Panofsky - Deutschsprachige Aufsätze

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Die P!!!t?ktive a!s_.s)'mboliscbe f'orm

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aufgeheftet erscheinen, als solche negiert ist und zu einer bloen .Bildebcne um gede utet wird, auf die si c h ein durch sie hindurch erblickter und alle Einzeldinge in

korrekte" geom etris che Konstruktion bestimmt wird.' Diese .korrekte" gcomeni schc Konst ruktion die in der Renaissance gefunden wurde und spter wohl tech,

sich befa ender Gesamtmum projiziert- wobei es nichts verschlgt, ob diese Projek ss tion durch den unmittelbaren sinnlichen Eindruck oder durch eine m ehr oder minder

behandle und diesen mir den einzelnen charakteristischen Punkten des darzustellen:tw

ni sche Vcrvollkommnungcn und Erleichterungen erfuhr, in ihren Voraussetzungen und Zielen aber bis zu den Tagen Desargues' unverndert blieb, lt sich am einfach sten folgendermaen begr eiflich machen: ich stelle mir - im Einklang mit jener Fen sterdefinition - das Bild als einen planen Durchschnitt durch die sogenannte ,.Seh pyram idc" vor, die dadurch entsteht, da ich das Seilzentrum als einen Pu nkt

S Schon L\.-ssing ht im neunten sgabe von 1552, S. 50ff.), da der Sch winke! a l l c in fr die Grenw.thrnchnmng nicht magebend sei, vielmehr komme die GJ'cnschu.ung nur lurch einen Vcrgldch des Gcgensr:mdcs, d. h. der Basis der Schpyr.\ midc, mit dem Sdrwinkd und dem Au):cnabsundc zustande, der scinerscit$ nach der erfab rungsmHi bekannten GrCtl!c der dazwischen lit'gendc.:n Gegcn>tndc abgLsch:itzt werde. Und bei Vitcllio (Perspectiva communis, IV, 20, in der Risncrschcn Ausg:1bc '"on 15S2, S. 126) heit es -:u: ,.Omnc quod sub maiori anulo vidctur, maius vidcrur. ct quod sub mi nri minus: ex quo pater. idem sub maiori angulum visum ;pparcre maius se ipso sub minori angulo vi.so. Et univcrsZllitcr (im ,_1Jscmcincn) SC\.-unt.lum propt,.,nioncm .tngul.i fir propor tio qu.uuitatis rci dirccte vc .l sub c.tdcm obliquiu.tc ''isac ... , in oblique umcn visis vd in his, quorum u:nuu vidcnu directe. alterum oblique, n o n sie."' ln Abb. lOa richt(.t sich also die Sehgrlle n>ch der l'ropurtion der Sehwinkel, in Abb. lOb und I Oe dagegen n icht. Die c.grndung. die Bacon fr dic \'On Euklid abweichende Auffa...ung gibt, ist inter c.ssantcrwcise iuc r 8 0 A, und t:rotzdcm wiirdm die Seiten II 8 und 8 C als gleich empfun den -ein Eindruck, der ja nur aus der .,Konsunztcndcnz" dc:> llcwul:in.s (vgl. S. 668) er kl:.irt wcrdt.n kann. l\1;tn sieht abt.r. daf; diese Euklidkritik der minelaherlichcn ,.Pcrspt"Ctiv:l n.1runlis" ganz andc.rs motiviert ist als dir der nluzeidichcn ...Pcrspcctiva arrificialis.., der zufolge ja in dem zuletzt crwhmcn F>Ue der Unrcrschied der Schgrikn (rmlich der Pro jcktionc.n A 8 und C auf eine. Gerade X l') sog:ar noch c. rhcbl ic.hc.r sein mHte, a1s dc.r . Untrrschitische VorsteUung .symmetrisch" sei (vgl. die berhmte, gerade gegen diese Erset zung der .oi.'Oot OLWlttQilll" durch die .,S. Vitlc. Abraham, die Engel bcwinc:nd, und Opferung lsaaks; Mosak i

;egen Mine des VI. Jahrh. n. Chr.

Abb. 21. Ravc:nna,S. Apollinarc Nuovo. Verlcug

Vgl. Anm. 30

Vicnel des VI. Jahrh. n. Chr.

nung Pctri; Mosaik aus dem crstL'n

Kunst, zum erstenmal als ein Ko n 1 i nuu m begriffen, zugleich aber ihrer Ko m paktheit u n d Rationalitt beraubt erscheint: der Raum hat sich zu einem homogenen und, wenn man so sagen darf, homogeneisierenden, aber unmebaren, ja dimensionslosen F Iu id u m umgebildet. S o m ute der nchste Schritt auf dem Wege zum modernen .Systemraum" zunchst einmal dazu fhren, die nunmehr vereinheitlichte, aber luminaristisch fluk tuierende Welt aufs neue zu einer substantiellen und mebaren zu machen, freilich durchaus nicht im Sinn antiker, sondern eben mittelalterlicher SubSLan tialit.t und Mebarkeit. Schon in der byzantinischen Kunst bekundet sich (wenn auch durch eine immer wieder hervorbrechende Parteinahme fr den amiken Illusio nismus vielfach gehemmt und streckenweise zurckgedrngt) das Streben, die Reduk tion des Raumes auf die Flche konsequent weiterLufhren (denn die Welt der alt-

Matml o taoo por de'0Chos d autOf ro g

Die Pcrtptkri- t als .symbolische Fonn >

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Abb. 25. Etschmiadzin, Klosterbibliothek. Lebensbrunncn? Syrische Miniatur des 6. (?) jahrh. n. Chr. Vgl. Anm. 33 Abb. 26. Paris, Bibi. Nationale, Ms. lar. 1993. Lcbensbrunnen. Miniatur aus dem Evangelist>< des Godeskalk, 781-783. Vgl. Anm. 33

des Wassers noch deutlich erkennen - die reine Romanik (der bergang kodet sich 34 Vgl. J. Strzygowski, Ikonographie der Taufe Christi, 1885. Beispiele byzantinischer und byz. 111inisicrcnder Miniaturen u.a. Tafel 111, 4 und IV, 1-4 (besonders lehrreich A. Gold 1 schmidt, D.s Evangeliar im Rathaus zu Goslar, 1910, 4); Beispiele fr die bergangsflle aus Ottonischer Zeit u.. Tafel rx, 2-5; ein schnes Beispiel aus der orientalischen Kunst des X. Jahrhundert.< (Eimale-Kiissc) bei G. Miller, Recherehes sur l'iconographic de I'Evangile, 1920, Abb. 131). Nicht uninteressant ist es, da die aldgyptischc Kunst, wo sie eine Was serbucht darstellen wollte, zu einer hnlichen Gestaltung gelangt i t (Schfer, Tafel 26, 2 s und 32, Texr S. 126). Allein dorr handelt es sich um das Ergebnis einer Kombination von Grund- und Aufri (Bucht im Grundr H>upt-Wasscrflchc im Aufri) - hier um die i, Rckbildung einer echt perspektivischen Vcrkrt.ung: die Kombination zweicr unperspck tivischer Flchenbilder und die Vcrflchigung eines perspektivischen Raumbildes haben zu einem dem Augenschein n:tch sehr ihnlichcn, dem Sinne nach aber grundverschiedenen Er gcbnis gefhrt.

hat:" die byzantinische und byzantinisiercndc Malerei lt in der Regel die Form der nach der Tiefe zu konvergierenden Fluufer und die schimmernde Durchsichtigkeit

Mmcna protug cJo por dercchos de autor

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Renaisumrt und Barock

Abb. 3 I. Wandmalereien aus der johanncskirchc zu Prgg {Steiermark). l. Hlfte {nach Borrmnn). Vgl. Anm. 34

XII. jahrh.

Maten:ll protagoo por dcrcchoo

m.t

Di Pcrrpektillich die Fluchtachsenkonstruktion vor Duccio und Giotto in den Werken der Manier> grcca hic und da belegen, z. B. in der merkwrdig konfusen Dc.:kc auf einem der Freskenfragmente zu Fabriano, das ebenfalls sicher nicht noch 1300 laut freundlicher Mitteilung von Dr. C. H. Wcigclr vermutlich um 1270-entstanden ist (vgl. R. van Marle, a.a.O., Abb. 235; ferner L. Venruri, in A.nc, XVIII, 1915, S. 2). Eine Eroppe auf dem WcKe der berlieferung bcr.cichnc"t vielleicht das pmtcbenc (vgl.

wurf fr die 1-- finrcrgrundsgcs:tahung der Florentiner .,:\nhcnmg drr Knige..) wird dann im wufe dtuniig ch L. B. Alberti. Oben links: vorbereitende Zeichnung, ausgefhrt auf der Bildtafel sdbst und identisch mit der Konstruklion der Lorcn7 tti (Ortho...e gonalen des verkrzten Grundqu>drnts). Oben rechts: Hilfszcichnung, .tusgcfhrt auf clncm besonderen Blatt (Aurri der ,Schpyramidc, der die Abstnde der Transversalen v, w, x. y, e 1 ergibt). Unten: de i nitive Z ichnung (bcrtngung der in der f l lilfszcichnung gewonnenen Ticfcnwcnc in die vorbereitende Zeidmung; die Diagonale dient nur 1-ur Komrolle des Ergebnisses)

sich n3Ch n. -cht(.r Art je dieffcr sie im gehcuss stchn, je Ienger je mcht verlieren oder verklcy nern sollen (col. A. 4 ,., H., unsere Abb. 52)- Vielleicht erkliin sich aus dem Vorhandensein einer solchen Methode dit eigentmliche Ta[sache da das sogenannte Distanz.punklvcrfah r n (Abb. 53), das in hnli en crsr 1583 bei Vignola-Dami gelehrt wird (Scrlio berliefen ein c uerlich hnliches, ;aber t.ltsjchlich falschC'S Verfahren, und noch eine Pcrspc.krivzcichnung des Scamvz.zi in Jen Uffizien, C.lrt. 94. Nr_ 8963, ist nach Albcnis Methode konsrn1ien), int Norden schon bei Jea.n PCierin und einigen sei11Cr Nachfolger Uean Couin und Vrc.'(lcman dc Vrics) belegbar ist; denn jene Handwcrkspr:a._xis, wie sie bei dem theoretisch ganz ahnungslosen Hieronymus Rodler berliefen wird (er !Khcut sich nicht einmal, um der Ver breiterung des Hintergrundes willcn eine Konstruktion mit zwei Augenpunkren zu empfeh len!), is-t ja, wenn n1.1n so sagen darf, ein Disunzpunktvcrfahrtn ohne Disuntpunkt : es

liehe Verfahren ausdrcklich berliefert ist: ma.n soll zuo h$t die Orthogonalen nach einem c Fluchtpunkt ziehen, dann, um die Ticfcnng der Wageredlien gezogen worden

war, da soll der Ort fr die .Bcgrrnzungslinic des Grundquadrates sein. Und wenn du nun von der Wagerechten zu dieser cgrcn zungslinie. VOll der einen Seite 7.Ur andcrn, so wie ich es jetzt mache 7..ahlrcichc Linien gcz01;cn und deren Schninpunkte n1itc-i.nan der verbunden has1, donn wirst du den Ort Hir die Anordnung der Figuren abgegrenzt haben, denn sie werden in eben diesen Ab sl'ndcu in gehriger Welse miteinander zu sammenhngen und ''onein:mder entfernt scm.

