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Ausarbeitung des Referats Schulsystem der DDR von: Sebastian Müller, Matrikelnummer: 1403135 Pädagogische Hochschule Freiburg Seminar: Geschichte der Pädagogik - eine Geschichte pädagogischer Reformen? Dozentin: Karla Trimborn Modul 2: Historische und systematische Grundfragen der Erziehungswissenschaft und Schulpädagogik, Schulpädagogik, Geschichte der Pädagogik Sommersemester 2008 Datum: 13.07.08 Thema: Ausarbeitung des Referats Schulsystem der DDR von: Sebastian Müller, Matrikelnummer: 1403135 Studiengang: Lehramt an Realschulen, Englisch, Politikwissenschaften, Wirtschaftslehre Kontakt: [email protected] , tel: 0761 277760 1 von 20

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Ausarbeitung des Referats Schulsystem der DDRvon: Sebastian Müller, Matrikelnummer: 1403135

Pädagogische Hochschule Freiburg

Seminar: Geschichte der Pädagogik - eine Geschichte pädagogischer Reformen?

Dozentin: Karla Trimborn

Modul 2: Historische und systematische Grundfragen der Erziehungswissenschaft und

Schulpädagogik, Schulpädagogik, Geschichte der Pädagogik

Sommersemester 2008

Datum: 13.07.08

Thema: Ausarbeitung des Referats Schulsystem der DDR

von: Sebastian Müller, Matrikelnummer: 1403135

Studiengang: Lehramt an Realschulen, Englisch, Politikwissenschaften, Wirtschaftslehre

Kontakt: [email protected], tel: 0761 277760

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InhaltsverzeichnisEinleitung.........................................................................................................................................3Kein freier Zugang ..........................................................................................................................4Geschichte der DDR .......................................................................................................................5Gesellschaftliche Bedingungen .......................................................................................................6Schulsystem ....................................................................................................................................7Vergleich BRD / DDR ....................................................................................................................9Unterricht ......................................................................................................................................10

Erziehungsziel ..........................................................................................................................11Wehrkundeunterricht ................................................................................................................11Polytechnischer Unterricht........................................................................................................12Politikunterricht .......................................................................................................................13

Heißt von Finnland lernen, von der DDR lernen?.........................................................................14Wirkt das Schulsystem der DDR nach?.........................................................................................16Schlussfolgerungen........................................................................................................................16Literaturverzeichnis.......................................................................................................................18

Soweit möglich wird in dieser Hausarbeit auf eine Geschlechtsneutrale Sprache geachtet. Aus

Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Personenkategorisierung (z.B. Schüler) in der

Regel auf die weiblichen Morpheme verzichtet. Damit sind sowohl die weiblichen als auch die

männlichen Personen gemeint.

„Kein gewesener Staat ist besser dokumentiert als die DDR. Trotzdem ändert sie sich ständig,

weil wir, ihr Gedächtnis, nicht bleiben können, die wir waren. Jedes Erinnern ist ein heutiger

Akt, aber heute wird nicht für immer entschieden. Morgen erinnern wir uns anders. Das

Gewesene ist voller Möglichkeiten. Was für eine Show.“

Christoph Dieckmann (Die Zeit, 2003)

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Einleitung

Warum soll man sich als Student an der PH im Jahr 2008 mit dem Schulsystem der Deutschen

Demokratischen Republik beschäftigen. Einem Land das unterging als der Autor dieser

Hausarbeit in die erste Klasse ging und an das er keine Erinnerungen verbindet?

„For most of the nation's short post-Wende history, the debate over the character of the "New

Germany" has been one maintained mostly at the elite level. The "outbreak" of Ostalgie is

important general populace over what the "East" means.“1

Als Deutsche haben wir eine Geschichte, diese Geschichte besteht aus den Geschichten aller

Bürger unserer Landes. 16 Mio. davon haben einen Teil ihres Lebens eben nicht unter den

Bedingungen der Sozialen Marktwirtschaft in einem liberal Kapitalistischen Rechtsstaat

verbracht, sondern in einer zunächst stalinistischen und dann sozialistischen Diktatur. Auch diese

Geschichte ist erzählenswert und Teil unseres Erbes. Dabei muss Beschäftigung mit der DDR

mehr sein, als Ostalgie, sondern gerade auch für westdeutsche, nachgeborene Studierende die

wissenschaftliche Auseinandersetzung.

„As we have seen in reference to the creation of East German identity, nations are constructed

through foundational myths, collective knowledges, and communal thinking.“2

Denn nur so können wir es schaffen uns unserer Identität sicher zu sein und auf Basis dieser

Identität Bildung vermitteln. Eine ganze Reihe von eher oberflächlichen Publikationen

beschäftigt sich mit dem vermeintlichen besseren Bildungssystem der DDR und fordert

regelmäßig, ob nun aus verklärter Ostalgie oder aber aus Unkenntnis, die Rückkehr zu diesem.3

Ich werde versuchen in dieser Hausarbeit ein wenig Licht auf diese Tatsahcen zu werfen, was

aber aufgrund des gebotenen Umfangs keine umfassende Arbeit sein kann.

