Perspektivenarbeit im Beratungsgespräch: „einen … · nem in Beratungsgesprächen und...

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Werner Kallmeyer Perspektivenarbeit im Beratungsgespräch: „einen Perspektivenwech- sel anleiten“ Der Beitrag beschäftigt sich aus einer linguistisch-gesprächsanalytischen Sicht mit ei- nem in Beratungsgesprächen und verwandten Formen helfender Interaktionen struktu- rell verankerten Interaktionsproblem. Es geht um sprachlich-interaktive Verfahren der Überwindung von Perspektivendivergenzen zwischen Ratgebern und Ratsuchenden. Anhand eines Beispielfalles soll analysiert werden, wie in der Phase der Sondierung und Entwicklung einer Problemsicht durch die professionelle Beraterin bei ihrer Adressatin Widerstand gegen eine Perspektivenübernahme deutlich wird, den die Beraterin wiede- rum mit manifester Perspektivenarbeit zu überwinden versucht. Es gelingt ihr, mit rela- tiv eindringlichen Mitteln die Ratsuchende dazu zu bringen, sich zumindest situativ auf die suggestiv und nachdrücklich angebotene Perspektive einzulassen. Kernstück dieses Vorgehens der Beraterin ist das Einführen und Durchspielen eines in der Erlebniswelt der Ratsuchenden verankerten kritischen Szenarios. Dabei agiert die Beraterin zunächst selber in der Rolle der Ratsuchenden, lässt dann diese fortsetzen und gibt ihr eine Fo- kussierung des „wunden Punkts“ vor. Dieser Vorgang ist aufschlussreich für Perspekti- venarbeit im Gespräch und liefert wichtige Beobachtungen für eine Typologie von Per- spektivierungsverfahren. 1. Theoretische Einordnung Für die Bewältigung von Interaktionsaufgaben existieren häufig sowohl routinisierte Kleinformen als auch ausgebaute Komplexformen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Vor- aussetzungssicherung in verbaler Interaktion, d.h. die Herstellung und Absicherung von notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung von Folgeschritten. Es geht dabei u.a. um das Verstehen von Äußerungen, das Akzeptieren von Geltungsan- sprüchen und Verpflichtungen, das Vorwissen über relevante Sachverhalte oder auch die Zuständigkeit der Akteure für bestimmte Aktivitäten. Solche Aspekte der Voraus- setzungssicherung sind fortlaufend in ganz unauffälliger, unspektakulärer Weise in die Aktivitäten der Beteiligten inkorporiert. Sie werden im Zweifelsfall auf der Grundlage von Reziprozitätsunterstellungen und z.B. der Etcera-Annahme behandelt (der weitere Die hier dargestellte Untersuchung liegt im Schnittpunkt von Forschungslinien, die ih- ren Ausgangspunkt in der Kooperation mit Fritz Schütze seit dem Beginn der 1970er Jahre haben (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976 und 1977) und an deren konzeptioneller Fortschreibung Fritz Schütze immer wieder beratend beteiligt war. (a) Unterschiedliche Komplexitätsstufen der Bewältigung von Interaktionsaufgaben Arbeitspapier. Institut für deutsche Sprache. Mannheim, 2010.

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Werner Kallmeyer

Perspektivenarbeit im Beratungsgespräch: „einen Perspektivenwech-sel anleiten“

Der Beitrag beschäftigt sich aus einer linguistisch-gesprächsanalytischen Sicht mit ei-

nem in Beratungsgesprächen und verwandten Formen helfender Interaktionen struktu-

rell verankerten Interaktionsproblem. Es geht um sprachlich-interaktive Verfahren der

Überwindung von Perspektivendivergenzen zwischen Ratgebern und Ratsuchenden.

Anhand eines Beispielfalles soll analysiert werden, wie in der Phase der Sondierung und

Entwicklung einer Problemsicht durch die professionelle Beraterin bei ihrer Adressatin

Widerstand gegen eine Perspektivenübernahme deutlich wird, den die Beraterin wiede-

rum mit manifester Perspektivenarbeit zu überwinden versucht. Es gelingt ihr, mit rela-

tiv eindringlichen Mitteln die Ratsuchende dazu zu bringen, sich zumindest situativ auf

die suggestiv und nachdrücklich angebotene Perspektive einzulassen. Kernstück dieses

Vorgehens der Beraterin ist das Einführen und Durchspielen eines in der Erlebniswelt

der Ratsuchenden verankerten kritischen Szenarios. Dabei agiert die Beraterin zunächst

selber in der Rolle der Ratsuchenden, lässt dann diese fortsetzen und gibt ihr eine Fo-

kussierung des „wunden Punkts“ vor. Dieser Vorgang ist aufschlussreich für Perspekti-

venarbeit im Gespräch und liefert wichtige Beobachtungen für eine Typologie von Per-

spektivierungsverfahren.

1. Theoretische Einordnung

Für die Bewältigung von Interaktionsaufgaben existieren häufig sowohl routinisierte

Kleinformen als auch ausgebaute Komplexformen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Vor-

aussetzungssicherung in verbaler Interaktion, d.h. die Herstellung und Absicherung von

notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung von Folgeschritten. Es

geht dabei u.a. um das Verstehen von Äußerungen, das Akzeptieren von Geltungsan-

sprüchen und Verpflichtungen, das Vorwissen über relevante Sachverhalte oder auch

die Zuständigkeit der Akteure für bestimmte Aktivitäten. Solche Aspekte der Voraus-

setzungssicherung sind fortlaufend in ganz unauffälliger, unspektakulärer Weise in die

Aktivitäten der Beteiligten inkorporiert. Sie werden im Zweifelsfall auf der Grundlage

von Reziprozitätsunterstellungen und z.B. der Etcera-Annahme behandelt (der weitere

Die hier dargestellte Untersuchung liegt im Schnittpunkt von Forschungslinien, die ih- ren Ausgangspunkt in der Kooperation mit Fritz Schütze seit dem Beginn der 1970erJahre haben (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976 und 1977) und an deren konzeptionellerFortschreibung Fritz Schütze immer wieder beratend beteiligt war.

(a) Unterschiedliche Komplexitätsstufen der Bewältigung von Interaktionsaufgaben

Arbeitspapier. Institut für deutsche Sprache. Mannheim, 2010.

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Verlauf wird schon hinreichende Klärungen bringen). Wenn die Gesichertheit der er-

forderlichen Voraussetzungen fragwürdig wird, ist ein Standardverfahren, die Aktivi-

tätsprogression kurzfristig anzuhalten und in einer eingeschobenen Sequenz die fragli-

chen Voraussetzungen herzustellen, z.B. durch Rückfragen. Wenn eine kurze einge-

schobene Sequenz der routinehaften Erledigung nicht ausreicht, kommen im Zweifels-

fall ausgebaute Handlungsschemata ins Spiel, die elaborierte Formen der Informations-

vermittlung, der Klärung und Aushandlung beinhalten und unter bestimmten Bedingun-

gen als dominantes Handlungsschema situationsbestimmend werden – z.B. in einer

grundlegenden Aussprache. + Stützung von hochkomplexen und zeitlich gestreckten

Handlungsschemata durch institutionelle Verfahren.

Die angedeuteten Vorgänge der Komplexierung betreffen einmal die Ablaufdynamik

der Interaktion (z.B. durch Verzögerungen, Einschübe, Schleifen in der Abwicklung

von Handlungen, Verhandlungen über die Art der Fortsetzung, thematische Sprünge,

unklare Übergänge zwischen Handlungsschritten usw.). Derartige Komplikationen sind

verräterisch, werden von den Beteiligten als Alarmsignal wahrgenommen und können

auch zu diagnostischen Zwecken benutzt werden. Das spielt u.a. auch in der Erzählana-

lyse eine wichtige Rolle, wenn Formulierungsprobleme und unklare Übergänge gerade

als Ansatzpunkte für die Aufdeckung von relevanten Hintergründen behandelt werden

(vgl. Schütze 1976, 1977 und 1984). Auf einer anderen Ebene, in der gesellschaftlichen

Entwicklung des kommunikativen Haushalts von Genres bzw. Schemata, spielen Vor-

gänge der Komplexierung in der Genese von spezialisierten komplexen Schemata eine

Rolle. Beraten ist z.B. eine spezialisierte ausgebaute Form der gemeinsamen Problem-

problembearbeitung. Beraten ist eine Interaktionform, bei der besondere Anstrengungen

der Verständigungssicherung, der Gewinnung von relevantem Sachverhaltswissen und

der Aushandlung von akzeptablen Problemdefinitionen und Lösungsvorstellungen er-

forderlich sind.

