Passivhaus in Adelzhausen aus KS-Mauerwerk

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142 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 12 (2008), Heft 3 Eine Besonderheit dieses vom Archi- tekten Werner Friedl als eigenes Wohn- haus konzipierten Passivhauses ist seine Lage in unmittelbarer Nähe zur Autobahn A8, die erhebliche Lärm- belastungen mit sich bringt und die Konzeption des Gebäudes und seiner Fassaden stark beeinflusst hat. Als Au- ßenwandkonstruktion wurde 200 mm dickes KS-Plansteinmauerwerk (Stein- festigkeitsklasse 20, Rohdichteklasse 2,0) mit einem Wärmedämmverbund- system aus PS-Hartschaum (220 mm, Wärmeleitgruppe 035) gewählt. Neben den guten Schalldämm- eigenschaften liegt ein Hauptvorteil der massiven KS-Tragschale in der hohen Speichermasse, die Tempera- turspitzen im Rauminneren abmil- dert und sich auf den (aufgrund der großen und nach Süden ausgerichte- ten Glasflächen nicht unproblemati- schen) sommerlichen Wärmeschutz positiv auswirkt. Die Dämmebene ist im Bereich des teilweise geneigten Gründachs, als Perimeterdämmung an den Kel- lerwänden und als druckfeste Däm- mung unterhalb der Fundamentplatte komplett um das Gebäude herumge- führt, um Wärmebrücken konsequent zu vermeiden und die Speichermasse der Tragkonstruktion voll auszunut- zen. Maßgeblich für die Gestaltung der inneren Raumstruktur ist das als „Häuschen im Haus” von der großflächig verglasten Südwestfas- sade abgekoppelte Schlafzimmer. Der dadurch entstehende großzügig ausgelegte Wohnraum mit Galerie- geschoss dient als Pufferzone zwi- schen Außenraum und Schlafbox, die den Straßenlärm der Autobahn zuverlässig abschirmt (s. Bild 1). Ein besonders gelungenes Bei- spiel für den wirkungsvollen Einsatz von KS-Sichtmauerwerk als gestalte- risches Element im Innenraum ist die kreisförmig gebogene Wand im Windfang, die den Besucher vom halbdunkel gehaltenen Eingangsbe- reich in den großzügig belichteten Wohnraum leitet. Die kleinformati- gen Steine (2 DF) ließen sich als Halbsteinwand (115 mm) im Läufer- verband bei einem Kreisradius von 2,99 m problemlos versetzen. Bei der Herstellung von Plan- steinmauerwerk mit Dünnbettfugen und knirsch gesetzten Stoßfugen muss von der ersten Schicht an sehr genau gearbeitet werden, da Maßun- Passivhaus in Adelzhausen aus KS-Mauerwerk * Florian Schneider Anwendungsberichte * Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus: Schneider, F.: Konstruktionsbeispiele für Mauerwerk, Teil 3: Ausführungsbeispiele. In: Mauerwerk-Kalender 33 (2008), S. 329–351. Hrsg. W. Jäger. Ernst & Sohn, Berlin. Bild 1. Längsschnitt Bild 4. Ansicht von Südwesten Bild 3. Fertiggestelltes Haus mit Wär- medämmverbundsystem Bild 2. Rohbau mit KS-Außenwänden, Ansicht von Osten

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142 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 12 (2008), Heft 3

Eine Besonderheit dieses vom Archi-tekten Werner Friedl als eigenes Wohn-haus konzipierten Passivhauses istseine Lage in unmittelbarer Nähe zurAutobahn A8, die erhebliche Lärm-belastungen mit sich bringt und dieKonzeption des Gebäudes und seinerFassaden stark beeinflusst hat. Als Au-ßenwandkonstruktion wurde 200 mmdickes KS-Plansteinmauerwerk (Stein-festigkeitsklasse 20, Rohdichteklasse2,0) mit einem Wärmedämmverbund-system aus PS-Hartschaum (220 mm,Wärmeleitgruppe 035) gewählt.

Neben den guten Schalldämm-eigenschaften liegt ein Hauptvorteilder massiven KS-Tragschale in derhohen Speichermasse, die Tempera-turspitzen im Rauminneren abmil-dert und sich auf den (aufgrund dergroßen und nach Süden ausgerichte-ten Glasflächen nicht unproblemati-schen) sommerlichen Wärmeschutzpositiv auswirkt.

