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Universit ¨ at Heidelberg Physikalisches Praktikum I f ¨ ur Studierende der Physik, Geowissenschaften und Mathematik Inhalt Vorwort ............................... 2 Vorbemerkung ........................... 2 Vorbereitung ............................ 3 Durchf ¨ uhrung der Versuche .................... 3 Messgenauigkeit und Fehlerabsch ¨ atzung ............. 4 Wir wollen richtige Fehler! .................... 13 Fehlerrechnung mit K ¨ opfchen ................... 27 .................................... 11 Einf ¨ uhrungsversuch ........................ 31 12 Tr ¨ agheitsmoment ......................... 39 13 Resonanz .............................. 43 14 Mathematisches Pendel ...................... 47 15 Schiefe Ebene ........................... 53 21 Elektrolyse ............................. 57 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan ........ 63 23 Strom-und Spannungsmessung .................. 67 25 Oszilloskop ............................. 71 26 Schallgeschwindigkeit ....................... 83 31 Optische Abbildung ........................ 89 33 Prismenspektrometer ....................... 99 34 Spektralphotometrie ........................ 103 35 Fotoeffekt .............................. 111 41 Temperaturmessung ........................ 117 42 Spezifische W ¨ armekapazit ¨ at fester K ¨ orper ............ 125

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Universitat Heidelberg

Physikalisches Praktikum I fur Studierende der

Physik, Geowissenschaften und Mathematik

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Durchfuhrung der Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung . . . . . . . . . . . . . 4Wir wollen richtige Fehler! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Fehlerrechnung mit Kopfchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 Einfuhrungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3112 Tragheitsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3913 Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4314 Mathematisches Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4715 Schiefe Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5321 Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5722 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan . . . . . . . . 6323 Strom-und Spannungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6725 Oszilloskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7126 Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8331 Optische Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8933 Prismenspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9934 Spektralphotometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10335 Fotoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11742 Spezifische Warmekapazitat fester Korper . . . . . . . . . . . . 125

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Praktikumsvorbereitung

I Vorwort zur aktuellen Ausgabe

Die Versuche und Versuchsanleitungen des Physikalischen Anfangerpraktikumsder Universitat Heidelberg werden zur Zeit grundlegend uberarbeitet. Die jet-zige Version der Praktikumsanleitung entspricht inhaltlich zum großten Teilnoch der alten Version. Lediglich die Formatierung und Strukturierung wurdegeandert. Jede Versuchsbeschreibung ist nun klar und ubersichtlich gegliedert.Zusatzlich wurden zu jedem Versuch Bilder des Versuchsaufbaus eingefugt, dieIhnen die Versuchsvorbereitung erleichtern sollen. Da es oft vorkommen kann,dass Sie von einem Englisch sprechenden Assistent betreut werden, wurde dieAnleitung durch ein Fachworterbuch, das die wichtigsten Vokabeln zu den ein-zelnen Versuchen enthalt, erganzt. Dies soll Ihnen die Konversation mit demAssistenten bei der Vorbesprechung erleichtern.Leider ist es bei einer Neuauflage nicht zu vermeiden, dass sich dabei auchFehler einschleichen. Ich bitte dies zu entschuldigen und mich eventuell daraufhinzuweisen. Ich hoffe, dass das Anfangerpraktikum in Zukunft noch mehrzu einem spannenden und vor allem lehrreichen Bestandteil der naturwissen-schaftlichen Studiengange in Heidelberg wird.

Heidelberg im Januar 2007

Jens Wagner

II Vorbemerkung

Dieses Praktikum verfolgt hauptsachlich drei Ziele:

1. Sie lernen den Umgang mit physikalischen Messgeraten und Messappara-turen.

2. Kenntnisse, die Sie bereits erworben haben (oder noch erwerben werden)sollen durch die Uberprufung im Experiment gesichert werden.

3. Das Fuhren eines Protokolls.

Zu diesem Zweck enthalt das Praktikum Versuche mit uberschaubarer Theo-rie und einfachen Messapparaturen, deren Funktionsweise leicht einzusehen ist.Naturlich ist damit nicht die Messgenauigkeit aufwendiger Apparaturen, wie

sie in der Forschung verwendet werden, erreichbar. Das Ziel des Praktikumssind weniger prazise Ergebnisse, sondern Sie sollen lernen, die Einflusse, die dieMessgenauigkeit begrenzen, zu erkennen und einzuschatzen. Aus diesem Grundsollen bei der Auswertung die Ergebnisse stets mit einer Fehlerabschatzung an-gegeben werden.Lesen Sie bei der Versuchsvorbereitung die Versuchsanleitung genau durch unduberlegen Sie, was bei der Versuchsdurchfuhrung und Auswertung gemachtwerden soll, welche Messwerte Sie brauchen, usw. Nur so konnen Sie zugigmessen und vermeiden unnotige Mehrarbeit durch Fehler beim Auswerten.Gestalten Sie die Auswertung ubersichtlich und kennzeichnen Sie alle Anga-ben so, dass man sofort erkennen kann, worum es sich handelt (z.B.:

”aus der

Zeichnung abgelesen:“,”Literaturwert:“,

”Mittelwert der Messreihe:“). End-

ergebnisse werden stets zusammen mit ihrem Fehler angegeben und besonderskenntlich gemacht, z.B. durch doppeltes Unterstreichen. Es ist unsinnig, denFehler mit mehr als zwei Stellen anzugeben; das Ergebnis soll bis auf maximalzwei ungenaue Stellen angegeben werden (s.u.).Bei graphischen Darstellungen von Messwerten ist folgendes zu beachten:

• Die graphische Darstellung erfolgt grundsatzlich auf Millimeterpapier bzw.Logarithmenpapier.

• Richtige Große wahlen. Nutzen Sie wenn moglich den vollen Bereich desmm-Papiers bzw. Logarithmenpapier.

• Bei jeder Achse Messgroße und Maßeinheit angeben (Bsp.: T in ◦C, T [◦C],T/◦C).

• Um sich das Eintragen der Messpunkte zu erleichtern, empfiehlt es sicheine sinnvolle Achseneinteilung zu wahlen (z.B. 1 ◦C=0,5 cm oder 1 cmoder 2 cm zu wahlen und nicht 1 ◦C=0,4 cm oder 2,5 cm)

• Verbinden Sie beim Zeichnen von Kurven nicht einfach die Punkte mit-einander (

”Malen nach Zahlen“), sondern versuchen Sie die Streuung der

Messwerte auszugleichen.

• Befinden sich mehrere Kurven in einem Diagramm, so sind die einzelnenKurven und Messwerte zu kennzeichnen (Legende hinzufugen).

• Jede Zeichnung, Tabelle und Diagramm muss mit einer Text-Uberschriftversehen werden.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 1.1 Stand 01/2007

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Praktikumsvorbereitung

III Vorbereitung

Um das Praktikum effizient durchzufuhren, ist eine grundliche Vorbereitungnotwendig. Es ist nicht in Ihrem Interesse die Versuche

”starr“ nach Anleitung

abzuarbeiten, ohne zu verstehen was Sie uberhaupt praktizieren. Die erfolgrei-che Teilnahme am Praktikum setzt voraus, dass Sie ein entsprechendes Kennt-nisniveau der mit den Versuchen verknupften Physik besitzen. Ob diese Kennt-nisse aus Ihrem Fundus oder aus Ihrer Vorbereitung stammen, ist naturlichbelanglos. Informieren Sie sich vor Beginn der Versuchsdurchfuhrung, uber dieStichpunkte, die bei den jeweiligen Versuchen unter dem Kapitel

”Vorberei-

tung“ aufgelistet sind. Dabei reicht das alleinige Studium der Praktikumsan-leitung keinesfalls aus. Die Praktikumsanleitung ist kein Lehrbuch! Zujedem Versuch sind daher zusatzlich Literaturempfehlungen angegeben. Bei denmeisten Versuchen ist es vollkommen ausreichend, wenn Sie sich mit Hilfe derStandardwerke (Walcher, Gerthsen, Bergmann-Schafer, etc.) auf die Versuchevorbereiten.Um Ihnen die Vorbereitung zu erleichtern, sind neben den Stichpunkten zusatz-lich noch Fragen in der Praktikumsanleitung aufgelistet.Eine Versuchsdurchfuhrung ohne ausreichende Vorbereitung ist klarerweise oh-ne Lerneffekt und nicht sinnvoll. Die Praktikantin oder der Praktikant muss indiesem Fall damit rechnen, nach Hause geschickt zu werden und den Versuchzu einem spateren Zeitpunkt zu wiederholen.Die folgenden Punkte fassen das Basiswissen zusammen, uber das Sie bei denVersuchen verfugen sollten:

1. Mathematische Voraussetzungen - elementare Funktionen: Polynome, tri-gonometrische Funktionen, Logarithmus- und Exponential-Funktion - ele-mentares Differenzieren und Integrieren - gewohnliche Differentialgleichun-gen: Schwingungsgleichung/Kraftgesetz, Gleichung des naturlichen Wachs-tums.

2. Statistik und Fehler - Mittelwert, Standardabweichung, statistische undsystematische Fehler, Fehler des Mittelwertes, Fehlerfortpflanzung, Gauß-verteilung.

3. Die 7 Basiseinheiten des SI-Systems : m, kg, s, A, K, mol, Cd.

4. Mechanik - Newtonschen Gesetze; Krafteparallelogramm - Erhaltungssatzefur Translation und Rotation (Energie, Impuls, Drehimpuls) - Drehmo-ment, Tragheitsmoment u. Steinerscher Satz - Hooksches Gesetz, Elasti-

sche Konstanten - Resonanzkurve - Fur Studierende mit Hauptfach Phy-sik: Differentialgleichung des gedampften harmonischen Oszillators undtypische Losungen - Schallgeschwindigkeit, longitudinale und transversaleSchwingungen.

5. Elektrizitatslehre - Elementarladung und Ladungserhaltung; Faraday-Konstante, Avogadrokonstante, Stoffmenge - Ohmsches Gesetz, Kirch-hoffsche Regeln, spezifischer Widerstand - Messbereichserweiterung vonMessinstrumenten - Kondensator, Kapazitat. Fur Studierende mit Haupt-fach Physik: Herleitung Kondensatorentladung, Bewegung einer Ladungim elektrischen Feld.