Die bisherige gesprächsanalytische Beratungsforschung hat u.a. folgende Aspekte der

grundlegenden Handlungsstruktur von Beraten ergeben:1

– Kernschema ist ein Vorgang der Beanspruchung eines Anderen mit der Zumutung

von Hilfeleistungen. Dieser Vorgang hat eine dreigliedrige Struktur mit Beanspru-

chung + Bearbeitung + Verarbeitung, d.h. Bitte um Rat bzw. Ratfrage + Ratgeben +

Lösungsprüfung. Wissensunterschiede machen Sondierungen des Problemsachver-

halts und der Lösungsvoraussetzungen erforderlich.

1

Die Analyse von Beratungsgesprächen kann als ein Kernstück der Untersuchung von komplexemHandeln mit gesprächsanalytischen Mitteln in der linguistischen Pragmatik gelten (Nothdurft 1984;Kallmeyer 1985; Noth- durft/Reitemeier/Schröder 1994; Kallmeyer 2000; Kallmeyer 2006).

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– Zentrale Ressource ist die Nutzung von Perspektivenunterschieden hinsichtlich der

Problem-Betroffenheit und des Wissens zwischen den Beteiligten. RG ist aufgeru-

fen, eine eigene Sicht der Dinge einzubringen. Damit entsteht eine Mitverantwor-

tung für die Problemdefinition. Dieser Vorgang bringt eine Expansion der Grund-

struktur mit sich: RG entwickelt eine eigene Problemsicht (u.a. durch eine aktive

Feststellung des Sachverhalts über die Darstellung von RS hinaus) und redefiniert

das Problem.

– Die Nutzung von Perspektivenunterschieden als Lösungsressource macht besondere

Klärungs- und Aushandlungsprozesse hinsichtlich der Problemdefinition und der lö-

sungsrelevanten Bedingungen erforderlich. Die Problemredefinition und die damit

zusammenhängende Festlegung des Beratungsgegenstandes stehen zur Akzeptie-

rung durch RS an und müssen ausgehandelt werden.

– Aufgrund der Aufgabenverteilung wird die Herstellung eines spezifischen Rollen-

verhältnisses relevant, die das Kerngeschehen der Beratung in Form von

Instanzeinsetzung und Entlastung sowie Honorierung rahmt.

(b) Perspektiven und Perspektivierung im Diskurs

Die Theorie der symbolischen Interaktion geht davon aus, dass die Berücksichtigung

von Fremdperspektiven, die sog. Perspektivenübernahme, eine grundlegende Voraus-

setzung für die Durchführung von Interaktion ist (Schütz, Cicourel, Garfinkel 1967). Im

Sinne der idealisierenden Unterstellungen ist die Unterstellung der Austauschbarkeit der

Standpunkte und damit der Möglichkeit der Perspektivenübernahme fortlaufend interak-

tionslogisch notwendig. Um diese grundlegenden Unterstellungen aufrecht erhalten zu

können (oder auch um im Krisenfall ihre Geltung in Frage zu stellen, anderen Verlet-

zungen der Reziprozitätsherstellung vorzuwerfen usw.) setzen die Interaktionsbeteilig-

ten Verfahren der Perspektivierung und des Umgangs mit Perspektivenkonstellationen

ein. Diesen Vorgang kann man als einen Prozess von Perspektivensetzen (oder Etablie-

ren von Perspektiven) und Perspektivenberücksichtigung ansehen („perspective setting“

und „perspective taking“; vgl. Graumann 1989; Kallmeyer 2002). Perspektivensetzen

bedeutet, dass die Akteure, um ihre Handlungen verständlich zu machen und anderen

die Möglichkeit zu geben, mit der etablierten Perspektive umzugehen, zumindest bis zu

einem gewissen Grade ihre Perspektive verdeutlichen müssen. Perspektivenberücksich-

tigung bedeutet, daß die Interaktionsteilnehmer bis zu einem gewissen Grade zeigen,

dass sie die Fremdperspektive wahrnehmen, wie sie die manifestierte Fremdperpektive

interpretieren, sie zu ihrer eigenen in Beziehung setzen und bis zu welchem Grade sie

die Perspektive des anderen als relevant ansehen. Perspektivensetzen beinhaltet einen

Anspruch auf soziale Geltung für die manifestierte Perspektive. Perspektivenberück-

sichtigung (als Angleichung oder auch als Abgrenzung) behandelt diesen Anspruch.

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Beide Teile der Perspektivenarbeit ergeben zusammen einen Prozess der Aushandlung

einer gemeinsamen Perspektive. Das wechselseitige Manifestieren und Berücksichtigen

von Perspektiven wird hier als Perspektivierung bezeichnet.

Die Verfahren der Perspektivierung nehmen Bezug auf unsere kulturellen Modelle von

Perspektivität. Die Struktur von Perspektivität wird im allgemeinen in metaphorischer

Weise unter Bezug auf die visuelle Wahrnehmung modelliert. Auch wenn die Übertra-

gung des Wahrnehmungsmodells auf kognitive Prozesse sicher irgendwo an ihre Gren-

zen stößt, kann diese Metapher doch für den Einstieg sehr nützlich sein. Ein Argument

für die Benutzung der Wahrnehmungsmetapher ist, dass die Sprecher, wenn sie Per-

spektiven explizieren, ebenfalls darauf zurückgreifen.

− Der "Blick", der hinsichtlich Richtung, Weite / Enge und ggf. andere Eigenschaften wie die "Schärfe", gemessen am Auflösungsgrad der Wahrnehmung, charakterisiert werden kann.

− Die Aspektualisierung der Objekte als Ergebnis der Wahrnehmung unter einer be-stimmten Perspektive.

− Die Relevanzstrukturierung des Wahrnehmungs- und Handlungsraumes in Vorder-grund und Hintergrund, Horizont o.ä.

Die Interaktionskonstitution erfordert eine fortlaufende Perspektivierung vonseiten der

Beteiligten. Dementsprechend ist Perspektivität in die sprachlichen Ausdruckssysteme

kategorial inkorporiert. Die Behandlung von Deixis und Situationsbezug war der Start-

punkt der linguistischen Pragmatik (vgl. u.a. Wunderlich). Dabei stand zunächst die

Situationsbindung im Vordergrund und Fragen der Perspektivität blieben zunächst noch

eher implizit. Eine deutliche Beschäftigung mit der Perspektivität ergab sich dann je-

doch vor allem im Zusammenhang mit der Analyse der impliziten Deixis (vgl. Fillmo-

re). In der Folge stellte sich in lexikalisch-semantischen und satzsemantischen Analysen

heraus, wie tief die Festlegung, aus welcher Sicht eine Handlung, ein Ereignis oder eine

Situation dargestellt wird, in der Grammatik und Semantik verankert sind (vgl. u.a.

Zifonun 2002). Perspektiven sind auch über die Präsuppositionen von Äußerungen er-

fassbar, d.h. stillschweigende Voraussetzungen, die mit der Sprecherposition zusam-

menhängen und gleichsam "im Rücken" des sprechenden und interpretierenden Indivi-

duums liegen. Damit stehen nicht nur Ausdrucksmittel für die Manifestation von Per-

spektiven und Perspektivenoperationen zur Verfügung, sondern die sprachlichen Sys-

teme beinhalten auch vielfältige Markierungszwänge für Perspektivik.

