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Inspiriert und begeistert durch den Erfolg des „Jahres der Physik 2000“ veranstalten die Deutsche Physikalische Gesellschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2001 ein jährliches Physikfestival: die „Highlights der Physik“. Das Festival zieht mit jährlich wechselnder Thematik von Stadt zu Stadt. Mitveranstalter sind stets ortsansässige Institutionen. Die vorliegende Broschüre ist zu den „Highlights der Physik 2008: Quantensprünge“ erschienen (Halle/ Saale, 14.9. – 18.9.2008), Infos: www.physik-highlights.de Quanten sprünge Wissenschaftsmagazin Veranstalter:: Partner: Medienpartner: DEUTSCHE AKADEMIE DER NATURFORSCHER LEOPOLDINA

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Page 1: Partner · gen waren, genau wie beim Licht ein Inter-ferenz-Streifenmuster auf der Fotoplatte. Das gleiche geschah auch, als man später den Versuch mit einem Atomstrahl, also „richtiger“

Inspiriert und begeistert durch den Erfolg des „Jahres der Physik2000“ veranstalten die Deutsche Physikalische Gesellschaft und dasBundesministerium für Bildung und Forschung seit 2001 ein jährlichesPhysikfestival: die „Highlights der Physik“. Das Festival zieht mitjährlich wechselnder Thematik von Stadt zu Stadt. Mitveranstalter sindstets ortsansässige Institutionen. Die vorliegende Broschüre ist zu den„Highlights der Physik 2008: Quantensprünge“ erschienen (Halle/Saale, 14.9. – 18.9.2008), Infos: www.physik-highlights.de

QuantensprüngeWissenschaftsmagazin

Veranstalter::

Partner:

Medienpartner:

DEUTSCHE AKADEMIE

DER NATURFORSCHER LEOPOLDINA

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4 Das schönste Experiment aller Zeiten

10 Quantensprünge

14 Die Wellenrevolution

18 Quantenindustrie

24 Die Wissenschaft der Rätsel

herausgeber

Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. (DPG)

Bundesministerium für Bildung und Forschung

autor

Wolfgang RIchter

Wissenschaftliche Beratung

Prof. Dr. Eberhard F. Wassermann

informationen zum inhalt

Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. PressestelleBonner Talweg 853113 BonnTel. (0228) 55 525 - 18Fax (0228) 55 525 - [email protected]

konzept, redaktion und gestaltung

iserundschmidtKreativagentur für PublicRelations GmbHBonn – Bad Honnef – Berlin(Verantwortlich: Timo Meyer, Marleen Schwalm)

September 2008

Bildquellen (v.l.n.r.): Schrollum, Flickr.com; BIPM photo; Florian Loder © Uni Augsburg;© Santanu Vasant, Flickr.com; PhotoDisc;Titel: Max Planck (Bild: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Quantensprünge

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länder vom Regenbogen zu einem Versuchangeregt, der 160 Jahre später zum zentra-len Experiment der Quantenmechanik wer-den sollte. 2002 kam dieser Versuch sogarin die Charts: Englische Physiker wähltenihn in einer Umfrage zum schönsten Expe-riment aller Zeiten.

Die Geschichte dieses Experiments beginntschon im Jahr 1300, als sich der MönchDietrich aus Freiberg in Sachsen Gedan-ken über die Entstehung des Regenbo-gens machte. Er war der erste, der – fast –auf die richtige Lösung kam: Fällt Licht vonder Sonne auf einen kugelförmigen Regen-tropfen, wird zwar ein großer Anteil am glit-zernden Tropfen sofort reflektiert, ein Teildes Lichts tritt jedoch in den Tropfen ein.Bei diesem Übergang vom dünneren Ele-ment Luft in das dichtere Element Wasserwerden die Lichtstrahlen „gebrochen“ – das

heißt, zur Tropfenmitte hin abgelenkt. EinTeil dieses gebrochenen Lichts wird danachan der hinteren runden Innenwand desTropfens reflektiert. Beim Austritt ausdem Tropfen wird das reflektierte Lichtschließlich dann noch einmal gebrochen.

Diese Vorgänge bewirken, dass die Licht-strahlen gebündelt werden und gemein-sam in einem bestimmten Winkelbereich(etwa 40 bis 42 Grad) den Wassertropfenverlassen. Hat man also die tiefstehendeSonne im Rücken und eine ausreichendgroße Regenwand vor sich, sind es die Re-gentropfen auf einem Kreisbogen um 42Grad, die ihr gebündeltes Licht genau indas Auge des Beobachters schicken. Denäusseren Nebenregenbogen mit umge-kehrter Farbfolge, der manchmal zusätz-lich zu beobachten ist, deutete Dietrichebenfalls richtig mit doppelter Reflexion

innerhalb des Tropfens. Warum jede derRegenbogen-Farben aber unter einem etwasanderen Winkel den Tropfen verlässt unddeshalb einen eigenen Kreisbogen bildet,konnte Dietrich nicht erklären.

Es dauerte mehr als 300 Jahre, bis RenéDescartes 1637 den Verlauf der Licht-strahlen mathematisch exakt beschreibenkonnte. Und erst 1666 konnte Isaac New-ton die physikalischen Hintergründe derFarbzerlegung des Lichts durch Brechungrichtig deuten. Er erkannte, dass das weißeLicht der Sonne aus vielen Farben zusam-mengesetzt ist. In diese farbigen Bestand-teile, sein Spektrum, kann es durch einPrisma oder eben einen Regentropfen auf-gespalten werden: Je nach Farbe wird dasLicht beim Eintritt in den Tropfen etwasanders gebrochen und tritt deshalb auchunter einem etwas anderen Winkel aus

dem Tropfen wieder aus. So erscheint fürjede Farbe ein eigener Kreisbogen auf derRegenwand.

Die Brechung brachte Newton zu der Über-zeugung, dass Licht aus „atomähnlichen“Teilchen bestehe – er nannte sie „Korpus-keln“. Denn wenn verschieden farbigesLicht unterschiedlich gebrochen wird, musses je nach Farbe unterschiedliche physika-lische Eigenschaften besitzen. Da liegt esnah anzunehmen, dass die Ursache dafüreinfach unterschiedlich große Lichtteilchensind. Der Holländer Christiaan Huygenswar allerdings ganz anderer Ansicht: Erhatte um 1650 eine Theorie ausgearbeitet,nach der sich Licht wellenförmig ausbrei-tet. Die parallelen Lichtstrahlen der Sonnewerden in diesem Bild zu einer breitenWellenfront, ähnlich wie die parallelenWellen der Meeresbrandung. Mit diesem

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Ansatz ließ sich nicht nur die Brechungvon Licht erklären, sondern zusätzlich aucherstmals die Beugung, also die Ausbrei-tung des Lichts hinter einem Hindernis.

Newtons Einfluss und seine halsstarrigeAbneigung gegen Kritik waren aber sogroß, dass für die nächsten hundert JahreHuygens’ Theorie kaum Anhänger fand.Erst als sich der junge Arzt, Sprachforscherund Physiker Thomas Young Anfang des19. Jahrhunderts intensiv mit dem Regen-bogen beschäftigte, kam wieder Bewe-gung in den Welle-Teilchen-Disput. Youngmachte sich Gedanken über die so genann-ten überzähligen Bögen, die man bei gutenBedingungen direkt unterhalb eines Regen-bogens erkennen kann. Sie sind ebenfallsfarbig, aber wesentlich blasser als der eigentliche Bogen – und können nicht mitNewtons Theorie erklärt werden.

Regenbogen über Hinterbichl in Osttirol(Bild: Schrollum, Flickr.com)

Ein Prisma fächert hier weißes Licht in das gesamte Farbspektrum auf. Ein Nebel aus Wasserdampf macht die Farben sichtbar. (Bild:Frank Luerweg / Uni Bonn)

Wer hier ganz genau hinsieht,erkennt unter dem Hauptregen-bogen die überzähligen Bögen.Ihre Entstehung lässt sich nurmit den Welleneigenschaftendes Lichts erklären. (Bild: _setev,Flickr.com)

Weg eines Lichtstrahls durcheinen Regentropfen (Grafik: ius)

Ein einfacher Versuch offenbart die Magieder Quantenphysik besonders eindrucksvoll.Die Idee für das Experiment stammt aus der Zeit, als die Wissenschaftler dem Geheim-nis des Regenbogens auf die Spur kamen.

Was haben Mariah Carey, Johnny Cashund Bushido gemeinsam? Alle drei habennicht nur die Liebe besungen – sondernauch den Regenbogen. Kaum eine Natur-erscheinung hat Musiker und Poeten soinspiriert wie das Farbenspiel, das ent-steht, wenn Sonne und Regen zusammen-treffen. Auch die Wissenschaft hat dasPhänomen über Jahrhunderte beschäf-tigt. So entzündete sich an den Farben desRegenbogens der historische Streit, obLicht nun aus Teilchen oder Wellen be-steht. Und Anfang des 19. Jahrhundertswurde ein junger, vielseitig begabter Eng-

Experiment aller ZeitenDas schönste 4

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Young, der 1796 in Göttingen seinen Dok-tor gemacht hatte, ging ein Jahr später andas Emmanuel College in Cambridge. DerLegende nach kam er am dortigen Enten-teich auf die Lösung des Problems: Er be-obachtete zwei Enten, die nebeneinanderschwammen und kleine Wellen hinter sichließen. Die Wellen der beiden Enten über-lagerten sich, und an einigen Stellen wardas Wasser ruhig, obwohl beide Wellendort zugleich ankamen. Offensichtlich wa-ren an diesen Stellen gerade die Wellen-täler von Ente 1 auf die Wellenberge vonEnte 2 getroffen und hatten sich gegen-seitig ausgelöscht. Ließe sich dieser Effektvielleicht auch mit Licht erzielen? Youngkonstruierte sich einen Schirm mit zweischmalen, parallelen Spalten in geringemAbstand und beleuchtete ihn mit einfarbi-gem Licht. Und in der Tat – an der gegen-überliegenden Wand konnte er ein Strei-

fenmuster erkennen. Youngs Erklärung:Wie bei Wasserwellen breiten sich hinterden beiden Spalten die Lichtwellen kreis-förmig aus. An einigen Stellen treffen Wel-lenberge und -täler aufeinander und hebensich auf, an anderen Stellen verstärkensich Berge bzw. Täler gegenseitig.

Genau dieser Effekt ist auch für die zusätz-lichen, intensitätsschwachen inneren Bögendes Regenbogens verantwortlich. Sie ent-stehen, wenn sich Lichtwellen aus gleichenRichtungen überlagern – man sagt auch„interferieren“ – und ein Muster wie inYoungs Labor-Experiment bilden. Durchseine Entdeckung stand es nun 1:0 für dasWellenmodell des Lichts – und die Phy-siker machten sich daran, es immer wei-ter zu verbessern. Noch einmal hundert Jahre später, im Jahr 1908, veröffentlichte Gustav Mie schließlich seine berühmte

Theorie der „Streuung einer ebenen elek-tromagnetischen Welle an einer homo-genen Kugel“. Damit konnte das Phäno-men Regenbogen vollständig beschriebenwerden.

