Phänomenologische Lebensweltanalyse und … · 2016-02-27 · Phänomenologische Lebensweltanalyse...
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Phänomenologische Lebensweltanalyse und sozialwissenschaftliche Methodologie
Thomas S. Eberle
Das Werk von Alfred Schütz ist vielschichtig und kann entsprechend aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Sein zentrales Motiv liegt jedoch zweifellos im Beitrag seiner Lebensweltanalyse an die Methodologie der Sozialwissenschaften. Das erklärte Ziel des Sinnhaften Aufbaus der sozialen Welt war es, eine "philosophisch begründete Methodenlehre" der sozialwissenschaftlichen Verfahrensweisen zu entwickeln (Schütz 2004: 75). Trotz der zahlreichen thematischen Verästelungen seines Werks hat Schütz dieses Ziel nie aus den Augen verloren. So enthielt sein Gliederungsentwurf für das geplante Opus Die Strukturen der Lebenswelt ein Kapitel "Die Wissenschaften von der Lebenswelt" (SchützlLuckmann 1984: 217-234) gleichsam als krönenden Abschluss. Die verschiedenen Facetten der phänomenologischen Lebensweltanalyse waren also auch in seinem abschließenden Gesamtwerk so angelegt, dass sie in einer philosophischen Begründung der Wissenschaften von der Lebenswelt gipfelten. Da Luckmann bei der posthumen Herausgabe der Strukturen sich dazu entschlossen hat, dieses Kapitel ersatzlos zu streichen, ist diese Zielrichtung gerade bei weniger sachkundigen Schütz-Rezipienten manchmal etwas aus den Augen geraten. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es daher, den Zusammenhang zwischen phänomenologischer Lebensweltanalyse und sozialwissenschaftlicher Methodologie zu explizieren und zu diskutieren.
1. Die phänomenologische Lebensweltanalyse als Fundament der Sozialwissenschaften
Der Sinnhafte Aufbau hatte diesbezüglich eine klare Struktur: In den "Einleitenden Untersuchungen" (Erster Abschnitt) legte Schütz seine Problemstellung dar, adaptierte Max Webers handlungstheoretische Grundlegung der Verstehenden Soziologie und setzte sich sogleich auch kritisch mit dessen von Ambiguitäten durchsetzten Sinnbegriff auseinander. Darauf formulierte
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er das Ziel, "mit Hilfe der Konstitutionsanalyse das Sinnproblem exakt zu bestimmen", auf dieser Grundlage "in schrittweisen Analysen die Sinnstruktur der Sozialwelt zu untersuchen und auf diese Weise den methodischen Apparat der verstehenden Soziologie in einer tieferen Schicht, als dies durch Max Weber geschehen ist, zu verankern" (Schütz 2004: 94). Im Zweiten Abschnitt beschäftigte er sich mit der ,,Konstitution des sinnhaften Erlebnisses in der je eigenen Dauer", also mit den polythetischen Prozessen der Sinnkonstitution und ihrer Zeitlichkeit, der Bildung von Sinn- und Erfahrungszusammenhängen, den attentionalen Modifikationen des Sinns, dem Aufbau der Erfahrungswelt und ihrer Ordnung unter Deutungsschemata, dem Begriff der Handlung und ihrer Um-zu- und Weil-Motive sowie der Selbstauslegung aus einem jeweiligen Hier und Jetzt und So. Im Dritten Abschnitt entwirft er die Grundzüge einer Theorie des Fremdverstehens", wo er mit der "Generalthe
;is des alter ego in der natürlichen Anschauung" den Schritt von der Transzendental- zur Mundanphänomenologie vollzieht und das Fremdverstehen als signitive Erfassung des Anderen über Zeichen und Anzeichen in Akten der Selbstauslegung beschreibt. Hier führt er die Unterscheidung von subjektivem und objektivem Sinn ein, wie auch die Formel, dass (aufgrund der unterschiedlichen Wissensvorräte und Relevanzsysteme ) kein vollständiges Verstehen möglich sei, sondern immer nur approximative Annäherungen. Im Vierten Abschnitt befasst er sich mit der "Strukturanalyse der Sozialwelt" und legt dar, wie sich Verstehensprozesse je nach Gegebenheitsweise des alter ego anders gestalten: Während mit Angehörigen der sozialen Umwelt face-to-face-Interaktionen in vis-a-vis-Situationen möglich sind, sind Mitwelt und Vorwelt nur als Typen erfassbar. Im Fünften Abschnitt reflektiert Schütz schließlich "Über einige Grundprobleme der Verstehenden Soziologie" und zieht die Schlussfolgerungen aus seinem Entwurf einer Proto-Hermeneutik für die Methodologie der Sozialwissenschaften. Dabei beschäftigt er sich mit der Methode des Idealtypus, dem Problem der Kausal- und der Sinnadäquanz, der mitweltlichen Beobachtung des Sozialwissenschaftiers, der Bevorzugung rationaler Handelnstypen durch die Verstehende Soziologie und dem Schlüsselproblem der Sozialwissenschaften, wie objektive Sinnzusammenhänge von subjektiven Sinnzusammenhängen gebildet werden können.
Der Sinnhafte Aufbau ist meines Erachtens das Schlüsselwerk von Alfred Schütz. Es bildet gleichsam die Basis für die weiteren Reflexionsstränge seines späteren Werks. Gegenüber der analytischen Tiefe und der Systematik seiner hier vorgelegten Analysen wirken manche seiner späteren Erörterungen oberflächlicher und skizzenhafter. Dies gilt besonders in Bezug auf seine methodologischen Überlegungen. Andererseits erweiterte er sein Analysespektrum durch wichtige Ergänzungen, insbesondere durch seine Beiträge zur Lebenswelt als unbefragten Boden aller Wissenschaften (im Anschluss an
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das Krisis-Buch von Husserl 1954), zu den Mannigfaltigen Wirklichkeiten (im Anschluss an William James 1907) sowie durch die Unterscheidung zwischen Alltagswelt und Welt der Wissenschaft und der Erörterung ihrer gegenseitigen Beziehung. Dadurch ergab sich zweieinhalb Jahrzehnte später ein differenzierterer Blick auf die sozialwissenschaftliche Methodologie. Gemäß dem Gliederungsentwurf für Die Strukturen der Lebenswelt anhand seiner Karteikarten, der im Anhang des zweiten Bandes verdienstvoller Weise abgedruckt ist (SchützlLuckmann 1984: 217-234), sah Schütz die folgende Struktur für die systematische Gesamtdarstellung seines Werks vor:
1. Die Lebenswelt der natürlichen Einstellung 2. Die Aufschichtungen der Lebenswelt 3. Das Wissen von der Lebenswelt. Relevanz und Typik 4. Die Lebenswelt als Bereich der Praxis 5. Die Trans:tendenzen der Lebenswelt und ihrer Überwindung durch Zei
chen und Symbole 6. Die Wissenschaften von der Lebenswelt
Luckmann hat auf die Veröffentlichung dieses geplanten Schlusskapitels verzichtet. Dafür führte er insbesondere zwei Gründe an: Erstens schienen Schütz' Entwürfe nicht wesentlich über dessen Aufsatz "Alltägliche und wissenschaftliche Interpretation menschlichen Handelns" (Schütz 1971) hinauszugehen, der den substanziellsten methodologischen Beitrag nach dem Sinn haften Aufbau darstellte. Zweitens ließ Luckmann durchblicken dass seine eigenen Ansichten von jenen Schütz' abwichen und er auf grund' mangelnder Hinweise dieses Kapitel nicht in dessen Sinne hätte schreiben können (Luckmann 2003: 21 [1975: 16]). Beide Gründe sind nachvollziehbar, hatten aber zur Folge, dass der immanente Zusammenhang von Schütz' Lebensweltanalyse und der sozialwissenschaftlichen Methodologie von NichtKennern leicht übersehen wird. Dadurch, dass in der Neuausgabe der Strukturen der Lebenswelt die Karteikarten nicht mehr abgedruckt wurden (SchützlLuckmann 2003), dürfte sich dieser Sachverhalt eher noch verstärken.
