Periodensystem und Atombausellentin.homepage.t-online.de/PSE_Atombau.pdf · In der Natur treten...

25
Kapitel 1 Periodensystem und Atombau Schon sehr früh bemerkten die Chemiker, dass bestimmte Elemente ähnliche Eigenschaften besaßen. Dies lieferte den Anreiz, die Elemente zu klassifizieren. Das erste Schema bestand aus nur zwei Einteilungen: Metalle (glänzendes Aussehen, schmiedbar und duktil, leiten Wärme und Elektrizität, bilden mit Sauerstoff Verbindungen,die basisch reagieren) und Nichtmetalle (kein charak- teristisches Aussehen, leiten keine Wärme und Elektrizität, bilden saure Ox- ide). Döbereiners Triaden 1829 beobachtete J OHANN DÖBEREINER mehrere Gruppen von drei Elementen Triaden – mit ähnlichen chemischen Eigenschaften. Ein Beispiel für ein solche Triade ist die Gruppe Chlor, Brom und Iod. Jedes dieser Elemente bildet far- bige Dämpfe, die zweiatomige Moleküle enthalten. Jedes Element verbindet sich mit Wasserstoff entsprechend der Formel HX. Die relative Atommasse von Brom (80) ist angenähert der Mittelwert der aus den relativen Atommassen des Chlors (35,5) und des Iods (127). Weiter Beipiele für Döbereiners Triaden: S, Se, Te; Ca, Sr, Ba; Li, Na, K. Newlands’ Oktavengesetz 1865 untersuchte NEWLANDS 1 das Problem des periodischen Wiederauftretens von ähnlichem Verhalten von Elementen. Er ordnete nach ansteigenden rela- tiven Atommassen und erhielt folgendes Schema: H Li Be B C N O F Na Mg Al Si P S Cl K Ca Cr Ti Mn Fe 1 John Newlands, englischer Chemiker 1839-1898 1

Transcript of Periodensystem und Atombausellentin.homepage.t-online.de/PSE_Atombau.pdf · In der Natur treten...

Kapitel 1

Periodensystem und Atombau

Schon sehr früh bemerkten die Chemiker, dass bestimmte Elemente ähnlicheEigenschaften besaßen. Dies lieferte den Anreiz, die Elemente zu klassifizieren.Das erste Schema bestand aus nur zwei Einteilungen: Metalle (glänzendesAussehen, schmiedbar und duktil, leiten Wärme und Elektrizität, bilden mitSauerstoff Verbindungen, die basisch reagieren) und Nichtmetalle (kein charak-teristisches Aussehen, leiten keine Wärme und Elektrizität, bilden saure Ox-ide).

Döbereiners Triaden

1829 beobachtete JOHANN DÖBEREINER mehrere Gruppen von drei Elementen– Triaden – mit ähnlichen chemischen Eigenschaften. Ein Beispiel für ein solcheTriade ist die Gruppe Chlor, Brom und Iod. Jedes dieser Elemente bildet far-bige Dämpfe, die zweiatomige Moleküle enthalten. Jedes Element verbindetsich mit Wasserstoff entsprechend der Formel HX. Die relative Atommassevon Brom (80) ist angenähert der Mittelwert der aus den relativen Atommassendes Chlors (35,5) und des Iods (127).

Weiter Beipiele für Döbereiners Triaden: S, Se, Te; Ca, Sr, Ba; Li, Na, K.

Newlands’ Oktavengesetz

1865 untersuchte NEWLANDS1 das Problem des periodischen Wiederauftretensvon ähnlichem Verhalten von Elementen. Er ordnete nach ansteigenden rela-tiven Atommassen und erhielt folgendes Schema:

H Li Be B C N OF Na Mg Al Si P SCl K Ca Cr Ti Mn Fe

1John Newlands, englischer Chemiker 1839-1898

1

2 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

Er bemerkte, das das achte Element (Fluor) dem ersten (Wasserstoff), das ne-unte dem zweiten usw. ähnelte. Diese Beobachtung, das jedes achte Elementähnliche Eigenschaften hatte, nannte er Oktavengesetz. Dies war ein weitererSchritt in die richtige Richtung, hatte aber einige ernste Mängel:

• es gab keinen Platz für die Elemente, die in schneller Folge entdeckt wur-den

• keine Diskussion über die relativen Atommassen und die vermutlichbesten Werte

• einige Elemente scheinen am falschen Platz zu stehen: Mn und Fe, bei-des Metalle, ähneln den darüber stehenden Nichtmetallen P und S über-haupt nicht.

1.1 Das Periodensystem der Elemente

↪→ Folie ??: MENDELEJEWs System der Elemente und Eigenschaften von Ger-manium

↪→ Arbeitsblatt ??: MENDELEJEWs System der Elemente

Schon im Jahre 1864 vermutete der deutsche Chemiker LOTHAR MEYER einenZusammenhang zwischen Atommasse und Eigenschaften der chemischen El-emente. Unabhängig von ihm stieß der russische Chemiker DIMITRI MENDELE-JEW ebenfalls auf diese Tatsache. Er stellte 1869 fest, daß sich die Eigenschaftender Elemente in einer bestimmten Richtung ändern und sich gleichzeitig pe-riodisch (= regelmäßig) wiederholen. Wie NEWLANDS ordnete er die Elementenach steigendem Gewicht und stellte chemisch verwandte untereinander, dabeiführte er aber wesentliche Verbesserungen ein:

• Es wurden lange Perioden für jene Elemente eingerichtet, die wir heuteals Übergangsmetalle bezeichnen. Damit mussten Metalle wie Mangan(Mn) oder Eisen (Fe) nicht mehr direkt unter Nichtmetalle gesetzt wer-den.

• Zugunsten der chemischen Ähnlichkeit mußte er an manchen Stelleneine Lücke lassen. Hier sagte er noch nicht gefundene Elemente mit er-staunlicher Genauigkeit vorraus.

• Es kam vor, dass er das Ordnungsprinzip der steigenden Massen zu-gunsten der chemischen Verwandtschaft verlassen mußte. Dies regte einÜberprüfung und Revision bspw. der Äquivalentmassen des Chroms(Cr) und Indiums (In)an.