Das Doppelspalt-Experiment von Youngwiderspricht offensichtlich Newtons Teil-chenbild des Lichts. Denn wären Lichtpar-tikel zum Beispiel so groß wie Sandkörnerund würde man diese von oben durch zweiSpalte rieseln lassen, würde sich auf demBoden darunter je ein Sandstreifen hinterjedem der Spalte bilden – aber kein aus-gedehntes Interferenzmuster mit vielenStreifen. Trotz dieses Arguments zugun-sten des Wellenmodells war aber nochnichts entschieden, wie sich 1905 zeigte.Es war Albert Einstein, der für neuen Auf-ruhr sorgte, als es ihm gelang, ein langebekanntes, rätselhaftes Phänomen theo-

retisch zu deuten: Strahlt man Licht auf eine Metalloberfläche, so werden dort Elek-tronen freigesetzt und es fließt ein Strom.Diesen „Photoeffekt“ konnte Einstein nurerklären, wenn das Licht nicht aus Wellenbesteht, sondern aus kleinen Portionen –den „Lichtquanten“ – die beim Photo-effekt wie Gewehrkugeln die Elektronendes Metalls treffen und herausschlagen.Newton und seine Teilchenhypothese wa-ren also zumindest zum Teil wieder reha-bilitiert. 1:1 im Spiel Welle gegen Teilchen?

Ende der 1920er Jahre wurde die Sachlageim Disput noch merkwürdiger: Experi-mente und theoretische Überlegungen imZusammenhang mit der Entwicklung derQuantenmechanik hatten nämlich gezeigt,dass auch Teilchen Welleneigenschaftenbesitzen können. 1960 gelang dann ClausJönsson von der Universität Tübingen das

nach der Umfrage unter britischen Physi-kern „schönste Experiment aller Zeiten“.Er „beleuchtete“ einen Doppelspalt stattmit Licht mit einem Elektronenstrahl undregistrierte die ankommenden Elektronenhinter den beiden Spalten auf einer Foto-platte. Obwohl sie beim Aufschlag auf derPlatte eindeutig ihre Teilcheneigenschaf-ten zeigten – jedes Elektron erzeugte einenschwarzen Punkt – bildete sich im Lauf derZeit, nachdem viele Elektronen eingeschla-gen waren, genau wie beim Licht ein Inter-ferenz-Streifenmuster auf der Fotoplatte.Das gleiche geschah auch, als man späterden Versuch mit einem Atomstrahl, also„richtiger“ Materie, wiederholte.

Wie kann nun ein Teilchenstrahl aus Ato-men ein Interferenz-Muster erzeugen, einStrahl aus Sandkörnern aber offensichtlichnicht? Offenbar haben die kleinen Elektro-

nen und Atome noch „Welleneigenschaf-ten“, die Sandkörner nicht mehr besitzen.Mit dieser Annahme scheint eine Erklä-rung des Doppelspalt-Experiments einfach:Strahlt man viele Atome auf die beidenSpalte, so gehen einige durch den rechtenSpalt, einige durch den linken. Im Raum

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Wie Wellen durch Überlagerung auffällige Muster erzeugen,lässt sich nicht nur bei schwimmenden Enten beobachten. (Bild:© John Dalkin, Heaven's Gate (John), Flickr.com)

Schematischer Aufbau des Doppelspalt-Experiments: einfarbige Licht-quelle, zwei Spalte und ein Schirm (Grafik: ius)

Das historische Foto aus Jönssons Original-arbeit zeigt das Streifenmuster der Elektronen-interferenz. (Bild: Prof. Dr. Jönsson, UniversitätTübingen)

Auch das Weiß der Schäfchenwolken lässt sich mit Mies Streutheorieerklären. Während die Luftmoleküle den blauen Anteil des Sonnenlichtsstärker streuen, streuen die größeren Wassertröpfchen der Wolke alleAnteile gleich stark. Ergebnis: Die Wolken sind weiß, der Himmel ist blau.(Bild: PhotoDisc)

Dieses Farbstoff-Solarmodulnutzt den Photoeffekt, um mit-hilfe des Sonnenlichts elektri-schen Strom zu erzeugen. (Bild:Fraunhofer-Institut für SolareEnergiesysteme ISE)

100 JAHRE REGENBOGEN

Greifswald, Halle (Saale), Freiburg imBreisgau: In diesen Städten hat GustavMie (oben) – der „Vater des Regenbo-gens“ – als Professor für Physik gelehrt.Im Jahr 1908 veröffentlichte er seineberühmt gewordene Theorie zur „Streu-ung einer ebenen elektromagnetischenWelle an einer homogenen Kugel“. Dassman mit ihr auch sämtliche Phänomeneeines Regenbogens erklären und berech-nen kann, wird aus dem Titel allerdingsnicht sofort klar. Mie baute seine Theorieauf einer Reihe von Gleichungen auf,die der Schotte James Clerk Maxwell1865 aufgestellt hatte. Sie verknüpfendie Phänomene Elektrizität und Mag-netismus miteinander – und aus ihnenlässt sich auch ableiten, dass Licht eine„elektromagnetische“ Welle sein muss,mit der sich ein elektrisches und ein mag-netisches Feld als Schwingung ausbrei-ten. Das Erstaunliche an Mies Theorie:Sie enthält unendliche Summen kompli-zierter Ausdrücke, die zu seinen Lebzei-ten nicht einmal näherungsweise berech-net werden konnten. Dies gelang erst1990 mit den dann zur Verfügung ste-henden schnellen Computern. Es ist alsonoch gar nicht so lange her, dass dasRätsel des Regenbogens gelöst wurde.

Bild: Universitätsarchiv Freiburg D 13/142

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… ein Auto fährt aus dem Parkhaus durch beide Ausfahrtengleichzeitig, wenn es keiner sieht. Schaut dagegen jemand zu,entscheidet es sich spontan für eine von beiden. Was bizarrklingt und höchstwahrscheinlich in ein Verkehrschaos mündenwürde, ist beispielsweise für Elektronen gang und gäbe. Daskonnten Forscher mit dem berühmten Doppelspalt-Experimentspektakulär zeigen. (Grafik: Timo Meyer, Melina Diener)

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Q-S1

dahinter überlagern sich dann die „Materie-wellen“ dieser Atome und bilden durchAuslöschung oder Verstärkung das typischeStreifen-Muster.

Das Merkwürdige: diese Erklärung istfalsch! Dimmt man nämlich die Atom-strahlquelle so weit herunter, dass nurnoch einzelne Atome herauskommen, undwartet dann mit dem Abschuss des näch-sten Atoms immer so lange, bis das voran-gegangene garantiert auf der Fotoplatteangekommen ist, dann geschieht etwasUnglaubliches: Langsam aber sicher bil-det sich wieder ein Streifenmuster! Für dieInterferenz ist es aber zwingend notwen-dig, dass von beiden Spalten kreisrundeWellen ausgehen. Hat sich also jedes ein-zelne Atom vor dem Schirm in zwei Hälften– zwei Teilwellen – gespalten, die gleich-zeitig durch die beiden Spalte fliegen, um

dann hinter den Spalten zu interferierenund das Streifenmuster zu bilden?

Um dies näher zu untersuchen, ersannendie Forscher eine Vorrichtung, um die Atome einzeln direkt hinter dem Schirm zuorten (Details sollen hier nicht interessie-ren). Nun war es also möglich zu bestim-men, ob die Atome durch den rechten, denlinken oder gar durch beide Spalte gleich-zeitig gehen. Bei einer Wiederholung desVersuchs stellten die Wissenschaftler fest,dass genau die Hälfte der Atome durchden rechten, die andere Hälfte durch denlinken Spalt gegangen war, und keinesdurch beide gleichzeitig. Allerdings: Nunwar auch das Interferenzmuster auf der Fotoplatte verschwunden. Stattdes-sen konnte man auf der Platte hinter jedem der Spalte einen ordinären „Sand-haufen“ erkennen. Offensichtlich merken

also die Atom-Wellen, dass man sie aus-spionieren will, und verhalten sich dannwie unschuldige Teilchen …

Über kaum ein Experiment haben sichWissenschaftler und Philosophen den Kopfso zerbrochen wie über diesen Ausgangdes Doppelspalt-Versuchs. In den folgen-den Kapiteln werden Sie die obskuren Regeln der Quantenmechanik kennen ler-nen, mit denen sich das Geschehen deu-ten lässt. Mit ihrer Hilfe kann schließlichauch im Welle-Teilchen-Disput ein salomo-nisches Urteil gefällt werden. Doch keineSorge: Die magischen Quantenphänomene,die dem „gesunden Menschenverstand“so widersprechen, werden durch diese Er-klärungsversuche ihren Zauber nicht ver-lieren. Genauso wie ein Regenbogen auchdann noch fasziniert, wenn man weiß, wieer entsteht.

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Schmetterlinge wie dieses Pfauenauge sindder schillernde Beweis für die Wellennatur desLichts. Ihre Flügel sind mit unzähligen, winzigenRippen bestückt (in der untersten Elektronen-mikroskopaufnahme erkennbar), deren stufen-förmige Oberflächen die Sonnenstrahlen interfe-rieren lassen und so die Farbenpracht erzeugen.(großes Bild: Strange Ones, Flickr.com; kleineBilder: Wikimedia Commons)

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Überraschung am Doppelspalt: Ein Elektronerzeugt einen Punkt, viele Elektronen erzeugenein Streifenmuster. Die Zahl der auf der Foto-platte eingeschlagenen Elektronen: 10 (a), 200(b), 6000 (c), 40000 (d) und 140000 (e). (Bilder:Dr. Tonomura Akira, Hitachi Advanced ResearchLaboratory)

0,005 mm

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In einer kleinen Villa aus dem 18. Jahrhun-dert, von Rosen umgeben und inmitten eines weitläufigen Parks in Sèvres unweitvon Paris, liegt seit 119 Jahren die letzteReliquie der Physik. Ein blank polierterPlatinzylinder, gelagert im Inneren des„Pavillon de Breteuil“, hinter den Zenti-meter dicken Stahlplatten eines Tresors,unter einer luftleer gepumpten Glasglocke:das internationale Ur-Kilogramm. Nachseinem Ebenbild wurden die nationalenEichstandards der ganzen Welt geschaffen,die für alle Gewichte, auch die beim Ge-müsehändler um die Ecke, Pate standen.