Es soll hier kurz skizziert werden, welche Gliederung Schütz für das geplante Schlusskapitel vorsah und welche Argumente er dafür skizzierte (SchützlLuckmann 1984: 231-234):
a) Lebenswelt als unbejragter Boden aller Wissenschaften: Wissenschaftliche Forschung beginnt im Fraglich-Gewordenen, das vordem fraglos war, und steht in einem Horizont von Fraglosem. Wie Husserl in der Krisis (1954) zeigte, geht
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die Lebenswelt aller Wissenschaft voraus; auch die Naturwissenschaft wurzelt in der Lebenswelt, ebenso die Genealogie der Logik (Husserl1976). b) Zur Phänomenologie der natürlichen Einstellung: Hier sollte Husserls Forderung, die Lebenswelt durch eine phänomenologische Konstitutionsanalyse zu explizieren, beschrieben und diskutiert werden. Schütz wollte sich hinter Husserls Begriff der "Geisteswissenschaften" und deren Aufgaben stellen und sich kritisch mit den eidetischen Analysen von Sozialgebilden durch Husserls Schülerinnen Edith Stein und Gerda Walther auseinandersetzen. Die leitende Frage war dabei, ob eine reale Ontologie der Sozialwelt als eidetische Wissenschaft möglich sei. Mit seiner Konstitutionstheorie der sozialen Welt wählte Schütz bekanntlich einen alternativen Weg. c) Naturwissenschaft und Sozialwissenschaft: Hier ging es ihm im ersten Subkapitel darum, die vorgebliche Differenz zwischen naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Methoden zu klären. Beide verfahren empirisch, und beide streben nach logischer Konsistenz ihrer Aussagen, doch setzt der logische Positivist gerade das voraus, was der Gegenstand der Sozialwissenschaften ist, nämlich die soziale Welt. Das zweite Subkapitel befasste sich mit dem Thema Verstehen und Erklären. Das Verstehen sei keine Kategorie der Sozialwissenschaften, sondern eine Methode der lebensweltlichen Praxis. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen der Selbstauslegung durch den Handelnden, dem Fremdverstehen durch einen Partner, der mit ihm in einer Wirkensbeziehung steht, dem Verstehen durch einen unbeteiligten alltagsweltlichen Beobachter und schließlich dem mitweltlichen Verstehen eines wissenschaftlichen Beobachters. Das Postulat vom "subjektiv gemeinten Sinn" bedeutet, dass man nach dem Sinn suchen muss, den das Handeln für den Handelnden hat. Aus dieser Position leitet sich dann auch die dezidierte Kritik des Behaviorismus ab. Im dritten Subkapitel geht es schließlich um den prinzipiellen Unterschied zwischen den Gedankenobjekten der Natur- und der Sozialwissenschaften: Im Gegensatz zur Naturwelt ist die Sozialwelt sinnhaft vorinterpretiert. Daraus ergibt sich die ZweiLevel-Theorie: Sozialwissenschaftliche Konstruktionen sind Konstruktion zweiter Ordnung und müssen sich auf die Konstruktionen erster Ordnung beziehen.
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d) Was ist Gegenstand der Sozialwissenschaft? Hier stellt Schütz die Frage nach der Beziehung zwischen Sozialwissenschaft und lebensweltlicher Realität und fragt, was soziale Realität denn eigentlich sei. Zentral ist hierbei zweierlei: Erstens die handlungstheoretische Grundlegung im Anschluss an Max Weber und dessen methodologischen Individualismus, also die Rückführung sämtlicher Kollektiva auf die Handlungen konkreter Individuen, und zweitens die Unterscheidung zwischen alltäglicher (common-sense) und wissenschaftlicher Interpretation sozialer Handlungen. e) Der SozialwissenschaftIer und seine Situation: Hier unterscheidet Schütz zunächst zwischen dem (alltagsweltlichen) Wissenschaftsbetrieb und der theoretischen wissenschaftlichen Einstellung. Darauf beschreibt er, was der Entschluss, den theoretischen Sprung zu vollziehen, fiir den (Sozial-)Wissenschaftler beinhalte: er ist ein "uninteressierter Beobachter", steht außerhalb der lebensweltlichen Situation und schaltet seine Biographie und die darin wurzelnden Relevanzsysteme aus. Stattdessen orientiert er sich am Korpus des wissenschaftlichen Wissens und dessen Relevanzstrukturen und an der Problemrelevanz der vorliegenden Fragestellung. Diese etwas artifiziell wirkende, aber oft auch missverstandene analytische Trennung verschiedener Sinnprovinzen, die sich in der wissenschaftlichen Arbeit oft eng verflechten, ist bekanntlich oft kritisiert worden. j) Lebensweltliche und wissenschaftliche Interpretation der Sozialwelt: Da die Lebenswelt sämtliche Wirklichkeitsbereiche umfasst, müsste es hier "alltägliche" Interpretation heißen. Hier geht es um Schütz' Zwei-Level-Theorie sowie die Prinzipien sozialwissenschaftlicher Modellkonstruktion: Da alle sozialen Phänomene auf individuelles Handeln zurückgefiihrt werden müssen, sollen Homunculi konstruiert werden, die mit einem Bewusstsein ausgestattet sind und typische Motive aufweisen, die zu beobachteten Handlungstypen passen. Das Problem, die wissenschaftliche Fragestellung, ist dabei der "locus" aller zu seiner Lösung relevanten Typen und steht selbst in einem Horizont von fraglos Gegebenem (insbesondere auch des wissenschaftlich Akzeptierten). g) Postulate sozialwissenschajtlicher Konstruktion: Hier nennt Schütz die Postulate der logischen Konsistenz, der subjektiven Interpretation, der Adäquanz sowie der Rationalität (in einigen
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Fällen), wobei die Frage, was Rationalität ist, besonders vertieft werden soll. Auf diese Postulate werde ich gleich näher eintreten. h) Die Einheit der Wissenschaft und das Problem der Kontinuität: Schütz akzeptiert sowohl die Idee der Einheit als auch der Kontinuität der Wissenschaft, doch lässt sich diese seines Erachtens nicht auf logisch-positivistischer (naturwissenschaftlicher) Grundlage errichten (wie auch der heutige Kritische Rationalismus noch glaubt). Die "wahre Einheit" der Wissenschaft sei vielmehr durch deren Ursprung in der Lebenswelt gewährleistet. Sie sei daher nicht naturwissenschaftlich, sondern - im Husserl'schen Sinn - geisteswissenschaftlich orientiert. Nur eine phänomenologische Konstitutionstheorie kann nach Schütz "das berechtigte Postulat der Positivisten nach Kontinuität" (1984: 234) erfüllen. Allerdings fügte Schütz kritisch an, es bleibe fraglich, "ob eidetische und transzendentale Phänomenologie Husserls Hoffnungen erfüllen kann" (1984: 234). Im Unterschied zum Sinnhaften Aufbau waren ihm mittlerweile Zweifel gekommen, ob die philosophische Begründung der Sozialwissenschaften mittels der phänomenologischen Lebensweltanalyse letztgültig möglich sei.
Die Vorinterpretiertheit der Sozialwelt und der Unterschied zwischen Naturund Sozialwissenschaften sind heute weitgehend konsensfahig. Welche Konsequenzen hieraus jedoch zu ziehen sind, daran scheiden sich die Geister. Im Folgenden werde ich mich auf Schütz' Postulate sozialwissenschaftlicher Konstruktion konzentrieren.
2. Schütz' Postulate sozialwissenschaftlicher Konstruktion
Nach Schütz ist den Sozialwissenschaften, soweit sie theoretisch ausgerichtet sind und sich nicht, wie die Historik, mit konkreten Personentypen befassen, ein mitweltliches Verstehen eigen. Dies folgt aus der speziellen Attitüde des Wissenschaftlers als "uninteressierter Beobachter ", dessen Sinndeutung nicht an pragmatische Motive gebunden ist, sondern nach Wahrheit strebt. Der Rahmen dieses Strebens wird einerseits durch das wissenschaftliche Relevanzsystem, insbesondere die vorliegende Problemstellung, und andererseits durch den überlieferten Wissenscorpus der betreffenden Disziplin gesetzt. Schütz fasst die Grundsätze, gemäß denen theoretische Modelle kon-
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struiert werden sollen, in den folgenden methodologischen Postulaten zusammen (Schütz 1971a; 1971b, 1972a; 1 972b):
1) Das Prinzip der Relevanz: Das wissenschaftliche Relevanzsystem bestimmt die Auswahl der Elemente, die Breite der Perspektive, die Komplexität des Modells etc. Jede Modellkonstruktion trägt daher den Index der jeweiligen Fragestellung, die sämtliche übrigen Aspekte mit der ceteris-paribus-Klausel als irrelevant ausschließt. Es gilt daher zu beachten, dass ein Wandel des Hauptthemas automatisch eine Veränderung der Sinnhorizonte der verwendeten Begriffe mit sich bringt. 2) Das Postulat der logischen Konsistenz: Das vom Wissenschaftler entworfene System typischer Konstruktionen muss den höchstmöglichen Grad an Klarheit und Bestimmtheit aufweisen und mit den Prinzipien der formalen Logik völlig verträglich sein. 3) Das Postulat der subjektiven Interpretation: Sozialwissenschaftliche Erklärungen müssen, wie dargelegt, auf den subjektiven Handlungssinn rekurrieren. Das bedeutet, dass auf grund typischer Muster eines beobachteten Handlungsablaufs ein Homunculus, ein Modell eines Handelnden konstruiert wird, dem ein Bewusstsein mit typischen Um-zu- und Weil-Motiven zugeordnet wird. Konstruktionen auf höherer Aggregatebene (z.B. das Operieren mit Angebots- und Nachfragekurven) sind zulässig, doch müssen sie so konzipiert sein, dass sie stets, wann immer nötig, in subjektive Handlungszusammenhänge überführt werden können. 4) Das Postulat der Adäquanz: Die Konstruktionen des Sozialwissenschaftlers müssen mit den Konstruktionen der Alltagshandelnden konsistent sein, d.h. sie müssen verständlich sein und ein Handeln zutreffend erklären. 5) Das Postulat der Rationalität: Modelle rationalen Handeins genießen den Vorzug, weil dieses besonders evident ist und daher einen Bezugspunkt für die Beschreibung von Abweichungstypen abgibt. Dieses Postulat ist fakultativ, wird aber insbesondere in der Ökonomie hochgehalten.
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3. Das Postulat der Adäquanz
Entscheidend scheint mir vor allem das Postulat der Adäquanz zu sein. Wann sind wissenschaftliche Konstruktionen adäquat?