1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 3

Ti =50 Zr = 90 ? =180V =51 Nb= 94 Ta =182Cr =52 Mo= 96 W =186Mn=55 Rh =104,4 Pt =197,4Fe =56 Ru=104,4 Ir =198

Ni = Co =59 Pl =106,6 Os=199H=1 Cu=63,4 Ag=108 Hg=200

Be= 9,4 Mg=24 Zn =65,2 Cd=112B =11 Al =27,4 ? =68 Ur =116 Au=197 ?C =12 Si =28 ? =70 Sn =118N =14 P =31 As =75 Sb =122 Bi =210 ?O =16 S =32 Se =79,4 Te =128 ?F =19 Cl =35,5 Br =80 I =127

Li=7 Na=23 K =39 Rb =85,4 Cs =133 Tl =204Ca =40 Sr =87,6 Ba =137 Pb=207

Tabelle 1.1: System der Elemente von D. Mendelejew

Mendelejew formulierte aufgrund dieser Beobachtungen das Periodengesetz:

Die Eigenschaften von chemischen Elementen ändern sich nicht willkür-lich, sondern systematisch mit der relativen Atommasse.

Als kurze Zeit darauf die vorhergesagten Elemente gefunden wurden, war dasPeriodensystem der Elemente allgemein anerkannt.

Mendelejews Vorraussage Nach der Entdeckung desElements durch Winkler (1886)beobachtete Eigenschaften

Atommasse ungefähr 72 uDunkelgraues Metall mit hohemSchmelzpunkt; Dichte 5,5 g/cm3

Atommasse 72,59 uWeißlichgraues Metall;Smp. 958 ◦C; Dichte 5,36 g/cm3

Beim Erhitzen entsteht XO2

Oxid schwerflüchtig;Dichte 4,7 g/cm3

Beim Erhitzen entsteht GeO2

Smp. von GeO2 1100 ◦C;Dichte 4,7 g/cm3

Chlorid (XCl4) ist eineleichtflüchtige Flüssigkeit (Sdp.wenig unter 100 ◦C);Dichte 1,9 g/cm3

GeCl4 ist flüssig (Sdp. 83 ◦C);Dichte 1,88 g/cm3

Tabelle 1.2: Eigenschaften von Germanium

Trotzdem blieb auch nach sorgfältiger Überprüfung der relativen Atommassendas Problem bestehen, dass an drei Stellen die ansteigende relative Atom-masse nicht das geeignete Kriterium für die Einordnung der Elemente in das

4 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

Periodensystem ist. Deshalb wurde den Elementen die Ordnungszahlen zugeschrieben,die als Index unten links vor dem Elementsymbol stehen.

Moseleysches Gesetz

1912 beobachtete MOSELEY2 , dass die Frequenzen der von den Elementenausgesendeten Röntgenstrahlung besser mit den Ordnungszahlen als mit denrelativen Atommassen in Beziehung zu setzen sind. Er entdeckte, dass dieFrequenz der Röntgenstrahlung ν sich mit der Ordnungszahl Z nach dieserBeziehung ändert:

ν = a(Z − b)2

Dabei sind a und b konstant und für eine bestimmte Röntgenlinie charakteris-tisch und besitzen für alle Elemente denselben Wert.

9 10 11 12 13 14 15 16Ca, 20

Ti, 22

V, 23

Cr, 24

Mn, 25

Fe, 26

Co, 27

Ni, 28

Cu, 29

Zn, 30

ν1

2 × 10−8 (s−

1

2 )

Z

Abbildung 1.1: Moseleys Auftragung der Quadratwurzel aus der Röntgen-strahlfrequenz ν gegen die Ordnungszahl Z . Die Linien stammen von zweiverschiedenen, meßbaren Frequenzen aus dem Spektrum eines jeden Atoms.

2Henry G.J. Moseley (1888-1915) fiel mit 27 Jahren als britischer Soldat

1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 5

1914 veröffentlichte MOSELEY die Ergebnisse: „Die Spektren der Elemente sindentlang horizontaler Linien angeordnet, die gleichen Abstand voneinanderbesitzen.. . . Dieses ist gleichbedeutend mit der Zuordnung einer Reihe vonaufeinander folgenden, charakteristischen ganzen Zahlen zu aufeinander fol-genden Elementen. . . Wenn jetzt entweder die Elemente nicht durch dieseganzen Zahlen charakterisiert wären oder wenn irgendein Fehler bei der gewähltenReihenfolge oder in der Zahl der für unbekannte Elemente freigelassenen Plätzegemacht worden wäre, würden diese Gesetzmäßigkeiten (die geraden Lin-ien) sofort verschwinden. Wir können daher . . . den Schluß ziehen, daß dieseganzen Zahlen in der Tat charakteristisch für die Elemente sind. . . Jeder Grundspricht für die Annahme, daß die ganze Zahl. . . dieselbe Zahl ist wie die Zahlvon elektrischen Einheiten im Kern. . . “

Die von Moseley angeführten unbekannten Elemente sind Technetium 43Tc,Promethium 61Pm und Rhenium 75Re. Seine Arbeit zählt zu den wichtigstenEinzelschritten in der Entwicklung des Periodensystems. Er bewies, dass dieOrdnungszahl bzw. die Kernladung die wesentliche Eigenschaft für die Einord-nung im Periodensystem ist und lieferte damit die Gesetzmäßigkeit, um eventuelleLücken feststellen bzw. ausschliessen zu können.

1.1.1 Periodische Eigenschaften

Die Stellung eines Elementes im Periodensystem erlaubt Aussagen über seineEigenschaften. Untereinander stehende Elemente bilden eine Gruppe, nebeneinan-der stehende gehören zu einer Periode.

Metallcharakter

Überblickt man die Perioden, so erkannt man, daß innerhalb einer Periodeder metallische Charakter der Elemente von rechts nach links zunimmt (vgl.Fluor – Lithium). Innerhalb einer Gruppe nimmt der metallische Charakternach unten zu (vgl. Stickstoff – Bismut oder Fluor – Jod). Das ideale Metallsteht links unten, das ideale Nichtmetall rechts oben.

Verbindungsverhältnisse mit Wasserstoff

Die Anzahl von Wasserstoffatomen, die sich mit einem Atom eines bestimmtenHauptgruppenelements aus den ersten drei Perioden des PSE verbinden, än-dert sich, wie in Abbildung 1.2 gezeigt,von eins bis vier und wieder zurück biseins, wenn man eine Periode entlang geht. Die Zahl der H-Atome ist dabei gle-ich der Gruppennummer oder gleich acht minus der Gruppennummer, wobeider kleinere Wert von beiden gilt.

