Permakultur Lebensbereiche zukunftsfähig gestalten · Dabei ist es wichtig, dass sich die drei...

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Permakultur Lebensbereiche zukunftsfähig gestalten Reinhard Engelhart Unsere westliche Wohlstandsgesellschaft steht gegenwärtig vor der großen Herausforderung, die Folgen einer Lebensweise zu korrigieren, die in der kurzen Zeitspanne eines Jahrhunderts Rohstoffe und Energie verbraucht hat, die in Jahrmillionen angespart wurden. Erstmals in der langen Entwick- lungsgeschichte sind die Auswirkungen unseres Verhaltens weltweit zu spüren. Umso mehr gilt es, Einstellungen, Verhalten und Handlungsweisen zu ändern, um die Welt zukunftsfähiger zu gestalten. Sorge um die Natur, Sorge um den Menschen Eine Möglichkeit, diese Zukunftsfähigkeit wieder zu erlangen, stellt die Permakultur dar. Das von Bill MOLLISON und David HOLMGREEN in den 1970ern entwickelte Landnutzungssystem basiert auf den Visionen einer „permanent agriculture“ und hat sich die Schaffung und Entwicklung von zukunftsfä- higen Systemen zum Ziel gesetzt. Die Verleihung des alternativen Nobelpreises 1981 war ein wich- tiger Meilenstein zur Verbreitung der Idee, die im Wesentlichen auf drei Prinzipien fußt: Die Sorge um den Menschen, dass es ihm gelingen möge, zu einem sinnerfüllten Leben zu finden, in dem Beziehungen und soziale Gerechtigkeit dazu führen, die Spirale des „Immer mehr haben Wol- lens“ zu unterbrechen. Die Sorge um die Natur, in der auch nachkommende Generationen eine Artenvielfalt und Schönheit entdecken mögen. Eine Natur, mit deren Mitlebewesen wir achtsam und wertschätzend um zu gehen vermögen. Das dritte, große Leitprinzip der Permakultur basiert auf der Beschränkung des Wachstums und fußt auf der Erkenntnis, dass wir nicht so leben können, als hätten wir noch weitere Erden in Reserve. Für jedes System gilt, dass es auf unterschiedlichen Ebenen wirksam wird. Nicht alle diese Ebenen sind dem Menschen vordergründig zugänglich und die jeweilige Wahrnehmung resultiert aus dem Blickwinkel des Betrachters. So können wir Entwicklungen auf einer spirituellen Ebene wahrnehmen, wir können Veränderungen im globalen Zusammenhang erkennen und ebenso in unserer individuel- len Lebensgestaltung. Wenn es darum geht, die Welt zu verändern, dann war von jeher die erfolg- reichste Methode jene, bei sich selbst an zu fangen. Bill MOLLISON erklärte den Begriff der Perma- kultur einmal sehr treffend, indem er meinte: "Permakultur ist das Schaffen von kleinen Paradiesen hier auf der Erde." Es ist eine Nachbildung von essbaren Landschaften mit Früchten, Nüssen und Gemüse die auch genügend Platz für Tiere und Pflanzen in Lebensgemeinschaft mit dem Menschen bieten.

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Permakultur Lebensbereiche zukunftsfähig gestalten Reinhard Engelhart

Unsere westliche Wohlstandsgesellschaft steht gegenwärtig vor der großen Herausforderung, die Folgen einer Lebensweise zu korrigieren, die in der kurzen Zeitspanne eines Jahrhunderts Rohstoffe und Energie verbraucht hat, die in Jahrmillionen angespart wurden. Erstmals in der langen Entwick-lungsgeschichte sind die Auswirkungen unseres Verhaltens weltweit zu spüren. Umso mehr gilt es, Einstellungen, Verhalten und Handlungsweisen zu ändern, um die Welt zukunftsfähiger zu gestalten.