6. Optik - Reflexions- und Brechungsgesetz - Abbildung mit Linsen (geo-metrische Bildkonstruktion, Linsengleichung, Abbildungsmaßstab) - kon-tinuierliche und Linienspektren (qualitatives Verstandnis) - Auflosungs-vermogen optischer Instrumente.

7. Warmelehre - Warme, Zustandsgroßen (Temperatur, innere Energie,...),Zustandsgleichung des idealen Gases - 1. und 2. Hauptsatz, Warmebilanz,spezifische Warme, Phasendiagramm, Dampfdruck - Fur Studierende mitHauptfach Physik: Van-der-Waals-Gleichung realer Gase, Verlauf der Iso-thermen im p(V )-Diagramm, Gesetz von Dulong-Petit, Freiheitsgrade undGleichverteilungssatz, Clausius-Clapeyron Gleichung.

Die Kenntnis dieses Basiswissens erspart naturlich nicht das sorgfaltige Durch-arbeiten der Anleitung und die Vorbereitung der anderen Kapitel im Skript.Insbesondere sollten Sie sich bei der Vorbereitung auch schon uber die Versuchs-durchfuhrung, die Messmethoden und uber die Auswertung Gedanken machen.Machen Sie sich bewusst, was und wie Sie messen werden und schatzen Sie ab,welchen Einfluss die Fehler der Einzelmessungen auf den Gesamtfehler haben(Bsp.: eine quadratische Große geht mit doppeltem Gewicht ein, als eine linea-re).

IV Durchfuhrung der Versuche

Sehen Sie sich die Apparatur grundlich an und machen Sie sich mit der Funk-tion aller Einzelteile vertraut. Spielen Sie die Messprozedur nach Moglichkeitzunachst qualitativ durch. Wenn Sie eine elektrische Schaltung herzustellenhaben, kontrollieren Sie zunachst selbst sorgfaltig, ob Sie keine Schaltfehler

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gemacht haben. Vor Anlegen der Spannung muss die Schaltung vomAssistenten abgenommen werden. Das Protokoll wird auch wahrendder Messungen luckenlos gefuhrt, d.h. man soll keine großen Zwischenraumefur spatere Eintragungen lassen. Lassen Sie sich Zeit zum Fuhren einesordentlichen Protokolls.

Ein Protokoll ist eine dokumentarische Darstellung des gesamten Versuchsab-laufs: Versuchsaufbau, Versuchsdurchfuhrung, Erfassung und Auswertung vonMessdaten, Diskussion der Ergebnisse. Die Qualitat der bei einem Prakti-kumsversuch erzielten Ergebnisse hangt nicht nur vom Messverfahren und derGenauigkeit der Messgerate ab, sondern auch vom exakten experimentellenArbeiten und der korrekten Protokollfuhrung. Im Einzelnen soll das Protokollenthalten:

1. Uberschrift und Versuchsnummer.

2. Einleitung: Formulierung der theoretischen Grundlagen, sowie physikali-scher Begriffe und Gesetze, die zum Verstandnis des Versuchs erforderlichsind.

3. Das Protokoll muss so ausgelegt sein, dass Formeln, die fur den Versuchbenotigt werden, und zwar zunachst in der Form, in der man sie als allge-mein bekannt voraussetzen kann, dann die fur den Versuch notigen Um-formungen. Damit man den Einfluss der Fehler der gemessenen Großenauf das Versuchsergebnis leichter ubersehen kann, ist es zweckmaßig, dieFormeln auf die FormVersuchsergebnis = Funktion der direkt gemessenen Großenzu bringen. Alle Abkurzungen, die in den Formeln vorkommen, mussenerklart sein, evtl. mit Hilfe der Skizze der Apparatur. Diesen Teil des Pro-tokolls schreiben Sie am besten schon zu Hause bei der Vorbereitung.

4. Skizze und Beschreibung der Versuchsanordnung (schematisch, Schaltplanbei elektrischen Schaltungen).

5. Knappe aber vollstandige Angaben uber das Messverfahren, soweit diesnicht vollig selbstverstandlich ist. Das Protokoll muss selbsterklarend sein!

6. Prasentieren Sie Ihre Messergebnisse in Form von Tabellen und Diagram-men, die klar und ausreichend beschriftet sein mussen. Kommentieren Siediese mit einigen einleitenden Satzen.

7. Fuhren Sie nach Moglichkeit eine vorlaufige Auswertung unmittelbar nachder Messung durch.

8. Bei der Auswertung mussen alle Zwischenrechnungen im Protokollheft aus-gefuhrt werden. Vergleichen Sie, soweit vorhanden, Ihre Messergebnissemit Literaturwerten. Bei der Fehlerabschatzung berucksichtigen Sie nurdie Faktoren, die Sie quantitativ kennen, also im allgemeinen die zufalli-gen Fehler und die mutmaßliche Genauigkeit der Eichung der Instrumente.Es genugt vollstandig, sich auf die Faktoren zu beschranken, diedie Messgenauigkeit hauptsachlich begrenzen. Wenn Sie glauben,dass bei dem Versuch systematische Fehler auftreten, die Sie nicht quanti-tativ erfassen konnen, machen Sie hieruber eine kurze Bemerkung. AchtenSie darauf, dass Sie alle zur Auswertung notigen Angaben aufgeschriebenhaben (z.B. Barometerstand, Zimmertemperatur, etc.).

9. Zusammenfassung und kritische Diskussion. Fassen Sie am Schluss derAuswertung den gesamten Versuch mit einigen kurzen Satzen zusammen.Gehen Sie dabei auf die physikalische Fragestellung ein, das Messprinzip,die Messergebnisse und Fehler. Setzen Sie sich kritisch mit dem Versuchauseinander. Gibt es Moglichkeiten den Versuchsaufbau oder das Mess-prinzip zu verbessern? Gibt es Moglichkeiten die Fehler zu minimieren?

V Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung

Jede Messung kann nur mit einer begrenzten Genauigkeit durchgefuhrt werden.Zwei unabhangige Messungen werden daher unterschiedliche Ergebnisse liefern.Damit das Resultat einer Messung aussagekraftig ist, reicht es nicht aus nur denZahlenwert des Messergebnisses anzugeben, sondern es muss auch eine Aussageuber die Messgenauigkeit gemacht werden. Dies geschieht z.B durch die Angabeeines Intervalls [x − Δx, x + Δx] bzw.

x ± Δx, (1)

innerhalb dessen der”wahre Wert“ mit einer bestimmten, anzugebenen Wahr-

scheinlichkeit liegt.

Beispiel:Die Bestimmung der Erdbeschleunigung mit einem Fadenpendel ergab folgen-des Resultat:

g = (9, 81 ± 0, 03) m/s2. (2)

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Die erste Zahlenangabe entspricht der besten Schatzung des”wahren Wertes“.

Die zweite Zahl ist die Messgenauigkeit, die man haufig auch den”Fehler“ des

Messergebnisses nennt. Das Wort”Fehler“ darf nicht falsch interpretiert wer-

den. Diese Angabe gibt nicht etwa den Betrag an, um den das Messergeb-nis falsch ist, sondern stellt ein Unsicherheitsbereich dar, in dem der

”wahre

Wert“ mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt. Wie groß diese Wahr-scheinlichkeit ist, werden wir an spaterer Stelle diskutieren. Das Resultat derMessung ist dann wie folgt zu interpretieren:

Als beste Schatzung fur die Erdbeschleunigung wurde ein Wert von9, 81 m/s

2bestimmt. Der wahre Wert liegt mit einer bestimmten Wahr-

scheinlichkeit im Intervall 9,78 m/s2

... 9,84 m/s2.

Beachten Sie, dass es bei der Angabe des Messergebnisses und der Mess-unsicherheit keinen Sinn macht beliebig viele Nachkommastellen anzugeben(Taschenrechnerergebnis). Die Angabe

g = (9, 8114587 ± 0, 0298682) m/s2

(3)

ist sinnlos. Die Messgenauigkeit soll auf eine oder hochstens zwei signifikanteStellen gerundet werden und die letzte signifikante Stelle des Messergebnissessoll der selben Großenordnung entsprechen wie die Messgenauigkeit:

g = (9, 81 ± 0, 03) m/s2. (4)

V.1 Systematische und Statistische Fehler

Bei einer Messung konnen zwei Arten von Fehlern auftreten: SystematischeFehler und statistische (zufallige) Fehler. Systematische Fehler fuhren dazu,dass das Messergebnis einseitig vom wahren Wert abweicht. Eine Wiederholungder Messung zeigt immer die gleiche Abweichung. Der Messwert ist entwederimmer großer oder immer kleiner als der

”wahre Wert“. Im Gegensatz dazu

schwanken bei zugrundeliegenden statistischen Fehlern, die Messwerte zufallig.Mal sind sie großer, das andere mal kleiner als der

”wahre Wert“.

Systematische Fehler

Systematische Fehler werden zunachst durch die begrenzte Genauigkeit derEichung der Instrumente verursacht. Bei Maßstaben und Skaleneinteilungen ist

die absolute Genauigkeit in der Regel etwas besser als die Ablesegenauigkeit.An vielen Analogmessinstrumenten ist zusatzlich noch eine Genauigkeitsklasseangegeben. Diese gibt den relativen Fehler des Messbereichsendwertes an. Wirdz.B. mit einem Voltmeter der Klasse 1,5 innerhalb eines Messbereiches von200 V eine Messung durchgefuhrt, so betragt der Fehler 1,5% von 200 V, d.h.3 V. Bei digitalen Instrumenten wird der Fehler in der Regel durch zwei Großenangegeben. Einen prozentualen Fehler, der sich entweder auf dem Messwert(Angabe v.M. = vom Messwert) oder auf den Messbereich (Angabe v.E. =

vom Endwert) bezieht, sowie eine Fehlerangabe in der Form: ±x Digits. Dieletztere Angabe bedeutet, dass der Messwert um ±x Einheiten der hinterstenStelle der Anzeige schwanken kann.

