher Schlaganfall oder Myokardinfarkt)in Abhängigkeit vom Schweregrad der Hypertonie und weiteren Risikofaktoren; vgl. Tab. B 4.2-6)

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542 Gefäßsystem und Kreislauf

der Vasodilatation infolge der Blockade von α-Rezep-toren.

Aufgrund der orthostatischen Nebenwirkungen so-wie des fehlenden Nachweises der Lebensverlängerunggehört diese Stoffgruppe nicht mehr zu den Hoch-druckmitteln der 1. Wahl.

�-Adrenozeptorenblocker werden aufgrund eindeutigpositiver Studienergebnisse bezüglich Lebensverlänge-rung und ihrer insgesamt guten Verträglichkeit (soferndie Kontraindikationen beachtet werden) sehr häufigzur Blutdrucksenkung eingesetzt. Besonders wirksamsind sie bei Patienten mit gesteigerter Sympathikusak-tivität, d.h. in der Regel bis zu einem Alter von 55–60Jahren. Mit zunehmendem Alter – aus einem Herzzeit-volumenhochdruck wird dann, wie erwähnt, immermehr ein Widerstandshochdruck – nimmt die Wirksam-keit von �-Blockern ab, doch können sie in vielen Fäl-len auch bei alten Patienten erfolgreich eingesetzt wer-den. Hervorzuheben ist ferner, dass infolge neuer Datenimmer weniger Kontraindikationen für �-Blocker beiHypertonikern existieren. Neueste Studien weisen al-lerdings darauf hin, dass langwirksame Dihydropyri-din-Calciumantagonisten (s. S. 543 ff.) vor allem bei äl-

teren Patienten im direkten Vergleich bei vergleichba-rer Blutdrucksenkung �-Blockern bezüglich klinischerEndpunkte überlegen sind.

Der Mechanismus des blutdrucksenkenden Effektsvon �-Blockern ist trotz der langen und häufigen An-wendung noch immer nicht vollständig geklärt. Fol-gende Angriffspunkte werden diskutiert:

■ Erniedrigung des Herzzeitvolumens,

■ Verringerung der Renin-Ausschüttung in den Nierenund damit Herabsetzung der Bildung von Angioten-sin II und der Freisetzung von Aldosteron,

■ Blockade präsynaptischer �-Rezeptoren und da-durch Abnahme der Noradrenalin-Freisetzung, so-wie

■ Verringerung sympathischer Impulse durch zentra-len Angriff.

Die mit �-Blockern erreichbare Blutdrucksenkung istbei allen Verbindungen, unabhängig von ihren physiko-chemischen Eigenschaften und ihrem Wirkprofil,gleich.

Abb. B 4.2-5. Angriffsorte von Antihypertonika. HZV Herzzeitvolumen, NA Noradrenalin

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Antisympathotonika, zu denen die zentralwirksamenα2-Sympathomimetika bzw. Imidazolinrezeptor-Ago-nisten (s. S. 356 f.) sowie Reserpin (s. S. 357) gehören,werden allein oder in Kombination mit anderen blut-drucksenkenden Verbindungen sowie vor allem dannangewandt, wenn Kontraindikationen gegen andere amSympathikus angreifende Stoffe, z.B. gegen �-Rezep-torenblocker, vorliegen.

4.2.4.2.2 Diuretika

Eine weitere, für die Hochdrucktherapie besonders be-deutsame Substanzgruppe sind die Diuretika (s.S. 697 ff.). Die Blutdrucksenkung nach Applikationdieser Stoffe verläuft in zwei Phasen. Die initiale Blut-drucksenkung ist die Folge der gesteigerten Natriumio-nenausscheidung. Durch die Erniedrigung der Na-triumionenkonzentration sinken das Plasma- und Herz-zeitvolumen, der periphere Widerstand nimmt dagegen(reflektorisch) etwas zu. Die Aufrechterhaltung derBlutdrucksenkung in der zweiten Phase, bei der dasPlasmavolumen wieder weitgehend normalisiert ist undauch die Na+-Ausscheidung annähernd dem Wert vorTherapiebeginn entspricht, beruht vermutlich vor allemauf einem verminderten Ansprechen der glatten Gefäß-muskulatur auf vasokonstriktorische Reize infolge desverringerten Natriumionengehalts der Gefäßwand.Diskutiert werden ferner eine Down-Regulation vonα-Rezeptoren sowie eine gesteigerte Prostacyclin-Syn-these durch Diuretika. Eine direkte vasodilatierendeWirkung besitzen diese bei üblicher Dosierung jedochnicht.

Diuretika sind als Monotherapeutika vor allem beiälteren Hypertonikern indiziert, daneben stellen siewichtige Kombinationspartner in der Hochdruckbe-handlung dar, da eine Reihe anderer Antihypertensiva(z.B. Vasodilatatoren) Na+- und Wasser-retinierendwirken. Verbindungen mit längerer Wirkdauer, wie bei-spielsweise Thiazide (s. S. 700 ff.), sind kurz wirksa-men Stoffen, wie z.B. den Schleifendiuretika (s.S. 702 f.), bei dieser Indikation in der Regel vorzuzie-hen.

Um Kalium- und Magnesiumverluste zu vermeiden,können bei Patienten mit normaler oder allenfalls ge-ringgradig eingeschränkter Nierenfunktion Saluretikamit kaliumsparenden Diuretika, z.B. Amilorid oderTriamteren, kombiniert werden (s. S. 703 ff.). Bei derheute üblichen, im Vergleich zu früher wesentlich nied-rigeren Dosierung von Saluretika beim Hochdruckpa-tienten und der deswegen deutlich verringerten Neben-wirkungen – auch von Kalium- und Magnesiumverlus-ten – ist jedoch eine solche Kombination nicht generellerforderlich.

4.2.4.2.3 Calciumkanalblocker (Calcium-antagonisten)

Physiologische Vorbemerkungen. In einer normalen Zellebeträgt die Konzentration an freien Calciumionen im Ver-gleich zum Extrazellularraum nur etwa ein Zehntausendstel.Sie kann durch Öffnung und Schließung von Calciumkanä-len, intrazelluläre Freisetzung oder Bindung von Calciumio-nen sowie durch Calciumionentransporter, die in der Zell-membran und in intrazellulären Membranen vorkommen,verändert bzw. reguliert werden. Durch verschiedene äußereReize werden Calciumkanäle vorübergehend geöffnet, wo-durch die intrazelluläre Calciumionen-Konzentration kurz-fristig stark ansteigt und Calciumionen an Calciumionen-bindende Proteine (u. a. Calmodulin, s.u.) gebunden werden.Die aktivierten Proteine lösen dann in der Zelle die eigentli-chen Reaktionen aus. Die erhöhte Ca2+-Konzentration wirddurch Aufnahme von Calciumionen in intrazelluläre Spei-cher sowie durch die genannten Calciumionentransporterrasch wieder auf den ursprünglichen Wert erniedrigt.

Die Bezeichnung Calciumantagonisten wurde für Sub-stanzen eingeführt, die den transmembranären Calcium-influx teilweise hemmen, und zwar dadurch, dass sieden Einstrom von Calciumionen durch den sog. langsa-men, spannungsabhängigen L-Typ-Calciumkanal ver-ringern. Sie werden daher heute – korrekter – meist alsCalciumkanalblocker (calcium entry blockers) be-zeichnet. Da die intrazelluläre Konzentration an(freien) Calciumionen den Kontraktilitätszustand derglatten Gefäßmuskelzellen bestimmt, ist es einleuch-tend, dass Calciumkanalblocker vasodilatierend unddamit über die Abnahme des peripheren Widerstandsblutdrucksenkend wirken. Der blutdrucksenkende Ef-fekt ist umso größer, je höher der Ausgangsblutdruckist. (Bei Normotonikern fällt der Blutdruck bei thera-peutischer Dosierung kaum ab.)