Seit rund 20 Jahren haben die Wächterdieses Heiligtums aber ein Problem. BeiVergleichsmessungen mit den rund 40 Kopien der einzelnen Nationen zeigte sich,dass das Ur-Kilogramm an Gewicht ver-liert. Die Ursache dafür ist unklar – zu häu-figes Putzen des Metallzylinders wurdeals Möglichkeit ausgeschlossen. Bis 2011soll deshalb das Kilogramm auf eine Natur-konstante zurückgeführt werden. Schließ-lich ist es die einzige physikalische Ma-ßeinheit, die sich nicht direkt aus einerPräzisionsmessung bestimmen lässt – sowie zum Beispiel das Meter über die Mes-sung der Lichtgeschwindigkeit definiertwird, oder die Stromstärke Ampère mit Hilfeder Elementarladung eines Elektrons.

Heißer Kandidat für die Neudefinition desKilogramms ist das „Planck’sche Wirkungs-quantum“ h, eine in der Öffentlichkeit

weithin unbekannte Naturkonstante. IhrAbsolutwert soll zum Eichen eines Gewich-tes verwendet werden. Dafür nimmt maneine Balkenwaage und hängt an einenArm das zu eichende Kilogramm-Gewicht.Am anderen Arm hängt eine stromdurch-flossene Spule, die sich in einem inhomo-genen Magnetfeld befindet. Je nach Strom-stärke in der Spule zieht dieses Magnetfelddie Spule mit einer bestimmten Kraft nachunten. Ist die Balkenwaage im Gleichge-wicht, kompensiert diese elektromagneti-sche Kraft gerade die Gewichtskraft desKilogramms.

Nun machen die Wissenschaftler zweiMessungen: Ist die Waage im Gleichge-wicht, messen sie die Stärke des dazu notwendigen Stroms in der hängendenSpule. Dann schalten sie den Strom abund bewegen die Waage und damit die

Spule im Magnetfeld. Die dadurch in derSpule induzierte Spannung wird nun eben-falls gemessen. Um die Planck’sche Kon-stante h ins Spiel zu bringen, werden beideMessungen mit Hilfe quantenmechani-scher Phänomene ausgewertet (siehe InfoSeite 12). Ergibt sich bei den Messungender korrekte Wert für die Konstante h,hängt an der anderen Seite der Waage gerade das Gewicht von einem Kilogramm.Übrigens: Aufgrund der Messung vonStrom und Spannung, also der elektri-schen Leistung, spricht man auch von einer„Watt-Waage“.

Was hat es nun mit diesem ominösen „h“auf sich? Schon sein Entdecker, der Nobel-preisträger Max Planck, sah im Jahr 1900die Möglichkeit voraus, mit Hilfe dieserund den anderen Naturkonstanten „Ein-heiten für Länge, Masse, Zeit und Tempe-

ratur aufzustellen, welche, unabhängigvon speciellen Körpern oder Substanzen,ihre Bedeutung für alle Zeiten und für alle,auch ausserirdische und aussermensch-liche Culturen notwendig behalten undwelche daher als ‚natürliche Maassein-heiten’ bezeichnet werden können.“ Die eigentliche Bedeutung der Konstante h –Max Planck nannte sie einfach „Hilfsgröße“– war ihm damals noch nicht klar: Ihre Entdeckung war die Geburtsstunde derQuantenphysik.

Planck war es um die Jahrhundertwendegelungen, ein damals kontrovers disku-tiertes Problem zu lösen: Wie lässt sichdie in Abhängigkeit von der Wellenlängegemessene Intensitätsverteilung der Strah-lung eines „Schwarzen Körpers“ erklären?Dieser Begriff wurde schon im Jahr 1859von Gustav Kirchhoff, einem der Lehrer

Plancks, geprägt. Man versteht darunterein idealisiertes Objekt, das jede auftref-fende elektromagnetische Strahlung gleichwelcher Wellenlänge vollständig absor-biert. Außerdem strahlt er selbst Energieab und zwar über den gesamten Wellen-längenbereich – man nennt ihn deshalbauch einen „Schwarzen Strahler“. Welche

10 11Quantensprünge

GE SPRÄCHSSTOFF

FÜR BE SSERWISSER

Über den Niedergang der deutschenSprache wird heute oft lamentiert. Werzusätzlich mit seinem Fachwissen ange-ben möchte, beschwert sich im Party-Smalltalk gerne über die missbräuchlicheVerwendung des Wortes „Quanten-sprung“: Physiker bezeichnen damitdie kleinstmögliche Energieübertragung,Wirtschaftsbosse und Politiker dagegeneinen größtmöglichen Fortschritt. „Ersteschriftliche Belege für diese zweite Bedeutung des Wortes gibt es aus demJahr 1990, danach hat die Verwendungrapide zugenommen“, sagt Evelyn Knörrvon der Duden-Redaktion. Inzwischenwird der Begriff in diesem Sinn auch vongroßen Zeitungen wie der Süddeutschenbenutzt und hat Eingang in mehrereBücher gefunden. Warum er bei uns erst seit einigen Jah-ren verwendet wird, ist für die Sprachfor-scher ein Rätsel, denn im Englischengibt es den Begriff „quantum jump“ be-ziehungsweise „quantum leap“ schonseit den 50er Jahren in der Bedeutungeiner plötzlichen, großen Zunahme odereines großen Fortschritts. Vielleichtspielte ja das Fernsehen bei der Ver-breitung des Begriffs eine kleine Rolle:So lief in den 1990er Jahren die ameri-kanische Science-Fiction-Serie „Quan-tum Leap“ auch in Deutschland an.

Das Ur-Kilo – ein kleiner Platinzylinder von 39 mm Durchmesser – unter Glas. (Bild: BIPMphoto)

Das Prinzip ist einfach, die Umsetzung schonschwieriger: Die Wattwaage im National Instituteof Standards and Technology (NIST), an der derPhysiker Richard Steiner hier arbeitet, ist zweiStockwerke hoch. (Bild: © Robert Rathe)

Vor Kameras und Mikrofonen fällt das Wört-chen „Quantensprung“ des Öfteren. Mit Physikhat dies jedoch nicht immer was zu tun. (Bild:picture-alliance/dpa)

Pavillon de Breteuil – malerischer Stammsitzdes „Bureau international des poids et mesures“und des internationalen Ur-Kilogramms (Bild:BIPM photo)

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Vor über 100 Jahren entdeckte Max Planck,dass die Natur Sprünge macht. Die von ihm gefundene Naturkonstante h, zu seinenEhren „Planck’sches Wirkungsquantum“genannt, ist heute aktueller denn je.

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SPANNUNG

HÄPPCHENWEISE

Manche werden sich noch an den Begriff „Hall-Effekt“ aus dem Physik-Unterricht erinnern: Befindet sich einstromdurchflossener Leiter in einemMagnetfeld, so wirkt auf die Elektronensenkrecht zu ihrer Stromrichtung die sogenannte Lorentz-Kraft. Durch sie wer-den die Elektronen zu einer Seite desLeiters abgelenkt, und man kann querüber den Leiter eine Spannung messen.Klaus von Klitzing vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stutt-gart untersuchte 1980 diese Hall-Span-nung bei sehr tiefen Temperaturen undhohen Magnetfeldern an ganz speziel-len Proben („Halbleiter-Heterostruktu-ren“). Seine erstaunliche Beobachtung:Hier wuchs die Hall-Spannung nicht wiesonst kontinuierlich mit der Stärke desMagnetfeldes, sondern in kleinen Ab-stufungen. Für die Entdeckung dieses„Quanten-Hall-Effekts“ bekam er bereitsfünf Jahre später den Nobelpreis fürPhysik. Bei der Neudefinition des Kilo-gramms mit Hilfe der Watt-Waage wirddieser Effekt benutzt, um die Strom-stärke in der hängenden Spule mit derPlanck’schen Konstante h zu verknüp-fen. Die Spannung in der Spule kann mith in Verbindung gebracht werden, wennman für ihre Messung den „Josephson-Effekt“ in einem „supraleitenden“ Ringverwendet (siehe Kapitel 4).

Intensität die abgegebene Strahlung beieiner bestimmten Wellenlänge besitzt,hängt ausschließlich von der Temperaturdes Schwarzen Körpers ab.

Planck ging davon aus, dass die Tempera-tur eines Materials das Schwingungsver-halten seiner Atome bestimmt. Je nachFrequenz der Schwingungen wird dannunterschiedlich energiereiche Strahlung

von den Atomen des Schwarzen Strahlersausgesandt. In der Mechanik gibt es nunschwingende Systeme, die nur ganz be-stimmte Schwingungsfrequenzen anneh-men können – zum Beispiel eine Gitarren-Saite, deren Schwingung sich sprunghaftvon einem Bund zum nächsten ändert. Nurunter der Annahme, dass auch die schwin-genden Atome ihre Energie nur sprung-haft ändern, konnte Planck eine Strah-lungs-Formel aufstellen, die die bekanntenexperimentellen Kurven exakt reprodu-zierte. Die kleinstmögliche „Sprunghöhe“ist dabei proportional zum Wirkungsquan-tum h. Planck betrachtete diese Quante-lung der Energie also als Eigenschaft derMaterie und nicht des Lichts. Das Lichtwar nur insofern betroffen, als es in sei-nem Modell immer nur in bestimmten Por-tionen Energie mit Materie austauschenkonnte, weil in der Materie nur bestimmteEnergieniveaus möglich sind.

Max Planck war sich der Tragweite seinesEinfalls keineswegs bewusst. Er nannte dieEinführung von Energieportionen, eben denQuanten, sogar einen „Akt der Verzweif-lung“. Erst als Albert Einstein 1905 denPhotoeffekt mit seiner Hypothese der Licht-quanten erklären konnte, bekam die Quan-tentheorie eine fundamentale Bedeutung,und es dauerte acht weitere Jahre, bis klarwurde, dass Quanten auch bei der Beschrei-bung der Materie eine weitaus größereRolle spielen als von Planck angenommen.

Zu dieser Zeit stellten sich die Physikervor, dass in einem Atom winzige negativgeladene Elektronen in großem Abstandum einen positiv geladenen Kern kreisen,ähnlich wie Planeten um die Sonne. Dieins Zentrum gerichtete elektrische Anzie-hung zwischen den negativen und positi-ven Ladungen wird in diesem Modelldurch die nach außen gerichtete Zentrifu-

galkraft aufgehoben – so laufen die Elek-tronen auf stabilen Bahnen. 1913 legte jedoch der junge Däne Niels Bohr den Finger in die Wunde dieser Theorie: Nachden Gesetzen des Elektromagnetismusverliert nämlich jede sich bewegendeelektrische Ladung Energie. Die Elektronenmüssten also langsamer werden und aufeiner Spiralbahn in den Kern stürzen.

Bohr behauptete nun, in Erweiterung vonPlancks Quantenhypothese, dass die Elek-tronen eines Atoms Strahlung nur in Por-tionen aufnehmen bzw. abgeben können.Ein Elektron kann demnach bei seiner Be-wegung um den Atomkern gar nicht konti-nuierlich Energie verlieren, sondern nurabrupt, wenn es von einer höheren Bahnin eine erlaubte tiefere Bahn wechselt. Dabei strahlt es eine elektromagnetischeWelle ab, wobei die Energiedifferenz Ezwischen den beiden Bahnen der Frequenz

f des abgestrahlten Lichts direkt propor-tional ist. Die Proportionalitätskonstanteist das Planck’sche Wirkungsquantum, alsoE = h • f. Umgekehrt kann ein Elektron nurdann von einer tieferen Bahn in eine höherespringen, wenn von außen genau die Ener-giedifferenz zwischen den beiden Bahneneingestrahlt wird.