3.1. Sinn- und Kausaladäquanz bei Max Weber
Rekapitulieren wir kurz Weber, an dem sich Schütz diesbezüglich orientiert: Erklärendes Verstehen, das den aktuellen wie den motivationsmäßigen Sinn erfasst, muss nach Weber den beiden methodologischen Postulaten der Sinnadäquanz und der Kausaladäquanz entsprechen:
",Sinnhaft adäquat' soll ein zusammenhängend ablaufendes Verhalten in dem Grade heißen, als die Beziehung seiner Bestandteile von uns nach den durchschnittlichen Denk- und Gefühlsgewohnheiten als typischer (wir pflegen zu sagen: ,richtiger') Sinnzusammenhang bejaht wird. ,Kausal adäquat' soll dagegen ein Aufeinanderfolgen von Vorgängen in dem Grade heißen, als nach Regeln der Erfahrung eine Chance besteht: dass sie stets in gleicher Art tatsächlich abläuft. [ ... ] Kausale Erklärung bedeutet also die Feststellung: dass nach einer irgendwie abschätzbaren, im - seltenen - Idealfall: zahlenmäßig angebbaren, Wahrscheinlichkeitsregel auf einen bestimmten beobachteten (inneren oder äußeren) Vorgang ein bestimmter anderer Vorgang folgt (oder: mit ihm gemeinsam auftritt)" (Weber 1972: 5 - Hervorhebung v. T.S.E.).
Sinnadäquanz ist mit anderen Wortengegeben, wenn erklärendes Verstehen evident ist. Doch eine noch so evidente Deutung bleibt stets nur eine Hypothese, solange nicht auch das Kriterium der Kausaladäquanz erfüllt ist. Umgekehrt bleibt eine kausaladäquate Aussage eine bloße unverstehbare statistische Wahrscheinlichkeit, wenn das Kriterium der Sinnadäquanz nicht erfüllt ist (Weber 1972: 4, 6). Fazit: "Nur solche statistischen Regelmäßigkeiten, welche einem verständlichen gemeinten Sinn eines sozialen Handeins entsprechen, sind [ ... ] verständliche Handlungstypen, also: ,soziologische Regeln'" (Weber 1972: 6). Bei diesen liegt stets eine "Konkordanz von Sinnadäquanz und Erfahrungsprobe" vor (Weber 1972: 5).
Weber hat den Begriff der Sinnadäquanz in Analogie zum Begriff der Kausaladäquanz gebildet, der in der Nationalökonomie und der Rechtslehre bereits eine längere Tradition hatte. Mit der Sinnadäquanz versuchte Weber Diltheys Anliegen in einem an Rickert orientierten neukantianischen Rahmen
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zu retten (Dilthey 1927; Rickert 1921, 1929). Ohne auf seine vielschichtigen Differenzierungen einzutreten, sei wenigstens darauf hingewiesen, dass Weber den Grad der Sinnadäquanz ,,nach den durchschnittlichen Denk- und Gefühlsgewohnheiten" (Weber 1972: 5) bemisst. Damit führt er ein statistisches Kriterium ein, das in Bezug auf die Sinnadäquanz nicht unproblematisch ist. Der Grund liegt meines Erachtensdarin, dass er die Sinnadäquanz in Analogie zum bestehenden Konzept der Kausaladäquanz gebildet hat.
Der Begriff der "adäquaten Verursachung" frodet sich bereits bei John Stuart Mill (1885). Wesentlich prägender für Webers Verständnis war indes die Diskussion, die seit den späten 1880er Jahren in der Rechtslehre geführt wurde. Ausschlaggebend war die" Theorie der Adäquanz ", die der Physiologe und Wahrscheinlichkeitstheoretiker Johannes v. Kries entworfen hatte (v. Kries 1886, 1888, 1889). Einer Anregung v. Liszts folgend, wandte v. Kries die Wahrscheinlichkeitstheorie auf den juristischen Begriff der "Verursachung und des ursächlichen Zusammenhangs" (v. Kries 1889: 531) an. So versuchte er, konstante Verknüpfungen zu statistischen Regularitäten zu verallgemeinern und die Strukturen der Zurechnung auf diesen aufzubauen. Dabei legte er den Begriff der objektiven Wahrscheinlichkeit zugrunde, nicht jenen der subjektiven Wahrscheinlichkeit (wobei er beide explizit auseinander hielt). Während sich die subjektive Wahrscheinlichkeit auf die Erwartungen einer Person in Bezug auf das Eintreten eines individuellen Ereignisses bezieht, geht es bei der objektiven Wahrscheinlichkeit um Ereignisklassen, die unabhängig von subjektiven Erwartungen eintreten.
Die Relevanz von generellen kausalen Zusammenhängen zwischen Handlungen und Erfolgen 1 für die strafrechtliche Zurechnung erblickt v. Kries nun darin, dass eine Handlung nach allgemeiner (statistischer) Erfahrung geeignet sein muss, den entsprechenden Erfolg zu begünstigen. Denn nur wenn dies der Fall ist, liegt eine "adäquate Verursachung" vor. Wenn also beispielsweise ein Kutscher einschläft und dadurch vom richtigen Weg abkommt und der von ihm beförderte Reisende vom Blitz erschlagen wird, so liegt zwischen dem Einschlafen des Kutschers und dem Tod des Reisenden keine adäquate Verursachung vor, "weil das Schlafen des Kutschers im allgemeinen die Möglichkeit einer Tötung durch Blitzschlag nicht vermehrt, (d.h.) eine solche herbeizuführen nicht generell geeignet ist" (v. Kries 1889: 532). Mit der auf statistischen Regelmäßigkeiten abgestützten generellen Verursachung möchte v. Kries eine Regel explizit machen, von der "das allgemeine Rechtsgefühl die strafrechtliche Zurechnung abhängig macht" (v. Kries 1889: 532). Seine These ist also nicht, dass probabilistische Aussagen direkt auf den Einzelfall
1 "Erfolg" nennt man in der Rechtsprechung das, was zugerechnet wird; also ein Ereignis oder einen Tatbestand, das bzw. der als durch eine Handlung herbeigefiihrt betrachtet werden kann.
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angewendet werden können, sondern dass sich Richter wie Laien bei der strafrechtlichen Zurechnung - meist intuitiv - an solchen generellen Zusammenhängen orientieren.
Webers Auseinandersetzung mit der Kausaladäquanz erfolgte bereits auf der Basis dieser Debatte. Sein Interesse war jedoch nicht auf die Rechts-, sondern zunächst auf die Geschichtswissenschaft gerichtet: Er erblickte in der juristischen Zurechnungsfrage dieselbe logische Struktur wie in der historischen Kausalitätsfrage. Im Unterschied zur Geschichtswissenschaft tritt bei der kausalen Zurechnung in der Jurisprudenz neben die objektive kausale Zurechnung des Erfolgs zu einer Handlung die Frage hinzu, ob diese zur Qualifizierung als subjektive Schuld eines Individuums ausreiche. Denn bei vielen Rechtsnormen hängt die Schuldzuschreibung von subjektiven Faktoren ab, z.B. ob der Akteur seine Handlung absichtlich begangen hat, ob er den Erfolg seiner Handlung voraussehen konnte usw. Gemeinsam ist den beiden Disziplinen, dass sie mit einer Unendlichkeit von Determinanten eines konkreten Handlungs- und Geschehensablaufs konfrontiert sind, aus denen sie eine Auslese treffen müssen. Beide applizieren ein Selektionsprinzip zur Scheidung wesentlicher und unwesentlicher Faktoren: In der Jurisprudenz entscheidet die Subsumierbarkeit unter bestimmte Rechtsnormen, in der Geschichtswissenschaft die Art des historischen Interesses darüber, welche Aspekte für eine Kausalbetrachtung relevant bzw. irrelevant sind. Weber will damit deutlich machen, dass der Aufweis eines Kausalzusammenhangs einige "logische Operationen", insbesondere eine "Serie von Abstraktionen" voraussetzt, die den konkreten Handlungs- und Geschehensablauf kategorial überformen (Weber 1982: 271ff.).
Das" nomologische Erfahrungswissen " bildet nun den Schnittpunkt zu den Überlegungen von v. Kries. Dieses besteht in "Erfahrungsregeln, insbesondere über die Art, wie Menschen auf gegebene Situationen zu reagieren pflegen" (Weber 1982: 276f.). Da Menschen auch immer wieder anders reagieren, also von der "Erfahrungsregel" abweichen, kann man darüber nur probabilistische Aussagen machen. Aus diesem Grund übernimmt Weber den v. Kries'schen Begriff der "adäquaten Verursachung": Das Gegenteil von "zufällig" kann in Bezug auf menschliches Handeln nie "notwendig" sein, sondern lediglich "adäquat". Die Konstruktion eines Kausalzusammenhangs bezieht sich also auf die relative Häufigkeit eines Handlungstyps, mit anderen Worten auf seine objektive Wahrscheinlichkeit. Kann ein solcher Zusammenhang nicht als "adäquat" bezeichnet werden, so liegt eine "zufällige" Verursachung vor (Weber 1982: 286f.). Um diesen Zusammenhang mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn der Historiker Meyer (1902) die "Bedeutung" der Schlacht von Marathon für die abendländische Kulturentwick-
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lung ergründen will, so muss dies gemäß Weber logisch folgendermaßen bestimmt werden:
,,{NJicht: dass ein Sieg der Perser eine bestimmte ganz andersartige Entwicklung der hellenischen und damit der Weltkultur hätte zur Folge haben müssen - ein solches Urteil wäre schlechthin unmöglich -, sondern: dass jene andersartige Entwicklung die ,adäquate' Folge eines solchen Ereignisses gewesen ,wäre'" (Weber 1982: 286f.).