6 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

H He Li Be B C N O F Ne Na Mg Al Si P S Cl Ar K Ca

1

2

3

4

Abbildung 1.2: Die Periodizität der Verbindungsverhältnisse der leichtestenElemente in Verbindung mit Wasserstoff

I II III IV V VI VII VIII11H 4

2He73Li 9

4Be 115 B 12

6 C 147 N 16

8 O 199 F 20

10Ne2311Na 24

12Mg 2713Al 28

14Si 3115P 32

16S 35,517 Cl 40

18Ar3919K 40

20Ca 7031Ga 72

32Ge 7533As 79

34Se 8035Br 84

36Kr85,537 Rb 88

38Sr 11549 In 119

50 Sn 12251 Sb 128

52 Te 12753 J 131

54 Xe13355 Cs 137

56 Ba 20481 Tl 207

82 Pb 20983 Bi (210)

84 Po (210)85 At (222)

86 Rn(223)87 Fr (226)

88 Ra

1.1.2 Die Gruppen und Perioden des PSE

Alkalimetalle. Die Metalle Lithium (Li), Natrium (Na), Kalium (K), Rubidi-um (Rb), Caesium (Cs) und Francium (Fr) bilden eine Elementgruppevon sehr einheitlichem Charakter. Es sind alles leichte, weiche, relativ tiefschmelzende Metalle, die an der Luft schnell anlaufen (Aufbewahrungunter Petroleum). Die Alkalimetalle sind sehr reaktionsfähig, die Reak-tionsfähigkeit nimmt vom Lithium zum Caesium zu. Mit Wasser reagierensie heftig, Kalium und die schwereren sogar mit Feuererscheinung. Esentstehen salzartige Verbindungen, deren wässrigen Lösungen sich schlüpfriganfühlen, in den Augen brennen und einen unangenehm scharfen Geschmackhaben; gewisse Farbstoffe werden charakteristisch verfärbt – man beze-ichnet das als alkalische Reaktion, die Elementgruppe hat daher ihren Na-men. In der Natur treten Alkalimetalle nicht elementar auf, man stellt siemeist durch Elektrolyse geschmolzener Salze her.

Erdalkalimetalle. Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), Strontium(Sr), Barium (Ba) und Radium (Ra). Die Erdalkalimetalle sind härter undschwerer als die Alkalimetalle, ihre Reaktionsfähigkeit ist deutlich geringer.Nur noch Barium muß unter Petroleum aufbewahrt werden. Mit Wasserbilden sie ebenfalls salzartige Hydroxide. Magnesium und auch Berylli-um sind dank ihrer geringen Dichte wichtige Werkmetalle.

1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 7

Erdmetalle. Von den Ermetallen Bor (B), Aluminium (Al), Gallium (Ga), In-dium (In) und Thallium (Tl) besitzt nur das Aluminium als Werkstoffgrößere Bedeutung (Leichtmetall!). Es ist ein an sich ziemlich unedles,reaktionsfähiges Metall, das aber durch seine kompakte Oxidschicht gegenden Angriff anderer Stoffe (Sauerstoff, Säuren) weitgehend geschützt ist.Es kommt in der Natur nicht elementar vor und wird Elektrolyse ein-er Schmelze von Aluminiumoxid gewonnen. Als dritt häufigstes Ele-ment der Erdkruste spielt Aluminium für die Chemie der Gesteine einewichtige Rolle.

Kohlenstoff/Silicium-Gruppe Kohlenstoff (C), Silicium (Si), Germanium (Ge),Zinn (Sn) und Blei (Pb). Von diesen Elementen kommt nur Kohlenstoffelementar in der Natur vor (als Diamant oder Graphit); alle übrigenmüßen aus Verbindungen gewonnen werden. Sowohl Kohlenstoff wieSilicium besitzen innerhalb der Chemie eine gewisse Sonderstellung: Kohlen-stoff als Element der organischen Chemie und Silicium (zusammen mitSauerstoff) als wichtigstes gesteinsbildende Element. Silicium und Ger-manium sind Halbmetalle (geringe, aber mit zunehmender Temperaturwachsende elektrische Leitfähigkeit), Zinn und Blei sind typische Met-alle.

Stickstoff/Phosphor-Gruppe. Stickstoff (N), Phosphor (P), Arsen (As), Anti-mon (Sb) ind Bismut (Bi). Auch hier nimmt der metallische Charakter derElemente von Stickstoff (ausgesprochenes Nichtmetall, reaktionsträgesGas) zu Bismut (typisches Metall) sehr deutlich zu. Als einziges Elementdieser Gruppe tritt Phosphor nicht elementar in der Natur auf. Phos-phor existiert wie Kohlenstoff in verschiedenen Formen, die sich in ihrenEigenschaften stark unterscheiden. Auch Arsen kommt in zwei Formenvor, einer mehr metallähnlichen grauen und einer nichtmetallischen gel-ben Form.

Chalkogene. Zu dieser Gruppe gehören Sauerstoff (O), Schwefel (S), Selen(Se), Tellur (Te) und Polonium (Po). Auf die Nichtmetalle Sauerstoff undSchwefel folgen auch hier ein Halbmetall sowie die Metalle Tellur undPolonium. Viele Metallverbindungen von Schwefel und Sauerstoff tretenin der Natur als Mineralien auf und sind wichtige Erze (chalkos gr.: Erz,gennan gr.: bilden).

Halogene. Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Iod (I) und Astatin (At). Fluor(ein gelbliches Gas), Chlor (gelbgrünes Gas), Brom (rotbraune, niedrigsiedende Flüssigkeit, bildet sehr unangenehm erstickend riechende rot-braune Dämpfe) und Iod (blauschwarze, metallisch glänzende Schup-pen, sublimiert leicht zu violettem Dampf) zeigen untereinander stärkereÄhnlichkeiten als die Elemente der meisten anderen Gruppen. Die vierElemente sind recht reaktionsfähige Stoffe. Viele Metalle “verbrennen”in Fluor- oder Chlorgas heftig. Mit den meisten Metallen bilden die Halo-gene typische Salze (halos gr.: Salz). Keines dieser Elemente tritt inderNatur elementar auf, Fluor und Chlor gewinnt man durch Elektrolyse

8 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

ihrer Salze. Astatin ist ein nicht natürlich vorkommendes, bisher erst inkleinen Mengen künstlich hergestelltes Element.