1 "The Wall in Our Minds?" Colonization, Integration, and Nostalgia ; Jozwiak, Joseph F; Mermann, Elisabeth; Journal of Popular Culture; 10-01-2006

2 "The Wall in Our Minds?" Colonization, Integration, and Nostalgia ; Jozwiak, Joseph F; Mermann, Elisabeth; Journal of Popular Culture; 10-01-2006

3 N-tv.de, Website des Nachrichtensenders n-tv, „Einheitsschule - Schule in der DDR war besser“, unter: http://www.n-tv.de/307524.html, abgefragt am 14.7.08 um 0:27. Der Artikel bemängelt die Abschaffung des erfolgreichen DDR Bildungssystems nach der Wende, welches sich hauptsächlich an dem Vorbild Finnlands orientiert habe.

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Kein freier Zugang

Zum Verständnis dieses Bildungssystemes müssen wir stets bedenken, dass es sich um das

Bildungssystem einer sozialistischen Diktatur handelt. Dass also in diesem Staat ein grundlegend

anderes Gesellschaftssystem, dessen Bedingungen für den Nachgeborenen nur schwer

verständlich sind, herrschte.

Dabei können wir uns bei der Beurteilung nur stützen auf retrospektiv erhobene Befragungen

und Forschung, welche nach der Wende stattfand. Wenn wir zeitgenössische westliche Quellen

befragen, müssen wir wissen, dass sich diese meist auf eine beschränkte Rezeption von östlicher

Literatur stützte und auch diese Autoren nicht die Möglichkeit hatten vor Ort zu forschen.

Dementsprechend führt auch Henning Schluss aus: „Vor der Wende und der Deutschen

Vereinigung blieb die Beschäftigung mit dem Vergleich deutsch-deutscher Bildungssysteme auf

wenige Experten beschränkt. Besonders ist hier der Name Oskar Anweilers zu nennen, (vgl. z. B.

Anweiler 1969, 1988, 1991, 1994). (...)

1995 wurde eine von der DFG unterstützte Forschergruppe gegründet, die sich interdisziplinär

mit der Bildung und Schule im Transformationsprozess von SBZ, DDR und neuen Ländern

beschäftigte. Die Ergebnisse dieser groß angelegten Untersuchungen sind im Abschlussbericht

der Forschergruppe zusammengefasst (vgl. Benner/Merkens 2000).

Trotz dieser Blüte der vergleichenden Ost-West-Forschung wurde die Ebene des Unterrichts in

all diesen Untersuchungen mit wenigen Ausnahmen (vgl. Hesse/Fischer 1992) kaum erreicht.

Dies lag vor allem daran, dass eine Hospitation des Unterrichts durch westdeutsche

Wissenschaftler in der sozialistischen DDR nicht, oder nur in seltensten Ausnahmen geduldet

wurde und ostdeutsche Erziehungswissenschaftler wiederum bis auf seltene Ausnahmen, keinen

Zugang zu westdeutschem Unterricht hatten.

Nach dem Ende des staatssozialistischen Bildungssystems in der DDR gab es diesen Unterricht

in der DDR nicht mehr und somit fehlte dieser Gegenstand des Vergleiches. Erhalten blieb

jedoch ein Grossteil der schriftlichen Dokumente, die nun z. T. erstmals den ehemaligen west-

deutschen Wissenschaftlern zur Verfügung standen und so immenses Material für die

Vergleichsforschung bereitstellten.“4

Weiterhin erschwert wird die Arbeit dadurch, dass viele Statistiken, die in es in Westdeutschland

4 J. Henning Schluss, 3.3.2006, „Unterrichtsaufzeichnung in der DDR – Ein Schatz der Unterrichtsforschung“ in Medienpädagogik, unter: www.medienpaed.com06-1/schluss1.pdf, abgefragt am 17.6.0 21:48

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gab, in der DDR entweder nicht erhoben wurden, geheim waren oder schlichtweg gefälscht. Die

DDR beteiligte sich auch nicht an internationalen Vergleichsstudien.

Geschichte der DDR

Die DDR wurde 1949 auf Veranlassung der Sowjetunion und als Reaktion auf die Gründung der

Bundesrepublik geschaffen. Dabei gab es zwar formal juristisch ein Mehrparteiensystem, dieses

war jedoch in den Block der Nationalen Front zusammengefasst und wurde von der SED

gesteuert. Die SED entstand aus der durch die Sowjetunion erzwungen Zusammenführung von

KPD und SPD. Die Nationale Front stellte bei den Wahlen jeweils eine Einheitsliste auf. Die

Bürger der DDR konnten nun auf dieser Einheitsliste einzelne Kandidaten, mit denen sie nicht

einverstanden waren ausstreichen. Die Möglichkeit eigene, konkurrierende Listen oder Parteien

zu gründen oder den gesammten Wahlvorschlag abzulehnen, gab es nicht. Erst in der Endphase

der DDR bildeten sich neue Gruppierungen.

Die Landwirtschaft und weite Teile der Wirtschaft wurden ab 1952 kollektiviert bzw. enteignet.

1955 trat die DDR dem Warschauer Pakt bei und wurde militärisch in das östliche

Bündnissystem unter Führung der Sowjetunion eingegliedert.

Zunächst war die DDR ein in Aufbau begriffener Stalinistischer Staat, die Staatsführung schloss

sich jedoch nach dem Tod Stalins 1953 und dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 den

Entstalinisierungstendenzen an.