Wie v. Kries für die Rechtsprechung, hält es Weber für prinzipiell möglich, die Adäquanz historischer Kausalkonstruktionen zu bestimmen. Wäre dies nicht möglich, könnten wir auch nicht zwischen kausal "Wichtigem" und "Unwichtigem" unterscheiden (Weber 1982: 286). Dass eine solche Adäquanzbestimmung im Rahmen der "phantasierten" alternativen Szenarien und Konstellationen sich ebenfalls am nomologischen Erfahrungswissen orientieren muss, hat Weber nicht explizit herausgestellt, wurde aber von v. Kries -auf den er sich in diesem Argumentationszusammenhang stützt - hinreichend begründet.
3.2. Schütz' Verzicht auf die Kausaladäquanz
Schütz hat die Rede von der Kausaladäquanz bekanntlich verabschiedet. Im kürzlich erschienenen Band "Sinn und Zeit" kann man nachlesen:
,,[ ... ] die Geisteswissenschaft (hat) die Frage nach der Kausalität des Zusammenhangs ihrer Gegenstände als ihr unangemessen abzuweisen und der mechanistischen Welterklärung zuzuweisen, die dann freilich (was apriori behandelt werden kann) mit aller Gehirnforschung, psychophysischen Parallelismusthesen und ähnlichen Theorien niemals auch nur ein geisteswissenschaftliches Problem zu lösen im Stande sein wird" (Schütz 2007: 227).
Und im Sinnhaften Aufbau stellt Schütz fest:
"Terminologisch ergeben sich gegen das Wort ,kausal' im Zusammenhang einer soziologischen Betrachtung gewichtige Bedenken. Denn da es sich bei der Beurteilung sogenannt kausaladäquater Abläufe in der Sozialwelt nicht um die strenge Relation Ursache-Wirkung handelt, welche der ,Kausalität aus
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Notwendigkeit' zugehört, sondern in aller Regel um die Zweck-Mittel-Relation, welche der ,Kausalität aus Freiheit' zukommt, kann, insolange beim äußeren Ablauf des Geschehens, beim objektiven Sinnzusammenhang usw. stehen geblieben wird, von einer Kausalrelation im Sinne jener allgemeinen, von Kries aufgestellten Denkkategorien eigentlich nicht die Rede sein" (Schütz 2004: 416f.).
Webers Interpretation der Kausaladäquanz kann Schütz folgen, indes nicht seiner Begrifflichkeit. Was Weber mit dem Postulat der Kausaladäquanz meint, ist nach Schütz (2004: 417) nichts anderes als das "Postulat der Einstimmigkeit der Erfahrung"; Für jede typische Konstruktion muss die Chance bestehen, dass "nach Regeln der Erfahrung tatsächlich in einer Weise gehandelt wird, welche der typischen Konstruktion entspricht." Schütz arbeitet aber noch eine weitere Implikation des Weber'schen Postulats der Kausaladäquanz heraus: Dem faktischen Handeln, das dem Idealtypus entspricht, muss Iterierbarkeit zukommen. Für die Sozialwissenschaften "bedeutet dieses Postulat nichts anderes, als ein heuristisches Prinzip aus wissenschaftsökonomischen (denkökonomischen) Gründen", das die Analyse auf jene Handlungen beschränkt, die in der Wirklichkeit mit einer bestimmten Häufigkeit vorkommen (Schütz 2004: 418). Diese Deutung des Prinzips entspricht der Interessenlage der Soziologie, nicht jedoch jener der Geschichtswissenschaft.
Wenn nun aber Kausaladäquanz bedeutet, dass die typische Konstruktion eines menschlichen Handelns mit dem Gesamtzusammenhang unserer Erfahrung übereinstimmen soll, und jede Erfahrung von menschlichem Handeln dessen Einstellung in einen Sinnzusammenhang impliziert, ist "alle Kausaladäquanz, soweit sie auf menschliches Handeln abzielt, immer schon auf sinnadäquaten Theorien fundiert" (Schütz 2004: 419). Nach Schütz ist Kausaladäquanz daher nur ein Spezialjall der Sinnadäquanz. In der Folge fasst Schütz beide Postulate zum Postulat der Adäquanz zusammen.
Schütz hat zweifellos Recht, dass es in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften problematisch ist, von Ursache-Wirkung-Relationen zu sprechen. Seine Konzepte der Weil- und Um-zu-Motive fassen menschliche Motivkonstellationen sicherlich treffender: Ein Um-zu-Motiv, also ein Handlungsziel, ist nie die bloße Wirkung eines gegebenen Sets von Weil-Motiven; diese bilden lediglich die ,,Handlungsbedingungen", die ihrerseits vom Handelnden interpretiert werden und für ihn immer noch ein Spektrum wählbarer Handlungsalternativen offen lassen. Dies gilt für individuelle Handlungsverläufe ebenso wie für soziale Interaktionsverkettungen: Es bestehen stets Freiheitsgrade, die bei einer kausalen Rekonstruktion überblendet werden. Inso-
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fern ist die Rede von der "Kausaladäquanz" tatsächlich terminologisch fragwürdig.
Was allerdings etwas verloren geht, ist erstens der Blick auf die Konsequenzen von Handlungsresultaten - die ja gerade bei v. Kries und Weber im Zentrum stehen. Tod durch Blitzschlag, der Ausgang der Schlacht von Marathon, ein Kündigungsschreiben usw. sind Ereignisse mit konkreten Folgen. Natürlich nicht Folgen deterministischer Art, aber die konkreten Ereignisse begrenzen die nachgelagerten Handlungsspielräume. Das sind Themen der Art, wie sie in der Soziologie in der Gegenüberstellung von "Kultur" und "Struktur" thematisiert worden sind. - Zweitens hat Schütz den Inhalt des Adäquanzpostulats immer mehr auf Sinnadäquanz verengt. 1943, in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Sinnhaften Aufbau, schreibt er zwar noch:
"Das Postulat der Adäquanz verlangt, dass die typische Konstruktion mit der Totalität sowohl unseres alltäglichen Lebens als auch unserer wissenschaftlichen Erfahrung übereinstimmen muss" (Schütz [1943] 1972b: 49).
Doch genau diesen Aspekt lässt er in der Folge fallen. Die abschließende Fassung des Postulats der Adäquanz (die sich in dieser Form allerdings auch schon 1940 findet) lautet:
"Jeder Begriff in einem wissenschaftlichen Modell menschlichen Handelns muss so konstruiert sein, dass eine innerhalb der Lebenswelt durch ein Individuum ausgeführte Handlung, die mit der typischen Konstruktion übereinstimmt, für den Handelnden selbst ebenso verständlich wäre wie fiir seine Mitmenschen, und das im Rahmen des Alltagsdenkens. Die Erfiillung dieses Postulats verbürgt die Konsistenz der Konstruktionen des Sozialwissenschaftiers mit den Konstruktionen, die von der sozialen Wirklichkeit im Alltagsdenken gebildet werden" (Schütz 1971a: 50 - Hervorhebung v. T.S.E.; analog: Schütz 1971b: 74; 1972: 21).
Der (hervorgehobene) Konjunktiv macht stutzig: Es geht nun offenbar nur noch um die Konsistenz zwischen wissenschaftlichen und Common-senseKonstruktionen, während die Kausaladäquanz, also die Übereinstimmung mit der Erfahrung, aus dem Postulat herausgefallen ist. Das Adäquanzkriterium ist nun bereits dann erfiillt, wenn eine Handlung, die mit der wissenschaftlichen Konstruktion übereinstimmt, im Rahmen des Alltagsdenkens verständ-
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lieh wäre - offenbar spielt es jetzt keine Rolle mehr, ob diese Handlung empirisch auch tatsächlich vorkommt oder ob sie nur eine reine Modellkonstruktion bleibt.
Schütz reduzierte also das Adäquanzpostulat auf Sinnadäquanz. Diese Akzentverschiebung gegenüber der Konzeption Webers ist meines Erachtens auf sein spezifisches Wissenschaftsverständnis zurückzuführen, das nachhaltig von seinen Ökonomen-Kollegen aus dem Mises-Kreis geprägt war. Mises, der prominente Vertreter der zweiten Generation der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, vertrat eine Konzeption von Ökonomie, die sich auf apriorische Aussagen beschränkte und sich strikt von Wirtschaftsgeschichte abgrenzte, deren alleinige Aufgabe es sei, sich mit empirischen Daten zu beschäftigen. Schütz schloss sich auch diesbezüglich Weber an, der eine apriorische Sozialwissenschaft lediglich als ein naturalistisches Selbstmissverständnis interpretierte und die Aufgabe der Soziologie in der verstehenderklärenden Erforschung empirischer Sachverhalte sah. Mit empirischer Forschung kam Schütz jedoch kaum in Kontakt. Auch das imposante Werk Fritz Machlups, der mit Schütz enge freundschaftliche Kontakte pflegte, besteht zu einem großen Teil aus jenen typischen nicht-empirischen Modellkonstruktionen der Ökonomie, die auf relativ einfachen Annahmen basieren, um die theoretische Komplexität kontrollierbar zu halten (vgl. Machlup 1978). Wenn Schütz nun die wissenschaftlichen Modellkonstruktionen als Konstruktionen von Homunculi beschreibt und daran die Postulate der logischen Konsistenz, der subjektiven Interpretation und der Adäquanz knüpft (Schütz 1971a: 49), so entsprechen diesen Prinzipien selbst die empiriefemsten ökonomischen Modelle. Schütz' methodologische Postulate lesen sich wie eine Deskription des herrschenden wissenschaftlichen Selbstverständnisses der seinerzeitigen Ökonomie (vgl. Eberle 1988).