Die Dämmebene ist im Bereichdes teilweise geneigten Gründachs,als Perimeterdämmung an den Kel-lerwänden und als druckfeste Däm-mung unterhalb der Fundamentplattekomplett um das Gebäude herumge-führt, um Wärmebrücken konsequentzu vermeiden und die Speichermasseder Tragkonstruktion voll auszunut-zen.

Maßgeblich für die Gestaltungder inneren Raumstruktur ist das als „Häuschen im Haus” von dergroßflächig verglasten Südwestfas-sade abgekoppelte Schlafzimmer.Der dadurch entstehende großzügigausgelegte Wohnraum mit Galerie-geschoss dient als Pufferzone zwi-schen Außenraum und Schlafbox,die den Straßenlärm der Autobahnzuverlässig abschirmt (s. Bild 1).

Ein besonders gelungenes Bei-spiel für den wirkungsvollen Einsatzvon KS-Sichtmauerwerk als gestalte-risches Element im Innenraum istdie kreisförmig gebogene Wand imWindfang, die den Besucher vomhalbdunkel gehaltenen Eingangsbe-reich in den großzügig belichtetenWohnraum leitet. Die kleinformati-gen Steine (2 DF) ließen sich alsHalbsteinwand (115 mm) im Läufer-verband bei einem Kreisradius von2,99 m problemlos versetzen.

Bei der Herstellung von Plan-steinmauerwerk mit Dünnbettfugenund knirsch gesetzten Stoßfugenmuss von der ersten Schicht an sehrgenau gearbeitet werden, da Maßun-

Passivhaus in Adelzhausen aus KS-Mauerwerk*

Florian Schneider

Anwendungsberichte

* Gekürzter und bearbeiteter Auszug aus: Schneider, F.: Konstruktionsbeispiele für Mauerwerk, Teil 3: Ausführungsbeispiele.In: Mauerwerk-Kalender 33 (2008), S. 329–351. Hrsg. W. Jäger. Ernst & Sohn, Berlin.

Bild 1. Längsschnitt Bild 4. Ansicht von Südwesten

Bild 3. Fertiggestelltes Haus mit Wär-medämmverbundsystem

Bild 2. Rohbau mit KS-Außenwänden,Ansicht von Osten

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Anwendungsberichte

genauigkeiten nicht (wie beim tradi-tionellen Mauerwerk) über die Fugenausgeglichen werden können. DieKimmschicht wird daher in einem1 bis 3 cm dicken Mörtelbett versetzt,das die kaum zu vermeidenden Maß-toleranzen der Betonbodenplatte aus-gleicht, und auf die exakte Ausgangs-höhe der Wand einjustiert.

Im hier gezeigten Fall wurden imBereich der zusätzlich innen gedämm-ten Bodenaufbauten Iso-Kimmsteine

verwendet, deren geringere Wärmeleit-fähigkeit (0,27 W/mK) Wärmebrückenim Anschlussbereich an die Beton-platte vermeidet. Die Steine sind graueingefärbt, um auf der Baustelle Ver-wechslungen mit konventionellen KS-Steinen zu vermeiden (s. Bild 8). Alszweite Schicht wurde eine Lage Aus-gleichssteine versetzt, die von denHerstellern in verschiedenen Höhenangeboten werden und das Errei-chen der gewünschten Wandhöheohne bauseitigen Zuschnitt von Pass-steinen ermöglichen (s. Bild 9).

Für die tragenden Wände wurdenKS-Rasterelemente mit E-Kanälen(Format: L x B x H = 499 mm x200 mm x 248 mm) gewählt. Die imAbstand von 250 mm werksseitig inden Steinen integrierten E-Kanäle(Elektro-Kanäle) vereinfachen dasVerlegen der Elektroinstallation er-heblich, da in senkrechter Richtungkeine Wandschlitze gefräst werdenmüssen (s. Bild 10). Zu beachten isthierbei die genaue Einhaltung desmittigen Versatzes im Läuferverband,der für gleichmäßig durchlaufendeKanäle zwingende Voraussetzung ist.Ein weiterer Vorteil der innenliegen-den E-Kanäle liegt im einheitlicheren

Bild 5. Grundriss EG

Bild 6. Detailschnitt Fensteranschluss mit Aluminiumprofilen

Bild 9. Zweite Schicht: KS-Ausgleichs-steine zum Erreichen der gewünschtenAusgangshöhe

Bild 10. Mauerwerk mit E-Kanälenfür die Elektroinstallation im Abstandvon 250 mm

Bild 8. Versetzen der untersten Mauer-lage aus KS-Iso-Kimmsteinen, Einju-stieren der Auflagerhöhe mit Mörtelbett

Bild 7. Eingangsbereich mit KS-Sicht-mauerwerk

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Putzgrund, was sich besonders beimEinsatz von Dünnlagenputzen be-merkbar macht.

