Peter Aschoff: Macht und Mächte

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Macht, Ohnmacht und das „domination system“

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Macht, Ohnmacht und das „domination system“

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Die FrageWie ist es möglich, dass buchstäblich Milliarden von Menschen es zulassen, hereingelegt und abgezockt zu werden von kleinen elitären Zirkeln, die sich auf Armeen stützen, die bei weitem nicht ausreichen um die Weltbevölkerung zu unterdrücken? Das ist wohl das größte politische Mysterium aller Zeiten: das regelmäßige Versagen der Massen, ihre zahlenmäßige Überlegenheit auszunutzen, um ihre Unterdrücker abzuschütteln.

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Walter Wink (†2012)

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Auf jeder Seite des Neuen Testaments begegnen wir der Terminologie der Macht: jene Amtsinhaber, Ämter, Strukturen, Institutionen, Ideologien, Rituale, Regeln, Rollen, Akteure und spirituellen Einflüsse auf die Macht sich gründet und durch die sie ausgeübt wird. Die Sprache und Wirklichkeit der Macht zieht sich durch das Neue Testament, weil Macht eine der grundlegenden Weisen ist, wie unsere Welt organisiert ist und funktioniert.

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Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

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Das WortfeldDie „Sprache der Macht“ ist vage, fließend, austauschbar und unsystematisch

dennoch zeichnen sich bestimmte Muster ab

ein Paar oder eine Reihe von Begriffen kann das Ganze abbilden

die Mächte sind himmlisch und irdisch, göttlich und menschlich, geistlich und politisch, unsichtbar und strukturell – in der Regel beides zugleich

Sie sind in der Regel moralisch zumindest ambivalent

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Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Drahtzieher und Machtzentren, gegen die Beherrscher dieses finsteren Systems, gegen die böse Spiritualität der Atmosphäre.

Eph. 6,12

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Wer ist dem Tier gleich und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen? (Offb. 13,4)

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Den Mythos verstehenmoderner Reduktionismus („nichts als“) wird der Sache nicht gerecht

Mächte sind als unsichtbare, aber reale „Innenseite“ unserer Institutionen, Strukturen etc. verstehbar

weder bloßes Epiphänomen noch nachträgliche „Personifizierung“

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Kosmos, Äon und Fleisch

Kosmos im NT: „Welt“ als ambivalente Struktur und System

negativ: benebelnde „Atmosphäre“, die bestimmt, was ich glaube, was einen Wert hat, was ich wahrnehme

Aion - Zeitalter/Epoche, jetzt (der „alte Äon“) im Zeichen des Falls und der Entfremdung

„Fleisch“ - geknechtete Existenz, verinnerlichte Komplizenschaft, Sklaven- und Handlangermentalität gegenüber dem System

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Wenn das herrschende System euch hasst, dann wisst, dass es mich schon vor euch gehasst hat. Würdet ihr mit dem System kooperieren, würde das System euch dafür lieben. Aber weil ihr dem System den Rücken gekehrt habt – weil ich euch dem System entwunden habe! – darum hasst euch das System.

Joh 15,18-19Im alten System steht ihr unter Druck; aber habt Mut: Ich habe das System überwunden.

Joh 16,33

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Mächte und MärtyrerTier und Drache (Offb. 13): Wer die Spiritualität des Systems und seiner Propaganda ablehnt, wird verfolgt

Der Kapitalismus vergötzt die Mechanismen des Marktes und verdinglicht die Menschen

Rom: betende Märtyrer decken auf, dass der Kaiser die Macht verloren hat

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Die Treue zum Evangelium besteht nicht darin, dass wir seine Slogans wiederholen, sondern darin, dass wir den vorherrschenden Götzenkult in seine zersetzenden Säuren werfen. Wir müssen es lernen, die Spiritualität von Institutionen ebenso anzusprechen wie ihre sichtbaren Ausdrucksformen, mit dem ultimativen Anspruch des Ultimativen Menschen. Das Versagen der Gnostiker, an dem materiellen Pol dieser Aufgabe festzuhalten, macht ihren großen Abfall aus. Als Resultat ihres fast schon pathologischen Hasses auf die Materie haben sie [nicht nur sie…] die Mächte ganz und gar spiritualisiert.