Als Folge der Kollektivierung und staatlicher Repression verließen bis zum Bau der Berliner

Mauer am 13.8.1961 ca. drei Millionen Bürger die DDR. Dabei handelte es sich überwiegend um

die junge, gut ausgebildete Funktionselite.

Mit der Bildung der großen Koalition 1966 und der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler

begann eine Phase der politischen Normalisierung und Annäherung beider deutscher Staaten. So

kam es zu Treffen beider Regierungschefs, Abkommen über Transitverkehr, Akkreditierungen

von Korrespondenten westlicher Medien, im der Folge sogar zu Milliardenkrediten des Westens,

die auch eine systemstabiliserende Wirkung entfalteten.

Am 3.5.1971 wurde Walter Ulbricht von Erich Honecker an der Spitze der Regierung der DDR

abgelöst, nachdem es zu Unstimmigkeiten in Bereichen der Außen- und Wirtschaftspolitik

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gekommen war. Gleichzeitig wurde seine Frau Margot Honecker Volksbildungsministerin.5

„Durch Gorbatschows Politik der Öffnung und Reformen in der SU, sowie durch seine

Ankündigung nicht in die Angelegenheiten Osteuropas eingreifen zu wollen, wurde eine

„radically new internationonal opportunity structure“ geschaffen. (...) Dadurch begannen

erstmals eine große Gruppe Menschen, die sonst ihre Opposition im Privaten lebte, sich im

Öffentlichen aber an die vorgegeben Skripte der Sozialistischen Gesellschaft hielt, offen an der

Opposition zu beteiligen. Gorbatschow löste die Breshnew-Doktrin, von der begrenzten

Souveränität von Staaten mit sozialistischem Gesellschaftssystem durch die so genannte „Sinatra

Doktrin“ (Eduard Schewardnase) ab.“6 Dies führte zusammen mit den Bürgerrechtsbewegungen

in anderen Ostblockstaaten zum Zusammenbruch des Kommunismus und am 3.10.1990 zur

Wiedervereinigung beider Deutscher Staaten.

Gesellschaftliche Bedingungen

Welche gesellschaftlichen Bedingungen müssen wir uns vergegenwärtigen um das

Bildungssystem der DDR zu verstehen?

Mir erscheinen die folgenden Bedinungen als besonders hervorhebenswert, diese Aufzählung

kann jedoch nicht abschließend sein und ist sicher nicht vollständig.

Zunächst war die DDR eine Planwirtschaft, das bedeutet, dass die Regierenden der DDR und

somit das Zentralkomitee der SED zentral die gesamte Wirtschaft steuerten.

Die Wirtschaftsleistung der DDR war gegen Ende der 80er Jahre in etwas auf dem Niveau von

1/3 der BRD, was in etwa der Portugals entspräche. Wobei auch hier die in der Literatur

angegeben Werte unterschiedlich sind, da die Statistiken zum Teil nicht vergleichbar sind.

Einer der wesentlichen Bedingungen dieses Wirtschaftssystems war eine wesentlich niedrigere

Prokopfproduktivität als in Westdeutschland, bei gleichzeitig viel höhere Ausschöpfung des

Erwerbspersonenpotentials, welches vor allem durch die vermehrte Beschäftigung von Frauen

erreicht wurde. 7

5 Wikipedia, Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Deutschen_Demokratischen_Republik, abgefragt am 17.7.08 um 13:10

6 Müller, Sebastian, „Gründe für den Untergang der DDR, Hausarbeit im Seminar: „Der Prozeß der Deutschen Einheit“, Pädagogische Hoschule Freiburg, unter: http://sbamueller.wordpress.com/2008/02/25/hausarbeit-grunde-fur-den-untergang-der-ddr/, abgefragt am 17.7.08 um 13:15

7 ebenda

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„Im Lebenslauf nahezu aller DDR-Bürger und bedingt durch die ökonomisch erzwungene, nicht

allein aus Emanzipationsgesichtspunkten eingeräumte hohe Beschäftigungsqoute von Frauen,

beginnt öffentliche Erziehung nach dem ersten Lebensjahr, in Krippen und Horten und dauert

über die Schul- und Ausbildunpflicht zumindest bis zum 18. Lebensjahr an“8

Diese höhere Erwerbsquote von Frauen bedingt eine deutlich bessere Versorgung bei der

Kinderbetreuung durch Krippen und Kindergärten.

Entscheidungen der Schule, waren als Teil der Einheitliche Sozialistische Staatsgewalt, im

Gegensatz zur BRD, nicht durch die Gerichte überprüfbar. Daher es gab keine

Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch welche Noten überprüft werden konnten.