Beispiel: Mit einem digitalen Voltmeter mit der Genauigkeitsangabe

±1, 5% v.M.,±3 Digits

wird ein Spannung von 12,00 V gemessen. Der absolute Fehler berechnet sichaus 1,5% vom Messwert sowie drei Einheiten der letzten Stelle: 1,5% von12,00 V und 3 × 10 mV = 180 mV + 30 mV = 210 mV.

Desweiteren konnen systematische Fehler auch durch Umwelteinflusse wie Tem-peraturdriften, Einkopplung elektrischer Felder (z.B. Netzbrummen) etc. oderaber auch durch grundsatzliche Mangel des Messverfahrens verursacht wer-den. Z.B. muss bei der Messung an einer hochohmigen Spannungsquelle derInnenwiderstand des Voltmeters berucksichtigt werden (wichtig in Versuch 41Temperaturmessung). Geschieht dies nicht, treten systematische Abweichungenauf.

Fur die Abschatzung von systematischen Fehlern lassen sich keine allgemeinenRegeln aufstellen. Es kommt im Einzelfall auf den Scharfsinn und die physika-lischen Kenntnisse des Experimentators an. Allerdings konnen systematischeFehler auch noch nach einer Messung berucksichtigt werden. Sind die Ursachenbekannt, kann das Messergebnis entsprechend korrigiert werden.

Statistische Fehler

Statistische Fehler entstehen durch zufallige Prozesse wahrend des Messprozes-ses. Ursachen hierfur sind z.B. das Rauschen eines Sensors oder thermodyna-mische Prozesse. Auch der Experimentator selbst kann eine statistische Fehler-quelle darstellen, da dieser stets die Messwerte aufnehmen, ablesen und inter-pretieren muss. All dies kann statistischen Schwankungen unterliegen. Z.B. wird

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Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V]

1 5,070 6 5,039 11 5,053 16 5,038

2 5,073 7 5,043 12 5,054 17 5,058

3 5,031 8 5,034 13 5,078 18 5,040

4 5,024 9 5,034 14 5,071 19 5,071

5 5,034 10 5,079 15 5,050 20 5,051

Tabelle 1: Ergebnisse einer 20-maligen Spannungsmessung.

man bei einer mehrmaligen Zeitmesung mit einer Stoppuhr aufgrund schwan-kender Reaktionszeiten verschiedene Ergebnisse erhalten.Statistische Fehler haben die Eigenschaft, dass die Messergebnisse zufallig umden

”wahren Wert“ schwanken. Falls es moglich ist eine Messung mehrmals zu

wiederholen, konnen solche Fehler mit Mitteln der Statistik aus der Streuungder Messwerte ermittelt werden.Tabelle 1 zeigt ein Beispiel, bei dem eine elektrische Spannung x 20-mal ge-messen wurde. Die Messwerte sind in Abbildung 1 eingetragen.Gesucht ist ein Wert der die beste Schatzung des wahren Wertes darstellt. MitHilfe statistischer Uberlegungen lasst sich zeigen, dass dieser Bestwert demarithmetischen Mittelwert entspricht:

x =1

N

N∑i=1

xi. (6)

Dieser Wert ist in Abbildung 1 als waagrechte Linie eingezeichnet.Neben der besten Schatzung des

”wahren Werts“ (Mittelwert) mussen wir

zusatzlich noch eine Aussage uber die Genauigkeit der Messung machen. Dazuwiederholen wir die Messung nicht nur 20-mal sondern viele Male mehr. InAbbildung 2 sind z.B. 3500 Einzelmessungen aufgetragen. Hier ist noch deut-licher zu erkennen, dass die Messwerte symmetrisch um einen mittleren Wertstreuen. Die meisten Messwerte liegen in der Nahe des Mittelwertes. Aber esgibt auch einzelne

”Ausreißer“, die weiter weg vom Mittelwert liegen. Um dies

zu quantifizieren empfiehlt sich eine andere grafische Darstellung der Messwer-te in Form eines Histogramms. Dabei wird gezahlt, wieviele Einzelmessungeninnerhalb eines bestimmten Intervalls aufgetreten sind und die entsprechendeHaufigkeit in Form eines Saulendiagramms dargestellt. Solch ein Histogramm

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14EinzelmessungMittelwert

Messung

Spa

nnu

ng

x[V

]

Abbildung 1: Darstellung von 20 unabhangigen Messungen einer elektrischenSpannung x. Die waagrechte Linie entspricht dem Mittelwert.

ist in Abbildung 3 dargestellt. Fur sehr viele Messungen, streng genommen furunendlich viele, nahert sich das Histogramm einer bekannten Verteilung, dieals Normal- bzw. Gaußverteilung bezeichnet wird und durch

P (x) =1√2π σ

exp

(− (μ − x)2

2σ2

)(7)

dargestellt wird. Die Gaußverteilung beschreibt eine Wahrscheinlichkeitsdichte,d.h. ∫ b

a

P (x) dx (8)

gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Wert xi gemessen wird, der im Intervall

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0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14

5,16

Messung

Spannung

x[V

]

Abbildung 2: Darstellung von 3500 Messungen.

a ≤ xi ≤ b liegt. Durch den Vorfaktor 1/√

2π σ ist die Verteilung normiert, d.h.∫ ∞

−∞

P (x) dx = 1. (9)

Dies ist sofort einsichtig, da mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit irgendein Wertgemessen wird.Eine Gaußverteilung besitzt zwei Parameter. Die Lage des Maximums der Ver-teilung wird durch die Große μ bestimmt und entspricht dem wahrscheinlich-sten Wert. Die Breite der Verteilung ist durch die Große σ (Abbildung 3)gegeben.Falls die Messwerte tatsachlich gaußverteilt sind - und das ist sehr haufig derFall - konnen wir annehmen, dass wir das Messergebnis einer großen Anzahl vonEinzelmessungen, ebenfalls durch die Parameter μ und σ beschreiben konnen.

4,98 5,00 5,02 5,04 5,06 5,08 5,10 5,12

0

50

100

150

200

250

300

350 MessungGaußverteilung

Häufig

keit

Spannung x [V]

Abbildung 3: Histogramm von 3500 Einzelmessungen. Die durchgezogeneLinie zeigt die dazugehorige Gaußverteilung mit den Parametern μ und σ.Die Gaußverteilung ist hier nicht auf Eins normiert, sondern auf die Flachedes Histogramms.

Wie sich zeigen lasst, konvergiert der arithmetische Mittelwert x fur eine großeAnzahl von Einzelmessungen, gegen den wahrscheinlichsten Wert μ

limN→∞

x = limN→∞

1

N

N∑i=1

xi = μ. (10)

Der Mittelwert stellt somit, wie wir bereits zuvor erwahnt haben, die besteSchatzung des

”wahren Werts“ dar.

Die Breite der Gaußverteilung wird durch σ bestimmt. Je großer σ, desto brei-ter ist die Verteilung und umso großer ist die Streuung der Messwerte um den

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wahrscheinlichsten Wert μ. Wir konnen daher σ als ein Maß fur die Messge-nauigkeit interpretieren.Fur eine große Anzahl von Einzelmessungen lasst sich zeigen, dass die Reihe(Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung vom Mittelwert)

S′

E =

√√√√ 1

N

N∑i=1

(x − xi)2, (11)

gegen σ konvergiert:

limN→∞

S′

E = σ. (12)

S′E wird als Standardbweichung einer Messreihe bezeichnet. Allerdings ist

hier Vorsicht geboten. S′E ist nur dann ein guter Schatzwert fur die Streuung der

Messwerte, wenn viele Einzelmessungen durchgefuhrt werden. Bei nur wenigenMessungen wird die Streuung um den Mittelwert uberschatzt. Eine genauereUberlegung zeigt, dass es besser ist als Maß fur die Streuung die Große

SE =

√√√√ 1

N − 1

N∑i=1

(x − xi)2, (13)

zu verwenden. SE wird auch als der mittlere Fehler einer Einzelmessungbezeichnet.Wird eine Messung viele male wiederholt und als beste Schatzung des

”wahren

Wertes“ der Mittelwert x angegeben, so ist dieser naturlich genauer als derMesswert einer Einzelmessung und zwar um den Faktor 1/

√N :

SM =

√√√√ 1

N(N − 1)

N∑i=1

(x − xi)2. (14)

SM wird auch als mittlerer Fehler des Mittelwerts oder einfach als Stan-dardfehler bezeichnet.Mit Hilfe von Gleichung (8) lasst sich berechnen, mit welcher Wahrscheinlich-keit ein Messwert xi im Bereich von ±σ um den wahrscheinlichsten Wert μschwankt:

∫ μ+σ

μ−σ

P (x) dx = 68, 3 %. (15)

Intervall ±σ ±2σ ±3σ

Wahrscheinlichkeit 68,3% 95,5% 99,7%

Tabelle 2: Wahrscheinlichkeiten fur unterschiedliche Werte von σ.

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung ein Wert im Bereich [μ−σ, μ+σ]auftritt betragt 68,3 %. Analog lassen sich auch die Wahrscheinlichkeiten furden 2σ bzw. 3σ-Bereich bestimmen.Fur das Endergebnis einer Messung gibt man in der Regel den 1σ-Fehler SE

bzw. SM an. Wird ein großerer Fehlerbereich angegeben (z.B. 3σ-Fehler) istdies gesondert zu vermerken.

Beispiel:

Fur die in Tabelle 1 angegebenen Messdaten errechnen sich die Ergebnisse wiefolgt:

Mittelwert: x =1

20

20∑i=1

xi =5, 070 V + ... + 5, 051 V

20= 5, 051 V. (16)

Fehler einer Einzelmessung: SE =

√√√√ 1

19

20∑i=1

(x − xi)2 = 0, 0173 V. (17)

Fehler des Mittelwerts: SM =

√√√√ 1

20 · 19

20∑i=1

(x − xi)2 = 0, 0039 V. (18)

Das Endergebnis wird in der Form

x ± SM bzw. x ± Δx (19)

angegeben. Anstatt SM schreibt man auch haufig fur den Fehler einfach Δx.In unserem Beispiel erhalten wir

x = (5, 051 ± 0, 004) V. (20)

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V.2 Fehlerfortpflanzung

Bei vielen Praktikumsversuchen reicht es nicht aus nur eine physikalisch Großezu messen und dessen Fehler abzuschatzen. In der Regel sollen aus dem Mess-ergebnis weitere Großen und dessen Genauigkeiten bestimmt werden.