Edelgase. Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ae), Krypton (Kr), Xenon (Xe) undRadon (Rn). Die Edelgase, eine Gruppe auffallend ähnlicher, gasförmigerElemente, wurden erst nach der Aufstellung des Periodensystems ent-deckt3; sie ordneten sich aber ihrem Atombau nach sehr gut zwischendie Halogene und die Alkalimetalle ein. Sie kommen in sehr geringenMengen in der Luft vor und haben heute teilweise in der Beleuchtung-stechnik (Neonröhren, Krypton und Xenon als Füllgase für Glühlampen)Verwendung gefunden. Lange Zeit glaubte man, daß überhaupt keinechemischen Verbindungen dieser Elemente existieren würden, erst 1962wurden echte Verbindungen von Xenon und Krypton hergestellt (z.B.XeF4,XePtF6, KrF4).

1.1.3 Wertigkeit und Formeln

31892 entdeckte LORD RAYLEIGH, das Stickstoff, der aus der Luft durch Entfernen des Sauer-stoffs hergestellt worden war, eine etwas höhere Dichte zeigt als aus Verbindungen gewonnen-er Stickstoff. Die genaue Untersuchung des “Luftstickstoffes” ergab dann, daß er noch geringeMengen schwererer Gase enthielt.

1.2. ATOMBAU-MODELLE 9

1.2 Atombau-Modelle

DALTON (vgl. S. ??) beschrieb die Atome als massive Kugeln, die nicht weiterteilbar sind. Dieses Teilchen-Modell der Materie vermag viele Beobachtungenerklären, nicht aber die Kräfte, die zwischen den Teilchen herrschen:

CH4 NH3 H2O HF

Warum bindet Kohlenstoff 4 H-Atome, Stickstoff noch 3 H-Atome, Sauerstoffnur noch 2, und Fluor lediglich 1 H-Atom? Hier versagt DALTONs Atommod-ell. Darüber hinaus häuften sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Hin-weise, daß Atome doch weiter teilbar sind.

Die elektrische Ladung Schon im Altertum war bekannt, dass ein StückBernstein,welches mit einem Fell gerieben wird, die Fähigkeit erhält, andereKörper, z.B. Haare oder Federn, anzuziehen. Der Leibarzt der Königin ELIS-ABETH I. von England, GILBERT, nannte diese Anziehungskraft vis electrica(elektrische Kraft, von elektron gr.: Bernstein). In der Folgezeit wurden die elek-trischen Erscheinungen weiter studiert. Man fand, dass auch Glasstäbe, Siegel-lack usw. elektrisch werden, wenn man sie mit entsprechenden Materialien(Leder, Wolle u. a.) reibt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gelangte man dannzu der Ansicht, dass die Elektrizität oder elektrische Ladung etwas Stofflichessein müsse und das sie von einem auf den anderen Körper übertragbar sei.Experimente mit verschieden geladenen Körpern zeigten, dass es zwei ArtenElektrizität geben muß, die man willkürlich als positive und negative Ladungunterschied.

Versuch Ein Bernsteinstab wird durch Reiben mit Leder elektrisch gemachtund damit ein an einem Faden hängendes Styroporkügelchen berührt.Danach stößt der Stab das Kügelchen ab. Offenbar wurde also bei derBerührung Ladung auf das Kügelchen übertragen. Die gleiche Beobach-tung macht man mit einem Glasstab. Berührt man das Kügelchen zuerstmit dem Bernsteinstab und bringt dann den geladenen Glasstab in dieNähe, so wird das Kügelchen angezogen, die Ladung des Glasstabesmuß also von der des Bernsteinstabes verschieden sein.

Elektrisch geladene Körper üben Kräfte aufeinander aus: gleich geladeneKörper stoßen sich ab, verschieden geladene Körper ziehen sich an.

Die Größe der anziehenden bzw. abstoßenden Kräfte ist proportional den Größender Ladungen, umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes der Körper undhängt auch vom Material zwischen den beiden Körpern ab.

F = k ·1

ε·Q1 · Q2

r2

10 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

Coulombsches Gesetz von COULOMB 1785 aus Messungen abgeleitet. F = Kraft; Q1

bzw. Q2 = Ladungen; r = Abstand; ε = Dielektrizitätskonstante (Materialkonstantedes Stoffes zwischen den Körpern); k = Proportionalitätsfaktor, verschieden je nachverwendetem Maßsystem.

Weitere Arbeiten im Laufe des 19. Jahrhunderts (FARADAY4 u.a.) führten zudem Schluß, daß alle natürlich vorkommenden Ladungen ganzzahlige Vielfacheeiner kleinsten Ladungsmenge (eines “Elektrizitätsatoms”) sind. Diese elek-trische Elementarladung läßt sich auf verschiedene Weise bestimmen, indirektdurch Messung bei Elektrolysen, direkt durch einen von MILLIKAN 1909 durchge-führten Versuch (Öltropfenversuch).

Kathodenstrahlen Im Laufe des 19. Jahrhundert wurden Teilchen entdeckt,welche wesentlich leichter und kleiner sind als Atome: Kathodenstrahlen. Diezuerst untersuchten Elementarteilchen waren die in den Kathodenstrahlen auftre-tenden Elektronen. Solche Strahlen enstehen in einem mit verdünntem Gasgefüllten und mit zwei einander gegenüberliegenden Elektroden versehenenGlasrohr, wenn man eine hohe elektrische Spannung an die Elektroden anlegt.

Abbildung 1.3: Eine Crookessche Röhre

Aus der negativen Elektrode (Kathode) treten dann Elektronen aus, welchesich mit hoher Geschwindigkeit auf die positive Elektrode (Anode) zu bewe-gen. Wegen ihrer geringen Masse sind die Elektronen solcher Strahlen durchelektrische oder magnetische Felder leicht abzulenken. Durch Messung derAblenkung unter der Wirkung elektrischer und magnetischer Kräfte konntenGeschwindigkeit und Masse des Elektrons bestimmt werden. Seine Masse be-trägt 1

1837 der Masse eines H-Atoms, die Ladung ist gleich der negativen Ele-mentarladung –e.

Kanalstrahlen Verwendet man eine Röhre mit einer durchbohrten Kathode,so kann man eine weitere Korpuskularstrahlung erkennen. Die Teilchen dieserStrahlung bewegen sich durch die Bohrung der Kathode von der Anode weg,es muß sich bei ihnen also um positiv geladene Teilchen handeln.

4M. FARADAY (1792-1867), ursprünglich Buchbinderlehrling, später Assistent von DAVY. Ar-beitete über Halogenkohlenwasserstoffe, entdeckte das Benzol im Leuchtgas. 1834 Entdeckungder nach ihm benannten elektrochemischen Gesetze. Berühmte Untersuchungen über Elektro-magnetismus und Induktionsströme.

