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Physikalisches Praktikum für Fortgeschrittene FP 27: Elektrochemie Daniell-Element, Faradaysche Gesetze, Konduktometrische Titration, Deckschichtdiagramm und Cyclovoltametrie Universität Augsburg Lehrstuhl für Chemische Physik und Materialwissenschaften

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Physikalisches Praktikum für

Fortgeschrittene

FP 27: Elektrochemie

Daniell-Element, Faradaysche Gesetze,

Konduktometrische Titration,

Deckschichtdiagramm und Cyclovoltametrie

Universität Augsburg

Lehrstuhl für

Chemische Physik und Materialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

1. Die Geschichte der Elektrochemie ......................................................................................... 2

2. Die Grundlagen der Elektrochemie ........................................................................................ 3

2.1 Elektrolyse ........................................................................................................................ 3

2.2 Galvanisches Element ....................................................................................................... 5

2.3 Elektrolyte ........................................................................................................................ 5

2.3.1 Starke Elektrolyte: Kohlrauschgesetz ....................................................................... 7

2.3.2 Schwache Elektrolyte: Ostwaldsches Verdünnungsgesetz ....................................... 8

2.4 Solvatation ........................................................................................................................ 9

3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie ............................................................................... 11

4. Analytische Anwendungen .................................................................................................. 16

4.1 ’Werkzeuge’ der analytischen Elektrochemie ................................................................ 16

4.1.1 Nernst-Gleichung .................................................................................................... 16

4.1.2 Die Faradayschen Gesetze....................................................................................... 17

4.1.3 Bezugselektroden .................................................................................................... 17

4.2 Konduktometrie .............................................................................................................. 18

4.3 Potentiometrie ................................................................................................................. 19

4.4 Amperometrie ................................................................................................................. 20

4.5 Coulometrie .................................................................................................................... 21

4.5.1 Potentiostatische Coulometrie ................................................................................. 21

4.5.2 Galvanostatische Coulometrie ................................................................................. 22

4.6 Elektrogravimetrie .......................................................................................................... 23

4.7 Voltametrie ..................................................................................................................... 23

5. Experimenteller Teil ............................................................................................................. 29

6. Aufgaben .............................................................................................................................. 32

7. Literatur ................................................................................................................................ 34

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1. Die Geschichte der Elektrochemie • Galvani 1791: Versuche an Froschschenkeln, Muskelkontraktionen bei

Anlegen einer elektrischen Spannung

• Volta 1800: Voltasche Säule: Spannungserzeugung durch

Hintereinanderschalten verschiedener Metalle in Salzlösung, elektrisches

Element

• Nicholson und Carlisle 1800: Durchführung erster Elektrolysen

• Davy 1807: Darstellung von Natrium und Kalium durch Elektrolyse

• Faraday 1834: Faradaysche Gesetze, Proportionalität von Ladung und

Stoffmenge

• Planté 1859: Bleiakkumulator, meistgebrauchte Sekundärbatterie

• Nernst 1889: Beschreibung der Konzentrationsabhängigkeit des

Elektrodenpotentials: Nernst-Gleichung

• Stoney 1891: Elektron als Ladungseinheit

• Arrhenius 1903: Dissoziation von Elektrolyten in Lösung

• Born 1920: Solvatation von Ionen

• Marcus 1956-1965: Theorie des Elektronentransfers (Nobelpreis 1992)

• NASA 1965: Brennstoffzelle im Gemini-Raumfahrtprogramm

• Bayer AG 2003: Salzsäureelektrolyse unter Verwendung einer

Sauerstoffverzehrkathode

• Heute: Forschung in den Bereichen: Korrosion, Batterien, Akkumulatoren,

Brennstoffzellen, Elektrolysen, Galvanotechnik, Analytik, Chemikalienanalyse

usw.

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2. Die Grundlagen der Elektrochemie

In der Elektrochemie gibt es drei grundlegende Parameter:

• Das Elektrodenpotential φ: Es gibt an, welche Spannung eine Elektrode in

einem Elektrolyten aufweist. Es wird durch eine einfache Spannungsmessung

zwischen der Elektrode und einer Bezugselektrode mit bekanntem Potential

(Referenzelektrode) gemessen.

• Der Strom I: Mittels Strommessung kann man den Strom bestimmen der über

die Elektrode fließt. In Flüssigkeiten oder in anderen Leitern in denen sich die

elektrischen Eigenschaften von Ort zu Ort unterscheiden können, ist es

sinnvoll eine Stromdichte j = I/A (A ist eine Fläche) zu definieren.

• Die Ladungsmenge Q: Zwischen Strom und Ladungsdichte besteht folgender

Zusammenhang:

𝑄(𝑡) = 𝑄(𝑡0) + ∫ 𝐼(𝑡)𝑑𝑡𝑡

𝑡0 (2.1)

Ist der Strom zeitlich konstant, so kann man die Ladungsmenge

folgendermaßen ausdrücken: Q = I⋅t

Die eben genannten Größen sind abhängig von anderen physikalischen Größen wie

Konzentration, Temperatur, Zeit und Massentransportbedingungen. Die Kombination

mit diesen Größen lässt die Elektrochemie zu einem anspruchsvollen Zweig der

Chemie werden.

2.1 Elektrolyse

Das Wort “Elektron” stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Bernstein. Das

liegt daran, dass die statische Aufladung durch Reiben zu Beginn an diesem Material

entdeckt wurde. Ein weiteres altgriechisches Wort lautet “lytikós” und heißt zu

Deutsch: auflösbar. Bei der Elektrolyse handelt es sich um die Zerlegung eines

Stoffes durch elektrischen Strom. Dies geschieht durch Oxidationen an der Anode

und Reduktionen an der Kathode. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die Abläufe

während einer Elektrolyse.

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2.1 Elektrolyse 4

Abbildung 1: Elektrolyse von Salzsäure in Wasser.

Anode (Oxidation): 2 Cl ⟶ Cl2 + 2 e

Kathode (Reduktion): 2 H3O + 2 e ⟶ H

2 + 2 H2O

Redox: 2 HCl ⟶ Cl2 + H2

Elektrolysen sind erzwungene Vorgänge für die man eine gewisse Energie

aufwenden muss. Dies geschieht durch das Anlegen einer Spannung (der sog.

Klemmenspannung) zwischen den Elektroden. Der Mindestwert für die

Klemmenspannung bei dem die Elektrolyse abläuft wird Zersetzungsspannung

(UZ

) genannt (Abb. 2).

Abbildung 2: Elektrolysestrom in Abhängigkeit von der Klemmenspannung.

Der Partialdruck der entstehenden Gase erreicht für U = UZ den äußeren Druck,

wodurch es zu Bläschenbildung kommt und die Elektrolyse abläuft. Es ist dennoch

auch unterhalb der Zersetzungsspannung ein Elektrolysestrom vorhanden. Dieser

entsteht durch die Nachbildung von Chlor und Wasserstoff, welche von der

Elektrodenoberfläche in die Lösung eindiffundieren. Je mehr sich die

Klemmenspannung der Zersetzungsspannung annähert, desto höher wird der

Partialdruck der Gase und die Diffusion und der damit verbundene Strom nehmen zu.

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Kapitel 2. Die Grundlagen der Elektrochemie 5

Die Zersetzungsspannung entspricht der Differenz der Standardpotentiale der beiden

Redoxsysteme:

∆𝐸 = 𝐸0 (𝐶𝑙−

𝐶𝑙2) − 𝐸0 (

𝐻2

𝐻3𝑂+) (2.2)

Für 1,2 mol HCl/l bei 25°C ergibt sich somit ΔE = 1,36V - 0V = 1,36V

Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Überspannung UUB. Bestimmt man die

Zersetzungsspannung eines Redoxsystems experimentell, so stellt man fest, dass der

Wert höher als der theoretisch erwartete ist. Die Differenz UUe = UZ(exp) - UZ(theo) wird

als die Überspannung bezeichnet. Diese wird durch die kinetische Hemmung

einzelner Reaktionsschritte verursacht. Im Konkreten kann es sich um folgende

Schritte handeln:

• Die Diffusion des Reaktanten zur Elektrode

• Eine Reaktion des Reaktanten vor dem Erreichen der Elektrode

• Adsorption des Reaktanten

• Oxidation des Reaktanten an der Elektrode

2.2 Galvanisches Element

Das galvanische Element ist das Gegenteil einer Elektrolysezelle. Hier laufen

Reaktionen selbstständig ab und liefern Strom. Die Spannung die ohne Anlegen

eines Stroms zwischen den Elektroden der galvanischen Zelle vorliegt wird

elektromotorische Kraft (EMK) genannt. Sie wird durch U0 = iRi + iRa beschrieben

und ist die maximale Spannung für diese Zelle. Die Klemmenspannung der

galvanischen Zelle besteht aus dem Anteil des Innenwiderstands des Elements Ri und

dem Außenwiderstand Ra und errechnet sich aus: UKl = U0 - iRi. Ein Stromfluss senkt

also die Klemmenspannung eines galvanischen Elements.

