Pastorinnen - EKBO

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Oberkonsistorialrätin Sieghild Jungklaus Sieghild Jungklaus wurde in ein Pfarrhaus hineingeboren. Gemeinde und Vater waren Rückhalt auf ihrem Weg zur Pastorin. Nach ihrer Ordination in der Bekennenden Kirche wurde sie in ihre Heimat- gemeinde entsandt, wo sie 1944 als erste Frau in Berlin Jugendliche konfirmierte. Laut Dienstauftrag war sie nur zur „kommissarischen Hilfeleistung in der pfarr- amtlichen Arbeit Ihres Herrn Vaters“ entsandt. Trotz anfänglicher Proteste gegen das „Weib auf der Kanzel“ konnte sie mit ihrer engagierten Arbeit überzeugen. Sie wurde als erste Theologin ins Konsistorium berufen, 1969 zur Oberkonsistorialrätin. Sie setzte sich unter anderem für die Besserstellung von Gemeindehelferinnen und Theologinnen ein. 1929 Geboren in Danzig 1954 Zweites Theologisches Examen am Predigerseminar für Frauen in Berlin; Ordination; Pfarrvikarin in der Gemeinde Marienfelde 1961 Heirat mit Eckhard Kutzer und Verlust der Rechte aus der Ordination 1970 Kreispastorin für Krankenseelsorge in Spandau 1979 – 1992 Pfarrerin in St. Nikolai in Spandau: Einrichtung der Diakoniestation und einer Tagesstätte für Pflegebedürftige 27.3.1915 Geboren in Pankow 1934–1939 Studium in Berlin und Marburg 1939 Tod ihres Verlobten Siegfried Anz 1943 Ordination und Endsendung als Gemeindehelferin/Vikarin in die Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow 1964 Berufung ins Konsistorium Berlin-Brandenburg mit dem Sachgebiet Kinder- und Konfirmandenarbeit, parallel Weiterarbeit in ihrer Gemeinde 1977 Versetzung in den Ruhestand, weitere Übernahme von ehrenamtlichen Aufgaben 28.10.2010 Gestorben in Berlin „Wenn sie das erste Mal eine Theologin in das Konsistorium berufen wollen, dann kann man nicht Nein sagen und sich zieren …“ „Das tat weh!“ Kutzer-Laurien, als sie 1961 wegen ihrer Heirat das Pfarramt verlassen musste Lona Kutzer-Laurien: Eine von zwei Pfarrvikarinnen in Berlin Überraschenderweise wurde Lona Kutzer-Laurien direkt nach ihrem Zweiten Theologischen Examen ordiniert. Nur zwei Gemeinden in Berlin (West) waren bereit, eine Frau im Pfarramt aufzunehmen, aber nur so lange diese ledig war. Nach ihrer Heirat verlor sie alle aus der Ordination begründeten Rechte und wurde entlassen. Als Kreispastorin für Krankenseelsorge in Spandau wurden ihr diese wieder zuerkannt. Während ihrer Amtszeit als Pfarrerin in der St. Nikolai- Gemeinde entstanden unter ihrer Leitung die Diakoniestation und weitere dia- konische Einrichtungen. Lona Kutzer-Laurien war die erste Frau im West-Berliner Ephorenkonvent (mittlere Leitungsebene), entsandt von der Spandauer Kollegia- len Leitung. VORGÄNGERINNEN Der Weg von Frauen in das geistliche Amt 9 Lona Kutzer-Laurien und Sieghild Jungklaus: 1960er – Aufbrüche & Pastorinnen Die gemeinsame Arbeit innerhalb einer Kirche wurde in den 1960er-Jahren immer schwieriger, so dass eine Trennung in die Bereiche Ost und West sich abzuzeichnen begann. 1962 wurde, zehn Jahre nach dem Pfarrvikarinnengesetz, auf der Ebene der Evan- gelischen Kirche der Union die Pastorinnenverordnung verabschiedet. Dies bedeutete eine Abkehr von der vorherigen Herausstellung eines besonderen kirchlichen Amtes für Theologinnen und war somit der erste Schritt in Richtung einer generellen Gleich- stellung der Befugnisse in den wichtigsten Amtsbereichen – Predigt, Sakramentsver- waltung und Amtshandlungen. In der Präambel heißt es: „Auch Frauen sind berufen, die Botschaft von der Versöhnung auszu- richten.