Aus dieser zweifellos umstndlichen und dotbei, wie gesagt, etwas lckcnhftcn Beschreibung n geht zunchst mit Sicherheit so,rid hervor, d.ill der O der himercn Grundquadratseite sich auf einer scnkn.-chten Linie abtragen soll, indem man vom Scheitelpunkt einer anderen mannshohen Senkrech!Cn den Sclmahl zum Anfang der Wagem:htcn zieht, und da der Fupunkt dic:scr zweiten SeJtkrcchtcn soweit nach der Scirc hinausgcchobc:n werden .roll, als der Augendistanz entspricht. Insofern zielt :tlso die Anwdsung des C'rauricus uf nichts ande res, ols auf den seitlichen Aufri der Sehpyromidc, wie er in Albertis 1-lilfszeichnung (Abb. SI, r - hts oben) konstruien wurde, und mir Albenis Methode stimmt es auch bcrcin, tc wenn die Wagerechte in einzelne gleiche Teile gereilt werden soll, deren Endpunk1e ebenfalls mit dem Scheitelpunkt der mannshohen Senkrechren 1.u verbinden sind. Es duf d;uuc:h ohne weiteres angenommen werden, da, wie die hintere Grundquadntseitc durch den Schninpunkt des obersten Scll!Oirahls mit der .Minclscnkrc-chlcn. so die brigen Transversalen durch die Durchschnittspunkte der anderen Sehstrahlen mit eben dieser Mittdscnkn.-,htcn bcsrill\mt werden ollen. Dlc Llnicn, die ,.von der \X'agrcducn zur (hint.c ren) Begrenzungslinie des Grundquadrats" gefhn werden sollen, sind offenbar Jie Onhogonolen (nur da sie in einem mit Jem Scheitelpunkt ouf gleicher Hhe liegenden ...,Augenpunkt'" konvergieren mssen, wird nicht ausdrcklich gcsagr. aber da.s gehrt eben zu den Sdbst\'crstndlichkcittn, die der durch unmittelbare Dcmonstr:ttion ergdnzte Text sic:h . fonzulascn erlaubt), und die ..,absquc ipsarum anguli ad angulos. zu ichcndcn Linien end lich sind ohne Zweifel die Diagon:.lt.n jenes Grundquadratcs, mit deren Eintragung die g:anzc Konstruktion ihre Kontrolle und ihren Abschlu findt. ln Summa zeigt sich al>, da d:lS Verfahren des Pomponius Gaudeus von Anfang b i s zu Ende idcntist:h ist mit dem Vcrf:thrcn des Albcrti, oder, noch sinnfilligcr, mit der bei Drer, Picro dcll:t Frnnccsca und Lionardo gelehrten Methode; die Drer als .nheren Weg" bezeichne!, und die sich von dem Verfahren Albertis nur dadurch unterscheidet, da die ganze Kunmuktion, oh.nc abgcsondcnc Hilfszeichnung, ouf einem einzigen Zeichenblm ausgefhrt wird (welch

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Rtnaiuancr und Barock

i in sl1) den Vonug zu geben. _,,E per rspondtrvi con qucU' ordinc ehe voi mi scrivcte, dico ehe non C dubbio akuno, ehe Ia prlma opinlonc, circ.1 il pezzo di marmo dcl qualc si traua,..

. non sia difcttiv.a. pone-ndn l'ori:..zonte (..ori:1 Z0111c heit in der ttlun T(.nn_inologic st,'ts

..Augenpunkt ) in uno dcl lati del manno, il qulc oriz.zontc pcr ogni n:gola di prospcuiva dcv' cssC"rc posto nd mczzo. Conciossia(h(: pcr darc maggior gundc-zza e maggior macsti a qudlc coc chl" agli occhi nostri si rapprc$cntano. dcvono rapprt.>scntarsi in modo eh dagli e estrcmi al punto dell' orizztlnte siano l lince cguali. Non puO anchc csser dubbio apprc.sso di mc ehe l.t sc:tonda opinionc, Ja qualc vuolc ehe .si faccia.no duc orizz.ontl, non sia da c55crc l.u ti:ua, si pcr I.: r.1gioni dottissimamcnte drnc da voi si anchc perchl, comc ho dcuo, il proprio c di tali opcrc C il porrc l'orizzontc nd mcz.zo: c cosi si vcde es:scr osservato da rutti i piU ccccllcnti uomini, daW J.utorit.a dc'quali non mi p:nirci m:_i ncl lc mic opcre, sc una viva ragilme non mi rnostrasse ehe il partirstnt fos.sc nH.-glio. Per lc cosc fin qui dc:uc potctc gia duts nicht nur die VomusscLZung, sondern sog:;tr das Ziel dc..'i Unternehmens dar: von eine:tn vcrkrzttn Oblon1,1lm soll soviel abgcschnirrcn werden, als einem Quadrarc cnrspricht. ' 2 Hierin, und nur hierin, lit-gt die 6t-grndung fr die T.rsachc, da PitTO das abgckrLte Ver.'

fahren ,-or dem ausfhrlicher miueih obgleich es doch - rein mathenutisch geno1nmen n . aus diesem hone abgeleitet werden mss er wollte eben aus praktisch-pdgogischcn en: Griindcn da. kompli?..icrte Verfahren erst dann lchr n wenn .tllc Anweodungsmglic.h.k.citen t des einfacheren ersc.hpft waren: unJ 10.111 darf d:thcr aus dieser Umkehrung der logi.."-Chcn Rcihl'nfolgc kcim.-swc.-gs folgern, da ihm der innere Zusammenhang der beiden Konstruktio nen verborgen geblieben w:ire. Im Gegenteil erklrt er, wenn auch in etwas unbehilflicher Sprache, die in Fig. 12 vcrans 1ul.i due Koosrrukcion gaoz richtig ls einen scitlicheo Aufri d der Schpyramide. 3 Andererseits zeugt dirscs Millverstndnis fr eine selbst damals noch mangdnde Vcrtr>uthcit der iulienischcn Fachlculc mit der Oistanzpunktkonstruktion; noch eine dem Scamoz.zi zu geschriebene Uffizienze chn ung (Coll. Sah. Can. 94, Nr. 8963) ist mitreis drs alten quauro i ah cenrist-ischcn Verf rcns konnruiert.,

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Renais s 11ml Barr k ance x :.

erklrt, als daf! er seineo Leser durch etwas Unbegreifliches oder Unvorhcrgt"Schencs entsetzen mchtc? i Diese Einwnde sollen - we kaum betont zu werden braucht - den Wert der s Wielcitncrschcn Ausfhrungen keineswegs herabsetzen, ondern nur das inncrha.lb seiner Zeit bewundernswerte Werk Picro dei Fronceschis gegen eine doch wohl un gerechte Beurteilung in Schutz nehmen. Hinzuzufgen wre nur noch das Eine, da G.j. Kern seine unhaltbare Alberti-Thcsc bereits im Jahre 1915 selbst zurckgenom men hat' so da in diesem Punkte wenigstens die auch sonst so wnschenswerte bereinstimmung der Ansichten crrcicln zu sein scheint.-

Anmcrkun der Herausgeber:

Eine iibc'?'Jahre ffentlieh gefiihrte Fachdiskussion Fragen der perrpekti visdmt Raumdarstel lung wird hier durch eine Eruidcls von Urbino, I Sn, I, p. 70ff. CrowcCJValcascllc, Gcschiclnc d. i1. Malerei, IV, 1871, p. 303ff. Dies., Raphad, JcUisch !RS3, I. p. 139ff. 9 A. Schmarsow, a.a.O., passim. E. Mn!7 Raphad, ISSI,p. 93 ff. und in G"" des Beaux-Arts 185, II, p. 337ff. 10 j. llurckhard1, Ocr Cicerone, 1874, 111, p. 923. A. Springer, R>ffd und Michclangdo, 1878. p. 496 und Rcp. IV, p. 395ff. LcnnolicffMordli, 1 .: Oie Werke der io. Meister in den Galc ricn von Mnchen, Dresden und erlin, 1880, pp. 356, 368ff.. Zcitschrifl f. bild. K. XVI, p. 279 und Rcp. V, p. l69ff..

111, p. 42ff. J.D. Pssav.ont, Rafacl 1839, I. p. 70((. und II, pp. 486, 496. J. C. Robinson, A cri1ic.tl accoun1

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Renllissan(c? und Barock

der Uffizicn bst aUgemein als Werke Pimur icchios - sofern die ersteren nicht ber haupt als sptere Kopien betrachtet werden - und nur die Oxfordzcichnung wird, bald in apodiktischer, bald in problematischer Form, als Raffacl angesprochen11 Aber auch sie hat Fische! jetzt seinem Helden genommen, um sie dem Bcrnardino zu 'indig und end geben12 Allein in diesem Augenblick, da Vasaris Behauptungen voUst. gltig abgelehnt werden sollenu, darf man wohl daran erinnern, da in solchen Fllen eine absolute Skepsis der Wahrheit oft nicht nher kommt als ein absoluter Dogma tismus. Und da durch die groe Handzeichnungspublikation nicht nur das lntercsse ru> dieser Frage aufs neue geweckt zu werden scheint, sondern auch ihre Diskussion um vieles erleichtert ist, sei < erlaubt, das alte Problem noch einmal aufzurollen. 'S A. Die Oxfordzeichnung

Die Frnge, die man sich bei jeder Zeichnung vorlegen mul, die in deutlicher Bezie hung zu einem ausgefhrten \'ilcrkc steht: ob sie eine Vorstudie oder eine Nachstudie darstelle? - ist bei der Oxforder Silberstiftskizze leicht zu beanrwoncn: sie gchr unbe dingt dem Fresko voran. Dafr spricht einmal die Tatsache, da von den vier Jnglin gen, die, zum Teil in Anlehnung an Signorelleske Motive posiert", auf ihr dargestellt sind, im Fresko nur drei, und zwar in anderer Anordnung, wiederkehren (Abb. 3), sodann aber trgt das Blau deutlich die Merkmale einer Studie nach dem Modell: noch whrend des Zeichnens ist an den Stellungen gendert worden - der rechte Arm des von vorn gesehenen Jnglings ist in drei verschiedenen Situationen gezeichnet, n det Kopf des breitbeinig Stehenden sollte ursprnglich e face erscheinen usw. - . und auch die Fhnmg des leise an- und abschwellenden, sich in vielen Wiederholungen stndig verbessernden Komurs zeigt sofort, da hier nicht der Versuch gemacht wird, den festen Linien eines Vorbildes nach.zukommen, sondern fr selbst gesehene Na turformcn einen neuen und eigenen Ausdruck zu finden.