Bei einer Elektrolyse hingegen addiert sich der Innenwiderstand i·Ri zur

Zersetzungsspannung hinzu, wodurch die Klemmenspannung steigt: UKl = ZU + iRi

(Abb. 3)

2.3 Elektrolyte

Elektrolyte sind Stoffe, die im festen, flüssigen oder gelösten Zustand zumindest zum

Teil als Ionen vorliegen. Beispiele dafür sind Salzlösungen, Laugen und Säuren. Legt

man eine Spannung an, so leitet der Elektrolyt einen elektrischen Strom. Anders als

in Metallen findet hier der Ladungstransport nicht in Form von Elektronen statt,

sondern durch die gerichtete Bewegung von Ionen. Die Leitfähigkeiten der

Elektrolyte sind oftmals geringer als die von Metallen. Der Sachverhalt ist durch die

geringe Masse der Elektronen im Vergleich zu den Ionen zu erklären. Vergleicht

man beispielsweise ein Elektron mit einem Kaliumkation welches von vier

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2.3 Elektrolyte 6

Abbildung 3: Die Klemmspannung von Elektrolyse und Galvanischen Element in

Abhängigkeit vom Stromfluss.

Wassermolekülen umgeben ist, so unterscheiden sich die Massen um einen Faktor

200000.

Metalle werden als Leiter 1. Klasse und Elektrolyte als Leiter 2. Klasse bezeichnet.

Leiter 2. Klasse

𝜅 =𝑙

𝐴𝐿 (2.7)

Die spezifische Leitfähigkeit eines Leiters zweiter Klasse definiert sich aus dem

Leitwert eines Würfels mit 1 cm Kantenlänge. Dies wird durch die Messung des

Leitwerts κ zwischen zwei quadratischen Elektroden mit einer Oberfläche von je

1 cm² ermittelt. Die Elektroden sind genau 1 cm voneinander entfernt.

Leiter 1. Klasse

𝜎 =𝑙

𝑅·𝐴 (2.8)

Bei Leitern erster Klasse verwendet man die Standardlänge 1 m und den Querschnitt

1 mm². Die Einheit des spezifischen Widerstands ist 1

Ωm bzw.

S

m.

Abbildung 4: Leitfähigkeit wässriger Elektrolytlösungen als Funktion der

Konzentration.

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Kapitel 2. Die Grundlagen der Elektrochemie 7

Leiter T (K) κ (Ω-1

cm-1

) Leitfähigkeit aufgrund von

Al 273 4,00·105 Elektronenleitung

Au 273 4,85·105 Elektronenleitung

Cu 273 6,45·105 Elektronenleitung

Hg 273 1,06·104 Elektronenleitung

Graphit 273 1,20·10-3

Elektronenleitung

NaCl-Schmelze 1173 3,77 Ionenleitung

KCl-Schmelze 1173 2,40 Ionenleitung

sehr reines H2O 273 1,58·10-8

Ionenleitung (Eigendissoziation)

Wässrige 1 M KCl-Lösung 293 1,02·10-1

Ionenleitung

Wässrige 0,1 M KCl-Lösung 293 1,17·10-2

Ionenleitung

Wässrige 1 M NaCl-Lösung 291 0,74·10-1

Ionenleitung

Wässrige 1 M HCl-Lösung 298 3,32·10-1

Ionenleitung

Wässrige 1 M KOH-Lösung 291 1,84·10-1

Ionenleitung

Essigsäure 273 5,00·10-9

Ionenleitung

Tabelle 1: Vergleich von Leitern 1. und 2. Klasse.

Man kann zwischen ionogenen und ionophoren Elektrolyten unterscheiden.

• Ionogene (potentielle) Elektrolyte: Bei diesen Stoffen handelt es sich bei den

Reinsubstanzen um keine Elektrolyte. Erst durch chemische Reaktionen mit

Lösungsmitteln werden Ionen erzeugt. Beispiele hierfür sind z.B. HCl und

Essigsäure.

)()(3)(2

flfl

OH

g ClOHHCl (2.3)

)(3)(3)(32

flfl

OH

fl COOCHOHCOOHCH (2.4)

• Ionophore (echte) Elektrolyte: Hier liegen die Reinverbindungen von Beginn

an als Ionen vor. Eventuell müssen diese Ionen noch aus einem Ionengitter

herausgelöst werden. Die Gitterenergie muss dann durch die sogenannte

Solvatationsenergie kompensiert werden.

Beispiele für diese Elektrolytklasse sind Salzschmelzen, ionische Flüssigkeiten

(z.B. Butyl-Methylimidazolium Tetrafluoroborat) und ionische Kristalle (z.B.

Kochsalz).

2.3.1 Starke Elektrolyte: Kohlrauschgesetz

Starke Elektrolyte sind unabhängig von ihrer Konzentration vollständig dissoziiert.

Die Leitfähigkeit weist bei verdünnten Lösungen eine lineare Abhängigkeit von der

Elektrolytkonzentration auf. Bei höheren Konzentrationen weicht das Verhalten zu

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2.3 Elektrolyte 8

kleineren Leitfähigkeiten hin ab. Die Abstände r der Ionen zueinander nehmen ab,

wodurch die gegenseitigen elektrostatischen Wechselwirkungen stärker werden, die

die Wanderung der Ionen durch die Lösung beeinträchtigen (Coulombsches Gesetz).

�⃗⃗� =𝑞1·𝑞2

є·𝑟2 (2.5)

�⃗⃗� : Abstoßungskraft

q1, q2: Ladung der Ionen

є: Dielektrizitätskonstante

r: Abstand der Ionen

Bei sehr hohen Konzentrationen fällt die Leitfähigkeit ab, weil entgegengesetzt

geladene Ionen sogenannte Assoziate bilden. Diese wirken nach außen hin elektrisch

neutral und tragen somit nicht zur Leitfähigkeit bei.

Kohlrauschgesetz

Kohlrausch hat um 1900 folgende Gesetzmäßigkeit festgestellt:

𝛬𝑚𝑜𝑙 = 𝛬𝑒𝑞 · 𝑛𝑒 =𝜅

𝑐[𝑆·𝑐𝑚2

𝑚𝑜𝑙] = 𝜆(0)𝑚𝑜𝑙 − 𝑘√𝑐 (2.6)

Trägt man also 𝛬𝑚𝑜𝑙 oder 𝛬𝑒𝑞 gegen √𝑐 auf, so ist bei starken Elektrolyten ein

linearer Abfall der molaren bzw. der Äquivanlentleitfähigkeit bei niedriger

Konzentration c vorhanden.

Abbildung 5: Äquivalentleitfähigkeiten wässriger Elektrolytlösungen bei 25°C als

Funktion von √𝑐.

2.3.2 Schwache Elektrolyte: Ostwaldsches Verdünnungsgesetz

Schwache Elektrolyte sind nur wenig dissoziiert (<10%). Sie besitzen einen

Dissoziationsgrad α « 1. Ein Dissoziationsgrad von annähernd eins oder gleich eins

würde einem starken Elektrolyten entsprechen. Bei den meisten organischen Säuren

handelt es sich um schwache Elektrolyte.

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2.4 Solvatation 9

Ostwaldsches Verdünnungsgesetz

Das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz dient der Beschreibung des

Dissoziationsgrades schwacher Elektrolyte aus dem Massenwirkungsgesetz.

