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Persuasive Leidenskommunikation Für eine humane Anschlussfähigkeit des Unmenschlichen Alexander Filipović Vortrag am 20.2.04 Jahrestreffen des Netzwerkes Medienethik

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Persuasive Leidenskommunikation

Für eine humane Anschlussfähigkeit des Unmenschlichen

Alexander Filipović Vortrag am 20.2.04 Jahrestreffen des Netzwerkes Medienethik

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Einleitung und Fragestellung Das Wissen über das Leiden von Menschen

im Krieg und bei Terror gelangt – natürlich – durch öffentliche Kommunikation (Massenmedien) in unser Bewusstsein.

Von dem Leid in der Welt, in der wir leben, wissen wir durch die Massenmedien.

Zentrale Fragestellung: Welche Bedeutung hat die öffentliche Kommunikation über globales Leid und was sind die ethischen Konfliktfelder?

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Vorgehen

1. Einleitend: Leidensthemen als Gegenstand der Medienethik.

2. Theologisch-anthropologische Zugänge: Menschliches Leiden

3. Kommunikationswissenschaftlicher Zugang: Jede Publizistik, die globale Konflikte und damit verbundenes Leid thematisiert, persuadiert.

4. Leidenspublizistik: Chancen, Gefahren und medienethische Prinzipien

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Leidensthemen als Gegenstand der Medienethik (1) Susan Sontag und die Bilder vom Leiden anderer im

Krieg „Die Menschen verhärten sich [...] gegen das,

was man ihnen zeigt, nicht wegen der Quantität der Bilder, die ihnen vorgesetzt werden. Es ist vielmehr die Passivität die abstumpft.“ (Sontag 2003: 118, Hervorheb. i. Orig.)

Chancen und Grenzen der Leidensbilder; vom Bild zum Text „Quälende Fotos verlieren nicht unbedingt ihre

Kraft zu schockieren. Aber wenn es darum geht, etwas zu begreifen, helfen sie kaum weiter. Erzählungen können uns etwas verständlich machen.“

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Leidensthemen als Gegenstand der Medienethik (2) Angesichts des täglichen und

unmenschlichen Leids und den Auswahlprozessen, denen diese Themen in Redaktionen und Agenturen unterliegen, erscheint es zynisch, nur medienskandalnahe Fälle als Gegenstand einer Ethik der öffentlichen Leidenskommunikation zu wählen. Wir können gar nicht anders, als Leid allgemein

zum Thema einer medienethischen Reflexion zu machen, um danach erst zurückzukehren zu vereinfachten Kategorien, die publizistisches Alltagsentscheiden leiten könnten.

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Theologisch-anthropologische Zugänge: Menschliches Leiden (1) Der Zusammenhang von Anthropologie und

Ethik Leid ist etwas Privates, Leid entzieht sich

einer Objektivität. Extremes Leid sogar „privatisiert den Menschen total, es zerstört seine Fähigkeit zur Kommunikation“ (Sölle 1973: 89).

Die Würde des Leidenden: „Sich ‚einfühlen’ und hineinreden mag da mancher; doch ist ihm allererst seine Unzuständigkeit vorzuhalten – oft genug tut das der Leidende selbst“ (Splett 1996: 217)

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Theologisch-anthropologische Zugänge: Menschliches Leiden (2) Trotz aller Intimität teilt sich Leiden mit. „Das Leiden

muss Sprache finden und benannt werden“ (Sölle 1973: 97), damit es sozial wahrgenommen und bekämpft werden kann.

Es geht einerseits um die Bekämpfung des Leidens, andererseits um eine Anerkennung des Leidenden.

Orientierung in unserer Welt ist immer mehr auch Orientierung in der Welt der Anderen. Zentrale These: Leidenspublizistik stellt dafür

öffentlich Leidensthemen bereit und nimmt damit in weltgesellschaftlicher Hinsicht eine Funktion wahr, die nicht vorschnell als Sensationsjournalismus o.ä. abzutun ist.