Ein Großteil der Perspektivierungsverfahren bleibt relativ unauffällig und mehr oder

weniger implizit. So z.B. die mit der Produktion eines Redebeitrags verbundene Etablie-

Die Position/ der Standpunkt, von dem aus etwas betrachtet wird.

Ein einfaches Modell von Perspektivität enthält folgende Komponenten:

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rung einer sprecherbezogenen deiktischen Origo (ich hier jetzt) sowie die mit Spre-

cherwechseln verbundenen Origo-Wechsel. Auffälliger sind manifeste Perspektivie-

rungsverfahren wie z.B. Perspektivenrahmung (aus meiner Sicht; ich stehe auf dem

Standpunkt; ich finde / ich sehe / ich meine usw., d.h. alle Ausdrücke, die sich auf Kom-

ponenten des Perspektivitätsmodells beziehen wie Standpunkt, Aufmerksamkeitsaus-

richtung, Wahrnehmung / Denken / mentale Orientierung usw. in Verbindung mit einer

Referenz auf einen Akteur als Perspektiventräger). Immer dann, wenn Perspektiven

bzw. Perspektivenkonstellationen problematisch werden und die unauffälligen Routine-

verfahren nicht mehr greifen, entstehen Anlässe für manifeste Perspektivenarbeit.

Diese Art von Perspektivenarbeit ist ein wichtiges Thema der Gesprächsrhetorik (Kall-

meyer 1996). Der typologische Zusammenhang der Perspektivierungsverfahren ist äu-

ßerst komplex und bislang nur in Ausschnitten beschrieben. Einige interessante Kom-

plexe sind z.B.:

− Rollenbedingte Perspektivendivergenz, z.B. von Täter / Opfer usw. (sozialpsycho-

logische Arbeiten in Grau/Kal); und Inkonsistenzen in komplexen Perspektivierun-

gen mit konkurrierenden Eigenperspektiven (vgl. Keim 2002)

− Anzeigen von Perspektivendivergenz (z.B. Hartung 1996) und abgrenzen / kontras-

tieren von eigenen und fremden Perspektiven, Herstellung oppositiven Konstellatio-

nen (z.B. Spiegel 1995).

− Den Geltungsanspruch der eigene Perspektive verstärken, unter Einschränkung der

Perspektivenberücksichtigung bzw. Abwehr von Fremdperspektiven. Hier sind u.a.

unterschiedliche „Härtegrade“ beobachtbar: die eigene Perspektive dominant setzen

(Keim 1999), die Entwicklung von Monoperspektivik und die Abschottung der ei-

genen Perspektive (vgl. Keim 1996).

− Eigene Perspektive aufdecken und ihre Konstitutionsweise anderen transparent ma-

chen. Dazu gehören u.a. Verfahren der Darstellung ihrer Bedingtheit und Begrenzt-

heit (z.B. als Mittel der Überwindung von Krisenmomenten, Kallmeyer 1979) oder

ihrer mehr oder weniger tiefen Verankerung (Kallmeyer 2002).

− Eigene Perspektive öffnen und zur Disposition stellen. So etwas erscheint in

deliberativer Modalität z.B. bei der Aushandlung von Divergenzen und wechselsei-

tiger Annäherung.

Eine andere Form ist das Aha-Erlebnis, bei dem ggf. auch die psychische Dynamik des Individuums Perspektivenwandel hervorbringt.

Eigene Perspektive zurückhalten bzw. verbergen.

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− Gemeinsame Perspektiven konstruieren, bezogen auf bestimmte Situationen, Hand-

lungsaufgaben oder eine projizierte Interaktionszukunft. Annäherung der Stand-

punkte, Parallelisierung der Sehweise, aspektuelle Konstruktion von Gemeinsam-

keit.

− komplexe Verfahren des Spiels mit Perspektivenübernahmen, z.B. mit einer Um-

kehrung des Rollenverhältnisses (z.B. Ausländer – Deutscher; Kallmeyer 2001).

Im Folgenden wird anhand eines Beratungsgespräches ein weiteres, relativ ausgebautes

Verfahren der Perspektivenbeeinflussung behandelt, das als „einen Perspektivenwechsel

anleiten“ bezeichnet werden soll.

2. Realisierung des Handlungsschemas „Beraten“ im Gespräch „ich bin ein nichts“

BL agiert durchgängig mit Elementen einer expressiven Inszenierung. Zu den

rekurrenten Elementen der Inszenierung gehören das Signalisieren von Aufmerksamkeit

und Verstehensarbeit, markante Segmentierungen der Interaktion durch programmati-

sche Formulierungen und auffällige Prosodie sowie expressive Verdeutlichung von Ein-

stellungen durch Zitate bzw. Quasizitate mit gesteigerten Prosodiemustern (z.B. ver-

Zu den Anforderungen der medialen Inszenierung zählt, dass Lämmle mit den Anrufern und für die Zuschauer agiert. Den Anrufern schuldet sie Anstrengungen, das Problem zu durchleuchten und einer Lösung näher zu bringen, und den Zuschauern u.a. eine Sicht auf Problemtypen und Verfahrensweisen des Umgehens damit, aber eben auch Unter- haltung. Während die Anrufer als Telefonstimme präsent sind, agiert Lämmle als einzi- ge Akteurin körperlich auf dem sparsam möblierten Schauplatz (Stehpult mit Display für Redaktionsmitteilungen; Sitzecke).

Als Materialgrundlage für die exemplarische Analyse dient ein Gespräch mit einer Anruferin aus der von 1996 bis 2004 laufenden Fernsehsendung „Lämmle live“. Die Psychologin Lämmle führt innerhalb einer Sendung in der Regel mehrere Gespräche mit Anrufern bzw. Anruferinnen. Für die Zulassung zum Gespräch macht das Redaktionsteam im Hintergrund aufgrund einer Vorsortierung eine Kandidatenliste, aus der Lämmle wiederum während der Sendung auswählt. Die Anrufer kennen in der Regel das Sendungsschema und Lämmles Arbeitsweise. Ohne Zweifel gibt es auch eine gewisse Gemeindebildung. Die Anruferinnen/ Anrufer verstehen zumindest teilweise die Zulassung als eine Art der Auszeichnung in dem Sinne, dass das eigene Problem wichtig genug ist und die eigene Umgangsweise damit geeignet für die öffentliche Behandlung.

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zweifelter Ausruf, Weinerlichkeit usw.). Als visuelle Alleinakteurin + intensive Mimik

und Gestik + Blickverhalten (Nachdenklichkeit, suchende Blicke schräg nach oben;

Blick in die Kamera als Blick zur Anruferin).

Es folgt zunächst eine grobe Sequenzanalyse der Handlungsstruktur im Beispielge-

spräch, bevor sich die Analyse auf den darin eingebetteten Vorgang der Anleitung eines

Perspektivenwechsels konzentriert.

(a) Die Eröffnung folgt der Grundstruktur einer „Sprechstunde“. BL wählt am Display

MA aus und ruft sie auf (ma"rgit- * du bist die nä"chste↓), MA grüßt und fragt nach

dem nächsten Handlungsschritt (ja * hallo * brigitte↓ *2* soll ich gleich anfangen↓),

was BL bestätigt (du:" startest gleich↓), worauf MA ihre Problemdarstellung beginnt

(ATMET AUS * ja also * mein problem...).

(b) MA liefert eine typische erste Problempräsentation, die fast alle bislang beschriebe-

nen Komponenten dieses Handlungsschritts enthält (vgl. auch Nothdurft 1984) wie An-

zeigen eines Problems und Zuschreibung des Problems, d.h. „wer hat das Problem“ (ja

also * mein problem is ähm * ja auch ganz ganz umfangreich↑ * und * besteht schon

sehr sehr lang↑), Darstellen des Falles (ich hab seit * ungefähr neunzehn zwanzig jah-

ren leide ich unter atemnotattacken↑) mit den Komponenten Problemgenese, Randbe-

dingungen, dem bisherigen Verlauf (Höhepunkt im letzten Jahr) und eigene Lösungs-

versuche (einmonatige Therapie in einer psychosomatischen Klinkik) und deren Ergeb-

nis (es ist in dieser therapie eigentlich noch herausgekommen äh >a/< ja * in den an-

fängen dass ich wahrscheinlich ein ganz ungewolltes und ungeliebtes ki“nd bin↓). Un-

klar ist noch, wie MA das Ergebnis bewertet und welche Rolle es aus ihrer Sicht für die

weitere Lösungsentwicklung haben soll.