Betrachtet man beispielsweise den Zerfall von CH3COOH in seine Ionen, so hatte die

Säure vor der Dissoziation eine Konzentration c. Nach der Zersetzung ist die Menge

α⋅c dissoziiert und die restlichen (1−α)⋅c nicht. Es hat sich also ein Gleichgewicht

eingestellt, dass mithilfe des Massenwirkungsgesetz beschrieben werden kann.

CH3COOH ⇌ CH3COO + H c (CH3COO ) = c (H )

Das Massenwirkungsgesetz hat nun folgende Form:

𝑐(𝐶𝐻3𝐶𝑂𝑂−)·𝑐(𝐻+)

𝑐(𝐶𝐻3𝐶𝑂𝑂𝐻)= 𝐾𝑐 (2.9)

Setzt man nun die oben genannten Konzentrationen ins Massenwirkungsgesetz ein,

so erhält man:

𝛼·𝑐·𝛼·𝑐

(1−𝛼)·𝑐=

𝛼2·𝑐

1−𝛼= 𝐾𝑐 (2.10)

α: Dissoziationsgrad

c: Konzentration vor der Dissoziation

Kc ist die sogenannte Dissoziationskonstante, deren Erhaltung nur dann möglich ist,

wenn der Dissoziationsgrad mit abnehmender Konzentration zunimmt. Je stärker die

Lösung also verdünnt ist, desto mehr dissoziiert ist sie. Essigsäure würde also bei

unendlicher Verdünnung vollständig in seine Ionen zerfallen.

2.4 Solvatation

In einem Festkörper, wie beispielsweise einem NaCl-Kristall, sind elektrische

Ladungen an den Gitterbausteinen lokalisiert. Für die elektrostatische

Anziehungskraft gilt das Coulombsche Gesetz:

𝐾 =𝑞1·𝑞2

є·𝑟2 (2.11)

Das bedeutet, dass aufgrund der geringen Gitterabstände im Kristallgitter die

Anziehungskraft sehr hoch ist und ein hoher Energiebetrag aufgewandt werden muss,

um die Gitterstruktur aufzubrechen. Im Falle des NaCl liegt der Schmelzpunkt bei

801°C. Wasser besitzt eine größere Dielektrizitätskonstante є als Luft (є=1 in Luft

und є=78,3 in Wasser), wodurch die attraktive Kraft geschwächt wird. Allerdings

würde auch jetzt die dem System innewohnende Wärme nicht ausreichen, um den

Natriumchloridkristall aufzulösen. Die dazu nötige Energie entstammt aus der

Solvatation, bei Wasser als Lösungsmittel Hydratation genannt. Dabei lagern sich die

Dipole der Lösungsmittelmoleküle entsprechend der Ladung der Natrium- bzw. der

Chloridionen an (Abb. 6). Ist die Solvatationsenergie größer als die

Dissoziationsenergie, so kommt es zu einer Erwärmung der Lösung (Beispiel:

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2.4 Solvatation 10

konzentrierte Salzsäure in Wasser). Ist die Solvatationsenergie geringer als die

Dissoziationsenergie, so kühlt sich die Lösung ab (Beispiel: Einige Salze in Wasser).

Abbildung 6: Schematische Darstellung der Solvatation von NaCl in H2O.

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Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie 11

3. Anwendungsgebiete der

Elektrochemie

Elektrochemische Produktionsverfahren

Vorteile gegenüber chemischen Produktionsprozessen:

• bessere Energieausbeuten

• hohe Selektivität bezüglich des erwünschten Produkts und somit eine hohe

Reinheit

• keine außerordentlich hohen Temperaturen und Drücke erforderlich

• Strom und Spannung sind leicht regelbar und somit sind die Prozesse gut zu

automatisieren

• wenige bis keine Abfallprodukte und somit gut umweltverträglich

Nachteile:

• höherer Preis der elektrischen Energie im Vergleich zur thermischen Energie

• hohe Investitionskosten erforderlich

Beispiel: Elektrochemische Herstellung von Chlor und Alkalilauge

Chlor wird für die Herstellung vieler wichtiger Produkte benötigt. Zum Beispiel für

Chlorwasserstoffe, die die Grundlage von Pestiziden, Lösungsmittel, Weichmacher,

etc. sind, sowie für die Erzeugung von Kunststoffen (Polyvinylchlorid,

Polyfluorkohlenwasserstoffe) und Produkte der Kältetechnik.

Die Gewinnung findet aus einer neutralen wässrigen Natriumchloridlösung statt.

Dabei läuft folgende Reaktion ab:

2 NaCl + 2 H2O ⟶ 2 NaOH + Cl2 + H2

Anodischer Prozess:

2 NaCl ⟶ 2 Na + Cl2 + 2 e

kathodischer Prozess:

2 H2O + 2 e ⟶ 2 OH + H2

Es ist wichtig zu verhindern, dass OH -Ionen in den Anodenraum gelangen, um

folgende unerwünschte Nebenreaktion zu unterbinden:

Cl2 + 2 OH ⟶ ClO + Cl + H2O

H2 + Cl2 ⟶ 2 HCl

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Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie 12

Mögliche Lösungen für dieses Problem:

Diaphragmaverfahren:

Hierbei wird die Wanderung der Chlorid- und Hydroxidionen durch ein Diaphragma

verhindert. Na+-Ionen können jedoch von der Anode zur Kathode wandern. Es wird

meistens ein Diaphragma aus Kunststoff verwendet.

Amalgamverfahren:

Das Amalgamverfahren unterbindet bereits die Bildung von Hydroxidionen. Hier

wird eine Quecksilber-Kathode verwendet, an der elementares Natrium abgeschieden

wird, wo es sich mit dem Quecksilber zu Amalgam (NaHgx) verbindet. In einer

zweiten räumlich getrennten Zelle ist das Quecksilber als Anode geschaltet. Diese

Zelle wird Amalgamzersetzer genannt, weil dieses zu NaOH, H2 und Hg zersetzt

wird. Das Verfahren hat den Nachteil, dass Quecksilber sehr giftig ist.

Galvanotechnik/Elektroplattierung

Galvanotechnik wird zur elektrochemischen Abscheidung von metallischen

Überzügen verwendet. Elektroplattierung kann zur simplen Verschönerung

angewandt werden, wie bei der Versilberung, Vergoldung oder auch Verchromung

von Gegenständen (Abb. 7).

Abbildung 7: Galvanische Verkupferung eines Metalls im Kupfersulfatbad.

Allerdings gibt es auch wichtige funktionale Verwendungen für diese Technik, wie

beispielsweise den Korrosionsschutz. Überzieht man ein zu schützendes Metall mit

einem edleren Metall (z.B. kupferbeschichtetes Eisen) so macht man sich zunutze,

dass der Überzug weniger stark oxidiert. Wird die Schutzschicht allerdings

beschädigt, so wird das Potential der freigelegten Stelle des zu schützenden Materials

auf das Niveau der Schutzschicht erhöht, wodurch eine Beschleunigung der

Korrosion eintritt und es sogar zu einer massiveren Zerstörung des Materials kommt.

Verwendet man hingegen ein unedleres Material als Überzug, so opfert man dies

quasi zum Schutze (zum Beispiel mit Zink beschichtetes Eisen). Das hat den

zusätzlichen Vorteil, dass bei einer Beschädigung der Schutzschicht das Potential der

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Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie 13

freigelegten Stelle in die Nähe des Wertes der Schutzschicht erniedrigt wird,

wodurch das Potential zur Auflösung des Grundmetalls unterschritten wird. Der

Schutz bleibt auch bei Beschädigung der Schutzschicht bestehen.

Galvanische Elemente

Die wohl wichtigste elektrochemische Anwendung sind galvanische Elemente, also

Primärelemente (Batterie), Sekundärelemente (Akkumulator) und Brennstoffzellen.

Batterie

Batterien sind Energiespeicher. Die in ihnen enthaltene Energie ist chemische

Energie und wird durch das Ablaufen einer Redoxreaktion in Form von elektrischer

Energie freigesetzt (Abb. 8). Die in einer Primärzelle ablaufenden Reaktionen sind

irreversibel und somit ist eine Batterie nicht wieder aufladbar. Aus der

elektrochemischen Spannungsreihe (Tab. 2) kann man die verwendeten Elektroden

so auswählen, dass die Batterie die gewünschte Spannung liefert, indem man ein

Redoxpaar auswählt dessen Standardpotential der gewünschten Potentialdifferenz

entspricht.