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Kommunikationswissenschaftlicher Zugang (1)

Persuasion Semantisch: Überzeugung, Verstehen

oder Überredung(skunst) von Menschenmengen

typisch für Organisationen, „die [...] asymmetrisch, verlaufende Kommunikation anstreben [...], indem sie um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konkurrieren“ (Ronneberger/Rühl 1992: 300).

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Kommunikationswissenschaftlicher Zugang (2) Was sind Leidensthemen der persuadierenden

öffentlichen Kommunikation? „Thema“: „Themen eröffnen und begrenzen einzelne

Kommunikationssequenzen. Durch die Wahl eines Themas wissen die Beteiligten wovon die Rede ist [...]. Themen sollen Aufmerksamkeit für selektierten Sinn wecken, und sie sollen veranlassen, dazu ‚passende’ Informationen zu erwägen.“ (Rühl 2000: 264)

Die Auswahl von Leidensthemen „richten sich weniger nach situativ-taktischen Strategien, als nach längerfristig angelegten Produktionsstandards [...], Erfahrungen [...] und den implizierten Erwartungen des unbekannten Publikums [...].“ (Dernbach 2000: 46)

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Leidenspublizistik: Chancen, Gefahren und Prinzipien (1) Ökonomische Instrumentalisierung menschlichen

Leids. Die Achtung vor der besonderen Würde des leidenden Menschen verbietet dies.

Leidensthemen treten in öffentlicher Kommunikation immer persuasiv auf, so dass Menschen Zeitungen kaufen, ihre Rundfunkgebühren weiterhin bezahlen und Werbekunden Sendezeit bezahlen – damit weiterhin Leiden thematisiert werden kann.

Funktion der Leidenspublizistik: Herstellung und Bereitstellung von Leidens-Themen durch Publizistik „zum gesellschaftlichen Weiterkommunizieren“ (Rühl 2001: 259)

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Somalia, 1992 - Famine victim sewn into burial shroud. Fotografiert von James Nachtwey. Quelle: http://www.jamesnachtwey.com/

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Leidenspublizistik: Chancen, Gefahren und Prinzipien (2) Es gibt eine generelle Unzuständigkeit, Leiden zum

Thema öffentlicher Kommunikation zu machen. Es gibt eine Pflicht, das Leiden der Welt, vor allem das

vermeidbare Kriegs-Leid, zum Thema der öffentlichen Kommunikation zu machen.

Angesichts propagandistischer Interessen der Leidenskommunikation gilt es, die unveräußerliche Menschenwürde jedes (jedes!) Leidenden zu berücksichtigen. Vielleicht hilft die Testfrage: Nützt die Veröffentlichung des Leidens, weiteres Leid zu verhindern?

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Leidenspublizistik: Chancen, Gefahren und Prinzipien (3) Es gilt für die Produktionsseite, die Kompetenzen und

Möglichkeiten der Rezipienten hinsichtlich der Leidenskommunikation zu antizipieren und besser gering einzuschätzen, um die Rezipientenseite zu schützen.

Leidenskommunikation ist eine kommunikations-, eine bildungspolitische und eine medienpädagogische Herausforderung. Generell sind Bedingungen der Möglichkeit zu schaffen (Befähigung und Beteiligung!), dass persuadierende Leidenskommunikation hilft, neues Leid zu verhindern.

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Alexander Filipovic M.A. Wissenschaftlicher MitarbeiterLehrstuhl Christliche Soziallehre und Allgemeine ReligionssoziologieOtto-Friedrich-Universität BambergAn der Universität 296047 Bamberg, Germany Phone: +49 (951) 863 1724Fax: +49 (951) 863 4724Cell phone: +49 (179) 3204902E-Mail: [email protected]: www.uniba.de/ktheo/csl

Kontakt

Hinweis:

Diese PowerPoint-Präsentation steht zur Verfügung auf http://filipovic.bnv-bamberg.de/vortraege.htm