Beispiel:

Es soll die Verlustleistung P eines ohmschen Widerstands R, an dem die Span-nung U anliegt, bestimmt werden. Dazu wird der Widerstand R und die Span-nung U gemessen und gemaß

P =U2

R(21)

die Verlustleistung berechnet. Da sowohl R als auch U nur mit einer bestimmtenGenauigkeit bestimmt wurden, besitzt auch die daraus abgeleitete Große P eineendliche Genauigkeit.Die Bestimmung dieser Genauigkeit geschieht mit Hilfe der Differentialrech-nung.Wenn die direkt gemessenen Großen x und y um kleine Betrage dx und dygeandert werden, verandert sich der Wert einer Funktion f = f(x, y) um

df =∂f

∂xdx +

∂f

∂ydy (vollstandiges Differential) (22)

Hier bedeutet ∂f/∂x die partielle Differentation der Funktion f nach x, d.h.die Ableitung von f nach x, wobei die Variable y als Konstante behandelt wird.

Wenn wir in dieser Gleichung die Differentiale dx und dy durch die Feh-ler Δx und Δy der direkt gemessenen Großen ersetzen wollen, mussenwir berucksichtigen, dass sich die Fehler im Mittel teilweise kompensierenwerden, wenn sie voneinander unabhangig sind. Daher berechnet man denmittleren Fehler Δf durch

”quadratische Addition“ nach dem Gaußschen

Fehlerfortpflanzungsgesetz:

Δf =

√(∂f

∂xΔx

)2

+

(∂f

∂yΔy

)2

(23)

Hier und im Folgenden wird unter Δx bei zufalligen Fehlern, der mittlere Feh-ler SM nach Gleichung (14), bei systematischen Fehlern die oben diskutiertenUberlegungen verstanden.

Fur das oben angefuhrte Beispiel (21) berechnet sich der Fehler wie folgt:

P = P (U,R) (24)

ΔP =

√(∂P

∂UΔU

)2

+

(∂P

∂RΔR

)2

(25)

=

√(2U

RΔU

)2

+

(−U2

R2ΔR

)2

(26)

Die funktionale Abhangigkeit der zu ermittelnden Große von den direkt gemes-senen hat haufig eine einfache Form. Es lohnt sich, die folgenden Formeln zumerken, die aus der allgemeinen Gleichung (23) folgen:

f = ax Δf =aΔx (27)

f =x + y Δf =√

(Δx)2 + (Δy)2 (28)

f =xy, f = x/yΔf

f=

√(Δx

x

)2

+

(Δy

y

)2

(29)

f =x±b Δf

f=|b|Δx

x, b = const. (30)

Merken Sie sich:

1.”Der absolute Fehler einer Summe oder Differenz zweier Großen ist gleich

der quadratischen Summe der absoluten Fehler der Summanden“.

2.”Der relative Fehler des Produkts oder des Quotienten zweier Großen ist

gleich der quadratischen Summe der einzelnen relativen Fehler“.

Fur eine Fehlerabschatzung kann man statt den Gleichungen (28) und (29)auch die einfacheren Formeln Δf = Δx + Δy bzw. Δf/f = Δx/x + Δy/yverwenden.Bevor man mit der Messung beginnt, sollte man sich mit Hilfe der Gleichun-gen (27) bis (30) uberlegen, durch welche Fehler die Genauigkeit der Messunghauptsachlich begrenzt wird. Man kann dann versuchen, die empfindlich in dasResultat eingehenden Fehler klein zu halten.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Praktikumsvorbereitung

Farbe Frequenz [THz] US [V] ΔUS [V]

gelb 518,7 -0,59 0,05

grun 549,0 -0,72 0,05

blau 687,9 -1,28 0,05

UV 821,3 -1,88 0,05

Tabelle 3: Messdaten aus dem Versuch Fotoeffekt.

VI Ausgleichsrechnung

Bei vielen Praktikumsversuchen kommt es haufig vor, dass die Steigung m einerlinearen Funktion bestimmt werden muss. Hier im Praktikum konnen Sie diesauf zwei verschiedene Arten machen. Eine grafische Methode die hier erlautertwerden soll und eine rechnerische Methode die im nachsten Abschnitt LineareRegression diskutiert wird.Wir wollen die Bestimmung einer Geradensteigung anhand eines Beispiels mitDaten des Versuchs 35, Fotoeffekt erlautern. Bei diesem Versuch wird mit Hil-fe einer Fotozelle das Planck’sche Wirkungsquantum bestimmt werden. Da-zu wird die Fotozelle mit Licht unterschiedlicher Frequenz (Farbe) beleuchtetund gemessen, bei welcher Sperrspannung US der Fotostrom verschwindet. DieMessdaten sind in Tabelle 3 zusammengefasst und in Abbildung 4 dargestellt.Das Planck’sche Wirkungsquantum lasst sich aus der Steigung ΔUS/Δf desGraphen gemaß

h = eΔUS

Δf, (31)

bestimmen, wobei e die Elementarladung darstellt. Um die Steigung zu be-rechnen legen wir zunachst durch alle Messpunkte unter Berucksichtigung derMessfehler eine Ausgleichsgerade. Dabei soll die Gerade so platziert werden,dass die Abweichung der einzelnen Messpunkte von der Gerade im Mittel mi-nimal wird.Fur das Planck’sche Wirkungsquantum berechnen wir:

h = eΔUS

Δf= e

1, 37 V

323, 8 THz= 6, 78 × 10−34Js. (32)

Um den Messfehler abzuschatzen, legen wir durch die Messwerte eine zweite

500 550 600 650 700 750 800 850

-2,0

-1,8

-1,6

-1,4

-1,2

-1,0

-0,8

-0,6

-0,4

�US

= -1,21 V

�US

= -1,37 V

�f = 323,8 THz

Fehlergerade

Sperr

spannung

US

[V]

Frequenz [THz]

�f = 266,6 THz

Ausgleichsgerade

Abbildung 4: Bestimmung der Steigung und dessen Fehler mit Hilfe einerAusgleichsgerade (durchgezogen) und Fehlergerade (punktiert).

Gerade (Fehlergerade). Diese sollte maximal steil (oder maximal flach) sein abernoch innerhalb der Fehler der einzelnen Messungen liegen. Hieraus erhalten wir:

h = eΔUS

Δf= e

1, 21 V

266, 6 THz= 7, 27 × 10−34Js. (33)

Den Fehler schatzen wir aus der Differenz der beiden Steigungen ab. Somitlautet das Ergebnis dieser Messung:

h = (6, 8 ± 0, 5) × 10−34Js. (34)

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VII Lineare Regression

Sofern bei einer Messung keine systematischen Fehler auftreten und die Messda-ten normalverteilt sind, gilt fur die Wahrscheinlichkeit, fur xi den Wert yi zumessen:

Pi =1√

2πΔy2i

exp

{−1

2

(yi − f(xi)

Δyi

)2}, (35)

wobei Δyi den Fehler von yi bezeichnet. Die Gesamtwahrscheinlichkeit P alleN Messwerte zu messen, berechnet sich aus dem Produkt der Einzelwahrschein-lichkeiten Pi:

P =∏

i

Pi (36)

=

(∏i

1√2πΔy2

i

)exp

{−1

2

∑i

(yi − f(xi)

Δyi

)2}. (37)

Gesucht werden nun die Funktionsparameter von f(x), fur die die Wahrschein-lichkeit P maximal wird. Der erste Term in (37) stellt eine Konstante dar, dienicht von den Funktionsparametern abhangt. Somit wird die Wahrscheinlich-keit maximal, wenn die Summe in der Exponentialfunktion minimal wird. DieseSumme wird auch als χ2-Summe bezeichnet.

χ2 ≡∑

i

(yi − f(xi)

Δyi

)2

. (38)

Wir wollen uns im Folgenden auf lineare Funktionen beschranken, d.h.

f(x) = mx + n. (39)

Fur die Berechnung der Parameter m und n folgt dann:

χ2(m,n) =∑

i

(yi − (mxi + n)

Δyi

)2

= Minimum (40)

Durch diese Methode wird eine Gerade mit den Parametern m und n bestimmt,fur die die quadratischen Abstande der Messwerte yi von der Geraden minimal

wird. Durch den Faktor 1/Δy2i werden zusatzlich Messwerte mit einem kleinen

Fehler Δyi starker gewichtet als Messwerte mit einem großen Fehler (Methodeder kleinsten Fehlerquadrate, engl.: least square method).

Fur die Berechnung von m und n mussen wir die Nullstellen der partiellenAbleitungen bestimmen:

∂χ2

∂m= −2

∑i

xiyi − (mxi + n)

Δy2i

= 0 (41)

∂χ2

∂n= −2

∑i

yi − (mxi + n)

Δy2i

= 0. (42)

Auflosen nach den Funktionsparametern liefert:

m =1

ξ

(∑ 1

Δy2i

∑ xiyi

Δy2i

−∑ xi

Δy2i

∑ yi

Δy2i

)(43)

n =1

ξ

(∑ x2i

Δy2i

∑ yi

Δy2i

−∑ xi

Δy2i

∑ xiyi

Δy2i

), (44)

mit

ξ =∑ 1

Δy2i

∑ x2i

Δy2i

−(∑ xi

Δy2i

)2

. (45)

Fur den Fall, dass alle Fehler gleich groß sind, d.h. Δyi ≡ Δy, vereinfachen sichdiese Gleichungen:

m =xy − xy

x2 − x2(46)

n =x2y − x xy

x2 − x2. (47)

Da die Messwerte yi fehlerbehaftet sind, besitzen auch die Funktionsparametereinen Fehler den wir mit Δm bzw. mit Δn bezeichnen. Die Fehler berechnensich nach der Gauss’schen Fehlerfortplanzung:

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Δm2 =∑

i

(∂m

∂yi

)2

Δy2i (48)

Δn2 =∑

i

(∂n

∂yi

)2

Δy2i . (49)

Mit Hilfe von Gleichung (43) und (44) erhalten wir:

Δm2 =1

ξ

∑i

1

Δy2i

(50)

Δn2 =1

ξ

∑i

x2i

Δy2i

, (51)

wobei ξ in Gleichung (45) definiert wurde. Sind wiederum alle Δyi ≡ Δy gleichgroß, so vereinfachen sich diese Berechnungen zu

Δm2 =Δy2

N

1

x2 − x2, (52)

Δn2 =Δy2

N

x2

x2 − x2. (53)

Die hier ausgefuhrten Uberlegungen gelten nicht nur fur lineare Funktionen,sondern lassen sich auch auf andere Funktionen ubertragen.