“ Grundsätzlich werden der Pastorin mit der Ordination Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zur Aufgabe ge- macht, sie wird auf Lebenszeit berufen und wie ein Pfarrer be- soldet. In der östlichen Regionalsynode der Berlin-Brandenbur- gischen Kirche wurde dieser Regelung voll zugestimmt, so dass eine Theologin sich hier in gleicher Weise wie ein Theologe auf Pfarrstellen bewerben und berufen werden konnte. Damit über- nahm sie alle Rechte des Pfarrers einschließlich der Geschäfts- führung und des Vorsitzes im Gemeindekirchenrat. Die westliche Regionalsynode hingegen sah im Amt der Pasto- rin weiterhin ein Amt besonderer Prägung. Dies bedeutete: ge- meindliche Stellen mussten zunächst in Pastorinnenstellen um- gewandelt werden, und dies nur in Gemeinden mit mehreren Theologen. Die Gemeindeleitung und der Vorsitz im Gemeindekirchenrat wurden ihnen verwehrt. Verheiratete Pastorinnen durften nur ausnahmsweise, und zwar ausschließ- lich in übergemeindlichen Ämtern, weiterbeschäftigt werden. Infolge dieses Unterschiedes waren in der DDR Frauen häufiger als in der Bundesrepu- blik im vollen Gemeindepfarramt, auch wenn sie verheiratet waren – ein Umstand, der nicht zuletzt dem unterschiedlichen frauenpolitischen Kontext geschuldet sein dürfte. 1969 erschien die bis heute sehr lesenswerte, auf Umfragen unter Theologinnen in Berlin basierende Studie „Die Theologin im Beruf. Zumutung. Selbstverständnis. Praxis“ von Eva Senghaas-Knobloch, in der die Dringlichkeit der Ent- wicklung eines gleichberechtigten Berufsbildes für Theologin- nen aufgezeigt wurde. Diese Zulassung zum geistlichen Amt schloss die Möglich- keit ein, Frauen in kirchenleitende Ämter zu berufen. Ab Mit- te der 1960er-Jahre erfolgten die ersten Berufungen ins Amt einer Oberkirchenrätin. Ein Jahr bevor Gertrud Grimme – die erste Frau als Oberkirchenrätin – ins Kirchenamt (damals Kirchenkanzlei) der EKD einzog, wurde Sieghild Jungklaus 1964 in den Oberkirchenrat in Berlin-Brandenburg berufen und 1970 Dr. Gerta Scharffenorth als erste Frau in den Rat der EKD gewählt. Ebenfalls in den 1960er-Jahren nahm erst- malig eine Frau am West-Berliner Ephorenkonvent teil: Lona Kutzer-Laurien. Doris Antony, Berlin (CC BY-SA 3.0) Alan Ford (en.wikipedia.org) St. Nikolai, Spandau Hoffnungskirche, Pankow Weit entfernt von Gleichstellung Obwohl die Ausbildung zur Geistlichen in den 50er-Jahren in Berlin möglich war, wurden die Theologinnen in ein Amt „sui generis“ ordiniert. Die Rechte aus der Ordination erloschen bei einer Heirat, der Dienst war auf die Unterstützung eines männlichen Kollegen im Pfarramt ausgerichtet. Die fehlende Gleichstellung zeigte sich auch an der Amtsbezeichnung „Pfarrvikarin“. Mit der wachsenden gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern wuchs auch die Akzeptanz von Frauen im Pfarramt. Foto: Archiv von St. Nikolai in Berlin-Spandau Foto: Archiv der Hoffnungskirchengemeinde Pankow Hier geht’s zum Video Hier geht’s zum Video 1943 1945 1950er nach 1945 1943 1941/42 1920 1523 1936 1960er 1970er 1980er 1990er 2000er 2019

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Oberkonsistorialrätin Sieghild Jungklaus

Sieghild Jungklaus wurde in ein Pfarrhaus hineingeboren. Gemeinde und Vater waren Rückhalt auf ihrem Weg zur Pastorin.