1.2. ATOMBAU-MODELLE 11

Sie entstehen dadurch, dass die Elektronen der Kathodenstrahlen beim Zusam-menstoß mit den Molekülen des in der Röhre enthaltenen Gases Elektronenherausschlagen. Der Verlust eines Elektrons bewirkt, daß das Gasteilchen einepositive Ladung erhält und sich auf die Kathode zubewegt. Dort nehmen diemeisten positiven Teilchen wieder Elektronen auf und werden elektrisch neu-tral. Nur diejenigen, die durch die Bohrung fliegen, können auf der anderenSeite als Kanalstrahlen beobachtet werden. Die Masse der Kanalstrahlen istviel größer als die Elektronenmasse und hängt davon ab, welches Gas zur Fül-lung der Röhre verwendet wurde – sie entspricht der Masse der Gasatomebzw. -moleküle. Sie kann ähnlich wie die Elektronenmasse durch Ablenkungim elektrischen und magnetischen Feld bestimmt werden. Das kleinste Kanal-strahlteilchen hat die Atommasse 1 u und eine positive Elementarladung +e,man bezeichnet es als Proton.

Die große Bedeutung der Kanalstrahlversuche liegt darin, daß mit ihnen zumerstenmal Elektronen als Bausteine von Atomen bzw. Molekülen nachgewiesenwerden konnten.

Um 1920 wurde die Existenz eines weiteren, elektrisch neutralen Elementarteilchensder Masse 1 u postuliert. Die mit dem Nachweis eines ungeladenen Teilchensverbundenen Schwierigkeiten machten jedoch zunächst einen direkten Beweisseiner Existenz unmöglich, da solche Teilchen weder durch elektrische nochmagnetische Felder abgelenkt werden können. CHADWICK (1923) gelang esnachzuweisen, daß bei der Bestrahlung verschiedener leichter Elemente durchα-Teilchen eine starke, die Materie durchdringende Strahlung entsteht, dieebenfalls eine Korpuskularstrahlung ist, wobei die Teilchen den früher pos-tulierten Neutronen entsprechen. Neutronen scheinen nur als Bestandteile vonAtomen stabil zu sein, ein freies Neutron wandelt sich mit einer Halbwertszeitvon 13 Minuten in ein Elektron und ein Proton um.

Das Atommodell von Thomson

J. J. Thomson hatte aufgrund dieser Ergebnisse ein recht zufriedenstellendesAtommodell vorgeschlagen, bei dem die gesamte Masse und die gesamte pos-itive Ladung gleichmäßig über das ganze Atom verteilt waren, während dieElektronen im Atom wie Rosinen in einem Kuchen eingebettet waren. Die Ab-stoßung der Elektronen untereinander sorgen ebenfalls für eine gleichmäßigeVerteilung über das Atom. Daraus folgt eine enge Verknüpfung zwischen pos-itiven und negativen Ladungen, was sehr vernünftig schien. Das Modell istalso das eines massiven, festen Atomes.

Die Entdeckung der Radioaktivität

BECQUEREL entdeckte 1896, dass Uranerze Strahlen aussenden, die eine lich-tundurchlässig verpackte Photoplatte schwärzen. M. und P. CURIE isolierten1898 in mühevollen Trennungsarbeiten aus Pechblende, einem Uranerz, die

12 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

vorher unbekannten, stark strahlenden Elemente Polonium (Po) und Radium(Ra).

Im magnetischen und elektrischen Feld können drei Arten von Strahlung un-terschieden werden:

α-Strahlen: positiv geladene, relativ schwere Teilchen; ihreγ

β

α

Abbildung 1.4:Strahlungendes Radiumsin einemMagnetfeld

Masse beträgt ungefähr das Vierfache der Masse eines Wasser-stoffatoms,β-Strahlen: Elektronen,γ-Strahlen: nicht aus materiellen Teilchen bestehend, sondernkurzwellige Röntgenstrahlen („Licht“-Energie), elektrisch un-geladen.

Die Strahlen selbst sind unsichtbar, können aber durch dasAufleuchten eines Leuchtschirms sichtbar gemacht werden.Wenn man mit dem Mikroskop genau schaut, dann sind raschaufeinander folgende Lichtblitze sichtbar, die vom Auftre-ffen der einzelnen Teilchen herstammen. RUTHERFORD erkan-nte diese Strahlung als die Folge eines Zerfalls der Atome, beidem andere Elemente entstehen.

Die von Becquerel beobachtete Strahlung waren α-Teilchen aus dem Zerfalldes Urans

23892

U −→23490

Th + 42He

Atome sind nicht unteilbar. Sie können zerfallen und sich in andere Atom-sorten spalten. Dabei senden sie Strahlen aus.

Zerfallstypen

Heute kennt man vier Zerfallstypen: β−-Emission, Elektroneneinfang, β+-Emissionund α-Teilchen-Emission

22688

Ra −→22286

Rn + 42H (α-Emission)

22888

Ra −→22889

Ac + 0−1

e (β−-Emission)

20784

Po −→20783

Bi (Elektroneneinfang)

20784

Po −→20783

Bi + 0+1

e (β+-Emission

Bei den Typen der β+-Emission und des Elektroneneinfangs wandelt sich imKern ein Proton in ein Neutron um. Dies wird einmal durch Aussendung einesPositrons erreicht, zum anderen durch Einfangen eines Elektrons aus den Or-bitalen um den Kern. Bei praktisch unveränderter Atommasse erniedrigt sichdie Ordnungszahl um eine Einheit.

1.2. ATOMBAU-MODELLE 13

1+1

p −→10n + 0

+1e

1+1

p + 0−1

e −→10n

Bei der β−-Emission wandelt sich ein Neutron in ein Proton und ein Elektronum, das ausgestrahlt wird. Hier erhöht sich die Ordnungszahl um eins, dieAtommasse bleibt aber ebenfalls praktisch gleich.