Es sei hier angefügt, dass Milton Friedman im Jahre 1953 das sog. Friedman-Theorem publizierte, das in der Ökonomie breiten Anklang fand:
"Truly important and significant hypotheses will be found to have ,assumptions' that are wild1y inaccurate descriptive representations of reality, and, in general, the more significant the theory, the more umealistic the assumptions (in this sense)" (Friedman 1953: 14).
Nach Friedman ist die Realitätsnähe der Modellannahmen also überhaupt kein Thema - das Einzige, was zählt, ist der Erfolg der daraus abgeleiteten Prognosen. Kann indessen ein Modell, das auf umealistischen Annahmen basiert, dem methodologischen Postulat der Adäquanz entsprechen? Interessanterweise schlägt sich Machlup diesbezüglich voll auf die Seite Friedmans,
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indem er in Bezug auf einen anderen großen amerikanischen Ökonomen, Samuel Samuelson, behauptet, Samuelson habe dort die beste Arbeit geleistet, wo er von unrealistischen Annahmen ausgegangen sei (Machlup 1964: 735). Machlup hält das Friedman-Theorem allerdings für ergänzungsbedürftig: die Annahmen müssten zwar nicht realistisch, aber sie müssten adäquat sein (Machlup 1954: 17). Indes - wenn Gedankenbilder, die auf unrealistischen Annahmen basieren, dem Adäquanzpostulat entsprechen sollen, dann muss dieses offenbar weit gefasst sein. Machlup definiert es - unter Bezugnahme auf Schütz - folgendermaßen:
"The fundamental assumptions of economic theory are not subject to a requirement of independent empirica1 verification, but instead to a requirement of understandability in the sense in which man can understand the actions of fellowmen" (Machlup 1954: 17).
Schütz' Selbstverständnis als Methodologe war stets von Bescheidenheit geprägt: "Die Methodologie ist nicht der Lehrmeister oder der Tutor des Wissenschaftlers. Sie ist immer sein Schüler [ ... ]" (Schütz 1972b: 50). Sein Verständnis von Wissenschaft war nachhaltig von der "Methode der Gedankenbilder" (Mises 1940: 227ff.) der Österreichischen Schule der Nationalökonomie geprägt. Dies gilt auch in Bezug auf die Konzeptualisierung von Rationalität, bei der er sich zwar gegen Mises auf die Seite von Weber stellt. Aber das Postulat der Rationalität, dem sozialwissenschaftliche Modellkonstruktionen genügen müssen, ist ebenfalls im Konjunktiv formuliert:
"Die Typen rationaler Handlungsabläufe und die personalen Typen müssen so konstruiert werden, dass ein Handelnder in der Lebenswelt dieses typisierte Handeln ausführen würde, falls er völlig klares und bestimmtes Wissen von allen Elementen, und nur von diesen Elementen hätte, die der Sozialwissenschaftler als für sein Handeln relevant voraussetzt, und falls er die konstante Neigung hätte, die angemessensten zur Verfügung stehenden Mittel zur Erreichung seiner vermittels der Konstruktion defmierten Zwecke einzusetzen" (Schütz 1971a: 51 - Hervorhebungen v. T .S.E.).
Wiederum indiziert der Konjunktiv, dass die wissenschaftliche Modellkonstruktion eine (objektive) Möglichkeit darstellt, von der das alltagsweltliche Handeln mehr oder weniger stark abweicht. Schütz hatte zuvor ja lang und
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breit das ,,Paradox der Rationalität auf der Ebene des Alltagshandelns" erörtert, das in folgendem Sachverhalt liegt:
"Je standardisierter das Muster ist, umso weniger kann das Alltagsdenken in der Weise rationaler Einsicht die zugrunde liegenden Elemente analytisch aufklären. [ ... ] Der Rationalitätsbegriff erhält erst seine volle Bedeutung auf der Ebene von Modellen sozialer Wirkensmuster, die vom Sozialwissenschaftier konstruiert werden" (Schütz 1971a: 38).
Das im Konjunktiv formulierte Postulat der Rationalität wird aber wiederum von sämtlichen ökonomischen Modellen erfüllt, wenn sie nur schon den homo oeconomicus zugrunde legen - seien die Modellannahmen auch noch so unrealistisch. Schütz benützt seine protosoziologischen LebensweltAnalysen in methodologischer Hinsicht offenbar vor allem dazu, die Unterschiede der Sinn orientierung zwischen Homunculi-Konstruktionen und Alltagshandelnden und damit die Distanz zwischen wissenschaftlichem Modell und der lebensweltlich erlebten sozialen Realität zu explizieren.
3.2. Radikalisierung des Adäquanzpostulats
Ich habe einmal vorgeschlagen, das Adäquanzpostulat wesentlich enger zu fassen:
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"Vollständige Adäquanz liegt dann vor, wenn die konkrete Sinnorientierung von Akteuren zutreffend erfasst ist. Damit erklären wir die subjektive Perspektive des einzelnen Akteurs zum letzten Bezugspunkt für sozialwissenschaftliche Analysen. Wie Schütz gezeigt hat, kann Fremdverstehen nur approximativ gelingen; die Akteursperspektive kann also nur annäherungsweise erfasst werden. Vollständige Adäquanz bleibt daher unerreichbares Ideal. Mit einer derart radikalisierten Fassung des Adäquanzpostulats wird aber die methodologische Forderung erhoben, über die Adäquanz wissenschaftlicher (Re-) Konstruktionen explizit Rechenschaft abzulegen, indem sie auf die phänomenologische Protosoziologie bezogen werden. Damit dienen die Strukturen der Lebenswelt nicht nur als ein protosoziologischer Bezugsrahmen, eine ,mathesis universalis' (Luckmann 1979), sondern es wird durch das Adäquanzpostulat auch gefordert, den Bezug zu diesem Bezugsrahmen zu reflektieren" (Eberle 1999: 115 f.).
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Damit könnten wir jene Ansätze sozialwissenschaftlicher Hermeneutik und interpretativer Sozialforschung, die näher an der Sinnwelt der Akteure anschließen, als "adäquater" bezeichnen, beispielsweise gegenüber den zum Teil wirklichkeitsfremden Modellen der Ökonomen. Und die Schütz'schen Strukturen der Lebenswelt böten einen fruchtbaren Referenzrahmen, um die Adäquanz wissenschaftlicher Modellkonstruktionen zu beurteilen.
Mit einer Radikalisierung des Adäquanzpostulats könnte dem ökonomischen Imperialismus ein Riegel vorgeschoben werden. Im Sinnhaften Aufbau bezeichnet Schütz die theoretische Nationalökonomie von Mises als ein "Musterbeispiel für einen objektiven Sinnzusammenhang von subjektiven Zusammenhängen" (2004: 434), und das Grenznutzengesetz erhält in der Interpretation von Schütz "den Charakter einer defmitorischen Begrenzung des Invarianzbereichs, innerhalb dessen sich die ,Wirtschaften' genannten Handlungen wessen immer vollziehen" (2004: 434). Im Unterschied zu Kaufmann, auf den er sich beruft, entkoppelt Schütz dieses ökonomische Prinzip jedoch vom wirtschaftlichen Kontext und fasst es rein formal. Damit kann es aber überall angewendet werden: nicht nur auf Kaufakte, sondern auch auf Liebesbeziehungen, Beziehungen in Organisationen, Verhalten in der Familie - Gary Becker (1991) hat für seine entsprechenden Analysen in "Treatise on the Family" den Nobel-Preis erhalten. Würde man die Sinnorientierung der Akteure empirisch genauer untersuchen, käme man vielleicht zur Einsicht, dass nicht alle Handelnden in jeder Situation Kosten-NutzenRechnungen erstellen... (Mittlerweile monieren sogar Ökonomen, dass der fürs Marktgeschehen modellierte homo oeconomicus nicht bruchlos auf das Verhalten von Personen in Organisationen übertragen werden darf, weil dadurch im Sinn einer self-fulfilling prophecy eigennütziges Verhalten gefördert und kooperatives Verhalten unterminiert werde. Vgl. Osterloh 2007; Scherer/McKinley 2007).
Dass Schütz sich als Methodologe nie zum Lehrmeister oder Tutor der Ökonomen aufschwingen, sondern ihr Schüler bleiben wollte, könnte seine zurückhaltende Formulierung des Adäquanzpostulats erklären. Die Matrix der Lebensweltanalyse blieb dann der Referenzrahmen, innerhalb dessen eine deskriptive Analyse der Ökonomie durchführbar war: eine Deskription dessen also, was die Ökonomen in ihrer wissenschaftlichen Sinnprovinz tun. Allerdings äußerte er sich in seiner persönlichen Korrespondenz wesentlich kritischer. In einem Brief an Adolphe Löwe kritisiert er seinen Lehrmeister Ludwig von Mises gleich in dreifacher Hinsicht:
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1) "the decisive problem involved (in the process of choosing) is taken just for granted by Mises, that is the problem how it comes that things stand to choice at all" (Schütz 1955b: 5-6); 2) "He overlooks also the difference which seems to be vital for me, namelyon the one hand choosing between objects equally within my reach and, on the other hand, choosing between projects of actions which have to be carried out by me" (1955b: 6); 3) "Mises is trying to develop a general praxeology which he identifies - erroneously, as I think - with the theory of economic action, namely an action according to the assumed scale of preferences of the actor. [ ... ] If this were the case there would be no human action whatsoever which were not an economic action" (1955b: 3).