Nach ihrer Ordination in der Bekennenden Kirche wurde sie in ihre Heimat­gemeinde entsandt, wo sie 1944 als erste Frau in Berlin Jugendliche konfirmierte. Laut Dienstauftrag war sie nur zur „kommissarischen Hilfeleistung in der pfarr­amtlichen Arbeit Ihres Herrn Vaters“ entsandt. Trotz anfänglicher Proteste gegen das „Weib auf der Kanzel“ konnte sie mit ihrer engagierten Arbeit überzeugen. Sie wurde als erste Theologin ins Konsistorium berufen, 1969 zur Oberkonsistorialrätin. Sie setzte sich unter anderem für die Besserstellung von Gemeindehelferinnen und Theologinnen ein.

1929 Geboren in Danzig

1954 Zweites Theologisches Examen am Predigerseminar für Frauen in Berlin; Ordination; Pfarrvikarin in der Gemeinde Marienfelde

1961 Heirat mit Eckhard Kutzer und Verlust der Rechte aus der Ordination

1970 Kreispastorin für Krankenseelsorge in Spandau

1979 –1992 Pfarrerin in St. Nikolai in Spandau: Einrichtung der Diakoniestation und einer Tagesstätte für Pflegebedürftige

27.3.1915 Geboren in Pankow

1934–1939 Studium in Berlin und Marburg

1939 Tod ihres Verlobten Siegfried Anz

1943 Ordination und Endsendung als Gemeindehelferin/Vikarin in die Hoffnungskirchengemeinde Berlin­Pankow

1964 Berufung ins Konsistorium Berlin­Brandenburg mit dem Sachgebiet Kinder­ und Konfirmandenarbeit, parallel Weiterarbeit in ihrer Gemeinde

1977 Versetzung in den Ruhestand, weitere Übernahme von ehrenamtlichen Aufgaben

28.10.2010 Gestorben in Berlin

„Wenn sie das erste Mal eine

Theologin in das Konsistorium

berufen wollen, dann kann

man nicht Nein sagen und sich

zieren …“

„Das tat weh!“

Kutzer-Laurien, als sie 1961

wegen ihrer Heirat das Pfarramt

verlassen musste

Lona Kutzer-Laurien: Eine von zwei Pfarrvikarinnen in Berlin

Überraschenderweise wurde Lona Kutzer­Laurien direkt nach ihrem Zweiten Theologischen Examen ordiniert. Nur zwei Gemeinden in Berlin (West) waren bereit, eine Frau im Pfarramt aufzunehmen, aber nur so lange diese ledig war. Nach ihrer Heirat verlor sie alle aus der Ordination begründeten Rechte und wurde entlassen. Als Kreispastorin für Krankenseelsorge in Spandau wurden ihr diese wieder zuerkannt. Während ihrer Amtszeit als Pfarrerin in der St. Nikolai­Gemeinde entstanden unter ihrer Leitung die Diakoniestation und weitere dia­konische Einrichtungen. Lona Kutzer­Laurien war die erste Frau im West­Berliner Ephorenkonvent (mittlere Leitungsebene), entsandt von der Spandauer Kollegia­len Leitung.

VORGÄNGERINNENDer Weg von Frauen in das geistliche Amt

9 Lona Kutzer­Laurien und Sieghild Jungklaus: 1960er – Aufbrüche & Pastorinnen

Die gemeinsame Arbeit innerhalb einer Kirche wurde in den 1960er­Jahren immer schwieriger, so dass eine Trennung in die Bereiche Ost und West sich abzuzeichnen begann.