10n −→

1+1

p + 0−1

e

Rutherford 1919

147N + 4

2He −→

178O + 1

1H

• Nachweis von Protonen als Kernbaustein

• erste geglückte Elementumwandlung

Chadwick 1932

94Be + 4

2He −→

10n + 12

6C

• Nachweis von Neutronen als Kernbaustein

Kernspaltung

Otto Hahn 1938

23592

U + 10n −→

9436

Kr + 13956

Ba + 3 10n

• Als erste führten Enrico Fermi und Kollegen in Rom sowie Otto Hahn,Lise Meitner und Fritz Straßmann am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlindiese Reaktion durch. Beide Forschergruppen versuchten Transuranele-mente herzustellen. Niemand erwartete damals, dass eine Kernspaltungin zwei annähernd gleichgroße Bruchstücke eintreten würde.↪→ Materialien: Brief Einsteins an RooseveltHahn leitete die Neuigkeit privat an Lise Meitner in Skandinavien weit-er, deren Vetter, Otto Frisch, entdeckte, dass während der Reaktion riesigeEnergiemengen freigesetzt werden und er erkannte die militärische An-wendung. Über Bohr, bei dem Frisch arbeitete, gelangten diese Erkennt-nisse in die USA, wo Fermi sie bestätigte. Von Szilard überredet, schriebEinstein den heute berühmten Brief an Präsident Roosevelt. Dieser richtetedaraufhin das Manhattan Projekt ein, dass zum ersten Atombombenver-such 1945 bei Trinity Flats, New Mexico, und den Abwürfen auf Hiroshi-ma und Nagasaki führte.

• Kernspaltung =̂ künstliche Radioaktivität

• Die 3 freiwerdenden Elektronen können 3 neue Urankerne spalten, diedann 9 frei werdenden Elektronen 9 Urankerne usw.: Kettenreaktion

14 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

Halbwertszeit

Eine wichtige Eigenschaft des Kernzerfalls ist die Tatsache, dass die Zeit, dieeine beliebige Menge eines radioaktiven Elementes braucht, um auf die Hälftedieser Menge zu zerfallen, konstant und unabhängig von der Menge des vorhan-denen Stoffes ist. Diese Zeit wird als Halbwertszeit bezeichnet und sie er-streckt sich über einen enorm großen Bereich:

Astat-216: 0,0003 sec

Polonium-214: 0,0016 sec

Polonium-210: 140 Tage

Radium-226: 1622 Jahre

Plutonium-239: 24000 Jahre

Uran-238: 4,51 Milliarden Jahre

Kernfusion

21H +3

1 H −→42He+1

0n+17,6 MeV

Im kleinen Maßstab kann die notwendige Energie für den Kernzusammen-stoß (≈0,02 MeV) in Teilchenbeschleunigern erreicht werden. Aber die dabeigewonnene Energie ist viel geringer als jene zum Betrieb des Teilchenbeschle-unigers benötigte. Die militärische Anwendung ist hier weiter: die für den Fu-sionsprozess nötigen Temperaturen von mehr als 200 Millionen Grad werdenin Wasserstoffbomben dadurch erreicht, dass man eine normale Atombombeals Zündholz verwendet.

1.2.1 Das Kern-Hülle-Modell

RUTHERFORDs Streuversuch

Wichtige Erkenntnisse über den Aufbau des Atoms lieferte der von RUTHER-FORD5 1911 durchgeführte Streuversuch: Eine extrem dünne Goldfolie (6x10−5cm≈ 2000 Atomlagen dick) wurde mit α-Teilchen beschossen.

Erwartung: “. . . als ob sie eine 38cm-Granate gegen ein Stück Seidenpapierabfeuern. . . ” Bei gleichmäßiger Verteilung der Masse und der Ladungüber das Atom dürfte der Strahl der α-Teilchen nur wenig abgelenktwerden.

5E. RUTHERFORD (1871-1937), englischer Physiker. Erklärte 1903 gemeinsam mit SODDY dieRadioaktivität als Zerfall der Atome; Schöpfer des Kernmodells der Atome. Erste künstlicheAtomumwandlung 1919. Nobelpreis 1908.

1.2. ATOMBAU-MODELLE 15

Abbildung 1.5: Rutherfords Versuchsaufbau

Beobachtung: Die meisten dringen völlig ungehindert hindurch, nur wenigewerden aber stark abgelenkt oder prallen gar zurück.

Erklärung: Die Atome sind größtenteils leer, sie bestehen aus einem kleinenKern (Durchmesser 10−18 cm ; Atomdurchmesser 10−8 cm) und einer großenHülle (Größenverhältniss 1: 10 000) Genauere Untersuchungen ergeben,daß Atome aus drei verschiedenen Elementarteilchen bestehen:

Name Masse elektr. LadungKern Protonen 1u = 1,67 x 10−24g 1+

Neutronen 1u keineHülle Elektronen 1

1836u 1-

1.2.2 Der Aufbau der Atomkerne

Die einfachsten Atomkerne

Der denkbar einfachste Kern ist derjenige des Wasserstoff-Atoms. Er bestehtaus einem einzigen Proton.

Protonenzahl = Ordnungszahl

In diesem Fall ist die Ordnungszahl gleich der Massenzahl, bei Helium ist dieMassenzahl aber um zwei u höher. Das bedeutet, daß im Kern neben zweiProtonen auch zwei Neutronen enthalten sind.

Neutronenzahl = Massenzahl - Protonenzahl

16 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

(a) (b)

Abbildung 1.6: Das zu erwartende Ergebnis nach 1.12(a) dem ThomsonschenAtommodell und 1.12(b) dem Rutherfordschen Atommodell

11H 4

2 He 73Li

Tabelle 1.3: Die Atomkerne von Wasserstoff, Helium und Lithium

1.2.3 Isotope

Alle drei Atome sind Wasserstoff-Atome. Jedes besitzt 1 Proton, doch die Neu-tronenzahl ist unterschiedlich.

Ein Isotop ist ein Element mit unterschiedlicher Neutronenzahl.

Die meisten Elemente kommen als Isotopengemisch vor. Deshalb bestimmtnur die Protonenzahl ein Element eindeutig.

Beispiel: Chlor - wie ist die -,5 der Atommasse zu erklären? Halbe Protonenoder Neutronen gibt es nicht. Aber zwei verschiedene Isotope:

Isotop Neutronen Anteil3517Cl 18n 753717Cl 20n 25

durchschnittl. Atommasse von 35,5 u.

Im PSE werden die durchschnittlichen Atommassen der Elemente angegeben.