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nur äußere Strukturen zu verändern, reicht nicht aus

es gilt, die Mächte daran zu erinnern, wem sie unterstehen

Evangelisation und soziales Engagement sind nicht zu trennen

aber weder ein privates Evangelium noch eine private Bekehrung – und kein „personal Jesus“ (der ist eine Erfindung der Mächte…)

Jede Befreiung ist immer auch eine Bekehrung

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Das „domination system“

Offenbarung 12ff: Gott duldet es, Menschen geben ihm die Macht

„Tausche Menschenrecht gegen Bratpfanne“

Es zieht sich seine Amtsträger heran

Menschen haben Grenzen erfunden, irgendwann „erfanden“ dann Grenzen Menschen

Nicht nur die „Täter“, auch die Opfer müssen umkehren und befreit werden

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„Die Macht muss fälschen, weil sie in ihren eigenen Lügen gefangen ist. Sie fälscht statistische Daten. Sie täuscht vor, dass sie keinen allmächtigen und zu allem fähigen Polizeiapparat hat, sie täuscht vor, dass sie die Menschenrechte respektiert, sie täuscht vor, dass sie niemanden verfolgt, sie täuscht vor, dass sie keine Angst hat, sie täuscht vor, dass sie nichts vortäuscht.“

Vaclav Havel

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„Ohne klare Vorstellung vom Kontrast zwischen Gottes herrschaftsfreier Ordnung und dem Herrschaftssystem wird das Evangelium in einem soziopolitischen Vakuum verkündet, einem zeitlosen, orts- und kontextfreien, ewigen Nirgendwo. Die Wahrheiten des Evangeliums werden als ewige Prinzipen behandelt, die mit den konkreten Dingen dieser Welt nichts zu tun haben.“

(EtP S. 48)

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Liebt nicht das Herrschaftssystem und was dazu gehört! Wer das System liebt, hat die Liebe zum Vater nicht. Denn alles an diesem System, die Begehrlichkeiten einer entfremdeten Existenz und rastloser Augen und das Prahlen derer, die von sich selbst benebelt sind, ist nicht vom Vater, sondern stammt aus dem Herrschaftssystem. Dieses System und seine perverse Gier vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt ins kommende Zeitalter hinein.

1.Joh 2,15-17

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Die Aufgabe„So sollen jetzt die Machthaber und Gewalten des himmlischen Bereichs durch die Kirche Kenntnis erhalten von der vielfältigen Weisheit Gottes“

götzenhafte Ansprüche entlarven / Legitimation in Frage stellen

entmenschlichende Werte und kollektive Egoismen/Gewalt öffentlich darlegen

ein heilsames Gegenklima schaffen – Sehnsucht und Erwartung nach Gottes Reich offen halten

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Reich ohne „Herrschaft“

Gottesreich als herrschaftsfreier Modus des Lebens

Das Evangelium ist ein kontextbezogenes Heilmittel gegen die Tücken des domination system:

Es ermächtigt Frauen, Arme, „Sünder“ und „Unreine“

Im Zentrum dieses Reichs steht der Gottesknecht, der sein Leben um anderer willen verloren hat

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Das Kreuz und die Mächte

Jesus als „die nackte, wehrlose Wahrheit“ über die Welt/das SystemEr legt sich nicht nur mit einem bestimmten Weltreich/Herrscher an, sondern mit dem kompletten System. Er offenbart so

die verheimlichte Bosheit und Gewalttätigkeit des Systemsdie Verstrickung der Menschheit in das Systemdas Unvermögen des Systems, ihn davon abzuhalten, den Willen Gottes zu tundie Machtlosigkeit des Todes und die Macht der Wahrheit

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Was Jesus umbrachte, war nicht etwa Irreligiosität, sondern die Religion selbst; nicht Gesetzlosigkeit, sondern eben das Gesetz; nicht die Anarchie, sondern die Wahrer der Ordnung. Es waren nicht die Bestialischen, sondern die vermeintlich Besten, die den einen kreuzigten, in dem die göttliche Weisheit sichtbar Mensch geworden war. Und weil er nicht nur unschuldig war, sondern die Verkörperung der wahren Religion, des wahren Gesetzes und wahrer Ordnung, hat dieses Opfer ihre Gewalt als das entlarvt, was sie ist: nicht die Verteidigung der Gesellschaft, sondern ein Angriff auf Gott.