Dieses „Bohr’sche Atommodell“ ist so anschaulich, dass es auch heute noch inder Schule gelehrt wird – obwohl es vonder Realität weit entfernt ist. Denn einer-seits liefert es nur für das einfachsteAtom, den Wasserstoff, korrekte Ergeb-nisse. Und zum anderen sind Elektroneneben keine kleinen Kügelchen, die im Kreisfliegen. Dies machte zehn Jahre später einfranzösischer Prinz der verblüfften Wissen-schaftsgemeinde klar – und läutete damitdie zweite Revolution in der Quanten-physik ein.

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REVOLUTIONÄR WIDER

WILLEN

Dass Deutsche nicht besonders gutdarin seien, eine richtige Revolution aufdie Beine zu stellen, ist ein gängigesVorurteil. Max Planck, der am 23. April1858 in Kiel geboren wurde, passt daals unfreiwilliger Urheber der Quanten-Revolution gut ins Klischee. War er sichzunächst der Bedeutung seiner Theorienicht bewusst, stand er später denrevolutionären Ideen junger Quanten-physiker wie Werner Heisenberg eherablehnend gegenüber. Planck war sehrkonservativ, pflichtbewusst und gewis-senhaft. Er liebte Musik und die Gesell-schaft von Freunden, die oft in seinemHaus im Berliner Villenvorort Grune-wald zu Gast waren. Während der Zeitdes Nationalsozialismus geriet seinegrundsätzliche Loyalität zum Staat inKonflikt mit seinem Gewissen. Mehr-fach setzte er sich als Präsident der„Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ für be-drohte Kollegen ein, unter anderem auchfür Albert Einstein. Privat war das LebenMax Plancks von schweren Schicksals-schlägen geprägt: Seine erste Fraustirbt früh, sein ältester Sohn Karl fälltim Ersten Weltkrieg, die Zwillingstöchtersterben beide im Wochenbett. Schließ-lich verliert er auch sein viertes Kind:Sein Sohn Erwin, in der Weimarer Repu-blik Staatssekretär unter von Papenund Schleicher, wird als Mitverschwö-rer des Attentats auf Hitler im Januar1945 in Plötzensee erschossen. MaxPlanck stirbt am 4. Oktober 1947 inGöttingen.

Was die Naturkonstante h für das Kilo wer-den soll, ist die „von-Klitzing-Konstante“ fürdie Einheit des elektrischen Widerstands, demOhm. Ableiten lässt sie sich aus dem „Quanten-Hall-Effekt“. Benannt wurde sie nach dessenEntdecker Klaus von Klitzing. (Bild: Vincent'sAlbum, Flickr.com)

In diesen Fläschchenschwimmen winzige, nur auseinigen zehntausend Atomenaufgebaute Halbleiterkristalle.Diese sind so klein, dass quan-tenmechanische Effekte ihreEigenschaften bestimmen – sozum Beispiel die Farbe, in dersie leuchten. (Bild: Office ofNaval Research)

Max Planck und Sohn Erwin bei einer Bergwan-derung in den späten 1930er Jahren (Bild: Archivder Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem)

Auch eine Kugel aus reinem Silizium könntedas 1889 hergestellte und seit 20 Jahren an Ge-wicht verlierende Ur-Kilo ersetzen. Die „Avogadro-Kugel“ ist lupenrein und nahezu perfekt – nichtnur was ihre Kristallstruktur angeht. Wäre die Erde so perfekt rund wie diese Kilokugel, wäreder Mount Everest nur 182 cm hoch. (Bild: PTB)

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Sterne inklusive unserer Sonne sind annäh-rend perfekte „Schwarze Strahler“. Astronomenkönnen daher allein anhand der Strahlung, die diefernen Sonnen zu uns schicken, ablesen, wie heißes an deren Oberfläche zugeht. (Bild: NASA, ESA,and H. Richer (University of British Columbia))

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Vielleicht war es die außergewöhnlicheKindheit von Louis-Victor de Broglie, dieihn empfänglich machte für bizarre Ideen.1892 als Spätankömmling und viertes Kindeiner Familie des französischen Hochadelsgeboren, erlebte er in seiner Jugend unru-hige Zeiten. Während seine Eltern mit demgesamten Hausrat und der Dienerschaft ineinem eigenen Eisenbahn-Salonwagen voneinem Ort zum nächsten eilten, verschlangder junge Louis die Folianten aus der väterlichen Bibliothek oder erfand phan-

Dass Licht sowohl Teilchen- als auch Wellen-eigenschaften besitzt, daran hatten sich diePhysiker Anfang der 1920er Jahre gewöhnt.Dass sich aber auch massive Teilchen wiezum Beispiel Elektronen wie Wellen verhal-ten können, hielten die meisten für eineobskure Idee.

tastische Rollenspiele zusammen mit sei-ner vier Jahre älteren Schwester. Erst spät,angeregt durch seinen 17 Jahre älterenBruder Maurice, der ihm auch den frühverstorbenen Vater ersetzte, entdeckte erdie Liebe zur Physik – und wäre dann bei-nahe durch seine Doktor-Prüfung gefallen.

Was de Broglie 1924 seinen Professorenpräsentierte, war für die damalige Zeit tat-sächlich revolutionär. Seine Idee: WennLicht als eine immaterielle Form der Ener-gie sowohl Teilchen- als auch Welleneigen-schaften haben kann, könnte das nichtauch für reale Teilchen gelten?

Einsteins berühmte Formel E = mc2 besagt,dass Materie (der Masse m) einer Energie(E) äquivalent ist, wenn man sie auf Licht-geschwindigkeit c beschleunigt. Setzt mannun die von Planck für Lichtwellen gefun-

dene Energie E = h • f der Energie nachEinstein gleich, also E = h • f = mc2, unddrückt die Frequenz f der Lichtwelle in dieserGleichung durch ihre Wellenlänge λ = c / faus, so erhält man λ = h / m • c. Das heißt:Die Wellenlänge des Lichts ist gleich demPlanck’schen Wirkungsquantum h geteiltdurch den „Impuls“ des Lichts p = m • c.De Broglies genialer Gedanke, für den er1929 den Nobelpreis für Physik erhielt:Diese Beziehung gilt nicht nur für Licht,sondern für alle möglichen Teilchen. Setztman die entsprechenden Geschwindigkei-ten (v) und Massen (m) für Elektronen,Protonen oder Neutronen in die Formelein, erhält man auch für sie eine Wellen-länge: die de Broglie-Wellenlänge.

Mit seinem Ansatz konnte de Broglie einegroße Schwäche des Bohr’schen Atommo-dells beheben. Denn mit dem Postulat, dass

es für Elektronen im Atom nur bestimmteUmlaufbahnen gibt, hatte Niels Bohr zwardie Stabilität der Materie erklären können.Was fehlte, war aber ein physikalischerMechanismus, der diese Annahme ver-ständlich macht. Stellt man sich nun dasElektron auf seiner Umlaufbahn als Wellevor, so muss diese in sich geschlossensein – denn sonst ergäbe sich an einerStelle ja ein „Sprung“ in der Welle und da-mit im Teilchenbild eine plötzliche Ände-rung des Impulses. Dies bedeutet aber, dassnur solche Umlaufbahnen für das Elektronzugelassen sind, in die ein ganzzahligesVielfaches der Wellenlänge passt! Im Wel-lenbild ergibt sich die Quantisierung derElektronenbahnen also ganz zwangsläufig.

Die Prüfungskommission ließ Louis deBroglie bestehen, aber keiner der Profes-soren glaubte ernsthaft an die Existenz

der Materiewellen, denn für sie gab eskeine experimentellen Beweise. Die Her-ren schickten jedoch ein Exemplar der Arbeit an Einstein – der ihre Bedeutungsofort erkannte. In den folgenden Jahrenbeschäftigten sich die bedeutendsten Phy-siker dieser Epoche mit de Broglies Kon-zept, darunter Niels Bohr selbst, der Öster-reicher Erwin Schrödinger sowie der jungedeutsche Physiker Werner Heisenberg. Siestellten de Broglies Ideen nicht nur auf einsolides mathematisches Fundament, son-dern erweiterten sie auch um einen ent-scheidenden Punkt: den Zufall. Am Endeder Entwicklung stand das Konzept der„Wahrscheinlichkeits-Wellenfunktion“. Sieist heute ein Schlüsselbegriff der Quan-tenphysik.

Diese Wellenfunktion beschreibt den quan-tenmechanischen Zustand eines Teilchens

oder eines Systems von Teilchen. Sie ent-spricht von der mathematischen Form herzwar genau der Funktion für eine Welleaus der klassischen Mechanik – womitsich der Begriff Quantenmechanik erklärt.In der Quantenphysik spielt sie aber einevöllig andere Rolle. Ihr liegt die 1927 vonWerner Heisenberg formulierte Unschär-ferelation zu Grunde, nach der Größen-paare wie Ort und Impuls oder Zeit undEnergie nicht gleichzeitig und mit beliebi-ger Genauigkeit gemessen werden können.Je genauer man den einen Wert misst, umsounbestimmter wird der andere.

Da also im Unterschied zur klassischenPhysik eine exakte Aussage zum Beispiel

Die14

v = 50 km/h, m = 1 t

v = 5 km/h, m = 50 kg

v = 95 km/h, m = 420 g

0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 047 7 mm

0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 009 54 mm

0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 059 8 mm

v = 1.080.000 km/h, m = 0,000 000 000 000 000 000 000 000 000 91 g

0,000 002 42 mme¯

In einem Atom bewegen sich die Elektronennach quantenmechanischen Spielregeln in sogenannten Orbitalen. Auf welchen komplexenBahnen sie sich in supraleitenden Metallringenbewegen, konnten Augsburger Forscher jetzt berechnen. Das visuell spektakuläre Ergebnispasst in jede Kunstgalerie. (Bild: Florian Loder ©Uni Augsburg)

Auch Objekten, die sehr viel größer sind alsElementarteilchen kann man eine de Broglie-Wellenlänge λdB= h / m • v (mit h = 6,6 • 10-34 Js)zuordnen. Autos, Menschen oder Fußbälle beneh-men sich trotzdem nicht wie Wellen, denn ihreWellenlängen sind geradezu winzig und nichtbeobachtbar. Bei einem Elektron (unterste Reihe)sieht dies schon ganz anders aus: Seine λdB

liegt in der Größenordnung der Atomabstände inFestkörpern. (Grafik: ius)

Eine „zugelassene“ Umlaufbahn eines Elek-trons um einen Atomkern. Man beachte: DieKreisbahn entspricht einem Vielfachen der Wel-lenlänge des Elektrons. (Grafik: ius)

Wellenrevolution15

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über den Aufenthaltsort eines quanten-mechanischen Teilchens nicht möglich ist,verwenden die Quantenphysiker den Be-griff der „Aufenthaltswahrscheinlichkeit“.Sie berechnet sich aus der Wellenfunk-tion, die für einen bestimmten Raumbe-reich eine Zahl angibt. Quadriert man dieseZahl, erhält man die Wahrscheinlichkeit,dass sich das Teilchen gerade in diesemBereich aufhält. Die Wellenfunktion kannsich auch mit der Zeit ändern. Auf dieseWeise lässt sich das Rätsel des Doppel-spalt-Experiments aus dem ersten Kapitellösen: Sobald ein Atom die Quelle ver-lassen hat und Kurs auf die beiden Spaltenimmt, breitet sich auch die Wellen-funktion in diese Richtung aus. Ist sie beiden beiden Spalten angekommen, be-trägt die Aufenthaltswahrscheinlichkeitfür das Atom in jedem der Spalte gerade50 Prozent.

