Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003...

102
Andreas Hallermann Markus Kaim Parteien im internationalen Vergleich

Transcript of Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003...

Page 1: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Andreas Hallermann Markus Kaim

Parteienim

internationalenVergleich

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 1

Page 2: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Dr. Andreas Hallermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für deutsche Regierungssysteme im europäischen Ver-gleich der Friedrich-Schiller-Universität Jena.Kontakt: [email protected]

Dr. Markus Kaim ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fürAußenpolitik Internationale Beziehungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena.Kontakt: [email protected]

Landeszentrale für politische Bildung ThüringenPostfach 10 21 51, 99021 Erfurt Regierungsstraße 73, 99084 Erfurtwww.thueringen.de/de/lzt2003Satz und Druck: Druckerei Sömmerda GmbHISBN 3-931426-78-5

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 2

Page 3: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Begriffserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2. Zum Wesen von politischen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.1 Die Entstehung politischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.2 Parteien und politisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.3 Wahlrecht und Parteiensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.4 Aufgaben und Funktionen von Parteien . . . . . . . . . . . . . . 16

2.5 Parteitypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3. Parteien im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.1 Parteien in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.2 Parteien in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3.3 Parteien in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

3.4 Parteien in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

3.5 Parteien mit Sonderstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

3

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 3

Page 4: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 4

Page 5: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

5

1. Einleitung und Begriffsklärung

In demokratischen Staaten hat die Beteiligung der Bürger an derPolitik eine zentrale Bedeutung. Diese Beteiligung kann ganz un-terschiedlicher Natur sein; die Bürger können mehr oder wenigerdirekten Einfluss auf die Politik eines Staates nehmen. Nur inkleinen Gemeinschaften können alle politischen Entscheidungendirekt von allen Bürgern getroffen werden. Sobald ein Gemein-wesen eine gewisse Größe, sei es von der Anzahl der Bürger odervom Staatsgebiet her, überschritten hat, wird eine Repräsentationder Bürger notwendig. Das Organ, in dem die politischen Ent-scheidungen getroffen werden, kann also nicht mehr von allenBürgern unmittelbar gebildet werden. Es ist vielmehr ein Organ, beidem die Bürger durch Beauftragte vertreten werden. Eine solcheVertretung nennt man dann Repräsentation. Repräsentation ist nacheiner klassischen Definition Ernst Fraenkels „die rechtlich auto-risierte Ausübung von Herrschaftsfunktionen durch verfassungs-mäßig bestellte, im Namen des Volkes, jedoch ohne dessen bin-denden Auftrag handelnde Organe eines Staates oder sonstigenTrägers öffentlicher Gewalt, die ihre Autorität mittelbar oder un-mittelbar vom Volk ableiten und mit dem Anspruch legitimieren,dem Gesamtinteresse des Volkes zu dienen und dergestalt dessenwahren Willen zu vollziehen“. Die Repräsentanten werden vomVolk autorisiert (ermächtigt) in ihrem Namen zu handeln und ihre(politischen) Interessen zu vertreten. In Demokratien werden dieseVolksvertreter durch freie Wahlen bestimmt. Die Bürger könnendurch diese Wahlen entscheiden, welche Personen sie für einevorher festgelegte Zeit vertreten sollen. Und genau an dieser Stellekommen die Parteien ins Spiel.

In Parteien haben sich Bürger zusammengefunden, die gemein-same Vorstellungen über Politik und über die Zukunft des Staatesteilen. Parteien sind nach einer Definition von Niclauß „dau-erhafte Vereinigungen von Bürgern, die bestrebt sind, auf demWeg über Wahlen die politisch ausschlaggebenden Positionen des

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 5

Page 6: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

6

Staates mit ihrer Führungsgarnitur zu besetzen, um ihre Vor-stellungen zur Lösung der anstehenden Probleme zu verwirk-lichen“. Diese gemeinsamen Vorstellungen wollen sie durchset-zen, daher stellen sie sich zur Wahl. Im Falle eines Wahlsiegs sind esdie Vertreter dieser Partei, die die entscheidenden Positionen desStaates besetzen und versuchen, ihre Vorstellungen zur Lösungder anstehenden Probleme zu verwirklichen.

Dadurch, dass Parteien in Demokratien an der Regierungsmachtteilhaben und politische Ämter mit ihrem Personal besetzen wollen,unterscheiden sie sich von den Verbänden. Verbände versuchenlediglich, die Regierungsmacht in ihrem Sinne zu beeinflussen. VonBürgerinitiativen unterscheiden sich Parteien vor allem in zweiPunkten. Zum einen nehmen Bürgerinitiativen in der Regel nichtan Wahlen teil und streben keine politischen Ämter an. Zum an-deren sind Bürgerinitiativen sehr häufig auf ein bestimmtesThema festgelegt, während Parteien in ihren Programmen allewesentlichen Politikfelder abdecken. Allerdings kann auch auseiner Reihe von Bürgerinitiativen oder Bürgerbewegungen einepolitische Partei werden, wie die Beispiele der Grünen oder vonBündnis 90 zeigen.

Selbstverständlich können sich auch parteilose Bürger zur Wahlstellen, einige tun das auch immer wieder. Allerdings haben in derRegel die Kandidaten bessere Wahlchancen, die die Unterstützungeiner Partei haben. Das liegt vor allem daran, dass die Zugehörigkeitzu einer Partei den Wahlbürgern schnell einen Eindruck davon gibt,für welches politische Programm der Kandidat steht. Denn ein Pro-gramm zu haben, ist für eine Partei eine der Grundlagen, es ist Aus-druck der gemeinsamen Vorstellungen über Politik. Ein weiterer Vor-teil für den parteigebundenen Kandidaten ist die Organisation derPartei. Viele Bürger wollen zum Sieg einer bestimmten Partei beitra-gen, ohne selbst der Kandidat dieser Partei zu sein. Diese Bürger, obsie Mitglieder der Partei sind oder nicht, unterstützen den Kandida-ten der Partei im Wahlkampf. Daher kann der parteigebundene Kandi-dat einen wirkungsvolleren Wahlkampf betreiben als der parteilose.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 6

Page 7: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

7

Die Rolle von politischen Parteien unterscheidet sich aber deutlich,je nachdem wie demokratische Staaten verfasst sind und wie dasjeweilige politische System konkret ausgestaltet ist. In der Schweizkönnen die Bürger beispielsweise sehr häufig in Volksab-stimmungen über politische Themen entscheiden. Das hat eineschwächere Position der politischen Parteien zur Folge. In der Bun-desrepublik hingegen sind solche direkt-demokratischen Elementeselten. Der Wille des Volkes wird hier in erster Linie durch Wahlenvon Volksvertretern zum Ausdruck gebracht.

Auch die Organisation und die Stellung des Parlamentes, in das dieVolksvertreter gewählt werden, hat entscheidende Auswirkungenauf die Parteien. In parlamentarischen Demokratien (wie der Bun-desrepublik Deutschland) geht die Regierung aus dem Parlamenthervor und wird von der Mehrheit im Parlament gestützt. Mit derEntscheidung für eine Partei bei den Wahlen entscheidet man letzt-endlich daher auch über die Zusammensetzung der Regierung. DieParteien müssen dann im Parlament für eine funktionierende Regie-rungsmehrheit sorgen. In präsidentiellen Demokratien (wie etwaden USA) ist die Regierung nicht direkt vom Parlament abhängig.Der Präsident und das Parlament werden unabhängig voneinanderdurch das Volk gewählt. Das hat unter anderem eine andere Stellungder Parteiorganisationen zur Folge.

Allerdings kennen auch nicht-demokratische Systeme Parteien.Hier haben sie aber zum großen Teil andere Funktionen zu erfüllen,und vor allem ist ihre Bindung an die Bevölkerung eine ganz ande-re als in demokratischen Systemen.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 7

Page 8: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 8

Page 9: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

9

2. Zum Wesen von politischen Parteien

2.1 Die Entstehung politischer Parteien

Moderne Parteien sind eine verhältnismäßig junge Einrichtung.Obwohl es bereits in der Antike etwas ähnliches wie Parteien gab,kann man diese nicht als Parteien im heutigen Sinn bezeichnen.Entscheidend für die Entstehung moderner politischer Parteien sindzwei Entwicklungslinien. Zum einen gibt es gesellschaftliche undwirtschaftliche Gründe für die Entstehung, die so genannten sozio-ökonomischen Faktoren. Zum anderen kommen auch eine Reihevon politischen Erklärungsfaktoren in Betracht, beispielsweiseVeränderungen der Regierungssysteme oder Staatenbildung.

Der Übergang zu modernen Parteien im heutigen Sinn kann nichtgenau datiert werden. Oftmals werden die englischen Parteien des17. und 18. Jahrhunderts (die so genannten Whigs und die Tories)als die ersten modernen Parteien genannt. Auch wenn die Ver-fassungsväter in Amerika die Parteien im heutigen Sinne nichtkannten, so haben sie doch ein politisches System entworfen, dasdie Entwicklung von politischen Parteien befördert hat. In derAuseinandersetzung um die Nachfolge des ersten amerikanischenPräsidenten, George Washington, haben die damaligen Vertreter imKongress erste Organisationen in den Einzelstaaten gegründet, diedie Wahl von Kongressabgeordneten und Präsident in ihrem Sinnebeeinflussen sollten.

Im Gefolge der französischen Revolution entstanden in vielenLändern Parteien, die die Ziele der Revolution vertraten und sichgegen die damalige Staatsorganisation wehrten. Die Reaktion derHerrschenden und der vom herrschenden System Profitierendenwar die Gründung von konservativen Parteien, die sich dem Erhaltder politischen Ordnung verschrieben. Im 19. Jahrhundert entstandgleichzeitig zur industriellen Revolution die Arbeiterbewegung. DieInteressen der Arbeiter wurden von dieser Bewegung vertreten, aus

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9

Page 10: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

10

denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung dersozialistischen Parteien erfolgte also auf der Grundlage eines Inte-ressenkonfliktes. Auf der einen Seite standen die Arbeiter, auf deranderen Seite die Fabrik- und Kapitalbesitzer. Entlang dieser Kon-fliktlinie zwischen Arbeit und Kapital entstanden auf der einen Seitedie sozialistischen Parteien als Vertreter der Arbeiter, auf der ande-ren Seite bürgerliche oder konservative Parteien als Vertreter derKapitalbesitzer.

Eine weitere Konfliktlinie des 19. Jahrhunderts war die zwischenKirche und Staat. Dabei ging es um die Frage nach der Trennungvon Kirche und Staat und die Rolle, die die Kirche im Staat spielensollte. Entlang dieser Konfliktlinie sind christliche Parteien entstan-den. Weitere Konfliktlinien sind für die Entstehung von regionalenoder ethnischen Parteien sowie Bauernparteien verantwortlich. ImZuge der Oktoberrevolution 1917 sind in Europa die kommunisti-schen Parteien als Abspaltung der sozialistischen Parteien entstan-den, im Zuge der Gegenbewegungen die faschistischen Parteien.

Die Ausweitung des Wahlrechts kommt als weitere politischeErklärungsgröße hinzu. Das allgemeine Männerwahlrecht wurdeerst im 19. Jahrhundert nach und nach durchgesetzt, das Wahlrechtfür Frauen gar erst im 20. Jahrhundert. Dementsprechend konntensich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Staaten kaummehr als zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt an einerWahl beteiligen. An die heute üblichen hohen Beteiligungsquotenhaben sich die meisten Länder erst nach dem Zweiten Weltkriegangenähert.

2.2 Parteien und politisches System

Heutzutage kennt beinahe jedes politische System Parteien.Allerdings findet man hinter der gleichen Bezeichnung oftmals sehrunterschiedliche Dinge. Die Rahmenbedingungen des politischenSystems sind mit die wichtigsten Bestimmungsfaktoren für dieAusgestaltung des Parteiwesens.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 10

Page 11: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

11

Die erste grundlegende Unterscheidung politischer Systeme ist diezwischen demokratischen und nicht-demokratischen Systemen.Neben einigen weiteren Kriterien, anhand derer man diese Unter-scheidung treffen kann, etwa das Herrschaftssystem, das Gesell-schaftssystem oder das Rechtssystem, kommt der unterschiedlichenOrganisation des Regierungssystems in diesem Zusammenhangbesondere Bedeutung zu.

In Diktaturen ist das Regierungssystem mehr oder minder monis-tisch organisiert. Das bedeutet, dass Abweichungen von der herr-schenden politischen Meinung nicht oder nur in sehr beschränktemMaße überhaupt geduldet werden. Einen Einfluss auf die konkretePolitik haben Personen oder Organisationen mit abweichenden Vor-stellungen in der Regel nicht. Viele Diktaturen sind durch einegroße Massenpartei gekennzeichnet, die für sich beansprucht, dierichtige Politik zu machen. Man spricht in einem solchen Fall oftvon einer Einheitspartei. In manchen Fällen existieren weitereParteien, um den Eindruck eines pluralistischen Systems aufrecht zuerhalten.

In Demokratien ist das Regierungssystem pluralistisch organisiert.Das bedeutet, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Meinungenund Anschauungen akzeptiert werden. Zahlreiche weltanschauliche,politische oder ökonomische Kräfte bestehen nebeneinander undkönnen Einfluss auf das Regierungssystem nehmen. Grundlagedafür ist die Gewährung von Grundrechten, etwa das Rede-, dasVersammlungs- und das Vereinigungsrecht. Neben anderen gesell-schaftlichen Organisationen sind die Parteien in DemokratienAusdruck dieses pluralistischen Aufbaus.

Die Rolle von Parteien in Demokratien hängt sehr stark von derkonkreten Ausgestaltung des jeweiligen Regierungssystems ab. Beidemokratischen Systemen kann man zwei Sorten von Regie-rungssystemen unterscheiden: das parlamentarische und das präsi-dentielle Regierungssystem. Der wichtigste Unterschied zwischendiesen beiden Typen liegt in der Abberufbarkeit der Regierung.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 11

Page 12: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

12

Sobald das Parlament die Möglichkeit hat, die Regierung mit politi-schen Mitteln abzuberufen, spricht man von einem parlamentari-schen System. Ein solches System gibt es beispielsweise in derBundesrepublik Deutschland oder in Großbritannien. Ein präsiden-tielles Regierungssystem liegt dann vor, wenn das Parlament dieRegierung eben nicht abberufen kann, wie beispielsweise in denUSA. Einzige Ausnahme ist das Verfahren der Amtsanklage (im-peachment). Diese Unabhängigkeit des Präsidenten vom Parlamentwird durch seine direkte Wahl durch das Volk hervorgebracht,während in parlamentarischen Regierungssystemen die Regierungaus dem Parlament heraus gewählt wird. Dementsprechend könnenin parlamentarischen Systemen die Mitglieder der Regierung häufigauch Mitglieder des Parlamentes sein, in präsidentiellen in derRegel nicht (eine Ausnahme ist der amerikanische Vizepräsident).

Die Unabhängigkeit der Regierung vom Parlament in präsidentiel-len Systemen bedeutet umgekehrt auch immer Unabhängigkeit desParlaments von der Regierung. Die Regierung hat also kein Rechtdarauf, das Parlament aufzulösen. Im parlamentarischen System hatsie dieses Recht, wenn es auch in der Regel zahlreicher Voraus-setzungen bedarf. Entscheidend für das Verhältnis von Parlamentund Regierung in parlamentarischen Systemen ist die Tatsache, dassdie Regierung von der Mehrheit des Parlamentes abhängig ist. DieseMehrheit wird von einer oder mehreren Parteien im Parlamentgestellt. Voraussetzung dafür, dass diese Mehrheit organisiert wer-den kann, ist eine starke Disziplin innerhalb der Fraktionen, zudenen sich die Mitglieder einer Partei in Parlamenten zusammen-schließen. Die Trennlinie zwischen der exekutiven Gewalt (Regie-rung) und der legislativen Gewalt (Parlament) verläuft bei parla-mentarischen Regierungssystemen zwischen der Regierung und derRegierungsmehrheit im Parlament auf der einen Seite, und derOpposition im Parlament auf der anderen Seite. Daraus folgt, dassdie Parteien in parlamentarischen Regierungssystemen eine starkeStellung haben, da sie die Regierungsmehrheit oder eine schlag-kräftige Opposition organisieren müssen. In präsidentiellen Sys-temen verläuft die Trennlinie zwischen Exekutive und Legislative

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 12

Page 13: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

13

zwischen dem Präsidenten auf der einen und dem Parlament auf deranderen Seite. Der weniger scharfe Gegensatz zwischen den Par-teien im Parlament eines präsidentiellen Systems schlägt sich dannhäufig in einer weniger starken Stellung der Parteien nieder.

Einige Politikwissenschaftler sind der Meinung, dass jedes Regie-rungssystem entweder ein präsidentielles oder ein parlamenta-risches System ist. Das zentrale Kriterium zur Unterscheidung istdie Abberufbarkeit der Regierung. Andere Wissenschaftler unter-scheiden weitere Mischformen, die dann präsidentiell-parlamentari-sches oder premier-präsidentielles System genannt werden. Diehäufigste dritte Form von Regierungssystemen ist das so genanntesemi-präsidentielle System. Das Regierungssystem Frankreichswird sehr häufig als ein solches halb-präsidentielles Systembezeichnet. Die Rolle von politischen Parteien in einem solchenSystem wird in Kapitel 3.4 diskutiert. Schließlich unterscheidet sichdie Rolle von Parteien sehr deutlich in Systemen, die viele Elementevon direkter Demokratie haben und weniger Wert auf Repräsen-tation legen. Ein solches politisches System hat beispielsweise dieSchweiz, auf die in Kapitel 3.5. näher eingegangen wird.

2.3 Wahlrecht und Parteiensystem

In einem Wahlsystem ist festgelegt, auf welche Art und Weise dieWähler zwischen verschiedenen Parteien oder Kandidaten fürbestimmte Ämter auswählen können. Außerdem ist für Parlaments-wahlen geregelt, wie die abgegebenen Stimmen in Sitze im Parla-ment (die so genannten Mandate) umgerechnet werden. Das Wahl-system ist für den Erfolg oder Misserfolg von Parteien bei Wahlenvon entscheidender Bedeutung. Wenn in einem Land von einerWahl auf die nächste das Wahlsystem grundlegend geändert würde,so könnte das Parlament nach der zweiten Wahl weitgehend anderszusammengesetzt sein als nach der ersten, obwohl die Bürger exaktgleich abgestimmt haben. Zahlreiche konkrete Ausgestaltungen desWahlsystems können den Wert einer einzelnen Stimme verändern,

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 13

Page 14: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

14

auch wenn die Grundsätze der allgemeinen, freien und gleichenWahl gelten. Bei dieser großen Bedeutung des Wahlsystems dürfenaber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht außer Achtgelassen werden. Einigen Wahlsystemen werden bestimmte gene-relle Wirkungen bescheinigt, die sich aber je nach Umfeld unter-scheiden können.

Die grundlegende Unterscheidung von Wahlsystemen ist die inMehrheits- und Verhältniswahl. Bei einer Mehrheitswahl bekommtderjenige Bewerber in einem Wahlkreis das Mandat, der einebestimmte Mehrheit erreicht hat, entweder die absolute Mehrheit(mehr als die Hälfte der Stimmen) oder die relative Mehrheit (mehrStimmen als jeder andere Bewerber). Die für die anderen Bewerberabgegebenen Stimmen entfallen in diesem System, sie haben alsokeine weitere Bedeutung. Bei einer Verhältniswahl hingegen erfolgtdie Vergabe der Mandate auf Grund des Anteils der Stimmen einesBewerbers oder einer Partei. Hier werden also alle abgegebenenStimmen bei der Verrechnung gezählt, sofern keine sonstigeBeschränkung (wie die Fünf-Prozent-Klausel) vorliegt.

Mit diesen beiden Wahlsystemtypen sind verschiedene Vor-stellungen darüber verbunden, was eine Wahl sein und bewirkensoll. Im Falle der Mehrheitswahl soll die Wahl klare Mehrheitenhervorbringen, im Falle der Verhältniswahl soll die Mandats-verteilung möglichst genau der Verteilung der Wählerstimmen ent-sprechen. Diese Unterschiede wirken auf die Parteien zurück, undzwar sowohl direkt bei der Umrechnung von Stimmen in Mandate,als auch indirekt psychologisch, und zwar sowohl auf die Parteienals auch auf die Wähler.

Bei der Mehrheitswahl entscheidet die Mehrheit der Stimmen überdas Mandat im Wahlkreis. Wenn nun zwei Bewerber oder Parteienantreten, dann muss einer mehr als fünfzig Prozent der Stimmenbekommen, bei drei Parteien und relativer Mehrheit mindestensmehr als ein Drittel der Stimmen. Kleine Parteien gehen bei diesemSystem leer aus, selbst wenn sie zwanzig Prozent der Stimmen

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 14

Page 15: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

15

bekommen. Eine neue Partei zu gründen macht eigentlich nur dannSinn, wenn es für sie zumindest theoretisch die Chance gibt, dieMehrheit zu erhalten. Daher führt das Mehrheitswahlrecht zu einemParteiensystem mit wenigen Parteien, im Endeffekt begünstigt esdie Entwicklung eines Zweiparteiensystems. Für den Wahlkampfbedeutet das Mehrheitssystem, dass nur in den umstrittenenWahlkreisen wirklich gekämpft werden muss. Wahlkreise, die einePartei traditionell immer oder sehr häufig gewinnt (Hochburgen),werden uninteressanter, denn es macht für die gewinnende Parteikeinen Unterschied, wie groß ihr Vorsprung vor der unterlegenenPartei ist. Das Gleiche gilt für Wahlkreise, in denen eine Partei sichvon vornherein kaum Chancen auf den Sieg ausrechnen kann.

Das Mehrheitswahlsystem führt zu einer stabilen Regierung, dievon einer Partei gebildet wird, auf die alle politischen Entschei-dungen zurückgeführt werden können. Bereits kleinere Verände-rungen der Stimmenzahl in umstrittenen Wahlkreisen können großeVeränderungen bei der Anzahl der Mandate und damit auch einenRegierungswechsel bewirken.

Bei der Verhältniswahl werden alle abgegebenen Stimmen in ihremVerhältnis untereinander in Mandate umgerechnet. Das bedeutet fürkleine Parteien, dass sie auch bei einem kleinen Anteil vonWählerstimmen einen Anteil an den Mandaten bekommen. Das Ver-hältniswahlsystem führt also tendenziell zu einem Parteiensystemmit mehr als zwei Parteien. Neue politische Strömungen haben einegrößere Chance, an der Verteilung der Mandate beteiligt zu werden.Schließlich haben auch kleinere Parteien die Chance auf eineRegierungsbeteiligung, denn Verhältniswahlsysteme begünstigenRegierungen aus mehreren Parteien (Koalitionsregierungen). Aller-dings muss im gleichen Atemzug auch die Zersplitterung desParteiensystems genannt werden, die hier befördert wird und imExtremfall eine Regierungsbildung sehr erschweren kann. Um die-ser Zersplitterung entgegen zu wirken, kann man in das Wahlsystemeine Zugangsklausel zum Parlament einbauen, indem z.B. jedePartei mindestens fünf Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 15

Page 16: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

16

vereinigen muss, um bei der Vergabe der Mandate berücksichtigt zuwerden.

Diese beiden grundsätzlich unterschiedlichen Wahlsysteme sindnatürlich auch in allerlei Mischformen denkbar und tatsächlich auchvorhanden. Alle Wahlsysteme enthalten weitere detaillierte Fest-legungen, die in der Praxis ebenso große Auswirkungen habenkönnen. Vor allem die Wahlkreiseinteilung und die verschiedenenMöglichkeiten der Verrechnung von Stimmen in Mandate sind hierzu nennen. Aber auch die Stimmgebung (Anzahl der Stimmen,Verteilung auf die Kandidaten usw.) und die Wahlbewerbung(Einzelkandidatur oder Listenwahl) können ein Wahlsystem deut-lich verändern. Schließlich kann von einem recht großen Einflussdes Wahlsystems auf die Wähler ausgegangen werden, von denendie meisten bei der Stimmabgabe auch die Erfolgschancen dergewählten Partei in ihre Entscheidung einbeziehen.

2.4 Aufgaben und Funktionen von Parteien

Funktionen von Parteien in demokratischen Systemen

In demokratischen Systemen haben die Parteien zahlreiche Funk-tionen zu erfüllen. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, obes sich um ein parlamentarisches, ein präsidentielles oder einMischsystem handelt. Während die Funktionen von Parteien sehrähnlich sind, unterscheidet sich der Einfluss von Parteien auf dieErfüllung dieser Funktionen je nach Regierungssystem. Die Par-teien haben mehr oder weniger Konkurrenz von anderen Organi-sationen bei der Erfüllung dieser Funktionen. Häufig sind die Auf-gaben und Funktionen von Parteien gesetzlich geregelt, in derBundesrepublik Deutschland beispielsweise im Parteiengesetz.

Die Kandidatenauswahl ist eine der wichtigsten Funktionen vonpolitischen Parteien in Demokratien. Sie sind für die Heranbildungvon politischem Führungspersonal verantwortlich, das für die Über-nahme öffentlicher Ämter geeignet ist. Die Parteien entscheiden in

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 16

Page 17: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

17

Versammlungen, welcher Kandidat die Partei bei den nächstenWahlen vertreten soll. Mit der Festlegung auf ein gemeinsames Pro-gramm ist bereits die zweite Funktion von Parteien angesprochenworden, nämlich die Zielfindungsfunktion. Parteien definierengemeinsame politische Ziele, die sie durchsetzen wollen. Um ihrepolitischen Ziele durchsetzen zu können, muss eine Partei beiWahlen erfolgreich sein. Der Wahlerfolg einer Partei hängt nichtzuletzt davon ab, inwieweit sie in der Lage ist, gesellschaftlicheInteressen zu aggregieren und zu artikulieren. Das bedeutet, dasssie die Interessen der Bürger sammeln, zusammenfassen und zumAusdruck bringen, etwa in den Parlamenten. Schließlich sindParteien dazu da, bei der Mobilisierung und Sozialisation derBürger mitzuhelfen. Sie wollen möglichst viele Bürger dazu bewe-gen, bei der Wahl für sie zu stimmen und versuchen, die Menschenzu politisch handelnden und denkenden Bürgern zu machen. Durchdie Erfüllung dieser und weiterer Funktionen wirken Parteien an derpolitischen Willensbildung des Volkes mit und sollen (lautParteiengesetz der Bundesrepublik) „für eine ständige lebendigeVerbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen“.