12 A. a. 0., p. n. 13 Freilich hat Georg Gr onau bereits zur Umkeh gemahnt, indem er in der Kunstchronik 191. r Kol. J17ff., seine schon frher (Aus Raff.cls Florentiner Tagen, 1902, p. 25f.) geuenc An sicht geltend macht, da die Oxfordzcichnung und die kleine Fcxlcrzcichnung der UHizien e Raffacl zuzuschr iben seien. Diese Ansicht venratcn, soviel ich sehe, noch: R. Kahl. Das venezi>nische Skizzenbuch, 1882, p. 124ff. und W. Koopmann, Raffaels erste Arbeiten, 1891, p. 84 f. 14 Siehe FischeI, a. 0., pp. 77, 85. Da die o.,fordlcichnung eine Modellstudie darstellt, so k;tnn ihre Beziehung zu den Fresken in Montc Oli\'(..'1:0 nur so vorgestellt werden, da der Zeichner sci.nc . odelle ungefhr so zu stellen \'ersuchte, wie er es don gesehen hatte. Die M hnlichkeit der Motive ist daher nur clnc gld, Hl. Gcorg, Feder, Ulfizicn,1'.57

Emdecker dieser Beziehung' - die eine Besttigung dafr ist, da man unser Blatt schon in Raffaels Florentiner Zeit zu setzen hat-darin wird beistimmen knnen, da Raffacl durch den Anblick des lteren Kunstwerkes auf den Gedanken einer solchen Zusammenstellung gebracht werden konnte, um so mehr mu man betonen, da er die Gruppe des krftigen, aber schwunglosen Quattrocentisten nicht kopiert, sondern mit jugendlicher Meisterhand verbessert hat: so grndlich Polbiuolo, der .pictorc anatomi ta" sondergleichen, den menschlichen und tier s ischen Krper in allen Teilen beherrschte, so wenig ist es ihm meistens gelungen, diese Teile zu lebendig-beweg isieren; auch das Pferd auf dem Scbastiansbildc bumt sich licher Einheit zu organ nicht, sondern scheint in einer einzelnen Phase des Sichbumcns fcstgehalten, und gar der Soldat daneben steht da wie jemand, der in einer heftigen Bewegung pltzlich in Stein verwandelt worden wre. Erst Raffael hat die Formel, die Pollaiuolo ihm gab, mit Leben erfllt: wie er dem Pferd eine ganz andere Kraft und Beweglichkeit verlieh, so hat er fr den Krieger anstau der starren Ausfallstellung ein schnbeschwingtes Laufmotiv gewhlt, wie er es in sehr hnlicher Weise (besonders charakteristisch ist die Wendung des in den Nacken geworfenen Kopfes, die der strmischen Bewegung etwas eigentmlich Zurckgehaltenes gibt) schon in der Figur des antikisch kost micncn Jnglings auf der Cookschcn Predella gestaltet haue" (Abb. 6).26 Grt>nau, a.a. 0., p. 2$ff. (Tafel V).

27 Dt zwischen den beiden Figuren trotz der Zeitdifferenz von ber zwei Jahren und tror-z der Verwendung im Gc. cnsinn (die brigens bei Raffad niclus schcncs ist, siehe Gronau, Tafel I; -g XVI, I, 2; XVTI) ein Zusammenhang besteht, wird ddurch wahrscheinlich gemacht, da eine

andere Figur desselben iJdcs im Uffizicnc;tttoncino vcrw=andt wurde (siehe unte p. 801 ff.), n der Antike stam .zc der ja scincrsclts wieder mit unserer Ski1 in Bcz.ichung steht Da.s :aus mende Laufmotiv als solch('S kornon in der Frhrenaissance recht oft vor, ;1Jiein bei Raffacl noch in der Gestalt des rechu herausfliehenden 31tcrcn Mannes unserer Predella und in dem c i Engel der vatkanis hen Vcrkrldigung" \'Oll 1)03.n

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Ralfael und di< Freskm n der Dombibliothldcschizcichnung,die im

d aller ings in zurcklulrendcr Weise, Ricci, a. a. 0., p. 266.

nen Gcmldc:4 30 So erkl:in fischcl (>. ' 0., p. 85) die ganz >nlogcn Abweichungen des ersten Freskos vom Uffjzicnctnoncino.31

Fresko umgestel lt und surk verndert erscheinen, in der .AnbNung der Knigt.. steht dahin, ob wir die beiden ber den Querbalken des Krcuz.cs gelehnten Gesoaltrn wirklich mit diesen heiligen Mnnem identifizieren drfen; doch kann der edle Enost, der wenig$tcrl.S im Gemlde ihre Zge auszichnct, sowie der U mstmd dal der die RC'Chtc Christi lsende Greis in dem Kostm eines wohlhabenden l:ll"j\crs au{trirt, die jedenfalls die Vcrstndigung crltichrcrr11c Benennung cil'igcnnaHcl n:chtfenigen.,

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zeichnet) isr breit genug in die Flche entwickelt, um mit dem heroinenhaften Leib und den mchtigen Massen des Gewandes die symmetriegefhrdende Lcke umcr ichwohl tritt das einzelne klarer hervor, halb des guten Schiichcrs zu schlieen; und gle weil alle berschneidungen wenn nicht vermieden, so doch gemildert sind: .Niko demus" greift nicht mehr ber die Schulter Christi hinweg, sondern hinter ihr hin durch, wie auch die Unterschenkel des Leichnams nur mehr zum kleinsten Teil ver deckt sind; der Kinn- und Halskontur des Johannes, in der Zeichnung hinter der linken Schulter des Toten verschwindend, ist freigelegt; die Oberschenkel des rechten Schchers erscheinen strker angehoben und daher weniger berschnitten, und die Kpfe der beiden rckwrts stehenden Frauen - der eine in der Ztichnung zu etwa einem Viertel, der andere sogar zur Hlfte verdeckt - sind im Gem:ildc vollstndig sichtbar geworden. Durch alles dieses werden, wie gesagt, auch die zwei groen Grundmotive der Komposition in falicherer Weise zur Anschauung gebracht. Denn wie die strkere Ahcntuicrung der rechten Schcherfigm, die erst jetzt der andern vllig gleichwertig erscheinr', sowie die Hinzufgung des Puttenengels dem .Diver gcnzthema" zu kr.ftigerem Ausdruck verhilft, so lassen die brigen Vernderungen d,ts .Konvcrgcnzthcma", das hei.t die Dreicekskoniiguration, um vieles klarer hervortreten: wenn der Oberkrper Christi nicht mehr durch einen schrg hcrbgrei fenden Arm bcrschn.itten erscheint (so da die Anschauung das Schultergelenk mit dem Knie durch eine Senkrechte zu verbinden vermag), so kommt das der Przisie rung der Dreieckskomposition ebenso zugute, wie der Umstand, da die den Leich nam in Empfang nehmende Gestalt jetzt ebenfalls genau ins Mittellot des Bildes ver setzt worden ist'; und wenn sich die ruhige und senkrecht oriemiertc Frontalfigur der Magdalena in jene stark bewegte und entschieden vornbergeneigte Profilfigur ver wandelt hat, so bt-dcut.ct dies nicht nur die Herstellung einer symmetrischen Fliichcn belastung, sondern auch die Vollendung einer symmetrischen Flehenorganisa tion, da jetzt, und erst jetzt, das gleichschenklige Dreieck vllig geschlossen erscheint - man mchte sageo: vllig I'igur geworden ist. Und indem die beiden Grundmotive der Komposition, das Konvergenzthema sowohl wie das Divergenz thema, nunmehr in gleicher Weise ;uf die Form einer fast vollkommenen Symmetrie gebracht sind, stellen sie sich nicht mehr als bloe Gegenstze dar, sondern sie er scheinen eben dieser Symmetrie als einem gemeinsamen Bildungsgesetz unterworfen, das sie zu einer Einheit hhcra Ordnung verbindet.4 Z der stiirkcren Freilegung der Oberschenkel uin auch die hellere cleudn ung die der u Figur Voltcrra,

Krcuz.ilbn.a.hn1c I Rom, SS. Trinic. dciMond

gung vor den Bewegungen der Einzelfiguren da: sie gleicht weniger der Bewegung eines Hebel- oder Rderwerks, die durch das Auf- und Gegeneinanderwirken der in den einzelnen Organen lebendigen Sonderkrfte zustandckommt, als der Bewegung eines Stromes, die sich, von Haus aus einheitlich, vor seiner Ausmndung in die Teil strme eines .Deltas" zerspaltet. Es darf sonach als ausgeschlossen gelten, da Jacop inos Schpfung derjenigen Darueles etwas irgendwie Wesentliches zu danken htte; und wirklich ist das einzige Detail, das mglicherweise eine (rein motivische) Beeinflussung bezeugen knnte (jener die Fe Christi umfassende Geharnischte, der die von Ii n ks herantretende und nicht als Krieger gekennzeichnete Figur der Zeichnung ersetzte), wie wir gesehen

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R1raissana um/ Barock

hoben, dem Entwurf noch fremd. Der Einflu Danielcs knnte also, wenn berhaupt, die Konzeption des Jacopino nur in dem Zeitraum zwischen dem Entwurf und der Gcmldcausfhnmg getroffen haben, und hiitt.e sich auch dann au.f eine vcrh ltnis ml!ig nicht sehr wichtige Einzelheit beschrnkt. Wo aber liegen die Quellen der Zeichnung als solcher? Jacopino del Conte ist im jal1re 1510 zu Floren?. geboren und war, wie nicht erst aglionc, sondern schon Vasari uns lehrt, ein Schler des Andrea dcl Sarto 10. Als er sich um 1535 nach Rom wndte 11, muf\ er mithin eine Jugend hinter sich gehabt haben, deren knstlerische Eindrcke - von den in der Sarto-Wcrkstatt empfangeneo abgesehen - vor allem durch den Florentiner Frhmanierismus, in erster Linie durch die Kunst Pontonnos und die Kunst des Rosso Fiorcntino, bestimmt gewesen sein mssen. Und in diesem Kreise werden wir u m so eher nach Anknpfungspu nkten suchen drfen, als sein erstes rmisches Werk, die ebenfalls frS. Giovanni Decollato gemalte Verkndigung a.n Zacbarias", nicht nur, wie bereits Steinmarm hervorhob, die Kenntnis des michclangclcskcn David-Apollo, sondern auch den Eindruck des b erhmten Heimsuchungsfreskos von Pomormo voraussetzt". Und in der Tat: die Chrisn1sfigur der Jacopino-Zcichnung weist unverkennbar auf das groe Volterraner Altarbild des Rosso (Abb. 4}, und damit indirekt auch auf djc gewaltige Kreuz abnahme Filippino Lippis zurck, die ja fr Rossos Schpfung vorbildlich gewesen ist"; und was die Mariengruppe tultcr dem Kreuze betrifft, so drfte ihre rhombische,

8 Vgl. Anmerkung 5. Daniclt'S Frc.ko ist hckanntlich im Jahre 151 entstanden und das Altar bild j>eopinos drfte fast glcichzeilis aufgefhrt sein (vgl. den Gesic htstypus des rechten Schiichcrs mit dem dc.< Christus auf dem t 541 datierten Fresko der Taufc Christi, ebenfalls in S. Giovanni Dccollato, Abbildung bei Voss, a.a.O., S. 141). Die Zeichnung wird ein wenig . :l ter sem. "I 9 So irrigerweise Voss, :.'l.:t.O., S. 1'10. 10 Vita des Andr.'t verwertete Mitteilungen (ein Teil der Analogien zum .Josua-Rotulus, Ge schichte des sechseckigen Clipeus) zu bndcrcm Danke verpflichtet ist. 9 ln diesem Sinne ueTcen sich die Herren Prof. Khler und Prof. Beenken, welch let>.terer den Vcrf. auf die Freken der Cappclla Vclluti aufmerksam omchtc.,

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Das rme Blau alft drm . Libro Giorgio Vataril

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Abb. 4. Florenz,S. Crocc, Capp.