1.2. ATOMBAU-MODELLE 17

11H

Wasserstoff

21 D

Deutrium

31T

Tritium

Tabelle 1.4: Isotope des Wasserstoffs

Radioaktive Isotope

Die 14C-Methode Auf der Existenz radioaktiver Isotope beruht auch eineMethode zur Bestimmung des Alters von organischem Material. Natürlicher Kohlen-stoff enthält in sehr geringen Mengen das radioaktive Isotop 14C, das dadurchentsteht, das Neutronen aus der Höhenstrahlung auf den atmosphärischenStickstoff einwirken:

147N + 1

0n −→

146C + 1

1H

Das Kohlenstoff-14 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5570 Jahren:

146C −→

147N + 0

−1e

Weil sich im Laufe der Erdgeschichte ein Gleichgewicht zwischen dem ra-dioaktiven Zerfall von 14C und seiner Neubildung aus Stickstoff eingestellthat, besitzt die Luft einen konstanten Gehalt an radioaktivem Kohlendiox-id. Pflanzen nehmen bei der Atmung Kohlendioxid auf, und zwar radioak-tives und inaktives ohne Unterschied, und bauen daraus Cellulose6, Stärke7

usw. auf. Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, bauen den Kohlenstoff desvon den Pflanzen aufgenommenen Kohlendioxids in ihr Gewebe ein. wobeidas Verhältnis zwischen radioaktivem und inaktivem Kohlenstoff das selbeist wie in der Atmosphäre. Nach dem Absterben der Pflanzen oder Tiere hörtder Stoffwechsel auf und der Gehalt an 14C sinkt als Folge des radioaktiv-en Zerfalls. Durch die Bestimmung der Radioaktivität einer Kohlenstoffprobe,die aus Holz, Kohle, Knochen, Horn, Haut oder anderen pflanzlichen odertierischen Überresten erhalten wurde, läßt sich deshalb die Zeit bestimmen,die seit der Bindung des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre verstrichen ist. Die14C-Methode erlaubt eine Zeitbestimmung von Gegenständen bis etwa 20 000Jahre in die Vergangenheit zurück, sie besitzt daher eine besondere Bedeutungfür die Datierung vor- und frühgeschichtlicher Funde.

6daraus sind die Stämme, Äste, Blätter usw. aufgebaut7beispielsweise in der Kartoffel

18 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

1.3 Der Aufbau der Atomhülle

1.3.1 Linienspektren von Elementen

↪→ Folie

Wenn Atome und Moleküle auf hohe Temperatur erhitzt werden, dann sendensie Licht mit bestimmten Frequenzen aus. Wasserstoff strahlt z.B. rotes Lichtaus. Diese Frequenzmuster werden Emissionsspektren genannt.

Lyman Balmer Paschen

500020000400006000080000100000110000ν(cm−1)

Grenze109678

Grenze27420

Grenze12186

Ultraviolett sichtbar Infrarot

Abbildung 1.7: Emissionsspektrum heißer Wasserstoffatome. Die Linien tretenin Serien auf, die nach ihren Entdeckern benannt sind.

Angeregte Atome senden Licht nur ganz bestimmter Wellenlänge aus. Dasbeobachtete Linienspektrum ist charakteristisch für das jeweilige Element (Atom-absorptionsanalyse).

Die einzelnen Wellenlängen eines Spektrums stehen untereinander in einembestimmten, mathematischen Verhältnis und lassen sich in sogenannte Serienordnen.

J.J. Balmer 1885: empirische Beziehung für die Wellenzahlen der Linien imBalmer-Spektrum

ν = RH(

14 −

1n2

); n = 3, 4, 5, ...

Die allgemeine Formel, um die Linienpositionen des Wasserstoffspektrums zuberechnen, stammt von JOHANNES RYDBERG:

ν = RH

(1

n21

−1

n22

)(1)

mit RH = Rydberg-Konstante, für die sich aus Experimenten der Wert 109 677,581 cm−1

ergab.

Eine Spektrallinie wird als die Differenz zwischen zwei Energiezuständen einesElektrons gedeutet.

1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 19

Elektronen befinden sich normalerweise im energieärmsten Zustand – demGrundzustand. Durch Energieaufnahme können Elektronen in Zustände höherenEnergieinhaltes übergehen: angeregter Zustand. Der angeregte Zustand ist abernicht stabil, die Elektronen fallen sofort auf tiefere Energiezustände zurück.Dabei wird eine der Energiedifferenz entsprechende Strahlung ausgesandt.

n = ∞0n = 5-4387n = 4-6855n = 3-12186

n = 2-27420

n = 1-109678

Lyman

4E

5→ 14E

4→ 14E

3→ 14E

2→ 1

Balmer

4E

5→ 24E

4→ 24E

3→ 2

Paschen

4E

5→ 34E

4→ 3

Zun

ehm

ende

Ener

gie

ν

(cm1)

Abbildung 1.8: Das Energieniveau des beobachteten Wasserstoffspektrums

PLANCKsche8 Quantentheorie:

Energie kann nur als ganzzahliges Vielfache von kleinsten Energiepaketenauftreten: Energiequanten.

E = h · ν

h = Plancksche Konstante (Wirkungsquantum)

ν = Frequenz = Anzahl Schwingungen/s der Strahlung.

Anwendung auf das Atom

4E = E2 − E1 = h · ν

ν = E2−E1

h

(2)

8Max Planck (1858-1947), deutscher Physiker. Leitete die Quantentheorie ab aus der Erschei-nung der Strahlung eines schwarzen Körpers (1900). Nobelpreis 1918.

20 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

mit E2 Energie des höheren, E1 Energie des tieferen Zustandes.

Aus den Linienspektren können damit wichtige Informationen über den Atom-bau entnommen werden:

• Elektronen können im Atom nur bestimmte, ausgewählte Energiezuständeeinnehmen,

• und nach Gleichung (2) können diese Energien bestimmt, aber noch nichtvorhergesagt werden.

1.3.2 BOHRsches Atommodell

1913 veröffentlichte NIELS BOHR seine Theorie des Wasserstoffatoms. Dabeisetzte er sich über die herrschenden physikalischen Vorstellungen hinweg undformulierte eine kühne Hypothese, die im Ergebnis dann aber

• das Problem des instabilen Rutherfordschen Atommodells – warum stürztdas Elektron nicht in den Kern – beseitigte und

• eine vollkommene Erklärung für die beobachteten Wasserstoffspektrenlieferte.

r

me

mn

v

Abbildung 1.9: Das Bohrsche Modell des Wasserstoffatoms. Ein Elektronder Masse me bewegt sich auf einer kreisförmigen Umlaufbahn mit derGeschwindigkeit v in einem Abstand r von einem Kern der Masse mn

Ohne offensichtlichen Grund postulierte er: im Wasserstoffatom gibt es nur Um-laufbahnen, für die der Drehimpuls ein ganzzahliges Vielfache des durch 2π divi-dierten Planckschen Wirkungsquantum ist.

mevr = n

(h

)

Ohne weitere neue Annahmen und nur mit Gesetzen der klassischen Mechanikund Elektrostatik konnte er dann die Beschränkung der Energie des Elektronseines Wasserstoffatoms ableiten:

E = −k

n2; n = 1, 2, 3, 4, ... (3)

1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 21

mit n = Hauptquantenzahl und

k =

(1

4πε0

)2 2π2mee4

h2

wobei k eine Konstante ist, die nur vom Planckschen Wirkungsquantum h,der Elektronenmasse me , der Ladung des Elektrons e und der elektrischenFeldkonstanten ε0 abhängt und einen Wert von 13,595 eV oder 2,1782 × 10−18 Jhat.