Diese Funktionen der Parteien sind nur in einer Demokratie sinnvollzu erfüllen. In nicht-demokratischen Regierungssystemen kommenden Parteien teilweise die gleichen, teilweise andere Funktionen zu.

Funktionen von Parteien in nicht-demokratischen Systemen

Nicht-demokratische Systeme legen entweder überhaupt keinenWert auf eine politische Beteiligung der Bürger, oder sie versuchendiese Beteiligung für die Stabilisierung des Regierungssystems ein-zusetzen. Dieses Kriterium wird neben vielen anderen häufig auchbenutzt, um verschiedene Typen nicht-demokratischer Systeme zuunterscheiden. In autoritären Systemen ist die politische Beteili-gung der Bevölkerung oft nicht gewünscht, sondern es genügt, wennsie der Politik gegenüber gleichgültig ist. Totalitäre Systeme legenhingegen häufig Wert darauf, dass die Bevölkerung die Politik derRegierung unterstützt; die Bevölkerung wird zur Unterstützung derRegierung mobilisiert.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 17

Page 18: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

18

In solchen nicht-demokratischen Systemen dienen Parteien zu-nächst in erster Linie der Regierung zur gesellschaftlichen Kon-trolle. Häufig handelt es sich bei solchen Systemen um Ein-Parteien-Systeme: Eine Partei durchdringt alle staatlichen undgesellschaftlichen Organisationen. Diese Partei kann dann ähnlichwie in demokratischen Systemen die Kandidaten für die Staats-führung ausbilden und auswählen, politische Ziele formulieren unddie Bürger mobilisieren und sozialisieren. Allerdings ist im Gegen-satz zu demokratischen Systemen die Rückbindung dieser Parteian die Bevölkerung nicht oder nur in Ansätzen gegeben. DieAggregation und Artikulation gesellschaftlicher Interessen durchdie Partei wird ersetzt durch die Formulierung gesellschaftlicherInteressen durch die Partei. „Die Partei, die hat immer Recht“,rühmte sich beispielsweise in der DDR die SED.

In nicht-freien Wahlen wird dann häufig ein Wahlergebnis diesereinen Partei von 99 Prozent erreicht. In einigen Fällen gibt es in sol-chen nicht-demokratischen Systemen auch weitere Parteien. DerHauptgrund dafür ist wohl, dass man vor allem nach außen einintaktes Parteiensystem vortäuschen und den Anschein erweckenwill, die Bürger hätten tatsächlich eine freie Wahl. Oftmals dienendiese weiteren Parteien aber auch dazu, bestimmte gesellschaftlicheGruppen einzubinden. In der DDR hatten die Blockparteien dieseAufgabe.

2.5 Parteitypen

Zur Unterteilung von Parteien in verschiedene Typen kann man dieunterschiedlichsten Merkmale heranziehen. So können sie danachunterschieden werden, welche gesellschaftlichen Gruppen sie reprä-sentieren (wollen). Eine wichtige Ursache für die Entstehung vonpolitischen Parteien waren gesellschaftliche Konflikte. Vor allemdie Gegensätze zwischen Arbeit und Kapital sowie zwischen Staatund Kirche haben zur Entstehung politischer Parteien entscheidendbeigetragen, in diesen beiden Fällen zur Entstehung von Arbeiter-

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 18

Page 19: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

19

parteien und von konfessionellen Parteien. Bis heute zieht sich dieseUnterscheidung durch die Parteienlandschaft und spiegelt sich inder programmatischen Ausrichtung der Parteien wider. Das Spek-trum der Interessen hat sich dabei deutlich verbreitert, sodass heuteeine Reihe von Parteien zwischen den Polen „linksextrem“ und„rechtsextrem“ angesiedelt ist.

Das Programm linksextremer Parteien baut auf der Ideologie desKommunismus oder des Sozialismus auf, solche Parteien lehnenin der Regel einen demokratischen Staatsaufbau ab. Das haben siemit rechtsextremen Parteien gemeinsam, deren Programm abervon nationalistischen oder rassistischen Grundzügen geprägt ist.Zwischen diesen beiden Polen positionieren sich eine Reihe vonpolitischen Parteien.

Rechts der Mitte finden sich häufig konservative Parteien, denenan der Erhaltung des Bewährten liegt; dramatische Veränderungendes politischen und des Gesellschaftssystems liegt ihnen fern.Häufig werden konservative Parteien auch bürgerliche Parteiengenannt. Für christliche Parteien, die in der Regel ebenfalls kon-servative Parteien sind, steht das christliche Menschenbild im Mit-telpunkt ihrer programmatischen Ausrichtung. SozialdemokratischeParteien sind häufig links der Mitte angesiedelt. Solche Parteiendrängen nicht oder nicht mehr auf die radikale Veränderung derGesellschaft hin zum Sozialismus, sondern auf die Veränderungdurch soziale Reformen. Liberale Parteien werden auf dem Kon-tinuum von links bis rechts häufig in der Mitte verortet. Pro-grammatisch steht bei ihnen die individuelle Freiheit im Mittel-punkt, die einerseits vom Staat beschützt und andererseits gegenden Staatseingriff geschützt werden soll.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit politischer Parteien ist indieser Unterscheidung nach programmatischen Positionen bereitsenthalten, nämlich die in systemfeindliche und systemkonformeParteien. Links- und rechtsextreme Parteien wollen ein grundsätz-lich anderes politisches System, während die übrigen Parteien das

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 19

Page 20: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

20

bestehende politische System mehr oder weniger stark verändernmöchten.

Die programmatische Ausrichtung der Parteien kann man auchdanach unterscheiden, welche Bevölkerungsgruppen sie ansprechenwollen und wie groß diese Gruppen sind. Volksparteien nehmen fürsich in Anspruch, eine breite Bevölkerungsschicht anzusprechen.Zu diesem Zweck schwächen sie die ideologische Schärfe ihrerprogrammatischen Ausrichtung ab und setzen auf breitgestreuteProgramme, mit denen sich möglichst viele Bürger identifizierenkönnen. Diese Verbreiterung der Programme verschafft ihnen einegroße gesellschaftliche Anerkennung, wodurch sie bei Wahlengrößere Erfolge erzielen können. Der Nachteil dieses unscharfenProgrammprofils ist die sinkende Unterscheidbarkeit der Volks-parteien, was wiederum einen Teil der Wähler und auch der Mit-glieder zur Abwanderung zu anderen Parteien veranlassen kann.Diese Parteien könnten so genannte Interessen- oder Klientel-parteien sein, die ihr Programm auf bestimmte Interessengruppenzugeschnitten haben. Solche Parteien können zum Beispiel ökologi-sche Parteien sein, oder Parteien die Interessen von Bauern oderMittelständlern vertreten. Als eine Variante dieser Interessenpar-teien können die Regionalparteien verstanden werden, wenn siesich die Vertretung der Interessen einer Region im größerenRahmen eines politischen Systems auf die Fahnen geschriebenhaben. Andere Regionalparteien beschränken sich einfach nur aufdie Mitwirkung an der politischen Willensbildung in einer bestimm-ten Region.

Schließlich kann man Parteien anhand ihrer Parteiorganisationunterscheiden, wobei diese Unterscheidung eigentlich vor allem dieAnzahl der Mitglieder in den Blick nimmt. Mitgliederparteien oderMassenparteien legen großen Wert auf eine breite Mitgliederbasis,da sie ein Zeichen gesellschaftlicher Anerkennung ist. Bei Wäh-lerparteien ist im Gegensatz dazu das Verhältnis von Wählern zuMitgliedern der Partei sehr viel größer, außerdem ist die Mitglie-derorganisation sehr viel schwächer ausgeprägt.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 20

Page 21: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

21

Alle diese Unterscheidungsmerkmale von politischen Parteien sindin fast allen Kombinationen denkbar und, wenn auch nicht aktuell,zumindest historisch gesehen vorgekommen. Zu Beginn der Ent-wicklung von Parteien in Deutschland und Westeuropa warenHonoratioren- oder Kaderparteien der vorherrschende Parteityp.Die Mitgliedschaft war einem privilegierten Teil der Gesellschaftvorbehalten. Die Industrialisierung und die Ausweitung des Wahl-rechts auf große Bevölkerungsgruppen bereiteten das Feld für dieEntwicklung von Massenparteien. Sie repräsentierten jeweils einebestimmte Bevölkerungsgruppe (z. B. Arbeiter), deren Interessensie vertreten und durchsetzen wollten. Kurz nach dem ZweitenWeltkrieg entwickelte sich dann der Typus der Volkspartei. Die-ser Parteitypus war und ist vor allem deshalb eine erfolgreicheOrganisationsform, weil er der gesellschaftlichen EntwicklungRechnung trägt. Der Abbau von Klassengegensätzen und die Aus-weitung der so genannten Mittelschicht in westlichen Demokratienmachten es für die Parteien notwendig, sich für weite Bevölke-rungsgruppen zu öffnen, wenn sie ihre Chancen bei Wahlen erhaltenwollten. In der aktuellen Parteienforschung wird intensiv über dasAufkommen eines neuen Parteitypus diskutiert: die Kartellpartei.Kartellparteien sind bereits etablierte Parteien, die ihren Statusdurch eine vermehrte Hinwendung zur staatlichen Sphäre zu sichernversuchen. Dabei arbeiten diese etablierten Parteien in bestimmtenBereichen zusammen, um ihre bevorzugte Stellung zu erhalten undneue Parteien von der Verteilung staatlicher Mittel auszuschließen.

In modernen Demokratien ist der Typus der konservativen odersozialdemokratischen Volkspartei besonders häufig anzutreffen, dieParteien am Rande des politischen Spektrums, also die extremenParteien, sind häufig klein und relativ bedeutungslos. Der Erfolgvon ökologischen, religiösen oder sonstigen Klientelparteien undauch der Erfolg von liberalen Parteien hängt sehr stark von denBedingungen des politischen Systems und von der Struktur derGesellschaft ab.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 21

Page 22: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 22

Page 23: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

23

3. Parteien im internationalen Vergleich

3.1 Parteien in Deutschland

3.1.1 Rechtsstellung und Verbot

Im Grundgesetz sind erstmals in einer deutschen Verfassung dieParteien als Bestandteil der Verfassungsordnung erwähnt. DerArtikel 21 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschlandregelt die rechtliche Stellung der Parteien. Dort heißt es: „Die Par-teien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“Die Parteien haben mit dieser Erwähnung eine herausgehobeneStellung, die sie beispielsweise von Verbänden unterscheiden. Sogering diese Rolle der Mitwirkung auch klingt, in der Praxis ist denParteien aus diesem Satz eine Fülle von Aufgaben erwachsen. Siewirken an der Auswahl des Bundeskanzlers ebenso mit wie an derAuswahl der Ortsbürgermeister, sie beschäftigen sich mit interna-tionaler Politik ebenso wie mit Lokalpolitik. Tatsächlich ist in derPraxis die Rolle der Parteien in der Bundesrepublik kaum zu unter-schätzen.

Das Grundgesetz garantiert weiterhin die freie Gründung von Par-teien und macht Vorschriften über ihre innere Ordnung, die demo-kratischen Grundsätzen entsprechen muss. Damit ist gemeint, dassdie Willensbildung in einer Partei von unten nach oben verlaufensoll. Somit sind die wichtigsten Grundsätze des Organisations-aufbaus der Parteien festgelegt. Auch die Finanzierung der Parteienist bereits im Grundgesetz angesprochen, denn „sie müssen über dieHerkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögenöffentlich Rechenschaft ablegen.“ Damit ist allerdings noch nichtsdarüber gesagt, woher die Parteien ihr Geld bekommen.

Schließlich regelt das Grundgesetz auch das Verbot von Parteien.Wenn Parteien verfassungswidrig sind, weil sie die freiheitlichdemokratische Grundordnung der Bundesrepublik untergraben,dann können sie verboten werden. Über dieses Verbot entscheidet

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 23

Page 24: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

24

die oberste richterliche Instanz, das Bundesverfassungsgericht, aufAntrag des Bundestags, der Bundesregierung oder des Bundesrats.Dieses Verfahren soll vor einem Missbrauch des Parteiverbotsschützen, etwa wenn eine Partei eine missliebige Konkurrenz los-werden will. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlandgab es zwei Fälle eines Parteiverbots. 1952 wurde mit der Sozia-listischen Reichspartei (SRP) eine Nachfolgeorganisation derNSDAP verboten, 1956 wurde die Kommunistische Partei Deutsch-lands (KPD) verboten. Im Jahre 2000 haben Bundesregierung,Bundestag und Bundesrat den Antrag auf ein Verbot der National-demokratischen Partei Deutschlands (NPD) gestellt. Nach etwasmehr als zwei Jahren wurde im März 2003 das Verfahren gegen dieNPD eingestellt.

Die wichtigsten Grundsätze bezüglich der Parteien sind also in derBundesrepublik bereits im Grundgesetz geregelt. Dort findet sichauch der Absatz, dass alles Weitere von Bundesgesetzen geregeltwird. Damit haben die Verfasser des Grundgesetzes dem Parlamentden Auftrag gegeben, ein Parteiengesetz zu verabschieden. Den-noch hat es beinahe 20 Jahre gedauert, bis 1967 ein solches Par-teiengesetz zu Stande kam. Der Grund für diese Verzögerung ist imWesentlichen die strittige und problematische Finanzierung derParteien, die in diesem Gesetz geregelt ist.

Im Parteiengesetz sind alle weiteren Regelungen über die Parteienniedergelegt. Darin finden sich sowohl eine Definition von Parteienals auch ein Aufgabenkatalog, Bestimmungen zur innerparteilichenDemokratie und zur Parteienfinanzierung sowie eine genaue Rege-lung des Parteienverbots. Da an der Finanzierung der Parteienimmer wieder Streit entbrennt und weil diese Regelungen rechtkompliziert sind, soll darauf im Folgenden etwas genauer eingegan-gen werden.

3.1.2 Parteienfinanzierung

Bis zur Verabschiedung des Parteiengesetzes durch den Bundestagim Jahre 1967 war die im Grundgesetz erwähnte Rechenschafts-

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 24

Page 25: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

25

pflicht die einzige Festlegung, die das Geld der Parteien betraf.Allerdings hat sich das Bundesverfassungsgericht mehrfach zur Par-teienfinanzierung geäußert. Eine Entscheidung dieses obersten Bun-desgerichts hat die Parteien schließlich auch dazu gebracht, das Par-teiengesetz zu verabschieden. Vor der Verabschiedung dieses Gesetzeswar die Finanzierung der Parteien noch unübersichtlicher als heute.

In den ersten Jahren der Bundesrepublik gab es für die Parteiennoch keine staatlichen Zuschüsse, sodass sie sich aus Mitgliedsbei-trägen und Spenden finanzieren mussten. Diese Spenden wurdenvielfach über parteinahe Fördervereine abgewickelt, um sie steuer-lich absetzbar zu machen. Nachdem das Bundesverfassungsgerichtdiese Praxis für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde ein Systemstaatlicher Zuschüsse für die Parteien entwickelt. Alle im Bundestagvertretenen Parteien bekamen Zuschüsse für die politische Bil-dungsarbeit. Auch diese Regelung hatte vor dem Verfassungsgerichtkeinen Bestand, und so kam es 1967 zur Verabschiedung des Par-teiengesetzes. Dieses Gesetz gilt bis heute, wurde aber mehrfachverändert.

Die Haupteinnahmequellen der Parteien sind und waren die Mit-gliedsbeiträge, Spenden und die staatlichen Zuschüsse. Die Mit-gliedsbeiträge können insgesamt als die wichtigste Geldquelle derParteien ausgemacht werden. Bei den großen Mitgliederparteienmachen sie den größten Einnahmeposten aus, bei der CDU stam-men fast 50 Prozent aller Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, beider SPD gar fast 60 Prozent. Die beiden kleinen Parteien Bündnis90/Die Grünen und PDS reichen beinahe an die CDU-Werte heran,bei der CSU liegt der Anteil der Beiträge an den Einnahmen etwabei einem Drittel, bei der FDP nur bei einem Viertel.

Etwa ein Drittel ihrer Einnahmen bekommen alle Parteien durch diestaatliche Parteienfinanzierung. Für diese ist eine absolute Ober-grenze festgelegt, die momentan bei 133 Millionen Euro liegt.Welche Partei davon wie viel Geld bekommt, wird an ihrer „Ver-wurzelung“ in der Gesellschaft, also an ihren Wählerstimmen,

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 25

Page 26: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

26

Mitgliederzahlen und an ihrem Spendenaufkommen, gemessen.Denn die staatliche Parteienfinanzierung setzt sich aus mehrerenEinzelteilen zusammen, die nach dem Wahlerfolg einerseits unddem selbst erwirtschafteten Geld der Parteien durch Mitglieds-beiträge und Spenden andererseits bemessen werden. Nach derTeilnahme an einer Wahl bekommt jede Partei, die mindestensein halbes Prozent der abgegebenen Stimmen bekommen hat, fürjede dieser Stimmen 0,70 Euro. Um die kleineren Parteien nichtzu benachteiligen, steigt diese Summe bei allen Parteien auf0,85 Euro für die ersten vier Millionen gültigen Stimmen. Die übervier Millionen Stimmen zusätzlich hinaus errungenen Stimmenwerden also weniger stark berücksichtigt. Zusätzlich zu dieserWahlkampfkostenerstattung erhalten die Parteien jeweils 0,38 Eurofür jeden Euro, den sie aus Mitgliedsbeiträgen oder rechtmä-ßigen Spenden einnehmen. Zusammen mit der steuerlichen Ab-setzbarkeit von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, Sonderzahlungenfür Parlamentarier und Zuschüssen an Fraktionen und parteinaheStiftungen stellt der Staat den Parteien eine beachtliche SummeGeldes zur Verfügung, damit sie ihren Aufgaben nachgehen können.

Ein besonders heikler Aspekt der Parteienfinanzierung sind dieParteispenden. Die Rechtmäßigkeit von Spenden ist ebenfalls imParteiengesetz geregelt, gegen diese Regelungen wird aber immerwieder verstoßen. Zahlreiche Skandale, wie der CDU-Spenden-skandal aus den Jahren 1999/2000 oder der SPD-Spendenskandalaus dem Jahre 2002 zeigen, dass die Parteien auch für eine gesetz-widrige Finanzierungspraxis anfällig sind. Den offiziellen Zahlenzufolge erhält die CDU etwa 15 Prozent ihrer Einnahmen ausSpenden, die SPD etwa acht Prozent und die FDP knapp ein Drit-tel ihrer Gesamteinnahmen. Bei Bündnis 90/Die Grünen beträgt derAnteil etwa 18 Prozent, bei der PDS etwa 16 Prozent und bei derCSU etwa ein Viertel. Diese Anteile können sich in Wahlkampf-jahren deutlich erhöhen.

Die übrigen Finanzquellen der Parteien, etwa aus Publikationenoder Veranstaltungen sind in diesem Zusammenhang kaum erwäh-

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 26

Page 27: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

27

nenswert. Allerdings sind gerade in jüngster Zeit die Beteiligungenvon Parteien an Industriebetrieben oder Zeitungen immer mehr insGerede gekommen. Zu den sonstigen Einnahmen der Parteien kannman auch die Zuschüsse für Parlamentsfraktionen und die Zuwen-dungen an die politischen Stiftungen oder die Jugendorganisationender Parteien rechnen. Sie sind keine direkte Parteienfinanzierung,aber indirekt kommt dieses Geld den Parteien zugute.

Insgesamt zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen derGröße einer Partei – gemessen an ihren Mitgliederzahlen und Wahl-erfolgen – und der Höhe ihrer Einnahmen, der vom Gesetzgeberauch so gewollt ist. Die beiden großen Parteien haben jährlicheEinnahmen von etwa 100 bis 140 Millionen Euro, die vier kleinerenParteien erhalten jeweils zwischen 20 und 30 Millionen Euro proJahr. Insgesamt hatten zuletzt 17 Parteien in der BundesrepublikAnspruch auf staatliche Parteienfinanzierung.

3.1.3 Kurzvorstellung der wichtigsten Parteien

Die CDU und die CSU

Die Christlich Demokratische Union (CDU) wurde nach demZweiten Weltkrieg als überkonfessionelle Partei neu gegründet.An zahlreichen Orten entstanden christlich-demokratische Parteien,die sich zunächst zu Regional- und Landesparteien zusammen-schlossen. Erst 1950 kam es zur Gründung der Bundespartei. Zumersten Vorsitzenden wurde Konrad Adenauer gewählt, der bereitsseit dem 15.9.1949 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutsch-land war. Die CDU war zunächst kaum mehr als ein lockererZusammenschluss verschiedener Landesverbände. Diese Organi-sation hat der CDU der ersten Nachkriegsjahre den Beinamen„Kanzlerwahlverein“ eingebracht. Tatsächlich hat die CDU in denersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik den Bundeskanzlergestellt. Die Programmatik (mit den Kernpunkten Westorientierungund soziale Marktwirtschaft) war lange Zeit identisch mit derRegierungspolitik. Konrad Adenauer wurde 1963 von seinemlangjährigen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard abgelöst. Ihm

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 27

Page 28: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

28

folgte 1966 Kurt Georg Kiesinger als Kanzler einer großenKoalition mit der SPD. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die CDUdie Regierung durchweg mit kleineren Koalitionspartnern gebil-det. Nach der Bundestags-wahl 1969 konnte die SPD zusammenmit der FDP die Regierung stellen, und die CDU musste als stärk-ste Fraktion in die Op-position. Die Jahre der Opposition von1969 bis 1982 nutzte die CDU zu einem Umbau der Orga-nisationsstruktur. Die Mitgliederzahlen stiegen deutlich an. 1973wurde Helmut Kohl zum Parteivorsitzenden gewählt, 1978 wurdedas erste Grundsatzprogramm der CDU verabschiedet.

Im Jahre 1982 konnte die CDU die Regierungsmacht wiederübernehmen, indem sie den damaligen Bundeskanzler HelmutSchmidt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum abwählte.Mit den Stimmen der FDP, die zuvor noch mit der SPD gemein-sam regiert hatten, wurde Helmut Kohl zum Bundeskanzlergewählt. Im Zuge der deutschen Einheit 1989/90 schlossen sichdie CDU Westdeutschlands mit der damaligen Ost-CDU zurgesamtdeutschen CDU zusammen. Das brachte der CDU nicht nurgut 100.000 neue Mitglieder, sondern zugleich auch eine gut aus-gebaute Parteiorganisation in den neuen Bundesländern. HelmutKohl und die CDU wurden dann 1998 wieder von der SPD alsgrößter Regierungspartei abgelöst. Bei der letzten Bundestags-wahl im Jahre 2002 unterlag die CDU der SPD und ist deshalbheute im Bundestag in der Opposition. Parteivorsitzende ist z.Zt.die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Angela Merkel.

Die Christlich-Soziale Union (CSU) wurde Anfang 1946 als Lan-despartei in Bayern gegründet. Von Beginn an arbeitete sie sehreng mit der CDU zusammen, betonte aber zugleich ihre Eigen-ständigkeit. Bereits nach der ersten Bundestagswahl 1949 schlos-sen sich die Abgeordneten von CDU und CSU zu einer gemein-samen Bundestagsfraktion zusammen, die bis heute Bestand hat.Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich die CSUschnell zur führenden Partei in Bayern, wo sie heute regelmäßigdie absolute Mehrheit an Stimmen erhält und den Ministerprä-

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 28

Page 29: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

29

sidenten stellt. Bei Bundestagswahlen schafft die CSU nur mitihrem Ergebnis in Bayern regelmäßig den Sprung über die bun-desweit geltende Fünf-Prozent-Hürde. Auf Grund ihrer starkenStellung in Bayern und im Bund konnte die CSU bereits zweimalden Kanzlerkandidaten der Unionsparteien stellen, 1980 mit Franz-Josef Strauß und 2002 mit Edmund Stoiber. Trotz guter Ergeb-nisse gelang beiden der Einzug ins Bundeskanzleramt nicht. Partei-vorsitzender ist z.Zt. der bayerische Ministerpräsident EdmundStoiber.

Die SPD

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die tra-ditionsreichste Partei in Deutschland, deren Geschichte auf den1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zurück-geht. Anders als die CDU ist die SPD der Bundesrepublik eineWiedergründung der unter den Nationalsozialisten verbotenenPartei. Bereits bei den ersten Landtagswahlen lag die SPD in eini-gen Ländern deutlich hinter der CDU, bei der ersten Bundes-tagswahl 1949 schnitt sie ebenfalls schlechter ab und war vonBeginn an in der Opposition. Ein wichtiger Grund für diesesschlechte Abschneiden ist im Grundsatzprogramm der Partei zusehen. Das Heidelberger Programm von 1925, das viele in derSPD für nicht mehr zeitgemäß hielten, wurde zwar weiter-entwickelt, aber erst 1959 durch das Godesberger Programmabgelöst. Das Godesberger Programm enthält ein Bekenntniszur sozialen Marktwirtschaft und ersetzte damit alte marxistischeForderungen. Dank des neuen Programms konnte die SPD neueWählerschichten ansprechen und wurde koalitionsfähig. 1966 tratdie SPD dann in die große Koalition mit der CDU ein. Bei dendarauf folgenden Wahlen errang die SPD zwar weniger Stimmenals die CDU, konnte aber zusammen mit der FDP die Regierungstellen. Bundeskanzler wurde Willy Brandt, der 1974 nach einerSpionageaffäre von Helmut Schmidt abgelöst wurde. HelmutSchmidt wurde 1982 mit einem konstruktiven Misstrauens-votum von Helmut Kohl (CDU) als Bundeskanzler abgelöst.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 29

Page 30: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

30

Anders als die CDU konnte die SPD bei der Wiedervereinigungnicht auf ein ostdeutsches Gegenstück zurückgreifen. Die SPD dersowjetisch besetzten Zone im Nachkriegsdeutschland wurde 1946mit der KPD zur SED zwangsvereinigt. Daher war die SPD inOstdeutschland 1989 eine Neu- bzw. Wiedergründung, die Partei-organisation und der Mitgliederstamm mussten neu aufgebaut wer-den. Bis heute hat die SPD in den neuen Bundesländern eine weni-ger gut ausgebaute Organisation und deutlich weniger Mitgliederals in den alten Bundesländern. Nach 16 Jahren in der Oppositiongelang es der SPD schließlich bei der Bundestagswahl 1998, mehrStimmen als die CDU zu bekommen und mit Bündnis 90/DieGrünen zusammen die Regierung zu stellen. Diese Regierungs-koalition ist bei der Bundestagswahl 2002 vom Wähler bestätigtworden. Parteivorsitzender der SPD ist z.Zt. Gerhard Schröder, derzugleich auch Bundeskanzler ist.