(c) BL interveniert relativ früh, bevor MA Gelegenheit hat, ihre eigene Bewertung des

Therapieergebnisses mitzuteilen, und äußert eine dezidierte Bewertung: Hehehe li/ ent-

schuldige dass ich la“che da können wir uns nämlich n LACHEND butterbrot mit bele-

gen oder sonst was↓ was <fa“ngen> wir jetzt mit dieser erke“nntnis an↓ LACHT. Die

Abwertung des Ergebnisses wird sehr expressiv inszeniert, das Lachen wird lang ausge-

spielt, und die Äußerung was <fa“ngen> wir jetzt mit dieser erke“nntnis an wird mit

der Prosodie eines gespielt verzweifelten Ausrufs realisiert. MA signalisiert zunächst

Zustimmung ja↓ ich konnte damit überhaupt nichts anfangen, was wiederum von BL

schnell und expressiv bestätigt wird mit ich au“ch nicht LACHT.

(d) Nach der oberflächlichen Zustimmung zu BLs Bewertung besteht MA auf einer ei-

genen positiven Bewertung des importierten Erklärungsmusters: ich bin jetzt aber äh ja

am überlegen weil ich schon glaub * dass es irgendwo * in meiner kindheit scho“n er-

lebnisse gab die=äh * ja denk ich mal diese atemlosigkeit jetzt auch irgendwo immer

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wieder au“slösen * also das denk ich scho“n↓. Während BL gleichsam in einem Über-

raschungsangriff eine Perspektivenübereinstimmung mit MA suggeriert, im Sinne einer

gemeinsamen Sicht auf die vorangegangene Therapie, etabliert MA nun eine Perspekti-

vendivergenz.

(e) BL setzt den entstehenden Zusammenhang nicht fort, sondern startet einen neuen

Gesprächsabschnitt, der sich als komplexe Exploration herausstellt. Zunächst prüft BL

Präliminarien: ich bin ja ein ganz pragmatischer mensch↓ fangen wir doch mal am an-

fang an↓ m/ a“temnot hast du: * mit sicherheit von einem interni“sten abchecken las-

sen. Dann initiiert sie ein Alternativprogramm der Exploration im Kontrast zu MAs

Präsentation, die insbesondere die Krisensituationen hervorgehoben hat: dann lass und

doch mal was ganz a“nderes probieren ** dann lass uns doch mal auf die“ momente

besinnen * wo der atem funktionie“rt-. BL und MA listen eine Reihe von Situationen

auf, wenn MAs Freund sie besucht und sie gut atmen kann, bis hin zum morgendlichen

Frühstück nach der gemeinsam verbrachten Nacht: ah:: ** hmhm“↑ ** >aha“< u"nd

auch morgens beim früh"stück↑ beim spie"gelei↑ oder orangensaft↑ ** und es is ne

frie"dliche stimmung is der atem okay↓.

Als nächster Explorationsschritt folgt das Durchspielen eines „kritischen“ Szenarios:

*2,5* a“ber- *2,5*es steht ja schon wieder der- die katastro“phe schier ins haus- ** er

ist ä“lter↑ er ist verhei“ratet er könnte ge“hen-. Diese Explorationsphase liefert einen

sog. „Paniksatz“, d.h. eine Panik auslösende mentale Reaktion: ich bin ein ni“chts. Die-

se Explorationssequenz soll im nächsten Kapitel im Detail analysiert werden.

(f) BL nimmt das Ergebnis der Exploration, den „Paniksatz“, zum Ausgangspunkt ihrer

Redefinition des Problems. Sie hebt das für MA Überraschende der Redefinition hervor

(und jetzt kommt was ganz verrü“cktes- *4,5*>ich bin ein ni“chts< und ausgerechnet

mit diesem gefühl- ** suchst du dir einen ma“nn↑ * der dir pe“rmanent dieses gefühl

verstä“rkt↓ ) und spitzt die Problemdefintion auf ein Verhaltensmuster von MA zu: fakt

ist dass du seit fü“nf jahren ** diesem * deinem gefüh“lssatz ich bin ein ni“chts * dass

* du“ es bist * die diesem sa“tz↑ ich bin ein ni“chts↑ täglich neues futter gibt * nicht

e“r füttert den satz * du“ fütterst den satz.

(g) Nach einer kurzen weiteren Exploration von vorhandenen Elementen eines positiven

Selbstbildes (MA ist Mutter von drei Kindern, die sie praktisch alleine aufgezogen hat)

formuliert BL als Lösungsstrategie die bewusste Entwicklung eines positiven Selbstbil-

des: dann wolln wir doch ganz schnell den u“mschwung einleiten↓ wie sieht dann die

richtige vitaminspritze für dich aus↓ [...] indem du diesem * sa“tz↑ *1,5* ich bin ein

ni“chts↑ * einen anderen satz * dagegnstellst- ** [...] eine starke frau.

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(h) MA leistet hinhaltenden Widerstand, indem sie Elemente der Selbstwahrnehmung

anführt, die dem neuen Positivbild widersprechen: ich weiß nicht ich denk ich- ich bi“n

doch ein nichts weil es wenden sich ja immer wieder menschen von mir a“b.

(i) BL bekräftigt die Lösung: nimm die vitami“ne für die- * für die ri“chtige haltung

[...] fütter dieses ich bin eine <starke frau>-.

(j) BL evaluiert das Beratungsergebnis unter Bezug auf die Feststellung, dass MA jetzt

in der teilweise konfrontativen Beratungssituation gut atmen kann und defniniert das als

den ersten Schritt der Lösungsrealisierung: so↓ * jetzt hast du mich wegen was ganz

a“nderem ab/ angerufen a“temnot *1,5* wie ist je“tzt dein atem im moment↑ [...]

>wunderbar-< * dann wäre meine ga“nz große bitte ** ähm * ah: ich sag=s=äh

ganz=äh * ganz banal ** wei“ter so [...] wei“ter so.

(k) MA beendet das Beratungsbespräch mit einer Bilderbuch-Realisiserung des letzten

Handlungsschrittes, der „Entlastung und Honorierung des RG“: okay↓ ** Brigitte du

bist eine tolle frau ich da“nke dir.

4. Die Explorationssequenz „Durchspielen eines kritischen Szenarios“

Im Folgenden konzentrieren ich mich auf die dritte Explorationssequenz, die sich nach

dem Ausschluss der organischen Quellen und der Konzentration auf die positiven Mo-

mente (friedlich stimmung) den kritischen Momenten zuwendet und den „Paniksatz“ als

Schlüssel für die Problemredefinition liefert. BL setzt zur Exploration ein Verfahren

ein, das man „Durchspielen eines kritischen Szenarios“ nennen kann.