8 Kudella, Paetz, Tenorth, „Die Politisierung des Schulalltags in der DDR“ in Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, „In Linie angetreten“, Band 2, Berlin 1996, S. 53

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Versorgungsgrad mit Kindergärten, Grafik aus Bildunswesen DDR, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 35

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Schulsystem

Der Kindergarten galt als Teil des Bildungssystems und war nicht dem Sozialministerium

sondern dem Ministerium für Volksbildung zugeordnet. Dieses bot eine umfassende,

beitragsfreie Kinderbetreuung. 9

In der DDR standen stets ausreichend Studienplätze zur Verfügung – dieser, für so manchen

Westdeutschen Abiturienten sicherlich paradiesisch erscheinende Zustand - wurde durch die

Limitierung des Zugangs auf der Erweiterten Oberschule (EOS) erreicht. Nicht die Anzahl der

Studienplätze wurde der Anzahl der Abiturienten angepasst, sondern die Anzahl der

Studienplätze bestimmte wie viele Personen überhaupt Abitur machen durften. Dabei waren

nicht nur Leistung der Schüler maßgeblich, sondern auch die politische Zuverlässigkeit, der

Klassenstatus ihrer Eltern, das Verhalten der Eltern, bei Jungs die Teilnahme am Wehrdienst und

das Engagement in politisch genehmen Organisationen, wie etwa der Gesellschaft für Sport und

Technik, den jungen Pionieren, etc...

„Fachgebundene Kriterien der Schulleistung werden in der Regel ergänzt und damit wird

zugleich das Fachkriterium als zwar notwendige, aber nicht mehr hinreichende Bedingung für

den Karriereweg abgewertet.“10

9 Oskar Anweiler, Schulpolitik und Schulsystem in der DDR, Leske und Budrich, 1988 10 Kudella, Paetz, Tenorth, „Die Politisierung des Schulalltags in der DDR“ in Ministerium für Bildung, Jugend

und Sport des Landes Brandenburg, „In Linie angetreten“, Band 2, Berlin 1996, S. 57

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Vergleich BRD / DDR

Wenn man die Schulsysteme der Bundesrepublik und das Schulsystem der DDR vergleicht, so

springen einem die folgenden Dinge direkt ins Auge:

In der BRD gibt es eine Reihe unterschiedlichster Akteure in der Bildungspolitik, von staatlichen

Schulen, Privatschulen, Stiftungen, Arbeitgeberorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften und

andere. Diese Bildungsakteure verfügen teils über eine eigene Bildungsmacht und eigene

Bildungsansprüche, versuchen ihre Interessen auch über Einfluss auf das staatliche System

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Das Bildungswesen in der DDR, Grafik aus Bildunswesen DDR, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 19

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auszudehnen.

In Deutschland ist das Bildungswesen weitestgehend föderal organisiert. Die

Kultusministerkonferenz setzt lediglich breite Rahmenbedingungen und versucht die

Bildungsanstrenungend der einzelnen Länder zu koordinieren.

Die Eingriffsrechte der Schule und des Staates sind beschränkt. Das Elternrecht ist im

Grundgesetz festgelegt11 und steht im Spannungsfeld zu den Rechten des Staates und der Kinder.

In der überwiegenden Anzahl der Bundesländer ist die Sekundarstufe dreigliedrig organisiert.

Im Gegensatz dazu waren in der DDR Privatschulen waren verboten, es gab ein staatliches

Bildungsmonopol. Das Bildungswesen war zentralistisch organisiert und wurde vom

Ministerium für Volksbildung gesteuert. Das Recht der Eltern wurde durch ein

Letztentscheidungsrecht der Schule und Lehrer ausgehebelt.

Die Lehrerausbildung war in Pädagogischen Hochschulen und Instituten für Lehrerbildung

organisiert, eine der Zugangsvoraussetzungen war neben der fachlichen Qualifikation die Staats-

bzw. Parteitreue.

11 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art 6 . (2) 1 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 2 Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

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Unterricht

Wie sah jetzt Unterricht in der DDR aus? Nach welchen Grundsätzen sollte er organisiert

werden? Einige Autoren sprechen von einer „stalinistisch-preußischen Paukschule“12. Daher von

einem Lehrerzentrierten Frontalunterricht. Wie das folgende Zitat deutlich macht, wurde die

12 Leider ist es mir nicht gelungen dieses Zitat zuzuordnen

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Stundentafel, Grafik aus Bildungswesen DDR, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 62

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Reformpädagogik abgelehnt: „Das sind alle reaktionären, imperialistischen Unterrichtsformen.

Dazu gehören aber die Methoden der sogenannten Bürgerlichen Schulreformer, wie z.B.

‚Erziehung vom Kinde aus‘, ‚Freie Erziehung‘, ‚Arbeitsschulunterricht‘, Auflösung des

Klassenunterrichtssystems durch ‚Gruppenunterricht‘, ‚Gelegenheitsunterricht‘ und andere.“13

Inhaltlich macht es auch Sinn, denn ein Bildungssystem in einer Diktatur kann gar nicht auf

selbstbestimmte, autonome, selbst gesteuerte Schüler hinarbeiten, wäre doch so eine

Kontrollarme Pädagogik am Ende gefährlich für den Bestand des Staates.

Erziehungsziel

„Das Erziehungsziel orientiert sich auf die Gewissheit vom Sieg des Sozialismus und vom

unvermeidlichen Untergang des Kapitalismus, es verlangt, der Jugend ein wissenschaftliches

Bild vom realen Sozialismus der Gegenwart, von seiner Dynamik und von seinen

Entwicklungspotenzen zu geben, zu zeigen, dass ihr die Zukunft gehört.“14

Ziel war es die Kinder hin zu Bürgern eines sozialistischen Staates zu erziehen, dabei wurde mit

offener, beabsichtiger, teils aber auch mit unbeabsichtigter und verdeckter Indoktrination

gearbeitet: Weil „Indoktrination dann besonders Erfolg versprechend ist, wenn sie in die Form

von Fachunterricht gekleidet wird.“15

Es ist systemimmanent sinnvoll die Bürger die im wesentlichen in einem solchen Staat

aufwachsen auch so zu erziehen und ihnen das notwendige, auch ideologische Rüstzeug

mitzugeben.