Hinter den Spalten verhält sich die Wellen-funktion nun genauso wie eine Wasser-welle: Die Teilwellen aus den Spaltenüberlagern sich und bilden auf der Foto-platte ein Interferenz-Muster. Jede Stellein diesem Muster entspricht nun einerWahrscheinlichkeit, das Atom gerade andiesem Ort zu finden – denn wir reden hierja immer noch über die Wellenfunktion ei-nes einzelnen Atoms. Das Atom wird sichnun zufällig für eine der möglichen Stellenentscheiden und sich dort als Teilchen„materialisieren“. Damit schrumpft dieWellenfunktion plötzlich auf diesen einenPunkt zusammen, denn dort ist jetzt dieAufenthaltswahrscheinlichkeit 100 Prozent,überall sonst null. Mit dem Eintreffen vonweiteren Atomen (jedes mit einer neuen,aber gleich aussehenden Wellenfunktion)entsteht nun allmählich auf der Fotoplattedas reale Streifenmuster.

Was passiert aber, wenn man wie in Kapitel1 das Atom direkt hinter den Spalten miteinem berührungslosen Verfahren wie etwaeinem Laserstrahl ausspioniert? Genau wiean der Fotoplatte wird sich das Atom zu-fällig für einen möglichen Ort entscheiden– also hinter dem rechten oder linkenSpalt auftauchen. Auch hier bricht dannaber die Wahrscheinlichkeits-Wellenfunk-tion zusammen. Also gibt es auch keineTeilwellen mehr, die sich zu einem Interfe-renzmuster überlagern könnten! Das Atomfliegt einfach geradeaus weiter und nachdem Eintreffen vieler Atome entstehen diebekannten „Sandhaufen“ hinter den bei-den Spalten.

Sind diese Wahrscheinlichkeitswellen nunphysikalisch real oder nur ein mathema-tisches Konstrukt? Und was macht dasAtom eigentlich, während diese Wellen

seine möglichen Aufenthaltsorte auskno-beln? Über diese Fragen streiten sich diePhysiker bis heute. Die meisten sind derAnsicht, dass es einfach keinen Sinn macht,sich über etwas den Kopf zu zerbrechen,was man nicht beobachten oder messenkann. Und verweisen auf die eindrucks-vollen Resultate, die man in den vergan-genen Jahrzehnten mit dem Konzept derWellenfunktion erzielt hat.

Ästhetisch am ansprechendsten sind dabeisicherlich die unterschiedlichen Formen,die die Wellenfunktionen der Elektronenin einem Atom annehmen können. Diesekomplexen Gebilde aus Keulen, Kugeln undHohlkugeln sind keine „Elektronenwolken“,sondern lediglich Illustrationen, die dieOrte angeben, an denen sich das Elektronmit einer bestimmten Wahrscheinlichkeitaufhalten kann. Über ihre Form lässt sich

beispielsweise erklären, wie verschiede-ne Atome chemisch miteinander reagierenoder welche Struktur unsere Materie hat.

Betrachtet man die Wellenfunktionen derBausteine eines Atomkerns, fällt einembei bestimmten chemischen Elementeneine Besonderheit auf: Obwohl die Kräfteim Inneren des Atomkerns die Bausteine eigentlich fest zusammenhalten, lappt einkleines Stück Wellenfunktion über den Kernhinaus. Dies bedeutet, dass für bestimmteKernbausteine auch eine kleine Wahr-scheinlichkeit besteht, dass sie aus demKernverbund ausbrechen können. Diesesauch „Tunneleffekt“ genannte Verhalten erklärt das Phänomen des Alphazerfallsvon Plutonium oder Uran, bei dem radio-aktive Strahlung freigesetzt wird.

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TUNNEL ZUM LEBEN

Der „Tunneleffekt“ ist eines der zentra-len Phänomene in der Quantenphysik.Berechnet man, an welchen Orten sichein Teilchen aufhalten kann, das irgend-wo „eingesperrt“ ist oder sich vor einerBarriere befindet, so stellt man häufigfest: Seine Wahrscheinlichkeits-Wellen-funktion lappt ein kleines Stück überdiese Begrenzung hinaus. Dies bedeutet,dass das Teilchen sich mit einer (aller-dings sehr kleinen) Wahrscheinlichkeitauch auf der anderen Seite der Barrierebefinden kann – als hätte es sich heim-lich einen Flucht-Tunnel durch diesenWall gegraben. Dieser Effekt tritt zumBeispiel in Halbleiter-Tunneldioden aufund macht die sogenannten Rastertun-nel-Mikroskope, mit denen man Atome„sehen“ kann, erst möglich. Elektronentunneln dabei von einem Atom einer zuuntersuchenden Oberfläche in die Spitzedes Mikroskops. Sie werden erfasst undliefern so Informationen über die Kon-tur der Probe. Auch die für die Evolutionwichtigen spontanen Mutationen in un-seren Genen können durch den Tunnel-effekt ausgelöst werden. In DNA-Mole-külen brechen Protonen mit seiner Hilfeaus ihrem „Gefängnis“ im Atomkern ausund verändern so die Molekülstrukturder Erbinformationen. Das Tunneln vonElektronen und Protonen betrachten vie-le Wissenschaftler auch als die Lösungdes Rätsels, warum Enzyme chemischeReaktionen im Körper enorm beschleuni-gen können. Und selbst die Sonne würdeohne den Tunneleffekt nicht scheinen.Erst mit seiner Hilfe ist es nämlich denWasserstoff-Atomkernen im Sonnenin-neren möglich, die Barriere ihrer gegen-seitigen elektrischen Abstoßung zuüberwinden und zu Helium-Kernen zuverschmelzen. Ein Teil der dabei freiwerdenden Energie erreicht auch unsereErde – als strahlender Sonnenschein.

Unter der brodelnden Sonnenoberfläche trägtauch das „Tunneln“ zur Energieerzeugung bei.(Bild: Royal Swedish Academy of Sciences)

Visualisiert durch eine gelbe Hülle, fasst dieseGrafik all jene Orte innerhalb eines Silizium-Nano-kristalls zusammen, an denen die Elektronen amwahrscheinlichsten anzutreffen sind. (Grafik: ZackHelms, Quantum Simulations Laboratory, NorthCarolina State University; simulations completedusing computational resources provided by theNational Center for Supercomputing Applications)

Zumindest in der Quantenwelt müsste es statt H2O eigentlich H1,5O lauten. Berliner Physiker konn-ten zeigen, dass bei der Streuung von Elektronen an Wassermolekülen die streuenden Protonen desWasserstoffs H für die Elektronen teilweise „unsichtbar“ sind. Mögliche Erklärung: Die Protonen he-ben sich durch kurzzeitige Überlagerung an manchen Stellen gegenseitig auf – ganz genau wie Wel-lenberg und Wellental interferierender Wasserwellen. (Bild: OiMax, Flickr.com)

Künstlerischer Deutungsversuch des Dop-pelspaltexperiments: Die Wellenfunktion einesAtoms trifft auf die Spalte und erzeugt einInterferenzmuster. Die unterschiedlichen Kon-turen markieren die Höhe der Aufenthalts-wahrscheinlichkeit des Atoms, ähnlich wie Höhenlinien auf einer Landkarte. (Grafik: ius)

Sogar Comic-Autoren greifen manchmal aufQuanteneffekte zurück. Ähnlich den Teilchen, diedurch Potentialbarrieren „tunneln“, geht Super-heldin Kitty Pryde durch massive Wände und hatso das Überraschungsmoment stets auf ihrerSeite. (Bild: TM & © 2008 Marvel Characters, Inc.All Rights Reserved.)

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„Exzellenzcluster“ der besonderen Art: Zu den Teilnehmern der fünften Solvay-Konferenz im Jahre1927 gehörten neben Louis de Broglie (Mitte, 7.v.l.) u. a. auch Max Planck (vorn, 2.v.l.), Albert Einstein(vorn, 5.v.l.), Niels Bohr (Mitte, 9.v.l.), Erwin Schrödinger (hinten, 6.v.l.) und Werner Heisenberg (hin-ten, 9.v.l.). (Bild: Benjamin Couprie, Institut International de Physique Solvay, Brussels, Belgium)

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chanische Eigenschaft, die viele Materie-bausteine besitzen. Die mathematischeBeschreibung des Spins ähnelt den Glei-chungen, die in der klassischen Physik dieDrehung eines Körpers um die eigene Achsebeschreiben – daher das englische WortSpin (= „Drall“).

Mit dieser Ähnlichkeit hat uns die Naturallerdings aufs Glatteis geführt, denn fürden Spin gelten seltsame Regeln, die wenigmit einer Drehung gemeinsam haben. Elek-tronen und die meisten Bausteine der Atom-kerne zum Beispiel haben einen Spin mitdem Betrag „1/2“. Zu Ehren des italieni-schen Physikers Enrico Fermi nennt mansie auch „Fermi-Teilchen“. Sie dürfen nachden Gesetzen der Quantenmechanik nichtalle im Zustand mit der niedrigsten Ener-gie sein, sondern müssen sich auf die ver-schiedenen Energieniveaus eines Atoms

nach gewissen Regeln verteilen. Diese Re-geln sind die Grundlage für das periodi-sche System der Elemente und erklärendie Vielfalt der Chemie.

Nun gibt es aber auch Teilchen, die einenganzzahligen Spin haben. Nach SatyendraBose nennt man sie auch „Bose-Teilchen“.Dazu zählen Lichtteilchen, die gar keinenSpin haben (also Spin „0“ – das ist aucheine ganze Zahl) und solche Atome, beidenen die Summe aus ihren Kern-Spinsund den Spins der Elektronen eine ganzeZahl ergibt. Für sie gilt das obige Aus-schließungs-Prinzip nicht und sie könnendaher in jeder Anzahl in jedem Energiezu-stand sein. Kühlt man solche Atome alsolange genug, sammeln sie sich bei der nie-drigsten Energie in einem Bose-Einstein-Kondensat und können für einen Atomlaserverwendet werden.

effekt. Immer mehr Wellen stoßen immermehr angeregte Atome an, die dann eineWelle gleicher Wellenlänge aussenden.Dadurch entsteht nicht nur besonders intensives Licht – es ist auch extrem gebün-delt und die Lichtwellen schwingen alle im Gleichtakt. Physiker sagen, sie sind„kohärent“.