Abbildung 8: Schematische Darstellung einer Batterie.

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Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie 14

Halbreaktion Standardpotential

Li (s) Li+ (aq) + e

− -3,04 V

K (s) K+ (aq) + e

− -2,92 V

Ca (s) Ca2+

(aq) + 2 e− -2,87 V

Na (s) Na+ (aq) + e

− -2,71 V

Al (s) Al3+

(aq) + 3 e− -1,68 V

Mn (s) Mn2+

(aq) + 2 e− -1,19 V

Zn (s) Zn2+ (aq) + 2 e

− -0,76 V

S2−

(aq) S (s) + 2 e− -0,48 V

Fe (s) Fe2+

(aq) + 2 e− -0,41 V

Cd (s) Cd2+

(aq) + 2 e− -0,40 V

Sn (s) Sn2+

(aq) + 2 e− -0,14 V

Pb (s) Pb2+

(aq) + 2 e− -0,13 V

H2 + 2 H

2O 2 H

3O

+ (aq) + 2 e

− 0,00 V

Sn2+

(aq) Sn4+

(aq) + 2 e− +0,15 V

Cu (s) Cu2+

(aq) + 2 e− +0,34 V

2 I− (aq) I

2 (s) + 2 e

− +0,54 V

Fe2+

(aq) Fe3+

(aq) + e− +0,77 V

Ag (s) Ag+ (aq) + e

− +0,80 V

NO + 6 H2O NO−,3 (aq) + 4 H

3O + 3 e

− +0,96 V

2 Br− (aq) Br

2 (aq) + 3 e

− +1,07 V

6 H2O O

2 + 4 H

3O

+ + 4 e

− +1,23 V

2 Cr3+

(aq) + 21 H2O Cr

2O2−,7 + 14 H

3O

+ + 6e

− +1,33 V

2 Cl− Cl

2 + 2 e

− +1,36 V

Pb2+

(aq) + 6 H2O PbO

2 + 4 H

3O

+ + 2 e

− +1,46 V

Au (s) Au3+

(aq) + 3 e− +1,50 V

Mn+2

(aq) + 12 H2O MnO+,4 (aq) + 8 H

3O

+ + 5 e

− +1,51 V

2 F− (aq) F

2 (g) + 2 e

− +2,87 V

Tabelle 2: Elektrochemische Spannungsreihe.

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Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie 15

Akkumulator

Im Gegensatz zur Batterie ist die Sekundärzelle wieder aufladbar. Ein Beispiel ist der

Bleiakkumulator. Die positive aktive Masse ist Bleidioxid (PbO2) und die negative

aktive Masse ist schwammartiges, elementares Blei. Als Elektrolyt wird

Schwefelsäure verwendet.

An der Kathode läuft also folgende Reaktion ab:

PbO2 + 4 H + SO 2

4 + 2 e ⇌ PbSO4 + 2 H2O

Und an der Anode:

Pb + 2 H + SO 2

4 ⇌ PbSO4 + 2 H + 2 e

Somit ergibt sich insgesamt:

PbO2 + Pb + 2 H2SO4 ⇌ 2 PbSO4 + 2 H2O + elektrische Energie.

Dieser Akkumulator hat eine Ruheklemmenspannung von 2,06 V.

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 16

4. Analytische Anwendungen

Die Beobachtung und Erfassung elektrochemischer Größen wird vielseitig zu

analytischen Zwecken eingesetzt und intensiv genutzt.

Beispiele hierfür sind:

• Stoffmengenbestimmung

• Stofftrennung (z.B. Abwasseraufbereitung)

• Endpunktbestimmung bei Titrationsprozessen

• Verständnis von Reaktionsmechanismen

• Leitfähigkeitsmessungen

• Identifikation eines Analyten

4.1 ’Werkzeuge’ der analytischen Elektrochemie

In diesem Kapitel werden nun einige wichtige Begriffe erklärt.

4.1.1 Nernst-Gleichung

Mit Hilfe der Nernst-Gleichung lässt sich das Potential eines Redoxpaares

berechnen, welches nicht unter Normalbedingungen vorliegt:

𝑈 = 𝑈0 +𝑅·𝑇

𝑛·𝐹ln

𝑎𝑂𝑥

𝑎𝑅𝑒𝑑 (4.1)

Wobei U0 das Standardpotential des Redoxpaares ist, R die allgemeine Gaskonstante,

T die Temperatur in Kelvin, n die Anzahl der beim Redoxvorgang verschobenen

Elektronen, F die Faradaykonstante und aOx/aRed die Aktivität des Oxidationsmittels

bzw. des Reduktionsmittels. Zur Vereinfachung wird anstelle der Aktivität häufig die

Konzentration verwendet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Aktivität von der

Ionenstärke abhängt und sich somit auch in verdünnten Lösungen von 1

unterscheidet.

Beispiel: Das Redoxpaar Mn2+

/MnO

4 mit einem Standardpotential von U0 = 1,5 V.

Der Redoxvorgang weist folgende Reaktionsgleichung auf:

MnO

4 + 8 H3O + 5 e ⇌ Mn 2 + 12 H2O

Für die Nernstsche-Gleichung ergibt sich daraus:

𝑈 = 1,5 +0,026

5ln

[𝑀𝑛𝑂4−]·[𝐻3𝑂+]8

[𝑀𝑛2+] (4.2)

Die 0,026 errechnen sich aus einer angenommenen Temperatur von 300 K, der

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 17

Faradaykonstanten und der allgemeinen Gaskonstanten. Die Aktivität des Wassers

wurde in diesem Fall als 1 angenommen. Es ist zu erkennen, dass das Potential sehr

stark vom pH-Wert abhängt.

4.1.2 Die Faradayschen Gesetze

Die Faradayschen Gesetze geben die Zusammenhänge zwischen der abgeschiedenen

Substanzmenge und der geflossenen elektrischen Ladung wieder.

1. Faradaysches Gesetz

Die Stoffmenge n, die an einer Elektrode während der Elektrolyse abgeschieden

wird, ist proportional zur elektrischen Ladung Q(=I⋅t) die durch den Elektrolyten

geschickt wird.

𝑛 =𝑄

𝑧·𝐹⇒ 𝑡 =

𝑚·𝑧·𝐹

𝑀·𝐼 (4.3)

n: Stoffmenge

Q: Ladung

z: Ladung des Ions

F: Faradaykonstante

m: Masse

M: Molare Masse

I: Strom

Soll ein Mol eines einwertigen Ions umgesetzt werden, so ist genau ein Faraday

nötig:

1F = NA⋅e = 6,022⋅1023

mol-1

⋅ 1,6⋅10-19

A⋅s = 96485 A⋅s⋅mol-1

2. Faradaysches Gesetz

Die Massen m1 und m2 unterschiedlicher Stoffe, die bei gleicher Stromstärke und

Zeit abgeschieden werden sind proportional zu dem Quotienten aus molarer Masse

M1 bzw. M2 und Ladung z1 bzw. z2

𝑚1

𝑚2 =

𝑀1𝑧1𝑀2𝑧2

(4.4)

4.1.3 Bezugselektroden

Das Potential einer Elektrode bestimmt man durch Spannungsmessung. Da eine

Spannung allerdings eine Potentialdifferenz ist, benötigt man eine zweite Elektrode

mit bekanntem Potential, eine sogenannte Bezugs- oder auch Referenzelektrode, die

über die Elektrolytlösung mit der zu messenden Elektrode verbunden ist. Deren

Potential sollte nicht nur möglichst konstant sein, sondern sich auch schnell und

reproduzierbar einstellen.

Die bekannteste Bezugselektrode ist die Standardwasserstoffelektrode.

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4.2 Konduktometrie 18

Die Reaktion 2 H3O + 2 e ⇌ H2 + 2 H2O bestimmt das Potential der

Standardwasserstoffelektrode, welches per Definition 0 V beträgt.