Alle Calciumkanalblocker binden an die α1c-Untereinheitdes L-Kanals, jedoch in Abhängigkeit vom Strukturtyp anunterschiedliche Bindungsstellen. Diese Untereinheit bestehtaus vier repetitiven Teilstücken (Motiven), die ihrerseits dieMembran jeweils sechsmal (S1–S6) durchqueren. Die vierTeilstücke sind ringförmig angeordnet, so dass vier trans-membranäre Segmente (jeweils S6) den Ionenkanal bilden.

Außer den Calciumkanalblockern werden auch noch Wirk-stoffe, die auf andere Weise in den Calciumstoffwechsel ein-greifen, zu den Calciumantagonisten gerechnet. Hierzu ge-hören z.B. Substanzen, die mit Calmodulin, einem ubiquitärvorkommenden, Calciumionen-abhängigen Regulatorproteininteragieren, oder solche, die den pathologischen Calciumio-nen-Einstrom bei Membranschäden infolge einer Ischämieunterdrücken (sog. Calciumüberladungs-Blocker, calciumoverload blockers). Im Folgenden werden nur L-Typ-Calci-umkanalblocker behandelt.

Sowohl aus chemischer als auch aus pharmakologi-scher Sicht stellen die Calciumkanalblocker keine ein-heitliche Substanzgruppe dar. Bei den sog. reinen Cal-ciumkanalblockern, d.h. bei den Substanzen, die in derüblichen Dosierung keine zusätzlichen Wirkungen auf

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544 Gefäßsystem und Kreislauf

andere Ionenkanäle besitzen, unterscheidet man auf-grund des Angriffs an drei verschiedenen Bindungs-stellen am Calciumkanal Verbindungen vom

■ 1,4-Dihydropyridin-Typ (Nifedipin-Typ),

■ Verapamil-Typ und

■ Diltiazem-Typ.

Trotz der strukturellen Heterogenität der Substanzengibt es bemerkenswerte pharmakokinetische Gemein-samkeiten: Alle Calciumkanalblocker werden durchCYP3A4 verstoffwechselt. Es besteht somit die Mög-lichkeit von Arzneimittelinteraktionen mit allen Sub-stanzen, die dieses Enzym hemmen oder induzieren (s.S. 33 f., 35). Beispielsweise kann die gleichzeitige Gabedes Induktors Rifampicin (s. S. 33) mit einem Calcium-kanalblocker zu dessen Plasmakonzentrationsabnahmebis in den subtherapeutischen Bereich führen. Gleich-zeitige Anwendung von Calciumkanalblockern mit an-deren CYP3A4-Substraten (z.B. Antihistaminika, An-timykotika, Immunsuppressiva, Protease-Inhibitoren)erhöht dagegen – abhängig von der Enzymaffinität –entweder die Konzentration des Calciumantagonistenoder die des anderen Wirkstoffs. Auch Saft von Pam-pelmusen (Grapefruit, s. S. 112) enthält Flavonoide, dieCYP3A4 im Gastrointestinaltrakt hemmen bzw. dieExpression des Enzyms verringern. Gleichzeitige Gabevon Grapefruitsaft und Dihydropyridinen bewirkt da-her eine erhöhte Bioverfügbarkeit dieser Calciumka-nalblocker.

Mit Ausnahme der nichtchiralen Verbindungen Dil-tiazem und Nifedipin sind alle Calciumkanalblocker alsRazemate im Handel, obwohl die Enantiomere unter-schiedlich stark Calciumkanal-blockierend wirken.

Pharmakodynamisch gemeinsam ist den drei Typen,dass sie infolge der Abnahme der intrazellulären Kon-zentration an freien Calciumionen – allerdings unter-schiedlich stark ausgeprägt –

■ an der glatten Gefäßmuskulatur zu einer Erniedri-gung des Gefäßmuskeltonus und damit zu einer Va-sodilatation führen und

■ am Herzen die Aktivität der Calcium-abhängigenMyosin-ATPase verringern, wodurch der Umsatz anenergiereichem Phosphat und gleichzeitig der Sau-erstoffbedarf abnimmt.

Die verschiedenen Stoffgruppen unterscheiden sich be-züglich der Beeinflussung der Erregungsbildung im Si-nusknoten und der Erregungsleitung im AV-Knoten.Nur Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ sowieDiltiazem wirken am Sinusknoten negativ chronotropund am AV-Knoten negativ dromotrop. Bei den Sub-stanzen vom Nifedipin-Typ, die in therapeutischer Do-

sierung vor allem vasodilatierend wirken, kann es beischnell freisetzenden, kurzwirkenden Präparaten sogarinfolge einer dadurch bedingten Sympathikusaktivie-rung zu einer reflektorischen Herzfrequenzsteigerungkommen. Durch die Sympathikusstimulation wird auchder negativ inotrope Effekt antagonisiert.

In Tab. B 4.2-8 ist das aus den beschriebenen Eigen-schaften resultierende Wirkprofil der verschiedenenLeitsubstanzen dargestellt.

1,4-Dihydropyridine. Der erste in die Therapie einge-führte Vertreter dieser Stoffgruppe war Nifedipin(Adalat®, Corinfar®, Nifedipin-ratiopharm®, NifeHE-XAL® u. a.) in einer schnell freisetzenden Formulie-rung. Es folgten neben retardierten Nifedipin-Zuberei-tungen (z.B. Adalat® retard) u. a. Nitrendipin (Bayo-tensin®, Nitrendipin beta®, Nitrendipin-ratiopharm®,Nitrendipin STADA® u. a.) und Nicardipin (Antago-nil®), bei denen die Reflextachykardie (s.o.) deutlichvermindert ist. Ferner wurden Dihydropyridine entwi-ckelt, die durch lipophile Seitenketten längere Halb-wertszeiten besitzen (Amlodipin; Amlobeta®, Amlodi-pin-ratiopharm®, Amlodipin STADA®, Norvasc® u. a.)bzw. über eine Anreicherung in Biomembranen eineverlängerte Wirkdauer aufweisen (Lacidipin; Mo-tens®; Lercanidipin; Carmen®, Corifeo®).

Amlodipin, Nicardipin und Nisoldipin sind außerzur Hypertonie-Therapie bei koronarer Herzkrankheit,Felodipin, Isradipin, Lacidipin, Lercanidipin, Nilvadi-pin und Nitrendipin derzeit nur zur Hochdruckbehand-lung zugelassen.

Nimodipin (Nimodipin HEXAL®, Nimotop® u. a.) stellteine gewisse Ausnahme dar. Es wird aufgrund seiner hohenLipophilie und der dadurch bedingten raschen Penetrationins Zentralnervensystem zur Prophylaxe und Therapie ischä-miebedingter neurologischer Ausfallserscheinungen infolgezerebraler Vasospasmen nach Subarachnoidalblutungen ein-

Tab. B 4.2-8. Wirkprofil von Calciumkanalblockern

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Tab. B 4.2-9. Calciumkanalblocker

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546 Gefäßsystem und Kreislauf

Tab. B 4.2-9. Calciumkanalblocker (Fortsetzung)

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gesetzt (Dosierung initial für die Dauer von 2 Stunden 1 mg/Stunde, danach bei guter Verträglichkeit 2 mg/Stunde als In-fusion i. v. während ca. 10 Tagen; orale Anschlussbehand-lung während 7 Tagen mit sechsmal täglich 60 mg). Des wei-teren wird die Substanz bei hirnorganisch bedingten Leis-tungsstörungen im Alter (s. S. 197) verwendet.

Die Strukturformeln und Dosierungen der Dihydropy-ridine sind in Tab. B 4.2-9 angegeben.