Wehrkundeunterricht

Ab 1978 wurde in der DDR ein eng mit dem Bezirkskommandos der Nationalen Volksarmee

(NVA) abgestimmtes Konzept zur (vor-) militärischen Ausbildung an Schulen eingeführt. Dies

sollte die Verteidigungsbereitschaft sichern und gleichzeitig für ausreichenden Nachwuchs bei

der NVA sorgen. „Der Wehrunterricht galt als Bestandteil sozialistischer Wehrerziehung der

13 Moumenta Paedagogica, 1950, VI S.367

14 „Bildunswesen DDR2, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 15

15 Henning Schluß, „Indoktrination und Fachunterricht – Begriffsbestimmung anhand eines Exempels,“,

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Jugend und hatte zum Ziel die Schüler auf die Wehrpflicht vorzubereiten, die klassenmäßige,

patriotische und internationalistische Haltung der Schüler weiter auszuprägen und die

Wehrmotivation zu festigen.“16

Bereits in der 7. Klasse waren die Lehrer angehalten Schüler die sich für eine militärische

Ausbildung eigenen könnten an das NVA Bezirkskommando zu melden. Um eine ausreichende

Meldung zu erreichen, wurden entsprechende Pläne festgelegt. Gleichzeitig gab es Sollzahlen für

Schüler die sich melden sollten.17

Zusammen mit den NVA Bezirkskommandos wurde an den Schulen für das Militär geworben.

In der 9. Klasse wurden zwischen 80 – 104 Stunden, in der 10. Klasse 26 Stunden

Wehrkundeunterricht erteilt. Dazu kam in der 10. Klasse ein 12 tägiges Vorbereitungslager, an

welchem Jungs verpflichtend teilnehmen mussten. Mädchen war die Teilnahme freigestellt, sie

konnten an der Sanitätsausbildung im Roten Kreuz der DDR teilnehmen.18

Um Schüler für eine Teilnahme an diesen Übungen gefügig zu machen wurde teilweise Druck

über Versagen des Zugangs an der EOS, Schwierigkeiten an der Teilnahme beim Studium oder

der gewünschten Berufsausbildung ausgeübt. In anderen Fällen gab es keine Probleme, wenn die

Lehrpersonen dieses Verhalten deckten.19

Interessant sind auch die Probleme über die bei der Einführung des Unterrichts berichtet wurden:

Verweigerung der Schüler, Agitation der Kirchen gegen den Wehrunterricht, Übertriebene

Erwartung von Lehrkräften an Disziplin und Ordnung, welche durch die Wehrerziehung bei den

Schülern anerzogen wurde.

Polytechnischer Unterricht

„Die Einführung des polytechnischen Unterrichts als selbständige Fächerdisziplin in der

allgemeinbildenden Schule erfolgte 1958. Der polytechnische Unterricht entwickelte sich aus

Elementen vorgezogener Berufsbildung mit späterer berufsvorbereitender Ausrichtung inhaltlich

neu zum festen Bestandteil der Allgemeinbildung. Polytechnischer Unterricht wurde in 6

16 Geithner, Kordula, „Schule in der Deutschen Demokratischen Republik “, Ausarbeitung eines Referates an Universität Erfurt

17 Sachse, Christian, „(Vor)militärische Ausbildung in der DDR“, in „In Linie angetreten“, Band 2, Publikation des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, Berlin 1996, S.254 und folgende

18 Sachse, Christian, „(Vor)militärische Ausbildung in der DDR“, S, 25619 Sachse, Christian, „(Vor)militärische Ausbildung in der DDR“, S. 267

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Unterrichtsfächern von Klasse 1 bis 12 erteilt.“20

Ziel des Polytechnischen Unterrichts, war die Einführung der Schüler in die sozialistische

Produktion, er bestand aus den Teilen: Technisches Zeichnen und Produktive Arbeit. Produktive

Arbeit stellt sich als Zwangspraktikum in angeschlossenen Industriebetrieben da. „Die Arbeit ist

das entscheidende Feld für Tätigkeit und Bewährung der Persönlichkeit, die Arbeitsmoral Kern

der sozialistischen Moral.“21

„Die Produktive Arbeit in den Klassen 7 bis 10 war als Arbeitsunterricht so angelegt, dass die

Schüler geeignete Arbeiten ausführen und dabei grundlegende Arbeitsfertigkeiten für einfache

maschinelle Werkstoffbearbeitung und für die Arbeit in Betriebsabteilungen sowie Kenntnisse

und Gewohnheiten erwerben sollten, die für die spätere berufliche Ausbildung von Bedeutung

waren.“22

Dienstleistungsberufe wurden im Gegensatz zur UdSSR nicht berücksichtigt.