Elektroden zweiter Art

In diesen Elektroden ist die Konzentration der potentialbestimmenden Ionen durch

das Vorhandensein eines, schwerlöslichen Salzes festgelegt. Elektroden zweiter Art

liefern somit sehr konstante und reproduzierbare Elektrodenpotentiale.

Die Funktionsweise von Elektroden zweiter Art soll nun am Beispiel der

Kalomelelektrode veranschaulicht werden:

Die Reduktion der Quecksilberionen ist der potentialbestimmende Vorgang:

Hg 2

2 + 2 e ⇌ 2 Hg

Das Potential der Elektrode errechnet sich nun aus der Nernst-Gleichung:

𝑈 = 𝑈𝐻𝑔/𝐻𝑔22+

0 +𝑅·𝑇

2𝐹ln 𝑎𝐻𝑔2

2+ (4.5)

Die Aktivität der Quecksilberionen ist gemäß dem Löslichkeitsprodukt (𝐿𝑝𝐻𝑔2𝐶𝑙2 =

𝑎𝐻𝑔22+ · (𝑎𝐶𝑙−)

2) von der Aktivität der Chloridionen abhängig, weil die Lösung an

Hg2Cl2 gesättigt ist. Man hat also ein Potential das von der Konzentration abhängt.

So beträgt das Potential bei 25°C bei einer 0,1 molaren KCl-Lösung 0,3337 V, bei

einer 1 molaren 0,2807 V und bei einer gesättigten Lösung 0,2415 V. Allerdings ist

bei der Kalomelelektrode, wie auch bei anderen Referenzelektroden, zu beachten,

dass die Löslichkeit von KCl stark temperaturabhängig ist und sich somit das

Potential ändert.

4.2 Konduktometrie

Bei der Konduktometrie handelt es sich um die Messung der Leitfähigkeit einer

Elektrolytlösung. Bei einer konduktometrischen Titration wird die Abhängigkeit der

Leitfähigkeit einer Lösung vom Volumen einer hinzugefügten Maßlösung bekannter

Konzentration bestimmt. Abbildung 9 zeigt exemplarisch eine Titration einer starken

Säure (z.B. HCl) mit einer starken Base (z.B. NaOH). Man beginnt die Titration bei

einem Titrationspunkt f = 0. Hier liegt nur die zu untersuchende Lösung vor. Der

vollständige Zerfall dieser Lösung in ihre Ionen (z.B. H+ und Cl

-) führt zu einer

relativ hohen Leitfähigkeit κ. Führt man nun die Titration durch, so nimmt die

Leitfähigkeit zunächst linear ab (Reaktionsgerade), da bei der Reaktion von Analyt-

und Maßlösung H+ und OH

- zu neutralem Wasser reagieren und so die

Gesamtionenzahl sinkt. An einem charakteristischen Punkt ändert sich die

Leitfähigkeit sprunghaft. Dieser Punkt hat den Titrationsgrad f=1 und wird

Äquivalenzpunkt genannt. Die Ausgangslösung ist nun komplett verbraucht. Setzt

man die Titration fort, so erhält man einen Titrationsgrad >1 und hat somit den

Äquivalenzpunkt überschritten und befindet sich nun auf der Reagenzgeraden. Die

Leitfähigkeit wird nun hauptsächlich durch die Ionen der Maßlösung bestimmt. Die

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 19

Cl--Ionen der Analytlösung bleiben allerdings ebenfalls in Lösung und tragen zur

Leitfähigkeit bei.

Abbildung 9: Verlauf der Leitfähigkeit während einer Säure-Base-Titration.

Prinzipiell lassen sich konduktometrische Titrationen bei Fällungs-, Neutralisations-

und Redoxreaktionen anwenden.

4.3 Potentiometrie

Die Bestimmung des elektrischen Potentials wird Potentiometrie genannt. Man kann

beispielsweise den Äquivalenzpunkt bei einer Titration neben der schon

beschriebenen Konduktometrie, auch durch Potentiometrie bestimmen. Durch eine

Titration werden Konzentrationsänderungen in einer Lösung verursacht, welche

Potentialänderungen an einer Meßelektrode (oder auch Indikatorelektrode)

verursachen. Für die Messung dieser Potentialänderungen ist es notwendig, dass an

der Elektrode eine Redoxreaktion abläuft, wodurch man mittels der Nernst-

Gleichung den Zusammenhang zwischen den an der Reaktion beteiligten Substanzen

und dem Redoxpotential herstellen kann. Eine Elektrode reicht allerdings nicht aus.

Es wird eine Referenzelektrode benötigt, um eine Potentialdifferenz zu messen. Die

Vergleichselektrode besitzt im Idealfall ein konstantes Potential. Man kann mit Hilfe

einer geeigneten Messtechnik das Potential der Referenzelektrode kompensieren, so

dass man nur Potentialänderungen an der Messelektrode detektiert.

Der Wendepunkt der Kurve gibt den Äquivalenzpunkt an und das zugehörige

Potential wird als Umschlagspotential bezeichnet. Je größer der Potentialsprung ist,

desto genauer ist die Messung. Zur genauen Bestimmung des Äquivalenzpunktes,

wird die Ableitung des Potentials nach der Titerzugabe berechnet, denn die

Spannung steigt im Bereich des Äquivalenzpunktes sehr steil an (Abb. 10). Das

Maximum der Ableitung ist wesentlich einfacher zu erkennen. Im Idealfall wird die

Messung im stromlosen Zustand vollzogen, um möglichst exakt zu sein. Fließt

nämlich ein Strom, so wird durch Elektrolysevorgänge die Konzentration in der

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4.4 Amperometrie 20

Nähe der Messelektrode beeinflusst. Eine stromlose Messung kann durch ein

hochohmiges Potentiometer erreicht werden.

Abbildung 10: Potentiometrische Säure-Base-Titration.

Wahl der Elektroden

Messelektrode: Die Wahl der Messelektrode wird durch das analytische Problem

bestimmt. Man kann beispielsweise bei Redoxtitrationen Platinelektroden einsetzen,

die durch elektrolytische Abscheidung eines anderen Metalls (z.B. Kupfer) während

der Messung beschichtet werden. Alternativ werden Elektroden eingesetzt, deren

Ionen während der Titration entstehen oder verbraucht werden, also beispielsweise

eine Kupferelektrode wenn Kupferionen dissoziiert sind.

Referenzelektrode:

Bei der Referenzelektrode ist darauf zu achten, dass der Titrationsprozess nicht

beeinflusst wird. Dafür werden sogenannte Elektroden 2. Art eingesetzt. Deren

Potential ist zwar indirekt von der Konzentration der Elektrolytlösung abhängig, die

Spannungsdifferenz in Bezug auf die Lösung bleibt jedoch gleich. Beispiele sind die

Kalomel- und die Glaselektrode.

4.4 Amperometrie

Amperometrie wird die Messung des Stromflusses durch eine Elektrolytlösung bei

konstantem Potential genannt. Man kann damit chemische Stoffe quantitativ

bestimmen und damit den Äquivalenzpunkt erkennen.

Den Endpunkt bestimmt man durch das Einstellen einer geeigneten Spannung an den

Elektroden und anschließender Auftragung des verwendeten Verbrauchs an

Maßlösung gegen den jeweiligen Strom (in Ampere). Man erhält zwei Geraden die

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 21

sich am Äquivalenzpunkt schneiden. In Abb. 11 sind die drei möglichen

Titrationskurven einer Amperometrie dargestellt.

Abbildung 11: Amperometrische Titration.

Im ersten Fall wird das Ion das für die Leitfähigkeit sorgt durch die Titration

verbraucht. Aus diesem Grund sinkt der Stromfluss bis er am Äquivalenzpunkt bei

einem konstanten Wert verharrt. Im zweiten Fall stammt das leitende Ion aus der

Maßlösung. Es wird bis zum Äquivalenzpunkt von der Probenlösung verbraucht.

Anschließend nimmt seine Konzentration durch weiteres Hinzugeben zu und ein

Anstieg des Stroms ist zu verzeichnen.

Sind sowohl Maßlösung als auch Probenlösung elektrochemisch aktiv, so fällt der

Strom zu Beginn ab, weil durch die Titration die Ionen der Probe verbraucht werden.