Als Nebenwirkungen, die vor allem bei rasch- und kurz-wirkenden, nicht retardierten Präparaten auf der ra-schen und ausgeprägten Vasodilatation beruhen, kannes zu unerwünschtem Blutdruckabfall, reflektorischerHerzfrequenzsteigerung, Kopfschmerzen, Schwindel,Übelkeit, gastrointestinalen Störungen, Hautrötungund Knöchelödemen kommen. Insbesondere die Herz-frequenzsteigerung ist therapeutisch ungünstig undwird mit einer erhöhten Inzidenz von Herzinfarkten beieiner Behandlung mit nicht-retardiertem Nifedipin inVerbindung gebracht.

Da für Nifedipin nach hochdosierter oraler Verabrei-chung bei Mäusen und Ratten teratogene Effekte beob-achtet wurden, sind Dihydropyridine während der ge-samten Schwangerschaft kontraindiziert. Schwere Hy-potonie ist eine weitere Kontraindikation.

Andere Antihypertonika verstärken die blutdruck-senkende Wirkung von Dihydropyridinen.

Substanzen vom Verapamil-Typ. Verapamil (Isoptin®,VeraHEXAL®, Verapamil AL, Verapamil-ratio-pharm®, vgl. Tab. 4.2–9) wird wie Nifedipin bei oralerApplikation nahezu quantitativ resorbiert. Es unterliegteinem ausgeprägten stereoselektiven First-pass-Effektdurch CYP3A4, wobei das stärker wirkende S-Enantio-mer bevorzugt biotransformiert wird. Außerdem wirdVerapamil durch CYP1A2 metabolisiert.

Einige Metaboliten weisen noch etwa ein Zehntelder Wirkstärke der Muttersubstanz auf. Die Ausschei-dung der Metaboliten erfolgt vorwiegend renal.

Außer bei Hypertonie ist Verapamil bei koronarerHerzkrankheit (s. S. 602) und supraventrikulären Ta-chykardien indiziert.

Die durchschnittliche Tagesdosis bei Hypertonie be-trägt 120–240 mg.

Als Nebenwirkungen wurden Überleitungsstörun-gen (AV-Block), Bradykardien, unerwünschter Blut-druckabfall, Verstärkung einer Herzinsuffizienz, Haut-rötung, Obstipation (häufig) und allergische Hautreak-tionen beobachtet.

Bei AV-Block II. und III. Grades, dekompensierterHerzinsuffizienz, Sinusknotensyndrom, frischem Herz-infarkt (besonders bei Bradykardie) und schwerer Hy-potonie ist Verapamil kontraindiziert.

Bei gleichzeitiger Gabe von Verapamil mit anderenAntiarrhythmika ist die Gefahr einer Überleitungsstö-

rung oder einer Bradykardie erhöht; �-Adrenozepto-renblocker verstärken die kardiodepressive, Antihyper-tonika die blutdrucksenkende Wirkung. Bei gemeinsa-mer Applikation von Verapamil und Theophyllinkommt es durch Kompetition um CYP1A2 zu einemsignifikanten Anstieg der Theophyllin-Plasmakonzen-tration. Die Hemmung von P-Glykoprotein (s. S. 35)durch Verapamil erklärt Interaktionen mit Arzneistof-fen, die zwar nicht verstoffwechselt, aber durch P-gptransportiert werden. Ein klinisch relevantes Beispielist die Wechselwirkung von Verapamil mit Digoxin, diezu einer signifikanten Erhöhung der Digoxin-Plasma-konzentrationen führt (s. S. 583).

Gallopamil (Gallobeta®, Procorum®) unterscheidetsich chemisch von Verapamil nur durch eine zusätzli-che Methoxygruppe und besitzt ähnliche pharmakolo-gische Eigenschaften wie dieses (übliche Tagesdosis75–150 mg).

Diltiazem. Das Benzothiazepin-Derivat Diltiazem(DiltaHEXAL®, Diltiazem-ratiopharm®, DiltiazemSTADA®, Dilzem® u. a.; vgl. Tab. B 4.2-9) ist mit kei-ner der oben genannten Gruppen von Calciumantago-nisten chemisch verwandt. In seinem pharmakologi-schen Wirkprofil ähnelt es jedoch stark den Verbindun-gen vom Verapamil-Typ.

Nach oraler Gabe wird Diltiazem praktisch vollstän-dig resorbiert. Die Bioverfügbarkeit liegt wegen einesdeutlichen First-pass-Effekts durch CYP3A4 dagegennur bei etwa 50%. Die Substanz mit einer Plasmahalb-wertszeit von 4–5 Stunden wird im Organismus desace-tyliert und außerdem oxidativ O- und N-demethyliert.Auch wurden Konjugate der phenolischen Metabolitenachgewiesen. Die Ausscheidung erfolgt fast aus-schließlich in Form von Metaboliten renal und danebenauch biliär.

Die mittlere Tagesdosierung beträgt 180 mg.Die Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Inter-

aktionen entsprechen weitgehend denen von Verapa-mil. Wegen teratogener Wirkungen im Tierversuchmuss vor der Gabe von Diltiazem an Frauen im gebär-fähigen Alter eine Schwangerschaft ausgeschlossenwerden.

4.2.4.2.4 Konversionsenzym-Hemmer(ACE-Hemmer = Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer)

Bei dieser Stoffklasse mit Captopril (ACE-Hemmer-ratiopharm®, Captobeta®, Lopirin® Cor, tensobon®

u.a.), dem einzigen ACE-Hemmer mit einer SH-Gruppe, und den längerwirkenden Nachfolgesubstan-zen (vgl. Tab. B 4.2-10)

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548 Gefäßsystem und Kreislauf

■ Benazepril (Benazepril AL, Benazepril beta, Bena-zepril HEXAL®, Cibacen® u. a.),

■ Cilazapril (Dynorm®),

■ Enalapril (Benalapril®, EnaHEXAL®, Enalapril-ratiopharm®, XANEF® u. a.),

■ Fosinopril (dynacil®, Fosinorm®),

■ Lisinopril (Acerbon®, LisiHEXAL®, Lisinopril-ra-tiopharm®, Lisinopril STADA® u. a.),

■ Moexipril (Fempress®),

■ Perindopril (Coversum®),

■ Quinapril (Accupro®, Quinapril AL, Quinaprilbeta®, Quinapril HEXAL® u. a.),

■ Ramipril (Delix®, Ramipril beta®, RamiprilHEXAL®, Vesdil®),

■ Spirapril (Quadropril®) und

■ Trandolapril (Udrik®)

handelt es sich um Antihypertensiva, deren Wirkungvorwiegend auf einer Hemmung des Angiotensin-Kon-versions-Enzyms beruht, das Angiotensin I in Angio-tensin II überführt (s. Abb. B 4.2-6). Dadurch wird dieBildung von Angiotensin II, einer der stärksten blut-drucksteigernden Substanzen, unterdrückt und alsFolge davon der periphere Widerstand gesenkt. (Angio-tensin II wirkt nicht nur direkt vasokonstringierend,sondern auch indirekt durch Freisetzung von Catechol-aminen aus dem Nebennierenmark, Erleichterung derNoradrenalinfreisetzung aus sympathischen Nervenen-digungen und Erhöhung des Sympathikustonus durchzentralen Angriff an der Area postrema.) Außerdemkommt es durch die Abnahme der Angiotensin-II-Bil-dung zu einer verringerten Freisetzung von Aldosteronund damit zu einer schwachen diuretischen Wirkung.Konversionsenzym-Hemmer verzögern ferner den Ab-bau der vasodilatierend wirkenden Kinine, da das An-giotensin-Konversions-Enzym mit der Kininase II, demfür die Biotransformation von Kininen verantwortli-chen Enzym, identisch ist. Der Anstieg der Konzentra-tionen dieser Peptide (Bradykinin und Kallidin) trägtzur antihypertensiven Wirkung bei.