Gleichzeitig war auch hier wiederum eine Erweiterung der Erwerbspersonenpotentials möglich

indem die Schüler für Produktion genutzt werden, was ganz unverholen in diesem Zitat zum

Ausdruck kommt: „In wachsendem Maße werden den Schülern von den Betrieben selbständig zu

lösende und abrechenbare Produktionsaufgaben übertragen,“23

Politikunterricht

In Westdeutschland gibt es drei wichtige Grundlagen die für die Vermittlung politischer Inhalte

gelten, sie wurden im sogenannten 'Beutelsbacher Konsens' dargelegt: „Der maßgebliche

Konsens im Bereich der politischen Bildung, der nach dem Ort seines Zustandekommens,

Beutelsbach, benannt wurde, thematisierte deshalb in seinem zweiten Kriterium diese

Problematik, indem er festlegte, das was in der Fachwissenschaft umstritten sei, auch im

Unterricht als strittig dargestellt werden müsse“.24 Neben diesem Kontroversitätsgebot, gilt auch

20 Geithner, Kordula, „Schule in der Deutschen Demokratischen Republik “, Ausarbeitung eines Referates an Universität Erfurt

21 „Bildungswesen DDR“, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 16

22 Geithner, Kordula, „Schule in der Deutschen Demokratischen Republik “, Ausarbeitung eines Referates an Universität Erfurt

23 „Bildunswesen DDR“, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983, Seite 60

24 Henning Schluß, „Indoktrination und Fachunterricht – Begriffsbestimmung anhand eines Exempels,“,

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das Überwältigungsverbot, daher Schüler sollen nicht durch das überlegene Wissen der

Lehrkräfte überwältigt sondern zu eigenem Urteil befähigt werden. Im Gegensatz dazu waren die

Ziele des Politikunterrichts in der DDR, nicht mit diesem Konsens vereinbar: Lehrziel für die 8.

Klasse war beispielsweise „die Überzeugung von der Überlegenheit des Sozialismus“ oder

schlichtweg pro SED Propaganda in Klasse 10: „der Überzeugung von der Wissenschaftlichkeit

der ökonomischen Politik der SED“

Unterrichtsziel waren die Vorzüge des Sozialismus, nach einem Top-Down, man könnte es auch

Führer-Gefolgschaft nennen. Das Volk angeführt von der Arbeiterklasse, diese geführt von der

Partei, welche vom Zentral Komitee gesteuert wird. Im Rahmen des „Demokratischer

Zentralismus“ laufen sämtliche Entscheidungsfäden und Informationen dort zusammen.

Regelmäßig wurde der Staatsbürgerkundeunterrichts durch das Ministerium für Staatssicherheit

überwacht. Dabei kamen sowohl offene als auch verdeckte Ermittlungsmöglichkeiten zum

Einsatz. Waren sie offen, so wurden sie mit den jeweiligen Kreisschulräten abgestimmt.

Heißt von Finnland lernen, von der DDR lernen?

Heißt von Finnland lernen von der DDR lernen? Schauen wir wenn wir auf das Finnische

Bildungssystem schauen, dann schauen wir auf ein gelungenes Bildungssystem, zumindest nach

den Ergebnissen der PISA Studien, welches quasi aus der DDR importiert wurde? Wäre somit

unser Bildungssystem erfolgreicher wenn wir uns an dem Vorbild DDR orientieren würden?

Ich beziehe mich hier besonders auf einen Vortrag von Prof. Seppo Hentilä.25 Trotz weit

unterschiedlicher Sprachen und einer gewissen räumlichen Distanz wirkt Deutschland intensiv

auf Finnland: deutsche Priester brachten die Reformation, deutsche Unternehmen sind sei jeher

in Finnland engagiert.26 Engste Beziehungen unterhält Finnland aber auch mit Schweden.

Finnland fand sich im 2. Weltkrieg auf der Seite der Kriegsverlierer, da es obwohl demokratisch

regiert wurde auf der Seite der Achsenmächte am Krieg teilgenommen hatte.

In seinem Friedensvertrag mit der UdSSR verpflichtete es sich zur Neutralitätspolitik.

25 Prof. Dr. Seppo Hentilä, „Der Einfluss der DDR auf Finnland“, Referat gehalten am 16.06.2005 im Rahmen der gemeinsamen Vortragsreihe des Föderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung, der Johannes-Sassenbach-Gesellschaft und der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, unter: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/sapmo/16.pdf, abgefragt am 16.7.08 um 20:3326 Schneider, Christoph, Komplexe schriftliche Hausarbeit, „Heißt von Finnland lernen, von der DDR lernen?“, für das Seminar Bildung und Erziehung in der DDR und in den Neuen Bundesländern, Universität Erfurt, 20.2.2007

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Page 16: Pädagogische Hochschule Freiburg...Als Folge der Kollektivierung und staatlicher Repression verließen bis zum Bau der Berliner Mauer am 13.8.1961 ca. drei Millionen Bürger die DDR.

Ausarbeitung des Referats Schulsystem der DDRvon: Sebastian Müller, Matrikelnummer: 1403135

Diese Stellung erlaubte es dem Land eine Mittlerposition zwischen dem Westen und Osten

einzunehmen. Die Finnische Außenpolitik war stets bedacht Moskau nicht zu sehr zu verärgern

und musste zwischen beiden Polen hin- und herlavieren. Durch diese Stellung zwischen den

Systemen konnte die UdSSR gelegentlich auch die westlichen Embargobestimmungen umgehen.