Am Äquivalenzpunkt tritt ein Minimum der Stromstärke auf. Weitere Titration führt

zu einer Zunahme der Ionen aus der Maßlösung und somit zu einem Anstieg der

Stromstärke.

4.5 Coulometrie

Mittels Coulometrie bestimmt man geflossene Ladungsmengen. Da ein einfacher

Zusammenhang zwischen den abgeschiedenen (freigesetzten) Elektrolyseprodukten

und der während der Elektrolyse geflossenen Ladungsmenge besteht, kann man aus

letzterer auf die Stoffmengen zurückrechnen. Die Coulometrie ist somit eine genaue

quantitative Bestimmungsmethode für viele analytische Probleme. Der Coulometrie

liegen die Faradayschen Gesetze zugrunde.

4.5.1 Potentiostatische Coulometrie

Mit Hilfe eines Potentiostaten wird das Potential im Grenzstrombereich der

gewünschten Umsetzung konstant gehalten. Die gesuchte Ladungsmenge errechnet

sich aus:

𝑄 = ∫ 𝐼𝑑𝑡𝑡

0 (4.6)

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4.5 Coulometrie 22

Die abgeschiedene oder umgesetzte Masse erhält man aus den Faradayschen

Gesetzen:

𝑄 = 𝑛 · 𝑧 · 𝐹 (4.7)

𝑛 =𝑚

𝑀 (4.8)

𝑚 =𝑀·𝑄

𝑧·𝐹 (4.9)

Durch den Zusatz eines elektrochemisch passiven Leitsalzes im Überschuss wird

gewährleistet, dass der Stromtransport in der Lösung nur über das Leitsalz erfolgt.

Das bedeutet, dass die Probensubstanz nur durch Diffusion zur Elektrode gelangt und

somit nur der Grenzstrom gemessen wird. Im Laufe der Messung nimmt die

Stromstärke stark ab, weil die Analysensubstanz elektrolytisch zerlegt wird. Aus

diesem Grund sind potentiostatische Messungen sehr langwierig. Die Messung ist

beendet, wenn der Strom I um 99,9% gesunken ist, was mehrere Tage lang dauern

kann.

Hauptanwendung ist die Bestimmung kleiner Metallgehalte. Dabei werden entweder

Wechsel der Wertigkeit oder eine Abscheidung an Elektroden betrachtet. Die

Empfindlichkeiten liegen dabei im Bereich 10-9

-10-10

mol/Liter.

Vorteile dieser Messmethode:

• Eignung für Spurenanalysen

• Nebenreaktionen können ausgeschlossen werden, daraus folgt eine größere

Selektivität

Nachteil:

• Dauer der Messung: Sehr lange

4.5.2 Galvanostatische Coulometrie

Im Gegensatz zur potentiostatischen Coulometrie wird hier die Elektrolysestrom-

stärke mit Hilfe eines Galvanostaten konstant gehalten. Durch eine einfache

Zeitmessung kann die Ladungsmenge bei konstantem Strom bestimmt werden

(Q = I⋅t). Nicht die Analysensubstanz sondern eine Hilfssubstanz wird elektrolysiert.

Die Elektrolyseprodukte reagieren nun ihrerseits mit der Analysensubstanz. Die

Maßlösung wird also erst elektrochemisch erzeugt. Würde man keine Hilfssubstanz

verwenden, dann würde die Analysensubstanz in unmittelbarer Nähe der Elektrode

verarmen. Der Konzentrationsausgleich würde durch Diffusion stattfinden. Da diese

unter anderem konzentrationsabhängig ist, kommt es zu einer

Konzentrationspolarisation der Elektrode. Eine quantitative Stromausbeute ist somit

nicht möglich. Deshalb fügt man nun die hochkonzentrierte Hilfssubstanz zur Probe

hinzu, um diese zu elektrolysieren. Aufgrund ihrer hohen Konzentration ist eine

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 23

quantitative Stromausbeute möglich, weil die Diffusion eine ausreichende

Nachlieferung an die Elektrodenfläche gewährleistet.

Man verwendet als Hilfssubstanz einen Elektrolyt, dessen anodisches oder

kathodisches Elektrolyseprodukt quantitativ und eindeutig mit der zu untersuchenden

Probe reagiert. Das Ende der Reaktion muss durch Indikationsmethoden wie pH-

Wert- oder Leitfähigkeitsmessung ermittelt werden.

Vorteile:

• einfache Gerätetechnik

• schnelle Durchführung

Nachteil:

• Änderung des Elektrodenpotentials, wodurch Nebenreaktionen stattfinden

können

Es handelt sich bei der galvanostatischen Coulometrie im Prinzip um eine ’Titration

mit Elektronen’, weshalb sie auch coulometrische Titration genannt wird.

4.6 Elektrogravimetrie

Bei der Elektrogravimetrie wird durch Elektrolyse ein Metall aus einer Salzlösung

vollständig an der Kathode abgeschieden. Durch das Wiegen der Elektrode vor und

nach der Elektrolyse kann man aus dem Gewichtsunterschied die abgeschiedene

Substanzmenge und somit die ursprüngliche Konzentration der Lösung bestimmen.

Es ist allerdings wichtig die Elektrode vor dem Abwiegen mit destilliertem Wasser

zu waschen und gründlich zu trocknen, um ein exaktes Ergebnis zu erhalten.

Alternativ wird das Metall nicht an der Elektrode abgeschieden, sondern einfach aus

der Lösung ausgefällt. Hierbei sind Elektronen das verwendete Fällungsmittel. Aus

dem gemessenen Gewicht kommt man mithilfe der Faradayschen Gesetze auf die

gewünschte Information:

𝑚 =𝑀·𝑄

𝑛·𝐹 (4.10)

4.7 Voltametrie

Werden Ströme in Abhängigkeit vom Elektrodenpotential gemessen, so handelt es

sich um voltametrische Messmethoden.

Ein Spezialfall der Voltametrie ist die cyclische Voltametrie oder auch

Cyclovoltametrie. Diese dient unter anderem der Gewinnung von Informationen über

verschiedene Vorgänge an der Arbeitselektrode. Charakteristische Formen der

Cyclovoltagramme und eindeutige Potentiallagen der Peaks spiegeln die

elektrochemischen Eigenschaften von Redoxsystemen wider. Aus diesem Grund

wird diese Methode auch ’elektrochemische Spektroskopie’ genannt. Folgende

Eigenschaften elektrochemisch aktiver Stoffe lassen sich untersuchen:

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4.7 Voltametrie 24

• Redoxpotentiale von Molekülen

• Kinetik der Elektrodenreaktionen

• Thermodynamische Reaktionsgrößen

• Mechanismen elektrochemischer Reaktionen

• Identifizierung von in der Lösung enthaltenen Stoffen

• Nachweis reaktiver Zwischenprodukte

• Untersuchung potentialabhängiger Phasengrenzflächenreaktionen

(Adsorptionsprozesse)

Durchführung

An der Arbeitselektrode wird über einen Funktionsgenerator ein dreiecksförmiger

Spannungs-Zeit-Verlauf vorgegeben (Abb. 12).

Abbildung 12: Spannungsverlauf während einer cyclovoltametrischen Messung.

Die Messung des Elektrodenpotentials erfolgt über eine Referenzelektrode mit

bekanntem Potential. Da hohe Ströme, wie sie bei hohen

Vorschubgeschwindigkeiten auftreten, die Referenzelektrode zerstören, wird eine

dritte Elektrode verwendet. Über die sogenannte Gegenelektrode wird, durch die

Verwendung eines Potentiostaten, der Strom geleitet. Die Referenzelektrode bleibt

wegen ihrer hohen Impedanz nahezu stromlos. Die Arbeitselektrode und die

Gegenelektrode sind aufgrund des Spannungsverlaufs wechselweise Anode und

Kathode und die Regelung des Potentiostaten sorgt dafür, dass sich zwischen

Arbeitselektrode und Referenzelektrode das vorgegebene Sollpotential einstellt.

Abbildung 13 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer cyclovoltametrischen Messung.