Kinetik. Mit Ausnahme von Captopril und Lisinopril,die selbst wirken, handelt es sich bei den anderen ACE-Hemmern um Prodrugs, aus denen durch Esterhydro-lyse die eigentlichen Wirksubstanzen (Benazeprilat,Cilazaprilat, Enalaprilat, Fosinoprilat, Moexiprilat,Perindoprilat, Quinaprilat, Ramiprilat, Spiraprilat,Trandolaprilat) entstehen. Falls eine orale Therapienicht möglich ist oder eine unzureichende Bioaktivie-rung vermutet wird, steht von Enalaprilat (als aktiverForm von Enalapril) eine i.v. Formulierung zur Verfü-gung (EnaHEXAL® i.v.). Während die Resorptions-quote von Lisinopril nur bei etwa 25% liegt, werden diesonstigen Verbindungen bei oraler Gabe schnell und zueinem deutlich höheren Prozentsatz resorbiert. Auf-grund rascher Dissoziation vom Enzym und geringerPlasmahalbwertszeit wirkt Captopril kurz (einige Stun-den). Die übrigen ACE-Hemmer besitzen dagegen eineso große Wirkhalbwertszeit, die durch eine langsameDissoziation vom Zielenzym bewirkt wird, dass eineeinmal tägliche Gabe trotz kurzer Halbwertszeiten imPlasma ausreicht.

Die Ausscheidung des resorbierten Wirkstoffs er-folgt bei den meisten Verbindungen vorwiegend renal,Fosinopril wird etwa im gleichen Maße renal und biliärausgeschieden.

Dosierung. Übliche Tagesdosen von ACE-Hemmernbei Hypertonie enthält Tab. B 4.2-10. Bei Patienten mitaktiviertem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System(u. a. Diuretika-Vorbehandlung, stärkeren Wasser- undSalzverlusten, schwerer Herzinsuffizienz) kann es beiGabe von ACE-Hemmern zu einer massiven Blut-drucksenkung kommen. In diesen Fällen muss ein-schleichend mit besonders niedrigen Dosen therapiertwerden.

Nebenwirkungen. Als unerwünschte Wirkungen sindvor allem Reizhusten (bei etwa 5–10% der Behandel-ten), ferner Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen,Übelkeit, Schwindelgefühl, hypotone Dysregulationen,Diarrhö, Muskelkrämpfe, Photosensibilisierung undallergische Hautreaktionen beschrieben. Schwerwie-gender ist die (allerdings seltene) Gefahr eines akutenNierenversagens, eines angioneurotischen Ödems so-

Abb. B 4.2-6. Wirkmechanismus von Angiotensin-Konversions-Enzym (ACE)

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Tab. B 4.2-10. ACE-Hemmer

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550 Gefäßsystem und Kreislauf

wie von Leukopenien. Von diesen letztgenannten Ne-benwirkungen sind insbesondere Patienten mit einge-schränkter Nierenfunktion betroffen. Patienten mitNierenfunktionsstörungen müssen daher gründlichüberwacht werden.

Kontraindikationen. Bei Patienten mit beidseitigerNierenarterienstenose oder mit Nierenarterienstenoseund Einzelniere, nach Nierentransplantation und pri-märem Hyperaldosteronismus sowie in der Schwanger-schaft und Stillzeit sind ACE-Hemmer kontraindiziert.Relative Kontraindikationen sind schwere Autoimmun-und Kollagenkrankheiten. Vorsicht ist auch bei Patien-ten mit obstruktiven Lungenerkrankungen geboten.

Interaktionen. Wegen der Gefahr von Hyperkaliämiensollen ACE-Hemmer – zumindest in der Allgemeinpra-xis – nicht mit kaliumsparenden Diuretika kombiniertwerden. Hemmstoffe der Prostaglandinsynthese (nicht-steroidale Antiphlogistika) schwächen die blutdruck-senkende Wirkung von ACE-Hemmern ab, allerdingsbeeinträchtigt die Kombination von niedrig dosierterAcetylsalicylsäure mit ACE-Hemmern deren Wirkung

nicht. Narkosemittel verstärken die antihypertensivenEffekte von ACE-Hemmern.

4.2.4.2.5 Angiotensin-II-Rezeptor-Antago-nisten (AT1-Blocker, Sartane)

Außer durch Verhinderung der Umwandlung von An-giotensin I in Angiotensin II durch ACE-Hemmer kanndas Renin-Angiotensin-Aldosteron-System durch An-giotensin-II-Rezeptor-Antagonisten blockiert werden.

Deren Entwicklung lagen folgende Überlegungen zugrunde:Bei der Therapie mit ACE-Hemmern treten, wie oben be-schrieben, Nebenwirkungen (u.a. Reizhusten) auf, die zu-mindest teilweise auf den verringerten Abbau von Bradyki-nin zurückzuführen sind. Außerdem wird Angiotensin I auchdurch andere, zum Teil lokale Enzymsysteme (z.B. Chymaseoder Chymostatin like angiotensin generating enzyme,CAGE) in Angiotensin II überführt. Schließlich kann diesesauch direkt, z.B. durch t-PA (s. S. 521 f.), aus Angiotensino-gen gebildet werden. Es kommt somit zum sog. Angiotensin-Escape-Phänomen, d. h., dass trotz Blockade des Angioten-sin-Konversionsenzyms wirksame Mengen von AngiotensinII entstehen. Mit Wirkstoffen, die in der Reaktionskaskadeweiter hinten, d.h. nicht am Konversionsenzym, sondern an

Tab. B 4.2-10. ACE-Hemmer (Fortsetzung)

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den Angiotensin-II-Rezeptoren angreifen, sollte es dahermöglich sein, einerseits die durch Hemmung des Bradykinin-abbaus bedingten Nebenwirkungen zu vermeiden und ande-rerseits das Renin-Angiotensin-System noch wirksamer alsmit ACE-Hemmern auszuschalten. Die bisherigen Ergeb-nisse mit Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten haben dieseVorstellungen weitgehend bestätigt.

Angiotensin-II-Rezeptoren. Wie in Abb. B 4.2-7 dar-gestellt, werden die Wirkungen von Angiotensin II überzwei Rezeptortypen, die AT1- und AT2-Rezeptoren, ver-mittelt. Während für die Blutdruckerhöhung und dieZellproliferation der AT1-Rezeptor verantwortlich ist,bewirkt eine Stimulation des AT2-Rezeptors eine Proli-ferationshemmung.

AT1-Blocker (Sartane). Therapeutisch nützlich sind da-her Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten, die selektivAT1-Rezeptoren blockieren. Die Sartane genanntenWirkstoffe wurden ausgehend von einem peptidischenPartialagonisten/-antagonisten als Peptidomimetikaentwickelt. Die erste, 1995 in den USA eingeführteSubstanz war Losartan (LORZAAR®). Kurze Zeitspäter folgten als weitere Substanzen

■ Irbesartan (Aprovel®, Karvea®),

■ Candesartan (Atacand®, Blopress®),

■ Valsartan (Cordinate®, DIOVAN®, Provas®),

■ Telmisartan (Kinzalmono®, Micardis®),

■ Olmesartan (Olmetec®, Votum®) und

■ Eprosartan (Emestar® Mono, Teveten® Mono),

die pharmakodynamisch weitgehend gleich wirken undsich nur in ihrer Pharmakokinetik unterscheiden.

Alle AT1-Blocker sind bei essentieller Hypertonie indi-ziert. Losartan und Valsartan sind zusätzlich zur Be-handlung der Herzinsuffizienz (s. S. 579) zugelassen.

Als Nebenwirkungen treten erwartungsgemäß Reizhus-ten und Angioödem unter der Therapie mit AT1-Blo-ckern seltener als bei ACE-Hemmern auf, weil dasBradykinin-abbauende Enzym nicht gehemmt wird.Die meisten unerwünschten Wirkungen liegen auf Pla-cebo-Niveau. Selten kann es zu Somnolenz, Schwindel,Obstipation, Hyperkaliämie, Transaminasen- oderCreatinin-Anstieg kommen.