Die ersten beiden Punkte verweisen auf den Prozess des Wählens, wie er sich im subjektiven Bewusstsein vollzieht, der dritte Punkt auf das Abgrenzungskriterium des ökonomischen Gegenstandsbereichs, welches Schütz bereits im Sinnhaften Aufbau im Grenznutzenprinzip lokalisiert. Beiden Problemkreisen widmet er Mitte der 1940er Jahre ein längeres Manuskript, in dessen erstem Teil er den Wahlakt in der alltäglichen Situation untersucht und in einem zweiten Teil die Konzeption desselben im wissenschaftlichen Modell nachzeichnet und am Beispiel der theoretischen Ökonomie illustriert. Nachdem er sich damit zwischen Stühle und Bänke gesetzt hatte - "the philosophical part being of no interest to economists and the economic part of no interest to philosophers" (Schütz 1955a: 1) - veröffentlichte er den ersten Teil im Jahre 1951 schließlich separat in einer phänomenologisch-philosophischen Zeitschrift (Schütz 1971c) und hielt den zweiten Teil bis an sein Lebensende zurück (dieser wurde posthum von Lester Embree herausgegeben: Schütz 1972d).
Mit seiner Analyse lebensweltlicher Wahlakte hofft Schütz zeigen zu können, dass die utilitaristische Modellierung von Wahlhandlungen inadäquat ist und dass auch Mises' praxeologisches Modell in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig ist (vgl. Eberle 2009). Eine phänomenologische Deskription des Wahlprozesses darf nicht anhand der Rekonstruktion vergangener Erfahrungen erfolgen, sondern muss mitten im Bewusstseinsstrom ansetzen. Diese Voraussetzung ist bei den Untersuchungen von Husserl, Bergson und Leibniz erfüllt, deren Ergebnisse Schütz daher zusammenbaut. Von Husserl übernimmt er die Konstitution problematischer Möglichkeiten als die Vorbedingung jeder möglichen Wahl, von Bergson die im Prozess der Wahl implizierten Zeitperspektiven und von Leibniz das Zusammenwirken
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wollender Intentionen, das zum endgültigen ,fiat' der Entscheidung führt. Auf dieser Grundlage wird sofort klar, dass das utilitaristische Modell des Wählens und Entscheidens ein bloßes Interpretationsschema zur Erklärung der Weil-Motive bereits abgelaufener Handlungen darstellt, den polythetischen Ablauf des Wählens aber verfehlt (Schütz 1972d: 573f.).
Diese Stellungnahmen von Schütz legen nahe, dass auch er das Adäquanzpostulat wohl restriktiver verstanden hat, als seine Defmitionen desselben vennuten lassen. In der Tat machte sein lebenslanges Bemühen um eine Konstitutionstheorie der Sozialwelt wenig Sinn, wenn er damit nicht das Ziel verfolgt hätte, einen Beitrag zu einer adäquateren Methodologie sozialwissenschaftlicher Forschung zu leisten.
Allerdings verharrt Schütz auch in seiner Kritik von Mises in einem Verständnis von Adäquanz als bloßer Sinnadäquanz. Mit seiner Analyse lebensweltlicher Wahlakte wollte er zeigen, dass entsprechende Modellkonstruktionen konzeptionell anders ansetzen müssen, als die Ökonomen dies bisher taten: Ihre Homunculus-Konstruktionen sollten die Sinnorientierung der Akteure in ihrer Zeitlichkeit erfassen und nicht nur die Weil-Motive, sondern auch die Um-zu-Motive von Handlungen beschreiben. Schütz kritisierte mit anderen Worten die Modelle, welche menschliches Handeln allein durch die Weil-Motive abgelaufener Handlungen erklären, als inadäquat. Seine MisesKritik offenbart damit, dass das Adäquanzpostulat auch für Schütz mehr bedeutet als dass die wissenschaftlichen Konstruktionen im Rahmen des Alltagsdenkens verständlich sind, sondern dass sie konzeptionell der alltagsweltlichen Sinnorientierung auch entsprechen.
Meine radikalisierte Fassung des Adäquanzpostulats verlangt darüber hinaus, dass die wissenschaftliche Sinndeutung in einem konkreten Fall auch empirisch zutrifft, wie es Schütz frühere Formulierungen verlangten. Damit wird das Anliegen der von Schütz verabschiedeten Kausaladäquanz, dass wissenschaftliche Aussagen auch empirisch zutreffen müssen, erhalten, und zwar ohne die Problematik von Kausalrelationen wieder einzuführen. Die Modellannahme der Ökonomen beispielsweise, dass Akteure Kosten-NutzenKalküle durchführen, trifft ja in verschiedenen Fällen empirisch auch tatsächlich zu. Das Problem liegt vielmehr in der generalisierten Zuschreibung solcher Kalküle, also im Prozedere, Akteuren durchwegs Kosten-NutzenKalküle zu unterstellen, selbst wenn ihre Sinnorientierung realiter ganz anders ausf,illt. Gemäß der radikalisierten Fassung des Adäquanzpostulats dürften wissenschaftliche Interpretationen nur dann als "adäquat" bezeichnet werden, wenn sie zum einen den Prozessen alltagsweltlicher Sinnorientierung entsprechend konzipiert sind und wenn sie zum andern die aktuelle Sinnorientierung von Akteuren in konkreten Situationen empirisch auch zutreffend eifassen. Das Adäquanzpostulat würde sich dergestalt auch eignen,
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als Qualitätskriterium qualitativer Sozialjorschung zu fungieren und die in quantitativen Forschungskontexten entstandenen Begrifflichkeiten von Validität und Reliabilität konstruktiv zu ersetzen.
4. Lebensweltanalyse und interpretative Sozialforschung
Ich habe meinen Vorschlag einer radikalisierten Version des Adäquanzpostulats schon einige Male vorgebracht (Eberle 1999a, 1999b, 2000), aber es scheint sich niemand so richtig dafür zu erwärmen. Dafür mag es verschiedene Gründe geben: Erstens bezweifeln viele Sozialwissenschaftler, dass die phänomenologische Lebensweltanalyse für die Sozialwissenschaften eine sinnvolle und nützliche Protosoziologie darstelle. Zweitens bezweifeln etliche den Wert einer Protosoziologie überhaupt. Wichtig sei vielmehr, argumentieren etwa die Rational-Choice-Theoretiker (Esser 1991), die Modelle so einfach wie möglich und nur so komplex wie nötig zu gestalten. Die Komplexitätsnotwendigkeit wird dann eher nach den Relevanzkriterien der wissenschaftlichen Modellbildung (z.B. der Aggregierbarkeit) beurteilt als nach der "realen" Sinnvielfalt der Alltagswelt. Drittens stören sich viele an Schütz' handlungstheoretischen Prämissen und dem postulierten methodologischen Individualismus, insbesondere dem Postulat der subjektiven Interpretation, mit dem das Adäquanzpostulat eng verwoben ist. Stattdessen orientieren sie sich an anderen philosophischen Positionen und/oder anderen theoretischen Vorannahmen. Viertens stellt sich schließlich die Frage, ob das Adäquanzpostulat für die empirische Forschungspraxis überhaupt nützliche Anhaltspunkte liefert. Dieser Frage will ich im Folgenden noch etwas nachgehen.
Schütz hat seine Lebensweltanalyse eng mit der handlungstheoretischen Soziologie Webers verknüpft, und seine methodologischen Überlegungen sind an Webers Grundriss einer Verstehenden Soziologie (Weber [1922] 1972) sowie an der Österreichischen Schule der Nationalökonomie des Mises-Kreises orientiert. Das ist eine Wahlverwandtschaft, keine Notwendigkeit. Die Strukturen der Lebenswelt sind nicht nur mit einer bestimmten Art von Soziologie vereinbar: Erstens bilden sie als mathesis universalis einen Rahmen, in dem grundsätzlich jede Art von Sozialwissenschaft verortet werden kann. Zweitens kann die Lebensweltanalyse auch völlig neu angesetzt werden, wie etwa Garfinkel (2002, 2006) mit seiner Ethnomethodologie gezeigt hat. Da die Prozesse der Sinnkonstitution den Kern der Lebensweltanalyse ausmachen, ist diese indes nur mit einer interpretativen Soziologie und einem hermeneutischen Zugang zur Sozialwelt kompatibel. Mittlerweile wurde eine ganze Reihe von Ansätzen sozialwissenschaftlicher Hermeneutik
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(Hitzler/Honer 1997; Schützeichel 2007, Flick et al. 2003) entwickelt, von denen mehrere auf unterschiedliche Weise auf Schütz' Lebensweltanalyse rekurrieren.