Die Arbeitselektrode und die Gegenelektrode bestehen aus demselben, inerten

Material um bei einem Materialtransport zwischen den beiden Elektroden keine

Veränderung der Eigenschaften der Elektroden zu erhalten. Es werden z.B. Gold-

oder Platinelektroden eingesetzt. Bei der Referenzelektrode handelt es sich um eine

Elektrode zweiter Art (z.B. Kalomelelektrode). Ein XY-Schreiber, bzw. ein

Computer sorgen für die Auftragung eines Strom-Spannungsdiagramms, des

sogenannten Cyclovoltagramms.

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 25

Abbildung 13: Schematischer Aufbau einer cyclovoltametrischen Messung.

Entscheidende Parameter bei cyclovoltametrischen Messungen sind:

• Die Reinheit des Elektrolyten und der eingesetzten Substanzen

• Das Elektrodenmaterial

• Die Wahl der Potentialumkehrpunkte

• Die Potentialvorschubgeschwindigkeit (mindestens 10-30 mV/s)

Die Potentialvorschubgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit mit der das Potential

variiert wird. Die Elektroden werden vor dem Versuch elektrochemisch gereinigt.

Dabei wird die Spannung sehr langsam zwischen den Potentialen der Wasserstoff-

und der Sauerstoffentwicklung hin- und hergefahren. Verunreinigungen werden so

oxidiert oder reduziert und die Metalloberfläche dadurch gereinigt.

Deckschichtdiagramm

Liegen keine elektrochemisch aktiven Stoffe in einem wässrigen Elektrolyten vor, so

werden die auftretenden Ströme durch den Auf- und Abbau von Wasserstoff- und

Sauerstoff-Chemisorptionsschichten verursacht. Der Strom ist bei der sogenannten

Auf- bzw. Umladung der elektrolytischen Doppelschicht minimal. Das

Lösungsmittel (Säuren, Basen oder Salze) beeinflusst die Form des

Cyclovoltagramms nur minimal, wenn keine elektrochemische Umsetzung

stattfindet. Im Gegensatz dazu beeinflusst das Elektrodenmaterial das

Cyclovoltagramm stark. Ein Deckschichtdiagramm von Platinelektroden ist in

Abbildung 14 gezeigt.

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4.7 Voltametrie 26

Abbildung 14: Deckschichtdiagramm einer entlüfteten 1 M KOH-Lösung an Platin

bei 20°C mit einer Potentialvorschubgeschwindigkeit von 100mV/s.

Nun zu den Vorgängen während der Cyclovoltametrie:

Ein elektrochemisch aktiver Stoff wird bei einem charakteristischen Potential

oxidiert oder reduziert. Bei einer Strom-Spannungsauftragung sind die Peaks der

Oxidation und der Reduktion die Spannungswerte mit dem betragsmäßig größten

Strom.

Liegt keine Spannung an, so fließt kein Strom, denn die elektrochemisch aktive

Substanz wird weder oxidiert noch reduziert. Erst wenn die Spannung einen

gewissen Wert erreicht hat beginnen Ionen an der Elektrodenoberfläche zu reagieren,

wodurch ein Stromfluss einsetzt. Entsprechend der Nernstgleichung ändert sich

unmittelbar das Verhältnis von oxidierten zu reduzierten Teilchen. Entspricht die

Konzentration der oxidierten Komponenten vor der Elektrode der Konzentration der

reduzierten Komponenten, so entspricht das Potential genau dem Standardpotential

des Redoxprozesses. Der Strom beträgt nun die Hälfte seines maximal erreichbaren

Wertes. Dieser größtmögliche Wert entspricht dem Grenzstrom. Bei dieser

Stromstärke sind alle elektrochemisch aktiven Teilchen vor der Elektrode oxidiert

oder reduziert. Die Stromstärke sinkt nun betragsmäßig, da sich eine

Diffusionsschicht bildet. Diese weitet sich jedoch nicht so stark aus wie bei einer

normalen Elektrolyse, da bei Erreichen der Spannungsspitze die Spannung wieder

sinkt und immer weniger Teilchen reagieren. Ändert die Dreiecksspannung ihr

Vorzeichen, so können die vorher oxidierten bzw. reduzierten Teilchen reduziert

bzw. oxidiert werden. Der Strom fließt nun in die entgegengesetzte Richtung. Beide

Teilreaktionen bilden somit eine Stromwelle, da in diesem Beispiel eine reversible

Reaktion angenommen wurde (Abb. 15). Im Cyclovoltagramm lassen sich die Lage

und die Höhe der beiden Maxima auswerten. Aus dem Verhältnis zwischen Höhe des

Hinlaufpeaks zur Höhe des Rücklaufpeaks kann abgeleitet werden, ob die Reaktion

reversibel oder irreversibel ist.

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Kapitel 4. Analytische Anwendungen 27

Abbildung 15: Reversibles Cyclovoltagramm.

Folgereaktionen bei Weiterreaktion der entstandenen Produkte (beispielweise durch

weitere Oxidationsschritte) sorgen für zusätzliche Stromspitzen (Abb. 16). Diese

lassen sich den einzelnen Reaktionen zuordnen. Ist z.B. bekannt, dass bei einer

Oxidation oder Reduktion zwei Elektronen übertragen werden, lässt sich durch

Cyclovoltametriemessungen ermitteln, ob die beiden Elektronen gleichzeitig

übertragen werden (1 Peak im Hin- und Rücklauf) oder ob die beiden Elektronen

nacheinander übertragen werden (je 2 Peaks im Hin- und Rücklauf).

Abbildung 4.8: Cyclovoltagramm mit Folgereaktionen.

Läuft die Reaktion jedoch irreversibel ab, so liegt im Cyclovoltagramm kein

Rücklaufpeak vor. Dies ist der Fall, wenn das entstehende Produkt entweder instabil

ist oder wenn zusätzlich Substanzen vorliegen die mit dem Produkt reagieren.

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4.7 Voltametrie 28

Abbildung 17: Cyclovoltagramm einer irreversiblen Reaktion.

Bei der Auswertung eines Cyclovoltagramms sind folgende Parameter zu

berücksichtigen:

• Verschiebung der Peakpotentiale in Abhängigkeit von der gewählten

Potentialvorschubgeschwindigkeit

• Differenz zwischen den Peakpotentialen

• Verhältnis der Hinlaufstromdichte zur Wurzel der

Potentialvorschubgeschwindigkeit

• Verhältnis der maximalen Peakstromdichten

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Kapitel 5. Experimenteller Teil 29

5. Experimenteller Teil

Vor Versuchsbeginn

• Wasser mit Stickstoff entlüften

• Spannungsquelle und Computer einschalten

1. Versuch: Aufbau eines Daniell-Elementes

Es werden 40 ml einer Kupfersulfatlösung mit c = 1 mol/l und 40 ml einer

Zinksulfatlösung mit c = 1 mol/l benötigt. Daneben braucht man noch 2

Bechergläser, Kupferblech, Zinkblech, Filterpapier und destilliertes Wasser.

Die Bleche werden mit dem Messgerät verbunden. Dann taucht man das Kupferblech

in die Kupfersulfatlösung und das Zinkblech in die Zinksulfatlösung. Das mit Wasser

getränkte Filterpapier dient als Salzbrücke zwischen den beiden Bechergläsern. Die

entstehende Spannung kann nun am Messgerät abgelesen werden.

2. Versuch: Abscheidung von Kupfer - 1. Faradaysches Gesetz

Hierzu werden 70 ml Kupfersulfatlösung mit c = 1 mol/l und 10 ml Schwefelsäure

(H2SO4) mit c = 1 mol/l benötigt.

Daneben braucht man noch ein Becherglas und zwei Kupferbleche.

Die beiden Kupferbleche werden vor dem Versuch gewogen und die Werte notiert.

Die beiden Kupferbleche werden mit der Spannungsquelle verbunden und in das

Becherglas getaucht. Die Elektrolyse wird durch Anlegen einer Spannung von 5 V

gestartet. Die Stromstärken werden alle 20 Sekunden abgelesen und notiert. Nach

genau 10 Minuten wird die Spannung abgeschaltet und die Elektroden getrocknet.

Danach werden beide Bleche erneut gewogen.