Die FDP

In der unmittelbaren Nachkriegszeit gründeten sich in zahlreichenLändern und Besatzungszonen liberale Parteien mit unterschiedli-chen Namen. Erst kurz vor Gründung der Bundesrepublik Deut-schland 1949 schlossen sie sich unter dem Namen Freie Demo-kratische Partei (FDP) zusammen. Trotz ihrer vergleichsweisegeringen Wahlergebnisse um die zehn Prozent spielte die FDP in derBundespolitik immer eine sehr wichtige Rolle. Bis zur Bundes-tagswahl 1957, in der die CDU eine absolute Mehrheit erhielt, wardie FDP an der Bundesregierung beteiligt. Nach vier Jahren in derOpposition traten 1961 fünf FDP-Minister in die CDU-geführteRegierung ein, die dann 1966 von einer großen Koalition aus CDUund SPD abgelöst wurde. Wiederum in der Opposition steuerte dieFDP dann auf eine Koalition mit der SPD hin, die 1969 zu Standekam und bis 1982 Bestand hatte. 1982 kündigte die FDP der SPDdann die Koalition auf. Ein großer Teil der FDP-Abgeordneten trugdazu bei, dass erstmals ein konstruktives Misstrauensvotum er-folgreich verlief, denn CDU, CSU und FDP-Abgeordnete wähltenHelmut Schmidt ab und Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler.Die Regierungskoalition dieser drei Parteien hatte bis 1998 Bestand,

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 30

Page 31: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

31

als sie durch die jetzige rot-grüne Regierung abgelöst wurde. ImZuge der deutschen Einheit vereinigte sich die FDP mit den nachMitgliedern deutlich stärkeren liberalen Kräften der ehemaligenDDR. Die anfänglichen Wahlerfolge in den neuen Bundesländernkonnte die FDP nicht wiederholen, erst nach der Landtagswahl inSachsen-Anhalt im Jahr 2002 ist sie wieder in einem ostdeutschenLandtag vertreten. Parteivorsitzender ist gegenwärtig Guido Wes-terwelle.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen ist 1993 aus dem Zusammen-schluss der westdeutschen Grünen und dem ostdeutschen Bündnis90/Die Grünen entstanden. Die westdeutschen Grünen wurden1980 als Bundespartei gegründet und gingen aus einer Reihe vonBürgerinitiativen, der Friedens- und der Umweltbewegung hervor.Waren sie zur Bundestagswahl 1980 noch an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, so zogen sie 1983 erstmals in den Bundestag ein.1990 scheiterten die westdeutschen Grünen wiederum an der Fünf-Prozent-Klausel, aber seit 1994 ist die gesamtdeutsche Partei Bünd-nis 90/Die Grünen im Bundestag vertreten. Seit 1998 bilden siezusammen mit der SPD die Regierung.

Die ostdeutsche Partei Bündnis 90/Die Grünen hat ihre Wurzelnin zahlreichen Bürgerbewegungen der Wendezeit. Anfang 1990schlossen sich das Neue Forum, Demokratie Jetzt und die Initiativefür Frieden und Menschenrechte zum Bündnis 90 zusammen. Einerengen Kooperation dieses Bündnisses mit den ostdeutschen Grünenfolgte schließlich 1993 der bundesweite Zusammenschluss zurPartei Bündnis 90/Die Grünen. Anfängliche Wahlerfolge in denneuen Bundesländern waren nur von kurzer Dauer, heute ist diePartei in keinem ostdeutschen Landtag mehr vertreten. Vorsitzendevon Bündnis 90/Die Grünen sind z.Zt. Angelika Beer und ReinhardBütikofer.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 31

Page 32: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

32

Die PDS

Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) ist die Nach-folgeorganisation der ehemaligen DDR-Staatspartei SED. ZurJahreswende 1989/90 änderte sie ihren Namen zunächst in SED-PDS, dann in PDS. Zum Verlust der Stellung als Staatspartei kamder massenhafte Verlust der Mitglieder, sodass die PDS 1990 kurzvor der Auslösung stand. Nach der Ablösung der Parteispitze gelan-gen ihr aber 1990 einige Wahlerfolge, sodass die PDS in alle ost-deutsche Landtage und schließlich auch in den Bundestag einziehenkonnte. Seither haben sich die Wahlergebnisse in den neuen Bun-desländern stabilisiert, in Thüringen und in Sachsen ist sie mittler-weile vor der SPD die zweitstärkste Partei. Auf Bundesebene schiensich diese Stabilität ebenfalls zu zeigen, aber nach der Bun-destagswahl 2002 konnten nur noch zwei direkt gewählte PDS-Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Im Westen konnte diePDS bisher weder von den Wahlergebnissen noch von der Orga-nisation oder der Mitgliederzahl über den Status einer Splitterpar-tei hinaus kommen. Die PDS ist damit bisher eine ostdeutscheRegionalpartei geblieben. Parteivorsitzender ist gegenwärtig LotharBisky.

3.1.4 Organisationsaufbau

Die innere Ordnung, also der Organisationsaufbau der Parteien,muss laut Grundgesetz demokratischen Grundsätzen entsprechen.Damit soll die Willensbildung „von unten nach oben“ in Parteiensichergestellt werden. Autoritär strukturierte Parteien, in denen dieParteiführung alle Entscheidungen trifft, ohne die Mitglieder zubeteiligen, sind danach nicht zulässig. Der Aufbau der Parteien ist inihren Satzungen festgelegt.

Parteien orientieren sich im Aufbau am staatlichen Aufbau derBundesrepublik. In den Städten und Gemeinden haben sie Orts-verbände (mit unterschiedlicher Bezeichnung je nach Partei), diesebilden in den Land- oder Stadtkreisen Kreisverbände, die wiederumin der Regel nach Bundesländern getrennt in Landesverbänden

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 32

Page 33: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

33

zusammengeschlossen sind. Zum Teil bilden die Parteien innerhalbder Bundesländer noch Bezirksverbände. Die Summe aller Landes-verbände ergibt die Bundespartei.

Die wichtigsten Entscheidungen werden in Parteien von den Partei-tagen getroffen. Zu den Parteitagen treffen sich Vertreter der Partei-mitglieder, die so genannten Delegierten, die diese in den verschie-denen Ländern, Kreisen und Gemeinden gewählt haben. Parteitageentscheiden beispielsweise über das (Wahl-)Programm, die Satzungoder die Kandidaten einer Partei für die nächste Wahl. Parteitagefinden regelmäßig auf allen Ebenen der Parteien statt, auf den un-tersten Ebenen werden sie häufig durch die Versammlung allerMitglieder ersetzt.

Jede Ebene der Parteien (Ortsverband – Kreisverband – Landes-verband – Bundesverband) hat einen eigenen Vorstand, der vomParteitag oder von der Mitgliederversammlung des Verbandesregelmäßig mindestens alle zwei Jahre gewählt wird. Der Vorstandführt – unter Leitung eines oder einer Vorsitzenden – die Geschäfteder Partei. Dazu gehört beispielsweise die Organisation von Ak-tivitäten und Wahlkampf, die Verwaltung des Geldes oder dieVertretung der Partei nach außen. Der Parteivorstand hat auf allenEbenen den größten Einfluss auf die Partei. Dem Prinzip derWillensbildung „von unten nach oben“ steht das Prinzip der poli-tischen Führung entgegen, wonach die Parteiführung darauf an-gewiesen ist, dass die Mitgliedschaft ihren Entscheidungen folgt.Die Einzelentscheidungen des Vorstands sind nicht unmittelbar andie Billigung durch die Mitglieder oder einen Parteitag gebunden,sondern diese Rückkoppelung findet im Wesentlichen über die wie-derkehrenden Wahlen statt. Die Parteien in der Bundesrepublikunterscheiden sich beträchtlich hinsichtlich der Machtverteilungzwischen Basis und Führung.

In der Regel ab der Ebene der Kreisverbände aufwärts hat jedePartei ein Parteischiedsgericht. Dieses Gericht entscheidet beiinnerparteilichen Streitigkeiten. Außerdem haben die Parteien auf

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 33

Page 34: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

34

den jeweiligen Ebenen einen Kreis-, Landes- oder Bundesausschuss(mit unterschiedlichen Bezeichnungen je nach Partei). Dieser Aus-schuss soll den Parteivorstand beraten und kontrollieren, aber sehrhäufig sind hier auch die Vorstandsmitglieder vertreten.

3.1.5 Mitglieder

Mitgliederzahlen

Der Zugang zu politischen Parteien steht zunächst im Prinzip jedemoffen. Allerdings kann eine Parteigliederung einen Aufnahmeantragauch ablehnen, die Partei ist also nicht gezwungen, jeden Antrag-steller auch aufzunehmen. Eine generelle Ausgrenzung bestimm-ter Gruppen von Personen, beispielsweise von Mitgliedern einerbestimmten Religionsgemeinschaft, ist aber nicht zulässig. Selbst-verständlich können Parteimitglieder jederzeit aus ihrer Partei aus-treten. Ein Ausschluss aus der Partei kommt nur dann in Betracht,wenn ein Mitglied erheblich gegen die Grundsätze oder die Satzungder Partei verstoßen hat. Über den Ausschluss eines Mitglieds ent-scheidet das Parteischiedsgericht. Alle Mitglieder einer Partei habendas gleiche Stimmrecht. Die einzige Pflicht, die die Mitglieder derParteien haben, ist die regelmäßige Zahlung des Mitgliedsbeitrags.

In der Bundesrepublik sind derzeit etwa 1,7 Millionen MenschenMitglied einer politischen Partei, das entspricht knapp drei Prozentder wahlberechtigten Bevölkerung. Die SPD (ca. 720.000 Mit-glieder) und die CDU (ca. 600.000) sind mit Abstand die größtenParteien, gefolgt von der CSU in Bayern (ca. 180.000), der PDS(ca. 80.000), der FDP (ca. 60.000) und Bündnis 90/Die Grünen(ca. 50.000 Mitglieder). Im westeuropäischen Vergleich ist derOrganisationsgrad der politischen Parteien, also der prozentualeAnteil von Parteimitgliedern an den Wahlberechtigten, in Deutsch-land vergleichsweise sehr gering. In anderen Ländern wie etwaÖsterreich, Finnland oder Norwegen bewegt sich der Anteil derParteimitglieder an der wahlberechtigten Bevölkerung zwischenzehn und 20 Prozent.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 34

Page 35: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

35

In Deutschland ist dieser Organisationsgrad im Verlauf der Ge-schichte seit dem Zweiten Weltkrieg nie über fünf Prozent hinausgekommen. Die Schwankungen waren verhältnismäßig gering.Dennoch lässt sich eine Entwicklung in den Mitgliederzahlenausmachen. Für die unmittelbare Nachkriegszeit liegen nur sehrlückenhafte Erkenntnisse über die Mitglieder der Parteien vor.Offenbar hatten die Parteien zunächst mit einem Mitglieder-schwund zu kämpfen, ehe sich die Zahlen in den Fünfzigerjahrenstabilisierten. Die SPD hatte damals etwa 600.000 Mitglieder, dieCDU etwa 250.000 Mitglieder. Seither ging es mit den Mit-gliederzahlen bergauf, etwa Mitte der siebziger bis Mitte derAchtzigerjahre waren in Deutschland weit mehr Menschen in Par-teien organisiert als heute. Die CDU hatte 1983 mit über730.000 Mitgliedern ihren Höchststand erreicht, die SPD hatte inden Siebzigerjahren gar über eine Million Mitglieder. Die großeZeit der Parteien als Massenmitgliederorganisationen scheint aberin Deutschland vorüber zu sein. Seit diesen Höchstständen gehendie Mitgliederzahlen deutlich zurück. Allerdings sind von diesemRückgang vor allem die großen Parteien CDU und SPD betroffen,von den kleineren Parteien betrifft es nur die FDP. CSU undBündnis 90/Die Grünen haben verhältnismäßig stabile Mitglie-derzahlen.

Bei der Mitgliederstruktur unterscheiden sich die Parteien in Ost-und Westdeutschland drastisch voneinander. Der Hauptgrund dafürist in der Vergangenheit der Parteien in der DDR zu suchen. DiePDS, die ihre Wurzeln in der SED, der ehemals führenden Partei inder DDR hat, und die CDU und FDP mit ihren Blockparteivor-läufern hatten zum Ende der DDR sehr viele Mitglieder, währendBündnis 90/Die Grünen und die SPD ihren Mitgliederstamm ausdem Nichts aufbauen mussten, da diese Parteien in den neuenBundesländern erst neu oder wieder gegründet werden mussten. Diedeutsche Einheit war bei den Parteimitgliederzahlen ein deutlicherEinschnitt. Bei der CDU und bei der FDP ergaben sich im Zuge derEinheit die größten Veränderungen. Die CDU hat die Mitglieder derehemaligen Blockpartei CDU in Ostdeutschland übernommen.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 35

Page 36: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

36

Dadurch konnte sie ihre Mitgliederzahl von etwa 660.000 im Jahre1989 (West) auf etwa 770.000 im Jahre 1990 (Gesamtdeutschland)vergrößern. Allerdings hat sie durch einen massiven Mitglieder-verlust diesen Zugewinn bereits 1995 wieder verloren, seither sin-ken die Mitgliederzahlen weiter. Die FDP hat durch die deutscheEinheit ihre Mitgliederzahlen sogar mehr als verdoppelt. Durch dieVereinigung mit den ehemaligen Blockparteien LDPD und NDPDund der Übernahme der Mitglieder im Jahre 1990, schnellte dieZahl der FDP-Mitglieder von 65.000 auf beinahe 170.000 in dieHöhe. Dieser enorme Zuwachs war aber nicht von langer Dauer,denn mittlerweile haben etwa 100.000 Mitglieder die FDP wiederverlassen.

Die PDS ist seit 1989/90 am stärksten vom Mitgliederschwund be-troffen. Waren Ende 1989 in der DDR noch beinahe 1,5 MillionenMenschen Mitglied in der SED (zu Spitzenzeiten hatte sie überzwei Millionen Mitglieder), so brach diese Basis innerhalb weni-ger Monate beinahe komplett weg. Für Ende 1990 werden nochetwa 280.000 Mitglieder berichtet, im Jahre 2000 waren es nochetwa 80.000.

Die Mitglieder der PDS sind beinahe ausschließlich in den neuenBundesländern zu finden, nur etwa jedes 30. Mitglied wohnt in denalten Bundesländern. Bei der FDP unterscheidet sich der Orga-nisationsgrad nur unwesentlich zwischen Ost und West. CDU, SPDund Bündnis 90/Die Grünen hingegen bestehen zum großen Teil auswestdeutschen Mitgliedern, in den neuen Bundesländern sind siedeutlich schwächer vertreten.

Zusammensetzung und Aktivität

Bei weitem nicht alle Bevölkerungsteile sind gleichmäßig in denParteien vertreten, die Parteien sind also bezüglich ihrer Mitgliederkein Abbild der Bevölkerung. So liegt der Frauenanteil in allenParteien deutlich unter dem in der Bevölkerung, wo sie eine knappeMehrheit ausmachen. In den Parteien sind sie in der Minderheit,stellen etwa ein Viertel der Mitglieder von CDU oder FDP, etwas

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 36

Page 37: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

weniger als ein Viertel bei der CSU in Bayern, etwas mehr als einViertel bei der SPD. Bei Bündnis 90/Die Grünen sind etwa36 Prozent der Mitglieder Frauen, bei der PDS sind es gar45 Prozent. Beim Alter der Parteimitglieder kann man ebenfallseine deutliche Abweichung vom Altersaufbau der BundesrepublikDeutschland feststellen. Jüngere Menschen bis 30 Jahre sind inallen Parteien Mangelware, während ältere über 60 Jahre in allenParteien überrepräsentiert sind. Besonders drastisch ist diesesPhänomen bei der PDS zu beobachten, in der zwei Drittel allerMitglieder über 60 Jahre alt sind, aber nur 2 Prozent aller Mitgliederunter 30 Jahre. Diese Überalterung der Parteien hat sich in denletzten Jahren deutlich verschärft.

Die höheren Bildungsgruppen sind in allen Parteien deutlich über-repräsentiert. Am deutlichsten ist das bei Bündnis 90/Die Grünen,bei der FDP und der PDS zu beobachten, und selbst in der SPD alsursprüngliche Arbeiterpartei sind Mitglieder mit Hochschul- oderFachhochschulabschluss heute häufiger als in der Bevölkerung.Auch bestimmte Berufsgruppen sind in Parteien besonders starkvertreten. Beamte und Angestellte dominieren in allen Parteien,lediglich in der PDS stellen – dem Altersaufbau entsprechend – dieRentner mit deutlichem Abstand die größte Gruppe. Immer nochsind die Arbeiter am häufigsten in der SPD organisiert, dieSelbstständigen in CDU, CSU und FDP, aber diese Muster habensich in den letzten Jahrzehnten deutlich abgeschliffen.

Damit die Parteien die ihnen zukommenden gesellschaftlichenFunktionen erfüllen können, sind sie auf einen großen Mitglieder-stamm angewiesen. Sie können gesellschaftlich relevante Problemeeinerseits in die Parteien hineintragen und so einer politischenBehandlung zuführen, andererseits vermitteln sie politische Ent-scheidungen an ihr persönliches Umfeld. Somit tragen die Partei-mitglieder unmittelbar zum im Grundgesetz verankerten Auftragder Parteien bei, bei der politischen Willensbildung des Volkes mit-zuwirken.

37

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 37

Page 38: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

38

Innerhalb der Parteien sind die Mitglieder notwendig, um ihre Parteiim Wettbewerb der Parteien untereinander zu stärken. Sie sind dieBasis für die Auswahl von politischem Führungspersonal, ihreMitarbeit wird für einen wirksamen Wahlkampf gebraucht und sietragen über ihre Mitgliedsbeiträge erheblich zur Finanzierung derParteien bei. Parteien sind dauernd auf der Suche nach neuenMitgliedern, denn diese bringen neuen Schwung und neue Ideen indie Parteien. Und schließlich zeigt ein großer Mitgliederstamm auchan, dass eine Partei großen Rückhalt in der Bevölkerung hat, wasihren Anspruch an Mitwirkung unterstreicht. Den Mitgliedernkommt bei der Erfüllung der Parteifunktionen die zentrale Rolle zu,kurz: Die Mitglieder sind das Kapital einer Partei.

Aber nicht nur die Anzahl der Mitglieder ist für die Parteien ent-scheidend, sondern vor allem das Ausmaß, in dem sich die Mit-glieder an den Aktivitäten der Parteien beteiligen. Insgesamt kannman davon ausgehen, dass der Beitrag aktiver Mitglieder bei derErfüllung von Parteifunktionen deutlich größer ist als der Beitragpassiver Mitglieder. Passive Mitglieder sind solche, die nur aufdem Papier Mitglied sind, aber nur selten oder nie an Parteiver-sammlungen teilnehmen oder im Wahlkampf helfen. Die Aktivitätder Mitglieder sollte sich aber nicht nur auf die Wahlkampfzeitenbeschränken.

Dennoch zeigen alle Untersuchungen von Parteimitgliedern, dassjeweils nur ein kleiner Anteil der Mitglieder wirklich aktiv ist. Mankann davon ausgehen, dass etwa ein Viertel bis ein Drittel derMitglieder aller Parteien aktiv mitarbeitet, die übrigen nicht oder nurvereinzelt.

3.1.6 Parteien und Parlamente, Rolle im politischen System

Parteien beteiligen sich an Wahlen, um ihre Vertreter in die jeweili-gen Parlamente zu entsenden. Während es auf kommunaler Ebene jenach Bundesland unterschiedliche Regelungen gibt, so gilt aufLandesebene und auf Bundesebene die Fünf-Prozent-Klausel. Dasbedeutet, dass nur solche Parteien in die Parlamente einziehen, die

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 38

Page 39: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Abb.: Ergebnisse der Bundestagswahlen seit 1949(Prozent der Zweitstimmen und Sitze im Bundestag)

Quelle: Statistisches BundesamtREP: Die Republikaner; NPD: Nationaldemeokratische Partei Deutschlands; DP: DeutschePartei; KPD/DKP: Kommunistische Partei Deutschlands, ab 1972: Deutsche KommunistischePartei; GB/BHE: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten

1949

1953

1957

1961

1965

1969

1972

1976

19

8019

8319

8719

9019

94

1998

2002

Wah

lbe-

%78

,585

,587

,887

,786

,886

,791

,190

,788

,689

,184

,377

,879

,082

,279

,1te

iligu

ng

CD

U/

%31

,045

,250

,245

,347

,646

,144

,948

,644

,548

,844

,343

,841

,535

,138

,5C

SUS.

141

249

278

251

251

250

234

254

237

255

234

319

294

245

248

SPD

%29

,228

,831

,836

,239

,342

,745

,842

,642

,938

,237

,033

,536

,440

,938

,5S.

136

162

181

203

217

237

242

224

228

202

193

239

252

298

251

FD

P%

11,9

9,5

7,7

12,8

9,5

5,8

8,4

7,9

10,6

7,0

9,1

11,0

6,9

6,2

7,4

S.53

5343

6750

3142

4054

3548

7947

4347

Grü

ne%

1,5

5,6

8,3

5,1

7,3

6,7

8,6

S.–

2844

849

4755

PD

S%

2,4

4,4

5,1

4,0

S.17

3036

2

RE

P%

2,1

1,9

1,8

0,6

S.–

––

NP

D%

0,8

2,0

4,3

0,6

0,3

0,2

0,2

0,6

0,3

0,2

0,4

S.–

––

––

––

––

––

DP

%4,

03,

23,

4S.

1715

17

KP

D/

%5,

72,

20,

30,

30,

20,

2D

KP

S.15

––

––

GB

/%

5,9

4,6

BH

ES.

27–

Zen

trum

%3,

10,

8S.

103

Sons

tige

%15

,14,

42,

34,

91,

61,

10,

00,

30,

10,

00,

71,

81,

64,

02,

0S.

38–

––

––

––

––

––

––

Ges

amt

S.41

050

951

952

151

851

851

851

851

952

051

966

267

266

960

3

39

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 39

Page 40: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

40

insgesamt wenigstens fünf Prozent der abgegebenen Stimmen aufsich vereinigen konnten. Einzige Ausnahme von dieser Regel istdie Direktwahl einzelner Abgeordneter. Bei der Bundestagswahlbekommt jeder Abgeordnete ein Mandat, wenn er die Mehrheit derErststimmen in seinem Wahlkreis errungen hat. Der Einzug diesesAbgeordneten in den Bundestag ist unabhängig davon, ob seinePartei die Fünf-Prozent-Klausel übersprungen hat oder nicht. Vondieser Regelung ist auf Bundesebene seit der Bundestagswahl 2002die PDS betroffen. In zwei Wahlkreisen bekamen die Bewerber derPDS die meisten Erststimmen, daher sind diese beiden im Bundes-tag vertreten. Wäre es der PDS gelungen, in einem dritten Wahlkreisdie meisten Erststimmen zu bekommen, so wären nicht nur diesedrei PDS-Abgeordneten im Bundestag vertreten. Ab drei Direkt-mandaten ist nämlich die Fünf-Prozent-Klausel außer Kraft gesetzt,sodass eine Partei dann entsprechend ihrer Zweitstimmenzahl ander Verteilung der Mandate im Parlament beteiligt wird.

Abgeordnete einer Partei schließen sich im Parlament in so genann-ten Fraktionen zusammen. Das können sie aber nur, wenn siemindestens fünf Prozent der Mandate innehaben. Die beiden PDS-Abgeordneten im 15. Bundestag können daher keine Fraktion bil-den. Sie sind lediglich als einzelne Abgeordnete vertreten, könntenaber von anderen Fraktionen als Gäste aufgenommen werden.Fraktionen haben gegenüber einzelnen Parlamentariern zahlreicheVorteile, beispielsweise bekommen sie Zuschüsse für die Fraktions-arbeit und werden an der Zusammensetzung der Organe des Parla-ments (etwa Präsidium oder Ausschüsse) beteiligt. Die Fraktionensind in den Parlamenten die eigentlichen Zentren der Willens-bildung, und sie sind gleichzeitig der parlamentarische Arm derParteien.

Der Zusammenschluss zu Fraktionen ist zum einen deshalb not-wendig, weil nicht jeder Abgeordnete mit jeder Materie gleicher-maßen vertraut sein kann. In einer Fraktion können die Abge-ordneten die anstehende Arbeit aufteilen und sich auf einembestimmten Gebiet spezialisieren. In der Folge dieser Arbeitsteilung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 40

Page 41: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

41

gibt es beispielsweise einen Sprecher einer Fraktion für ein be-stimmtes Politikfeld. Auf Grund der Zugehörigkeit zu einergemeinsamen Fraktion einer Partei können sich die einzelnen Ab-geordneten dann in der Regel darauf verlassen, dass ihre Fraktions-kollegen in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet ähnliche Interessen undAnsichten vertreten wie sie es selbst täten, wenn sie auf diesemGebiet arbeiten würden. Die Folge davon ist, dass die Abgeordneteneiner Fraktion in der Regel eine gemeinsame politische Linie fin-den. Diese Linie wird von den Spezialisten erarbeitet, in der Frak-tion diskutiert und dann von den Abgeordneten der Fraktion vertre-ten. Hauptsächlich daher rührt das häufig zu beobachtende gleicheAbstimmungsverhalten der Abgeordneten einer Fraktion.

Der häufig dafür verwendete Ausdruck Fraktionszwang trifft aufdieses Verhalten aber nicht zu. Vielmehr handelt es sich um denAusdruck einer gemeinsamen Linie der Parlamentarier einerFraktion. Kein Parlamentarier kann von seiner Fraktion gezwungenwerden, in einer bestimmten Art und Weise abzustimmen. Aller-dings muss eine Fraktion darauf bedacht sein, dass ihre Mitgliederauch tatsächlich in der gleichen Weise abstimmen, denn die Ge-schlossenheit einer Fraktion macht einen erheblichen Teil ihrerStärke aus. Diese Geschlossenheit einer Fraktion wird über die sogenannte Fraktionsdisziplin erreicht. Falls einzelne Abgeordnete inbestimmten Fragen eine andere Meinung vertreten als die Mehrheitder eigenen Fraktion, so wird innerhalb der Fraktion versucht, dieseabweichenden Abgeordneten von der Mehrheitsmeinung zu über-zeugen. Nachdem Zwang als Druckmittel ausfällt, wird ihnen dieBedeutung einer gleichgerichteten Abstimmung aller Fraktions-mitglieder deutlich gemacht. Diese Bedeutung hängt sehr eng mitdem Regierungssystem zusammen.