BL benutzt als Ausgangspunkt das im vorauf gehenden Explorationsschritt etablierte

Szenario „mit dem Freund beim Frühstück“ und ändert jetzt den relevanten Aspekt von

der positiven Stimmung zum Gefahren- und Bedrohungspotenzial:

122 BL: ** und es is ne frie"dliche stimmung is der atem

123 BL: okay↓ >hmhm< *2,5* a"ber- *2,5* es steht ja

124 MA: ja↓

125 BL: schon wieder der- die katastro"phe schier ins haus-

126 BL: ** er ist ä"lter↑ er ist verhei"ratet↑ er

127 K AUFZÄHLEND, RHYTHMISCHES SPRECHEN

128 MA: hmhm

129 BL: könnte ge"hen- *2*

130 MA: ja-

Einführung des kritischen Szenarios

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Mit >hmhm< *2,5* a"ber- *2,5* (Z. 123) inszeniert BL einen Szenenwechsel. Die

Segmentierung wird markiert durch die Folge von einer deutlich wahrnehmbaren Pause,

einem akzentuierten a“ber-, das von der Fortsetzung der Äußerungskonstruktion durch

eine weitere längere Pause abgetrennt ist. Es fungiert als Diskursmarker bzw. Ankündi-

gung und projiziert eine oppositive Fortsetzung. Die Aktivitätsprogression verlangsamt

sich durch die Pausen und beginnend mit a“ber verändert sich die Sprechweise: Sie

wird langsamer, leicht gedehnt, etwas leiser, mit einer schwebenden Intonation und ton-

los. Diese Sprechweise signalisiert gleichsam einen „Tonartenwechsel“ von Dur zu

Moll. Mit dem Wechsel in der Sprechweise korrespondiert eine Veränderung des non-

verbalen Ausdrucks: Während BL vorher in die Kamera blickt, teilweise mit einem in-

tensiven, forschenden Blick als Manifestation des direkten Kontakts mit der Anruferin,

und mit beiden Händen gestikuliert, blickt sie jetzt mit schräg gelegtem Kopf nach un-

ten, und die Hände liegen gefaltet im Schoß. Sprechweise und Haltung der Hände wer-

den auch im Folgenden beibehalten, nur der Blick wird wieder angehoben Richtung

Kamera.

Das mit dem Szenario verbundene Gefahren- und Angstpotenzial wird explizit im the-

matischen Rahmensatz es steht ja schon wieder der- die katastrophe schier ins haus und

die folgende Aufzählung von Sachverhalten verdeutlicht: er ist ä"lter↑ er ist

verhei"ratet↑ er könnte ge"hen-. Die prosodische Markierung entspricht einem inneren,

evozierenden Sprechen. Diese Eigenschaft wird dadurch gestützt, dass BL nicht mehr

MA anredet, d.h. aus der Außenperspektive spricht, wie in der voraufgehenden Explora-

tionsphase (z.B. wie ist dann dein atem), sondern jetzt ein Sprechen aus MAs

Beteiligtenperspektive inszeniert. BL gibt mit dieser Formulierung von MAs innerem

Sprechen eine Konkretisierung der Perspektive vor, d.h. einen für diese Perspektive

definierenden Typ von Objekten.

Wie MAs Rezeptionssignale mhm und ja- zeigen, folgt sie BL bei dieser suggestiven

Evozierung und akzeptiert die dargestellte Erlebensperspektive oder wehrt sie zumin-

dest nicht ab.

Fokussierung des kritischen Moments

129 BL: und wenn er nach so einer 130 MA: ja-

131 BL: na"ch:t * oder nach so=nem wo"chenende * zur tü"r

132 BL: rausgeht↑ * und sagt tschüß↑ * was passiert da"nn

133 BL: mit deinem atem↑ *1,5*

134 MA: dann: * äh sto"ckt mir der

135 BL: >hmhm↑< **

136 MA: atem erst mal dann hab ich äh: * ja lang

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137 BL: |und dann findet| oben

138 MA: zu kämpfen und * HOLT LUFT ja |ich sag mal a/ |

BL behält die vorherige Redeweise und Körperhaltung bei; erst bei der Formulierung

des kritischen Moments des Verlassenwerdens (und sagt tschüss) macht sie eine kleine

Geste des Winkens. Das Sprechen aus MAs Erlebensperspektive wird bis zu diesem

Punkt fortgesetzt. Erst die abschließende Frage nach dem Symptom Atemnot erfolgt

wieder aus der Außenperspektive der Sondierung (…mit deinem atem…), aber proso-

disch als Fortsetzung des Sprehens aus der Erlebnisperspektive markiert. Diese Kombi-

nation von Außenperspektive und Innenperspektive kann man als Manifestation einer

Nah-Perspektive auf das innere Erleben der Zielperson MA ansehen.

Die Frage zielt auf die Absicherung bzw. Bestätigung einer Annahme über den Zusam-

menhang von Situation, innerem Erleben und den körperlichen Symptomen, die der

gesamten Inszenierung des kritischen Moments zugrunde liegt.

Zugleich setzt die Frage MAs aktive Mitarbeit im Rahmen des Krisenszenarios in Gang.

Wie die Reaktion von MA zeigt, hat BL Erfolg: Nach einer kleinen Pause (1,5sec) be-

antwortet MA die Frage im Rahmen der Frage-Projektion, erkennbar an der Übernahme

der Formulierungsstruktur von BLs Frage (dann: * äh sto"ckt mir der atem erst mal).

BL bekräftigt MAs Antwort mit einem auffordernden Rezeptionssignal (>hmhm↑<)

und überlässt MA das Rederecht (vgl. die Pause). Erst als MA nach einer ersten Expan-

sion zu einer weiteren Fortsetzung ansetzt, interveniert BL.

Zuspitzung auf die innere Reaktion

Die Intervention setzt die voraufgehend etablierte Verbindung von Innen- und Außen-

perspektive fort, wobei die Außenperspektive nicht durch personale Deixis markiert

wird und die Erlebensperspektive hervorgehoben wird. Für BLs gesprächsrhetorische

Gestaltung spielt jetzt die Gestik eine gesteigerte Rolle:

135 BL: >hmhm↑< **

136 MA: atem erst mal dann hab ich äh: * ja lang

137 BL: |und dann findet| oben

rH mit Zeigefinger an Kopf °°°°° 138 MA: zu kämpfen und * HOLT LUFT ja |ich sag mal a/|

139 BL: im ko"pf oben erst mal statt- ** pa"nik↓ *

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° 140 MA: ja

141 BL: vielleicht seh ich ihn das letzte ma"l↑ * und er

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

142 BL: vielleicht ko"mmt er nicht mehr oder * es wird

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° beide Hände offen auf halber Höhe

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143 BL: demnächst zu ende sein also im kopf * passiern jetzt

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° beidhändig r+l am Kopf °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

144 BL: * kopfsalat*purzelbäume-

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° hält Geste, leicht abgeschwächt°°°°°°°°° 145 MA: ich denk nicht dass es zu

146 MA: e"nde sein kann das glaub ich nich↑ ich denk die

146a BL: °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

147 MA: panik is bei mir dass ich die situation nicht ändern

147a BL: °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

148 BL: |wie sind die | paniksätze im ko"pf↓ *2,5*

°°°°°°°°°°°°°°°° beidhändig Präzisierungsgeste am Kopf; Mehrfachtippen°°°°°°°° 149 MA: kann↓ ** |dass ich mich|

BL unterbricht MA und setzt selbst deren DANN-Äußerung fort (und dann findet oben

im ko“pf…). BL präsentiert die relevante Version der Vorgänge. Sie führt Schlüsselwör-

ter ein, die jeweils durch auffällige Akzentuierungen markiert werden (ko“pf, pa“nik)

und bildet ein komplexes und sprechendes Ad-hoc-Kompositum: kopfsa-

lat*purzelbäume. Die gestische Unterstützung des Fokussierungsvorgangs beginnt mit

der Zuspitzung des Fokus auf die innere Reaktion. Die einhändige Zeigegeste wird mit

dem Beginn Äußerung eingeführt und in der Folge beibehalten, dann kurzfristig gelöst

(oder * es wird zunächst zu ende sein), wobei aber jetzt beide Hände in unmittelbarer

Nähe, d.h. in Bereitschaftsposition, bleiben. Dann wird mit der Reformulierung also im

kopf die Zeigegeste beidhändig ausgeführt, jetzt in einer Variante: Die zusammengeleg-

ten Fingerspitzen berühren den Kopf. Die Fokussierung auf die Vorgänge im Kopf wird

auch während MAs Antwort gestisch verdeutlicht, wenn auch mit einer kleinen Ab-

schwächung. Mit der Redeübernahme wird die Fokussierungsgestik wieder markant.

Mit der erneuten akzentuierten Verwendung von ko“pf sowie panik in Verbindung mit

den Zeigegesten werden diese Ausdrücke als Schlüsselwörter etabliert.