1962 wurde, zehn Jahre nach dem Pfarrvikarinnengesetz, auf der Ebene der Evan­gelischen Kirche der Union die Pastorinnenverordnung verabschiedet. Dies bedeutete eine Abkehr von der vorherigen Herausstellung eines besonderen kirchlichen Amtes für Theologinnen und war somit der erste Schritt in Richtung einer generellen Gleich­stellung der Befugnisse in den wichtigsten Amtsbereichen – Predigt, Sakramentsver­waltung und Amtshandlungen. In der Präambel heißt es: „Auch Frauen sind berufen, die Botschaft von der Versöhnung auszu­richten.“ Grundsätzlich werden der Pastorin mit der Ordination Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zur Aufgabe ge­macht, sie wird auf Lebenszeit be rufen und wie ein Pfarrer be­soldet. In der östlichen Regionalsynode der Berlin­Brandenbur­gischen Kirche wurde dieser Regelung voll zugestimmt, so dass eine Theologin sich hier in gleicher Weise wie ein Theologe auf Pfarrstellen bewerben und berufen werden konnte. Damit über­nahm sie alle Rechte des Pfarrers einschließlich der Geschäfts­führung und des Vorsitzes im Gemeindekirchenrat.

Die westliche Regionalsynode hingegen sah im Amt der Pasto­rin weiterhin ein Amt besonderer Prägung. Dies bedeutete: ge­meindliche Stellen mussten zunächst in Pastorinnenstellen um­gewandelt werden, und dies nur in Gemeinden mit mehreren

Theologen. Die Gemeindeleitung und der Vorsitz im Gemeindekirchenrat wurden ihnen verwehrt. Verheiratete Pastorinnen durften nur ausnahmsweise, und zwar ausschließ­lich in übergemeindlichen Ämtern, weiterbeschäftigt werden.

Infolge dieses Unterschiedes waren in der DDR Frauen häufiger als in der Bundesrepu­blik im vollen Gemeindepfarramt, auch wenn sie verheiratet waren – ein Umstand, der nicht zuletzt dem unterschiedlichen frauenpolitischen Kontext geschuldet sein dürfte.

1969 erschien die bis heute sehr lesenswerte, auf Umfragen unter Theologinnen in Berlin basierende Studie „Die Theologin im Beruf. Zumutung. Selbstverständnis. Praxis“

von Eva Senghaas­Knobloch, in der die Dringlichkeit der Ent­wicklung eines gleichberechtigten Berufsbildes für Theologin­nen aufgezeigt wurde.

Diese Zulassung zum geistlichen Amt schloss die Möglich­keit ein, Frauen in kirchenleitende Ämter zu berufen. Ab Mit­te der 1960er­Jahre erfolgten die ersten Berufungen ins Amt einer Oberkirchenrätin. Ein Jahr bevor Gertrud Grimme – die erste Frau als Oberkirchenrätin – ins Kirchenamt (damals Kirchenkanzlei) der EKD einzog, wurde Sieghild Jungklaus 1964 in den Oberkirchenrat in Berlin­Brandenburg berufen und 1970 Dr. Gerta Scharffenorth als erste Frau in den Rat der EKD gewählt. Ebenfalls in den 1960er­Jahren nahm erst­malig eine Frau am West­Berliner Ephorenkonvent teil: Lona Kutzer­Laurien.

Doris Antony, Berlin (CC BY-SA 3.0)Alan Ford (en.wikipedia.org)

St. Nikolai, Spandau Hoffnungskirche, Pankow

Weit entfernt von GleichstellungObwohl die Ausbildung zur Geistlichen in den 50er-Jahren in Berlin möglich war, wurden die Theologinnen in ein Amt „sui generis“ ordiniert. Die Rechte aus der Ordination erloschen bei einer Heirat, der Dienst war auf die Unterstützung eines männlichen Kollegen im Pfarramt ausgerichtet. Die fehlende Gleichstellung zeigte sich auch an der Amtsbezeichnung „Pfarrvikarin“. Mit der wachsenden gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern wuchs auch die Akzeptanz von Frauen im Pfarramt.

Foto: Archiv von St. Nikolai in Berlin-Spandau Foto: Archiv der Hoffnungskirchengemeinde Pankow

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