VeUuti Der Kampf mit dem Dnchen (Ausschnitt), Anf. XIV. Jahrh. dieser Zeit bekanntlich nicht besitzen. Allein wenngleich die Stilentwicklung der eigentlichen .Handzeichnung" ratschlich erst ab ca. 1400 der unmittelbaren Beob achtung zugnglich ist, vermgen wir uns doch die Vorgeschichte dieser Stilent wicklung zu rekonstruieren, indem wir die Grisaillen, die Vorskizzierungen oder, noch besser, die von vornherein zu einer selbstndigen Wirkung bestimmten Linear Illustrationen der Bilderhandschriften zu Hilfe nehmen. Diese mit bloer Feder hergestellten oder nur leicht mit Wasserfarbe angetuschten Buchillustrationen sind, soweit es sich um Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts handelt, von der For schung ziemlich vernachlssigt worden: die Historiker der Miniaturkunst haben begreiflicherweise - ihren ganzen Eifer den gerade in diesem Zeitraum so faszinieren den Produkten der eigentlichen Buch-Malerei zugewandt und den bescheidenen Federt.cichnungen der minder prchtigen Codices kein sonderliches Interesse abge winnen knnen - die Historiker der Handzeichnung pflegen nur von den Einzel blttern und Skizzenbchern Notiz zu nehmen, die nicht in den Bibliotheken, son dern in den graphischen Sammlungen aufbewahrt werden. So hat sich niemand recht um jene .farblosen Miniaturen" der brgerlichen Handschriften gekmmert, und doch stellen diese nicht minder die Vorbereitung der eigentlichen .Handzeichnung" dar (deren ursprngliche Technik nur von hier aus verstndlich wird), als die farbigen Miniaturen der Prachthandschriften die Vorbereitung der Tafelmalerei. Betrachten wir nun, um ein p3ar Beispiele hcraususcifcn, cnva die Vorskizzic r rungen des durch seinen Reichrum an unvollendeten Blttern sehr instruktiven latei nischen Ovidc Moralisc der Bibliothek zu Gotha (Cod. membr. I, 98, unsere Abb .S) oder, noch besser, die Federillustrationen einer in Mailand bewahnen Historia Troiana (Cod. Ambros. H. 86 sup., unsere Abb. 6; beide Handschriften oberitalie nisch um 1370/80), so ergibt sich, da alle die Lizenzen, von denen der Meister des Pariser .Cimabue"-Blattes bereits mit einer gewissen Selbsrverstiindlichkeit Gebrauch macht, von den Illustratoren der genannten Codices nur erst erahnt werden. Die.

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Das _.stt Blau aus dem .Libro Giorgio Vasaris

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}

Abb. 6. Mailand, Bibi. Ambrosiana Oie Anrwon Apollos an Achillcs und Telaphus Oberiulieni.sche FcdcrLcichnung,etwa 1370/80

der echten .Handzeichnu ng" begrnden, erst i n der zweiten Hlfte des Trecento sich anbahnen: wir knnen gerade auf dem Gebiet der zeichnerischen Buchillustration sehr deutlich verfolgen wie der ge schlossene und stark betonte Kontur, der nicht nur die reine Umrizeichnung, son i dern auch die plastsch modellierte Pinselgrsaille beherrscht hatte, sich erst seit etwa i den

eigentmlichen Stilchaakterr

,

1370/80 zu zersetzen beginnt (am frhesten scheint das in Frankreich eingetreten zu sein)", wie die nunmehr zerstckelten und vervielfltigten Liniendemente allmhlich von den Rndern her in die Binnenform eindringen und dadurch zu .Parallel schraffen" werden (Abb. 7)13, und wie sich erst zu Ende des Jahrhunderts der neue, .,freie" Zeichenstil herausgebildet hat, der diesseits wie jenseits der Alpen die egent i liche Handzeichnung allererst mglich macht14; denn ohne die Entwicklung, die sich auf dem Gebiet der Handschriftenillustration vollzogen hatte, htte die unersttliche i Wirklichkeitsfreude Pisanellos wohl ebensowenig ih re spezifisch zeichne rsche Aus

-

schen Einflu undenkbar. ift 13 Cod. Vindob. 2570, franzsisch um 1400. Oie Kenntnis dieser interessanten Handschr und die Photographie der hier wiedergegebenen Zeichnung wird Frl. Dr. Martcns verdankt. 14 Von hier aus erscheint es vllig gercchtfenigt, die .Handzeichnung (als Kunstgattung) als etws spc-.tifisch ..Modernes"' anzusehen. Arbeiten von der An des Regensburge-r Sechs t.l.gcwcrkcs oder anderer hochminelaltcrlicher Umri..f..liniarurcn werden normalerweise von niemandem als ,.Handzeichnungen angesprochen, obgleich sie doch auch ..mit der Hand ge zeichnet"' sind; und mn &uf sagen, d::a von vor-neuzeitlichen Kunstwerken fast nur der Utrechtps.ahcr und die ihm stilverwandten Arbeiten zur Not mit diesem Terminus belegt werden knnten: hier ist es eben das noch-antike Raumgefhl, das- wie in spterer Zeit das schon-moderne - den handzeichnungsartigen Eindruck begrndet.

12 Schon Hand.chriften von der An der Codices in Mailand und Gotho sind ohne franzsi

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Das rste Blatt

mts

dem . Libro"' Ciorgio Vasaris

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i} l'

Abb. 8. Werkstau des Lorenzo Ghiberti Federskizze eines gcic1nden Henkers. Wien, Albert.in:a

Der Augenschein lehrt, da der Stil des .Cimabue"-Blattes nur zwischen der konturmig gebundenen Manier der oben angefhrten Handschriftenillustrationen und der entwickelten "Handzeichnungs"-Technik der Pisancllo- und Ghiberti-Zeit, also am besten um oder gegen 1400, denkbar erscheint. Und damit sehen wir uns gentigt, die Genesis der Skizzen erwas komplizierter zu erklren: nicht durch un mittelbare, sondern durch mittelbare Rezeption drften die altchristlich-sptantiken Stilelemente in diese Skizzen hineingekommen sein - nicht dadurch, da ein um 1300 ttiger Zeichner in eigener Person an der um diese Zeit sich vollziehenden .Renais sance des Altchristlichen" Anteil genommen hiittc, sondern dadurch, da ci n rund 100 Jahre jngerer Knstler eine Gemldefolge kopierte, die ihrerseits aus jener Renaissancebewegung hervorgegangen war. Das somit fr die ,.Cimabue"-Zeichnung vorauszusetzende frhtrecemistischc Vorbild wird sich kaum nher best immen, geschweige denn auffinden lassen. Aber soviel darf jedenfalls gc16 Wenn die oben mit aller Vorsicht vermutete Deutung auf den Hl. Potitus richtig wre, knnte man an einen Gem ldezyklus denken, der sich in S. Potito zu Neapel befand. Carlo Celano berichtet nmlich in seinen .Notizie del ello, dd Antico edel Curioso della Citta di Napoli (erstmalig Neapel 1692, in der uns zugnglichen 2. Aufl. von 1724 d. IV. Giornata 7, S. 14) von e iner Reihe von Gcmildcn in der Kirche S. Potito zu Neapel, .ehe esprimono Ia vita di S. Potito .... sono O r dcl nostro Tcsauro ehe cominciO a dipingcrc, quando I pit JX c a tura principi a dare nelle buone maniere"' (hcme nicht mehr vorhanden). Denn da rin sol cher Ausdruck nach allgemeinem Sprachgebrauch nur den Beginn der Rcna issancebcwcgung, d. h. das f he Trecento, bc r 'l.Cichncn kann, z offenbar schon diese Nachr ielt icht auf jenen ..Pippo Tcsauro", den dann der phantasievolle Oe Dominici als den Erneuerer der Neapolita ner Malerei gepriesen und auf die Jahre 1260-1320 festgelegt hat (vgl De Dominici, Vite dci pinori Notpolctani, Neudruck 1840, l, S. 103, cbcnlalls unter Hinweis auf den Potitus. . .

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da er eine gotisierende Architektur und eine gotisiercnde Inschrift entwerfen wollte er, dessen berhmte l'hilippica gegen eile Gotik (lntroduziooc l, 3) jegliche Schmach auf die monstrse und barbarische .maniera tedesca huft, und der gerade den Spitz bogen. das .gicarc lc voltc con ,Qwrti acuti", als eine der vcrdammcnswcrtcstcn Ungereimtheiten dieser m edizione di fabriche" ansieht: .Ecci un altra specie di al lavori", so heit es nach der Behandlung der antiken Ordnungen, .ehe si chiamano Tcdeschi, i quali sono di omamenti c di proporzioni molto diffcrcnti da gli antichi ct da' modcrni. Ne hoggi s'usano pcr gli cccellcmi, ma son fuggiti da loro come.

mostruosi c barbari, dimcmicando ogni lor cosa di ordinc, ehe piu tosto confusione o disordinc si puo chiamare: auendo fatto nelle lor fabriche, ehe son tante c'hanno am morbato il mondo, lc portc oroate di colonnc sonili e attortc a uso di vitc, le quali t non possono auer fona a reggere il peso di ehe leggereu-1 si sia. Et cosi per tuttc lc facce ct altri loro ornamenti faceuano una malcdiziooc di tabernacoli.ni, l'un sopra l'altro, con tantc piramidi et puntc ct foglic, ehe non ch'cllc possano starc, parc im possibi.lc, ch'dlc si possino rcggcrc; ct hanno piu il modo da parer fatre di C l\Cta ehe di pictrc o di marmi. Et in queste opcrc faccuano ranri risalti, rotrurc, mcnsoline et viticci, ehe sproporzionauano quelle opere ehe faceuano, et spcsso con menerc cosa sopro cosa andauano in tanta oltczza, ehe lo fine d'una porta toccaua loro il tetto. Qucsta manicra fu trouata da i Gothi, ehe per haucr ruinare lc fabriche amichc, ct morti gli architctti pcr lc gucrrc, fcccro dopo coloro ehe rimascro le fabriche di qucsta maniera, le quali girarono le vohe con quarti acuti ct riempierono tutta Iralia di questa maledi.zione di fabricbe, ehe per non baucrne a far piu, s'c dismcsso ogni modo loro. lddio scampi ogni pacsc da vcnir tal pcnsicro ct ordine di lauori, ehe per esscre eglino talmentc difformi alla bcllezza dcllc fabrichc nostrc, merirano, ehe non sc nc fauclli piu ehe qucsto; ct pero passiamo a dirc ddlc vohc"." Derselbe Mann, der diese Worte schrieb, hat also unsere .gotischen" Um rahmungen entworfen und in seiner Werkstatt uichnen lassen; und mit diesem an scheinenden Widerspruch rollt unser unscheinbares Monument eine primipiellc Frage auf: die Frage nach dem Verhltnis des italienischen Kunst bewutseins zum gotischen Stil.

111.Fr die nordischen Lnder, vor allem fr Deutschland, hat es bis weit ins 18. Jahrhun dert hinein kein eigentlich .gotisches Problem" gegeben. Die von Italien abhngige und berwiegend italienisch und virruvianisch gerichtete K u ns tt heori e hat selbst verstndlich auch im Norden die, mit Blondcl zu reden, .ungeheuer uncrnglichc M.anier, die noch zu unserer Vter Zeiten unter dem Namen der gotischen Baukunst gewhnlich gewesen"", mit groer Geste abgelehnt und eben dcshlb in dem Ver-

26 Frey, S. 70; eine andere Kraftstdlc ist unten, Anm. 100 bg.um Folgenden A. Springcrs berhmte Studie ber den .gor: :hen Schneider von Bologna (Bild7.7.i da Vignola, 1906, S. 23 ff.; G. Dchio, Untersuchungen ber das glcichs.:itige Dreieck als Nonn gotischer Bau proportionen, 1894 (d.uu Reimcrs in Rcp. XVII, 1894, S. 371). 63 Kurt Cassircr.jahrl>. d. Pr. Kstslgn. XLII. 1921, S. 55ff., Abb. >-7. 64 Willich, a.a. 0., Taf. I um! S. 26..