Dies führte dazu, dass die DDR für Finnland wirtschaftlich das zweit wichtigste sozialistische

Land war.

In den 70er Jahren, als in Finnland das Bildungssystem reformiert wurde, reiste eine Reihe von

Delegationen auch in die DDR um das dortige seit den 1950er Jahren praktizierte

Einheitsschulsystem näher kennen zulernen. Genauso reisten jedoch auch zahlreiche

Delegationen nach Schweden.

„In dem Einheitsschulstruktur bzw. Gesamtschulenmodell liegt die größte Gemeinsamkeit beider

Länder. Die DDR hatte bereits seit 1959 die allgemein bildende Polytechnische Oberschule als

Einheitsschule verpflichtend für alle Jugendlichen bis zur zehnten Klasse. Die finnischen Schüler

besuchen zwar nur von der ersten bis zur neunten Klasse dieselbe Schulart, aber der

Einheitsschulgedanke ist, wie mir Herr Prof. Dr. P., Professor am Lehrstuhl für allgemeine

Didaktik an der Universität Erfurt, im Interview bestätigt, derselbe.“27

In Finnland gibt es eine klassenlose Oberstufe in der mit individuelle Geschwindigkeit zum

Abitur geführt wird. Die Abiturquote ist wesentlich höher als in der DDR. Grund-, Unter-, und

Mittelstufe sind in einer Gesamtschule, aber nicht Ganztagsschule zusammengeführt.

Die Schulorganisation ist Dezentralisiert und die einzelnen Schulen verfügen über eine hohe

Autonomie. Es wird wenig zentral gesteuert. Viel Kompetenz und Verantwortung und damit viel

Spielraum verbleibt bei den einzelnen Schulen und Lehrern.

„Damit fasse ich zusammen, dass es auf jeden Fall einen Gedankenaustausch beider Länder gab.

(...) Ich komme zu dem Schluss, dass die DDR durchaus ein Vorbild, aber nicht das einzige, für

Finnland war. Es ist schwer zu sagen, was, wie viel und in welchen Bereichen, die finnischen

Pädagogen sich etwas von der DDR abgeschaut haben. Vor allem weil sich auch das finnische

Schulsystem seit den 70iger Jahren weiterentwickelt hat“28

Von Finnland lernen heißt also nur beschränkt von der DDR lernen. Auch sind die Bedingungen

27 Schneider, Christoph, Komplexe schriftliche Hausarbeit, „Heißt von Finnland lernen, von der DDR lernen?“, für das Seminar Bildung und Erziehung in der DDR und in den Neuen Bundesländern, Universität Erfurt, 20.2.200728 Schneider, Christoph, Komplexe schriftliche Hausarbeit, „Heißt von Finnland lernen, von der DDR lernen?“, für

das Seminar Bildung und Erziehung in der DDR und in den Neuen Bundesländern, Universität Erfurt, 20.2.2007

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eines kleinen Landes nie auf die eines Großen übertragbar, sog. „small-state-factor“.

Wirkt das Schulsystem der DDR nach?

„East Germans left their home behind, landed in a strange country, a society they had not

participated in shaping, that did not welcome them, and into which they had to make themselves

fit. They had to learn to deal with a new political system, new consumer products, new radio

stations, new area codes, license plates, bank account numbers, and a new educational system.

Experiences of dislocation and displacement were considerable;“29

Die Wende brachte, wie das Zitat aus dem Journal of Popular Culture deutlich dalegt, für viele

Ostdeutsche eine biographische Brucherfahrung mit sich. Gerade für die Wendegeneration, die in

der DDR zur Schule ging, aber sich dann im Arbeitsmarkt zurechtfinden musste, entstanden

enorme Schwierigkeiten.

Autoritäten die einem das Leben bestimmten und damit die Freiheit, aber auch die

Notwendigkeit eigener Entscheidungen abnahmen gab es nicht mehr oder waren entwertet. Vor

dem Hintergrund dieser Erfahrungen und den häufigen Modernisierungsverlusten, entstand in

vielen Gebieten der neuen Bundesländer rechtsradikale Jugendkulturen. Es ist also unter

anderem die Frage zu stellen:Begünstigte das Aufwachsen in diesem Bildungssystem, das

Entstehen Rechtsradikaler Jugendkulturen nach der Wende?

Im Rahmen dieser Hausarbeit lässt sich darauf keine, auch nur cursorische Antwort geben, es

sollte sicher jedoch mitbedacht werden.

Schlussfolgerungen

Es ist wahnsinnig schwierig ein so umfangreiches und komplexes Ding wie das Bildungssystem

eines ganzen Staates, mit allen Akteuren, Betroffenen und in seiner Ausdiffernzierung in einer

Hausarbeit darzustellen. Dies ist nicht möglich und ich konnte mich hier immer nur auf gewisse

Aspekte beschränken, die mir wichtig erschienen.

Als Schlussfolgerung ließe sich formulieren, dass das Bildungssystem der DDR von politischen,

militärischen und sozialistisch-wirtschaftlichen Einflussnahmen durchwirkt war, stärker noch als

unseres.