Das Konzept der Materiewellen legt nahe,dass in Analogie zum Laser mit Licht-Teil-chen auch ein Laser mit Atom-Strahlen mög-lich sein müsste. Tatsächlich konnten ihnForscher Mitte der 1990er Jahre realisieren.Dazu kühlten sie ein Gas sehr stark ab, sodass sich alle Atome im Zustand mit derniedrigsten Energie sammelten. In diesemGedränge überlagern sich nun die Wahr-scheinlichkeits-Wellenfunktionen der Ato-me. Sie schwingen dadurch nicht nur imGleichtakt wie beim Lichtlaser, sondern

Wer Quantenphysik außerhalb eines Laborslive erleben will, muss einfach in den näch-sten Supermarkt gehen. Der Laser an derScanner-Kasse beruht nämlich auf demPrinzip der Quantensprünge: In die Atomeeines Gases wird mit Hilfe von Strom Ener-gie „gepumpt“. Fällt nun ein Elektron mithoher Energie in einen Zustand mit niedri-gerer Energie zurück, sendet es dabei eineLichtwelle aus. Diese Lichtwelle kann nununter geeigneten Bedingungen in einemanderen Atom des Gases den gleichenVorgang auslösen. Da sich das Gas in ei-ner verspiegelten Röhre befindet, kommtes nach kurzer Zeit zu einem Lawinen-

bilden eine neue, gemeinsame makrosko-pische Wellenfunktion. Diesen Zustandnennt man „Bose-Einstein-Kondensat“, nachAlbert Einstein und dem indischen Physi-ker Satyendra Bose, die solch einen Zustandvorhergesagt hatten. Um einen Atomlaserzu erhalten, muss man – sehr vereinfachtgesagt – jetzt nur einen Stöpsel am Bodenziehen: Die Atome fallen dann brav, geord-net und alle mit der gleichen Energie in einem Strahl nach unten.

Der Atomlaser könnte in der Zukunft zumUniversalwerkzeug der Informationstech-niker werden. Denn mit ihm ließen sich wiemit Lego-Bausteinen kleinste StrukturenAtom für Atom zusammenbauen. EinzigerHaken: Nicht alle Atome können ein Bose-Einstein-Kondensat bilden. Schuld daran istein abstraktes Phänomen, der so genannteSpin. Er ist eine grundlegende quantenme-

Quantenindustrie18

Neben dieser Einteilung der Welt in eineZwei-Klassen-Gesellschaft ist der Spin auchfür eine sehr elementare Eigenschaft derMaterie verantwortlich – den Magnetis-mus. Anschaulich kann man sich ein Elek-tron mit Spin daher als kleine Kompass-Nadel vorstellen, die entweder nach oben„Norden“ (Spin +1/2) oder nach unten„Süden“ (Spin –1/2) zeigen kann. Aus die-sem Grund lassen sich Spins auch durchMagnetfelder beeinflussen, was man sichbei der Kernspintomographie in der Medi-zin zu nutze macht: Ein statisches Magnet-feld richtet dabei die Spins der Wasserstoff-Atomkerne im Gewebe in eine Richtung aus.Dann „rüttelt“ ein überlagertes magneti-sches Wechselfeld an den Spins. Schaltetman es wieder ab, gehen die Spins in ihreAusgangslage zurück und geben dabeiStrahlung ab, die für das jeweilige Gewebecharakteristisch ist.

Quanteneffekte widersprechen zwar unsererAlltagserfahrung, sind im Alltag abersehr gut zu gebrauchen. Wir stellen wichtigeAnwendungen und Zukunftsszenarien vor.

Ist Diamant der Baustoff zukünftiger Quanten-computer? Stuttgarter Physiker konnten zeigen,dass in Diamant eingeschlossene Stickstoffato-me als Recheneinheiten eines Quantencompu-ters fungieren könnten, durch die Härte des Dia-mantgitters perfekt abgeschirmt gegen äußereEinflüsse. (Bild: © Santanu Vasant, Flickr.com)

Quantensprünge im Supermarkt:Laserstrahlen innerhalb eines Bar-code-Scanners (Bild: © Tim Ellis,flickr.com/timailius)

Man könnte meinen, Teilchen mitSpin würden Pirouetten drehen wiedieses Karussell. Dem ist jedoch nichtso. Der Spin ist eher eine innere Eigenschaft eines Elementarteilchens.(Bild: Cayusa, Flickr.com)

Moderner Magnetresonanztomo-graph während eines Aufnahmevor-gangs (Bild: Siemens-Pressebild)

Der klaren Regelung für Fermi-Teil-chen verdanken so genannte WeißeZwerge (Bildmitte) ihre Existenz. Diekompakten Sternenleichen entstehendurch den Kollaps einer ausgebrann-ten Sonne und werden nur durch ihreElektronen und deren Verteilung aufunterschiedliche Energieniveaus voreinem weiteren Zusammensturz be-wahrt. (Grafik: Casey Reed / NASA)

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BANDWURM

UND NOBELPREIS

Der amerikanische Schriftsteller MarkTwain hätte sich wohl über sie gefreut. DiePhotoelektronenemissionsmikroskopiewäre für ihn ein neuerlicher Beweis ge-wesen für die Untauglichkeit der deut-schen Sprache im Allgemeinen und ihreabartige Neigung zu zusammengesetz-ten Substantiven im Besonderen. Viel-leicht hätte den notorischen Deutsch-Hasser Twain aber die Nützlichkeit der„PEEM“ begeistert: Strahlt man UV-Licht auf eine Oberfläche, werden dortvon den energiereichen LichtquantenElektronen herausgeschlagen (Einsteinsberühmter „Photoeffekt“). Diese treffenauf einen fluoreszierenden Schirm underzeugen so ein Bild der Probe. GerhardErtl vom Fritz Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin untersuchteunter anderem mit dieser Methode che-mische Reaktionen auf festen Oberflä-chen. Die Energie der herausgeschlage-nen Elektronen verändert sich nämlich,wenn sich beispielsweise Sauerstoff-atome oder Kohlenmonoxid (CO) aufder Oberfläche befinden. Ertls Unter-suchungen brachten nicht nur neue Erkenntnisse für die Katalysatortech-nik, sondern ihm auch den Nobelpreisfür Chemie 2007 ein.

Elektronenpaare diese Stellen nur noch mitHilfe des Tunneleffekts überwinden. Diesbegrenzt den widerstandslosen Stromflussim Ring auf sehr kleine Werte. Beide Effektezusammen sorgen dafür, dass die Supra-leitung im Ring sehr empfindlich auf einäußeres Magnetfeld reagiert. Auf dieseWeise lassen sich so genannte supraleitendeQuanteninterferometer, kurz „SQUIDs“,realisieren, die noch Magnetfelder messenkönnen, die nur ein Milliardstel der Stärkedes Erdfeldes betragen. Ihre Einsatzgebietereichen von der Untersuchung von Hirn-und Herzströmen bis hin zur Suche nachneuen Erdölquellen und vergangenen Kulturen.

Die supraleitenden SQUID-Ringe stehenauch hoch im Kurs bei den Forschern, diesich mit dem Bau eines „Quantencompu-ters“ beschäftigen. Ähnlich wie sich beim

Doppelspalt-Experiment die Wellenfunk-tionen aus dem linken und dem rechtenSpalt überlagern, können dies hier dieWellenfunktionen für einen im Ring links-herum beziehungsweise für einen rechts-herum fließenden Strom tun. Nennt manjetzt linksherum „1“ und rechtsherum „0“,hat man wie bei einem normalen Compu-ter grundlegende Informationseinheitengeschaffen. Mit dem großen Unterschied,dass man nun aufgrund der Überlagerungmit diesen „Quanten-Bits“ einen Rech-enschritt an allen Informationseinheitengleichzeitig ausführen und deshalb parallelund damit wesentlich schneller rechnenkann.

Die Quanten-Informatiker arbeiten dabeizurzeit an zwei prinzipiellen Schwierig-keiten: Zum einen müssen sie mehrereQuanten-Bits – also zum Beispiel die supra-

leitenden Ringe – so koppeln, dass ihreWellenfunktionen miteinander wechsel-wirken. Um eine Rechnung zu steuern,müssen sie zudem von außen auf diesenZustand einwirken können, ohne ihn zuzerstören. Ein weiteres Problem bestehtdarin, dass für das Auslesen des Ergeb-nisses eine Messung an diesem Systemgemacht werden muss. Dabei brechenaber die Wellenfunktionen zusammen undman erhält nur einen einzigen Endzu-stand. Die Rechenverfahren müssen alsoso gewählt werden, dass die Lösung einesgestellten Problems in dieser einen Ant-wort enthalten ist. Bisher existieren nurVorstufen eines Quantencomputers mitmaximal 12 Quanten-Bits. Kanadische For-scher konnten sie durch ein alternativesVerfahren realisieren, bei dem die Spinsvon Atomkernen miteinander überlagertwerden.

Tricks über ihr Ausschließungs-Prinzip hin-wegsetzen. In bestimmten Stoffen könnensich nämlich Elektronen mit Spin +1/2 undSpin –1/2 zusammentun und ein Paar bilden,das dann einen (ganzzahligen) Gesamt-Spin0 hat. Aus Fermi-Teilchen werden so Bose-Teilchen, und die können alle kollektiv inden energetisch tiefsten Zustand gelangen.Ähnlich wie beim Bose-Einstein-Kondensatwerden sie durch eine gemeinsame kohä-rente und makroskopische Wellenfunktionbeschrieben, die sich über das gesamteAtom-Gitter des Materials erstreckt. DieseWelle kann nun nicht mehr von lokalenHindernissen (wie zum Beispiel Fremd-Atomen im Gitter) gestört werden. Mit Hilfeder Elektronenpaare kann also ein Stromvollkommen widerstandslos fließen.

Auch hier gibt es natürlich einen Haken:Ist es zu warm, wackeln die Atome im Gitter

Die hohen Magnetfelder für dieses Ver-fahren werden energieeffizient von „supra-leitenden“ Spulen erzeugt, die ihren elek-trischen Widerstand verlieren, wenn mansie mit flüssigem Helium auf –269 °C ab-kühlt. Verantwortlich für dieses Phänomensind Elektronen, die sich mit Hilfe eines

zu sehr und die Elektronen-Paare werdengetrennt. Deshalb funktioniert die Supra-leitung nur bei sehr niedrigen Temperatu-ren. Die 1987 von Johannes Bednorz undKarl Müller entdeckten Hochtemperatur-Supraleiter brachten allerdings einen gewis-sen Fortschritt. Sie verlieren ihren Wider-stand schon bei –140 °C, ein wenig „wärmer“also als bei den normalen Supraleitern,die das erst mit frostigen –260 °C tun.