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Das ersu Blatt aus dem .Libro01 Giorgio Vasan S

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f Abb. 17. Gherardo Silvani. Modell r die Fassade des Florentiner Domes, 1635Florenz, Dom-Opera

tiner Domfassade wegen der unmiuelbaren Nachbarschaft des Campanile - den frei lich erst das hochbarocke R aumgefhl mit der Fassade zusammensehen konnte - die gotisierende Lsung besonders nahelegen mute; und wirklich zur Ausfhrung ge langte von all den gotisicrcndcn Projekten eigentlich nur der Mailnder Vierungs turm, whrend z. B. die einigermaen vergleichbare Aufgabe der Florentiner Dom kuppellaterne von Brunelleschi in einem genau cmgcgengcserzten Sinn gelst worden war: obgleich sie in ihrem stereometr isch-struktiven Grundgeda.nken dem Geist der Gotik im Grunde nhersteht als das hchst kaprizise Mailnder Werk, dessen inein andergesteckte Achtecksprismen in tieferem Sinne ebenso ungarisch sind wie die g ir landenhaft hngenden .,Strebebgen", verbirgt sich der funktionale Gedanke der goti schen Pfeiler in der Gestalt kor inthischer Pilaster und der der gotischen Strebebgen in dem (hier wohl zum erstenmal in die Erscheinung tretenden) antik-modernen Kraftsymbol der Spiralvoluten (Abb. 18)"'. Das ist nun keineswegs ein Zufall. Denn die tatschliche Ausfhrung eines gorisierenden Projektes zu erzwingen, war das "conformiti..-Prinzip nur da imstande, wo es sich zugleich auf eine wirkliche, wenngleich durchaus nicht immer rein sthetisch begr ndete Parteinahme fr die Gotik sttzen konnte. Und von dieser kann, so weit wir sehen, eigentlich nur in Obcri taI ien die Rede sein. Hier, wo die neuzeitliche Baukunst weit weniger schroff als anderswo von der mittdahcrlichcn abgerckt war und sich, wenn sie sich schon von der Gorik lossagte, eher an die einheimische Romanik als an die Antike anschlo - wo bei spielsweise der an der Certosa di Pavia wiederbelebte Gedanke der Zwergt

66

Jn beiden F. llen handelt es sich um eine prinzipielle Entscheidung des Gegensatzes: Jn Mai i land mtxfcrnc Synt.x miL gotisehcm Vokabular- bei runcllcschj gotiscbc Syntax mit mo dcrncm Vokabub.r - in l\13inz und Khdrub dagegen eine Verschmelzung beider Sprach dcmcntc.

Matm orotagoo po dorechos de autor r

860

Renaissau ce und B trock

So bleibt also selbst in Oberitalien die bewute Paneinahme fr die Gotik im groen Ganzen auf einen lokalpatriotisch und sozialpolitisch voreingenommenen .Mittelstand" bcschrn.kt (genau wie die Sympathie, die die halbprotestantischen Kreise um Occhino und Valdes und spter die eigentlich gegenreformatorischen

hoben, .ehe non ano conformita con Ia forma deso edificio"76 Die antikisierenden Projekte Palladios werden mit der Begrndung verworfen, da es .parea cosa impos sibile accomodar sul todcsco questo vecchio (.vecchio" hier gleich antik), essendo unto discrcpanti uno dd altro"n, und da! seine Giebel .non hanno conformitit alcuna con esse porte"711 Und wenn Vignola den Versuch wagt, die Frage durch den

und dies fr uns besonders aufschlureich - hinter dem Grundsatz der . co n form itil": schon gegen die Entwrfe Peruzzis, obgleich unter ihnen sogar ein .goti scher" war" wird von dem Lok. lbaumeisrcr Ercole Scceadanari der Einwand er 1,

Schriftsteller vom Schlage eines Gilio der primitiven und nordischen Bildkunst ent gegenbrachten, nicht sowohl auf sthetischen, als auf religisen berzeugungen be ruh[e)"; und auch die provinziellen Reaktionre wagen es nicht, schlichtweg die grere Schnheit der .maniera rcdcsca" zu behaupten, sondern verschanzen sich teils hinter technischen und finanziellen Bedenken, teils aber hinter Piettsgrnden

rkennen wir Geblk auf mitteblterliche Kapitiile gesetzt htte"' Auf der andern Seite e deutlich, mit welchem inneren Widerstreben die auswrtigen Architekten mit der Go tik paktierten. Mir was fr Empfindungen Giulio Romano seine gotische Fassade ge zeichnet haben mag, wissen wir nicht; aber von Pcruzzi ist es kaum zweifelhaft, da seine Sympathie mehr seinen beiden antikischen Entwrfen, a.ls seinem einen .goti schen" gegolten hat, und Vignola und PaUadio haben sich, als sie gereizt wurden, mit

oben schon erwhnten Kompromientwurf zu lsen (Abb. 20), so wird ihm ent gegengehalten, da er sich in gewissen Punkten nicht nach der "volontil del primo fondatore" gerichtet habe, und da er runde Suleu auf eckige Ba.en und dorisches

74 ber die von Gilio \'Crtrttcnc Ansicht, da die primitive Kunst mehr ..Andacht" {'nthaltc, als die klassische, vgl. Schlosser, Kunstlit., S. 380. Zu vergleichen wre die be7.cichncndcrwcis:e uerung, d. die nicdcrl3ndische Kunsr dernisicn" worden ist. Erst damals kann ihm das Kranz gesims aufgesetzt worden sein, dos (der Proportion zufolgc) der Londoncr Entwurf noch in die Hhe des jetzigen Friesbandes 7.11 legen beabsic htigte, und erst damals sind auch die gotischen Fenster, deren Spitzbgen im Mauerwerk noch deutlich er kennbar sind, so umgestaltet worden, wie es von Scrlio fr solche Umbauten gefor. " . "

Diese von mehreren Siencscr LokalschriftStellern wiederholte und von der Bcccafumiforschung im allgemeinen akzeptierte Nachricht'" wird durch eine Ur

den gutfundicncn, 3bcr in stilgeschichtlicher "zichung vielfach crgnzunssbedrft.igcn Aufsat< \'Oll L. Dami, Boll. d' i\nc XIII, 1919, S. 9ff. 145 Milancsi Documenri per Ia Storia dcll'Ane Senese 111, $. 6Y. 146 Prof. i\. Warburg und Dr. Gertrud Bing sei iur die freundschaftliche Untersttzung bei der Ermittlung und Aufnahme duriickgehcn knnten - lassen sie sich kaum einordnennidn herrhren knnen, halten

('gl. P. Ktisteller injahrb. d. Pr. Kunstslgn. XXVIII, 1907, S. 207). AndcrcrsciL< besteht eine merkwrdige Formverwandtschaft mit B - cafumidu:n \\erken (vgl. etwa die untere lc 1 Nischenfigur unserer. Zeichnung mit der Fr:m des vatikanischen Noah-Frcskos; dt'fl suhen den Akt des Stiches P. 4 und se iner Hamburger Vort. ichnung - Rep. XLVIII, 1926, S. 32e mit dem vatikanischen Abraham, der von der raffadischen Vortcichnung F. J 83 in einem ,.m:micnstischcn"' Sinne abwcldu; den Kopf des Abr2h3m ;;aus dem .,ls.a2ksopfcr' des Sicnc scr Dompa"imcms mit dem Gonvat ers :lU.. dem vatikanischen Noah..Frcsko); und :iucrc 'i Grnde wrden '"8'-'" di( - freilich zunchst rein hypotheti$che - Beteiligung des jungen Bcccfumi am Schmuc:kc der Stanzen um so weniger sprechen, als er zwi.schen 1510 und 1512 in Rom gewesen zu sein scheint, und als wir gerade an den Decken der St:t.nzcn zwei weitere Sicncser Knstler hlschftigt sehen: da die Groteskenumrahmung c.lcr Dc.:ckcn bilder in der Stanza d'Eiiodoro von Peruzzi ist, ist ja seit Crowe-Covalcasclle allgemein an erkannt, :1.bcr :a.uch an der Decke der St0Ul7..4 ddb. Scgnatura schcim Sodom.t mehr und Hin gcr gcubcitct z haben als bisher angenommen wurde- (Maria TcrCS-J To.zz.i, Arte XXX. u 1927, S. 171 fl.). Es wre nicht au>gcschlossen, da BL-ccafumi sich an diese seine L.ndsleute ngcschlosscn htte, und insbesondere an BldasS3rC Pcru7 i, der damals mit Recht als der .z grte Persp493. Der Hinweis auf diese Zeichnung wird Herrn Prof. H. Kuffmann verda nkt. 15 Abbildungen bequem l i Th. Hofmann, Raffacl als Architekt, 111. and, Tafd 111, XIV. >c lockeren Kompositionen, in denen natrliche Gebilde und spielende Zierformen ohne jede Rcksicht auf die statische Mglichkeit aneinandergefgt sind, und die den Blick nur fr einige Momente der Erholung auf sich ziehen wollen, ver langen gJr nicht nach der starken Plastik und dem intensiven Ausdruck, die die schwarze Linie einer Zeichnung verleihen kann. Und vor allem ist bei unserem Ge betbuch die Farbigkeit als solche in doppelter Beziehung besonders erwnscht: ein mal steht das z.arrcrc Bunt der Federstriche trefflich zwischen dem matten Wei des Pergamentes und dem ungemein krftigen Schwarz und Rot der dicken gotischCJl Lettern, deren Ernst durch den heiteren Gegensatz gemildert und zugleich betont wird, sodann treten die farbigen Linien zu diesem tiefen Schwarz in einen erheblich feineren und freieren Kontrast, als das mit schwarzer Tinte zu erreichen gewesen wre; denn diese, im Verhltnis wr Aquarellfarbe zwar die krftigere, htte gegen die Druckerschwrze doch unbedingt zutiickstehen mssen: gerade schworze Striche, so gar wenn man sie durch Druck hergestellt htte\ wren in unserem Fall als bla und dnn empfunden worden, whrend die bunten Linien, die wegen ihrer farbigen Natur gar nicht mit dem Schwarz des Druckspicgds konkurrieren wollen, sich von vornher ein jedem Intensittsvergleich entziehen, und gerade dadurch ihrer Wirkung sicher sind.Amnt.rkunt; der l- lcrausgdx:r:

erem die in farbiger Tinte ausgefhrte Federzeichnung begeben; aber da sie in uns Falle, wo es sich um den Randschmuck eines Druckwerkes handelt, zu diesem Verzic ht sich entschlo, hat seine volle sthetische Berechtigung, weil hier alle Eigentmlichkeiten der Buntzeichnung dem Gesamteffekt in hohem Mae zugute

sten Grad von Krperlichkeit und Ausdruck erreichen k:mn, der einer Linienkunst berhaupt zu Gebote steht. Dieser Mglichkeit intensivster Wirkung also mu sich

Hiiliiu i c Bc..obachwngen an bunten Farb:uidmungcn (ints iibt:raus f fg rudubaren Kiinsrlt:rs. Wiihrnd Diirers Farbzt'ir:bmmgcn fr das Gebctbucb ds Kaisers AfaximiHan sieb sl"r.thlend gegen den S in beiden Ei1lcn die Kunst nur mehr sub spccic der ,.subjektiven Richtung'" betrachtet: eine Entwie-kJung, die der der pr tischn Kunstbung zum Manierismus durchaus und notwendig kincskcn Schpfungen des.vouicrcn zu mii>scn glaubt. Vgl. unten S. 922f. und 934 f. 39 Dazu mag sich das Bedenken gesellen, ob diese Aussprche, soweit sie in die Zeit des franz.. sis-chen Aufentha1ts gehren, wirklich die ehrliche Melnung des Knsdc-r.; wicdcrcbeo und