Ein parlamentarisches Regierungssystem wie das der Bundesre-publik Deutschland macht die Organisation der Parlamentarier inFraktionen notwendig und erfordert gleichzeitig eine weit reichendeGeschlossenheit der Fraktionen. Der Bundeskanzler der Bundesre-publik wird von der Mehrheit des Bundestages gewählt. Er ist vom

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 41

Page 42: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

42

Vertrauen dieser Mehrheit abhängig, und diese Mehrheit wird vonden Regierungsfraktionen organisiert. Ist die oder eine der Regie-rungsfraktion(en) nicht in der Lage, diese Mehrheit zu organisieren,so schwächt sie damit die Position der Regierung erheblich. ImExtremfall kann eine andere Mehrheit den Bundeskanzler abwählenund selbst die Regierung stellen, wenn sie gleichzeitig mit der Ab-wahl des alten einen neuen Bundeskanzler wählt (das so genannteKonstruktive Misstrauensvotum). Wie leicht zu erkennen ist, hängtdie Notwendigkeit der Fraktionsdisziplin direkt mit der Mehrheitder Regierungsfraktion(en) im Bundestag, die häufig auch Kanzler-mehrheit genannt wird, zusammen. Ist diese Mehrheit komfortabel,so kann man über die eine oder andere Stimme, die nicht im Ein-klang mit der Mehrheit abgegeben wird, hinwegsehen. Je knapperdie Regierungsmehrheit ist, desto stärker ist auch der Druck auf eineinheitliches Abstimmungsverhalten innerhalb der Fraktionen.

Aber nicht nur die regierungstragenden Fraktionen sind auf Ein-heitlichkeit angewiesen, sondern auch die Oppositionsfraktionen.Einerseits kann die Opposition ihre abweichenden Politikvorstel-lungen nur dann im Bundestag wirkungsvoll vertreten und einbrin-gen, wenn sie geschlossen auftritt. Andererseits muss sich die Op-position im Parlament als Alternative zur derzeitigen Regierungdarstellen, was in sich stimmige und wenig intern umstritteneKonzepte erfordert. Schließlich zeigt sich, dass für viele Wähler eingeschlossenes Auftreten der Parteien ein wichtiger Grund ist, einebestimmte Partei zu wählen.

3.1.7 Wahlen und Wähler

Da der Erfolg von Parteien im Endeffekt am Wahlergebnis gemes-sen wird, kommt dem Wahlrecht und dem Wahlsystem eine gewich-tige Rolle für Wohl und Wehe der Parteien zu. In der Bundes-republik gelten die Grundsätze einer allgemeinen, unmittelbaren,freien, gleichen und geheimen Wahl. Diese allgemeinen Grund-sätze des Grundgesetzes werden im Bundeswahlgesetz näher gere-gelt. In diesem Bundeswahlgesetz ist das Wahlsystem festgelegt,das der vielleicht wichtigste Bestimmungsfaktor für ein Parteien-

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 42

Page 43: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

43

system ist. Das Wahlsystem entscheidet darüber, wie die abge-gebenen Stimmen in Parlamentssitze für die einzelnen Parteienübertragen werden. Das geschieht durch die Festlegung der Wahl-kreiseinteilung, der Wahlbewerbung, der Stimmgebung und derStimmenverrechnung.

Die Festlegungen des Wahlsystems sollen sicherstellen, das jedeabgegebene Stimme den gleichen Wert hat. Daher ist das gesamteGebiet z. B. der Bundesrepublik in Wahlkreise von ungefähr glei-cher Größe eingeteilt. Diese Einteilung muss auf Grund von Um-zügen der Bevölkerung von Zeit zu Zeit überprüft und eventuell neugeregelt werden. Die Stimmenverrechnung ist ebenso besonderswichtig bei der Umsetzung von Stimmen in Wahlergebnisse. Be-sonders für kleine Parteien ist die in der Bundesrepublik vorhan-dene Fünf-Prozent-Klausel von entscheidender Bedeutung, dabei Bundestagswahlen nur Parteien in den Bundestag einziehen, diemindestens fünf Prozent aller abgegebenen Stimmen auf sich ver-einigen können (Ausnahme: drei Direktmandate). Gerade dieseHürde zur parlamentarischen Repräsentation hat zur Stabilisierungund zur Konzentration des deutschen Parteiensystems beigetra-gen, das Aufkommen neuer Parteien allerdings auch erheblicherschwert. Als Parteiensystem bezeichnet man das Beziehungs-gefüge der politischen Parteien untereinander. Häufig wird bei derBeschreibung von Parteiensystemen der Blick vor allem auf dieParteien gerichtet, die im Parlament vertreten sind.

Bei der Bindung der Wähler an die Parteien lassen sich seit Beginnder Bundesrepublik Deutschland langfristige Trends ausmachen.CDU und SPD binden als so genannte Volksparteien dauerhaftden größten Teil der Wählerschaft an sich. Bei Bundestagswah-len entscheiden sich etwa 80 Prozent der Wähler für eine von ihnen,bei Landtagswahlen geringfügig weniger. Zu Beginn der Bundes-republik hatten eine Reihe kleinerer Parteien Wahlerfolge zu ver-zeichnen und zogen sogar in den Bundestag ein. Durch die Ent-wicklung der beiden großen Parteien hin zu Volksparteien oderMassenintegrationsparteien und nicht zuletzt durch die Einführung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 43

Page 44: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

44

einer bundesweiten Sperrklausel (Fünf-Prozent-Klausel) im Jahre1953 verringerte sich die Zahl der im Bundestag vertretenenParteien schnell. Bei den kleinen Parteien konnte sich zunächst nurdie FDP behaupten, die durch wechselnde Koalitionen mit den bei-den großen Parteien häufig an der Regierung beteiligt war. Erst1983 gelang es mit den Grünen wieder einer vierten Partei imBundestag Fuß zu fassen, wo sie mittlerweile sogar Regierungs-erfahrung sammeln konnte.

Die Wiedervereinigung war für das Parteiensystem auf Bundes-ebene ein eher kleinerer Einschnitt. Die PDS hatte sich bis zur Wahl2002 als fünfte Partei – und als dritte kleine Partei – im Bundestagetabliert, ist aber seither nur noch mit zwei direkt gewähltenParlamentariern vertreten. Die übrigen Kräfteverhältnisse sindweitgehend gleich geblieben. Auf Landesebene jedoch driften dieParteiensysteme eher auseinander. Während in den vielen west-deutschen Landtagen mit unterschiedlichen Mehrheiten die CDU,SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vertreten sind, zeichnet sichin den ostdeutschen Landtagen zunehmend ein Drei-Parteiensystemaus CDU, SPD und PDS ab. Die PDS hat im Westen also weder Mit-glieder noch Wähler, die beiden kleinen Parteien Bündnis 90/DieGrünen und FDP sind nach anfänglichen Erfolgen aus der ostdeut-schen Parteienlandschaft nahezu verschwunden und können nurregional auf ein Comeback hoffen.

Das langfristig relative stabile Parteiensystem der BundesrepublikDeutschland lässt sich auf die langfristig ebenfalls relativ stabileBindung bestimmter Bevölkerungsgruppen an die Parteien erklä-ren. Die CDU als überkonfessionelle Partei ist bei den Mitglie-dern der großen Konfessionen überdurchschnittlich erfolgreich,besonders vermag sie aber die Katholiken als Wähler anzusprechen.Wenn Katholiken dazu noch über eine starke Kirchenbindungverfügen, dann wählen sie besonders häufig die CDU. Außerdemist der Anteil der CDU-Wähler bei den älteren Menschen deut-lich größer als bei den jungen, bei der Landbevölkerung größer alsin der Stadt. Bei der SPD sind ihre Wurzeln als Arbeiterpartei noch

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 44

Page 45: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

45

zu erkennen. Arbeiter wählen überdurchschnittlich häufig die SPD,dieser Trend verstärkt sich noch, wenn die Arbeiter zusätzlich ineiner Gewerkschaft organisiert sind.

Die Zuordnung dieser Gruppen zu den Parteien wird allerdingszunehmend brüchiger. Zum einen werden die genannten Gruppenimmer kleiner, es gibt also zunehmend weniger kirchengebun-dene Katholiken und gewerkschaftsgebundene Arbeiter. Zum ande-ren wird auch die Bindung zwischen diesen Gruppen und denParteien schwächer.

In den neuen Bundesländern lässt sich die Bindung der Katholikenan die CDU ebenso beobachten wie im Westen, allerdings in etwasschwächerer Form. Die SPD kann kaum von einer überdurchschnitt-lichen Unterstützung der Arbeiterschaft profitieren. Vielmehr findetsie in allen Berufsgruppen annähernd gleich viel Unterstützung.

Eine weitere Ursache für das langfristig stabile Parteiensystem inder Bundesrepublik ist in der so genannten Parteiidentifikation zufinden. Große Bevölkerungsteile haben eine solche langfristige, ge-fühlsmäßige Bindung an eine Partei. In Westdeutschland habenetwa drei von vier Bürgern eine solche Bindung an eine Partei, etwaein knappes Drittel der Bürger bezeichnet diese Bindung sogar alsstark oder sehr stark. In Ostdeutschland sind Parteiidentifikationenweniger stark verbreitet. Etwa 60 Prozent der Ostdeutschen habeneine Parteiidentifikation, etwa jeder Vierte von ihnen bezeichnet sieals stark oder sehr stark. Diese Unterschiede sind im Wesentlichendarauf zurückzuführen, dass Ostdeutsche noch nicht genügend Zeitnach der Wende hatten, um eine langfristige Bindung an eine Parteiaufzubauen. Man könnte die Parteiidentifikation auch eine Art psy-chologische Parteimitgliedschaft nennen, Personen mit einer Partei-identifikation sind aber nur selten auch tatsächlich Mitglied derPartei, was man schon an den Mitgliedszahlen der Parteien ablesenkann. Sie wählen dann in der Regel im Einklang mit ihrer Partei-identifikation. Allerdings ist auch die Verbreitung der Parteiiden-tifikation in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 45

Page 46: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

46

zurückgegangen, sodass man von einer nachlassenden Stabili-sierung des Parteiensystems durch die Parteiidentifikation ausgehenkann.

Mit den abnehmenden Bindungen bestimmter Bevölkerungs-gruppen an die Parteien nimmt auch die Bereitschaft zu, bei auf-einander folgenden Wahlen die Stimme unterschiedlichen Parteienzu geben. Diese so genannten Wechselwähler entscheiden sichzunehmend nicht mehr auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stel-lung oder einer langfristigen Bindung für eine bestimmte Partei,sondern legen ihr Augenmerk verstärkt auf die Kandidaten und diepolitischen Positionen der Parteien. Bei einzelnen Wahlen kannman darüber hinaus auch feststellen, dass eine Reihe von Wäh-lern aus Protest kleinere Parteien wählt, die oft dem Rand des poli-tischen Spektrums entstammen. Sie wollen mit dieser Entscheidungden großen Parteien einen Denkzettel verpassen. Bei Landtags-wahlen spielt – in letzter Zeit zunehmend – auch die Bundespolitikein große Rolle. Wenn die Bürger mit der Bundesregierung unzu-frieden sind, dann entscheiden sie sich bei Landtagswahlen ver-mehrt gegen die im Bund regierende(n) Partei(en).

Die andere Möglichkeit, die Unzufriedenheit mit den Parteien aus-zudrücken, besteht darin, der Wahl fernzubleiben. Die Wahlbetei-ligung ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 zunächststetig gestiegen. Nach dem Höhepunkt bei der Bundestagswahl1972 mit 91,1 Prozent sank die Wahlbeteiligung bis 1990 wiederexakt auf das Niveau von 1949 ab (78,5 Prozent). Seither schwanktsie um die 80-Prozent-Marke. An der Wahlbeteiligung bei Bun-destagswahlen kann man also die Unzufriedenheit mit den Parteienschon teilweise ablesen. Sie tritt aber vor allem in Bevölkerungs-umfragen regelmäßig zu Tage.

3.1.8 Parteienkritik und Parteienverdrossenheit

Einige Anzeichen sprechen dafür, dass die Parteien in der Bundes-republik in einer Krise sind. Zunächst ist die Mitgliederentwicklung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 46

Page 47: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

47

überaus alarmierend. Zumindest die beiden großen Parteien habenvon ihren Höchstständen in den Siebziger- bzw. Achtzigerjahrenund im Jahre der Vereinigung beträchtlich an Mitgliedern verloren.Diese Entwicklung hat sich in den Neunzigerjahren deutlich be-schleunigt. Dazu kommt, dass die Zusammensetzung der Mitglied-schaften der Parteien immer weniger der Zusammensetzung derGesamtbevölkerung entspricht. Immer weniger Arbeiter sind in denParteien organisiert, dafür nimmt der Anteil der Angestellten undBeamten zu; alle Parteien haben einen deutlichen Mangel an jungenMitgliedern und drohen zu vergreisen. Diese Mitgliederstrukturdeutet darauf hin, dass das Angebot der Parteien immer wenigerattraktiv erscheint.

Zur Mitgliederentwicklung kommt die Entwicklung der Wahlbe-teiligung als Krisensymptom. Seit den Siebzigerjahren sinkt dieWahlbeteiligung in Deutschland deutlich ab, wenn sie auch iminternationalen Vergleich noch hoch ist und sich auch in den Neun-zigerjahren wieder stabilisiert hat. Vor allem den großen Parteiengelingt es immer weniger, die Stammwähler zu halten und zur Wahlzu mobilisieren.

Schließlich zeigt sich die Krise der Parteien am deutlichsten amgesunkenen Vertrauen der Bürger in die Parteien. Die Politikver-drossenheit, die im Kern eigentlich eher eine Parteien- oder Poli-tikerverdrossenheit ist, ist vermutlich das schwer wiegendsteProblem der politischen Parteien in der Bundesrepublik. Die Ur-sachen für die Parteienverdrossenheit sind vielfältig. An erster Stelleist die sehr problematische Finanzierung von Parteien und Poli-tikern zu nennen. Die von vielen Bürgern als unverhältnismäßighoch angesehenen Diäten der Parlamentarier, ihre Altersversorgungund die staatliche Parteienfinanzierung sorgen von vornherein füreine Distanz vieler Bürger zu den Parteien. Letztendlich sind aberwohl die Skandale über illegale Parteispenden der Auslöser für diewiederkehrende Diskussion über die Rolle der Parteien und dieEntfremdung der Bürger von den Parteien.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 47

Page 48: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

48

Das Allensbacher Institut für Demoskopie führt regelmäßig reprä-sentative Bevölkerungsumfragen durch, die auch das Ansehen vonParteien und Politikern zum Gegenstand haben. Darin kommt dieParteien- und Politikerverdrossenheit weiter Teile der Bevölkerungklar zum Ausdruck. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Ost- wieWestdeutschland gab im Jahr 2000 an, von den Parteien enttäuschtzu sein. Beinahe drei Viertel der Befragten war im Jahr 2002 davonüberzeugt, dass wichtige Entscheidungen durch Spenden an Par-teien erkauft wurden, 80 Prozent der Befragten zeigten sich voneiner Parteispendenaffäre nicht überrascht. Mehr als die Hälfte derBefragten in Ost und West gaben 1998 an, dass den Politikernjedes Mittel recht sei, um sich an der Macht zu halten. DasMisstrauen der Bevölkerung gegenüber Parteien und Politikern istalso weit verbreitet.

Wenn auch ein gewisser Teil dieses Misstrauens z. B. durch Skan-dale gerechtfertigt ist, so zeigt sich doch, dass auch Unkenntnisund falsche Vorstellungen über Parteien und Politik im Allgemeinenein Grund für solche Einschätzungen sind. Umfragen belegen eben-falls, dass weite Teile der Bevölkerung die Grundzüge des poli-tischen Systems nur unzureichend verstanden haben oder sichvollkommen falsche Vorstellungen davon machen.

Ein weiterer Ansatzpunkt für die Kritik an den Parteien ist dieweit gehende Durchdringung des politischen Systems und derGesellschaft. Parteien scheinen die politische Willensbildung unddie öffentliche Meinungsbildung nahezu monopolisiert zu haben.Kaum ein öffentliches Amt wird ohne Blick auf das Parteibuchvergeben, sämtliche politischen Institutionen sind von Parteimit-gliedern beherrscht. Die oft beschriebene Ämterpatronage durchpolitische Parteien, also die Besetzung von Stellen im öffentlichenDienst auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei,wird in Deutschland häufig stark kritisiert. Dennoch scheint sieeher zu- als abzunehmen.

Dazu kommt, dass die Organisation der Parteien teilweise derTrennung der Gewalten im Staat entgegenwirkt. Die obersten

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 48

Page 49: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

49

Bundesrichter werden nicht zuletzt nach Parteibuch ausgewählt. DieStaatsanwaltschaft ist an die Weisungen der Exekutive gebun-den und steht damit zwischen Judikative und Exekutive. Damitbesteht zumindest die Gefahr, dass Ermittlungsverfahren ausparteipolitischen Gründen beschleunigt oder verlangsamt bzw.verschleppt werden könnten, und dass dadurch die Unabhän-gigkeit der Judikative durch die Bindung an Parteien unterhöhltwird.

Die Rolle von politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutsch-land ist heute so umstritten wie nie zuvor. Die Krise der Parteienund die Verdrossenheit der Bürger geben genügend Anlass, dieseRolle im politischen System zu überdenken. Zahlreiche Wissen-schaftler und Publizisten haben Vorschläge zu einer Reform derRolle von Parteien in Deutschland gemacht. Eine Ausweitung derMöglichkeiten der direkten Demokratie ist einer der Lösungs-vorschläge, um der Parteienverdrossenheit zu begegnen. Die Be-völkerung soll durch Volksabstimmungen, Bürgerbegehren undReferenden stärker direkt an der Politik beteiligt werden. EineAbschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung wird nicht ernst-haft gefordert, wohl aber eine deutlich verbesserte Durchschau-barkeit. Erhöhte Transparenz wird auch bei der Besetzung öffentli-cher Ämter gefordert. Veränderungen des Wahlrechts könnten denBürgern mehr Einfluss verschaffen. Aber auch die Parteien selbstdenken über Wege aus der Krise nach. Direktwahlen aller Mitglie-der für bestimmte Parteiämter sind ebenso im Gespräch und bereitspraktiziert worden wie eine Verbesserung der Chancen für Querein-steiger, die sich nicht erst innerhalb der Parteien „hochdienen“ müs-sen. Schließlich wollen alle Parteien für Jugendliche und jungeErwachsene attraktiver werden. Bei all diesen Veränderungen lässtsich wohl kein Königsweg ausmachen. Aber die Diskussion überPolitikverdrossenheit zeigt deutlich, dass Veränderungen dringendnötig sind.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 49

Page 50: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

50

3.2 Parteien in den USA

3.2.1 Historische Entwicklung

Die USA gelten als das Land, in dem sich zum ersten Mal einmodernes Parteiensystem entwickelt hat. Trotz der zahlreichenUnterschiede zum deutschen Parteiensystem kann das amerikani-sche Parteiensystem als Vorbild für die westlichen Demokratien gel-ten: Die USA führten als erster Flächenstaat eine demokratischeVerfassungsordnung ein, die auf der Prämisse der Herrschaft desVolkes durch sich selbst gründete. Daher machten die Amerikanerzuerst die Erfahrung, dass es eines Transmissionsriemens zwischenStaat und Gesellschaft bedurfte, um die politische Willensbildungzu organisieren. Während es zu Beginn der amerikanischen Terri-torialentwicklung nur wenige Staaten waren, deren Zusammenhaltzu sichern und deren demokratische Willensbildung zu organisierenwar, so stieg mit der Zahl der amerikanischen Bundesstaaten dieNotwendigkeit, ein einigendes Band dieses Gemeinwesens durchnationale Parteien und Wahlen zu schaffen. Korrespondierend zudieser geografischen Entwicklung nahmen politische Parteien inden USA seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ihren Auf-schwung und zunehmend Einfluss auf den politischen Willens-bildungsprozess. Damit hatte sich sukzessive eine Abkehr von derParteienskepsis der amerikanischen Gründungsväter vollzogen.Denn politische Führungspersönlichkeiten wie George Washington,Alexander Hamilton, John Taylor und John Adams betrachtetenpolitische Parteien vorwiegend als Übel, durch die unvermeidlichunter den Bürgern und in den politischen Institutionen Streit aus-gelöst und damit die innere Einheit gefährdet würde. Vertreter wieThomas Jefferson, die Parteien hingegen als einen funktional not-wendigen Bestandteil jeder freiheitlichen politischen Ordnung an-sahen, waren in der Gründungsphase der Vereinigten Staaten nochin der Minderheit.

Die amerikanischen Parteien des 19. Jahrhunderts formierten sichim Gegensatz zu zahlreichen europäischen Parteien nicht auf Grund

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 50

Page 51: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

51

einer gemeinsamen politischen bzw. religiösen Weltanschauungoder eines geteilten sozialen Hintergrunds, sondern verkörpertenden Typus der Patronagepartei. Sie stellte vor allem ein Instrumentdes politischen Machterwerbs dar und diente vorwiegend zurBesetzung öffentlicher Ämter. Dies entsprach einer gesellschaft-lichen Entwicklung in den Vereinigten Staaten, in der Staat undKirche strikt von einander getrennt worden waren und die sich demEgalitätsprinzip, d. h. der Überwindung ständischer Strukturen und„Klassenschranken“ verpflichtet fühlte.

Die Patronageparteien amerikanischer Prägung konzentrierten sichin der Folgezeit nur noch auf ihre Funktion der Elitenrekrutierungfür Wahlen und unterließen eine programmatische Entwicklung, dieder europäischer Parteien vergleichbar gewesen wäre. Ihre Partei-programme blieben von Einzelfragen dominiert und weltanschau-lich allgemein. Stattdessen versorgten die Parteien ihre Mitglie-der und Anhänger mit öffentlichen Ämtern und Aufträgen und blie-ben gegenüber gesamtgesellschaftlichen Anliegen verschlossen.Erst mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts setzte ein Wandel deramerikanischen Parteien ein, der vor allem ausgelöst wurde durchReformen der Verwaltungen, eine verstärkte Beteiligung des Wahl-volkes bei der Kandidatenaufstellung, eine Nationalisierung deramerikanischen Politik und einen tief reichenden gesellschaftlichenWandel. Diese veranlassten die Parteien, nun ein umfassendes undzugleich differenziertes Programmprofil zu entwickeln, das nichtmehr nur eine spezifische Klientel ansprach, sondern gesamtgesell-schaftliche Perspektiven aufzeigen sollte.

3.2.2 Rechtsstellung

Im Gegensatz zum politischen System der Bundesrepublik, in demParteien nicht nur eine zentrale politische Bedeutung besitzen, son-dern sich mit dem Art. 21 des Grundgesetzes auch auf eine verfas-sungsrechtliche Grundlage stützen können, genießen die Parteien inder amerikanischen Verfassung keinen exponierten Status, im Ge-genteil: Als Ausdruck der angesprochenen Parteienskepsis habendie Verfassungsväter der Vereinigten Staaten Parteien in diesem

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 51

Page 52: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

52

grundlegenden Dokument des politischen Systems nicht erwähnt.Dies wurde auch durch spätere Verfassungszusätze nicht nachge-holt. Auch in der heutigen Verfassungspraxis finden sich nach wievor Zeichen dieser Parteienskepsis. Ihr Ausdruck sind z. B. die ineinigen amerikanischen Bundesstaaten anzutreffenden Bemühun-gen, die Rolle von Parteien in der politischen Willensbildung zu be-grenzen. So dürfen dort Parteien keine Wahlempfehlungen für inVorwahlen kandidierende Bewerber abgeben. Zugleich erlaubeneinzelne Staaten Politikern, für mehrere Parteien zu kandidieren,sodass die aus der Bundesrepublik bekannte Identifikation einerPerson mit einer Partei verhindert wird. Auch auf der kommunalenEbene finden sich häufig ähnliche Beschränkungen, wenn z. B.Kandidaten für ein Wahlamt nicht offen mit ihrer Parteizugehörig-keit werben dürfen. Grundlage dieser Regelungen ist das Idealbildeiner sachbezogenen, dem Parteienstreit entzogenen Kommunal-politik.

Zudem fehlt in den USA auf der Bundesebene ein Parteiengesetz,das dem der Bundesrepublik vergleichbar wäre. Dies bedeutet je-doch nicht, dass ein rechtliches Vakuum existiert, in dem die ameri-kanischen Parteien tätig sind. Denn auf der einzelstaatlichen Ebenefinden sich in nahezu allen Verfassungen Bestimmungen bezüglichdes Status‘ und der Aktivitäten von Parteien sowie Wahlgesetze, diein detaillierter Form Fragen der Wahlkampf- und Parteienfinan-zierung regeln. Im Gegensatz zur Bundesrepublik gewähren dieseRechtsvorschriften den Parteien jedoch kaum Privilegien, sondernsuchen mit Kontrollvorschriften die innerparteiliche Demokratie,vor allem bei der Kandidatennominierung für Wahlen, zu sichern.Ziel hierbei ist es, die Bürger nicht erst mit der Wahl über bestimm-te Kandidaten entscheiden zu lassen, sondern diese bereits in dieKandidatenauswahl der Parteien einzubinden und damit den Ein-fluss von Parteieliten zu begrenzen.

3.2.3 Organisationsaufbau

In ihrem organisatorischen Aufbau unterscheiden sich amerikani-sche Parteien von den deutschen Zusammenschlüssen. Dies beginnt

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 52

Page 53: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

53

bei der Mitgliedschaft: In einem formalen Sinne existiert keineParteimitgliedschaft, da weder ein Parteibuch oder ein entsprechen-der Parteibeitrag noch ein formeller Parteibeitritt oder -ausschlussvorhanden sind: „Partei-Mitglied ist vielmehr, wer sich als solchesfühlt, sich öffentlich zu einer Partei bekennt, sich eventuell finanzi-ell und organisatorisch in einer Partei engagiert oder sich bei der (...)Wählerregistrierung in der Rubrik parteigebundener Wähler untereiner der aufgelisteten Parteien eingetragen hat, an deren Vorwahl erteilnehmen möchte.“ (Klumpjan, S.20) Damit wird deutlich, dassdie Mitgliedschaft in amerikanischen Parteien in einem eher weitenSinne begriffen werden muss und sich von außen nicht immer klaridentifizieren lässt. Wähler einer Partei, Bürger, die sich ihr zuge-hörig fühlen, und diejenigen, die sich bei Vorwahlen für sie habenregistrieren lassen, können in amerikanischer Perspektive zu Partei-mitgliedern gerechnet werden.