Gegenanzeigen von AT1-Blockern sind schwere Leber-und Niereninsuffizienz, hypertrophe Kardiomyopathiesowie Schwangerschaft und Stillzeit.

Derzeit werden AT1-Blocker vor allem bei Neueinstel-lungen sowie bei Patienten eingesetzt, die ACE-Hem-mer nicht vertragen. Ob bzw. inwieweit die selektiveBlockade der Angiotensin-II-Rezeptoren einer ACE-Hemmung therapeutisch überlegen ist, ist nach wie vorumstritten. Im Hinblick auf das oben beschriebene An-

Abb. B 4.2-7. Angriffspunkte von ACE-Hemmern und AT1-Blockern. BK Bradykinin-Rezeptor

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552 Gefäßsystem und Kreislauf

Tab. B 4.2-11. AT1-Antagonisten

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Hypertonie und Antihypertonika 553

giotensin-Escape-Phänomen bei einer ACE-Hemmer-Therapie wird der Einsatz der Kombination einesAT1-Blockers mit einem ACE-Hemmer diskutiert bzw.untersucht.

Die neueste Entwicklung bei Wirkstoffen, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen, stellt der direkteReninhemmer Aliskiren (Rasilez®) dar. Seine definitive the-rapeutische Bedeutung bleibt abzuwarten.

4.2.4.2.6 Sonstige Vasodilatatoren mitdirektem Angriff an der glattenMuskulatur

Zu dieser Substanzgruppe gehören

■ Dihydralazin und Hydralazin,

■ Nitroprussidnatrium und

■ Cicletanin sowie

■ der Kaliumkanalöffner Minoxidil.

Vor allem durch Angriff an kleineren Arterien und Ar-teriolen wird der periphere Widerstand und dadurch derBlutdruck gesenkt. Bei einem Teil der Stoffe kommt esaußerdem zu einer Erweiterung der venösen Kapazi-tätsgefäße.

Während der Wirkungsmechanismus von Dihydral-azin und Hydralazin noch weitgehend unbekannt ist –diskutiert wird die Hemmung der IP3-vermittelten Cal-ciumfreisetzung aus dem endoplasmatischen Retiku-lum –, beruht die Wirkung von Nitroprussidnatrium aufder raschen Freisetzung von NO (s. Abb. B 4.2-3,S. 528). Minoxidil steigert die Öffnungswahrschein-lichkeit ATP-abhängiger Kaliumkanäle. Es bewirkt da-durch eine Zunahme des Membran-Ruhepotentials(Hyperpolarisation) und als Folge davon einen verrin-gerten Einstrom von Calciumionen durch spannungs-abhängige Calciumkanäle. Die auf diese Weise verrin-gerte intrazelluläre Calciumionen-Konzentration führtvor allem in Arteriolen zur Abnahme des Tonus derglatten Muskulatur und damit zur Blutdrucksenkung.

Hydralazin Dihydralazin

N

N

HNNH2

N

N

HN

HN

NH2

NH2

Dihydralazin, Hydralazin und Minoxidil werden für dieorale Dauerbehandlung des Bluthochdrucks eingesetzt,Nitroprussidnatrium eignet sich dagegen nur zur The-rapie hypertensiver Notfälle (s.u.).

Aus der Reihe der Hydrazinophthalazine hat vor allemDihydralazin (Depressan®, Nepresol®) – neben Hyd-ralazin, das nur eine Hydrazingruppe aufweist – Be-deutung erlangt. Trotz der Blutdrucksenkung nimmtdie Nierendurchblutung zu, doch bleibt die glomeruläreFiltrationsrate wegen des reduzierten Filtrationsdruckskonstant.

Nach oraler Applikation wird Dihydralazin rasch re-sorbiert, doch unterliegt es durch Acetylierung einemFirst-pass-Effekt, der bei Schnell- und Langsam-Ace-tylierern (s. S. 115) unterschiedlich stark ausgeprägt ist.In Abhängigkeit von der genetisch variablen Acetylie-rung liegt die Halbwertszeit zwischen einer und achtStunden, die Wirkdauer beträgt ca. 6–8 Stunden, dieBioverfügbarkeit bei schnellen Acetylierern 22–30%.Bei langsamen Acetylierern ist sie auf 38–50% erhöht.

Hydralazin wird wegen seiner Nebenwirkungen(s.u.) meist mit anderen Antihypertonika kombiniert(z.B. in pertenso® mit Propranolol und Bendroflume-thiazid, in Treloc® mit Metoprolol und Hydrochloro-thiazid). Dadurch kann die Einzeldosis von sonst 25 mgauf 10 mg erniedrigt werden. 90% einer Dosis werdenals Hydrazonmetaboliten über die Niere ausgeschie-den. Ohne Ermittlung des Acetylierer-Status sollte eineDosierung von 50 mg nicht überschritten werden.

Als Nebenwirkungen können bei beiden Wirkstoffeninfolge der Blutdrucksenkung reflektorisch durch Akti-vierung des Sympathikus sowie des Renin-Angioten-sin-Aldosteron-Systems eine Steigerung der Herzfre-quenz und eine Erhöhung des Schlagvolumens sowieeine Natrium- und Wasserretention mit der Bildung lo-kaler Ödeme, ferner Kopfschmerzen, Schwindel- undSchwächegefühl, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwer-den und Diarrhö auftreten. Außerdem werden allergi-sche Reaktionen beobachtet.

Bei längerdauernder Anwendung hoher Dosen kann sich einerheumatoide Arthritis entwickeln. Falls die Behandlung dannnicht abgebrochen wird, besteht die Gefahr, dass es insbe-sondere bei langsamen Acetylierern sowie Trägern einesHLA-DR4-Antigens zu einem dem Lupus erythematodesacutus ähnlichen Syndrom kommt, das nach Absetzen desPräparates mit Nebennierenrindenhormonen behandelt wer-den kann. Eventuell auftretende Parästhesien oder Neuriti-den, die auf einer Antivitamin-B6-Wirkung von Dihydralazinberuhen, sprechen gut auf Gaben von Vitamin B6 an.

Nitroprussidnatrium (Dinatrium-pentacyano-nitrosylfer-rat(II); nipruss®) ist eine anorganische, lichtempfindlicheKomplexverbindung, die, wie erwähnt, durch NO-Freiset-zung zu einer Erweiterung der präkapillären Arteriolen undpostkapillären Venolen führt. Die blutdrucksenkende Wir-kung der Substanz, die nur in Form einer Infusionslösung

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554 Gefäßsystem und Kreislauf

(am besten unter Verwendung einer Infusionspumpe) und un-ter ständiger strenger Überwachung des Patienten verwendetwerden darf, setzt unmittelbar nach Infusionsbeginn ein. DieWirkungsstärke ist streng dosisabhängig, der Blutdruck kannauf jeden gewünschten Wert erniedrigt werden. Aufgrundder sehr kurzen Wirkdauer – sofort nach Verlangsamungoder Beendigung der Infusion steigt der Blutdruck wieder an– ist der Effekt gut steuerbar. Das vegetative Nervensystemwird nicht beeinflusst.

Nitroprussidnatrium ist zur Behandlung von Blutdruck-krisen (s. u.) sowie bei bestimmten chirurgischen Eingriffen(z.B. bei Operationen im Kopf- und Halsbereich, in der Ge-fäßchirurgie) zur steuerbaren Hypotension indiziert.

Die mittlere Dosierung beträgt 3 μg/kg Körpergewichtund Minute, die maximale Dosis 800 μg/min.

Bei zu rascher Infusion kann es infolge eines exzessivenBlutdruckabfalls zu Bewusstseinsverlust und Pulslosigkeitkommen. Symptome einer subakuten Überdosierung sindÜbelkeit, Erbrechen, abdominelle Krämpfe und Reflexaus-fälle.