Wir wollen wieder eine Beispielrechnung mit den Daten des Versuchs Fotoeffekt(Tabelle 3) durchfuhren. Hier entspricht x =Frequenz, US = y und ΔUS = Δy.Da die Fehler der einzelnen Messungen alle gleich groß sind, mussen wir nurdie Mittelwerte in Gleichung (46) berechnen:

x = 6, 442 × 1014 Hz (54)

y = −1, 118 V (55)

xy = −7, 815 × 1014 VHz (56)

x2 = 4, 295 × 1029 Hz2 (57)

x2 = 4, 150 × 1029 Hz2 (58)

Fur die Steigung folgt:

m =xy − xy

x2 − x2= −4, 238 × 10−15 V Hz. (59)

Das Plank’sche Wirkungsquantum erhalten wir durch Multiplikation mit derElementarladung:

h = 1, 602 × 10−19 C · 4, 238 × 10−15 V Hz = 6, 79 × 10−34Js. (60)

Den Fehler berechnen wir mit Hilfe von Gleichung (52):

Δm2 =Δy2

N(x2 − x2), (61)

wobei nach Tabelle 3 fur Δy = 0, 05 V und fur N = 4 zu wahlen ist. Wirerhalten fur den Fehler von h:

Δh = eΔm = 0, 33 × 10−34Js. (62)

Das Messergebnis lautet somit

h = (6, 8 ± 0, 3) × 10−34Js. (63)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum IIa Wir wollen richtige Fehler !

Wir wollen richtige Fehler !

Ein Statistik - Feuilleton zur Lekture am Feierabend

J. Stiewe

Kirchhoff - Institut fur Physik, Universitat HeidelbergE-Mail: [email protected]

I Eine etwas langliche, aber notwendige Einlei-

tung

Fehlerrechnung hat nur einen begrenzten Sex - Appeal. Dies gilt nicht nur furdie Physik, sondern auch fur alle Adepten der sogenannten exakten Naturwis-senschaften. Auf das “exakt” kommen wir noch zuruck.

Aber das ist ungerecht. Wer einmal an einem wissenschaftlichen Projekt mit-gearbeitet hat, der weiß, daß sich die Gelehrten meistens heftiger um die Großeihres Meßfehlers streiten als um den Wert der weltbewegenden Zahl, die sieveroffentlichen wollen.

Warum ist das so? Zunachst: Wer eine bestimmte Große messen will, etwa -um ein simples Beispiel zu wahlen - die Entfernung zwischen zwei Orten, derwird den “wahren” Wert dieser Entfernung nie ergrunden. Denn schon bei derzweiten Messung wird er feststellen, daß der Wert von der ersten Messung ab-weicht - vorausgesetzt, sein Meßgerat ist empfindlich genug. Wer Entfernungenschlicht in “Tagesreisen” mißt, hat diese Probleme naturlich nicht.

Die gleiche Erfahrung wird man machen, wenn ein zweiter Experimentator dieMessung durchfuhrt: Auch er wird eine - im gunstigen Fall geringe - Abweichungvon der Messung des Kollegen feststellen, und zwar auch dann, wenn er dessenMeßgerat benutzt. (Wir wollen fur den Augenblick ausschließen, daß eines derGerate schlicht fehlerhaft arbeitet.)

Was also kann man nach mehreren Messungen guten Gewissens behaupten?Man kann eine Vorschrift konstruieren, die auf die “beste Schatzung” des wah-ren Wertes fuhrt. Wir ahnen, daß dies im einfachsten Fall der Mittelwert (dasarithmetische Mittel der Einzelmessungen) sein wird. Wir werden sehen, daß

man das begrunden kann.

I.1 Vertrauen hat Grenzen

Man kann aber auch von einem anderen Standpunkt an die Sache herangehen:Wir fragen nicht nach der besten Schatzung, also dem Wert, der dem unbe-kannten “wahren” Wert unserer Meinung nach am nachsten kommt, sondernnach dem Intervall, in dem der wahre Wert mit einer bestimmten Wahrschein-lichkeit, z.B. 95 % oder 99 %, liegt. Wir brauchen also zwei Zahlen a und b,so daß nach unseren Forschungen der wahre Wert mit einer Wahrscheinlichkeitvon (z.B.) 95 % zwischen diesen beiden Zahlen liegt:

a < wahrer Wert < b (95 % CL).

Das “CL” steht fur “Confidence Level” (“Vertrauensniveau”) und gibt eben dieWahrscheinlichkeit an, mit der der wahre Wert in diesem Intervall zu findenware, wenn man ihn denn finden konnte. Naturlich mochte jeder Experimenta-tor sein Ergebnis mit einem moglichst schmalen Vetrauensbereich publizieren.Ein solcher Vertrauensbereich wird im Volksmund “Fehler” genannt. Das istkein sehr glucklicher Terminus, da das Wort “Fehler” suggeriert, daß man et-was falsch gemacht hat. Aber der “Fehler” ist auch dann endlich, wenn mangarantiert alles richtig macht. Man sagt deshalb auch oft “Unsicherheit” undvermeidet den “Fehler”. (Ubrigens: Diesen Fehler nennen die Angelsachsen “er-ror” (oder “uncertainty”), aber nicht “mistake”.)Daruber, wie die Fehler einer Messung zu bestimmen sind, wurden viele Bucherund Artikel verfaßt. Wir werden am Schluß einige von ihnen nennen. Manbraucht aber ein Minimum an Kenntnissen von der Kunst der “Statistik”, alsoder Wissenschaft, die untersucht, an welche Regeln sich der Zufall halt. Dortgeht es um Wahrscheinlichkeitsdichten, ihre Darstellung, und die Parameter,mit denen man sie beschreibt. Wir werden die wichtigsten kennen (und lieben!)lernen.

I.2 Richtige Fehler sind wichtig, z.B. fur den Nobelpreis!

Zum Schluß dieser Einleitung noch ein anschauliches Beispiel, das zeigen soll,wie wichtig die Bestimmung des “richtigen” Fehlers ist: Nehmen wir an, dreiWissenschaftler wollen unabhangig voneinander eine wichtige Naturkonstantemessen, fur deren Veroffentlichung es internationalen Ruhm zu gewinnen gibt.Der erste zieht seine Messung ordentlich und nach bestem Wissen und Gewissen

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum IIa Wir wollen richtige Fehler !

durch und veroffentlicht sein Resultat. Der zweite macht es ebenso; naturlichhat er ein etwas anderes Resultat bekommen, aber sein “Vertrauensbereich”und der des ersten uberlappen sich. Der dritte hat ein Resultat, das von denender beiden Kollegen abweicht. Er hat aber auch - Hochmut kommt vor demFall! - seinen Fehler gnadenlos unterschatzt und gibt ein so schmales Intervallan, daß es mit keinem der beiden anderen uberlappt. Folge: Diese Messungnimmt niemand ernst. Wohlgemerkt: Nicht die wichtige Naturkonstante wur-de “falsch” gemessen, sondern ihre Unsicherheit wurde falsch bestimmt! Denndurch die Angabe eines winzigen Fehlers behauptet man implizit, daß die Mes-sungen anderer schlicht inkompatibel sind: Ein Fehlerbalken ist eben eine harteAussage daruber, daß der Experimentator den “Wahren Wert” mit z.B. 68 %(“Gaußscher Fehler”, darauf kommen wir noch) Wahrscheinlichkeit innerhalbseiner Fehlergrenzen wahnt.Ach ja: Da waren noch die “exakten” Naturwissenschaften. Wie paßt das “ex-akt” zu den allgegenwartigen, unvermeidlichen Fehlern? Es ist eben kein Wi-derspruch; denn gerade die korrekte (nicht immer einfache!) Bestimmung vonMeßunsicherheiten, die nicht ohne Grund “Confidence Levels” heißen, gibt demWissenschaftler in Sud - Alaska die Moglichkeit, sein Ergebnis mit dem des Kol-legen aus Ost - Japan zu vergleichen: Sind unsere Ergebnisse “innerhalb derFehler” kompatibel? Warum hat der Kollege die geringere Unsicherheit? Wasmuß ich tun, um meinen Fehler zu verkleinern? Etc etc.. Kurzum: Die exak-ten Naturwissenschaften heißen exakt, weil sie genau angeben, wie ungenau siesind.

II Meßreihen und ihre Parameter

Die meisten von Ihnen werden die Begriffe “Mittelwert”, “Varianz” und “Stan-dardabweichung” schon einmal gehort haben, auch wenn Ihnen deren Definitio-nen gerade nicht gegenwartig sind. Fur die echten Fans: Es gibt noch weitereinteressante Parameter wie “Schiefe” (“skewness”) und “Wolbung” (“kurto-sis”), auf die wir aber nicht eingehen werden. Alle diese Parameter dienen zurCharakterisierung der Verteilung von “Wahrscheinlichkeitsdichten”. Dies sindeben jene statistischen Verteilungen, denen man entnehmen kann, wie wahr-scheinlich es (z.B.) ist, alter als 101 Jahre zu werden oder mehr als eine MillionEuro im Jahr zu verdienen. Die beruhmteste Verteilung einer Wahrscheinlich-keitsdichte (“probability density”) ist naturlich die Gaußverteilung, die auch“Normalverteilung” genannt wird.Wir wollen uns diesen schrecklichen Dingen aber von einer ganz einfachen Seite

nahern: Wir wollen die Zeit messen, die ein Laufer fur eine bestimmte Strecke,z.B. 1000 m, braucht. Dazu brauchen wir (von den Startpistolen etc abgesehen)naturlich (mindestens) eine Uhr. Wir wollen annehmen, daß dies eine “analoge”Uhr ist, also eine mit Zeigern, und daß die Ablesegenauigkeit begrenzt bismaßig ist. Und da wir hier ein “Gedankenexperiment” (englisch: “gedankenexperiment”) durchfuhren, soll es moglich sein, den Laufer immer wieder ingenau der gleichen “wahren” Zeit die Strecke durchlaufen zu lassen.