Eine besondere Anwendung der Supralei-tung verwendet Ringe aus supraleitendemMaterial. Aus quantenmechanischen Grün-den kann ein magnetisches Feld im Inne-ren solch eines supraleitenden Rings nurin kleinen Portionen (den „Flussquanten“)auftreten. Unterbricht man den Ring zudeman ein oder zwei Stellen durch eine dünne,isolierende Schicht oder macht seinenQuerschnitt dort ganz klein, so können die

2120

MAGNETISCHE LE SEHILFE

Experten schätzen, dass mehr als einViertel des Bruttosozialprodukts derIndustrienationen mit Hilfe von Quan-tenphänomenen erwirtschaftet wird.Keinen geringen Anteil daran dürfte der Quanten-Effekt haben, für dessenEntdeckung Peter Grünberg vom For-schungszentrum Jülich und sein Kolle-ge Albert Fert von der Universität Paris2007 den Nobelpreis für Physik beka-men. Nur durch diesen „Riesenmagneto-widerstands-Effekt“ sind die Lese-Köpfefür heute übliche Gigabyte-Festplattenmöglich geworden – ein „Quanten-sprung“ in der Datenspeichertechnik.Grünberg und Fert entdeckten unab-hängig voneinander, dass der Stromdurch eine sandwichartige Struktur auszwei dünnen, magnetischen Schichten,die durch eine nichtmagnetische Schichtgetrennt sind, stark davon abhängt, obdie magnetischen Schichten gleich oderentgegengesetzt zueinander magne-tisiert sind. Sind sie entgegengesetztmagnetisiert, können die Elektronenmit ihren „Magnetnadeln“, den Spins,die Schichtgrenzen nur sehr schwerüberqueren – der elektrische Wider-stand des Schichtpakets ist groß. Sinddie Schichten parallel magnetisiert, istder Widerstand wesentlich kleiner. Hältman nun die Magnetisierung in einerSchicht fest und lässt sie in der anderenfrei rotierbar, so kann man damit mag-netische Daten-Punkte (die „Bits“) aufeiner Festplatte auslesen. Diese winzi-gen Magnet-Punkte können nämlich dieMagnetisierungsrichtung der veränder-lichen Schicht umdrehen. Damit „betä-tigen“ sie das Schichtpaket wie einenSchalter: zum Beispiel von parallel aus-gerichtet (entsprechend „1“) zu antipa-rallel ausgerichtet (entsprechend „0“).

Ein Bose-Einstein-Kondensat entsteht. DieBilder zeigen die Dichteverteilung der Atome alsBerg, der immer höher und schlanker wird –sichtbares Zeichen dafür, dass sich immer mehrTeilchen in einem einzigen Quantenzustand ver-sammeln. (Bild: Immanuel Bloch, UniversitätMainz)

In jedem MP3-Player steckt auch ein Stückvon Peter Grünberg. Ohne seine Forschung wärendie kompakten und leistungsfähigen Festplattender kleinen Multimedia-Winzlinge undenkbar.(Bild: Timo Meyer)

Die beiden deutschen Nobelpreisträger PeterGrünberg (links, Physik) und Gerhard Ertl (rechts,Chemie) nach der feierlichen Verleihung des Nobelpreises 2007 (Bild: picture-alliance/dpa)

Der Autokatalysator ist nur eineder Anwendungen von Gerhard ErtlsForschung. Die moderne Oberflä-chenchemie, für die Ertl die Grund-lagen schuf, umfasst auch viele an-dere katalytische Prozesse – vomRosten bis hin zur Herstellung vonComputerchips. (Bild: © BMW AG)

Mit der Magnetokardiographiekann man das Magnetfeld des Her-zens sichtbar machen. Dieses ist imSchnitt 1 Million Mal schwächer alsdas Magnetfeld der Erde in Mitteleu-ropa. (Bild: Université de Fribourg)

Hier nutzen Forscher eine an einen Pick-Up angehängteSQUID-Apparatur, um eine archäologische Ausgrabungsflä-che magnetisch zu kartieren. Noch vor dem ersten Spaten-stich kann das Messsystem selbst feinste, durch die Hinter-lassenschaften alter Kulturen verursachte Veränderungen dermagnetischen Eigenschaften des Bodens aufspüren. (Bild:IPHT Jena, Abteilung Quantendetektion)

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Dass quantenmechanische Effekte nichtnur für Innovationen sorgen, sondern denIngenieuren auch Kopfzerbrechen bereitenkönnen, zeigt die „Kraft aus dem Nichts“ –der so genannte Casimir-Effekt, der imJahr 1948 vom holländischen PhysikerHendrik Casimir entdeckt wurde. Nach derHeisenberg’schen Unschärferelation sindEnergie und Zeit bis zu einem gewissenGrad unbestimmt. Dies hat einen sehr ver-blüffenden Effekt: Selbst in einem voll-kommenen Vakuum, das heißt im absolu-ten „Nichts“ ohne Teilchen, Strahlen odersonst einer Form von Energie, kann fürsehr kurze Zeit der Energieerhaltungssatzverletzt und ein wenig Energie vom Vaku-um „entliehen“ werden. Diese manife-stiert sich in „virtuellen“, nicht beobacht-baren Teilchen wie beispielsweise einemvirtuellen masselosen Lichtquant. Da dieEnergie, der es seine Existenz verdankt,

auch wieder ans Vakuum zurückgegebenwerden muss, verschwindet es auch wie-der. Ein ständiges Werden und Vergehen.

Trotz ihres gespenstischen Wesens hatder kurze Auftritt der virtuellen Teilchenauf der Weltbühne ganz reale Auswirkun-gen. Entstehen diese nämlich zwischenzwei parallelen, dicht an dicht liegendenMetallplatten, so müssen ihre Materie-wellen an diesen Wänden einen „Knoten“aufweisen. Es passen also nur ganzzahligeVielfache der halben Wellenlänge zwischendie Wände. Durch diese Bedingung ist dieBewegung der Teilchen dort eingeschränkt.Für die Teilchen außerhalb der Wände giltdiese Einschränkung jedoch nicht – siekollidieren daher im Schnitt öfter mit derWand als ihre eingesperrten Kollegen. DieFolge ist eine Kraft, die die Wände zusam-mendrückt – der Casimir-Effekt. Sie lässt

Sandkörner anders rieseln als erwartetund kann bei kleinsten Motoren im Mikro-maßstab schnell zu einem „Kolbenfresser“führen.

Das letztere Problem übrigens hoffen For-scher schon bald in den Griff zu bekommen.Sie konnten erstmals den so genannten„kritischen“ Casimir-Effekt nachweisen, dasklassische Pendant der rein quantenme-chanischen Casimir-Kraft. Dieser tritt nichtim Vakuum auf, sondern in Flüssigkeits-gemischen und kann sowohl anziehendals auch abstoßend wirken. Würde manzukünftige Nanomaschinen also in spe-ziellen Flüssigkeiten betreiben, könnte maneventuell den anziehenden Kräften desquantenmechanischen Casimir-Effekts dieabstoßenden seines klassischen Pendantsentgegensetzen.

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Die Gebrauchsanleitung links mag fiktivsein – einzelne Punkte sind es vielleicht nichtmehr lange. So konnten Forscher anhand einesnoch sehr einfachen Quantencomputers aus zweiQubits zeigen, dass ein von ihnen entwickelterAlgorithmus zur Mustererkennung für einenQuantencomputer in der Praxis korrekte Ergeb-nisse liefert. Das Programm glich Muster ausPunkten, die jeweils zwei Farben annehmen kön-nen, mit bereits gespeicherten Mustern ab. DasBild rechts zeigt die Wissenschaftler mit einerVeranschaulichung der Muster. (Bild: Siemens-Pressebild)

Bei zukünftigen Nanomaschinen wie diesemaus einzelnen Atomen aufgebauten Auto ist dieCasimir-Kraft ein echter Störfaktor. In der Weltder Millionstel Millimeter ist sie stark genug,um Bauteile aneinander haften und die winzi-gen Maschinchen blockieren zu lassen. (Grafik:Yasuhiro Shirai, Rice University)

Page 13: Partner · gen waren, genau wie beim Licht ein Inter-ferenz-Streifenmuster auf der Fotoplatte. Das gleiche geschah auch, als man später den Versuch mit einem Atomstrahl, also „richtiger“

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Mikroskop studieren: Befindet sich dasKondensat in einem rotierenden Becher,nimmt es die Rotationsenergie nur por-tionsweise auf, was man an den entste-henden Strudeln beobachten kann.

Manche Forscher schließen aus diesen Ergebnissen, dass quantenmechanischeProzesse auch bei den Abläufen in unseremGehirn eine Rolle spielen könnten. Ihnenhat es dabei vor allem die Zufälligkeit ange-tan, mit der sich Objekte der Quantenweltfür ein mögliches Messergebnis (zum Bei-spiel den Auftreffort auf einer Fotoplatte)entscheiden. Gäbe es diesen „absoluten“Zufall nicht, wäre das Verhalten von Ato-men und Molekülen grundsätzlich voraus-berechenbar. Dies müsste dann auch fürunsere Gedanken und Gefühle gelten, dieja letztlich auch auf atomaren Vorgängen

in unserem Gehirn beruhen – keine schöneVorstellung. Wie sich aus der Zufälligkeitder Quantenmechanik aber unsere Willens-freiheit ergeben könnte, darüber wird nochausgiebig gerätselt.

Es gibt noch aus einem anderen GrundVorbehalte gegen die obige These. Damitquantenmechanische Prozesse wie dieInterferenz am Doppelspalt oder auch dieBerechnungen eines Quantencomputersungestört ablaufen können, müssen sievon ihrer Umgebung gut isoliert sein. Istdas nicht der Fall, findet im Prinzip genaudasselbe wie bei einer Messung statt: DasQuantenobjekt „verrät“ zum Beispiel seinePosition durch Wechselwirkung mit ande-ren Atomen, und die Wahrscheinlichkeits-Wellenfunktion schnurrt auf diesen einenPunkt zusammen. Es ist nun sehr fraglich,

Frage, was „verstehen“ eigentlich genaubedeuten soll. Die Physiker lassen sichvon diesen philosophischen Problemenjedoch nicht abhalten, mit Hilfe von Expe-rimenten hinter den Vorhang zu spähen,hinter dem die Natur ihre Zauberkunst-stücke vorbereitet.