M:rn kann duartigc'S mit der auch in der Architektur des Hochbarock oft noch starken Vor dringcbkeit der tekwuischen Einzelglieder vergleichen. Vgl. hierzu H. Schmerbcr (Betracht. iiber d. ical. Malerei im XVll. Jahrh., 1906, S. 174ff.), der jedoch die Tendenz 1.ur .Ein>.dwer tung" wohl etw.s berschtzt und ihr gegenber die Fhigkeit gerade des Seicento Polypho oien zu schJfen und ohne Zerlcgungsversuchc zu genieen, zu gering veranschlagt. (So z. B.,

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cJ! IIIItt atikan und die Kunstan !.' gen Beminis Die Scala Regia im Y-_

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Vatikan" (damals noch Kleopatra genannt), sowie die TrajanssuJeH mit seinem Bei fall bedenkt. Da er auch die weniger berhmten Hervorbringungen der Antike schtzte, zeigen seine gelegentlichen Aussprche ber Stcke, die er in franzsischem Besitze sah", vor allem aber seine noch zu erwhnenden Auslassungen ber den Bil dungsgang angehender Knstler. Die ganz auerordentlichen Lobpreisungen ber einen dem Chaotclou selbst gehrigen Vcnustorso" (selbst Michelangdo habe diese Vollkommenheit bei weitem nicht erreicht), mgen an sich hauptschlich auf Rech nung der Hflichkeit kommen - immerhin zeigt die Berufung auf M ichclangclo, mit welchem Kritizismus e auch diesem von ihm so oft zitierten und als Zeichner be r wunderten" Meister gegenbersteht, wie er dco.n auch mchnnals mit augenschein r licher Billigung ein absprechendes Urtei.l Annibale Caraccis ber die Unnatrlichkeit

Die- wesentlich objektivistische oder, um es anders auszudrcken, klassisch-akademi sche Richtung der bernineskcn Kunstanschauungen zeigt sich zunchst in seinen kri tischen Urteilen ber knstlerische Gegenstnde. Von der antiken Skulptur schtzt er zwar die kraftvoll-hellcnistiscbcn Werke am meisten - den Pasquino, den bclvcdcri schen Torso, den Laokoon'0 -, aber es ist bezeichnend, da er am Pasquino nicht etwa den starken Ausdruck, sondern die fr den Kenner des .disegno" verstiindlichc Schnheit rhmt, und da er der malerischen Laokoongruppe den plastisch empfun denen Torso als .groartiger" vorzieht", wie er denn auch z. B. den borghcsischcn Fechter", ja rein klassizistische Werke, etwa den Antinous" oder gar die Ariadne des

des Christus in der Minerva referiert'' und selber hinzufgt: Michelangclo sei einnicht. vjelmehr dem

nen machn mchten. Allcln wenn B ernin i zum Schmerz seiner Freunde und zur forcudc,

vic der Michcl>ngelofeind Frean de Chambr3y tonangebend waren, erhebliche Konzessio seiner Gegner (s. etwa Ch. Pcrrault, Memoires dc nu vic, 1669 cd. Bonoclon, Paris 1908,,

Gest:hmck

des franzsischen Hofes,

an

dem puritani.-.chc Klassiz.isten

s Taddn der ihm vorgdhrtcn franzsischen Kunsrwcrkc unbeliebt. m:ldltc so i t nicht anzu nehmen. da er in rein theoretischen Fragen wo abweichende! Ansichten vid weni ger bscs Blut machen konnten. 'Zur Vcrlcugnung seiner ben.cugun gcn geneigt gcwC"Scn wre. Auch,

verpnten Michdangein komprominicnc, sondern vor allem auch durch rcksichtsloses

S.62f., sowie Mirot, a.a.O., S. 22Jf.), ;ich bei Hofe nicht nur durch dauernd es Zitieren des

. 41 Chant., a a. 0..

40 Chant, S. 26.

gentlieh nur aus Hflichkejt lol>te. Als . sich z. . einige Lobsprche ber Vcrsaillcs abringt, bemerkt er (S. 191 ) ausdrcklich, .avcc des parolcs t1.1diecs il a eherehe de Je louer.. S. 26. Vgl. aldinucci, a- a 0., S.

ist zu bemerk n, da Chantelou durchaus ein Gefhl dafr besessen hat, wenn Bemini gclc e

gruppe aus selbstndigen Gestalten der maler ischen Tendenz des Barock eigentlich entgegen

139. Der Farnesische Stier, der als Frrf erwhnt werden, dall hier dor Unterredner Bcminis die Bemerkung mad11, es scj verwcrRiuhschc

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928

Retlaissancc und Barock

o Abb. 14. Pr jekt fr die Erwcicerung des Peccrsplatzcs von Carlo Font.'lna

(1694)

berlieferung, die man nariirlich ohne weiteres auf christliche Erlser- und Heiligen darstellungen bertrug - nicht nur theoretisch sich z eigen gemacht, sondern auch u praktisch als fr sich verbindlich anerkannt: er erzhlt von einer Christusfigur, die er

fters begegnende antike berlieferung, wonach die Gttergestalten nach unter schiedlichen, jeweils gcnau festgesetzten Maen zu proportionieren seien - eine

"richtig", d. h. mit neun Kopflngen, proportioniert und durch wiederholte Nach messung des Antinous und des belvedensehen Apoll auf diese Richtgkeit hin geprft i habe, die aber trotzdem durch bestimmte Umstnde zu einer falschen Wirkung ge bracht worden sei; ci11 Bacchus oder ein Merkur mten dagegen andere Mae haben95. Vor allem aber gibt er eine Definition des Schnheitsbegriff s selbst, die e ebensowohl bei Alberti oder Luca Pacioli stehen knnte: .Das Schne in allen Din gen, ebenso wie in der Architektur, besteht in der Proportion; man kann sagen, da die Proport:ion ein Teil der Gttlichkeit ist, weil sie ih ren Ursprung im Krper

Adams hat, der nicht nur durch Gones geschaffen wurde"96

Hiinde, sondern auch nach seinem

Ebenbild

der Italiener gegenber allen anderen kunstbenden Nationen auf ihren Antikenbesitz zurckfhrt97, und wenn er in seiner groen Akademierede vomberlegenheit

So ist es denn in nerhalb seiner Gesamtanschauungen nur konsequent, wenn er die

95 Chant., S. t14. Vgl. etwa Lomazzo, Trattato VI, 3, S. 286ff. 96 Chant., S. 13. Vgl. cbcndon S. 156: .Cosa ehe ha proporzionc c bclla". 97 Chant. S. 147, ISS. Bc:rnini geht sogar so weit, ein frmliches Ausfuhrverbot fr antike,

Kunstwerke vorzuschlagen.

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Die Scala Re i im Vatikau mzd dit Kunstanscb.1u1mgen Benzinis sa

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Bcgriif geprgt, der unserm egri.ff der .malerischen Plastik" en[l;pricht '"', nur da der Begriff des Malerischen, worber man sich klar sein mu, hier noch nicht einen knstlerischen Darstcllungmodus, eine grundsnlich subjektivistische Auffassungs s weise der knstlerischen Objekte bezeichnet, sondern, wrtlicher, eine berwindung der ge enstndlichen, vor allem aber der technischen Grenzen, die der Skulptur der -g Malerei gegenber gesetzt zu sein scheinen. Man mu einen solchen Ausspruch zu sammenhalten mit uerungen wie: .die Skulptur zeigt, was ist, die Malerei, was nicht ist" GJ, oder vor allem mit einem so charakteristischen Diktum wie dem fol genden: .ln der Malerei untersttzt die Materie den Knstler, dem Bildhauer wider setzt sie sich" 101 Aber auch so offenbart sich in Bcminis Antwort ein Gefhl dafr, da seine Plastik die Stilgrenzen der antiken Skulptur - und damit, von uns aus ge sehen , die der objektivistischen Kunsrauffgia im Vatikan und die Kunstsmmlungcn Bcrninis, Jahrb.d.Prcull. Kunstsamml. 1919, XL, S. 240ff. {bier S. S'Jlff. 1md S. 9J6Jf.J.

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RcnaiuaJtCC und Barock

Werk mit grol!em Eifer in Angriff genommen hatte, entdeckte man - als die bis oben durchgehenden Mauern an einigen St.cllen durehbrochen wurden -, da die Masse der Trennungswand zwischen den Treppen und der Scala Rcgia inwendig ganz voll

deutlicher ausgedrckt werden, daf! der Raum auch in seiner sc.idichcn Entwicklung durch die vorhandenen Mauern bcsrinunt gewesen sei. 2. T=ontana teilt mit, da die Errichtung jener umfangreichen Sriitzkonstruktio ncn aus denen Voll die Absicht einer Wandverl egung folgert, eine bloe Notma nahme gewesen sei, die - an und fr sich gar nicht in Aussicht genommen - ersr durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall erzwungen wurde: .Nachdem man das,

I. Es wird (ganz abgesehen von der verhltnism.ig allgemeinen Angabe, da .dieselben Mauern", die die neue Treppe einschlssen, bereits die alte beherbergt htten) klar ausgesagt, d ernini bei seinem Umbau in doppeleer Weise beschrnkt gewesen sei: einmal durch die Gebudeteilc, .die sich ber der Scala befnden" - so dann durch .jene alten Mauem, die sie auch jetzt noch um gben .' Es kann kaum"

nehmens besonders stark zu unterstreichen bemht ist), sondern es werden darber hinaus zwei positive Tatsachen mitgeteilt, die, wenn sie zutrfen, den Gedanken an eine solche Wand,crlegung von vornherein ausschlieen wiirdcn.

mit Bcrn.ini zeichnerisch aufgenommen), gibt in seiner groen Mont>graphic ber die Pctcrskirchc1 einen ungemein eingehenden Bericht ber die Baugeschichte der Scala Regia, und in diesem Bericht wird n.icht nur nichts von einer Translation der linken Seitenwand erwhnt (obgleich Fontana gerade die konstruktive Khnheit des Unter

gehenden Mauern" nicht eine Beseitigung der ganzen linken Seitenwand gemeint sein kann, denn die.e wrde ja (von der Angabe .,in aleuni parti" ganz abgesehen) jene ge waltigen Substruktionen, die laut Fontana erst nach dem fraglichen Eingriff und mir Rcksicht auf seine unerwarretcn Folgen errichtet wurden, bereits vorausgesetzt haben. Es kann sich also nur um einen (an und fr sich scheinbar gefahrlosen) Eingriff in die Quermauern handeln, der in der Tat auf jeden Fall notwendig war, damit die ncuen hheren Tonnengewlbe eingezogen werden konmens. Die schadhafte Tren nungswand zwischen den Treppenlufen und der Scala Rcgia wre dann die starke 3 II Tcmpio Vaticano, 1694, S. 233H. 4 ..... gl'impcdimcntl a cagione di quci muri vtcchi. ehe di prcscntc circondano anch Ja sc:ala -ss jj, nuov>, c di qucgli Edifi1 ehe sono sopre di < >". Spter heit dann noch, dall der Be schJucr zu Jcr Mt:ioung verleite[ werde, es seien zuerst die lv-lauern angnncn, ohne da er durch s ri jene ..Par"ti beengt worden w:irc. 5 Vsl. .tuch Vo, a. " 0., S. 10.