Diese eher lose Verbindung der Partei zu ihren Mitgliedern setztsich auch bei der inneren Verfasstheit der republikanischen und derdemokratischen Partei fort. Sie besitzen kaum bundesweit klarstrukturierte Organisationsformen, sodass Parteienforscher im Falleder USA häufig nicht von Parteien im eigentlichen Sinne, sonderneher von Wählervereinigungen sprechen. Dezentralisierung und Föde-ralismus dominieren ihren inneren Aufbau. Lokale und einzelstaat-liche Parteiorganisationen, die autonom in ihren Entscheidungensind, bilden von unten nach oben als Organisationspyramide denUnterbau der nationalen Parteiorganisationen, die bis zum Ende der1970er Jahre von einer bemerkenswerten Schwäche gekennzeichnetund politisch marginalisiert waren. Seitdem sind vorsichtige Bemü-hungen erkennbar, die Struktur und Handlungsfähigkeit der natio-nalen Parteiorganisationen zu stärken und damit auch ihre Bedeu-tung für Kongress- und Präsidentschaftswahlkämpfe zu erhöhen.

Drei wichtige Gremien, die unterschiedliche Aufgaben wahrneh-men, bilden bei amerikanischen Parteien den Kern der Organisa-tion: National Committees, National Conventions und Congressio-nal Campaign Committees.

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 53

Page 54: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Das National Committee einer amerikanischen Partei ist zwischenden Parteitagen das wichtigste Entscheidungsgremium der schwachausgebildeten Parteiorganisation und führt die laufenden Geschäfte.Seine Mitglieder treten jedoch außerhalb eines Präsidentschafts-wahljahres nur selten zusammen und besitzen daher geringe politi-sche Bedeutung. Nur die beiden offiziellen Parteivorsitzenden kön-nen ein wenig mehr politisches Profil gewinnen, sind jedoch einerbreiteren Öffentlichkeit kaum bekannt und werden im Vergleich zueinzelnen Senatoren und Repräsentanten faktisch nicht wahrgenom-men. Hauptaufgabe des National Committees war bis in die 1970erJahre die Vorbereitung und Durchführung der National Convention,des zentralen Treffens zur Nominierung des Präsidentschaftskan-didaten, das – trotz aller Schwierigkeiten beim Vergleich – amehesten den Charakter eines aus der Bundesrepublik vertrautenBundesparteitages trägt. Seit den 1980er Jahren haben Demokratenund Republikaner versucht, ihre jeweilige nationale Parteiorgani-sation personell, finanziell und strukturell zu stärken. Die Aufgabender National Committees, die enorm vergrößert worden sind unddenen heute eine große Zahl von professionellen Mitarbeitern zurVerfügung steht, sind seitdem die Unterstützung für Kandidaten derParteien bei Wahlen, z. B. durch das Sammeln von Spenden, dieErhebung von Meinungsumfragen, die Koordination der Wahl-kampfwerbung u.a.m.

Die größte Bedeutung besitzt in beiden Parteien die alle vier Jahrestattfindende National Convention, deren Aufgabe es ist, die Kan-didaten der Partei für das Amt des Präsidenten bzw. des Vize-Präsidenten zu nominieren, das Parteiprogramm für den anstehen-den Wahlkampf zu verabschieden und Funktionäre für einzelneParteiposten zu bestellen. Daneben dienen sie der Darstellung derPartei und ihrer Anliegen in den nationalen Medien. Da der zeitlicheUmfang der National Conventions mit drei bis vier Tagen begrenztund die Zahl der Parteitagsteilnehmer in den vergangenen zwanzigJahren enorm gestiegen ist – so nehmen am Parteitag der demokra-tischen Partei mehr als 4000 Delegierte aus den amerikanischenBundesstaaten teil –, bleibt kaum Raum für innerparteiliche Pro-

54

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 54

Page 55: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

grammdebatten. Die Wahlprogramme der Parteien, die Platforms,sind daher wenig spezifisch, sondern eher allgemein gehalten undbesitzen kaum verbindliche Wirkung für den Präsidentschaftskan-didaten einer Partei. Im Gegensatz zu den Programmen deutscherParteien besitzen die Parteiprogramme amerikanischer Parteien nurkurzfristig Bedeutung und weisen der Partei keine feste Rolle imweltanschaulichen Spektrum der USA zu.

Schließlich ist als drittes Gremium der amerikanischen Parteien dasCongressional Campaign Committee zu berücksichtigen. DieserAusschuss, der sich aus der Partei angehörenden Abgeordneten desRepräsentantenhauses und des Senats zusammensetzt, unterstreichtebenfalls die dominierende Wahlbezogenheit der amerikanischenParteien und bildet zugleich eine Brücke zum konkreten legislativenHandeln. Die Congressional Campaign Committees fördern dieWiederwahlkampagnen einzelner Kongressmitglieder finanziell,mit Wahlkampfmaterialien oder personeller Unterstützung.

Auf Grund der Tatsache, dass es keine Mitglieder in einem engerenSinne gibt, können die amerikanischen Parteien keine Mitglieds-beiträge erheben. Auch andere, aus Europa bekannte Finanzierungs-quellen sind in den USA aus den verschiedensten Gründen nichtvorhanden: Weder erhalten die demokratische und die republikani-sche Partei Mittel von ihren Mandatsträgern in den Parlamentenoder besitzen ein Einkommen aus wirtschaftlichen Aktivitäten, nocherhalten sie vom Staat eine finanzielle Unterstützung, die der deut-schen Parteienfinanzierung vergleichbar wäre. Die direkte staatlicheSubventionierung der Parteien umfasst lediglich die Erstattungeines Teils der Wahlkampfkosten, insbesondere die Finanzierungder National Conventions, und eine beschränkte Förderung einzel-ner Präsidentschaftskandidaten. Ziel der Parteienfinanzierungsre-formen der 1970er Jahre ist es gewesen, die Parteifinanzen und dieWahlkampfausgaben der Parteien sowie Kandidaten transparenterzu machen und einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen. Dies istin weiten Teilen auch gelungen. Sie hat jedoch in der Praxis gleich-zeitig einer Umwegfinanzierung den Weg geebnet: Political Action

55

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 55

Page 56: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Committees (PAC), die den staatlichen Kontrollversuchen entzogensind, sammeln als Wahlkampforganisationen wirtschaftlicher Inter-essenverbände, ideologischer Gruppierungen oder Vertretungen vonEinzelinteressen Spenden und stellen diese Parteien und Kandidatenzur Verfügung. Eine zweite Konsequenz der nahezu völlig fehlen-den öffentlichen Parteienfinanzierung wiegt noch schwerer:Kandidaten ohne persönliches Vermögen oder potente Fördererhaben so gut wie keine Chance, in ein Amt gewählt zu werden. Dergleichberechtige Zugang zu öffentlichen Ämtern ist damit kaumnoch gegeben. Zudem müssen auch Amtsinhaber einen Großteilihrer Zeit auf das Einwerben von Spenden verwenden. Ihre materi-elle Abhängigkeit von Spenden macht sie dabei im Vergleich zudeutschen Abgeordneten anfälliger für Bemühungen gesellschaft-licher Akteure, die ihre Spenden an ein bestimmtes politischesVerhalten eines Mandatsträgers knüpfen.

Haupteinnahmequelle der amerikanischen Parteien sind Spenden-gelder, auf deren Einwerbung die Parteien bzw. die Kandidaten sehrviel Aufwand verwenden müssen. Fundraising ist in den USA dahernicht nur in Wahlkampfzeiten eine Notwendigkeit, für die die Par-teien ein ausgefeiltes Instrumentarium entwickelt haben.

3.2.4 Die Rolle der amerikanischen Parteien im politischen System

Im Verlauf dieser Untersuchung sind die verschiedenen Funktionenvon Parteien in allgemeiner Form ausgeführt worden. Vergegenwär-tigt man sich diese Differenzierung, so treten die Charakteristika deramerikanischen Parteien deutlich hervor. Diese sind in der amerika-nischen Geschichte niemals als Programmparteien hervorgetretenund haben die Funktion der politischen Zielfindung, wie wir sie u.a.bei den deutschen Parteien vorfinden, nicht ausgeübt: „Vielmehrpräsentier(t)en sie sich als Instrumente der Herrschaftsorganisation,der Rekrutierung politischen Führungspersonals, der Organisationvon Wahlen und des Zusammenfügens disparater Interessen zuAktionseinheiten, erfüll(t)en sie vorrangig Wahl- und Kandidaten-rekrutierungsfunktionen für öffentliche Ämter“ (Wasser, S.316).

56

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 56

Page 57: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien besitzen aber nach wie vor weitere Funktionen im politi-schen System, von denen zumindest drei angesprochen werdenmüssen. In einem Land wie den Vereinigten Staaten, das sich vonBeginn an als Einwanderungsland begriffen hat und seit mehr alszweihundert Jahren zu einem Anziehungspunkt für Migranten ge-worden ist, kam den amerikanischen Parteien immer auch die Auf-gabe der politischen Sozialisation zu. In einer ethnisch und sozialzersplitterten Gesellschaft boten sie den Neuankömmlingen ersteBezugspunkte für eine neue nationale Identität und erleichtertenderen politische Teilhabe. Wenn auch in ungleich geringerem Maßeals europäische Parteien übten die amerikanischen Parteien dochauch die Funktion der Interessenaggregation aus, d. h. die Bün-delung politischer Interessen von unterschiedlichen sozialen undethnischen Gruppen. Die New Deal-Koalition, die sich in den1930er Jahren angesichts der Frage nach der Rolle des Staates beider Neuorganisation des amerikanischen Kapitalismus herausbilde-te, ist hierfür ein gutes Beispiel. Dieses in den 1970er Jahren zer-fallene Wählerbündnis aus gewerkschaftlich organisierten Indus-triearbeitern, Afro-Amerikanern, ethnischen Bevölkerungsgruppen,Katholiken, Juden, Intellektuellen und ihren traditionellen Wählernaus den Südstaaten garantierte der demokratischen Partei für nahe-zu vierzig Jahre die nur selten durchbrochene politische Herrschaftin den Vereinigten Staaten.

Schließlich sichern die amerikanischen Parteien in besondererWeise die Legitimität und Effizienz des politischen Systems, in demsie nämlich angesichts der strikten Trennung der Institutionen undder Grundannahme des politischen Systems, derzufolge eineMachtblockade einer zu starken Machtkonzentration vorzuziehensei, überhaupt die Regierungsfähigkeit im politischen Systemherstellen. Sie dienen als Brücke zwischen Exekutive und Legis-lative und sind so in der Lage, Blockaden im politischen Entschei-dungsprozess zu verhindern.

57

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 57

Page 58: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

3.2.5 Wähler und Wahlbeteiligung

Kennzeichnend für Präsidentschafts- und Kongresswahlen in denVereinigten Staaten ist ein seit Jahrzehnten anhaltender Rückgangder Wahlbeteiligung: Während sich bei Präsidentschaftswahlen dieBeteiligung um die 50 % eingependelt hat, gehen bei den Kon-gresswahlen nur zirka 40 % der amerikanischen Bevölkerung zurWahlurne. Dies muss nicht zwangsläufig als Zeichen einer Parteien-oder Politikverdrossenheit interpretiert werden, denn im Gegensatzzur Bundesrepublik beteiligen sich deutlich mehr amerikanischeBürger über Vorwahlen an der Aufstellung der Kandidaten. Bedeut-samer für den Status von Parteien im politischen System der USAsind zwei andere Trends, die sich aus dem Wahlverhalten ablesenlassen: zum einen die anhaltende Tendenz zur Stimmaufspaltung,das Ticket Splitting, zum anderen die abnehmende Bereitschaft derWähler zu einer anhaltenden Identifikation mit einer der beidengroßen Parteien.

Bis in die 1980er Jahre hinein gab eine dominierende Gruppe unterden Wählern ihre Stimmen bei Präsidentschafts- und Kongress-wahlen den Kandidaten einer Partei. Seitdem sind jene Wähler inder Mehrheit, die mit ihrer einen Stimme den Kandidaten der repu-blikanischen Partei und mit ihrer anderen den der demokratischenPartei wählen. Dies bewirkt im politischen System einen Zustand,der mit dem Ausdruck des Divided Government beschrieben wird,wenn nämlich der Präsident der Republikaner einem demokratischgeführten Kongress (oder umgekehrt) gegenübersteht. Da dies dieNotwendigkeit zur Kooperation zwischen Exekutive und Legisla-tive erhöht, begünstigt sie politische Entscheidungen, die der politi-schen Mitte zuzurechnen sind. Diese Konstellation ist mittlerweileein bevorzugtes Szenario der amerikanischen Wähler geworden. Sieist Ausdruck der geschwundenen Identifikation der Wähler mit einerder beiden großen Parteien, die sich auch in der gestiegenen Zahlvon Wechselwählern niederschlägt. Zudem begünstigt diese abneh-mende Bindung das Erstarken von dritten Parteien im politischenSystem der USA. Sie ist in eine breitere Entwicklung einzubetten,

58

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 58

Page 59: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

die häufig als Krise des amerikanischen Parteiensystems beschrie-ben wird. Neben dem permanenten Rückgang erklärter Parteian-hänger und dem Unbehagen vieler Bürger mit den politischenInstitutionen ist seit den 1970er Jahren ein zunehmendes Enga-gement der amerikanischen Bürger in single issue-Bewegungen undad hoc-Initiativen erkennbar. Die großen Parteien gelten in derEinschätzung der amerikanischen Bürger offensichtlich also nichtmehr als die alleinigen Vertreter ihrer Interessen.

3.2.6 Die USA als Zwei-Parteien-System

Das relative Mehrheitswahlrecht in den USA begünstigt aufBundes- wie auf Einzelstaatsebene die Konzentration des Par-teiensystem auf zwei große Parteien, nämlich die Republikanischeund die Demokratische Partei, und reduziert zugleich die Chancenvon dritten Parteien auf den Gewinn von Mandaten bei Kongress-wahlen oder im Wahlmännergremium, das den Präsidenten wählt.Daher wird das amerikanische Parteiensystem häufig als der klassi-sche Typ eines Zweiparteiensystems mit relativ häufig wechselnderVorherrschaft eingeordnet. Beide Parteien entwickeln zwar unter-schiedliche Programmatiken, bleiben weltanschaulich jedoch in derMitte des politischen Spektrums. Es gibt immer wieder im Senatoder dem Repräsentantenhaus unabhängige Abgeordnete, bei diesenhandelt es sich jedoch nicht um eine dritte Kraft im engeren Sinne,sondern um Mandatsträger, die eine der beiden großen Parteien ver-lassen haben. In der Regel sind allerdings deren Chancen, bei dernächsten Wahl wieder in das Parlament einzuziehen, sehr gering,denn ohne die Unterstützung einer der beiden großen Parteien ist dieWiederwahl eines Abgeordneten, sofern er sich nicht bundesweitprofilieren konnte, mehr als schwierig.

Das amerikanische Zweiparteiensystem reicht bis zur Gründung derVereinigten Staaten zurück und hat sich seitdem vor allem aus zweiGründen als stabil erwiesen. Zum einen ist es den beiden Parteiengelungen, gesellschaftliche Grundkonflikte als Konfliktfronten inder politischen Auseinandersetzung umzuformen und immer wiederzu aktualisieren. Zum Zweiten haben politisch-kulturelle und in-

59

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 59

Page 60: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

stitutionelle Rahmenbedingungen das existierende Parteiensystemdauerhaft begünstigt. Nicht zuletzt ist das Zweiparteiensystem inden Vereinigten Staaten auch dadurch stabil, dass es Teil der politi-schen Kultur geworden und bei den Wählern tief verwurzelt ist. Esgilt als ein Kompromiss zwischen den zu Beginn ausgeführtenPositionen unter den Verfassungsvätern: Zwar sind Parteien not-wendig, um in einer modernen Massendemokratie wie den USA diepolitische Willensbildung zu organisieren, ein Vielparteiensystemeuropäischer Prägung gilt Amerikanern aber nicht als angemesseneAusdrucksform pluralistischer Gesellschaften, sondern als ein insta-biles politisches System. Der Preis für diese Reduktion war und istim politischen System der USA, dass die Zahl der angebotenen po-litischen Alternativen begrenzt ist und ihre Inhalte sehr vereinfachtsind. Zwei klare und einfache Entscheidungsalternativen beherr-schen amerikanische Wahlkämpfe, wohingegen die europäischenWähler zwischen einer häufig als verwirrend wahrgenommenenAnzahl von Wahlmöglichkeiten zu entscheiden haben.

Da diese Begrenztheit der Handlungsalternativen nicht immer dieUnterschiedlichkeit der existierenden gesellschaftlichen Interessenwiderspiegelt, hat es in den USA immer wieder Versuche gegeben,dauerhaft dritte Parteien zu installieren. Aus den genannten Grün-den ist es für diese schwierig, bei den Kongresswahlen ein Mandatzu erzielen. Ungleich erfolgreicher waren dritte Parteien jedoch beiden amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Lediglich auf zweiBeispiele sei an dieser Stelle verwiesen. Bei den Wahlen 1968konnte George C. Wallace als unabhängiger Kandidat 9,9 Mio.Stimmen, d. h. 13,5 % der Wähler auf sich vereinigen. Im Jahr 1992übertraf H. Ross Perot dieses Ergebnis noch, als er mit über19,7 Mio. Stimmen 18,9 % der Wähler für sich gewinnen konnte.Zwar besaßen diese beiden Kandidaten keine Chance, selbst insPräsidentenamt zu gelangen. Sie hatten aber dennoch wahlentschei-dende Bedeutung, da sie anderen Kandidaten wertvolle Stimman-teile abnahmen und dadurch die Wahl entschieden. So gewann Perotbei den Wahlen 1992 seine Stimmen vor allem im republikanischenLager, reduzierte damit den Stimmanteil des damaligen Präsidenten

60

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 60

Page 61: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

und republikanischen Kandidaten George Bush und ermöglichte soden Sieg des demokratischen Kandidaten William J. Clinton. DerEinfluss dritter Parteien kann auch noch auf eine andere Weiseindirekt wirken, wenn nämlich die beiden großen Parteien die Zieleder dritten Partei in ihre Programmatik einbeziehen und damit ihreMachtposition im politischen System zu sichern suchen.

3.3 Parteien in Großbritannien

3.3.1 Historische Entwicklung

Politische Parteien in einem weiteren Sinne sind in Großbritannienzu einem früheren Zeitpunkt entstanden als in anderen europäischenStaaten. Bereits am Ende des 17. Jahrhunderts hatten sich im Zu-sammenhang mit der Glorious Revolution 1688/89, einem für diebritische Verfassungsentwicklung bedeutsamen Machtkampf zwi-schen dem Königshaus und dem Parlament, die Whigs und dieTories herausgebildet und ein erstes britisches Zweiparteiensystemkonstituiert. Während die Whigs, die vor allem von den Land-besitzern und dem Handel unterstützt wurden, die Rechte und poli-tischen Geltungsansprüche des Parlaments vertraten, fochten dieTories für die Rechte der Krone. Diese Parteien blieben mit ihrenBezeichnungen auch das 18. Jahrhundert über erhalten, die ur-sprünglichen politischen Gegensätze traten jedoch in den Hinter-grund bzw. wurden durch keine neuen fundamentalen gesellschaft-lichen Interessengegensätze abgelöst, auf Grund derer sich Parteienhätten herausbilden können. Stattdessen wandelten sich die beidenGruppierungen zu losen Zusammenschlüssen von Parlamentsmit-gliedern, die jedoch nicht die parlamentarische Stütze der Regie-rung waren. Diese band einzelne Abgeordnete durch materielle oderpolitische Begünstigungen in ihre Politik ein und sicherte sich somitdauerhaft deren Unterstützung. Als diesem Patronagesystem gegenEnde des 18. Jahrhunderts die Grundlage entzogen wurde, schlug inder britischen Verfassungsentwicklung erneut die Stunde der Par-teien, diesmal allerdings unter veränderten Vorzeichen: Von nun anwaren sie die Träger des parlamentarischen Regierungssystems,

61

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 61

Page 62: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

deren zentrale Funktion die Bereitstellung und Kontrolle einerRegierung war. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die britischen Par-teien jedoch kaum Ähnlichkeit mit Parteien moderner Prägung. Siehatten noch kein klares Wahlprogramm entwickelt, mit dem siegegenüber den Wählern hätten auftreten können und besaßen nochkeine landesweite Struktur oder Organisation, die eine flächen-deckende Tätigkeit erlaubt hätte. Es handelte sich daher nur bedingtum umfassende Repräsentanten der britischen Gesellschaft, diederen Interessen bündelten und in den politischen Prozess einspeis-ten. Erst die Wahlrechtsreformen des 19. Jahrhunderts, die einergrößeren Zahl von Bürgern das Wahlrecht einräumten und existie-rende Ungleichheiten der Wahlgesetzgebung einebneten, wiesenden Parteien diese Funktionen zu. Das Prinzip von Parteienregie-rungen war in Großbritannien also bereits über Jahrzehnte einge-führt, bevor diese Parteien sich zu wirklichen Transmissionsriemenzwischen Staat und Gesellschaft entwickeln konnten.

Mitte des 19. Jahrhunderts erneuerten sich die Parteien jedoch nichtnur organisatorisch, sondern auch ideologisch, denn trotz desFesthaltens an den Namen der Whigs und Tories handelte es sichfaktisch um Neugründungen, die sich programmatisch reformiertenund neue Verbindungen mit gesellschaftlichen Gruppen eingingen.Diese Parteientwicklung fällt mit einer Phase der britischenGeschichte zusammen, die von einem radikalen Wandel der sozia-len und ökonomischen Verhältnisse in Großbritannien gekenn-zeichnet ist: der industriellen Revolution. Neue Produktions-,Besitz- und Lebensverhältnisse entwickelten sich und verändertendamit auch die Bezugspunkte parteipolitischer Aktivitäten. Zuvorwaren religiöse Weltanschauung und regionale Traditionen diebeiden Bezugspunkte, auf Grund derer sich die liberale von derkonservativen Wählerschaft unterschied. Damit entstand ein festespolitisches und gesellschaftliches Grundmuster. Mit dem aus-gehenden 19. Jahrhundert traten die Unterschiede in den Besitz-verhältnissen, die Klassenfrage, nun als die wichtigste Bruchlinieder britischen Politik hervor, entlang derer sich die Parteien positio-nierten. Die Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht bzw. zum Bürgertum

62

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 62

Page 63: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

und zum Adel waren nunmehr die wichtigsten Determinanten fürWahlentscheidungen einerseits und für die programmatischen Ent-wicklungslinien der Parteien andererseits. Andere zuvor domi-nierende Spannungslinien traten dahinter zurück, ohne jedoch voll-ständig ihre prägende Kraft zu verlieren.

Dieser Transformation des britischen Parteiensystems, deren sicht-barster Ausdruck der Niedergang der Liberalen und ihre Ersetzungals zweiter Partei durch Labour war, kann mit dem Ende desZweiten Weltkriegs als abgeschlossen gelten. Seitdem unterliegendie Parteien verschiedenen Wandlungsprozessen, deren Gründeund Auswirkungen noch nicht abschließend geklärt sind. Die bei-den großen Parteien haben bei Unterhauswahlen an Stimmen ver-loren (von zusammen 97,1 % im Jahr 1951 auf 70 % im Jahr 1983).Gleichzeitig erlebten mit den Liberalen und der Social DemocraticParty (SDP) Parteien ihren Aufschwung, die vor allem Wähleran sich banden, die gerade nicht entlang der traditionellen Klas-senlinie abstimmten. Dass der Bezugspunkt der Klassenzugehö-rigkeit bei Wahlen endgültig an Bedeutung verloren hat, unter-streicht die Renaissance der Labour Partei unter Tony Blair: Jeweiter sich die Partei von traditionellen marxistischen Positionenentfernte, die sie noch in den 1980er Jahren bezogen hatte, destomehr stieg ihr Ansehen bei den Wählern. So steigerte sie ihrenStimmanteil von 34,4 % im Jahr 1992 auf 45 % im Jahr 1997.

Für den Bedeutungsverlust der Klassenzugehörigkeit als Wahl-kriterium gibt es verschiedenen Gründe. Zum Ersten ist eine grund-sätzliche Schrumpfung der Arbeiterklasse in Großbritannien zu ver-zeichnen; zum Zweiten hat sich die politische Verpflichtung auf-gelöst, die sich aus einer Klassenzugehörigkeit ableitet. Während esfür britische Arbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg keine ernsthafteAlternative dazu gab, Labour zu wählen, haben sich heute die tra-ditionellen Verbindungen von Klassen und Parteien in Großbri-tannien aufgelöst. Ergänzend dazu hat die Zahl der Wechselwählerzugenommen, die sich vorwiegend an den Positionen der Parteienzu aktuellen Sachfragen und deren Problemlösungskompetenz

63

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 63

Page 64: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

orientieren. Ein neuer Trend der britischen Politik, dem auch dieParteien unterliegen und der die Bedeutung des Klassenbegriffszunehmend ablöst, ist die Denationalisierung, also der Bedeutungs-gewinn der schottischen und der walisischen Regionalparteien, aberauch die zunehmende Spaltung Großbritanniens in einen von derkonservativen Partei dominierten Süden und einen von Labourbeherrschten Norden. Diese Bruchlinie, hinter der sich die Klassen-frage in verwandelter Form z. T. noch verbirgt, charakterisiert heutedas britische Parteiensystem erheblich.

3.3.2 Rechtsstellung

Die rechtliche Stellung der Parteien entspricht nicht ihrer zentralenBedeutung im politischen System. Da eine schriftliche Verfassungfehlt, existiert keine entsprechende rechtliche Fundierung ihrerRolle. Bis heute handelt es sich bei den britischen Parteien um pri-vate freiwillige Vereinigungen, die keinen exponierten juristischenStatus genießen. Dies bedeutet, dass auch ihre innere Struktur vonstaatlicher Seite nicht geregelt ist.