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Kapitel 5. Experimenteller Teil 30

3. Versuch: Abscheidung von Kupfer und Silber – 2. Faradaysches Gesetz

Es werden 70 ml Kupfersulfat (c = 1 mol/l), 70 ml Silbernitrat (c = 1 mol/l) und 10 ml

Schwefelsäure (c = 1 mol/l) benötigt. Zusätzlich braucht man noch 2 Bechergläser (100 ml), 2

Kupferbleche und 2 Silberbleche.

Die Kupfer- und Silberbleche werden vor dem Versuch gewogen und die Werte notiert.

Bauen Sie anschließend zwei hintereinandergeschaltete Elektrolysezellen wie folgt auf: Die

Silberbleche werden als Elektroden in der Silbernitratlösung verwendet. Für die

Kupfersulfatlösung und die Schwefelsäure werden die beiden Kupferbleche verwendet.

Die Elektrolyse wird durch Anlegen einer Spannung von 3 Volt gestartet, der

Stromstärkewert wird alle 20 Sekunden notiert. Nach 10 Minuten wird die Spannung

abgeschaltet. Die Elektroden werden vorsichtig getrocknet und erneut gewogen.

4. Versuch: Konduktometrische Titrationen von HCl und CH3COOH

Als Maßlösung werden 120 ml einer NaOH-Lösung mit c = 0,4 mol/l benötigt.

200 ml der Säurelösungen werden jeweils in ein Becherglas gegeben und die

Leitfähigkeit bestimmt. Dann langsam mit der NaOH-Maßlösung titrieren und dabei

die Leitfähigkeitswerte und die Menge an Maßlösung notieren.

Bis zu einer Leitfähigkeit von ca. 7 mS/cm (für HCl) die Werte jeweils nach 1 ml

Maßlösung notieren. Darunter immer nach 0,2 ml Maßlösung bis zum

Äquivalenzpunkt und weitere 15 Werte mit 0,2 ml sowie 15 Werte mit 1 ml

aufnehmen.

Für CH3COOH wird bis ca. 3 mS/cm die Leitfähigkeit nach 1 ml und bis ca. 5

mS/cm nach 0,2 ml notiert. Oberhalb von 5 mS/cm werden weitere 15 Werte mit 1

ml Schritten aufgenommen.

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Kapitel 5. Experimenteller Teil 31

Die nachfolgenden 2 Versuche gehören zur Cyclovoltametrie. Dabei wird das

Potential zwischen zwei Grenzen zyklisch verändert und der Stromverlauf

aufgezeichnet. Im Praktikum werden Platinelektroden als Arbeits- und

Gegenelektrode eingesetzt. Die Referenzelektrode ist eine gesättigte

Kalomelelektrode. Für alle Lösungen, die für die folgenden Versuche angesetzt

werden, muss das entlüftete Wasser eingesetzt werden!

5. Versuch: Aufnahme eines Deckschichtdiagramms

Es werden 40 ml einer Schwefelsäurelösung mit c = 0,1 mol/l benötigt.

Vor der Aufnahme des Deckschichtdiagramms werden die Elektroden

elektrochemisch gereinigt. Dazu werden der Potentialbereich von -350 bis 1400 mV

mit einer Vorschubgeschwindigkeit von 10 mV/s durchfahren. Das

Deckschichtdiagramm wird in einem Potentialbereich von -350 bis 1400 mV

aufgenommen. Die Potentialvorschubgeschwindigkeit beträgt 1000 mV/s.

6. Versuch: Umladung von Fe2+

/Fe3+

Für diesen Versuch benötigt man 10 ml einer Eisen(II)-sulfat Stammlösung mit c =

0,1 mol/l. Daneben wird noch eine Schwefelsäurelösung mit c = 1 mol/l benötigt.

Die Eisen(II)-sulfat Stammlösung wird mit der Schwefelsäurelösung so weit

verdünnt, bis eine Fe 2 -Konzentration von 0,005 mol/l vorliegt. Insgesamt werden

40 ml dieser Lösung benötigt.

Bestimme das Ruhepotential der Zelle.

Für die Messung der Lösung wird ein Potentialbereich von 0 bis 800 mV

durchfahren. Die Vorschubgeschwindigkeiten werden dabei variiert. Es werden

Geschwindigkeiten von 100, 200, 400, 600, 800 und 1000 mV/s eingestellt.

Bitte zum Praktikumstag mitbringen:

Ausgedrucktes Kapitel 5 (Experimenteller Teil)

Berechnungen für die einzelnen Versuche

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Kapitel 6. Aufgaben 32

6. Aufgaben

1. Daniell-Element

Notieren Sie den Spannungswert und vergleichen Sie den experimentell

bestimmten Wert mit dem theoretischen Wert, den Sie mit Hilfe der

elektrochemischen Spannungsreihe bestimmen können.

Wie lässt sich der Unterschied zwischen dem experimentellen und dem

theoretischen Spannungswert erklären?

Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung mit den jeweiligen Teilreaktionen an

der Kathode und der Anode.

2. 1. Faradaysches Gesetz

Bestimmen Sie mit den notierten Stromstärkewerten über das 1. Faradaysche

Gesetz die Masse, die im Versuch abgeschieden wird. Die Berechnung muss

nachvollziehbar präsentiert werden.

Wodurch kommt der Unterschied zwischen der berechneten und der

experimentell bestimmten Massenabnahme zustande?

Wie können mögliche Fehler bei beiden Messwerten verringert werden?

3. 2. Faradaysches Gesetz

Berechnen Sie die abgeschiedenen Massen an Silber und Kupfer.

Wenden Sie das 2. Faradaysche Gesetz an und erläutern Sie nachvollziehbar Ihre

Ergebnisse.

Gilt das 2. Faradaysche Gesetz bei diesem Versuch? Wodurch können

Abweichungen entstehen? Begründen Sie Ihre Antworten.

Geben Sie die Reaktionsgleichungen an, die in den beiden Elektrolysezellen

jeweils ablaufen.

4. Konduktometrische Titration

Berechnen Sie die Konzentration der Säurelösungen. Die Berechnung muss

nachvollziehbar präsentiert werden.

Tragen Sie κ gegen V auf und interpretieren Sie die Steigungen der Geraden

vor und nach dem Äquivalenzpunkt.

Wodurch können mögliche Fehler bei der Bestimmung auftauchen und wie

können diese behoben werden?

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Kapitel 6. Aufgaben 33

5. Aufnahme eines Deckschichtdiagramms

Benennen Sie die einzelnen Bereiche des aufgenommenen

Deckschichtdiagramms von Platin.

Durch welche Reaktionen können die einzelnen Peaks erklärt werden?

6. Umladung von Fe2+

/Fe3+

Welche Informationen können aus einem Cyclovoltagramm gezogen werden?

Bestimmen Sie, ob es sich im durchgeführten Versuch um einen gehemmten

oder ungehemmten Ladungsdurchtritt handelt. Bestimmen Sie im Falle eines

gehemmten Ladungsdurchtritts den Durchtrittsfaktor. Begründen Sie Ihre

Entscheidung graphisch.

Angaben für die Berechnungen:

M(H2SO4) = 98,08 g/mol ϱ(H2SO4) = 1,84 kg/l w(H2SO4) = 0,95

M(CuSO4⋅5 H2O) = 249,69 g/mol

M(ZnSO4⋅7 H2O) = 287,54 g/mol

M(AgNO3) = 169,87 g/mol

M(HCl) = 36 g/mol ϱ(HCl) = 1,19 kg/l w(HCl) = 0,37

M(CH3COOH) = 60,05 g/mol ϱ(CH3COOH) = 1,05 kg/l w(CH3COOH) = 1,00

M(NaOH) = 40 g/mol

M(FeSO4 ⋅ 7H2O) = 278,02 g/mol

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Kapitel 7. Literatur 34

7. Literatur

[1] Carl H. Hamann, Wolf Vielstich

Elektrochemie

Wiley-VCH, 1998

[2] Hans Peter Latscha, Helmut Alfons Klein

Chemie

Springer-Verlag, 1994

[3] W. Schmickler

Grundlagen der Elektrochemie

Springer-Verlag, 1996

[4] Rudolf Holze

Elektrochemisches Praktikum

Teubner-Verlag, 2001