In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen wer-den, dass die akute Überdosierung von Nitroprussidnatriumauch zu einer Cyanid-Vergiftung (s. S. 1038) führen kann.Neben NO wird nämlich im Körper aus NitroprussidnatriumCyanid freigesetzt und dieses durch Rhodanid-Synthetase zudem hundertfach weniger toxischen Rhodanid (Thiocyanat)umgewandelt. Bei zu hohem Cyanid-Anfall wird die Enzym-kapazität überschritten mit der Folge, dass sich Cyanid anrei-chert.

Bei einer längerdauernden Behandlung mit Nitroprussid-natrium (mehr als 2 Tage) besteht außerdem die Gefahr einerRhodanid-Kumulation, wodurch Sprachstörungen, Muskel-schwäche und psychotische Reaktionen auftreten können.Zur Vermeidung dieser unerwünschten Wirkungen sollten insolchen Fällen die Rhodanid-Plasmaspiegel kontrolliert wer-den.

Cicletanin (Justar®) ist eine antihypertensive Substanz, de-ren Wirkmechanismus nicht genau geklärt ist. Neben der Sti-mulation endothelialer Muscarinrezeptoren und der Freiset-zung von NO trägt wahrscheinlich die Hemmung spannungs-abhängiger Calciumkanäle zur Vasodilatation bei. Bei derIndikation essentielle Hypertonie kann Cicletanin in einerDosierung von 50 bis maximal 200 mg eingesetzt werden.Interessanterweise wird nach Gabe dieser Substanz die Herz-frequenz eher verringert als erhöht. Die Elimination von Cic-letanin erfolgt mit einer Halbwertszeit von 6–8 Stundendurch Glucuronidierung und Sulfatierung und nachfolgenderenale Ausscheidung.

Minoxidil (Lonolox®), ein Piperidino-pyrimidin-diamin-De-rivat, wirkt noch stärker und länger anhaltend blutdrucksen-kend als z.B. Dihydralazin und Hydralazin. Infolge der aberauch noch bedeutsameren Nebenwirkungen ist es nur bei sol-chen Hochdruckpatienten indiziert, bei denen andere Antihy-

Cicletanin

NH3C

O

Cl

HO

pertonika – auch kombiniert angewandt – nicht ausreichendwirksam sind. Es muss in diesen Fällen wegen der bei alleini-ger Gabe auftretenden erheblichen Gegenregulationen (Sym-pathikusaktivierung, Salz- und Wasserretention) zusammenmit einem Diuretikum und einem �-Adrenozeptorenblockeroder einem zentral wirksamen α2-Sympathomimetikum ein-gesetzt werden.

Bei oraler Gabe wird Minoxidil fast vollständig resor-biert. Die Plasmahalbwertszeit beträgt ca. 4 Stunden, derblutdrucksenkende Effekt hält über 24 Stunden an. Der quan-titativ wichtigste Metabolit ist das Glucuronid. Ferner wird inder Leber Minoxidil-sulfat gebildet, das maßgeblich zur Wir-kung beitragen soll. Die Ausscheidung der Metabolite erfolgtvorwiegend renal.

Die üblichen Tagesdosen für Erwachsene liegen zwischen5 und 40 mg. Man beginnt mit einer Anfangsdosis von 5 mg/Tag und erhöht dann die Dosis langsam bis zur ausreichen-den Blutdrucksenkung (maximale Tagesdosis 100 mg).

Eine besondere Nebenwirkung ist die bei den meisten mitMinoxidil behandelten Patienten auftretende Hypertrichose.Sie beginnt häufig im Gesicht und bildet sich nach Absetzendes Wirkstoffs nach einigen Monaten wieder zurück. Fernerwurden, vor allem bei Patienten mit eingeschränkter Nieren-funktion, in etwa 3% der Fälle Perikardergüsse beobachtet.

4.2.4.3 Stufenplan derHypertoniebehandlung

Es ist heute allgemein anerkannt, dass eine antihyper-tensive Therapie individuell und – falls erforderlich –nach einem Stufenplan mit dem Ziel der Normalisie-rung des Blutdrucks (< 140/90; bei Diabetikern< 130/80) durchgeführt werden soll. Das von der Deut-schen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks he-rausgegebene Behandlungsschema ist in Abb. B 4.2-8angegeben.

Bei leichter bis mittelschwerer Hypertonie wird zu-nächst eine Monotherapie mit �-Blockern, ACE-Hem-mern, AT1-Blockern, Diuretika oder Calciumantago-nisten (Antihypertonika der 1. Wahl) durchgeführt.Während �-Blocker sowie ACE-Hemmer vorwiegendbei Patienten unter 55 Jahren eingesetzt werden, gibtman Diuretika und Calciumantagonisten vor allem Pa-tienten über 55 Jahren.

Gelingt bei der Anwendung üblicher Dosen einesMonotherapeutikums – auch bei Wechsel des Präpara-

Minoxidil

N N

N

NH2O

H2N

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tes (sog. konsekutiver Monotherapie) – keine befriedi-gende Einstellung des Blutdrucks, so wird eine Zweier-kombination eingesetzt, die in der Regel als einenBestandteil ein Diuretikum oder einen Calciumantago-nisten enthält. Bei der Kombination von Calciumant-agonisten und �-Blockern sollten langwirksame Calci-umantagonisten vom Dihydropyridin-Typ (s. S. 544 ff.)bevorzugt werden.

Bei wiederum nicht ausreichender Wirkung ist eineDreierkombination, bestehend aus

■ Diuretikum + �-Blocker + Vasodilatator,

■ Diuretikum + ACE-Hemmer (oder AT1-Blocker) +Calciumantagonist oder

■ Diuretikum + α2-Sympathomimetikum + Vasodila-tator

indiziert. Mit solchen Dreierkombinationen lässt sichin ca. 90–95% der Fälle eine ausreichende Blutdruck-senkung erreichen. Die Patienten, deren Hypertoniehiermit nicht ausreichend behandelt werden kann, soll-ten in Spezialkliniken überwiesen werden. Dort werdenzusätzliche Substanzen, z.B. Minoxidil, eingesetzt.

Da, wie erwähnt, die Mehrzahl der Hochdruckpa-tienten subjektiv beschwerdefrei ist und sich nach Ein-leiten der medikamentösen Therapie infolge von Ne-benwirkungen ihr Befinden häufig verschlechtert, istneben einer intensiven Aufklärung vor allem in der ers-ten Behandlungsphase eine Überprüfung der Compli-ance erforderlich. Aus Compliance-Gründen ist es auchsinnvoll, die Zahl der täglich einzunehmenden Antihy-pertensiva durch die Gabe von Kombinationspräpara-ten möglichst niedrig zu halten.

4.2.4.4 Therapie hypertensiver Notfälle

Ein hypertensiver Notfall liegt vor, wenn infolge einesBluthochdrucks eine lebensbedrohliche Situation ent-standen ist, die eine rasche Blutdrucksenkung erfordert.Dies trifft bei einer Hochdruckkrise zu, d.h. bei einemplötzlichen starken Anstieg des systolischen und dia-stolischen Blutdrucks bei normalem oder erhöhtemAusgangswert sowie bei Komplikationen einer chroni-schen Hypertonie, z.B. einer Hirnblutung oder einerakuten Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem.

Abb. B 4.2-8. Stufenschema zur Behandlung der Hypertonie

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556 Gefäßsystem und Kreislauf

Die Behandlung durch den Not- bzw. Hausarzt solltemit den folgenden, von der Deutschen Liga zur Be-kämpfung des hohen Blutdrucks empfohlenen Substan-zen durchgeführt werden. (Vergleichende Untersuchun-gen zur Wirksamkeit dieser Wirkstoffe sind allerdingsnicht verfügbar.)