Nach Gleichung (3) kann damit die Energie des Elektrons im Wasserstoffatomauf einer erlaubten Bahn n berechnet werden.

Die Linien des Emisionsspektrums des Wasserstoffes entsprechen dann derEnergiedifferenz zwischen den Bahnen n1 und n2:

4E = E1 − E2 = −k

(1

n21

−1

n22

)

Nach dieser Formel konnten weitere Spektren vorhergesagt werden, derenAuffinden dann den Durchbruch für das Bohrsche Atommodell brachten.

n = 1n = 2

n = 3

n = 4

n = 5Lyman

Balmer Paschen

Abbildung 1.10: Die ersten fünf Bohrschen Umlaufbahnen

Auch der Radius der Umlaufbahn wird durch die ganze Zahl n bestimmt:

r = n2a0

wobei die Konstante a0 als erster Bohrscher Radius bezeichnet wird und durch

a0 =ε0h

2

πmee2= 0, 0529 nm

22 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

gegeben ist.

Die Elektronen kreisen mit bestimmten Radius um den Atomkern. Die er-laubten Abstände ("Schalen") wachsen sprunghaft (Quantentheorie). DieSchalen entsprechen Energieniveaus.Die innerste Schale ist die energieärmste Schale und wird zuerst mit Elek-tronen besetzt. Wenn sie voll ist wird in der zweiten Schale aufgefülltusw.. . .

Lichtteilchen und Materiewellen

0 a

0 a

0 a

0 a

(a)

0 a

0 a

0 a

0 a

(b)

Abbildung 1.11: Mögliche und unmögliche Schwingungen einer Violinsaite

Ionisierungsenergien

So gut das Bohrsche Atommodell das Wasserstoffatom beschreibt, bei denhöheren Atomen sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Hier gewinnt

1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 23

n = 5

(a)

n = 413

(b)

Abbildung 1.12: Annehmbare 1.12(a) und nicht annehmbare 1.12(b) Elektro-nenwellen in einer Bohrschen Umlaufbahn

man bessere Erkenntnisse durch die Analyse der Energien, die nötig sind, umdie Elektronen aus dem Atom zu entfernen – den Ionisierungsenergien.

Gesetzmäßigkeiten der Elektronenhülle können dann gut erkannt werden, wennman die Ionisierungsenergien jeweils entsprechender Elektronen der Elementein ein gemeinsames Diagramm einträgt:

• Die Abtrennung jedes weiteren Elektrons erfordert immer höhere En-ergien, denn die zunehmende positive Ladung hält die verbleibendenElektronen immer fester.

• Die Abtrennung des zweitletzten Elektrons erfordert unverhältmäßig vielmehr Energie. Die zwei letzten Elektronen sind offenbar besonders festgebunden.

• Ein weiterer solcher Sprung in der Zunahme der notwendigen Energieerfolgt mit dem zehnten Elektron.

Die Elektronen lassen sich also in verschiedene Gruppen von unterschiedlicher En-ergie ordnen. In Anlehnung an das Bohrsche Atommodell kann man sich dieseGruppen als konzentrisch um den Atomkern angeordnete Schalen vorstellen.

Diese erste Annäherung an die Struktur der Elektronenhülle wird verfeinert,wenn man nicht nur die Änderung der Ionisierungsenergien betrachtet, son-dern die Änderung der Änderung. Dann wird ersichtlich, dass innerhalb ein-er Schale noch Unterschalen existieren, die sich bezüglich ihrer Energie, wennauch nur wenig, unterscheiden. Hier ist auch der Grund zusuchen, warum dievierte Schale bereits mit zwei Elektronen besetzt wird (Kalium und Calcium),obwohl die dritte Schale erst mit acht Elektronen gefüllt ist.

24 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

100100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

1200

1300

eVNe

F

O

N

C

B

Be

LiHe

Abbildung 1.13: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektro-nen der ersten 10 Elemente

Der Schalenbau der Hülle

1. Im neutralen Element ist die Elektronenzahl gleich der Protonenzahl.

2. Die Atomhülle ist in mehrere Schalen unterteilt.

3. Diese Schalen haben für 2n2 -Elektronen Platz, mit n = Schalennummer.

4. Die Schalen werden von innen (= der energieärmsten) nach außen (= denenergiereicheren) besetzt.

5. Die “volle Aussenschale” ist mit 8 Elektronen (Ausnahme Helium) erre-icht, was der Edelgaskonfiguration entspricht.

↪→ Arbeitsblatt Elektronenbesetzung der Elemente

Die Elektronenbesetzung der Elemente

Mit Blick auf das Periodensystem kann nun folgender Zusammenhang mitdem Atombau erkannt werden:

• Alle Elemente einer Gruppe haben die gleiche Anzahl von Elektronenauf der äußersten Schale, diese Anzahl entspricht der Gruppennummer.

1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 25

K Ar Cl S P Si Al Mg Na Ne F O

100100200300400500600700800900

1000110012001300

eV

Abbildung 1.14: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektro-nen der ersten 20 Elemente

• Innerhalb einer Periode wird die jeweilige Schale aufgefüllt.

Da die Elemente einer Gruppe chemisch verwandt (= 2. Ordnungsprinzip vonMENDELEJEW) sind, können wir jetzt behaupten: die Elektronenbesetzung deräußersten Schale ist für das chemische Verhalten eines Elements ganz beson-ders wichtig. Aus dem Reaktionsverhalten der Edelgase schließen wir auf dasReaktionsverhalten der anderen Elemente. Die Edelgase haben eine volle Außen-schale und reagieren nicht mit anderen Elementen. Alle anderen Elementereagieren solange, bis ihre äußerste Schale voll ist.