So untersuchen beispielsweise MarkusArndt und Anton Zeilinger von der Univer-sität Wien schon seit Jahren die Grenzezwischen Quanten- und Alltagswelt. In denzwanziger Jahren des letzten Jahrhundertswar die noch scheinbar klar gezogen. Dassein Elektron etwas ist, das sich unsereralltäglichen Vorstellungswelt vollkommenentzieht, leuchtete ein. So fiel auch dieAntwort auf die Frage, ob ein Elektron nunein Teilchen oder eine Welle ist, nichtschwer: Es ist natürlich keines von beiden,

Die zwei Gesichter der Quantenmechanikkönnten nicht unterschiedlicher sein: Sieist einerseits die Grundlage für fast alleBereiche der modernen Physik und giltdeshalb als die wahrscheinlich am bestenüberprüfte wissenschaftliche Theorie über-haupt. Ihr Formalismus ist in sich schlüssigund sagt das Verhalten von Atomen undMolekülen – und damit die bunte Vielfaltunserer Welt – sehr genau voraus. Auf deranderen Seite ist es seit der Entwicklungder Quantentheorie fraglich geworden, obwir diese Welt jemals wirklich verstehenwerden. Vor allen Dingen stellt sich die

denn diese Begriffe stammen aus unsererAlltagswelt. Sie können immer nur Hilfs-mittel sein, um das Verhalten eines unbe-kannten Wesens aus der Quantenwelt zubeschreiben.

Im Jahr 2003 konnten Arndt und Zeilingernun aber demonstrieren, dass selbst riesi-ge Moleküle in Form eines Fußballs aus 60Kohlenstoff- und 48 Fluoratomen noch einInterferenzmuster bewirken, wenn man sieauf einen Doppelspalt schießt. Auch grö-ßere Biomoleküle wie die so genanntenPorphyrine, die Blätter grün und Blut rotfärben, zeigen dieses Quantenverhalten.Ein Bose-Einstein-Kondensat, das Abermil-liarden gleichgeschaltete Atome enthältund deshalb fast einen Millimeter groß ist,besitzt trotzdem Quanteneigenschaften.Die kann man sogar mit einem einfachen

Die Wissenschaft24

ob sich solche Wechselwirkungen in derdichten Umgebung eines Gehirns verhin-dern lassen.

Welcher Mechanismus dabei hinter demZusammenbrechen der Wellenfunktionsteckt, ist den Physikern immer noch einRätsel. Betrachten wir zum Beispiel einElektron, dessen „Magnetnadel“, der Spin,entweder nach oben oder nach unten wei-sen kann. Nach den Regeln der Quanten-mechanik befindet sich die Wellenfunktion

PARALLELUNIVERSEN

Die Quantenmechanik ist anders als alleanderen wissenschaftlichen Theorien.Das zeigt sich auch darin, dass es fürsie unterschiedliche „Interpretationen“gibt, wie man die merkwürdigen Verhält-nisse deuten soll. Die hier vorgestellteInterpretation des Messvorgangs ist zwardie von den meisten Physikern akzep-tierte, aber längst nicht die einzig mög-liche Sichtweise. So kam zum Beispielder US-Physiker Hugh Everett 1957 aufeine simple, aber in ihren Konsequenzenerstaunliche Idee: Was wäre, wenn sichein Elektron bei einer Messung gar nichtfür einen Zustand entscheiden muss,sondern einfach alle denkbaren Mes-sergebnisse eintreten? Dies wäre tat-sächlich möglich – wenn sich das Uni-versum vorher in so viele Parallelweltenaufgespalten hätte, wie es möglicheMessergebnisse gibt! Dass es dadurchfast unendlich viele Universen gebenmüsste, in denen jeder von uns millio-nenfach vorkommt, ist für den OxforderPhysiker David Deutsch kein Makel die-ser Vorstellung. Er hofft, dass bei Expe-rimenten mit verschränkten Teilchen ein-mal Beobachtungen gemacht werden,die mit Hilfe der Viele-Welten-Interpre-tation einfacher zu verstehen sind.

der RätselIn wohl kaum einem Wissenschaftszweiggeben schon die Grundlagen der Disziplinso viele Rätsel auf wie in der Quanten-mechanik. Dass man trotzdem so gut mitihr arbeiten kann, ist auch eins.

Die Existenz von Parallelwelten ist nur eineder erstaunlichen Interpretationen quantenme-chanischer Messvorgänge. (Bild: PhotoDisc)

Kalottenmodell eines aus insgesamt 60 Koh-lenstoffatomen bestehenden Fulleren-Moleküls.Mit solchen „Buckyballs” konnten Arndt undZeilinger bereits 1999 Interferenzmuster erzeu-gen. (Grafik: Rob Hooft, Wikimedia Commons)

Der Physiker und Nobelpreisträger von 1965Richard Feynman formte unser Bild der Quanten-welt entscheidend mit und kommentierte ihreMerkwürdigkeiten einst mit dem Satz: „… ichdenke, ich kann davon ausgehen, dass niemanddie Quantenmechanik versteht.“ Doch seit damalshat sich einiges getan. (Bild: picture-alliance/dpa)

David Deutsch, einer der prominentesten Ver-treter der „Viele-Welten-Theorie“ (Bild: jochen,Flickr.com)

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IN

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Page 14: Partner · gen waren, genau wie beim Licht ein Inter-ferenz-Streifenmuster auf der Fotoplatte. Das gleiche geschah auch, als man später den Versuch mit einem Atomstrahl, also „richtiger“

… man könnte Würfel quantenmechanisch miteinander ver-schränken. Selbst Lichtjahre voneinander entfernt, bestünde einunsichtbares Band zwischen ihnen. Jeder Wurf würde stets einezufällige Augenzahl ergeben; allerdings würden beide Würfelwie gezinkt immer das gleiche Ergebnis liefern. Fällt der eine aufdie Drei, so auch der andere. Verrückt, sagen Sie? Genau diesesPhänomen zeigen zum Beispiel Lichtteilchen, die Physiker bereitsüber mehrere hundert Kilometer miteinander verschränkenkonnten. (Grafik: Timo Meyer, Melina Diener)

SStteelllleenn SSiiee ssiicchh vvoorr ……

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des Elektrons vor einer Messung in einerÜberlagerung der möglichen Zustände„Spin oben“ und „Spin unten“. Gerät dasElektron nun in einen Messapparat für dieEigenschaft „Spin“, so wird sich seineWellenfunktion mit den Wellenfunktionender Atome der Messeinrichtung überla-gern. Diese Atome stehen aber wieder mitanderen Atomen in Verbindung, zum Bei-spiel in den Kabeln oder in den Lämpchender Anzeigetafel.

Wollte das Elektron nun seine interne Über-lagerung aus „Spin oben“ und „Spin unten“aufrechterhalten, müsste es diese auf dieBilliarden mal Billiarden Atome der Mess-apparatur übertragen. Aus irgendeinemGrund ist die Überlagerung dafür offen-sichtlich zu instabil und das Elektron musssich spontan für einen der beiden Zuständeentscheiden. Diesen Vorgang nennen diePhysiker „Dekohärenz“. In den letztenJahren konnten sie diesen Prozess genauer

untersuchen, denn heute ist es möglich,einzelne Atome mit Hilfe von Laserstrahleneinzufangen, stark abzubremsen und zumanipulieren. Über ausgeklügelte Experi-mente maßen die Forscher die Zeit, bis zu der eine Überlagerung zweier Quanten-zustände noch aufrechterhalten werdenkann. Diese Dekohärenz-Zeit kann untergeeigneten Bedingungen viele Sekundenbetragen – für atomare Verhältnisse eineEwigkeit.

Neben der Zeit gibt es noch eine andereDisziplin, in der Quantenzustände Rekor-de aufstellen können: die Entfernung. Hierspielt das Phänomen der so genanntenVerschränkung eine zentrale Rolle. Sie kannzum Beispiel an Lichtteilchen beobachtetwerden, deren Wellen entweder vertikaloder horizontal zur Ausbreitungsrichtungschwingen. Unter bestimmten Bedingun-gen lassen sich nun zwei Lichtteilchen soerzeugen, dass ihre Schwingungsrichtun-

gen immer senkrecht zueinander stehenmüssen. Beide Lichtquanten werden dabeidurch eine einzige Wellenfunktion beschrie-ben – sie sind dann miteinander „ver-schränkt“. Vor einer Messung befinden sichbeide in einer Überlagerung der Zustände„Schwingung vertikal“ und „Schwingunghorizontal“. Misst man nun ein Lichtteil-chen, so entscheidet es sich spontan füreinen der beiden Zustände, zum Beispiel„horizontal“. Dies bedeutet aber, dass indemselben Augenblick das andere Teilchenden Zustand „vertikal“ annehmen muss.

Das mag zunächst nicht besonders erstaun-lich klingen, wenn man davon ausgeht, dassdiese ganzen Dinge in einem Labor statt-finden. Forscher der Universitäten Wienund München haben solch ein Experimentaber auf die Kanaren verlegt: Das eine Licht-teilchen untersuchten sie auf La Palma, dasandere schickten sie per Laserimpuls aufdie 144 Kilometer entfernte Insel Teneriffa

und maßen es dort. Das Ergebnis: Obwohlbeide Teilchen weit entfernt voneinanderwaren, standen ihre Schwingungsrichtun-gen stets senkrecht zueinander. Sie warenalso die ganze Zeit durch das unsichtbareBand ihrer gemeinsamen Wellenfunktionmiteinander in Kontakt!

Selbst Albert Einstein glaubte nicht an dieMöglichkeit solch eines Experiments undsprach von „spukhaften Fernwirkungen“,die es nicht geben könne. Doch sie existie-ren – und zeigen damit, dass man sichnicht mit Astrologie oder Esoterik beschäf-tigen muss, um unglaubliche Dinge zu ent-decken. Diese geheimnisvolle Seite derQuantenmechanik ist der eine Grund, warumsich Forscher so gerne mit ihr beschäftigen.Auf der anderen Seite stellt sie für die Phy-sikerinnen und Physiker ein einzigartigesWerkzeug dar, um in „Quantensprüngen“die Technik und damit unsere Zukunft mitzu gestalten.

Quantenmechanik als Leinwandstoff: Im Film„Hollow Man“ des Starregisseurs (und Physi-kers) Paul Verhoeven nutzt ein Forscher Quan-teneffekte, um sich unsichtbar zu machen. Dassieht zwar spektakulär aus, mit den tatsäch-lichen Spezialeffekten der Quantenwelt kanndie reine Fiktion des Films allerdings nicht mit-halten. (Bild: picture-alliance/dpa)

Fixiert man in dieser optischen Täuschungeinen weißen Kreis, sieht man in einigen be-nachbarten Kreisen schwarze Punkte aufblit-zen. Blickt man auf einen von ihnen, wird diesersofort wieder weiß und bleibt es auch. Eineschöne Analogie zur Einflussnahme des Mess-vorgangs auf ein Quantensystem. (Grafik: ius)

Härtetest auf den Kanaren: Zwei verschränkteLichtteilchen zeigten auch 144 Kilometer vonein-ander entfernt die „spukhafte Fernwirkung“. DerEffekt könnte in Zukunft eine vollkommen abhör-sichere Satellitenkommunikation ermöglichen.(Grafik: ius)