Sorge um die Natur, Sorge um den Menschen

Eine Möglichkeit, diese Zukunftsfähigkeit wieder zu erlangen, stellt die Permakultur dar. Das von Bill MOLLISON und David HOLMGREEN in den 1970ern entwickelte Landnutzungssystem basiert auf den Visionen einer „permanent agriculture“ und hat sich die Schaffung und Entwicklung von zukunftsfä-higen Systemen zum Ziel gesetzt. Die Verleihung des alternativen Nobelpreises 1981 war ein wich-tiger Meilenstein zur Verbreitung der Idee, die im Wesentlichen auf drei Prinzipien fußt: Die Sorge um den Menschen, dass es ihm gelingen möge, zu einem sinnerfüllten Leben zu finden, in dem Beziehungen und soziale Gerechtigkeit dazu führen, die Spirale des „Immer mehr haben Wol-lens“ zu unterbrechen. Die Sorge um die Natur, in der auch nachkommende Generationen eine Artenvielfalt und Schönheit entdecken mögen. Eine Natur, mit deren Mitlebewesen wir achtsam und wertschätzend um zu gehen vermögen. Das dritte, große Leitprinzip der Permakultur basiert auf der Beschränkung des Wachstums und fußt auf der Erkenntnis, dass wir nicht so leben können, als hätten wir noch weitere Erden in Reserve. Für jedes System gilt, dass es auf unterschiedlichen Ebenen wirksam wird. Nicht alle diese Ebenen sind dem Menschen vordergründig zugänglich und die jeweilige Wahrnehmung resultiert aus dem Blickwinkel des Betrachters. So können wir Entwicklungen auf einer spirituellen Ebene wahrnehmen, wir können Veränderungen im globalen Zusammenhang erkennen und ebenso in unserer individuel-len Lebensgestaltung. Wenn es darum geht, die Welt zu verändern, dann war von jeher die erfolg-reichste Methode jene, bei sich selbst an zu fangen. Bill MOLLISON erklärte den Begriff der Perma-kultur einmal sehr treffend, indem er meinte: "Permakultur ist das Schaffen von kleinen Paradiesen hier auf der Erde." Es ist eine Nachbildung von essbaren Landschaften mit Früchten, Nüssen und Gemüse die auch genügend Platz für Tiere und Pflanzen in Lebensgemeinschaft mit dem Menschen bieten.

Landwirtschaft

Garten

Stadt

Architektur

Kunst & Kultur

Waldwirtschaft

Die Anwendungsgebiete der Permakultur sind unterschiedlich und reichen von der klassischen Land- und Waldwirtschaft, über den Garten bis hin zur Architektur und Kunst. Die Größe der Fläche, spielt dabei keine Rolle. Permakultur lässt sich in der eigenen Wohnung, am Balkon oder im Garten ebenso anwenden wie in weitläufigen Gebieten.