Trm mern war, man sah daher den vlligen Verlust. dieser Mauer und damit den Untergang der Gebude selbst voraus. I n dieser Lage ver wand t e der sorgsame Meister seine gnze K u n s t darauf, e i n Verfahren z u ersin nen, durch das er sich gegen ein so furchtbares Unglck sichern und schtzen knnte, nmlic.h vermittels sinnreicher Substruktionen aus stark arm i ertem Ba l kenwerk . .. Es liegt auf der Hand, da mit dem partiellen Durchbruch der .bis oben durch"

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Zu H ttnn Vo ., Bernini alt Architekt .an dr Stala Rt..gia* j}_;_

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Westwand der Scala, die diese in der Tat vom Oberlauf der Treppe scheidet, und da, wo sie vom Treppengewlbe durchschnitten wird, mit dem Fuboden der Scala und dem obersten Treppenpodest zu einem einzigen Massiv verschmilzt. Diese .mura glia" . also htte sich unerwarteterweise als baufllig erwiesen, und einzig dieser Umstand htte, nach Fontana, die Errichtung jener Substruktionen ntig gemacht, die ine also, ihm zufolge, gar ke von Anfang an ins Auge gefate Maregel gewesen wre, sondern eine Rettungsaktion gegenber einem .inopinatus casus". Es ist unter diesen Umstnden entschuldbar, wenn die bisherige Forschung gestrzt auf einen so ausfhrlichen Bericht eines fachmnnisch gebildeten Augcnzcu gcn - die von Voll angefhrten Gegengrnde, insonderheit das Zeugnis der alten Auf nahmcplne, nicht gengend beachtet hat. Ja, man darf sagen, dal es so, wie die Sache gegenwrtig steht, bei dem .bescheidenen Non liquet" sein Bewenden bchahen mte. Denn wenn ein so gewichtiger Zeuge wie Fom;na sich giehcn sich eindeutig auf den der wandelbaren, stoffgcbundcncn, passi ven und bcnnti gcn Sin.nenlicbe als E!,XoJ>. !10\1110;. h'f(!(I]TIY.o;. iil-o;. hto,; gegenberstehenden .Amor Dlvinus" oder .Cclcsti.s" Platos. Auch diesen l iinwcis auf Proklos verdankt der Alc1atKom mentatordem Gyraldus. der aber zu vorsichtig ist, um sich die durch Proklos venneint ich l beglaubigte Auffassung einfach zu eigen zu machen. 10 Aleiati, a. a. 0., S. 397ff. I I Vgl. C. C. Malvasia, Fclsina Piuricc, 1678, I, S. 437f. 12 G. P. Bellori, Vite ... 1672, in dem P isaner Neudruck von 1821, S. 53..

9 Alciati, Emblcmata, a. a. 0., S. 395. Die bc[fcffenden l'roklosstellen, die mir Herr Dr. Weil

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Der gefesselte Eros,

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Abb. 5. Cuido Rcni, Skiz.zc zu dem Pi"'ncr Bilde. Princcton Slg. Mathcr,

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.himmlischen" Liebe gegen die .irdische" von keiner Erheblichkeit. Was aber den Darstellungstypus betrifft, so sind die Eros-Anteros-Bilder der Alciat-lllustrationen und Renis von denjenigen Darstellungen, die uns als Kampf zwischen .Amore celeste e profano" beglaubigt sind, charakteriStisch verschieden und in der Tat aus anderen Voraussetzungen abzuleiten. Kornpositionen wie die beiden Hochbilder Giovanni Bagliones", in denen der siegreiche .Amore cclcstc" den in fast gleicher Gre darge stellten "Amore profano" zu Boden geworfen hat und wm Tadesstreich gegen ihn ausholt, sind, typengeschichtlich betrachtet, als letzte Abkmmlinge der Psycbo macbicn" aufzufassen, denen, als allgemeinster Fall des Streites zwischen Gutern und Bsem, auch die Darstellung des kmpfenden Michael zuzurechnen ist, und die, wo der Konflikt auf das Gebiet des Erot ischen verlegt ist, den einfachen Gegensat'.< zwis chen Keuschheit und Unkeuschhe (Amor und "Castitas", Venus und Minerva it oder dergl.) schon frh durch die minder handgreifliche Unterscheidung zwischen .Hherer" und .Niederer" Liebe ersetzt zeigen, wie er z. B. in der beliebten . Zchti gung ci11cs Satyrs durch Amor"16 zum Ausdruck kommt. Alle diese .psychomachi schen" Darstellungen geben die Auseinandersetzung der feindlichen Mchte als den dramatisch-aktuellen Vollzug einer Kampfhandlung, die die physische Existenz der Gegner .ex nunc" und gleichsam in der Wurzel bedroht. Die Darstellungen der Alciat-lllustratoren und das Pisaner Bild Guido Rcnis dagegen zeigen weniger den

15 Vgl. H. Voss Jahrb. d. Prcuss. Kurtstslgn. XLIV, 1923, S. 92ff. Malvosia, a.a.O., S. 499 er whnt auch ein Bild gleichen Inhalu von Agostino Cartacci. i 16 Vgl. statt aller anderer Beispiele die schne, dem Correggio zugeschrebene Zeichnung in Windsor, Abb. A. Vcnturi Corrc-ggio, dtsch. 1926, Taf. 175., ,

Dergefcmltc Eros

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Abb. 7. Girolamo di cnvcnUlo, Kcu>chhci."Alk-goric. Ncw ll"cn,Jancs Collcclion

Abb. 8.

Wl. \VI. Ry!.nd nach Angeliea Kauffmann, Der gefessehe Cupido

das beredtcste Zeugnis fr die Kraft des Urngcstaltungswillcns, dem die u rsprngliche Vorstellung vom Wensrreir zwischen Liebe und Gegenliebe sich hane unterwerfen mssen. Nur freilich bleibt es bezeichnend, da eben der plawn ische Anteros .Amor divinus", und nicht mehr eine christliche Tugend, es ist, der das Urteil an dem kleinen Vertreter des .Amor terrenus" vollzieht - da d.ie Keuschheit oicht mehr durch e religise, sondern durch eine ethisch-philosophische Macht crt:wungen ine wird.=

H.

Durch diese berlegungen sind wir an das Problem der Rtmbrandtitdm .Danac von /636 herangefhrt worden (Abb. 9)10, deren Interpretation bisher hauptschlich an eben dem Motiv gescheitert ist, das wir im Vorigen betrachteten: an dem Motiv Rundbild Angdica Kouffmanns, auf dem der gefesselte Amor (Motiv ''011 Reni bernom men!) von z.wei reizenden junge-n Damen mit Blumen bombardi rt wird, w:ihrcnd eine drittee

seinen ogr:n cmzwcizubrcchcn versucht (Abb. S), oder in einer Ra ierungJoh. Hcinr. Ram d bergs, w drei kleine Mdchen einen Amorino mit Ro:;cnkcncn binden. - In einem von Mar o eenay de Ghuy gestochenen Bilde Lebruns wird das Motiv sogar fr ein bildlichcs Hoch zcitskarmcn nutzbar gemacht: Mincrva und eine Personifikation der Unschuld beschneiden dem gefesselten Amor die f'lgd, und Hymen schwingt uiumphiercnd scint' Hochz.eiu fackel. 20 Zur Literatur seien nur >ngcfhrt: \VI. Nicmeyer. Rcp. f. Kunstwiss. Lll, 1931, S.5Sff. (Deu tung auf Hagar, wobei die Amme S.rah sein uod der Cupido auf die Unfruchtbarkeit der lcgicimcn Ehe Abrahams deuten wrde); W. Wcisbach. Rembrandt, 1926, S. 242ff. (Deuwng auf Venus, wobei der Cupido auf die Fesselung des gttlichen Liebespaares durch Vulkon

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Hagar in der Erwartung des Abraham, Bathseba in der Erwartung des David, Vcnus in der Erwartung des Mars. Man hat den Ausdruck unverhcbhcr starker Freudigkeit der, eben weil er so unvcrhchlt und stark ist, das Rembrandtische Bild zu der im hheren Sinne unschuldsvollsten Schilderung der Liebe macht, von der die Kunst geschichte wei - sogar so weit verkennen knnen, da man die Darstellung auf Mes salina deutete, und es ist fast verwunderlich, da nicht auch Semclc, Abigail, Frau Potiphar, die schne Hclena oder Dido in Vorschlag gebracht worden sind. Ich will mich nun nicht damit auOraltcn, die Interpretationen, die ich fr un zutreffend halte, im einzelnen zu widerlegen {zumal die Kritik, die die bisherigen Versuche an einander ben, im Negativen immer berzeugend ist.), vielmehr sogleich diejenige Deutung zu begrnden versuchen, die wohl nur deshalb noch keine ent schiedenere Vertretung gefunden hat, weil sie die lteste und dem allgemeinen Be wutsein immer noch .selbstverstndlichste" ist: die Deutung auf Danae. Die qucllenmlige berl.icferung gibt uns drei Aussagen an die Hand, die auf das Leningrader Bild bezogen werden knnren: 1) in dem am 25. 6. 1644 von zwei Vorstehern der Amsterdamer Lukasgilde taxierten Nachla eines gewissen Jan d'Ab lijn begegnet .Een grootc sehildcrij van Venus van Rcmbrandt"11; 2) in Rembrandts Inventar von 1656 findet sich unter Nr. 347 .Een groot stuck synde Danac, ohne dag aber der Autorname genannt wrde2'; 3) in dem am 16. 10. 1660 von den Rem brandtschlem Jurian Ovcns und Ferdinand .Bol geschtzten Nachla der Witwe eines gewissen Eduart van Domsclaer wird unter fast identischer Formulierung, .Ecn groot Sruck Schilderij ,.an Rembrandr van Rijn syndc cen Danc" aufgefhrt21 Nun knnen sich diese drei Angaben entweder alle auf dasselbe Bild beziehen {das Rem brandt zwischen 1644 und 1656 sehr wohl zurckerworben haben knnte), oder auf drei verschiedene, von denen mindestens l.wci verloren gegangen sein mfiten, oder endlich auf zwei, wofern man annimmt, da enrw(.-dcr nur die .Ablijnsche Vcnus" mit dem .Invcnurbild", oder nur das .,lnventarbild" mit der .Domselaerschcn Da nac", oder endlich nur die .Domsclaerschc Danae" mit der .Ablijnschcn Venus" identisch s i. Wie immer man sich zu diesem Exempel aus der Kombinatorik st.ellcn e mge: je denfalls haben wir an zeitgenssischen Benennungen, die sich auf das Lcnin grader Bi.ld beziehen knnen (denn die drei berlieferten Angaben smtlich aus zuschalten, liegt bei der Seltenheit entsprechender Stcke in Rembrandts CEuvre keine Veranlassung vor), nur zwei, "Vcnuf., und HDanae. Da abe-r der Name "Danac.w das Zeugnis zwcier unmittelbarer Rembrandtschler, der Name Venus" hingegen nur das Zeugnis zweier dem Knstler fernstehender und kaum besonders urteilsfhiger Zunftmeister fr sich hat - woraus :rum mindesten das eine folgt, da es tatchlich s eine Rembrandtische Danac, und zwar i.n groem Format, gegeben haben mu -, und

21 Vgl. A. llrcdius in Oud Holland XXVII[, 1910, S. 9, besonders betont von Wcishach, a. a. 0. 22 Vgl. Hofm.Jc dc Gmm, Die Urkunden iiber Rembrandr, I'Xl6, Nr. 169. 23 Vg1. A. Brcdius in Oud Holland XXVII, 1908, S. 222 und C. Neumnn, Rembrandt, 3. Au. 1922, S. 444 (dic.sc Notiz chicn Neumann mit Re-ein wichtig genug. um i1m zur Aufgabe der frher VOll ihm mangels einer besseren aku-ptieru.n Ocunmg auf sr3h in der Erwartung des Tobias zu ,cranbsscn}...