BL führt sukzessive ein variationsreiches Repertoire von fokussierungsrelevanten Ges-

ten ein:

– Auf den Kopf zeigen mit dem Zeigefinger, einhändig oder beidhändig (berühren

oder sehr nahe kommen). Mit gestrecktem oder gekrümmtem Zeigefinger.

– Präzisionsgeste (Daumen und Index oder auch Mittelfinger berühren sich an der

Spitze oder lassen nur einen kleinen Zwischenraum (Dinge zwischen die Fingerspit-

zen nehmen).

– Geschlossene Präzisionsgeste zum Zeigen auf den Kopf, mit Berührung oder klei-

nem Zwischenraum.

– Greifen, Graben oder Kratzen am Kopf, Seite oder Stirn.

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BL benutzt dieses Repertoire nicht nur lokal zur Fokuskontinuation, sondern auch über

weite Interaktionsstrecken hinweg, z.B. indem sie in zeitlichem Abstand, nach Unter-

brechungen der Gestik (z.B. durch Absenken der Hände, explizierende Gestik mit zwei

offenen Händen rechts und links) gleiche oder ähnliche Gesten in vergleichbaren

sprachlichen Kontexten produziert. Weiter erscheinen Intensivierungen von Gesten, z.B.

Akzentuierungen, Folgen von kleinen Bewegungen wie An-die-Stirn-Tippen. Ebenso

sind Abschwächungen beobachtbar, z.B. beim Halten der Fokussierungsgestik während

der Rezeption, wobei die Abschwächung der Gestik das Zurücktreten von der unmittel-

bar aktiven Beteiligung verdeutlicht (vgl. Zeile 144). Schließlich sind über Steigerung

und Abschwächung einer Geste hinausgehende Transformierungen erkennbar, z.B. das

Reduzieren einer Geste zu einer neutraleren bzw. ambivalenten Form in einer nahen

Position, d.h. in einer Position der Bereitschaft zum Neustart mit derselben oder einer

anderen Geste. Das ist z.B. bei kopfsalat der Fall: auf das beidhändige Zeigen mit ge-

beugtem Zeigefinger folgt eine Abschwächung und das Verbleiben in Bereitschaftsposi-

tion und schließlich der Start zu einer beidhändigen Präzisierungsgeste (143 ff).

BL spricht explizit aus MAs Erlebensperspektive (ich) und produziert Formulierungs-

kandidaten für sie. Diese Kandidatenformulierungen demonstrieren, was mit Panik

gemeint ist und bieten ein Modell für MAs weitere Äußerungen. Auf diese Weise de-

monstriert BL die adäquate Perspektive, aus der ein Zugang zur Wirklichkeit der emoti-

onalen Reaktionen im „kritischen Moment“ möglich ist. Sie setzt diese Perspektive für

MA relevant.

MA bestreitet ein Detail, indem sie eine der Kandidatenformulierungen zurückweist und

richtigstellt. Damit hält sie ihre Sicht der Dinge gegenüber der suggestiven Vorgabe von

BL aufrecht. Der Widerstand gegen die angediente Perspektive ist u.a. daran erkennbar,

dass MA nicht das Formulierungsmuster übernimmt, sondern eine eher beschreibend-

reflektierende Formulierungsmodalität benutzt und zusätzlich ihre Perspektive aufwän-

dig in drei Schritten formuliert (ich denk nicht...das glaub ich nich...ich denk...).

Formulieren einer Fokusaufgabe und erste Bearbeitung

BL: |wie sind die | paniksätze im ko"pf↓ *2,5*

°°°°°°°°°°°°°°°° beidhändig Präzisierungsgeste am Kopf; Mehrfachtippen°°°°°°°° MA: kann↓ ** |dass ich mich|

BL: was |sagst| du

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°NICKEN Hände beidhändig offen °°°°° MA: wie die paniksätze im kopf sind ** |ich |

BL: dir dann in so=nem moment↓ **

148

149

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152

153 °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°MA: scher dich zum teufel-

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MA: aber genau das is ja das was ich nich ka"nn

BL: |mom/ |MA: |ich kann| mich von diesem mann ja

BL: |→moment mo|ment moment← mome:nt ma:l↓ so"MA: |nicht trennen|

BL: schnell backen wir jetzt nich↓ * a"lso↓ es gibt in

BL: der beziehung zu deinem freund * die: * akrobatische

BL: a"tembefreiung↑ * die frie"dliche atembefreiung↑ *

BL: und dann gibt es den moment * wo paniksätze im kopf

BL: auftauchen wenn er geht↑ * und dann gibt es aber

BL: schon wieder den nä"chsten schritt * wo du wieder

BL: schnau"fen kannst * wenn du sagst scher dich doch

BL: zum teu"fel- |bist| verheiratet und machst hierMA: hm|hm |

BL: den äh:m *1,5* sag ich jetzt nicht äh |LACHT| undMA: |LACHT|

Fokusverschiebung verarbeiten und Material in das Szenario integrieren

Lämmle übergeht Margits Fortsetzung und stellt ihre Fokusfrage, wobei sie das bisher eingeführte Schlüsselwortmaterial zu einer Formel verdichtet: die paniksätze im kopf. Mit dem Übergehen von Margits Äußerung behandelt sie diese als nicht übereinstimmend mit dem projizierten Typ von Antwort. MAs Rückfrage verzögert die Bearbeitung. Lämmle reformuliert die Fokusfrage in Reaktion auf Margits Verständnis- rückfrage. Die Reformulierung ist einfacher, in gewissem Sinn alltäglicher und direktiver durch die Adressierung mit du. Sie wird ohne die Schlüsselwörter formuliert und bezieht sich auf das Konzept des inneren Sprechens mit sich selbst, dem inneren Monolog: was sagst du dir dann. Margit liefert eine erste Bearbeitung der Fokusaufgabe. Die Antwort entspricht der Vorgabe in dem Sinne, dass sie die Form der direkten Rede übernimmt und eine innere Reaktion in der konkret projizierten Situation formuliert. Margit lässt sich also auf das Verfahren ein.

159 160

BL: aha" dann sind das ja schon die lö"sungssätze↓ *1,5* K EMPHATISCH

154155 156

157 158

BL: atme|st du d/| |LACHT |MA: |ja↓ | * dann atme ich |tief durch| LACHT

EMPHATISCH

BL: KMA: komm ja nie wieder

oh: * und a“tmest du dann oder

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(c) Insistieren auf der Fokusfrage

177 BL: |das| heißt

Präzisionsgeste einhändig vor Gesicht 178 MA: j|a |

179 BL: in de"n mome"nten * wo du deinen ko"pf↑ * mit

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

180 BL: paniksätzen fütterst ** die hätte ich ganz gerne

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

181 BL: >diese paniksätze-< *2,5*

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° 182 MA: ja eigentlich sind sie

183 BL: |wo du| ni"cht schnaufen

184 MA: aggressiv diese paniksätze |also |

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Umformung zu Zeigefinger °°°°°°°°°°°

185 BL: kannst *2*

186 MA: ja also sie lösen ja dann eine art wu"t

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

187 BL: aber bei der wut ka"nnste doch

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Zurücknehmen, Abwandlung, gleiche Höhe (d.h. in Bereitschaft) 188 MA: dann in mir aus

189 BL: wieder schnaufen ** ich möchte gerne die"

190

191

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° kurz Zeigefinger, dann Präzisionsgeste MA: ja↑ **

BL: sätze hörn wo du ni"cht schnaufen kannst↓ °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

Als erste Bearbeitung der Fokusaufgabe präsentiert Margit ein Element, das nicht der Projektion entspricht. Die Antwort wird von BL als interessant für die Exploration des Falles behandelt. Lämmle greift dieses thematische Element auf (154), wobei die Em- phase Interesse und Relevanz signalisiert. Es folgt der „Atemtest“ (154-157), der die Problemrelevanz wiederum belegt. MA beantwortet den „Atemtest“ markant positiv. Sie inszeniert die Bedeutsamkeit der Antwort und die damit gewonnene Erkenntnis. BL zeigt durch Lachen und Prosodie in inszenatorischer (theatralischer) Weise an, dass sie einen Schlüssel für Margits erfolgreiche Problemlösung findet. Durch einen Ordnungs- ruf stoppt BL stoppt Margits weitere Interventionen, die Widerstand gegen die Idee ei- ner Lösung manifestieren.