Anwendungsmöglichkeiten der Permakultur

Die große Herausforderung der Permakultur liegt vor allem darin, die Vielfalt der Natur auch im Ges-taltungsprozess wieder zu spiegeln. Dabei ist es wichtig, dass sich die drei Grundprinzipien sowohl in ökologischer, ökonomischer, technischer und sozialer Hinsicht in der Entwicklung der jeweiligen Le-bensräume wieder finden. Die ökologische Dimension besteht darin, eine größtmögliche Vielfalt an Mitlebewesen in das System zu integrieren. Dies setzt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Gesetzmäßigkeiten des Le-bens voraus und spiegelt sich in der mannigfaltigen Gestaltung von Symbiosen wieder. Aus ökonomischer Sicht gilt der Zonierung in der Permakultur ein großes Augenmerk. Je intensiver eine Fläche genutzt wird, je mehr an Beobachtungs- und Betreuungsaufwand sie benötigt, desto näher sollte sie am Wohnbereich liegen. Dies spart einerseits nicht nur Wege und Energie, sondern steigert auch den jeweiligen Erfolg. Permakultur ist an sich nicht technikfeindlich, hat jedoch den Ansatz, den technischen und vor allem energetischen Einsatz so weit als möglich zu reduzieren. Darüber hinaus sind natürliche und erneu-erbare Energieträger zu bevorzugen. Die Nutzung von Wind, Wasser und Sonne auf den jeweiligen Standorten ist dabei zu prüfen und kleinräumige, handwerkliche Lösungen können in die Gestaltung integriert werden. Die soziale Dimension der Permakultur integriert den Menschen in das lebendige System der Natur. Dabei geht es um die Wahrnehmung der Ganzheit eines Systems und damit verbunden um die ge-stalterische Auseinandersetzung mit Grenzen. Permakultur betrachtet die einzelnen Teile des Sys-tems jedoch nicht als Objekte, sondern vielmehr als Zentren. Der Begriff Objekt assoziiert den Ein-druck, dass etwas für sich alleine steht, ein Zentrum bedarf immer eines Umfeldes, mit dem es in Interaktion steht. Der Lebensraum stellt die gemeinsame Basis für alles Lebendige dar. Ihn gilt es verantwortungsbewusst zu gestalten. Die Entwicklung der Flächen nach den Prinzipien der Permakultur erfolgt stufenweise. Jeder Eingriff in die Natur ist dabei sorgsam zu überlegen. Dies setzt eine sehr gewissenhafte Beobachtungsphase voraus, in der auf die vorhandenen, natürlichen Ressourcen Bedacht genommen wird. Wie liegt die Himmelsausrichtung der Fläche? Welcher Boden steht mir zur Verfügung? Welche Pflanzen und Tiere leben auf diesem Standort? Wie sind die Wasser-, Wind- und Sonnenverhältnis-se? All diese Fragen sollten in die Beobachtung sowohl verstandesgemäß als auch intuitiv mit ein bezogen und als mögliche Ressourcen festgehalten werden.

Im nächsten Schritt gilt es, sich Zielklarheit darüber zu verschaffen, was ich mit der mir zur Verfü-gung stehenden Fläche beabsichtige. Will ich mich vordergründig erholen? Möchte ich meine Le-bensmittel selbst erzeugen? Wieviel Zeit kann ich zur Pflege und Betreuung aufwenden? All diese Bedürfnisse werden zuerst in einer Skizze und anschließend in einem Plan zeichnerisch festgehalten. Die Permakultur kennt viele Muster und einzelne Elemente, die je nach Möglichkeit in die Planung mit einfließen sollten. Hoch- und Hügelbeete ermöglichen eine bestens erprobte Gemüseversorgung. Kräuterspiralen sind ein Beispiel für die Dreidimensionalität, Trockensteinmauern speichern Wärme und bieten zahlreichen sonnenliebenden Tieren einen optimalen Lebensraum. Stets gilt es jedoch, der Artenvielfalt Rechnung zu tragen und in der Planung auf Mischkulturen, Vernetzungen und Sym-biosen zu achten.

Trockensteinmauer als Beispiel für ein Muster in der Permakultur

Nach Abschluss der Planungsphase erfolgt die Umsetzung unter Bedacht eines sorgsamen Umganges mit der Natur. Dem Rechnung tragend, wird in jede permakulturelle Planung eine Wildniszone integ-riert. Der Grundgedanke dabei liegt in der Wertschätzung für die Natur begründet. Der Natur ein Stück Land zurückgeben ist einerseits ein symbolischer Akt, bietet andererseits dem Menschen aber die Möglichkeit zur Beobachtung und stellt darüber hinaus eine ganz wesentliche Ressource dar. Wer tiefer in den Systemansatz der Permakultur eindringt erkennt, dass sie nicht bloß eine Pla-nungsmethode und Landnutzungsform darstellt. Permakultur ist die gelebte Auseinandersetzung mit der Natur und will den Menschen als Teil der Natur in ein verantwortungsvolles Ökosystem integrie-ren. Der Verein Permakultur Austria hat es sich zum Ziel gesetzt, die Idee der Permakultur zu verbrei-ten. Neben Vorträgen, Literatur und vielseitigen Kursen bietet der Verein auch Planungs- und Um-setzungshilfen an und freut sich über jede Kontaktaufnahme. Infos unter: www.permakultur.net

Gestaltungsprozess

Beobachten

Ressourcen festhalten

Zielklarheit verschaffen

Planung

Tun