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RuaiJsance und Barock

da ferner, wenn man das Domselaersehe Bi.ld mit dem Ablijnschen identifi.zicrcn will, die irrtmliche Deutung einer Danac auf Vcnus wahrscheinlicher ist als der um gekehrte Vorgang (ist doch sogar Correggios Danae von Vasari als Venus beschrieben worden)", so ist der Name Darac der quellenmig best begrndete, wie er denn auch dem Bilde seit dessen Wiederaufrauchen uttablslich anhaftet. Was har nun eigendich die Zweifel an dieser altberlieferten Deutung veranlat? Erstens das Fehlen des goldenen Regens; zweiteilS das eingangs erwhnte Motiv des gefesselten Cupido, das i n der Tat von denen, die an der Danac-Deutung fcsrhalren, ebensowenig einleuchtend erklrt werden konnte, wie von den Vertretern anderer Auslegungen"; drittens der vermeindich mehr horizontal als in di" Hhe gerichtete Blick der Liegenden. Das dritte Gegenargument ist am Ieichtesren zu entkrften; denn wenngleich der Kopf nicht eben sr..uk gehoben ist (immerhin nicht wesendich schwcher als in den Danaedarstelluogen Annibale Carraccis und Tizians, ganz zu geschweigen von Cor reggio, der seine Danae wie traumbefangen niederblicken lt), so richtet sich doch der Blick eindeutig empor, dem durch den zuriickgcschlogcncn Vorhang cindri.ngcn den Lichtghmz entgegen; da.s Auge folgt der aufgehobenen Hand, die die Erscheinung zugleich begrt und ihre blendende Helligkeit abwehrt. Dieser Lichtglanz nun damit bcriihren wir den zweiten Einwand, whrend der dritte, die angebliche Un erklrlichkeit des Cupido, erst im Schluabschnitt dieses Aufsatzes zur Sprache kommen soll - ist zwar gewi kein eigentlicher goldener Regen, wohl aber kndet er die Erscheinung der Gottheit als solche an, und man darf sagen, da er- dem nugi schen Leuchten vergleichbar, das von den Christusgestalten der Rembrandtischen Ernmausbilder ausgeht - das Wunder in wunderbarerer Weise vergegenwrtigt, als wenn es sich in strmender oder klingender Wirklichkeit vollzge. Auch Correggio zeigt weniger den goldenen Regen als die zarttonige Wolke, an deren Saum die honig farbenen Tropfen sich allererst sammeln und langsam herabzutrufeln beginnen artung des Wunders. Und wenn nun Rcmbrandt, weniger das Geschehen als die Erw die Spanne zwischen Vorbereitung und Erfllung noch weiter dehnend, und dadurch den Augenblick der Erwartung um so strker erfllend, nicht einmal mehr die Wolke htte sehen lassen, sondern nur den berirdischen Glanz., dt. tres, 1834), Nr. 110: .Ad hibcns pudlas cu.stodcs'".y

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Rcnais.sancc und Barock

Abb. 13. Danae als Allegorie der .Pudiciti" Rom, Bibi. Vat., cod. pal. lu. 1066

Jan Gossac-n, O:nae Mnchen, Pinakothek, cbt. 1527

Abb. 1.

Verwandelt der .Recueil des Histoires dc Troyc" die Danaesage in das galante Abcn teuer eines ritterlichen Frsten, und zielt die Auslegung des .Fulgcntius Mctaforalis" mehr auf ihren moralischen Begriffsgehalt als auf ihren mythischen Wcsenskern, so ist es das Wunder des Zeugungsvorganges als solchen, das fr den Verfasser und die

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Der gtfemlte Eros. .- - . V-

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Abb. 16. Holzschnitt aus dem R -gcnsburger Druck des Joh. Eysscnl10th von 1471c

Abb. 15. OJ.nae ls Praefigur:uion der jungfrulichen b.ria. Auschnitt aus einem TaFIbildc des 15.Jahrh. Schlcih im Gcmldcgall.c,

lllustratorcn des .Def ensorium i11'violatae virginitatis wesentlich war: hier, wo es sich darum handelte, sowohl der antiken Sage als dem ganzen Reiche der Natur Be lege fr die Mglich keit jungfrulicher Empfngnis abzugewinnen , wird Danac zu einer Praefiguration der Maria, denn, wie e in den begleitenden Texten hcillt, .Si s Danac auri pluvia pracgnans a Jovc claret, Cur spiritu sancto gravida Virgo non ge neraret?" ". Daher ist es in diesem Fall das A nliegen der Illustratoren, das \Vunder gescbelmis als solcbcs dem Beschauer nahezubringen. Sei es, da Danae, der berliefe rung zuwider, in freier Landschaft auf einem Lager ruht (Abb. 15), sei es, da sie wie eine hl. Katharina oder Barbara in einem vergitterten Gefngnis sit t (Abb. 16): es soll z nichts anderes eindrcklich gemacht werden, als da auch hier eine Jungfrau auf gtt liche und unbegreifliche Weise fruchtbar wird; und das Mittel, das dieses Wunder am klarsten herauszustellen schien, war eben das, zu dem zweihundert Jahre spter Rcm brandt greifen sollte: die Ersetzung des metalli scbm Regens durcb eine Licbrersclui mmg, nur da sie in diesen primitven Darstellungen nicht als visionrer Glanz erlebt i wird, sondern von den Gestirnen des Himmels ausgeht. IV. In der iralieniscben Renaissance die einerseits ihrer ganzen Struktur nach an Dar stellungen wie die vorerwhnten nicht anknpfen konnte, der aber andererseits auch keine antiken Gestaltungcn des Danaemythos bekannt waren hat sich eine feste-

35 Dazu als Qudlcnangabc AuguStinus XX 0, dc Civi. Dei, ca. VII (irrtmlich fr II, 7, vgl. Anrn. 27) ct Tcrcntius in Eunucho ct Ovidius Mctamorphoscos'"..

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Dor f g melu Eros e

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Abb. 17.

Wien, Gobelinsammlung (Ausschnitt)

Danae, Teppich nach l'nnmiccio

Abb. 18.Dan=tc

Tizian,

Noapcl, Mus.

Nazionalc, um I S4S

Lcda" (und der mit dieser so verwandten Notte) entwickelt ist, und in deren wie aus

Trumen emportauchenden Blick wir etwas vom Ausdruck des Michclangclcskcn Adam zu spren glauben. Und da selbst Tizian sich hier so stark den Schpfungen anderer, und wenn es auch Praxiteles und Michelangelo waren, verpflichten mute, zeigt wohl besonders klar die anfngliche Traditionslosigkcit des Danaethcmas. Ganz neu jedoch, und individuell tizianisch, ist die Behandlung der Wolke, aus der sich der metallische Regen ergiet. Sie ist nicht mehr das stille Gef, in dem die goldenen Tropfen sich sammeln, sondern sie ist zu einer zucke111lert Flammenerscheinung geworden. Wenngleich nun Tizian nichts ferner lag, als durch diese Wendung zum .Luminaristischen" den mythisch-konkreten Vorgang .entmater ialisieren" zu wollen (dazu ist die ErscheiJlung viel zu dramatisch, und eine vor kurem entdeckte sptere Werkstattkopie zeigt gar inmitten der explosiven Entladung das Antlitz Jupiters), so knnen wir doch voraussehen, da dies Hinberspielen des Motivs in das Gebiet der .Lichteffekte" eine Entwicklung einleiten konnte, die schlielich zur vlligen Aus schaltung der eigentlichen Wolke zu fhren vermochte.

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Danac

Abb. 19. Tizi>n,Madrid, Prado, 1554

Neun Jahre spter hat Tizian die erste Komposition bekanntlich in mehreren Varianten wiederholt, bzw. wiederholen lassen, und in diesen spteren Repliken (denn in der Hauptfigur sind die Vernderungen vergleichsweise unwesentlich) ist nun der Cupido durch die profanere Gcsralt einer - brigens auch bei Primaticcio fi{;uricrndcn betagten Amme verdrn t (Abb. 19), die aber, wie immer wieder be g tont werden mu, nicht sowohl einer genrehaft-satirischen Laune des Knstlers ihr Dasein verdankt, als vielmehr durch den erst jetzt dem Zeitbewutsein wieder nher gerckten (und, soviel ist richtig, einer .weltlichen" Auslegung der Szene weit ent gegenkommenden) Bericht der Apolloniosseholicn ausdrcklich gefordert war. Sie wird daher von nun an zu einer fast unentbehrlichen Begleiterin der Oanae, doch werden wir es im Hinblick auf Rembrandts .Lcningrader Bild zur Kenntnis nehmen, da es gerade die sptere Tiziankomposition ist, die - wenigstens in den Exemplaren von Leningrad und Madrid - das Schaffnerinnenamt" der Alten durch Beutel und Scbliissel beglaubigt. Die weitere Entwicklung verluft nun, im Groen gesehen, so, da diese beiden Tiziankornpositionen (und zwar bald die eine, bald die andere, bald beide zugleich) in Einzelzgen aufgegriffen werden, da aber die michclangcleskc Khnheit des Haupt motivs nicht mehr ertragen wird, so da die Gesaltung der Danae selbst wieder zum Venusrypus" :wrcklenkt. Und zwar geschieht das in der Regel in mehr oder minder offenkundigem Anschlu an das groe Vorbild, das Tizian selbst in seiner oft wieder hohen ,.Ruhenden Vcnus" geschaffen hatte {Abb. 20). So haben Bloernaert (Abb. 21 ), Golrzius {Abb. 22) und Wtewael diese .,Ruhende Vcnus" unter mehr odc minder tiefgreifender Umstilisierung ins .Manieristische" zum Teil aber auch unter Wiederherstellung des genrehaft-interieurmigen Charak ters, wie er der Kunst des Nordens von Haus aus gem war - mit der alten Amme der spteren Tiziankomposition verbunden (whrend das Motiv des wie auf einemc t

Malenal protcg:do por do cchos dc aut

Der g31 kan nte jedoch nur die"'

dem Datum des 28. 12. 1920 ''ersehen, lag es einem seincruit in der Aula der Hoch.ldc jedoch .ent.historisicn worden (ricf von Wollgang Stcchow an G. P. vom 22. Juli.

172).]

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Rcnasana: und Barock

Zu dieser imellekruellen Sympathie fr die Juden, die auch auerhalb Hollands in gewissen Kreisen sich gehend 1.u machen begann trat insbesondere in Holland noch die politische, die religise und die iisthein Ncflc l'austo Sozzini ( 1537/39-1604).]

riv11los perseqtmlfts (Episwla, XXVIfl, 5). Prof. Till meint ferner, da man im Luthcr-Zitar Uyu\'o; Jaschen sun des s. E. nicht pas.senden Lromis das Wort lagHnis (von g-riechisch A . mit engem Hals und weitem B.lUch) konjizieren solle (Drief an H. J. S