Was heißt es nun, in einem empirischen Forschungskontext "adäquat" (im Sinne des radikalisierten Adäquanzpostulats) zu forschen? Wie kann die konkrete Sinnorientierung von Akteuren empirisch zutreffend erfasst werden? Schütz hat doch gerade en detail expliziert, wie schwierig dieses Unterfangen ist: Er wies auf die mannigfaltig verschachtelten Sinnzusammenhänge hin, auf die undeutlichen, diffusen Sinnschichten und den impliziten Horizont des fraglos Gegebenen, auf die Grenzen der Erinnerbarkeit und den approximativen Charakter des Fremdverstehens, und schließlich auch auf das "Paradox der Rationalität" auf der Ebene des Alltagshandeins, nämlich dass der Common-sense in der Weise rationaler Einsicht die zugrunde liegenden Elemente analytisch umso weniger aufklären kann, je standardisierter das Handlungsmuster ist. Wie kann man, um beim Beispiellebensweltlicher Wahlakte zu bleiben, die petites perceptions anderer Akteure empirisch erfassen? Auch wenn die hermeneutischen Forschungsansätze noch so subtil an den aktuellen Sinnorientierungen alltagsweltlicher Akteure anzuschließen versuchen -vollständige Adäquanz bleibt ein unerreichbares Ideal, es kann nur Näherungswerte geben. Auch hier bleibt zwischen der subjektiven Sinnorientierung von Alltagshandelnden und der sozialwissenschaftlichen Rekonstruktion stets eine gewisse Distanz bestehen. Schütz' Lebensweltanalyse vermittelt uns daher eher ein grundsätzliches Problembewusstsein der Komplexität subjektiver Sinnkonstitution und sozialer Sinnkonstruktion als eine forschungsempirische Anleitung für adäquate Forschung. Kein Wunder, bietet sich da die Literatur als willkommener Ausweg an: Die Überlegungen und Erlebnisse der Proponenten in Wilhelm Meisters Lehr- und Wandeljahre (Schütz [1948] in Vorb.) oder in Don Quijote (Schütz 1972c) liegen detailliert beschrieben vor, man erhält quasi von ihres Schöpfers Hand direkten Zugang zur subjektiven Welt der Akteure und kann diese analytisch weiter erschließen. Der hermeneutische Zugang zum alter ego in der sozialen Wirklichkeit gestaltet sich indes um einiges schwieriger.
Die Strukturen der Lebenswelt bilden eine Proto-Hermeneutik, welche die Basisoperationen der Sinnkonstitution sowie der Sinndeutung und auch die Grundprobleme des hermeneutischen Zugangs aufzeigt, aber keine praktische Handhabe bieten, wie man den subjektiven Sinn sozialer Handlungen empirisch erschließen kann. Die verschiedenen Ansätze der interpretativen Sozialforschung gehen denn auch von ganz unterschiedlichen Prämissen aus: Die Einen vertrauen nur Interviewdaten, die dann sequenzanalytisch interpretiert werden, die Anderen vertrauen nur audio-visuellen Aufzeichnungen von Handlungs- und Interaktionsabläufen, die anschließend akribisch analysiert
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werden. Die Einen rekonstruieren aus biographischen Interviewdaten Lebensverläufe, die Anderen betrachten sie als reine Erzählungen und untersuchen lediglich die Narrationsform oder Diskursstruktur. Die Einen wollen subjektive Bewusstseinsinhalte erforschen, die Anderen beschränken sich ausschließlich auf kommunikative Praktiken. Die Einen vertrauen den Daten aus Fokus-Gruppen, die Anderen nur Daten von sozialen Prozessen in "natürlichen" Situationen. Die Einen schwären auf verstehende Interviews, die Anderen auf die Beobachtung realer Geschehensverläufe. Obwohl Schütz' Mundanphänomenologie die ontologischen Setzungen der natürlichen Einstellung nicht einklammerte (im Unterschied zu Husserls Transzendentalphänomenologie ), liefert sie keine Anhaltspunkte, wie solch verschiedene Datensorten zu werten sind und wie mit ihnen forschungspragmatisch umgegangen werden kann. So wie der Wirklichkeits akzent der Traurnrealität sich nicht durch die phänomenologische Konstitutionsanalyse, sondern nur durch eine empirisch-historische Rekonstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeiten bestimmen lässt (Schnetder 2008: 144), so unterscheiden sich auch die verschiedenen wissenschaftlichen Forschungsansätze bezüglich ihrer ontologischen, epistemologischen und werttheoretischen Prämissen sowie ihrer theoretischen Vorannahmen. Des weiteren unterscheiden sie sich auch, wie die Beispiele zeigen, von gewissen Vorannahmen der Akteure in der von ihnen untersuchten Alltagswelt. Wie sozialempirische Forschung adäquat gestaltet werden kann, bestimmt sich daher nicht nur nach den Strukturen der Lebenswelt, sondern auch nach den jeweiligen theoretischen Zusatzprämissen: Die "Adäquanz" einer Studie wird demnach von Ethnomethodologen2 nach ganz anderen Kriterien beurteilt als beispielsweise von Objektiven Hermeneuten.
Wie reichhaltig und ausdifferenziert sich die an Schütz' Lebensweltanalyse anschließende empirische Forschung mittlerweile präsentiert, zeigt sich eindrücklich in den Sammelbänden von Dreher/Stegmaier (2007) sowie Raab et al. (2008). Darin manifestiert sich zum einen der enorme Unterschied zwischen der heutigen sozialwissenschaftlichen Forschung und den Vorbildern, an denen sich Schütz seinerzeit orientierte. Zum anderen spiegelt sich darin auch die Vielfalt sozialempirischer Zugänge zur Sozialwelt, die sich um Adäquanz bemühen. Die meisten sind ethnographisch ausgerichtet, d.h. sie betreiben empirische Feldforschung mittels Beobachtung, ethnographischen Interviews, Dokumenten- und Artefaktanalyse, gehen also multimethodisch vor. Ein ethnographischer Ansatz, der sehr eng an Schütz' mundanphänomenologische Lebensweltanalyse anschließt, ist die von Anne Honer, Ronald Hitzler und Michaela Pfadenhauer entwickelte lebensweltanalytische Ethno-
2 Zum Adäquanzbegriff in der Ethnomethodologie vgl. Eberle, 2008: 156f.
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graphie (Pfadenhauer 2008), früher auch "lebensweltliche Ethnographie" (Honer 1993), "ethnographische Lebensweltanalyse" bzw. "Lebensweltanalyse in der Ethnographie" (Honer 2000) genannt. Einerseits werden dabei, wie von anderen ethnographischen Ansätzen auch, Daten durch teilnehmende Beobachtung, Interviews und die Aneignung von Felddokumenten gesammelt und hermeneutisch ausgewertet. Ethnographisch erhobene Daten sind immer in Zeichen, Symbolen oder Texten objektivierte Daten und damit Gegenstand hermeneutischer Verfahren (Soeffner 2000). Andererseits - und das ist nun das Spezifische dieses Ansatzes - wird das subjektive Erleben der Forschenden im Feld explizit und reflektiert als "Instrument" der Datengenerierung und -sammlung eingesetzt (exemplarisch: Honer 2008). Die Forschenden setzen also für die Datensammlung nicht nur auf teilnehmende Beobachtung, sondern auf beobachtende Teilnahme in einer feldspezifischen Rolle und analysieren ihre Erlebnisse mittels der Methode der phänomenologischen Analyse. So wird beispielsweise eine bestimmte Erfahrung von Wohlbefinden während eines Raves nicht nur über die Beobachtung und durch Interviews anderer Teilnehmenden, sondern auch durch die systematische phänomenologische Analyse der eigenen Erlebnisse erforscht (HitzlerlPfadenhauer 1998, 2003). Die Grundidee dabei ist, dass das Erlebnishafte in seiner genuinen Form verschwindet, sobald man es in eine objektivierte Form bringt, also z.B. vertextet und anschließend hermeneutisch interpretiert. Als Forschende sollte man daher den unmittelbaren Zugang zum eigenen subjektiven Erleben, z.B. eines Raves, nutzen für eine methodisch kontrollierte, mittels systematischer Reduktionen (Einklammerungen) vollzogenen phänomenologischen Analyse des Erlebten - der Erlebnisse wie seiner Korrelate (Ritzler 2005). Im Unterschied zu anderen ethnographischen Ansätzen wird hier "the native's point ofview" nicht nur mittelbar verstanden, sondern durch eine "existenzielle Innensicht" ergänzt (Honer 2000). Die Strukturen der Lebenswelt als mathesis universalis werden auch von diesem Ansatz nicht bezweifelt und als Grundlage der soziologischen Analyse verstanden. Doch die phänomenologische Lebensweltanalyse wird als Methode eingesetzt, und zwar nicht um protosoziologische Erkenntnisse zu gewinnen, sondern um "kleine soziale Lebenswelten" im Sinne Benita Luckmanns (1970) einerseits als Bewusstseinsenklaven und andererseits als "kulturelle Erlebniswelten" zu beschreiben (Hitzler/Eberle 2000; Hitzier 2008).3
Ein anderer Ansatz ist die von Hubert Knoblauch und Bernt Schnetder entwickelte Ethnophänomenologie. In ihren Forschungen zu Todesnäheerfah-
3 Es klingen hier Parallelen zur Auto-Ethnographie an (Bilis 2004; Chang 2008), wobei letztere nicht mit der systematischen Methode phänomenologischer Lebensweltanalyse verfährt und deren Resultate nicht mit ethnographisch erhobenen objektivierten Daten in Beziehung setzt, sondern eher autobiographische Erzählungen von subjektiv Erlebtem mit einbringt.
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rungen (KnoblauchlSoeffner 1999) und Visionen (KnoblauchlSchnettler 2001; Schnettier 2004) gewannen die beiden Forscher die Einsicht, dass die egologische Analyse von Phänomenologen an deren biographiespezifische Situation gebunden bleibt:
"Die Mundanphänomenologie kann nur eigene Erfahrungen beschreiben. Über Transzendenzerfahrungen, welche Phänomenologen selbst nicht hatten, können sie deswegen keine konstitutionsanalytischen Aussagen machen. Das erklärt, warum die ,mannigfaltigen Wirklichkeiten' bei Schütz unvollständig bleiben [ ... ] Der Begriff der Ethnophänomenologie weist auf die Beobachtung hin, dass philosophische Laien durchaus in der Lage sind, über ihre eigenen Erfahrungsmodi zu reflektieren. Die Zuwendung der Betroffenen zur Art ihres außeralltäglichen Erlebens bezeichnen wir als Ethnophänomenologie" (Schnettier 2008: 145).