3.3.3 Organisationsaufbau

Die angesprochene Erweiterung der Wählerschaft im Kontext derWahlrechtsreformen des 19. Jahrhunderts zwang die Parteien, sichbreiteren Bevölkerungsschichten, vor allem bei Wahlen, zu prä-sentieren. Damit stieg zugleich die Notwendigkeit eines institu-tionellen und personellen Ausbaus des Parteiapparates. Der Aus-bau der außerparlamentarischen Parteiorganisationen war die Folge.Er ergänzte jedoch nur den organisatorischen Kern der Parteien,nämlich die Parlamentsfraktionen. In ihnen liegt der eigentlicheUrsprung der britischen Parteien und sie besitzen ein innerpartei-liches Gewicht, z. B. bei der Wahl des Parteivorsitzenden, das demder Fraktionen im Bundestag bei weitem überlegen ist. Formellerhalten ist dieser Status in besonderer Form bis heute bei derConservative Party, die sich im engsten Sinne nur aus den Mit-gliedern der entsprechenden Unterhausfraktion zusammensetzt.Die Mitglieder, die gemeinhin als Angehörige der Konservativen

64

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 64

Page 65: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

betrachtet werden, sind eigentlich Mitglied einer Unterstützungs-vereinigung der konservativen Fraktion.

Eine Besonderheit kennzeichnet die Labour Party, die direkte undindirekte Mitglieder kennt – eine Trennung, die bis in das Jahr 1918zurückgeht, als die direkte Mitgliedschaft eingeführt wurde. DerBlick auf die Entstehung des bereits zuvor existierenden Status derindirekten Mitgliedschaft (heute zirka 5 Mio.) führt auf den his-torischen Kern der Labour Party als einer politischen Vertretungder Arbeiter zurück. Denn die indirekten Mitglieder werden perBlockstimmrecht von den britischen Gewerkschaften in der Parteivertreten, woraus sich bis in die 1980er Jahre eine besondereMachtposition dieser Organisationen innerhalb der Partei ablei-tete.

Quantitativ hatten die britischen Parteien den Zenit ihrer Mit-gliederentwicklung in den 1950er und 1960er Jahren erreicht, alsden Konservativen 2,8 Mio. und der Labour Party 1 Mio. Mitglie-der angehörten. Seitdem ist ein deutlicher Rückgang zu verzeich-nen – die Tories können heute zirka 560.000 Mitglieder und Labourrund 370.000 direkte Mitglieder verzeichnen. Den Liberal Demo-crats gehören etwa 100.000 Briten an.

Neben den Parlamentsfraktionen sind in den britischen Parteien vorallem die Parteitage und die Parteivorstände von Bedeutung. Formalsind zwar die Ersteren die höchsten beschlussfassenden Gremiender Parteien, dies hängt im Falle von Labour aber stark davon ab, obdie Partei die Regierung stellt oder nicht. Premierminister dieserPartei haben sich in der Vergangenheit kaum an Parteitagsbe-schlüsse gebunden gefühlt und sich innerparteilicher Kontrolle zuentziehen gewusst. In diesem Falle spielt der Parteivorstand, dessenMitgliedschaft nach Proporz auf innerparteiliche Gruppen verteiltist, keine nennenswerte Rolle. Befindet sich Labour hingegen in derOpposition, muss das National Executive Committee der Parteikeine politische Rücksicht auf einen Premierminister der eigenenPartei nehmen. Dann kann ihm ein relevanter innerparteilicher Ein-fluss zuwachsen.

65

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 65

Page 66: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Bis in die 1970er Jahre wurde der Parteivorsitzende ausschließlichvon der Unterhausfraktion gewählt. Erst seitdem sind die Rechte derParteimitglieder gestärkt und ein Schlüssel entwickelt worden, dergemäß einem Proporzsystem die Unterhausmitglieder, die Dele-gierten aus den Wahlkreisen und die Gewerkschaften an der Wahldes Vorsitzenden beteiligt. Zudem wurde das Blockstimmrecht derGewerkschaften abgeschafft, sodass der gegenwärtige Parteivor-sitzende und Premierminister Tony Blair nur von individuell han-delnden Delegierten gewählt wurde. Diese gestiegene Demokra-tisierung darf den Blick jedoch nicht dafür verstellen, dass dieParteivorsitzenden nach wie vor eine unangefochtene Stellungbesitzen und diese eher noch ausgebaut haben. Ein Blick auf dieletzten Parteitage unterstreicht dies: Um nach außen das Bild dergeschlossenen Partei zu demonstrieren, die die Regierung Blairstützt, ist Kritik an der Parteiführung systematisch ausgeblendetworden und programmatische Debatten sind nahezu vollständigunterblieben.

Bis in die jüngste Zeit hinein hat die Konservative Partei derBeteiligung der Parteiorganisation und den Mitgliedern noch weni-ger Einfluss bei der innerparteilichen Willensbildung eingeräumtals die Labour Party. Sie ist stark hierarchisiert und hat ihremCentral Office die Aufgabe zugewiesen, die Partei zentral zu leitensowie die lokalen Unterorganisationen straff zu kontrollieren. DieseZentralisierung ist dafür verantwortlich gewesen, dass die Parteinach außen geschlossen auftritt und innerparteiliche Programm-debatten weitgehend unterbleiben. Auch der Modus zur Wahl desParteivorsitzenden unterstreicht den geringen Grad innerpartei-licher Partizipation. Er wird bis heute allein von der Unterhaus-fraktion gewählt, nachdem er bis in die 1960er Jahre von seinemVorgänger oder einem begrenzten Kreis wichtiger Mitglieder derFraktion ausgewählt worden war. Erst unter dem nach der letztenUnterhauswahl zurückgetretenen Vorsitzenden William Haguehaben sich Demokratisierungstendenzen abgezeichnet. So ließ sichHague seine Wahl durch die Fraktion von einer Urabstimmungaller Mitglieder bestätigen und kündigte grundlegende Reformen

66

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 66

Page 67: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

zur größeren Beteiligung der Mitglieder an der Wahl des Vorsit-zenden an.

Lediglich die Liberaldemokraten besitzen einen etwas anderenAufbau, ohne jedoch die Fraktions- und Wählerorientierung derbritischen Parteien grundsätzlich hinter sich zu lassen. So hat dieParteiführung Elemente innerparteilicher Gewaltenteilung einge-führt und ihren Mitgliedern stärkere Mitwirkungsrechte eingeräumt,so z. B. indem diese den Vorsitzenden mit einer Urwahl direktwählen.

3.3.4 Die Rolle der britischen Parteien im politischen System

Die Briten besitzen eine sehr pragmatische Sicht von Parteien undhaben diesen eine klare Stellung im politischen System zugewiesen:„Die Besonderheit Großbritanniens besteht (...) darin, dass politi-sche Parteien, auch wenn sie nicht geliebt, sondern eher unsenti-mental und zynisch betrachtet wurden, doch von einem sehr frühenZeitpunkt an als unverzichtbare Funktionsvoraussetzungen einesparlamentarischen Regierungssystems anerkannt wurden“ (Rohe,S.240). In der Bundesrepublik werden Parteien vor allem als Insti-tutionen begriffen, die die Interessen unterschiedlicher Gruppen inder Gesellschaft widerspiegeln und für den politischen Prozess auf-bereiten. In Großbritannien hingegen sind sie vor allem Regierungs-und Herrschaftsinstrumente, die dauerhaft eine stabile Regierungbereitstellen und dafür das notwendige politische Führungspersonalaus der Gesellschaft rekrutieren.

Eine damit eng zusammenhängende Grundannahme des briti-schen Parteiensystems ist, dass der Wähler im Mittelpunkt derpolitischen Willensbildung stehe und nicht die Parteien. Diesspiegelt sich auch im Organisationsaufbau der britischen Parteienund der relativen Unabhängigkeit ihrer Vorsitzenden wider: DerWähler hat die Abgeordneten des Unterhauses und damit indi-rekt die Regierung gewählt, ihm sind die Vertreter von Exeku-tive und Legislative verantwortlich, nicht einer Partei, die diese

67

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 67

Page 68: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Verantwortlichkeit gegenüber der Wählerschaft nicht durchkreu-zen darf. Nur mit dieser Wählerorientierung ist die lange Dul-dung der begrenzten innerparteilichen Teilhabe und des Über-gewichtes der Unterhausfraktion in den Parteien überhaupt erklär-bar. Den Parteivorsitzenden, nicht der Parteiprogrammatik, wirdTreue entgegengebracht, solange sie politischen Erfolg haben undWahlen gewinnen.

Das Anliegen der stabilen Regierungsbildung schlägt sich nichtzuletzt im britischen Wahlsystem nieder, das für einen weitge-hend ungebrochenen Gegensatz von Regierungs- und Opposi-tionspartei sorgt, der eine effektive und stabile Regierung desLandes sicherstellt und fester Bestandteil der politischen KulturGroßbritanniens geworden ist. Trotz der Tatsache, dass weite Teileder Bevölkerung abstrakt das System als ungerecht ansehen, unter-stützen sie es und räumen den beiden großen Parteien einen hohenVertrauensvorschuss ein. Diese besitzen „ein beneidenswertes poli-tisch-kulturelles Polster, das ihnen lange Fristen einräumt, um sichan veränderte politische und gesellschaftliche Bedingungen anzu-passen.“ (Rohe, S.252)

3.3.5 Wähler und Wahlbeteiligung

Seit 1885 existiert in Großbritannien das heutige Wahlsystem desrelativen Mehrheitswahlrechts, das sich von dem des bundes-deutschen Verhältniswahlrechts unterscheidet und erheblicheFolgen für die Ausbildung des Parteiensystems hatte bzw. auchheute noch besitzt. Während in der Bundesrepublik neben der Erst-stimme für einen Kandidaten eines Wahlkreises noch die Zweit-stimme existiert, durch die Landeslisten der Parteien gewähltwerden, gibt es in Großbritannien nur Direktwahlkreise. Im ers-teren Falle werden auch die Stimmen der im Wahlkreis unterle-genen Kandidaten in die Rechnung einbezogen und können damitWirkung auf der Landesliste entfalten; sie sind damit also nichtwertlos oder verloren. In Großbritannien dagegen werden dieStimmen der in den Wahlkreisen unterlegenen Kandidaten nicht

68

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 68

Page 69: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

weiter berücksichtigt und entfallen für die Berechnung der Kons-titution des Unterhauses. Dies hat sehr unterschiedliche Konse-quenzen für die Zusammensetzung der Parlamente und darüber hin-aus für die Entwicklung der jeweiligen Parteiensysteme. Kleineredeutsche Parteien, wie die FDP oder Bündnis 90/Die Grünengewinnen in der Regel keinen der Wahlkreise direkt, sondern schaf-fen den Einzug in das Parlament nur über ihre Stimmen auf denLandeslisten der einzelnen Bundesländer. Gemäß dem britischenWahlsystem wären diese Parteien ungeachtet ihres Stimmanteilsnicht im Parlament vertreten. Dies kann dazu führen, dass sichStimmanteile einer Partei nur marginal oder verzerrt in Unter-haussitzen niederschlagen. So entsandte nach den Wahlen 1983 dieneu gegründete Allianz zwischen SDP und den Liberalen bei 25,4 %der Stimmen lediglich 23 Abgeordnete ins Parlament, währendLabour bei 27,6 % der Stimmen 209 Abgeordnete entsandte. DieBarrieren, die das britische Wahlsystem für kleinere Parteien auf-baut, gelten auch in weiten Teilen der britischen Öffentlichkeit alsunfair und haben immer wieder den Ruf nach Reformen laut wer-den lassen, allerdings ohne dass bis heute konkrete Veränderungeneingeleitet wurden.

3.3.6 Großbritannien als Zwei-Parteien-System

Im Gegensatz zu den USA handelt es sich in Großbritannien strenggenommen nicht um ein reines Zwei-Parteien-System, da sichimmer wieder dritte und sogar vierte Parteien gebildet und relevan-ten politischen Einfluss entwickelt haben. Allerdings hat das skiz-zierte relative Mehrheitswahlrecht zum Ergebnis, dass man inGroßbritannien ausschließlich eine Alleinregierung einer Parteiohne die Notwendigkeit, mit einer zweiten eine Koalition einzuge-hen, vorfindet. Diese Form der Machtausübung kann nur zwischenden Konservativen und der Labour-Partei hin und her wechseln.Dritte Parteien waren bislang nicht an der Regierung beteiligt,sodass sich mit Blick auf die Bildung der Exekutive und deren par-lamentarischer Unterstützung jedoch faktisch von einem Zwei-Parteien-System sprechen lässt.

69

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 69

Page 70: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

In der britischen Geschichte haben sich mehrfach dritte Parteienentwickeln können: Bis zum Jahr 1922, als Irland von Groß-britannien selbstständig wurde, waren die Irischen Nationalis-ten eine stabile und effektive Fraktion im britischen Parlament, diees nicht nur verstand, ihr zentrales Anliegen, nämlich die Unab-hängigkeit, immer wieder in die Diskussion zu bringen, sondern esauch schaffte, sich trotz der Struktur des britischen Wahlsystems,das die Chancen dritter Parteien reduziert, dauerhaft zu etablieren.Sie beteiligte sich jedoch nur wenig an der Diskussion gesamtbri-tischer Anliegen und verschwand nach dem Erreichen ihres Zielesaus dem britischen Parteienspektrum.

Auch die Labour-Partei nahm ihren Anfang als dritte Partei. Im Jahr1900 gegründet, ging sie bis 1918 bei den Unterhauswahlen Wahl-bündnisse mit der Liberalen Partei ein, auf deren Listen 1906 dieersten Abgeordneten von Labour den Einzug ins Parlament schaff-ten. Bis zum Beginn der 1920er Jahre hatte sich die Partei einenfesten Platz im britischen Parteiensystem sichern sowie ihre Stimm-anteile ausbauen können und stellte 1923 und 1929 jeweils Minder-heitsregierungen. Die Liberale Partei verlor im Gegenzug immermehr Stimmen und nahm nun den Status einer dritten Partei ein.Spätestens 1945 hatte sich wieder ein klares Zwei-Parteien-Systemherausgebildet, in dem sich die Konservativen und Labour an derMacht abwechselten.

Den Status Labours als zweite Partei gefährdete erst die Abspaltungder Social Democratic Party im Jahr 1981, mit der sich Mitglieder,die sich gegen den anhaltenden Linksruck von Labour und gegenden Einfluss der Gewerkschaften gewandt hatten, eine neue Platt-form schufen. Die SDP ging mit den Liberalen, zu denen sie pro-grammatisch zahlreiche Anknüpfungspunkte fand, eine Allianz einund konnte bei den folgenden Unterhauswahlen erhebliche Stimm-gewinne verbuchen (1983: 25,4 %; 1987: 22,5 %). Auf Grund in-nerparteilicher Auseinandersetzungen zerbrach die SDP und fusio-nierte mit den Liberalen zu den Liberal Democrats, die heute diedritte Partei in Großbritannien bilden. Die britischen Grünen, die

70

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 70

Page 71: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1989 mit15 % der Stimmen einen beachtlichen Erfolg erzielen konnten,haben sich allerdings nicht dauerhaft etabliert und sind letztlich anden Hürden des britischen Wahlsystems für kleinere Parteiengescheitert.

Auf ein britisches Spezifikum muss an dieser Stelle noch eingegan-gen werden, nämlich die Existenz von zwei Regionalparteien, dieScottish National Party (SNP) sowie die walisische Plaid Cymru.Trotz der genannten Schwierigkeiten für kleine Parteien gelingt esihnen, vor allem indirekt Einfluss zu nehmen. Denn ihre Wahler-gebnisse veranlassen die beiden großen Parteien, diesen beidenRegionen und ihren Anliegen erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.Vor allem Labour zu deren traditionellen Hochburgen Schottlandund Wales gehören, sieht sich dazu verpflichtet. In diesen Kontextist auch die Devolution-Politik der Regierung Blair einzuordnen,d. h. die verfassungsrechtlichen Neuerungen, die die Einrichtungvon zwei Regionalparlamenten und die Zuweisung entsprechenderGesetzgebungskompetenzen zur Folge hatten. Damit kommt Blaireiner traditionellen Forderung der SNP nach, die nicht nur dieStärkung der Selbstständigkeit, sondern langfristig die Forderungnach einem unabhängigen Schottland in den Mittelpunkt ihrerPolitik gestellt hat. Ideologisch hat sich diese Partei immer in einerGegenstellung zu den Konservativen befunden, die seit den letztenUnterhauswahlen keinen schottischen Abgeordneten mehr im Par-lament stellen. In Wales bemüht sich der Nationalismus der PlaidCymru ebenfalls auf eine größere Autonomie von London und hatsich zudem den Erhalt der walisischen Sprache zum Hauptzielgesetzt. Der Kreis derer, die diese Sprache sprechen und nutzen,geht immer weiter zurück. So bleibt abzuwarten, wie lange diesesAnliegen noch die Existenz dieser Partei begründen kann und diedortigen Wähler sich stärker den beiden großen Parteien zuwendenwerden.

71

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 71

Page 72: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

3.4. Parteien in Frankreich

3.4.1 Historische Entwicklung

Etwas später als in Deutschland entstanden zu Beginn des20. Jahrhunderts die ersten modernen Parteien in Frankreich. Sieerwiesen sich jedoch als recht instabil. Deshalb gelang es ihnenkaum, sich als nationale Vertreter gesellschaftlicher Anliegen zuprofilieren. Zu dieser Zeit war das Parteiensystem daher von extre-mer Zersplitterung und Regionalisierung gekennzeichnet. Insbe-sondere unter den Parteien der Mitte und des rechten politischenSpektrums kam es immer wieder zu Parteienspaltungen oder -fusio-nen sowie zu Namensänderungen. Umgekehrt verfolgten regionaleParteien desselben Namens sehr unterschiedliche Ziele. Erst nachdem Zweiten Weltkrieg entstanden innerhalb der politischen Rech-ten die ersten zentralisierten und geschlossen auftretenden Parteien.Die französische Linke hatte die Phase der Zersplitterung bereitshinter sich gelassen und sich seit 1920 in die sozialistische ParteiSFIO und die kommunistische PCF, in zwei programmatisch klaridentifizierbare und gut organisierte Parteien getrennt. Diese koope-rierten jedoch nur begrenzt: Lange Phasen des Misstrauens und derKonflikte prägten die Beziehung dieser beiden Parteien zueinander,was die beiden jedoch nicht hinderte, fast während der gesamtenZeit der V. Republik eine Wahlallianz miteinander einzugehen.

Im Gegensatz zu den Zwei-Parteien-Systemen der USA undGroßbritanniens findet man in Frankreich ein fragmentiertes Viel-parteiensystem, das jedoch durch das Phänomen der Bipolarisie-rung gekennzeichnet ist und dadurch die Regierungsbildung sowiedas Regierungshandeln tendenziell erleichtert. Unter Bipolarisie-rung versteht die Parteienforschung die Einordnung der Parteien inzwei miteinander konkurrierende Koalitionsgruppierungen auf derlinken und der rechten Seite des politischen Spektrums. Gegen Endeder 1970er Jahre hatte sich eine quadrille bipolaire ausgebildet, inder sich die beiden politischen Lager in etwa die Waage hielten undinnerhalb dieser zwei Parteien ebenfalls etwa gleicher Größe um die

72

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 72

Page 73: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Dominanz miteinander rangen: Es handelte sich dabei um die PartiSocialiste (PS) und die Parti Communiste Francais (PCF) sowie dieliberalkonservative Union pour la Democratie Française (UDF)und die neogaullistische Rassemblent pour la Republique (RPR).

Dieses Muster ist seit der Mitte der 1980er Jahre von einer kom-plexeren Struktur abgelöst worden, die eng mit der Entstehung vonzwei neuen Parteien zusammenhängt, nämlich den französischenGrünen - Les Verts – sowie der rechtsextremen Front National (FN).Diese konnten neue Themen in den Mittelpunkt der französischenPolitik stellen, wie z. B. Fragen der Immigration, des Umwelt-schutzes und der inneren Sicherheit. Sie haben die Konfliktliniendes Parteiensystems deshalb verändern können, weil die etabliertenParteien sich als unfähig erwiesen hatten, diese Themen in ihreProgrammatik zu integrieren. Heute stehen sich in einer stabilenFormation drei „Regierungsparteien“ (PS, RPR, UDF) und drei„Protestparteien“ (PC, Les Verts, FN) gegenüber. Von den Letz-teren sind PC und Les Verts koalitionsfähig und -willig, die Drittehingegen gilt nicht als koalitionsfähig in einer französischenRegierung und ist mittlerweile auch von innerem Zerfall gekenn-zeichnet.

Die Gründung der Union pour un Mouvement Populaire (UMP) imNovember 2002 bedeutet eine völlige Neuordnung einer Hälftedes französischen Parteiensystems – eine bedeutsame Entwick-lung, deren mittel- und langfristigen Folgen jedoch noch nicht ab-zusehen sind. Diese neue Partei ist ein Zusammenschluss der RPR,Teilen der UDF sowie der Démocratie Libérale, kontrolliert beideKammern der Nationalversammlung und soll dauerhaft das zersplit-terte bürgerliche Lager zu einer großen Volkspartei zusammen-führen. Als ein ideologisches und organisatorisches Vorbild fürdiese Partei, deren Gründung von Präsident Chirac und ihrem erstenVorsitzenden Alain Juppé vorangetrieben wurde, gilt vor allem diedeutsche CDU. Weltanschaulich vereint die UMP jedoch Strömun-gen, die in wichtigen Fragen der französischen Politik (Zentralis-mus vs. Föderalismus, Verhältnis zur Europäischen Union u.a.) ent-

73

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 73

Page 74: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

gegengesetzte Positionen vertreten. Abzuwarten bleibt daher dieFrage ihrer inneren Geschlossenheit genauso wie die Reaktion derfranzösischen Linksparteien auf diese Neugründung. Nicht auszu-schließen ist das Bemühen um eine vergleichbare Sammlungsbe-wegung unter ihnen, für die jedoch eine bislang nicht erkennbareIntegrationsfigur notwendig wäre.

3.4.2 Rechtsstellung

Die gegenüber Parteien skeptische politische Kultur Frankreichszeigt sich vor allem in deren Verfassungsstellung. Trotz ihrer in derpolitischen Wirklichkeit bedeutsamen Rolle wurden Parteien in derVerfassung bis 1958 nicht einmal erwähnt. Dies ist zwar nachgeholtworden und Parteien wurde die freiheitliche Ausübung ihrer Ak-tivitäten garantiert, ein Großteil der Verfassungsbestimmungen derV. Republik lässt aber die gezielte Begrenzung des Einflusses vonParteien deutlich erkennen. Ziel war es 1958, die Parteien mit derEinführung direktdemokratischer Elemente in der Verfassung alszwischen Staat und Gesellschaft vermittelnde Institutionen zuschwächen bzw. zu umgehen. Die Exekutive mit dem Präsidentenan der Spitze sollte hingegen gegenüber dem Parlament gestärktwerden.

Dementsprechend wurde die Tätigkeit der Parteien gemäß Art. 4auf die Teilnahme an Wahlen reduziert. Eine weiter reichende, derBundesrepublik entsprechende Zuschreibung, der zufolge Parteienin aller Breite an der politischen Willensbildung des Volkes mit-wirken, findet sich in Frankreich nicht. Bis heute existiert inFrankreich kein Parteiengesetz, das die Aufgabe der Parteien prä-zisiert und diesen eine umfangreichere Rechtsbasis verschafft. Biszu den gesetzlichen Regelungen zur Parteienfinanzierung im Jahr1988 besaßen Parteien keine autonome Rechtsstellung und bezogenihre Legitimation aus dem Vereinsgesetz von 1901. Erst in den ver-gangenen fünfzehn Jahren haben sie öffentliche Mittel für ihreTätigkeit erhalten. Es verwundert wenig, dass ein Ergebnis diesesjuristischen Vakuums fragwürdige Praktiken bei der Parteienfinan-zierung waren.

74

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 74

Page 75: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Die 1962 eingeführte Direktwahl des Präsidenten sollte ihn nochunabhängiger von der Gunst der Parteien machen und ihm ermög-lichen, sein Amt überparteilich auszuüben. Zusammen mit derBefugnis, Referenden durchzuführen und das Parlament aufzu-lösen, stehen dem Präsidenten weitere Instrumente zur Verfügung,um sich unter Umgehung des Parlaments direkt an das franzö-sische Volk zu wenden. Auch die Aufgabenpalette des Präsidentenlässt die Beschränkung der Parteien erkennen. Denn um die Sta-bilität der Regierung herzustellen und zu gewährleisten, sind dieKompetenzen der französischen Nationalversammlung im Gesetz-gebungsprozess erheblich begrenzt. Die Befugnisse der Regierungsind hingegen sehr weit gefasst und erlauben dem Regierungschef,die Mehrheit im Parlament zu disziplinieren sowie die gesamteparlamentarische Arbeit einzuschränken. Ziel der Verfassung ist es,den Einfluss auf politische Entscheidungen zu begrenzen und einüberparteiliches Regieren zu befördern. Dies schlägt sich u.a. auchdarin nieder, dass der gewählte Präsident in der Regel seine Partei-ämter zum Zeitpunkt seines Amtsantritts niederlegt. Diesem Anlie-gen dient auch das Inkompatibilitätsgebot, d. h. das Verbot, einRegierungsamt auszuüben und gleichzeitig ein Mandat in der Na-tionalversammlung inne zu haben. Es entpolitisiert somit das Regie-rungshandeln und begünstigt die Benennung von unparteilichenExperten für Ministerämter.

Schließlich begrenzt auch das französische Wahlrecht die Rollevon Parteien. Auf Grund des mit einigen Ausnahmen gelten-den absoluten Mehrheitswahlrechtes (ein Kandidat muss mehr als50 % der in einem Wahlkreis abgegebenen Stimmen erzielen; dieStimmen der unterlegenen Kandidaten entfallen) wird die persön-liche Beziehung zwischen dem Kandidaten und den Wählern in denVordergrund gerückt bzw. die Rolle der Parteien bei der Kandi-datennominierung und Wahlentscheidung zurückgedrängt.

75

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 75

Page 76: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

3.4.3 Organisationsaufbau

Der Aufbau der französischen Parteien unterscheidet sich von Fallzu Fall sehr stark. Stark vereinfacht kann man jedoch festhalten,dass der Grad der innerparteilichen Demokratie und der Durch-lässigkeit für gesellschaftliche Bewegungen und Phänomene um-so höher ist, je weiter die Partei in der Mitte des politischen Spek-trums anzusiedeln ist.