29 "The Wall in Our Minds?" Colonization, Integration, and Nostalgia ; Jozwiak, Joseph F; Mermann, Elisabeth; Journal of Popular Culture; 10-01-2006

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Das Bildungssystem der DDR wirkt weiter, seine Wirkung wird erst aufhören wenn der letzte

gestorben ist, der eine Schule der DDR durchlaufen hat.

In der DDR gab es eine Gesamtschule, ob diese die in der Westdeutschen Bildungsdiskussion

geforderten positiven Effekte dort jedoch stattfanden oder aber vom sozialistischen

Gesamtsystem bedingt wurden, ist nicht geklärt.

Für eine wissenschaftliche und aufrichtige Diskussion ist es wichtig das Bildungssystem der

DDR differnziert zu betrachten. Es ist jedoch deutlich, dass weder eine Übernahme von

Eigenschaften des Bildungssystems Finnlands noch eine Übernahme von denen aus der DDR

möglich und wünschenswert ist. Was unter den Bedingungen einer abgeschlossenen Gesellschaft

funktionierte, kann und muss nicht funktionieren unter den Bedingungen einer offenen,

globalisierten, durchvernetzten Gesellschaft.

Viele der Eigenschaften wären auch mit den philosophischen und politischen Überzeugungen der

Mehrheit der Lehrpersonen, Eltern und Schüler nicht vereinbar. So ist weder die Einführung von

Wehrkundeunterricht in Deutschland denkbar, im Gegensatz zu einigen Schulen in den USA,

noch wäre ein Politikunterricht denkbar, der Schüler versucht für ein bestimmtes System zu

indoktrinieren. Allein schon, weil es zahlreiche, plurale Bildungsmächte gibt, die alles in der

Schule vermittelte zumindest hinterfragbar machen.

Die gute, durchgängige, alle Aspekte beleuchtende Überblickarbeit über das Bildungssystem der

DDR ist noch nicht geschrieben – bzw. ich habe im Laufe der Recherche für diese Hausarbeit

nicht gefunden.

Durchaus interessant wäre es sich mit den Bedingungen der Lehrerbildung und deren Einstellung

zum System, sowie den subjektiven Bildungserfahrungen von Schülern auseinderzusetzen.

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Literaturverzeichnis

„Bildungswesen DDR“, Gemeinschaftsarbeit der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften,

des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für Fachschulwesen, des Zentralinstituts für

Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-Berlin, 1983,

Anweiler, Oskar, Schulpolitik und Schulsystem in der DDR, Leske und Budrich, 1988

Geithner, Kordula, „Schule in der Deutschen Demokratischen Republik “, Ausarbeitung eines

Referates an der Universität Erfurt

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Hentilä, Prof. Dr. Seppo, „Der Einfluss der DDR auf Finnland“, Referat gehalten am 16.06.2005

im Rahmen der gemeinsamen Vortragsreihe des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur

Geschichte der Arbeiterbewegung, der Johannes-Sassenbach-Gesellschaft und der Stiftung

Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, unter:

http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/sapmo/16.pdf, abgefragt am

16.7.08 um 20:33

Jozwiak, Joseph F; Mermann, Elisabeth, The Wall in Our Minds?" Colonization, Integration, and

Nostalgia; Journal of Popular Culture; 10-01-2006

Kudella, Paetz, Tenorth, „Die Politisierung des Schulalltags in der DDR“ in Ministerium für

Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, „In Linie angetreten“, Band 2, Berlin 1996,

Müller, Sebastian, „Gründe für den Untergang der DDR, Hausarbeit im Seminar: „Der Prozeß

der Deutschen Einheit“, Pädagogische Hoschule Freiburg, unter:

http://sbamueller.wordpress.com/2008/02/25/hausarbeit-grunde-fur-den-untergang-der-ddr/,

abgefragt am 17.7.08 um 13:15

N-tv.de, Website des Nachrichtensenders n-tv, „Einheitsschule - Schule in der DDR war besser“,

unter: http://www.n-tv.de/307524.html, abgefragt am 14.7.08 um 0:27.

Schluß, Henning, „Indoktrination und Fachunterricht – Begriffsbestimmung anhand eines

Exempels,“,

Schluss, J. Henning, 3.3.2006, „Unterrichtsaufzeichnung in der DDR – Ein Schatz der

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Unterrichtsforschung“ in Medienpädagogik, unter: www.medienpaed.com06-1/schluss1.pdf,

abgefragt am 17.6.0 21:48

Schneider, Christoph, Komplexe schriftliche Hausarbeit, „Heißt von Finnland lernen, von der

DDR lernen?“, für das Seminar Bildung und Erziehung in der DDR und in den Neuen

Bundesländern, Universität Erfurt, 20.2.2007

Wikipedia, Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik, unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Deutschen_Demokratischen_Republik, abgefragt

am 17.7.08 um 13:10

Abildungen

Alle Abbildungen sind aus dem Buch Bildungswesen DDR, Gemeinschaftsarbeit der Akademie

der Pädagogischen Wissenschaftlen, des Zentralinstituts für Berufsbildung, des Instituts für

Fachschulwesen, des Zentralinstituts für Hochschulbildung und der Humbold-Universität, Ost-

Berlin, 1983, entnommen.

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