Die Analogie zur Ethnomethodo10gie ist offensichtlich: Ethnophänomenologie soll die Handlungs- und Erfahrungsstrukturen der Gesellschaftsmitglieder empirisch erforschen und bezeichnet gleichzeitig den Forschungsansatz wie auch dessen Gegenstand. Im Gegensatz zur Ethnomethodologie werden nicht methodisch produzierte, beobachtbare kommunikative Akte, sondern nichtbeobachtbare, außeralltägliche subjektive Erlebnisse von Akteuren empirisch erforscht. Schnettier (2004) konnte in seiner Studie zu Visionserfahrungen zeigen, dass sich in Interviewdaten Passagen mit ethnophänomenologischen Formbeschreibungen deutlich von den Schilderungen der Erfahrungsinhalte unterscheiden, ja dass die erlebten Inhalte gegenüber der außergewöhnlichen Art und Weise des Erlebens oftmals in den Hintergrund traten. Schließlich gelang es ihm, eine Reihe wiederkehrender Merkmale einer Ethnophänomenologie der Zukunftsvision zu eruieren. Knoblauch und Schnettier unterschieden die verschiedenen Bezugsebenen von Mundanphänomenologie und Ethnophänomenologie sorgfältig voneinander: Während die Mundanphänomenologie durch die Beschreibung der Formen allgemein menschlicher Erfahrung eine protosoziologische Grundlagentheorie mit universalem Anspruch anstrebt, rekonstruiert die Ethnophänomenologie soziologischempirisch die von Alltagsmenschen kommunikativ vermittelten Beschreibungen ihres nichtalltäglichen Erlebens (z.B. über ihre Todesnäheerfahrungen) einer bestimmten historischen Epoche und gießt ihre Verallgemeinerungen in theoretische Begrifflichkeiten ,mittlerer Reichweite' (Schnettier 2008: 142). - Vergleicht man die Ethnophänomenologie mit der lebensweltanalytischen Ethnographie, so fallt auf, dass erstere ihre Empirie allein auf objekti-
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vierte Daten stützt, also auf kommunikativ vermittelte subjektive Erlebnisse. Nach Maßgabe der lebensweltlichen Ethnographie verfährt sie also hermeneutisch und verzichtet auf eine direkte phänomenologische Analyse des eigenen subjektiven Erlebens durch beobachtende Teilnahme. Dies hat naheliegender Weise auch praktische Gründe: Nur Personen mit Visionserlebnissen oder Todesnäheerfahrungen könnten eine solche Analyse durchfuhren (und dies auch nur retrospektiv, wie etwa auch im Fall von Träumen) - es blieb also schon rein pragmatisch kein anderer Weg offen.
Eine weitere Verbindung von Phänomenologie und Ethnographie in Form einer phänomenologischen Ethnographie schlägt Margarethe Kusenbach (2003; 2008) vor. Sie schließt sich Masos (2001) Diagnose an, dass die Methode der phänomenologischen Reduktion auf grund der fundamentalen Positionalität und Historizität der Forschenden ein unerreichbares Ideal darstellt. Mit dem Versuch, eine phänomenologische Ethnographie zu entwickeln, sollen die Grenzen der Phänomenologie als rein philosophischer Disziplin überschritten und die phänomenologischen Strukturen der Alltagserfahrung empirisch untersucht werden (Kusenbach 2008: 351).4 Nachdem Kusenbach in ihrer ethnographischen Forschungspraxis wesentliche Bedenken sowohl gegenüber der teilnehmenden Beobachtung als auch gegenüber dem ethnographischen Interview entwickelt hat, empfiehlt sie das Go-Along als alternatives methodisches Verfahren. Das "Mitgehen" ist eine bescheidenere und gezieltere Form des "Dabei-Seins" (hanging out), indem "Feldforscher Informanten auf ,natürlichen' Ausflügen (outings) begleiten und - durch Fragen, Zuhören und Beobachten - aktiv den Fluss ihrer Erfahrungen und Handlungen zu begreifen versuchen" (2008: 352). Dadurch können Wahrnehmungsfilter und Relevanzstrukturen in ihrem Vollzug untersucht werden und transzendente Aspekte der Umwelterfahrungen Anderer - z.B. biographische Erlebnisse, die jemand mit einem bestimmten Ort verbindet und die bei dessen Wiederbegehung bestimmte Geftihle hervorrufen - systematisch ausgeleuchtet und verglichen werden. Die Methode des Go-Along ermöglicht einen authentischen Zugang zu Erfahrungen und Praktiken Anderer an wirklichen Orten. Nach Kusenbach (2008) kann sie zu einer phänomenologischen Sensibilisierung in der ethnographischen Forschung beitragen und erweitert den ethnographischen "Werkzeugkasten".
Ethnographie ist allerdings nicht der einzige Weg, Phänomenologie und empirische Soziologie fruchtbar zu verbinden. In einer "Parallel aktion" von phänomenologischer und sozialwissenschaftlicher Forschung, wie sie Luckmann (2007) vorschlug, versucht Jochen Dreher (2008) zum Beispiel eine
4 Analog plädiert Psathas (1973; 1989) fiir eine "phänomenologische Soziologie" (vgl. Eberle 1993).
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Protosoziologie der Freundschaft" zu entwickeln. Ausgehend von konkreten ;mpirischen Ausprägungen von Freundschaft in spezifischen kulturellen und sozio-historischen Kontexten werden "drei protosoziologische Reduktionsstufen entworfen, mit denen die Konstitution des Phänomens der Freundschaft beschrieben werden kann" (Dreher 2008: 299): l. die sozio-eidetische Reduktion der Konstitution von Freundschaft, 2. die Strukturebene der symbolischen Konstitution von Freundschaft und 3. die Reduktionsstufe der sinnlichen Empfmdung der Leiblichkeit der Anderen. Des weiteren hat sich die Phänomenologie bei der empirischen Erforschung mannigfaltiger weiterer Phänomene als fruchtbar erwiesen, sei es in Bezug auf visuelle Phänomene (Raab 2008; Kurt 2008), auf Musik (Kurt 2007; Stascheit in Vorb.), auf Gerüche (Raab 2001) oder etwa auf die Orientierung blinder Akteure (Saerberg 2006), um nur einige zu nennen. Ferner ist Endreß (2008) zuzustimmen, dass das theoretisch-analytische Potential der von Alfred Schütz begründeten und wesentlich von Berger und Luckmann (1970) fortgeruhrten soziologischen Perspektive nach wir vor unausgeschöpft ist. Obwohl heutzutage die Rede von der "philosophischen Begründung" und vom ,,Fundament der Sozialwissenschaften" verschwunden ist und auch die Phänomenologen die epistemologische Reflexivität ihrer Methode anerkennen und in Rechnung stellen, hat sich die systematische Verknüpfung von phänomenologischer Lebensweltanalyse und empirischer Soziologie als nachhaltig fruchtbar erwiesen. Ihre Beziehung wird allerdings nicht mehr als einseitige, sondern als gegenseitige wahrgenommen: Phänomenologische Proto-Soziologie und Soziologie müssen sich wechselseitig bewähren (Göttlich 2008). In dieser reziproken Relation, in der sich beide laufend mit der Explikation des eigenen Prozederes beschäftigen, bildet sie wahrhaft eine Reflexive Wissenssoziologie (Endreß 2008).
Literaturnachweise:
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Michael Staudigl (Hg.)
Alfred Schütz und die Hermeneutik
UVK Verlagsgesellschaft mbH
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Österreich ischen Forschungsgemeinschaft.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhalt
Einleitung des Herausgebers 3
I. Methoden und Traditionen
Martin Endreß: Verstehende Soziologie(n) und hermeneutische Tradition(en) 13
Thomas S. Eberle: Phänomenologische Lebensweltanalyse und sozialwissenschaftliche Methodologie 47
Hisashi Nasu: Alfred Schütz und die hermeneutische Wissenssoziologie 79
Joachim Renn: Von der Auslegung des Alltags zur Interpretation der Gesellschaft Gibt es eine hermeneutische Makrosoziologie nach Alfred Schütz?
II. Grundbegriffe
Thomas Luckmann: Handlung und Texte,
97
Verstehen und Interpretation. Schütz und die Nachfahren 123
Hans-Georg Soeffner: Symbolische Präsenz: unmittelbare Vermittlung. Zur Wirkung von Symbolen 141
Elisabeth List: Das Selbstverständliche als Grenze der Lebenswelt 159
Lester Embree: Der Interpretationismus von Alfred Schütz oder ,Wie Holzfallen referentiellen und non-referentiellen Sinn haben kann' 175
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Inhalt
III. Anwendungen
Michael D. Barber: Die Literatur und die Grenzen des Pragmatismus 195
Jochen Dreher: Lebensweltanalyse und Literaturinterpretation. Zur Rekonstruktion symbolischer Wirklichkeitssphären 213
Dirk Tänzler: Bilderwelten. Ästhetische Erfahrung und das Problem des Sinnverstehens in den Sozialwissenschaften 233
Daniel Bischur: Wissenschaftliche Praxis und die Welt des Wirkens 253
IV. Ausweitungen
Ruth Ayaß: Mediale Strukturen der Lebenswelt 285
Annette Hilt: Hermeneutik der Transzendenzen. Verstehen und Verständigung an den Grenzen der Erfahrung 309
Andreas Georg Stascheit: Die musikalischen Fundamente der Hermeneutik der sozialen Welt bei Alfred Schütz 333
Bernhard Waldenfels: Alltagsmoral. Fragen mit und an Alfred Schütz 353
Verzeichnis der Beitragenden 375
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