II.1 Was ist der wahre Wert?

Wenn wir das tun, werden wir, wie schon oben angedeutet, feststellen, daß dieMeßwerte, die wir nacheinander registrieren, immer ein wenig voneinander ab-weichen. Wir fragen uns also, was wir tun konnen, um dem “wahren” Wert derzu messenden Zeit moglichst nahe zu kommen. Dazu betrachten wir das Proto-koll unserer Messungen, denn wir haben naturlich jede Einzelzeit notiert. Aberbevor wir weitermachen, erlauben wir uns wieder einen kleinen intellektuellenSchlenker: Anstatt daß wir den armen Laufer “immer wieder” starten lassen,lassen wir ihn nur einmal laufen; dafur lassen wir die Zeit jetzt von 20 Leu-ten gleichzeitig bestimmen: Jeder von diesen hat eine Stoppuhr in der Hand,die den anderen nach Bauweise und Ablesegenauigkeit gleicht. Auch soll keinedefekt sein oder vor- oder nachgehen.

Der Laufer lauft also, und die 20 Linienrichter geben ihre gemessenen Zeitenzu Protokoll. Um eine bessere Ubersicht zu haben, tragt der Ober - Linien-richter sie in ein simples Diagramm ein, er markiert namlich auf einer geradenLinie, die die “Zeitachse” darstellt, jede gemessene Einzelzeit mit einem kurzensenkrechten Strich an der jerweiligen Position.

Wir ubersehen jetzt mit einem Blick, wie sich die Meßwerte verteilen: Irgend-wo “haufelt” es, und an den Randern wird es dunn. Naturlich haben wir denVerdacht, daß die Meßwerte da, wo sie dichter liegen, in der Nahe des wah-ren Wertes liegen, wahrend die “dunnen” Werte weiter von diesem entferntsind. Und jetzt gehen wir ganz tapfer los und behaupten: “Die beste Schatzungfur den (unbekannten!) wahren Wert ist das arithmetische Mittel aller Einzel-messun”. Das leuchtet unmittelbar ein, und wir werden gleich sehen, daß derMittelwert tatsachlich vor allen anderen Werten ausgezeichnet ist. Wenn wirunsere Einzelmessungen mit ti bezeichnen, wobei der Index i von 1 bis 20 lauft,dann erhalten wir den Mittelwert, indem wir alle 20 Messungen aufsummierenund die Summe durch 20 dividieren:

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〈t〉 =

∑20i=1 ti20

.

Fur die, denen diese Formel seltsam vorkommt: Das große griechische Sigmamit den beiden Indizes 1 und 20 ist nichts als eine Abkurzung fur die Vor-schrift, die zwanzig einzelnen Messungen ti aufzusummieren. Wenn man nichtvon vornherein weiß, um wie viele Messungen es geht, nennt man deren Anzahlganz allgemein N und summiert entsprechend:

Summe =

N∑i=1

si,

wobei die si die N Summanden sind.

Naturlich kann man die Summe, je nach Problemstellung, auch bei Null oder-3 anfangen und bei N − 2 oder N + 5 etc enden lassen.

Aber zuruck zu unserem 1000 m - Laufer. Wir haben aus den 20 Einzelmes-sungen den Mittelwert (“mean value”) 〈t〉 herausgekocht, den wir fur die besteSchatzung des wahren Wertes halten. Bevor wir aber den Charme des Mittel-wertes (MW) ganz erkennen, wollen wir unser Gedankenexperiment erweitern:Wir wiederholen die Zeitmessung, allerdings mit neuen Stoppuhren, die deutlichweniger genau sind als die vorigen. Wenn wir dann wieder die Einzelmessungenauf unserer Geraden einzeichnen, dann werden wir sehen, daß die Werte jetztwesentlich weiter auseinanderliegen als bei der ersten Messung. Wie konnenwir diese beiden unterschiedlichen Meßreihen quantifizieren?

II.2 Varianz und Standardabweichung

Wir brauchen offenbar ein Maß fur die Streuung, und das erhalten wir folgen-dermaßen: Wir rechnen uns zunachst den MW aus und nennen ihn 〈t〉. Wieman das macht, wissen wir bereits. Dann bilden wir fur jede Einzelmessungdie Differenz zum MW und quadrieren diese: (〈t〉 − ti)

2. Diese quadriertenDifferenzen addieren wir alle und dividieren dann durch (20 - 1) = 19. DasErgebnis nennen wir “Varianz” und kurzen es mit σ2 (“sigma - Quadrat”) ab:

σ2 =

∑20i=1 (〈t〉 − ti)

2

19,

oder allgemein, bei N Messungen:

σ2 =

∑Ni=1 (〈t〉 − ti)

2

N − 1.

Durch die Konstruktion der Varianz als Summe aus (quadrierten) Differen-zen zwischen Mittelwert und Einzelmessungen wird unmittelbar klar, daß siefur “schmale” Verteilungen klein und fur “breite” Verteilungen groß wird. -Die Varianz wird auch “mittlere quadratische Abweichung” (engl. mean squaredeviation) genannt.Naturlich fragt sich hier der scharfsinnige Leser / die scharfsinnige Leserinsofort, warum man bei der Berechnung der Varianz durch “N − 1” und nichtdurch N dividiert, wie bei der MW - Bildung. Ein Grund dafur liegt darin,daß man eben den wahren Wert nicht kennt und ihn durch dem MW ersetzenmuß, den man aber auch aus den 20 bzw. N Einzelmessungen ableiten muss.Dies bedeutet eine Informationseinbuße, die man mit einer großeren Varianz“bezahlen” muß. Oft wird auch gefragt, warum man denn die Abweichungenvom MW quadrieren muß - tut es nicht auch der Absolutwert der Differenz?Er tut es nicht; erstens aus formalen Grunden: Die Varianz ist das “zweiteMoment” der Verteilung, und die ist “quadratisch” definiert (s. auch Abschnitt3.2), und zweitens auch anschaulich: Nur eine parabolische Abhangigkeit fuhrtauf ein eindeutiges Minimum. Darauf kommen wir gleich zuruck. Der Mittelwertist das “erste Moment”.Mit der Varianz (englisch: variance) haben wir jetzt ein Maß fur die “Breite”einer Verteilung gewonnen. Wenn zwei Meßreihen derselben Große zwei ver-schiedene Varianzen zeitigen, so werden wir die mit der kleineren Varianz alsdie genauere Messung bezeichnen.Wenn man aus der Varianz σ2 die Quadratwurzel zieht, so erhalt man “die Stan-dardabweichung” σ. (Englisch: standard deviation.) Da die Quadratwurzel einemonotone Funktion ist, ist auch σ ein Maß fur die Breite einer Verteilung. Mannennt die Standardabweichung deshalb auch den “Fehler der Einzelmessung”.Wir schreiben diese Große noch einmal hin und merken uns ihre Definitionfurs Leben:

σ =

√∑Ni=1 (〈t〉 − ti)2

N − 1.

Daß σ auch “Fehler der Einzelmessung” genannt wird, liegt daran, daß man beiKenntnis des Mittelwertes und der Standardabweichung im allgemeinen (undim besonderen bei der Gaußverteilung) die Wahrscheinlichkeit angeben kann,

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daß ein Meßwert in einem Intervall (MW - σ, MW + σ) um den Mittelwertliegt. Gerade die Große dieses Intervalls kennzeichnet ja die “Genauigkeit” einerMessung. - Die Standardabweichung wird in der angelsachsischen Literatur oftals “r.m.s.” (“root mean square”) bezeichnet.

II.3 Der diskrete Charme des Mittelwerts

Wir wollen aber noch einmal auf die besondere Eigenschaft des Mittelwerteszuruckkommen. Dazu denken wir z B. an die verschiedenen Meßwerte, die wirgewonnen haben, als wir die Zeit des 1000 m - Laufers gestoppt haben. Wirschreiben uns jetzt die Varianz dieser Verteilung auf (wobei wir uns nicht mehrauf 20 Messungen festlegen), ersetzen aber den MW durch eine zunachst un-bekannte Große x:

σ2 =

∑Ni=1 (x − ti)

2

N − 1.

Wir haben jetzt keine wohldefinierte Zahl mehr vor uns, sondern, da x einezunachst beliebige Zahl ist, eine Funktion von x; deshalb schreiben wir korrekt:

f(x) =

∑Ni=1 (x − ti)

2

N − 1.

Jetzt wollen wir wissen, fur welchen Wert von x die Funktion f(x) ein Mi-nimum annimmt. Wie macht man das? Schulwissen /Hausaufgabe! Man mußdie Funktion y = f(x) nach x differenzieren (= ableiten) und das Ergebnis= 0 setzen. (Die ti und N sind jetzt bekannte und konstante Zahlen.) Dannerhalten wir eine Gleichung, die wir nach x auflosen konnen. Wir tun das undbekommen fur den Wert, der die Funktion minimalisiert,

xmin =

∑Ni=1 tiN

= 〈t〉.

Dies ist aber - oh Wunder! - nichts anderes als der Mittelwert. Wir haben alsogelernt: Der Mittelwert einer Verteilung macht ihre Varianz zum Minimum.Diese Eigenschaft zeichnet den MW vor allen anderen Werten (auf unsererMeßgeraden) aus.Wir haben jetzt den Mittelwert und die Varianz bzw. Standardabweichungeiner Verteilung kennengelernt. Wir erinnern uns aber daran, daß unsere Ver-teilung (namlich die der Einzelzeiten des Laufers) aus einzelnen “diskreten”

Meßpunkten bestand. Wir konnten uns bei der MW - Bildung also der einfa-chen Summation bedienen.