Präzisionsgeste einhändig vor Gesicht j|a |

dann kannst du plötzlich wie“der atmen- |das| heißt 177

178

BL:

MA:

BL rekapituliert den Kontext des Szenarios: vor und nach der kritischen Situation und den kritischen Moment (Schlüsselwortsyntagma paniksätze im Kopf). Damit schafft sie einen Rahmen für die Refokussierung des kritischen Moments und die Wiederholung der Fokusfrage.

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BL reformuliert die Fokusfrage. Sie benutzt dabei die etablierten Schlüsselwörter kopf

und paniksätze. Margit beharrt auf ihrer früherer Version, in dem sie wiederum in eine

deskriptive Formulierungsmodalität zurückfällt (vgl. Z. 145-147). BL reformuliert die

Fokusfrage mit einer präzisierenden und damit auch verstärkenden Expansion. MA

bleibt weiterhin auf der beschreibenden Ebene und beharrt damit auf ihrer Perspektive.

BL reformuliert die Fokusfrage, sie wiederholt eine vollständige hypotaktische Satz-

konstruktion mit Haupt- und Nebensatz, anstatt der Nebensatz-/Teilsatzkonstruktion

(wo du nicht schnaufen kannst).

Im letzten Teil von BLs Inszenierung der Fokuskontinuation gibt es einige schnelle

Wechsel bzw. Transformationen zwischen unterschiedlichen Gesten. Diese Stellen zei-

gen, dass BLs Repertoire so weit etabliert und stabil ist, dass sie einzelne Gesten auch

für schnelle Andeutungen nutzen kann. Das ist z.B. in Zeile 189 der Fall: BL hatte in

Zeile 184 die Präzisionsgeste zur Zeigefinger-Aufmerksamkeitsgeste transformiert, die-

se dann zu einer Bereitschaftshaltung zurückgenommen; in Zeile 189 wiederholt BL

dann zunächst die Aufmerksamkeitsgeste in der Art einer Anknüpfung und transfor-

miert sie dann in die Präzisierungsgeste.

(e) Behandeln eines ausweichenden Fokusshifts, insistierende Reformulierung der

Fokusfrage und die “richtige Antwort”

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199 200 201

202 203

MA: wenn ich

MA: jetzt ihm sagen würde bleib bitte da- ** verlass

MA: mich nicht- *2,5* dann weiß ich er würde ja

BL: >m/ äh/< okay"↑ ** äh: aberMA: tro"tzdem gehen- *

BL: alleine um so=n dusseligen- >tschuldigung<K LEICHT LACHEND

BL: dusseli|gen| satz zu sagen zu einem erwa/ bleibK GESPIELTMA: |hm |

BL: bitte da geh nicht muss doch vorher im hi"rn wasK WEINERLICH °°° Zeigen auf Kopf einseitig

BL: passiern * denn wenn mein mann morgens aus=em haus °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

BL: geht sag ich >äh< * komm nicht zu früh" wieder >da/

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206 BL: des/< ich übertrei"b jetzt also das heißt

207 K LACHEND

208 MA: LACHT

209 BL: also es muss ja in deinem ko"pf vorher was- * was

Präzisionsgeste am Kopf einhändig°°°°°°°°°°°°°°°°°

210 BL: läuft vorher im ko"pf ab * dass du so=n seirigen

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

211 BL: satz sagst bitte verlass mich nich *

212 K GESPIELT WEINERLICH °

Faltet bittend die Hände°°°°°°°°°°°°°

Die erste Antwort von Margit (Z. 192-194) entspricht nicht der Vorgabe für die Lö-

sungsäußerung (der „Lösungssatz“); vielmehr stellt sie einen weiteren Versuch von

Margit dar, ihre Darstellungslinie fortzusetzen. BL akzeptiert die Äußerung als Ar-

beitsmaterial. Ihre paraverbal inszenierende Reformulierung von MAs Äußerung wertet

diese ab und entlarvt die damit verbundene Haltung als unangemessen. BL kontrastiert

diese Haltung mit einer als erwartbar unterstellter Normalform, die sie am eigenen Bei-

spiel demonstriert. BL benutzt Margits Darstellung als Gelegenheit, um die Relevanz

der Fokusfrage zu demonstrieren. Sie insistiert auf der Fokusfrage und reformuliert auf

prosodischer und nonverbaler Ebene karikierend MAs Äußerung als Fehlreaktion.

Durchgehend wird das Schlüsselwortmaterial verwendet, das in der Imitation noch

durch die provokativere Variante des Schlüsselwortes kopf , nämlich durch (hirn), er-

setzt wird.

BL setzt häufig prosodische Mittel ein, um mentale Prozesse zu verdeutlichen und Ein-

stellungen / Haltungen übertreibend zu demonstrieren. Sehr auffällig wegen des provo-

zierenden Gehalts ist die entlarvend-weinerliche Wiedergabe von Äußerungen MAs wie

bitte verlass mich nicht.

Diese Sequenz zeigt als eine weitere Variation das Benutzen der Präzisierungsgeste zum

Zeigen auf den Kopf: Zunächst wird die vorher eingesetzte Zeigegeste zum Kopf be-

nutzt (Zeile 203); nach einer Unterbrechung der Gestik wird die Präzisierungsgeste zum

Kopf-Zeigen benutzt (Zeile 209) und nach einer weiteren Unterbrechung wieder aufge-

nommen und intensiviert (Zeile 220 ff.). Diese Sequenz zeigt die stärkste Intensivierung

der Kopf-Zeigegestik. Hier wie in allen vorauf gehenden Fällen gilt, dass alle Vorkom-

men der Kopf-Schlüsselwörter durch die Kopf-Gestik unterstützt werden. Nonverbale

Mittel unterstützen dabei das Insistieren auf der Fokusfrage und helfen bei der kommu-

nikativen Aufgabe der Problem-Fokussierung.

211 BL: satz sagst bitte verlass mich nich *

212 K GESPIELT WEINERLICH

Faltet bittend die Hände°°°°°°°°°°°°° 213 MA: ich denk die

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MA: angst vor dem alleinsein- * die angst vor dem

BL: das is ne

MA: verlassen werden- * die immer wieder da is

BL: hypothe"se ich hätt es aber ganz gerne da o"ben- *

Präzisierungsgeste am Kopf einhändig

BL: was läu"ft denn da er ko"mmt nich mehr oder * ich

Intensivierung durch Kreisen°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

BL: kann mich nicht weh"ren oder * äh: ich bin ja hier

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

BL: nur=n stück schei"ße oder was läuft da o"ben↑ |was

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°Greifen und Klopfen°°°°°°°°°°°°°°°°°° MA: |ja↑

BL: ist| dieser unzensierte sa"tz da oben-

°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° MA: | ich bin

BL: |<genau:"> |

MA: nichts wert↑ |ich bin nicht/| * ja- *1,5*

BL weist Margits Formulierung als “Hypothese”, d.h. als argumentativ und distanziert

zurück. Sie insistiert auf der Fokussierung der mentalen Reaktion in „eingekleideter

Form“ (ich hätte aber aber ganz gerne da o“ben). Das Schlüsselwort kopf wird nicht

mehr ambig oder metaphorisch, sondern vereinfacht und eindeutig eingesetzt. Dabei ist

eine graduelle Vereinfachung des Lexems festzustellen (kopfsalatpurzelbäume, kopf,

hirn, da oben). Die Fokusfrage wird wiederholt (Referenz auf „oben“ mit da + Präsenta-

tion von Formulierungskandidaten + Wiederholung der Fokusfrage unter Verwendung

von oben). MAs Antwort ist auf ein mehrteiliges Format angelegt, was einerseits durch

die Stimmhebung am Ende der ersten Konstruktionseinheit und andererseits durch die

gleichförmige Fortsetzung der Satzkonstruktion deutlich wird. BL bestätigt die Antwort

von MA expressiv und bewertet diese positiv (genau). Damit unterbricht BL die Expan-

sion von MAs Äußerung über die erste Äußerungseinheit hinaus.