■ Initial werden 1,2 mg Nitroglycerin als Spray oderZerbeißkapsel gegeben. Der Wirkungseintritt erfolgtinnerhalb weniger Minuten. (Nitroglycerin ist außer-dem ein Mittel der Wahl bei Lungenödem, s. S. 585,instabiler Angina pectoris, s. S. 598, und Myokard-infarkt, s. S. 603).

■ Eine weitere Option besteht in der oralen Gabe von5 mg Nifedipin oder Nitrendipin in einer schnell re-sorbierbaren Form. Auch hierbei erfolgt der Wir-kungseintritt innerhalb weniger Minuten. (Bei insta-biler Angina pectoris und Myokardinfarkt sind dieseCalciumantagonisten jedoch kontraindiziert.)

■ Ferner können 25 mg Urapidil intravenös verab-reicht werden, wobei mit einer Wirkung innerhalbvon etwa 10 Minuten gerechnet werden kann. Durchden starken Bludruckabfall treten als Nebenwirkun-gen Kopfschmerzen und Palpitationen auf.

Schließlich kann Clonidin (Dosierung 0,075 mg) lang-sam intravenös gegeben werden, das ebenfalls inner-halb von 10 Minuten wirkt. Als Nebenwirkung kanneine ausgeprägte Sedierung auftreten.

Eine hypertensive Krise erfordert neben der Erstbe-handlung eine sofortige stationäre Aufnahme. In derKlinik kommen die oben angeführten Medikamenteebenfalls zum Einsatz. Wird damit keine ausreichendeWirkung erzielt oder steigt der Blutdruck erneut raschan, werden intravenöse Dauerinfusionen mit Nitrogly-cerin sowie alternativ mit Clonidin, Urapidil und Di-hydralazin durchgeführt, wobei eine Intensivüberwa-chung gewährleistet sein muss. Liegen keine Kontrain-dikationen vor, können zusätzlich 20–40mg Furosemidi. v. gegeben werden.

Bei immer noch unbefriedigendem Therapieerfolgund nicht sicherem Ausschluss eines Phäochromozy-toms (s. S.349) empfiehlt sich ein nochmaliger Versuchmit 25 mg Urapidil i. v. und die anschließende Gabe vonPhenoxybenzamin (s. S. 349).

4.2.4.5 Hochdrucktherapie in derSchwangerschaft und Stillzeit

Eine Blutdruckerhöhung bei einer Schwangeren (mehr-fache Überschreitung eines Blutdrucks von 140/90nach der 20. Schwangerschaftswoche) bedeutet für den

Feten ein erhöhtes Risiko. Liegen die Blutdruckwerteüber 170mm Hg systolisch und 110mm Hg diastolisch,ist die perinatale Kindersterblichkeit stark erhöht. Eineantihypertensive Therapie bei Schwangerschaftshoch-druck ist daher indiziert. Wegen der Gefahr einer ver-minderten utero-plazentaren Perfusion hat sie jedochschonend zu erfolgen, d.h. der Blutdruck soll langsamgesenkt werden (Zielblutdruck < 140 mm Hg systo-lisch, < 90 mm Hg diastolisch).

Besonders geeignete Antihypertonika in derSchwangerschaft sind α-Methyldopa (s. S. 357) sowieselektive �1-Adrenozeptor-Antagonisten (z.B. Ateno-lol, Bisoprolol oder Metoprolol, s. S. 352 ff.). Ein Ein-satz von Dihydralazin kann ebenfalls erwogen werden.

Kontraindiziert sind Diuretika wegen Verringerungdes zirkulierenden Blutvolumens und dadurch Ver-schlechterung der utero-plazentaren Durchblutung,ACE-Hemmer und AT1-Blocker, da sie ebenfalls dieutero-plazentare Perfusion und die Fruchtwasserbil-dung verringern, sowie Calciumantagonisten wegenembryotoxischer und teratogener Effekte in Tierversu-chen.

Hypertensive Notfälle in der Schwangerschaft kön-nen mit Dihydralazin (5 mg i. v.) oder Urapidil (6,25 mgi.v.) behandelt werden. Bei Krampfbereitschaft werdenzusätzlich Magnesiumsulfat (4 g i. v.) oder Diazepam(5–10 mg i. v.) gegeben.

Zur Behandlung einer Hypertonie während der Still-periode sind mit Ausnahme der auch hier kontraindi-zierten Diuretika alle Substanzen geeignet, die auch imRahmen der üblichen Bluthochdruck-Behandlung inFrage kommen. Beim Einsatz von �-Adrenozeptoren-blockern ist zu beachten, dass hohe Konzentrationen imkindlichen Organismus erreicht werden können, die inEinzelfällen zu einem Abfall des Blutdrucks bzw. einerReduktion der Herzfrequenz führen.

4.2.4.6 Hochdrucktherapie bei Diabetikern

Diabetes mellitus und Hypertonie treten häufig kombi-niert auf und wirken synergistisch in Bezug auf dasAuftreten kardiovaskulärer Ereignisse. Ein hypertensi-ver Diabetiker besitzt im Vergleich zu einer Kontroll-person ein vierfach erhöhtes kardiovaskuläres Morbidi-täts- und Letalitätsrisiko. Diabetiker mit Hypertoniemüssen daher medikamentös antihypertensiv therapiertwerden. Dabei sind Blutdruckwerte von < 130 mm Hgsystolisch und < 80 mm Hg diastolisch anzustreben,insbesondere dann, wenn bereits eine Mikroalbumin-urie oder eine manifeste diabetische Nephropathie vor-liegt. Um diese Blutdruckwerte zu erreichen, ist prak-tisch immer eine Antihypertensiva-Kombination erfor-derlich. Besonders geeignet bei diesem Patientenkol-lektiv sind als Kombinationspartner ACE-Hemmer, mit

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Pulmonale Hypertonie und ihre medikamentöse Therapie 557

denen in mehreren Studien gezeigt werden konnte, dassein Fortschreiten der diabetischen Nephropathie durchsie deutlich verlangsamt werden kann. Es gibt fernerHinweise darauf, dass auch AT1-Rezeptorblocker neph-roprotektive Effekte haben und im Vergleich zu �-Blo-ckern bei gleicher Blutdrucksenkung die Häufigkeit derManifestation eines Diabetes mellitus verringern.Wichtiger jedoch als die verwendeten Arzneistoffgrup-pen ist die effektive Blutdrucksenkung bei den diabeti-schen Patienten.

Auch bei Patienten mit einem metabolischen Syn-drom (s. S. 410) ist eine sorgfältige Einstellung desBlutdrucks besonders wichtig.

4.2.5 Pulmonale Hypertonie und ihremedikamentöse Therapie

Die pulmonale Hypertonie mit ihren verschiedenenUnterformen, insbesondere der pulmonalen arteriellenHypertonie (PAH), ist durch einen mittleren pulmonal-arteriellen Blutdruck von > 25 mm Hg in Ruhe oder> 30 mm Hg unter Belastung gekennzeichnet.

Die auslösenden Faktoren sind weitgehend unge-klärt. Pathophysiologisch kommt es bei einer PAH zueiner Proliferation von Endothel und glatter Muskula-tur (sog. vaskulärem Remodeling), zu einem Überwie-gen vasokonstriktorischer Faktoren und einer verstärk-ten Thrombogenität bei gleichzeitig verminderter fibri-nolytischer Aktivität im pulmonalen Gefäßbett. Eserscheint somit gerechtfertigt, die pulmonale Hyperto-nie im Gegensatz zu den anderen Formen der Hyperto-nie als eine proliferative Vaskulopathie zu charakteri-sieren. Die daraus resultierende Einschränkung desGefäßlumens führt zur Druckerhöhung im kleinenKreislauf, der Erhöhung der Nachlast im rechten Ven-trikel und schließlich zum Rechtsherzversagen.