De facto ist aber die Verteilung der Zeiten kontinuierlich, denn der Laufermuß keine “Quantisierungsvorschrift” seiner Laufzeiten beachten. Im Falle ei-ner kontinuierlichen Verteilung muß die Summation durch ein Integral ersetztwerden. Wir kommen darauf zuruck.

Wir wollen zum Schluß dieses Abschnitts noch einmal auf die “beste Schatzung”(“best estimate”) des wahren Wertes und ihre Unsicherheit zuruckkommen.Denn naturlich hat auch der Mittelwert selbst einen “Fehler” oder besser eineUnsicherheit. Die Theorie sagt nun (vgl. z.B. [?, ?]), daß dieser Fehler durch

σ(MW ) =σ√N

gegeben ist. Dabei bedeutet σ(MW ), wie gesagt, den statistischen Fehler desMittelwertes, wahrend das σ auf der rechten Seite die Standardabweichung derVerteilung der Meßwerte ist.

Diese Beziehung ist wichtig und weitreichend. Sie besagt einerseits, daß man die(statistische) Unsicherheit einer Große unter jeden vorgegebenen Wert druckenkann, wenn man nur oft genug mißt Andererseit wird der Preis (und dies, beiteuren Expertimenten, im Wortsinn) immer hoher, denn um den Fehler um denFaktor 10 zu reduzieren, muß man 100 mal so oft messen. Dies fuhrt bei jedempraktischen Experiment zu Begrenzungen.

II.4 Systematische Fehler

Außerdem ist da noch eine andere Schwierigkeit im Spiel: Wir hatten in unseremGedankenexperiment angenommen, daß alle Stoppuhren von gleicher Qualitatsind und daß keine vor- oder nachgeht. Dies ist naturlich eine Idealisierung, imwirklichen Leben wird jedes Meßgerat einen, vielleicht nur winzigen, Fehler auf-weisen. Die Verfalschung eines Meßergebnisses durch fehlerhafte Gerate kannman naturlich nicht durch noch so viele Messungen kompensieren. Man mußalso auch seinen systematischen Fehler zu bestimmen wissen, bevor man sichGedanken uber den Umfang einer Meßreihe macht: Sobald der systematischeFehler in die Großenordnung des statistischen ruckt, lohnt es sich nicht mehr,die Anzahl der Messungen in die Hohe zu treiben.

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III Von Meßreihen zu Histogrammen und

Wahrscheinlichkeitsdichten: Die Gaußver-

teilung

Wir wollen uns jetzt um die Darstellung und Beschreibung von Verteilungengemessener Großen kummern. Unser Ziel ist, zum Begriff der “Wahrscheinlich-keitsdichte” und schließlich zur Gaußverteilung, die die wichtigste kontinuierli-che Verteilung ist, zu kommen. Wir werden auch noch echte “diskrete” Vertei-lungen kennenlernen, namlich die wichtige Binomial- und die ebenso wichtigePoisson - Verteilung.

Wir kehren zu unserer Zeitmessung zuruck. Wir wollen jetzt annehmen, daß dieZahl der Zeitmessungen sehr groß wird, z.B. in die Tausende geht. Etwas unrea-listisch, aber schließlich ist es ein Gedankenexperiment. Bei einer sehr großenZahl von Messungen ist es unokonomisch, jede einzelne mit einem kleinen senk-rechten Strich auf unserer Geraden zu markieren. Wir werden stattdessen denMeßbereich - etwa von 172 Sekunden bis 188 Sekunden - in Intervalle eintei-len, deren Anzahl und damit Dichte von der Zahl der Messungen abhangt.Ein solches Intervall wird auch “Bin” (von englisch bin = Kasten, Behalter)genannt.

Der nachste Schritt fuhrt uns zum “Histogramm”: Wir zahlen die Meßwerte injedem Intervall und tragen die Summe als Ordinate nach oben auf. Damit habenwir wieder einen anschaulichen Eindruck von unserer Verteilung (Abb. 1):

Dieses Histogramm stellt den Fall dar, daß der Laufer “im Mittel” der Mes-sungen 180 s fur die 1000 m braucht, und daß die Standardabweichung 2 sbetragt.

An den Randern links und rechts gibt es nur wenige Eintrage (“entries”),wahrend wir etwa in der Mitte der Verteilung ein Maximum (“peak”) sehen.Außerdem ist die Verteilung so gut wie symmetrisch. An der Ordinate konnenwir ablesen, wie viele Eintrage etwa jedes Bin zahlt. Allerdings haben wir ge-genuber unserer Geraden mit den Strichelchen einiges an Information verloren:Wir wissen nur noch, wie viele Meßpunkte z.B. zwischen den Marken “174 s”und “176 s” liegen; wie sie sich aber innerhalb des Intervalls verteilen, wissenwir nicht mehr - wir haben “daruber hinwegintegriert”.

t [s]172 174 176 178 180 182 184 186 188

Anza

hl

0

5

10

15

20

25

30

35

40

Abbildung 1: “Histogramm” der gemessenen Zeiten des Laufers mit 500 Ein-tragen

III.1 Vom Histogramm zur Wahrscheinlichkeitsdichte

Eine solche Darstellung nennt man ein “Histogramm” (englisch: histogram). Indiesem Wort stecken die griechischen Wurzeln “histos” = Gewebe und “gram-ma” = Buchstabe, Schrift. Wir wollen nun unser Histogramm etwas aufbohrenund neu interpretieren:

Wir lassen jetzt die Zeit unseres bedauernswerten 1000 m - Laufers von mehrund mehr und mehr Leuten messen. Wenn wir die Anzahl der stoppuhrbewertenMeßdiener “gegen unendlich” gehen lassen, konnen wir die Intervallbreite (“binsize”) immer kleiner und kleiner wahlen - wir haben ja genug “Statistik”. Damitwird das Histogramm auch immer glatter, denn der Polygonzug, den die Eckender Intervall - Inhalte bilden, geht in allmahlich in eine glatte Kurve uber. Wirsind eigentlich zufrieden. Aber da kommt ein Kollege und sagt: “Unendlich

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reicht mir nicht, ich mochte zwei mal unendlich.”

Um ihm diesen Gefallen zu tun, mußten wir die Zahlen auf der Ordinate auchmit zwei multiplizieren. Aber wir ahnen, daß wir keine Information gewinnenwurden, unser Histogramm sahe noch genau so aus. Das bringt uns auf denGedanken, die Verteilung zu “normieren” (“to normalize”). Was bedeutet das?Wir merken uns die Zahl aller Eintrage des Histogramms und dividieren dannden Inhalt eines jeden Bins durch diese Zahl. Ergebnis: Wenn wir jetzt dieSumme aller Bin - Inhalte (“bin contents”) bilden, erhalten wir immer Eins -das Histogramm ist “auf Eins normiert”.

Und jetzt, in diesem Grenzfall unendlich vieler Eintrage, konnen wir das Histo-gramm neu interpretieren: Es stellt sicherlich ein gutes “Personlichkeitsprofil”unseres Laufers dar, und wir deuten es jetzt als “Wahrscheinlichkeitsdichte”.Was heißt das? Die gute alte Massendichte bezeichnete “Masse pro Volumen”.Die Wahrscheinlichkeitsdichte in diesem Fall bedeutet “Wahrscheinlichkeit proZeit”. Anschaulich: Wir schraffieren die Flache zwischen (z.B.) 176 s und 184s; da wir die Gesamtflache auf Eins normiert haben, gibt uns die schraffier-te Flache die Wahrscheinlichkeit, mit der der Laufer ein Ergebnis zwischen176 s und 184 s erzielt. Dabei haben wir vorausgesetzt, daß er nie weniger als172 s und nie mehr als 188 s braucht. Mathematisch haben wir die Verteilungzwischen den beiden Intervallen “integriert”. Trivialerweise (da nach Konstruk-tion) ist das Integral uber die gesamte Verteilung gleich Eins. Das bedeutet,der Laufer wird - wegen unserer einschrankenden Voraussetzung - auf jedenFall (also mit der Wahrscheinlichkeit Eins) ein Ergebnis zwischen 172 s und188 s erzielen. Noch einmal: Die Verteilung selbst gibt uns die Wahrscheinlich-keitsdichte. Eine Wahrscheinlichkeit erhalt man erst durch Integration uber einvorgegebenes Intervall. Hieraus folgt auch, daß die Wahrscheinlichkeit, genaueinen bestimmten Wert zu messen, gleich Null ist. Warum ist das so? DenkenSie uber diese Merkwurdigkeit nach.

Damit haben wir die Wahrscheinlichkeitsdichte verstanden. In unserem Beispielhatten wir die Ergebnisse des Laufers auf das Intervall von 172 s bis 188 seingeschrankt. Eine solche Einschrankung gilt naturlich im allgemeinen nicht,vielmehr sind im allgemeinsten Fall die Grenzen “minus unendlich” und “plusunendlich” zu wahlen.

Wenn wir uns die Verteilungsdichte unseres Laufers genauer ansehen, dann hatsie die Form einer Glocke. Dies ist die Form der Gauß- oder Normalverteilung;in der Tat laßt sich eine Theorie der Meßfehler (“Laplacesches Fehlermodell”)aufstellen, die just auf die Gaußverteilung fuhrt. Wir wollen das als gegebenhinnehmen (siehe z.B. [?]) und uns die Gaußverteilung etwas naher ansehen.

III.2 Annaherung an Herrn Gauß

Die Verteilung ist offensichtlich positiv und symmetrisch. Wenn sie um denPunkt x0 (wir wahlen jetzt allgemeine Variablen fur die zu messenden Großen,es konnte ja auch eine Temperatur sein) symmetrisch ist, so empfiehlt sich eineForm (das Zeichen ∝ bedeutet “proportional zu”)

∝ exp(−(x − x0)

2).