Auch wenn die französischen Parteien keine Massenparteien sind,so lassen sich die Parti Socialiste (PS), die Union pour la Demo-cratie Française (UDF) und die Rassemblent pour la Republique(RPR) jedoch als Volksparteien in dem Sinne beschreiben, dass siebemüht sind, große Teile der französischen Gesellschaft zu re-präsentieren und sie an der innerparteilichen Willensbildung zubeteiligen. Entsprechend haben sie seit Beginn der 1990er Jahredirektdemokratische Entscheidungsverfahren eingeführt. So betei-ligen sich in der PS die Parteimitglieder seit 1995 mit einer Be-fragung an der Auswahl des sozialistischen Präsidentschaftskan-didaten und wählen in direkter Wahl den Parteivorsitzenden. Damitfügte die Partei ihren nationalen Führungsgremien eine zusätzlicheQuelle der innerparteilichen Willensbildung hinzu. Dies sollte zumeinen dazu dienen, dem Vorsitzenden eine größere Autonomiegegenüber diesen Gremien zu verschaffen und die Partei gleich-zeitig für potenzielle Mitglieder attraktiv zu machen. Auch die RPRhat vergleichbare Maßnahmen ergriffen und damit ihren grundle-genden Wandel eingeleitet. Denn bis zum Ende der 1980er Jahrehatte es sich bei dieser Partei vor allem um eine sehr effizienteOrganisation zur Wahl ihres Vorsitzenden Jacques Chirac in dasAmt des Staatspräsidenten gehandelt. Sie war jedoch durch zen-tralisierte Entscheidungsstrukturen und damit gering ausgebildeteinnerparteiliche Teilhabemöglichkeiten gekennzeichnet. Auch heutenoch spielen in den großen französischen Parteien die Parteitage,die z. T. nur alle drei Jahre stattfinden, eine nachgeordnete Rolle.Die eigentlichen Machtzentren sind die zentralen Parteigremien, dieeinem deutschen Parteivorstand vergleichbar sind.

76

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 76

Page 77: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Dem zentralistischen Erbe noch stärker verhaftet ist die PartiCommuniste Francais, die bis 1994 am Prinzip des demokratischenZentralismus festhielt und damit keine Tradition der innerpar-teilichen Auseinandersetzung entwickelte. Trotz einiger Reform-bemühungen unter dem Vorsitz von Robert Hué sind auch heutenoch die Parteigremien entsprechend strukturiert, und die amtie-rende Führung bildet das Machtzentrum der Partei. Sie dominiertdie Aufstellung von Kandidaten für Parteiämter und bestimmt dieprogrammatische Debatte.

Ähnlich zentralistisch ist die Front National, in der jede Organi-sations- und Entscheidungsebene der nächst höheren untergeordnetund an deren Weisung gebunden ist. Bis zu ihrer Spaltung im Jahr1999 war ihr Vorsitzender Jean-Marie Le Pen die wichtigste Füh-rungsfigur, neben dem lediglich das Exekutivbüro als innerpartei-liches Entscheidungsgremium relevant war. Durch die Abspaltungdes Mouvement National unter Bruno Mégret haben sich dieseStrukturen verdoppelt, auch wenn die neue Partei ideologischgemäßigter auftritt.

Eine besondere Stellung nehmen die französischen Grünen ein.Vergleichbar ihrem deutschen Pendant begreifen sie sich als Be-wegungspartei. Damit ist zum einen ihre Entwicklung erfasst, dennsie entstand in einem Prozess der Institutionalisierung neuer so-zialer Bewegungen in Frankreich. Zum Zweiten sind Les Vertsdurch eine besondere Form der Parteiorganisation geprägt. Die Par-tei ist dezentral angelegt, räumt den Regionen ein hohes Gewichtein, weil sie in den entsprechenden Parlamenten stark vertreten ist,und orientiert sich in allen innerparteilichen Entscheidungsver-fahren am Prinzip der direkten Demokratie.

3.4.4 Die Rolle im Politischen System

Auf Grund der zentralen Stellung des Präsidenten im politischenSystem Frankreichs hat sich der gesamte politische Wettbewerb aufdie Präsidentschaft und deren Besetzung ausgerichtet. Diese Ten-

77

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 77

Page 78: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

denz, die unter dem Begriff der Präsidentialisierung zusammen-gefasst wird, hat auch die Parteien erfasst und bedeutet durch diePersonalisierung des Wahlkampfes zunächst einmal deren pro-grammatische Schwächung. Nur diejenigen Parteien können sicheinen Wahlerfolg versprechen, die einen aussichtsreichen Kan-didaten vorweisen können, der die Agenda und den Wahlkampf be-herrscht. Zugleich hat jedoch ein Kandidat keine Wahlchance ohnedie Unterstützung einer der großen Parteien. So kommt es zu einemSpannungsverhältnis zwischen der Stellung der Kandidaten, diesich in der Öffentlichkeit möglichst parteiunabhängig und überpar-teilich präsentieren, zugleich aber abhängig von den Parteien sind.

Wie auch in anderen politischen Systemen nehmen die politischenParteien in Frankreich spezifische Funktionen wahr. Eine für dieV. Republik besonders bedeutsame Leistung war, dass die Parteieneinen innenpolitischen Konsens über die Grundprinzipien dieserVerfassungsordnung schufen und damit alle gesellschaftlichenGruppen in dieses politische System integrierten. Dies war fürFrankreich keinesfalls selbstverständlich, denn von der franzö-sischen Revolution 1789 bis weit in die II. Republik hinein hatteder Gegensatz zwischen den Monarchisten, den Anhängern derRepublik und des plebiszitären Bonapartismus fortgelebt und dieHerausbildung eines Verfassungskonsenses verhindert. Erst mitder V. Republik, in der alle Parteien den politischen Wettbewerb indem festgelegten Verfassungsrahmen akzeptierten und auch trotzwechselnder Mehrheiten dessen Eckpunkte unverändert ließen,entstand ein Konsens über das politische System, der für Frank-reich einmalig war. Diese Zustimmung erstreckt sich jedoch nurbedingt auf die Parteien selbst: Wo in der französischen Bevöl-kerung das Vertrauen in die politischen Institutionen hoch ist, ist dieAkzeptanz der Parteien gering geblieben.

Ihre Mobilisierungsfunktion können die französischen Parteiennur begrenzt ausüben. Ihnen ist es in einer Gesellschaft, die vor-wiegend von einer individualistischen Grundeinstellung geprägtist, kaum gelungen, in großem Umfang Mitglieder zu rekrutieren

78

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 78

Page 79: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

und dauerhaft an sich zu binden. Die Politisierung westlicherIndustriegesellschaften in den 1970er und 1980er Jahren hat sichin Frankreich weniger in Parteieintritten als in individuellen Ak-tions- und Teilhabeformen niedergeschlagen. So ist seit den 1980erJahren ein kontinuierlicher Mitgliederrückgang der französischenParteien zu verzeichnen, der auch durch die Entwicklung von neueninnerparteilichen Beteiligungsformen nicht gestoppt werden konn-te. Gegenwärtig ist von einer Zahl von insgesamt 400.000 bis500.000 Parteimitgliedern in Frankreich auszugehen.

Ihrer Repräsentationsfunktion sind die französischen Parteien nichtzuletzt auf Grund der Herausbildung eines Vielparteiensystemsnachgekommen, das sicherstellt, dass sich alle gesellschaftlichenKräfte im politischen System vertreten sehen und in dieses integriertwerden. Auch wenn sich die französischen Parteien häufig um-benannt, voneinander abgespalten und miteinander vereinigt haben,so repräsentieren sie als Segmente im Parteienspektrum letztlichweltanschauliche Bezugspunkte, die den Wählern Orientierung undKonstanz bieten. Damit leisten die Parteien einen wichtigen Bei-trag zur Stabilität des politischen Systems. Verstärkt wird dieseFunktion zudem durch die gestiegene Entideologisierung der fran-zösischen Parteien, die sich zu Beginn der V. Republik noch welt-anschaulich unversöhnlich gegenüberstanden. Die Konfliktlinien,die die französische Gesellschaft gespalten und die starke Ideolo-gisierung der Parteien bewirkt haben, wie z. B. die Frage der Wirt-schaftsverfassung oder der französischen Haltung im Ost-West-Konflikt, sind jedoch verblasst bzw. haben an Bedeutung verloren.Heute sind die französischen Regierungsparteien in der Mitte despolitischen Spektrums anzusiedeln und unterscheiden sich pro-grammatisch nur wenig. Nur so sind sie in der Lage, bei Wahlendie notwendigen Stimmen für ihre Regierungsfähigkeit zu erwer-ben. Unterstützt wird diese Tendenz zur Entideologisierung durchdie skizzierte Personalisierung des Wahlkampfes.

Wie in anderen westlichen Parteiensystemen übernehmen dieParteien eine wichtige Funktion, indem sie politisches Personal für

79

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 79

Page 80: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Wahlen rekrutieren. Dies erfolgt in Frankreich innerhalb der Par-teien, wobei die Bürger, im Gegensatz zu den amerikanischenVorwahlen, nicht an diesem Prozess beteiligt werden. Die wich-tigste Rolle spielen dabei die nationalen Parteiführungen, denen dieKontrolle über die Auswahl der Kandidaten obliegt und die auchwährend der Wahlgänge ihren Einfluss geltend machen. Ob z.B.nach dem ersten Wahlgang ein anderer Kandidat in einem Wahlkreisunterstützt wird als der der eigenen Partei, um zumindest einen Siegdes eigenen Lagers zu erzielen, entscheiden vorwiegend dienationalen Parteivorstände und nicht die lokale Parteiorganisation.Bei einigen Wahlen zur Nationalversammlung haben die Parteieneines politischen Lagers die Wahlkreise sogar in der Art unter sichaufgeteilt, dass sie in einem Wahlkreis keine Kandidaten derselbenpolitischen Orientierung gegeneinander aufstellten. Um die Chan-cen des eigenen Lagers zu erhöhen, umgehen sie auf diese Weisedie Konkurrenz. Auf Grund der Notwendigkeit, auf einer Parteilistekandidieren zu müssen, haben lokale Kandidaten diese Absprachenweitgehend akzeptieren müssen. Nur wenige Honoratioren in einemWahlkreis besitzen die materielle und politische Unabhängigkeit,um parteilos kandidieren zu können. Doch selbst diese müssen sichim Falle ihrer Wahl in der Nationalversammlung einem der beidenpolitischen Lager zuordnen und dort mitarbeiten, um politisch et-was bewirken zu können. So kommt es auf allen politischen Ebenenzu einer Nationalisierung des Parteiensystems. Auch auf der lokalenPolitikebene müssen die Akteure auf die Belange der nationalenParteien Rücksicht nehmen.

Bis zum Beginn der V. Republik war der letztgenannte Typus,nämlich der der lokalen Honoratioren, der dominierende Ab-geordnete der Nationalversammlung. Dieser hatte in großer Un-abhängigkeit von den Parteien eine Karriere in der Lokal- undRegionalpolitik durchlaufen und dabei entsprechende Positionenangesammelt. Heute ist dieses Modell fast nur noch in der UDFanzutreffen. Es dominiert dagegen mittlerweile der Typus desPolitikers, der die Hierarchien einer Partei durchlaufen hat unddieser letztlich seine politische Position verdankt. Im Falle Frank-

80

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 80

Page 81: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

reichs existiert aber zudem noch ein weiterer, in den anderen hierdiskutierten Staaten unbekannter Typus, die Kabinettsabgeord-neten. Diese haben als Absolventen einer der französischen Elite-hochschulen ihre Karriere als parteiloser Mitarbeiter in einem derMinisterialkabinette begonnen. Um ihre politische Laufbahn dauer-haft abzusichern und ihre Chancen auf einen Ministerposten zuerhöhen, streben sie dann gemeinhin durch einen Parteieintritt eineAufstellung als Kandidat für die Nationalversammlung an undbewerben sich zugleich um entsprechende Führungsämter in derPartei. Dieses Verfahren hat zur Folge, dass immer mehr dieserKandidaten von den Parteien in einzelne Wahlkreise gesetzt werdenund sich erst nachträglich dort politisch verankern müssen. Ihnenbleibt jedoch der langwierige Aufbau einer Parteikarriere erspart.Heute gehören mehr als 40 % der Angehörigen der National-versammlung zum Typus der Kabinettsabgeordneten.

Auch der öffentliche Dienst Frankreichs unterliegt der zunehmen-den Rekrutierung durch die politischen Parteien und damit einerwachsenden Politisierung. Zwar erfolgt diese indirekt, da Ernen-nungen in bürokratische Spitzenämter durch Regierungsmitgliedererfolgen. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch durchgesetzt,dass Spitzenbeamte bevorzugt nach ihrer Parteiloyalität berufenwerden. Anlass für größere Umbesetzungen in diesem Sinne sindnatürlich Regierungswechsel, in deren Anschluss ein Großteil derhöheren Beamten ausgetauscht wird. Damit soll zum einen dieLoyalität der Verwaltung sichergestellt und die Umsetzung der an-gestrebten Politik eingeleitet werden. Zum anderen bietet sich damitdie Möglichkeit, sich gegenüber verdienten Parteiaktivisten er-kenntlich zu zeigen und deren Engagement mit Stellungen in derVerwaltung zu honorieren. Da häufig nicht genügend Positionen fürderen Versorgung zur Verfügung stehen, haben die Parteien auf dieSchaffung neuer Verwaltungsstellen gedrängt und damit den franzö-sischen Verwaltungsapparat zunehmend vergrößert.

Die Rolle der Parteien auf die Regierungsbildung hängt sehr starkdavon ab, welche Mehrheitskonstellationen in der Nationalver-

81

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 81

Page 82: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

sammlung anzutreffen sind. Wird der Präsident von einer parla-mentarischen Mehrheit unterstützt, so genießt er große Entschei-dungsfreiheit bei der Bestellung des Ministerpräsidenten. Auchwenn die Parteien nicht formal an dieser Entscheidung beteiligtsind, so können sie doch Prioritäten erkennen lassen und Kandi-daten entsprechend positionieren. Für den Fall, dass die parla-mentarische Mehrheit nicht aus dem politischen Lager des Präsi-denten stammt – die Cohabitation –, beruft er in der Regel denVorsitzenden der größten Fraktion. Dieser ist dann bei der Wahlder Minister relativ unabhängig vom Präsidenten und entschei-det über das Kabinett in direkter Absprache mit den Parteiführun-gen der Koalitionsparteien. Eine Ausnahme von dieser Unabhän-gigkeit bildet die Bestellung derjenigen Minister, deren Ressorts dieKernbereiche präsidentieller Verfassungsgewalt betreffen, d. h. dieBestellung des Außen- und des Verteidigungsministers. Eine for-malisierte Befugnis, über Minister zu entscheiden, wie sie in derBundesrepublik in der Regel in Koalitionsverträgen geregelt wird,steht den französischen Parteien jedoch nicht zu.

Es lässt sich also festhalten, dass die Cohabitation den Einflussder Parteien im politischen System steigert, während für den Fall,dass der Präsident und die Mehrheitsfraktion von derselben Parteigestellt wird, die Partei auf Grund der starken Stellung des Präsi-denten in den Hintergrund tritt.

Bei der Bestellung der Minister haben die Parteien während derV. Republik immer mehr an Einfluss gewonnen. Hier ist es sinn-voll, sich de Gaulles Anliegen, die Geltung der Parteien bei derRegierungsbildung zurückzudrängen, in Erinnerung zu rufen. Zahl-reiche Minister der ersten französischen Kabinette nach 1958gehörten keiner Partei an. Bis zum Beginn der 1970er Jahre setztejedoch eine Tendenz der Parteibindung ein, bis schließlich fastalle Minister der französischen Regierung einer Partei angehörten.Heute findet ein hoher Personaltransfer aus den Parteien in dieRegierung statt. Dies bringt es mit sich, dass der Präsident bei derAuswahl der Minister neben anderen Faktoren zusätzlich inner-

82

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 82

Page 83: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

parteiliche Strömungen zu berücksichtigen und zu befriedigen hat.Dies unterstreicht, wie sehr sich die Exekutive der V. Republik vonentpolitisierten Regierungen zu Parteienregierungen entwickelt hat.

Ist die Regierung erst einmal im Amt, reduziert sich jedoch derEinfluss der Parteien auf sie. So verkündet der neue Präsident nachseiner Wahl zumeist eine überparteiliche, nur dem Staat dienendePolitik. Dies kontrastiert allerdings mit dem strukturellen Zwang,dass nur stabile parlamentarische Mehrheiten und ein geschlossenesAbstimmungsverhalten die für das Regieren notwendige Stabilitätsicherstellen. Dafür sind starke Parteiführungen notwendig, die ihreFraktionen kontrollieren und ggf. einzelne Entscheidungen gegen-über den Abgeordneten durchsetzen. Ihre Stärke kann jedoch auchzur Folge haben, dass eine der Parteien Mitgestaltungsansprüchean die Regierung stellt. Dies war z. B. während der Präsident-schaft François Mitterands erkennbar. Die PS, die sich in beson-derer Weise als selbstständige politische Größe und nicht nur alsPartei des Präsidenten begriff, konnte zwar das Regierungshan-deln letztlich nicht maßgeblich beeinflussen, zwang den Präsi-denten jedoch, sie in die Kommunikation zwischen Regierung undParlamentsfraktion einzubinden und ihr Mitbestimmungsrechteeinzuräumen.

3.4.5 Wähler und Wahlbeteiligung

Das französische Wahlrecht der V. Republik hat die Struktur desParteiensystems bis zum Beginn der 1970er Jahre herausgebil-det und dann für etwa weitere zehn Jahre erhalten. Sowohl derModus für die Parlamentswahlen (relatives Mehrheitswahlrecht inzwei Wahlgängen) als auch für die Präsidentschaftswahlen habenals entscheidende Faktoren die Herausbildung einer bipolarenParteienstruktur begünstigt. Da es nur in den seltensten Fällen inner-halb eines Wahlkreises mit dem ersten Wahlgang zu einer klarenEntscheidung kommt, ist eine Stichwahl nötig, in der die Parteiender Linken bzw. der Rechten zumeist Wahlbündnisse eingehen. DerKandidat der schwächeren Partei des jeweiligen Lagers im Par-

83

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 83

Page 84: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

teienspektrum verzichtet auf eine erneute Kandidatur und ermu-tigt seine Wähler, die andere Partei zu wählen. Im Ergebnis kommtes zu einer Stichwahl zwischen einem rechten und einem linkenKandidaten.

Dieses Wahlrecht begünstigt die Bildung von Wahlbündnissenund benachteiligt diejenigen Parteien, die auf Grund ihrer Pro-grammatik nicht in das bipolare Parteiensystem passen und daherbündnisunfähig sind, wie z. B. die Front National. Innerhalb derbeiden politischen Lager sind die Wahlchancen der gemäßig-teren Partei deutlich größer, so sind kommunistische Wähler eherbereit, im zweiten Wahlgang für die PS zu stimmen als umgekehrt.Zudem bewirkt das Mehrheitswahlrecht eine Überrepräsentationder Regierungskoalition im Parlament und begünstigt innerhalb derbeiden politischen Lager die jeweils stärkere Partei. Zusammen-fassend lässt sich festhalten, dass das Wahlsystem die Bildungregierungsfähiger Mehrheiten erleichtert.

Auf Grund des Entstehens der FN und der französischen Grünenhaben sich die Wirkungen des französischen Parteiensystemsjedoch verschoben, und eine Fragmentierung ist erkennbar gewor-den. So stehen sich mittlerweile bei den französischen Wahlen nachdem ersten Wahlgang nicht länger zwei, sondern nunmehr drei odersogar vier Kandidaten gegenüber, zwischen denen die Wähler zuentscheiden haben. Mit dem Aufkommen der Grünen und der FrontNational haben die drei großen Parteien merklich in der Wähler-gunst verloren. Während bei den Wahlen zur Nationalversammlung1981 noch zirka 80 % der Stimmen auf PS, RPR und UDF entfie-len, konnten diese 1997 nur noch etwa 60 % auf sich vereinigen.Damit bricht eine Tendenz wieder hervor, die bereits in den 1960erJahren als „Krise der Repräsentation“ beklagt worden war. Bereitsdamals war das französische Parteiensystem von einer fehlendenmentalen Bindung der Franzosen an einzelne Parteien gekennzeich-net. Handelt es sich um Wahlen, die nicht nach dem Mehrheits-sondern nach dem Verhältniswahlrecht abgehalten werden, nämlichdie Regional- und Europawahlen, unterbleibt auch die skizzierte

84

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 84

Page 85: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Blockbildung und die Wähler streuen ihre Stimmen stärker zwi-schen den Parteien.

3.5 Parteien mit Sonderstellungen

3.5.1 Parteien in der Konkordanzdemokratie: Die Schweiz

In der Schweiz findet man einen besonderen Typus des demokra-tischen Systems vor, nämlich eine Konkordanzdemokratie. Diesezeichnet sich in Abgrenzung zu den eingeführten Typen der Mehr-heitsdemokratie dadurch aus, dass hier nicht das Mehrheitsprin-zip als zentraler Entscheidungsmechanismus dient, sondern Min-derheiten an den Entscheidungsprozessen partizipieren. Mehr noch:Sie genießen in der Konkordanzdemokratie dadurch ausgeprägteVetorechte, dass Beschlüsse einmütig gefasst werden. Im Fall derSchweiz führt das System dazu, dass die Regierung von einerpermanenten Allparteienkoalition unterstützt wird. Ihre Stabilitätsichern solche Koalitionen nicht zuletzt dadurch, dass alle Partnergemäß einem Proporzsystem angemessen an der Vergabe öffent-licher Ämter und Finanzmittel beteiligt werden.

In der Schweiz ist das System der Konkordanzdemokratie in einigenKantonen verfassungsrechtlich festgeschrieben, auf der nationalenEbene jedoch nicht, sodass die politischen Parteien seit dem Endeder 1950er Jahre, als den Sozialdemokraten zum ersten Mal dauer-haft Sitze in der Regierung eingeräumt wurden, freiwillig auf diemögliche Anwendung des Mehrheitsprinzips verzichten. Seitdembilden die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlich-demokratische Volkspartei (CVP), die Sozialdemokratische Parteider Schweiz (SPS) und die Schweizerische Volkspartei (SVP)gemeinsam die Regierung.

Das Konkordanzprinzip hat tief greifende Auswirkungen auf dasgesamte politische System und damit auch auf das Parteiensystemder Schweiz, das sich von denen anderer klassischer Demokratien

85

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 85

Page 86: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

unterscheidet. Im Gegensatz zur klassischen Mehrheitsdemokratie,wie z. B. in Großbritannien, gibt es in der Schweiz auf Grunddes Konkordanzprinzips keinen direkten Einfluss der Parlaments-wahl und damit der Zusammensetzung der Legislative auf dieWahl der Regierung. Damit entfällt der in Mehrheitsdemokratienübliche Machtwechsel zwischen Regierung und Opposition. Eineder zentralen Funktionen des parlamentarischen Systems, nämlichdie Kontrolle der Regierung durch die Opposition und die Bereit-stellung politischer Alternativen, nehmen in der Schweiz stattdessendie direktdemokratischen Verfassungsinstrumente, d. h. Plebiszite,ein.

Für die Schweizer Parteien bedeutet das Konkordanzprinzip, dasssie im Gegensatz z. B. zu den deutschen Parteien kaum in einemprinzipiellen Wettbewerb miteinander um die parlamentarischeMehrheit und die Regierungsbildung stehen. Da für die vier gro-ßen Parteien eine Regierungsbeteiligung ohnehin gesichert ist, ri-valisieren sie letztlich nur um die Stärke ihrer Fraktionen imParlament und die daraus abzuleitende Zahl ihrer Regierungs-mitglieder. Diese Konstellation führt zu einer geringen Bedeutungder programmatischen Entwicklung und der inhaltlichen Abgren-zung der Schweizer Parteien. Deren Programme unterscheiden sichideologisch wenig voneinander und bilden für die Wähler kaumKriterien für einen Wahlentscheid. Da die Parteien aber auch nichtin der politischen Mitte um die notwendigen Stimmen für die par-lamentarische Mehrheit und die Regierungsbildung werben müssen,hat sich in der Schweiz ein fragmentiertes Parteiensystem in dervollen Breite des weltanschaulichen Spektrums herausgebildet,das in Europa einzigartig ist. Nur dort existiert eine derart hoheAnzahl von Parteien mit jeweils geringen Stimmanteilen bei Wah-len. Ihr z. T. begrenzter Wahlerfolg ist jedoch kein Indiz für ihrepolitische Bedeutungslosigkeit: Die genannten direktdemokrati-schen Instrumente eröffnen ihnen eine wirksame Teilhabe an derpolitischen Macht und erlauben ihnen, mit ihren Volksbegehrenoft überdurchschnittlichen Einfluss zu entwickeln. Sie sind häufigaus sozialen Bewegungen hervorgegangen und tragen zumeist ein

86

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 86

Page 87: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

einzelnes Anliegen in die politische Auseinandersetzung hinein.Zudem sind Einzelne dieser Parteien in den Kantonen stark veran-kert und gehören dort zu den Regierungsparteien.

Die hohe Zahl der Schweizer Parteien kontrastiert jedoch mit ihremAnsehen bzw. ihrer verfassungsrechtlichen Stellung. Sie besitzenunter der Bevölkerung keine hohe Attraktivität und werden vomStaat weder besonders begünstigt oder finanziert. Parteien sind inder Schweizer Verfassung nicht einmal erwähnt, sondern lediglichOrganisationen des privaten Vereinsrechts. Sie müssen zum größtenTeil vom unentgeltlichen Engagement ihrer Mitglieder und denZuwendungen ihrer Anhänger leben. Zudem spielen sie keine privi-legierte Rolle im politischen System der Schweiz. Ihr Einfluss imGesetzgebungsprozess ist, verglichen mit dem der Kantone undVerbände, als gering einzuschätzen, und die Schweizer Regierungist, nachdem sie einmal ins Amt gewählt worden ist, weitgehendunabhängig von der Politik einer einzelnen Partei oder von denMehrheitsverhältnissen im Parlament.

Neben dem 1918 eingeführten Verhältniswahlrecht, das prinzipielldie Herausbildung mehrerer Parteien begünstigt, ist vor allem derSchweizer Föderalismus als Grund für diese Parteienvielfalt zunennen. Zwar können neue Parteien nicht darauf hoffen, unmittel-bar auf nationaler Ebene Erfolge zu erzielen. Aber bevölkerungs-reiche Kantone und große Städte eignen sich als Wahlkreise mit vie-len zu vergebenden Mandaten in besonderer Weise, eine Partei„einzuführen“. Kann sie erste Erfolge bei Wahlen vorweisen, sostrebt sie in der Regel an, sich auf weitere, kleine Kantone aus-zubreiten, um schließlich auf nationaler Ebene anzutreten. DiesePrinzipien des Schweizer Parteienwettbewerbs führen dazu, dassdas Parteiensystem von einer geringen Homogenität der nationa-len Parteien und einer regionalen Segmentierung gekennzeichnetist. Tatsächlich sind nur die FDP, die CVP und die SPS in allenKantonen vertreten, während die anderen Parteien keinen Anspruchdarauf erheben können, als gesamtschweizerische Parteien betrach-tet zu werden.