Bild 11 zeigt eine Türöffnungmit KS-Fertigteilsturz, der als Ergän-zungsprodukt in der Dicke der KS-Plansteine erhältlich ist und unpro-blematisch in der Mauerflucht ver-setzt werden kann. Im Mauerwerklinks neben der Türlaibung sind zumspäteren Ansetzen einer Innenwandin Stumpfstoßtechnik Edelstahl-Flach-anker eingesetzt worden. Diese Tech-nik ermöglicht eine schnelle und ein-fache Herstellung kraftschlüssigerEckverbindungen im Mauerwerk, dabei gleicher Fugenhöhe unabhängigvom Verband gearbeitet werden kann.Zudem wird durch das nachträglicheEinsetzen nichttragender Innenwän-de die Bewegungsfreiheit auf der Bau-stelle erhöht.

Die Fensterprofile der in Rich-tung Südwesten zur Autobahn wei-senden Pfosten-Riegelfassade sind mit

Bautafel

Architekt/Bauherr: Werner Friedl, Adelzhausen Objekt: Einfamilienhaus als PassivhausStandort: Bergstraße 12, 86559 AdelzhausenBauzeit: 2000 – 2002Objekt: Einfamilienhaus als PassivhausBauweise: KS-Massivbau mit WDVSGrundstücksgröße: 1873 m2

Wohnfläche: 285 m2 (incl. beheizter Keller)

Außenwände: KS 200 mm + WDVS PS 220 mmInnenwände: KS 200 mm/115 mmDach: STB 200 mm, Flachdach, Dämmung PS 260 mmDecken: STB 180 mmKeller: WU-Beton 240 mm und Perimeterdämmung 180 mmWandoberflächen: Putz, Sichtmauerwerk, HolzverkleidungFenster: Holz bzw. Kunststoff mit Dreifachverglasung

U-Wert Außenwand: 0,10 – 0,15 W/(m2K)U-Wert Fenster: 0,7 – 0,9 W/(m2K)U-Wert Dach: 0,10 – 0,15 W/(m2K)U-Wert Keller: 0,15 – 0,20 W/(m2K)Luftdichtigkeit der Hülle: 0,53 h-1

Primärenergie-Kennzahl: 64,3 kWh/(m2a)Jahresheizwärmebedarf: 14,2 kWh/(m2a)

einer eigens angefertigten hochschall-dämmenden Dreischeibenverglasungausgestattet. Der Anschluss der Glas-fassade mit Aluminium-Halteprofilenan das anliegende Mauerwerk bzw. dieKellerwand erfolgt über einen um-laufenden Blendrahmen aus Brett-schichtholz, demselben Material wiedie Pfosten-Riegel-Konstruktion. Be-sonderen Wert legte man auf eine zu-verlässig funktionierende Abdichtungder Anschlussstellen. Im wegen derDurchbiegung des Sturzes flexibel ge-lagerten oberen Anschluss wurde zurSicherheit eine doppelte Abdichtunggegen Wind und Schall vorgesehen(verklebtes Butylband und doppeltesKompriband).

Für alle anderen Fenster des Hau-ses kamen doppelt abgedichtete Holz-profile zum Einsatz, die ebenfalls miteiner Dreischeiben-Isolierverglasungausgestattet wurden (s. Bild 12).

Weitere Informationen unter:www.architekt-friedl.de

Anwendungsberichte

Bild 11. Flachanker zur Anbindungeiner Innenwand in Stumpfstoßtech-nik, Türsturz als KS-Fertigteilsturz

Bild 12. Profilaufbau der Holzfenstermit eigens angefertigter Dreischeiben-Isolierverglasung: hoher Schallschutzin Kombination mit der massiven KS-Außenwand

Autor dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Florian Schneider TU Dresden, Fakul-tät Architektur, Lehrstuhl Tragwerksplanung01062 [email protected]

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