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Den Mächten sterben„Wir sind tot, insofern wir mit ungerechten Mustern groß geworden sind. Wir sind Stück für Stück gestorben, indem uns wesensfremde Erwartungen aufgezwungen wurden. Wir starben, als wir zu Komplizen unserer eigenen Entfremdung und der anderer wurden. Wir starben, als wir anfingen, unsere Fesseln zu lieben, zu rationalisieren, zu rechtfertigen und uns sogar für sie stark zu machen. Und in einer Art himmlischen Homöopathie müssen wir das schlucken, was uns umgebracht hat, um zum Leben zu gelangen.“

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Bekehrung!„Im Gegensatz zu liberaleren Gruppen, die dazu neigen, „Bekehrung“ für ein Unwort in der feinen Gesellschaft zu halten, und Veränderung des Lebens mit veränderten Ideen gleichzusetzen (und daher die Bildung betonen), erkennen Evangelikale zu Recht die radikalere Operation, die nötig ist. Sie zielen auf das Herz – die ganze Gestalt des Ego, Ideen, Emotionen, Glaubensinhalte und Mythen. Ihr größter Fehler ist, dass sie die Dimension der Mächte außer Acht lassen. Als Folge davon wird der aufrichtig bekehrte Mensch in die alte, unveränderte Welt zurückgeschickt, ohne großes Verständnis für die sozialen Dimensionen von Sünde, die dadurch verschleiert werden, dass man alles „dem Satan“ anlastet, der als Schreckgespenst dargestellt wird, aber nicht als der Geist des Herrschaftssystems.“

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Der Sieg des Glaubens… über die Mächte besteht nicht in der Immunität gegen ihren Zorn, sondern in der Emanzipation von ihren Trugbildern. Und selbst was ihren Zorn angeht, können wir Gottes erlösende Gnade gar nicht ermessen.

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Gewaltlosigkeit & Feindesliebe

Nicht nur die Opfer, auch die Täter und Profiteure verlieren ihre Menschlichkeit

pastorale Aufgabe: Liebe glaubt an die Erlösungsfähigkeit des Feindes und spricht ihn darauf an

Keine Verharmlosung des Unrechts - aber der andere wird als Mensch behandelt

Möglichkeit der Umkehr und Versöhnung

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Wir leben zwar in diesem Herrschaftssystem, kämpfen aber nicht mit den Mitteln des Systems; Die Waffen, die wir bei unserem Feldzug einsetzen, sind nicht systemimmanent, aber sie haben durch Gott die Macht, Bollwerke zu schleifen; mit ihnen reißen wiralle rationalen Berechnungen nieder, die sich gegen die Erkenntnis Gottes auftürmen. Wir nehmen alles Denken gefangen, unter den Gehorsam, den der Messias uns vorgelebt hat;

2.Kor 3,3-5

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Das Gebet„ego-surrender“ statt „ego-conquest“ (-> Taufe!)

Aktion und Kontemplation gehen oft Hand in Hand

Konfrontation und gewaltfreier Kampf offenbart Bedarf an Veränderung des Selbst

Wie hält man durch, ohne zum Fanatiker oder Zyniker zu werden?

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Lob und AnbetungMeine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. … Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.

Das „homöostatische Prinzip des Universums“ – jeder Teil findet seinen Platz im Ganzen: Anbetung und Anmaßung schließen einander aus

Mächte und eigene Bedürfnisse werden depotenziert. Sie haben einen legitimen Ort, aber sie sind nicht absolut

Offenbarung: Auf dem Thron sitzt das Lamm, das geschlachtet wurde

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Modellfall: AsylNicht einfach nur Protest - es geht um die Unterscheidung („discernment“) der Geister: Wie „ticken“ und (re)agieren die Systeme und Subsysteme?

Wache Selbstprüfung: Wo bin ich Teil des Problems und verstrickt, muss umkehren?

Gebet, das die Situation öffnet auf Veränderung hin: Kommen der Gottesherrschaft

sichtbare Aktion – die Mächte erinnern, wem sie dienen

Menschen nicht als die eigentlichen Feinde behandeln, die eigenen Lösungen als fehlerhaft und vorläufig verstehen

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Zweifelt ihr etwa nur deshalb an den Prophezeiungen, weil Ihr selbst tatkräftig daran mitgewirkt habt, das sie in Erfüllung gehen? Ihr glaubt doch nicht etwa, es sei Zufall, dass ihr die Abenteuer bestanden habt und all den Gefahren entkommen seid und dass das einzig zu Eurem Nutzen geschehen ist?

Ihr seid ein prächtiger Kerl, Mister Beutlin, und ich habe Euch sehr gern. Aber schließlich seid Ihr doch nur ein kleines Pünktchen in einer sehr großen Welt.

Schlusswort