(g) Überarbeitung und Sicherung des Ergebnisses

BL: |<genau:"> | und der

MA: nichts wert↑ |ich bin nicht/| * ja- *1,5*

BL: ist vielleicht u"nzensiert * noch ein wenig de"rber↓

BL: *1,5* wie * derb↑ * ich bin nichts we"rt↑ *

MA: hmhm-

BL: gibt es die steigerung↑ *

MA: →ja eigentlich so wie ich

MA: mich mein ganzes leben gefühlt hab ich bin

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MA: eigentlich ein nichts ich bin nicht geliebt und

MA: nicht gewollt und * keiner wi"ll mich und auch

MA: dieser mann der sagt er liebt mich bleibt aber do"ch

BL: →ich bin ein← ni"chts *3,5**

MA: nicht da-← *

5. Die Handlungsstruktur von „einen Perspektivenwandel anleiten”

Vom vorliegenden Gesprächsverlauf wird die grundlegende Handlungsstruktur abstra-

hiert und zu einem Schema „einen Perspektivenwandel anleiten“ zusammengefasst. Die

Kernaufgabe des Schemas ist, eine bestimmte, von der Perspektive des Adressaten ab-

weichende Sicht zu verdeutlichen und den Adressaten dazu zu bringen, diese Sicht zu-

mindest probeweise zu übernehmen.

Anleiten zum Perspektivenwechsel reagiert auf erwartbaren oder bereits manifestierten

Widerstand der Zielperson und bedingt einen erheblichen Aufwand. Anleiten zum Per-

spektivenwechsel beinhaltet notwendig manifeste Anstrengungen, diesen Perspektiven-

wechsel möglich zu machen. In dieser Hinsicht unterscheidet es sich z.B. vom viel häu-

figer zu beobachtetenden Fordern eines Perspektivenwechsels in Streitsituationen wie

bei der im Kap. 2 angeführten Auseinandersetzung, als Gudrun auf die wechselseitige

Abgrenzung der Perspektiven reagiert mit: sieh es doch mal von meiner seite. In solchen

Fällen steht in der Regel transportiert das Auffordern auch oder dominant Schulzu-

schreibungen.

Zur Einordnung in den Rahmen einer Typologie von Perspektivierungsverfahren: So

wie es unterschiedliche „Härtegrade“ der Perspektivenabgrenzung und des Geltungsan-

spruchs gibt (vgl. z.B. eine Perspektive dominant setzen; Perspektivenabschottung),

lassen sich auch Abstufungen des Bemühens um Perspektivenänderungen bei der Ziel-

person feststellen.

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BL insistiert auf der optimalen Lösung. Damit festigt und übt sie die neue Perspektive mit MA zusätzlich ein. Margit verarbeitet die Antwort, in dem sie noch zusätzlich ex- pandiert durch die schnelle Anknüpfung, das hohe Sprechtempo, was eine Form von Aneignung/Übernahme bedeutet. Die „gereinigte“ Ergebnisfeststellung ich bin ein nichts von BL verwendet eine Reformulierung ohne eigentlich und aus der Einbettung in eine umfangreichere Formulierung herausgelöst. Auf diese Weise stellt BL das aus der Zielperspektive optimale Format her: direkte Rede, Ich-Form, kurz und prägnant.

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Die Aufgabe, den Perspektivenwechsel möglich zu machen, kann unterschiedlich gelöst

werden. Im vorliegenden Fall wird die Perspektivierungsaufgabe durch eine Form von

Evozieren bearbeitet, bei der der Ratgeber dem Ratsuchenden eine Situation vorstellt

(eine Form von Evozieren) und ihn veranlasst, sich in diese Situation zu versetzen und

bestimmte Wahrnehmungen, insbesondere Selbstwahrnehmungen zu formulieren. In

dieser Hinsicht handelt es sich also um eine Form von Hervorlocken. Aufgrund der

Analyse der Explorationssequenz ergeben sich folgende Teilaufgaben des Schemas:

a) Ein Szenario etablieren

Spezifische Qualität des Szenarios in Abhängigkeit von der übergeordneten Aufgabe

bzw. des Ziels, das mit dem Perspektivenwechsel erreicht werden soll. Das Szenario

soll einen Rahmen bilden für die Mitarbeit der Zielperson. Im Beispiel wird die Mög-

lichkeit und Bereitschaft zur Mitarbeit schon mit der Vorbereitung des Szenarios gesi-

chert.

b) Zuspitzung auf eine Fokusaufgabe und Verdeutlichung der Lösungsperspektive

Im Beispiel wird dazu eine Zuspitzung von Fragen auf eine enge Zielprojektion einge-

setzt. Der Verdeutlichung der Perspektive, aus der die Aufgabe zu lösen ist, dienen ei-

nerseits die Rollenübernahme / das evozierende innere Sprechen aus der Perspektive der

Zielperson und die Lösungsvorgaben. Insofern ist BLs Sprechen aus der Perspektive

von MA eine Hilfe für deren Übernahme der aktiven Rolle. Ein Schlüsselelement ist die

Produktion von Mustern für die angemessene Bearbeitung der Fokusaufgabe. Im vorlie-

genden Fall präsentiert BL Formulierungskandidaten. Damit unterstützt sie MA, indem

sie ihr ein Modell zur Aufgabenbearbeitung an die Hand gibt und den Einstieg in die

Aufgabenbearbeitung leichter macht. Allerdings werden dadurch andere Formulie-

rungsmuster, die ggf. eher MAs Perspektive entsprechen würden, als irrelevant bzw.

unangemessen ausgeschlossen. Die Vorgabe von Formulierungsmustern, durch die eine

Perspektive als die Perspektive der Adressatin präsentiert wird, schränkt deren Freiheit

weitaus stärker ein als ihr aus der Distanz eine generell mögliche Sicht zu präsentieren

(„Könnte man es nicht auch so sehen...“; „in einer solchen Situation könnte man auch

sagen...“) und ihr die Freiheit zu lassen, sich für oder gegen diese Perspektive zu ent-

scheiden. Es liegt auf der Hand, dass die von BL gewählten rhetorischen Verfahren

hochgradig direktiv sind.

(c) Fokussierung konstant halten und auf Bearbeitung der Aufgabe bestehen

Fokusverschiebungen und Rückkehr der Zielperson zur eigenen, mitgebrachten Per-

spektive werden abgewehrt. Wie BL demonstriert, kann es sinnvoll und für die Mitar-

beit der Zielperson förderlich sein, von ihr eingebrachtes nützliches Material in das

Szenario integrieren. Insistieren; im Beispiel: Abwehr von diskrepanten Antworten

durch Ignorieren oder Relativieren; Folgen von insistierenden Fragen; d.h. diese Hand-

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lungsphase ist generell mit Formen des Insistierens verbunden. Das Ausmaß hängt da-

mit zusammen, wie der stark der zu überwindende Widerstand der Zielperson ist.

(d) Bekräftigung angemessener Lösungen, Überarbeitung des Resultats und Einübung

der neuen Perspektive und Ergebnissicherung.

Das vorliegende Analysebeispiel zeigt, wie rhetorische Verfahren bei interaktiven

Schritten des Handlungsmusters eingesetzt werden, um zum nächsten Schritt im Hand-

lungsmuster überzugehen. Dabei ist deutlich geworden, dass die Interagierenden unter-

schiedliche rhetorische Verfahren wählen können, um die Handlungsdynamik voranzu-

treiben. „Einen Perspektivenwandel anleiten“ stellt dabei eine kommunikative Hand-

lungsstrategie dar.

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