Die pulmonale arterielle Hypertonie ist ein schweresKrankheitsbild mit einer nach wie vor schlechten Prog-nose (5-Jahres-Überlebensrate 30 bis 50%). Eine Hei-lung ist nur durch Transplantation möglich.

Die Pharmakotherapie der pulmonalen Hypertoniebasiert auf dem Versuch, durch vasodilatierende Sub-stanzen das Restlumen der pulmonalen Gefäße zu erhö-hen und damit die Blutversorgung zu verbessern. The-rapeutisch eingesetzt werden

■ Iloprost,

■ Endothelinantagonisten und

■ PDE5-Hemmer.

Iloprost (Ventavis) ist ein Prostacyclinderivat (s.S. 482), das zur Behandlung der primären pulmonalenHypertonie zugelassen ist. Die Halbwertszeit beträgt

20 bis 30 Minuten, die Einzeldosis 2,5 bis 5 μg, die alsAerosol appliziert wird.

Aus der Gruppe der Endothelinantagonisten wurde alserster Vertreter Bosentan (Tracleer®) zur Behandlungder pulmonalen Hypertonie eingeführt. Es ist ein nicht-selektiver, dualer Antagonist an ETA- und ETB-Rezep-toren. Die Bioverfügbarkeit beträgt ca. 50%, die Plas-maproteinbindung mehr als 98% und die terminaleHalbwertszeit etwa 5,5 Stunden. Die Clearance erfolgtim Wesentlichen durch hepatischen Metabolismus mit-tels CYP3A4 und CYP2C9 (s. S. 27). Durch Autoinduk-tion der verstoffwechselnden Enzyme nimmt unter ei-ner Dauertherapie die Clearance von Bosentan zu(Rückgang der Plasmakonzentrationen auf 50 bis 65%der ursprünglichen Werte). In-vitro-Befunde zeigenferner eine ausgeprägte Hemmung eines hepatischenTransportproteins, der Gallensalzexport-Pumpe (bilesalt export pump; BSEP; ABCB11). Die Therapie wirdmit einer Dosierung von 62,5 mg pro Tag über vier Wo-chen begonnen, anschließend eine Erhaltungsdosis vonzweimal 125 mg pro Tag angestrebt. Um einen mögli-chen, bisher aber nicht nachgewiesenen Reboundeffektzu vermeiden, sollte die Substanz ausschleichend abge-setzt werden.

Außer zur Behandlung einer pulmonalen Hypertonie wurdeBosentan bei Patienten mit Sklerodermie (s.S. 260 ff.) zurVerringerung der Zahl von Ulzera an Fingern und Zehen zu-gelassen.

Die meisten Nebenwirkungen von Bosentan sind mitder Hemmung der Endothelinwirkung erklärbar (z.B.Kopfschmerzen und Flush). Eine besondere Nebenwir-kung von Bosentan besteht in einem dosisabhängigenAnstieg der hepatischen Aminotransferasen (Aspartat-und Alanin-Aminotransferase), die möglicherweise imZusammenhang mit der Hemmung der BSEP (s.o.)steht. Diese Enzymerhöhung verläuft meist asympto-matisch und ist nach Dosisreduktion reversibel. Bei ei-nigen Patienten wurde eine Normalisierung der Leber-enzyme trotz Weiterführung der Therapie beobachtet.Aufgrund der Induktion von CYP3A4 und CYP2C9 (s.S. 33) werden gleichzeitig gegebene Arzneistoffe, die

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558 Gefäßsystem und Kreislauf

über diese Enzyme metabolisiert werden, schneller ab-gebaut und wirken somit möglicherweise abge-schwächt. Eine Dosisanpassung sollte in diesen Fällenin Betracht gezogen werden. Bei gleichzeitiger Gabevon Warfarin (s. S. 519 f.) oder damit verwandten Anti-koagulantien, die durch CYP2C9 verstoffwechselt wer-den, sollte die INR (International Normalized Ratio, s.S. 520) engmaschig kontrolliert werden. Bei hormona-len Kontrazeptiva besteht die Möglichkeit eines Ver-lusts der kontrazeptiven Wirkung durch die Enzymin-duktion. Die gleichzeitige Gabe von CYP3A4- undCYP2C9-Inhibitoren (z.B. Fluconazol), die zu einerstarken Erhöhung der Konzentrationen von Bosentanführen können, sollte vermieden werden. Aus demsel-ben Grund ist die Kombination von Bosentan und Cic-losporin kontraindiziert. Wegen des hemmenden Ein-flusses von Glibenclamid auf die BSEP sollte auchdiese Substanz nicht gleichzeitig mit Bosentan verwen-det werden.

Als weiterer Endothelinantagonist wurde Sitaxentan(Thelin®) zur Behandlung der pulmonalen Hypertoniezugelassen. Sitaxentan ist ein potenter (Ki 0,35 nM)und hochselektiver ETA-Antagonist. Die Substanz wirdüber CYP2C9 und CYP3A4 mit einer terminalen Eli-minationshalbwertszeit von 10 Stunden eliminiert. Die

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absolute Bioverfügbarkeit von Sitaxentan liegt bei 70bis 100%. Die Dosierung beträgt 100 mg einmal täg-lich.

Ein weiteres Therapieprinzip zur Behandlung einerpulmonalen Hypertonie stellen PDE5-Hemmer dar,von denen das ursprünglich zur Behandlung der erekti-len Dysfunktion entwickelte Sildenafil (s. S. 568) nun-mehr auch für diese Indikation in einer Dosierung vondreimal täglich 20 mg zugelassen ist (HandelspräparatRevatio®).

Neue Entwicklungen. Experimentell wird derzeit derTyrosinkinaseinhibitor Imatinib (Glivec®, s. S. 946)bei pulmonaler Hypertonie angewandt. Im Hinblick aufdie oben beschriebene Pathogenese dieses Krankheits-bildes als proliferativer Erkrankung erscheint diesertherapeutische Ansatz sinnvoll.

4.2.6 Hypotonie, orthostatischeDysregulation undAntihypotonika

Eine Hypotonie liegt vor, wenn der systolische Blutdruck un-ter Ruhebedingungen unter 100 (– 110) mm Hg liegt. Wie beider Hypertonie werden auch bei der Hypotonie mehrere For-men unterschieden.

Bei der primären (essentiellen, konstitutiven) Hypotonieist eine Sollwertverstellung in den Kreislaufregulationszen-tren anzunehmen.

Sekundäre Hypotonien treten als Folge verschiedener an-derer Erkrankungen auf. Besonders bekannt sind die hypoto-nen Regulationsstörungen bei und nach Infektionskrankhei-ten. Weitere sekundäre Hypotonien können

■ kardiovaskulär (z.B. durch Herzinsuffizienz, Myokardi-tis, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Hypovolämie,Lungenembolie),

■ endokrin (z.B. durch Nebennierenrindeninsuffizienz, Hy-pothyreose, Hypophyseninsuffizienz),

■ neurogen (z.B. durch diabetische Neuropathie, Alkohol-bedingte Neuropathie, apoplektischen Insult, Morbus Par-kinson)

bedingt sein. Die Therapie der Primärerkrankung steht hierim Vordergrund.

Nach der klinischen Symptomatik unterscheidet man die

■ asymptomatische chronische Hypotonie,

■ chronische Hypotonie mit hypotonem Symptomenkomplexund

■ regulative Hypotonie (orthostatische Dysregulation).

Die asymptomatische chronische Hypotonie stellt eine Varian-te der normalen Kreislaufregulation ohne Beschwerden dar,die naturgemäß keiner Behandlung bedarf.

Bei der zweiten Form der chronischen Hypotonie findet manzahlreiche subjektive Symptome wie z.B. Schwindel, Kälte-gefühl, Wetterfühligkeit u. a.