87

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 87

Page 88: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Der in anderen Staaten Europas erkennbare Wandel der milieu-orientierten Massenparteien, die sich durch eine breite Pro-grammatik auszeichnen und um die politische Macht miteinanderkonkurrieren bis hin zu professionalisierten Eliteorganisationenund Wählerparteien, die nur noch eine geringe programmatischeSchärfe aufweisen, ist bislang in der Schweiz (noch) nicht erkenn-bar. Ihm stehen strukturelle Hindernisse entgegen, die sich ausder politischen Kultur der Schweiz und der Stellung der Parteienim politischen System ableiten. Denn ihr geringer Einfluss nebenanderen Akteuren, ihre finanziell abhängige Position und schließ-lich ihre nur dürftig entwickelte innerparteiliche Demokratie habenbislang verhindert, dass sie sich zu wirklichen Volksparteien ent-wickeln konnten. Versuche, ihre Position zu stärken, z. B. durchstaatliche Finanzzuschüsse, sind in den vergangenen Jahren immerwieder abgelehnt worden. Stattdessen werden in der Schweiz wei-terhin die Kantone und Verbände diejenigen Akteure sein, die aufdie Willensbildung der Bevölkerung Einfluss nehmen, gesellschaft-liche Interessen bündeln und in das politische System einspeisen.

3.5.2 Religiöse Parteien: Israel

Israel soll hier als zweiter Fall gesondert behandelt werden, da dortein Typus von Partei anzutreffen ist, der in den bislang behandel-ten Parteiensystemen nicht existiert bzw. marginalisiert ist: Reli-giöse Parteien. Zuvor sind jedoch einige grundsätzliche Bemer-kungen zum israelischen Parteiensystem angebracht.

In Israel sind politische Parteien seit der Staatsgründung im Jahr1948 ein zentraler Bestandteil des politischen Systems. Sie be-saßen bereits zuvor eine lange Tradition innerhalb der jüdischenGemeinschaft in Palästina und waren als Träger der politischenWillensbildung fest etabliert. Noch vor den großen Einwanderungs-wellen hatten die ersten Einwanderer am Ende des 19. und amBeginn des 20. Jahrhunderts bereits politische Institutionen be-gründet, die die Voraussetzung für das Entstehen eines Parteien-systems bildeten. Im Gegensatz zur in anderen Staaten anzutref-

88

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 88

Page 89: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

fenden Parteienskepsis sind politische Parteien in Israel also eindurchgehend akzeptiertes Instrument der politischen Willensbil-dung und Machtausübung. Darüber hinaus galten sie, insbeson-dere die sozialistischen Parteien, als soziale Einrichtungen, diemit entsprechenden Unterorganisationen die sozialen Bedürf-nisse breiter Bevölkerungsschichten befriedigten. Da die Parteienalso weite Teile des politischen und privaten Lebens durchdran-gen, kann man bei Israel also von einem Parteienstaat im engs-ten Sinne sprechen: „Nichts ging ohne oder gar gegen sie.“ (Wolff-sohn/ Bokovoy, S.13)

Grundsätzlich findet man in Israel ein fragmentiertes Parteien-system vor, in dem eine für bundesdeutsche Verhältnisse bemer-kenswert große Zahl von Parteien miteinander um Einflussringen. Parteienallianzen, -fusionen, -neugründungen und -umbe-nennungen sind in Israel an der Tagesordnung. Grundsätzlich lassensich die israelischen Parteien in drei politische Lager einteilen. DasArbeiterlager wird von der gemäßigten Sozialdemokratie domi-niert, deren wichtigste Vertreterin die Arbeiterpartei ist. Sie ist inder Vergangenheit zahllose Male an der Regierungsbildung betei-ligt gewesen und hat zuletzt mit Ehud Barak bis zum Februar 2001den israelischen Ministerpräsidenten gestellt. Das bürgerliche Lagerist bezüglich der Frage der Zusammenarbeit mit der Sozialdemo-kratie und der Politik gegenüber den arabischen Staaten grundsätz-lich zwischen den links- und rechtsliberalen Parteien gespalten.Während die Ersteren die zwischenparteiliche Kooperation suchenund zu territorialen Konzessionen bereit sind, lehnen die Letzterendiese ab. Als Block mehrerer Parteien 1973 gegründet, hat sich derrechtskonservative Likud zu einer eigenen Partei entwickelt.

Einen Sonderfall bilden die religiösen Parteien Israels. Sie lassensich bis in das Jahr 1902 zurückverfolgen, als die Misrachi-Bewe-gung einen ersten Kristallisationspunkt für das politische Enga-gement orthodoxer Juden bildete. In der Folgezeit waren auch diereligiösen Parteien durch eine Vielzahl von Spaltungen und Neu-gründungen gekennzeichnet. Vor allem entlang von zwei Bruch-

89

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 89

Page 90: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

linien haben sich die religiösen Parteien formiert: Zum einen hat dieFrage, ob und welche territorialen Kompromisse Israel gegenüberden Palästinensern eingehen solle, dieses Lager gespalten; zumanderen ist es der Gegensatz zwischen den Juden euroamerika-nischer Herkunft und denjenigen orientalischer Abstammung, derdie Herausbildung unterschiedlicher religiöser Parteien begründethat.

Die religiösen Parteien beziehen ihre Legitimität und ihren Zulaufaus dem Selbstverständnis des Staates Israel, der Staat aller Judenzu sein, d. h. im ersten Schritt der einer Religionsgemeinschaft.Zwar hat sich mit der zionistischen Bewegung bereits am Endedes 19. Jahrhunderts eine ideologische Strömung herausgebildet,die die Zuwanderung nach Israel bzw. die Existenz Israels säku-lar begründet. Eine religiöse Bezugnahme auf diesen Staat istjedoch unter den religiösen Parteien nach wie vor anzutreffen.Dabei differiert diese Referenz jedoch deutlich: Während die na-tionalreligiösen Parteien die Existenz Israel bejahen, lehnen dieorthodoxen Parteien sie ab. Ihr Ziel ist es, den Staat Israel alsErgebnis des säkularen Zionismus von innen zu bekämpfen undin einen religiösen Staat zu transformieren, der auf den jüdischenReligionsgeboten basiert. Ihre radikalsten Vertreter halten Israelfür „gotteslästerlich“, da die Beendigung des jüdischen Exils unddie Schaffung einer Heimstatt für das jüdische Volk nicht dieAufgabe des Menschen, sondern die Gottes sei. EntsprechendeBestrebungen des Zionismus, der ein völlig entgegengesetztesGeschichtsverständnis bzw. Weltanschauung besitzt, lehnen dieseParteien ab. Ihre Anhänger wohnen in geschlossenen Siedlungenund meiden den Kontakt zu den säkularen Israelis. Ihre Ablehnungdes Staates Israel artikuliert sich z. B. darin, dass sie keinen Wehr-dienst leisten und keine staatlichen Dienstleistungen in Anspruchnehmen. Moderatere Kräfte in diesem Lager akzeptieren Israelzumindest als Übergang und profitieren davon: So erhalten diereligiösen Bildungseinrichtungen parteinaher Organisationen, vorallem der Schas-Partei, umfangreiche Finanzhilfen von staatlicherSeite.

90

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 90

Page 91: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Politische Bedeutung gewinnen die religiösen Parteien, die zumeistnur geringe Stimmanteile bei den Wahlen zum israelischenParlament, der Knesset, erringen können, durch eine Besonderheitdes israelischen Wahlrechts. Die Sperrklausel, d. h. der vorgeschrie-bene Anteil an den abgegebenen Stimmen, die eine Partei zumEinzug in das Parlament mindestens erreichen muss, liegt in Israelbei 1,5 % (in der Bundesrepublik bei 5 %). Diese geringe Hürdeerlaubt auch kleineren Parteien den Einzug in die Knesset, die sichauf Grund dieser Regelung zu einem fragmentierten Parlament ent-wickelt hat. Zahlreiche Parteien mit verhältnismäßig geringenStimmanteilen prägen die Zusammensetzung der Legislative. Davor diesem Hintergrund die Regierung von einer aus zahlreichenParteien bestehenden, tendenziell instabilen Koalition gestelltwird, ist den religiösen Parteien in der Vergangenheit häufig dieRolle des entscheidenden Mehrheitsbeschaffers zugewachsen. Inder Regierungspolitik gewinnen sie dann mehr Bedeutung undEinfluss als sich aus ihrem Stimmanteil bei den Wahlen ablesenlässt. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die seit dem Endeder 1960er Jahre steigende Zahl von religiösen Israelis, d. h. die-jenigen, die gemäß den religiösen Geboten leben. Auch die säku-laren Parteien müssen auf diese Wählergruppe verstärkt Rück-sicht nehmen, sodass eine strikte Trennung von Staat und Religionnicht existiert. Im politischen Alltag Israels nehmen Fragen derReligionspolitik daher im Spannungsfeld zwischen säkularen undreligiösen Israelis eine wichtige Stellung ein. Zwar ist ein häufigprognostizierter Kulturkampf bislang ausgeblieben. Nicht zu ver-kennen sind jedoch die immer wiederkehrenden Spannungen zwi-schen den beiden Lagern.

3.5.3 Ehemalige Staatsparteien im Wandel: Mittel- und Osteuropa

Der dritte Typus, der sich von den drei Parteiensystemen der Ver-einigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs unterscheidet,sind die Parteiensysteme der mittel- und osteuropäischen Staaten,die sich seit dem Ende des Ost-West-Konflikts 1989/90 in einempolitischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Transformations-

91

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 91

Page 92: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

prozess befinden. Das Ende der Herrschaft der kommunistischenVolksparteien in diesen Staaten hat seitdem die Herausbildung vonMehrparteiensystemen ermöglicht. Diese unterscheiden sich inihrem Entstehen und ihrer Ausformung jedoch nach wie vor deut-lich von Parteiensystemen westlicher Prägung.

Führungspersonal: Auch wenn die einzelnen ParteiensystemeMittel- und Osteuropas stark voneinander abweichen, so lassen sichdoch einige strukturelle Gemeinsamkeiten ausmachen: Da sich dieUmbrüche in den politischen Systemen dieser Region überraschendund mit hoher Geschwindigkeit vollzogen, existierte nach demEnde der kommunistischen Herrschaft kaum qualifiziertes undöffentlich akzeptiertes Führungspersonal in den neu gegründetenParteien, was sie beim Aufbau einer Organisation und dem politi-schen Wettbewerb benachteiligte. Die bisherigen Eliten waren dis-kreditiert und schieden erst einmal aus dem politischen Wettbewerbaus. Auch wenn es, z. B. in Rumänien, zu vereinzelten Gewaltan-wendungen kam, vollzogen sich diese sozialökonomischen Um-brüche doch weitgehend friedlich. Die Systemwechsel wurdenzumeist von oben vorbereitet und ausgehandelt, d. h. von den altenund neuen politischen Eliten. Erst später legitimierten die Wählerdie neuen Verfassungen und die jeweiligen politischen Führungs-gruppen.

Verwurzelung in der Gesellschaft: Nach der Erfahrung der kommu-nistischen Diktatur und der damit verknüpften Zwangsbeteili-gung ist die Bereitschaft zur politischen Beteiligung unter derBevölkerung der Staaten Mittel- und Osteuropas seit 1989/90 nachwie vor gering ausgebildet. Dies betrifft sowohl die Mitgliedschaftin einer Partei als auch die Bereitschaft, sich an Wahlen zu betei-ligen. Dominierend sind hingegen für die Bevölkerung Probleme,die aus der Transformation erwachsen, z. B. die Frage der Arbeits-platzsicherheit und der Versorgungslage. Unmittelbar damit ver-knüpft ist eine sehr gering ausgebildete Parteiidentifikation. Nurwenige Bürger fühlen sich dauerhaft einer Partei verbunden undwählen sie konstant. Im Gegenzug findet man eine große Zahl

92

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 92

Page 93: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

von Wechselwählern, die von Wahl zu Wahl ihre Stimmabgabeändern.

Grundsätzlich wird den Parteien in Mittel- und Osteuropa nur einegeringe Fähigkeit zur Lösung von Problemen zugetraut und ihnenstattdessen eine prinzipielle Skepsis entgegengebracht. Eine derwichtigsten Funktionen von Parteien, nämlich die Interessenver-mittlung zwischen Gesellschaft und Staat, leisten diese Parteien nurbedingt. Es existiert noch kein eingeführtes und akzeptiertes Systemzur Kommunikation und zur Artikulation gesellschaftlicher Inter-essen. Damit geht das Fehlen einer Zivilgesellschaft einher, in derGruppen und Verbände ihre Anliegen artikulieren bzw. bündeln undan die Parteien herantragen.

Wirkung des Regierungssystems: Der Einfluss des Regierungs-systems auf die Ausbildung des Parteiensystems ist im Rahmendieser Untersuchung vielfach unterstrichen worden. In Mittel- undOsteuropa findet man neben den beiden Großtypen des parla-mentarischen (Albanien, Bulgarien, Slowakei, Tschechien, Ungarn)und des präsidentiellen Systems (Russland, Ukraine) auch denTypus des semipräsidentiellen Regierungssystems (Polen, Rumä-nien). Grundsätzlich lässt sich auch in Mittel- und Osteuropa diebekannte Tendenz erkennen, der zufolge parlamentarische Regie-rungssysteme Parteien im politischen System stärken, wohingegenpräsidentielle Systeme sie schwächen. In diesen Ländern verfügtder Präsident in der Regel nicht über eine parlamentarischeMehrheit, sondern beeinflusst die Regierungsbildung lediglich aufGrund seiner starken verfassungsrechtlichen Stellung. Im Ergebnishat dies in einigen präsidentiellen Systemen im Vergleich zu denparlamentarischen zu einer größeren Stabilität geführt, obgleichdie ökonomische Entwicklung krisenhafter verlaufen und einehöhere Instabilität zu vermuten war. Semipräsidentielle Regier-ungssysteme haben tendenziell nach 1989/90 eine stabilisie-rende Wirkung auf die Regierungsbildung und -tätigkeit ausgeübt,vor allem dann, wenn Präsidenten im Amt waren, die nicht pola-risierend wirkten. Verfolgten sie hingegen eigene starke Macht-

93

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 93

Page 94: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

ambitionen, so haben sie instabile politische Machtverhältnisse zu-sätzlich kompliziert.

Wirkung des Wahlrechts: Auch das Wahlrecht erweist sich in Mittel-und Osteuropa als strukturierender Faktor für das Parteiensystem.Dominierend ist dort das Verhältniswahlrecht. Nur in der Ukraine,Albanien und Russland wird nach unterschiedlichen Formen desMehrheitswahlrechtes gewählt. Die Form des Wahlrechtes ist in derRegel auf die Rahmenbedingungen seiner Entstehung zurückzu-führen. Bei denjenigen Systemwechseln, bei denen der Übergangder Macht zwischen alten und neuen Eliten ausgehandelt wurde, istdas Wahlrecht in der Regel ein Kompromiss zwischen denInteressen der beiden Lager. In diesen Fällen trifft man häufig kom-binierte Systeme an. Leiteten die kommunistischen Eliten denÜbergang ein, so dominierte zu Beginn eine Tendenz zum Mehr-heitswahlrecht, mit dem diese Eliten ihre Dominanz zu sichernsuchten. Mit dem Erstarken neuer Parteien ist das Mehrheitsprinzipjedoch zurückgewichen und hat in diesen Systemen in den vergan-genen Jahren zunehmend dem Verhältniswahlrecht Platz gemacht.Zerbrachen die kommunistischen Systeme in kürzester Zeit, so setz-te sich zügig und fast ausschließlich das Verhältniswahlrecht durch.

Parteienrecht: Ein weiterer, das Parteiensystem beeinflussenderFaktor in Mittel- und Osteuropa ist das Parteienrecht, bzw. die juris-tischen Grundlagen der staatlichen Parteienfinanzierung. Haben dieim Parlament vertretenen Parteien eine staatliche Unterstützungerhalten, so haben sich diese zu stabilen politischen Akteuren ent-wickeln, eine politische Elite hervorbringen bzw. etablieren undschließlich den notwendigen institutionellen und organisatorischenUnterbau schaffen können. Nur dann sind sie in der Lage gewesen,die Hürden zu überwinden, mit denen das Parteienrecht sie kon-frontierte, z. B. die Sammlung der Unterschriften, die für eine Wahl-beteiligung notwendig waren.

Zieht man verfassungsgemäß vollzogene, d. h. durch demokratischeWahlen legitimierte Machtwechsel als Indizien für die Konsolidie-

94

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 94

Page 95: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

rung der mittel- und osteuropäischen Parteiensysteme heran, so lässtsich feststellen, dass die in fast allen Ländern mittlerweile vollzo-genen Machtwechsel die junge Form der Demokratie dauerhaftetabliert haben und diese als konsolidiert gelten kann. Die Wahl-niederlagen und Machtwechsel sind von den unterlegenen Parteienwiderspruchslos akzeptiert und die Parteiendemokratie ist prinzi-piell nicht in Frage gestellt worden. Diese Entwicklung umfassteauch die kommunistischen Nachfolgeparteien, die in einigen Staa-ten Mittel- und Osteuropas seit der Mitte der 1990er Jahre wiedereinen Aufschwung erlebt haben. Auch wenn dort wieder alte kom-munistische Führungseliten anzutreffen sind, so bedeutet dies nicht,dass eine Rückkehr zum Einparteienstaat kommunistischer Prägungdroht. Diese Akteure befinden sich programmatisch in einem Ent-wicklungsprozess hin zur politischen Mitte und haben die Rahmen-bedingungen der neuen demokratischen Systeme akzeptiert.

95

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 95

Page 96: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 96

Page 97: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

4. Fazit

Politische Parteien sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil desdemokratischen Willensbildungsprozesses geworden, da sie eineinstitutionelle Vertretung gesellschaftlicher Interessen im politi-schen Wettbewerb sicherstellen können. Im internationalen Ver-gleich gibt es unter dem Oberbegriff der politischen Partei jedochdie unterschiedlichsten gesellschaftlichen Organisationen. In allenFällen kann man feststellen, dass die historische Entwicklung, diedie Parteien und das politische System der Länder genommenhaben, bis heute nachwirkt. Die Grundlagen hierfür sind vor allemdie Entwicklung der jeweiligen Gesellschaftsstruktur und der Kon-fliktlinien, die sie kennzeichnen, aber auch der gesellschaftlicheWandel, etwa durch Individualisierung und zunehmende sozialeMobilität. Dabei ist der Wandel der Parteien keineswegs abge-schlossen, sondern vollzieht sich fortwährend. Während z. B. sozial-demokratische und sozialistische Parteien als politische Vertre-tungen der Arbeiterbewegung entstanden sind, müssen sich dieseParteien heute programmatisch neu ausrichten und für neue Wäh-lerschichten öffnen. Denn eine „Arbeiterklasse“ im traditionellenSinne existiert nicht mehr und die verbliebenen Arbeiter wählennicht zwangsläufig sozialdemokratische Parteien. Die Orientierungder SPD an der „neuen Mitte“ unterstreicht dies sehr plastisch.Gleiches gilt für die CDU mit Blick auf ihre konfessionell gebun-denen Wähler: Angesichts einer kontinuierlich zurückgehendenBindung der deutschen Bevölkerung an die Kirchen kann die CDUschon lange nicht mehr nur als Repräsentantin christlich orientierterWähler handeln, sondern hat sich neuen Wählergruppen geöffnet,von denen z. T. einige mit einer religiösen Orientierung des persön-lichen oder politischen Lebens nichts im Sinn haben.

Die tatsächliche Stellung von Parteien ist sehr stark von den spezifi-schen Rahmenbedingungen abhängig. Dabei ist zunächst der Rah-men des politischen Systems zu nennen, in dem eine Partei agiert. Inder Schweiz, deren politisches System starke konkordanzdemo-

97

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 97

Page 98: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

kratische Züge trägt, ist die Rolle der Parteien stark begrenzt. Dieseringen kaum miteinander um die Durchsetzung gegensätzlicherpolitischer Programme und die Regierungsbildung, sodass es zueiner Zersplitterung des Parteienspektrums kommt. Auch verfas-sungsrechtlich genießen Schweizer Parteien keine hervorgeho-bene Stellung. Ebenso vergleichsweise geringen Einfluss habenParteien in den USA, was im Wesentlichen am organisatori-schen Aufbau liegt. Diese können bezüglich ihrer inneren Struktur,ihrer Mitgliederbindung und den Formen ihrer Kandidatenre-krutierung kaum mit europäischen Parteien verglichen werden.Auch erhalten sie keine staatliche Unterstützung. Die Parteien inDeutschland haben eine vergleichsweise starke Stellung, die sieaus dem – im Grundgesetz verankerten – Auftrag zur Mitwirkungan der politischen Willensbildung ableiten. Nicht nur ihre Er-wähnung im Grundgesetz ist im Vergleich mit anderen europä-ischen Staaten ungewöhnlich, auch die staatliche Finanzierungvon Parteien bzw. ihrer Aktivitäten stärkt in besonderer Weiseihre Stellung im politischen System der Bundesrepublik. Groß-britannien trägt von den hier beschriebenen politischen Systemendie stärksten Züge einer Konkurrenzdemokratie, in der die Parteienbei der Regelung gesellschaftlicher Konflikte eine starke Stellungbesitzen. Sie sind nicht nur sehr früh entstanden, sondern werdenin einer sehr pragmatischen Sicht als Herrschaftsinstrumente be-griffen, die die für das Regieren notwendigen Mehrheiten bereit-stellen. Am stärksten sind Parteien natürlich in totalitären Systemen,bei denen es sich in der Regel um Ein-Parteien-Systeme handelt.Da in diesen die einzige Partei keine oder keine ernsthafteKonkurrenz besitzt, dient sie als zentrales Herrschafts- und Unter-drückungsinstrument. Sie wird nicht von den Rahmenbedingungendes politischen Systems geprägt, sondern dieser Typus einer Parteiverfügt über die Macht, die Eckpfeiler eben dieses politischenSystems jederzeit und dauerhaft zu verändern.

Die Rechtsstellung der Parteien weist ihnen bestimmte Funktionenzu und kann ihnen – so etwa in der Bundesrepublik Deutschland –eine Grundstruktur des Organisationsaufbaus vorschreiben. Die

98

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 98

Page 99: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

tatsächliche Ausgestaltung dieser formalen Organisationsstruk-turen kann sich aber auch innerhalb eines politischen Systemsnoch deutlich zwischen verschiedenen Parteien unterscheiden, z. B.in der Frage, welche innerparteilichen Beteiligungsmöglichkei-ten sie ihren Mitgliedern einräumen oder ob sie Nicht-Mitgliedernzur Teilhabe offen stehen. Zu diesen rechtlichen Rahmenbedin-gungen gehört auch das jeweilige Wahlrecht, das ganz entscheidendfür die Stellung der Parteien und die Struktur des Parteiensystemsist. Das Wahlrecht entscheidet vor allem über die Anzahl der Par-teien im Parlament und die Chancen für neue Parteien, in einempolitischen System an Einfluss zu gewinnen.

Das Erscheinungsbild der politischen Parteien ist in verschiedenenLändern also sehr unterschiedlich. Ein Idealbild einer Partei gibt esnicht, d. h. es gibt keinen bestimmten Typus von Partei, der dieParteifunktionen generell am besten erfüllen könnte. Vielmehrkann je nach politischem und gesellschaftlichem System der eineoder andere Parteityp funktional sein. Und natürlich sind auch po-litische und gesellschaftliche Systeme einem ständigen Wandelunterworfen, sodass sich Parteien den verändernden Rahmenbedin-gungen kontinuierlich neu anpassen müssen.

99

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 99

Page 100: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 100

Page 101: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Literatur:

Alemann, Ulrich von: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2000.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2001.

Fisher, Justin: British Political Parties. London/ New York u.a. 1996.

Fraenkel, Ernst: Deutschland und die westlichen Demokratien. 4. Aufl. Stuttgartu. a. 1968.

Hübner, Emil / Münch, Ursula: Das politische System Großbritanniens. Eine Einführung. Mün-chen 1998.

Ismayr, Wolfgang (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas. 2. Aufl. Opladen 1999.

Kempf, Udo: Von de Gaulle bis Chirac. Das politische System Frankreichs. 3.,neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Opladen 1997.

Klumpjan, Helmut: Die amerikanischen Parteien. Von ihren Anfängen bis zur Gegen-wart, Opladen 1998.

Linder, Wolf: Schweizerische Demokratie. Institutionen – Prozesse – Perspekti-ven, Bern/ Stuttgart/ Wien 1999.

101

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 101

Page 102: Parteien im internationalen Vergleich · 2011-05-26 · Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 9. 10 denen dann sozialistische Parteien hervorgingen. Die Gründung

Niclauß, Karlheinz: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Eine Ein-führung. 2. Aufl. Stuttgart 2002.

Nohlen, Dieter: Wahlrecht und Parteiensystem. 3. Aufl. Opladen 2000.

Rohe, Karl: Parteien und Parteiensystem, in: Kastendiek, Hans/ Rohe, Karl/Volle, Angelika (Hrsg.): Großbritannien. Geschichte – Politik –Wirtschaft, Gesellschaft. 2. akt. u. erw. Aufl., Frankfurt/ New York1999, S.239 – 256.

Ruß, Sabine/ Schild, Joachim/ Schmidt, Jochen/ Stephan, Ina (Hrsg.):Parteien in Frankreich. Kontinuität und Wandel in der V. Republik.Opladen 2000.

Segert, Dieter/ Machos, Csilla: Parteien in Osteuropa. Kontexte und Akteure. Opladen 1995.

Segert, Dieter/ Stöss, Richard/ Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Parteiensysteme in postkommunistischen Gesellschaften Osteu-ropas. Opladen 1997.

Wasser, Hartmut: Politische Parteien und Wahlen, in: Adams, Willi Paul/ Lösche,Peter (Hrsg.): USA. Geschichte – Politik – Geographie – Wirtschaft– Gesellschaft – Kultur. 3. aktualisierte und neu bearbeitete Auflage, Bonn 1998, S.305 – 339.

Wolffsohn, Michael / Bokovoy, Douglas: Israel: Grundwissen. Geschichte – Politik – Gesellschaft – Wirtschaft.4. völlig überarbeitete Auflage, Opladen 1995.

102

Parteien internat.Vergleich 07.07.2003 13:53 Uhr Seite 102