(Mit “exp(x)” meinen wir naturlich die Exponentialfunktion “e hochx”: exp(x) = ex. Wir wollen sie hier nicht im Detail diskutieren. Wer ihreEigenschaften vergessen hat, grabe bitte in seinen Mathematikbuchern nach.)Damit haben wir die Glockenform. Um die Glocke “breit” oder “schmal” zumachen, fuhren wir im Exponenten den Faktor 1/(2 σ2) ein. Wird σ groß, soist die Glocke breit, und umgekehrt. Jetzt mussen wir noch fur die Normierungsorgen, denn das Integral uber die gesamte Verteilung - von “minus unendlich”bis “plus unendlich” soll ja Eins sein. Dies besorgt der Faktor 1/

√2 π σ2. Alles

in der Literatur nachzulesen [?, ?, ?, ?]. Insgesamt sieht also eine Gaußvertei-lung (wohlgemerkt, wieder eine Wahrscheinlichkeitsdichte!) so aus:

g(x) =1√

2 π σ2exp

(− (x − x0)

2

2 σ2

)

Diese etwas kompliziert aussehende Funktion malen wir uns noch einmal inaller Schonheit auf (Abb. 2):Wir haben fur dieses Bild mit Absicht eine standardisierte Gaußverteilunggewahlt, namlich eine mit dem MW Null und der Breite σ = 1. Die Verteilungin der Abbildung ist ubrigens - zur besseren Darstellung - nicht korrekt aufEins normiert. Aus dieser Verteilung kann man leicht jede andere herstellen,indem man den MW verschiebt und die Breite durch Multiplikation mit demgewunschten Faktor verkurzt oder streckt.Und jetzt wollen wir uns ihre Eigenschaften ansehen. Zunachst: Die Kurvekommt von − ∞ und geht nach + ∞. Ihr Integral ist Eins (dafur sorgt derNormierungsfaktor):

∫ +∞

−∞

g(x) dx = 1.

Wenn wir die Wahrscheinlichkeit wissen wollen, ein Ergebnis im Intervall mitden Grenzen a und b zu erzielen, dann ist diese gegeben durch

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-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 40

2

4

6

8

10

σ

Abbildung 2: Gaußverteilung mit dem Mittelwert Null und der Breite (σ) Eins

G(a, b) =

∫ b

a

g(x) dx.

Die Gaußverteilung hangt von genau zwei Parametern ab, namlich dem Mit-telwert x0 und der Breite σ. Tatsachlich gilt

∫ +∞

−∞

x g(x) dx = x0.

Auf der linken Seite steht die Definition des Mittelwertes (“erstes Moment”) beieiner kontinuierlichen Verteilung; sie entspricht der Summation bei diskretenMeßwerten. Außerdem gilt:

∫ +∞

−∞

x2 g(x) dx = σ2.

Das ist das Analogon zur Bestimmung der Varianz (“zweites Moment”) beidiskreten Meßwerten. Ubrigens: Man findet die Position “± 1 σ” an den Stellen,an denen die Gaußkurve auf den Wert “Maximum/

√e” abgesunken ist. Dies

sind zugleich die Positionen der Wendepunkte → nachrechnen!Wir halten fest: Eine Gaußverteilung wird durch ihren Mittelwert (hier x0)und ihre Breite (“Gaussian width”) σ beschrieben. σ ist die Standardabwei-chung der Verteilung. (Ubrigens: Sprechen Sie im Englischen “Gaussian” nie-mals “Gooschn” aus, das ist igitt! Der gebildete Angelsachse tut das nicht.)Jetzt haben wir fast alles Wichtige uber die Gaußverteilung beisammen. Unddeshalb wollen wir noch einmal zum Anfang unserer Uberlegungen, namlich zuden “Vetrauensintervallen” zuruckkommen. Wie sieht es beim Gauß aus?

III.3 Vertrauen bei Herrn Gauß

Die Mathematik sagt uns, wie groß das Integral uber die Gaußverteilung “von− σ bis + σ” ist, namlich 0.683. Das bedeutet anschaulich: Wenn man eineGroße mißt, die “gaußverteilt” ist (und diese Annahme macht man meistens,wenn auch oft nur als Naherung), dann ist die Wahrscheinlichkeit 68.3 %, daßdas Ergebnis in eben jenes Intervall fallt. Man nennt dies die “1 σ - Umgebung.Wer eine gemessene Große mit einem Fehler veroffentlicht, der meint mit derGroße seines Fehler immer implizit dieses “Gaußsche σ”. Das heißt, die Angabeeines Fehlers ist auch immer eine klare quantitative Botschaft: Ich behaupte,daß der “wahre Wert” der Große, die ich messen will, mit einer Wahrschein-lichkeit von 68.3 % in dem angegebenen Intervall liegt.Naturlich gibt es auch die “2 σ”- und “3 σ”- Intervalle. Wieder sagt uns dieMathematik, daß die ensprechenden Integrale uber die Gaußverteilung 0.955und 0.997 sind. Mit anderen Worten: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95.5 %fallt eine Messung in das 2 σ-, und mit 99.7 % in das 3 σ- Intervall. DieWahrscheinlichkeit, daß die Messung außerhalb dieses Intervalls landet, ist alsonur 0.3 %. Wenn etwa zwei Messungen derselben Große - bei Berucksichtigungder jeweiligen Fehler - um (mindestens) “3 σ” differieren, dann nennt man sie“signifikant verschieden”, und man halt eine von beiden fur falsch. Hier lauertdie Tucke: Wenn man zwar seine Messung ordentlich durchgefuhrt, seine Fehleraber versehentlich oder aus Dummheit zu klein bestimmt hat, dann schließtman sich selbst aus der Reihe der seriosen Wissenschaftler aus.

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Wenn man die Gaußsche Glockenkurve zeichnet, dann kann man die “1σ- Um-gebung” leicht ablesen, denn 1σ ist gerade der Abstand vom Mittelwert (demMaximum) zu den Wendepunkten. Manchmal mochte man auch wissen, wiebreit die Verteilung, mit der man es zu tun hat, “auf halber Hohe” ist. Diese“volle Breite auf halber Hohe” (“full width at half maximun”, FWHM) betragt,wie man leicht nachrechnet, etwa 2.3 σ.

Damit haben wir die Gaußverteilung im Wesentlichen verstanden. Wir fassenzusammen: Man unterstellt Messungen einer kontinuierlichen Große, die - imweitesten Sinne - mit einem “Maßstab” durchgefuhrt werden, daß sie “gau-ßisch” sind, d.h. daß die Meßwerte, wenn man sie histographiert (s. o.), sichdurch die beruhmte Glockenkurve interpolieren lassen. Das ist in Wirklichkeitso gut wie nie der Fall; aber man rechnet dennoch sehr oft “gaußisch” weiter,z.B. wenn es um Hypothesen - Tests mit Hilfe der χ2 - Methode (“chi - Qua-drat”) geht, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Auch die Abschatzungender “Vertauensintervalle” mit den oben genannten Zahlen gelten nur fur “ech-te” Gaußverteilungen. Man muß deshalb im taglichen leben die “Gaußizitat”seiner Meßergebnisse kritisch uberprufen.

Dazu gibt es einen einfachen Trick: Wenn man eine Gaußfunktion logarithmiert(z.B. mit Hilfe des beliebten Logarithmenpapiers), erhalt man eine nach untenoffene Parabel (eben gerade den Exponenten). Das menschliche Auge erkenntaber Abweichungen von der Parabelform und damit von der “Gaußizitat” so-fort!

Und nun wenden wir uns neuen Ufern zu.

IV Wir sind ganz diskret: Binomial- und Pois-

son - Verteilung

Wir haben es im vorigen Abschnitt mit Messungen “kontinuierlicher”Großen wie Zeiten zu tun gehabt. Ahnliches gilt fur Langen, Temperaturen,Stromstarken, etc.

Es gibt aber eine ganz andere Art von Messungen, bei denen “etwas gezahlt”wird. Klassische Beispiele sind die Zahl der Zerfallsakte eines radioaktivenPraparates pro Zeiteinheit oder die Zahl von Bakterien in einer Nahrlosung.Hier wird gezahlt: “Eins, zwei, drei..”, und die naturlichen Zahlen sind einediskontinuierliche, “diskrete” Variable.

IV.1 Alea iacta sit!

Ein einfaches Beispiel, das uns auch die Moglichkeit gibt, den Begriff der Wahr-scheinlichkeit etwas zu beleuchten, ist ein symmetrischer Wurfel mit den “Au-gen” 1 bis 6. Wegen der Symmetrie sind alle Augenzahlen gleichberechtigt. Dadie Summe aller Einzelwahrscheinlichkeiten Eins sein muß, ist die Wahrschein-lichkeit, eine der Zahlen 1 bis 6 zu wurfeln, gerade 1/6.Das wundert uns auch nicht. Wir wollen aber dieses einfache Beispiel benut-zen, um zwischen “und” und “oder” bei Wahrscheinlichkeiten zu unterscheiden:Die Wahrscheinlichkeit (“probability”), z.B. eine 2 oder eine 5 zu wurfeln, ist1/6 + 1/6 = 1/3. Wenn ich aber mit zwei Wurfeln spiele, dann ist die Wahr-scheinlichkeit, eine 2 und eine 5 zu wurfeln, gleich 1/6 · 1/6 = 1/36. Es gibtnamlich 6 · 6 = 36 Moglichkeiten von Zahlenpaaren. Diese Multiplikationsregelgilt aber nur dann, wenn die beiden Wahrscheinlichkeiten unabhangig vonein-ander sind. Dies konnen wir aber bei den Wurfeln voraussetzen, solange sienicht miteinander verklebt sind.Es lohnt sich ubrigens, einmal den MW dieser “flachen” (alle Zah-len sind gleich wahrscheinlich) Verteilung auszurechnen: Es ist1/6 · (1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6) = 21/6; der Mittelwert der“Augenzahlen” eines Wurfels ist also eine gebrochene Zahl, die selbst nichtdas Ergebnis eines Wurfes sein kann.Wir wollen uns in diesem Abschnitt der außerst wichtigen Poisson - Verteilungnahern. Ihre Kenntnis ist von herausragender Bedeutung. Und da trotzdemkaum jemand uber sie bescheidweiß, bedeutet es so etwas wie “Herrschaftswis-sen”, wenn man sich mit ihr auskennt.

IV.2 Tossing a Coin: Head or Tail?

Die Poissonverteilung laßt sich aus der “Binomialverteilung” herleiten - wieubrigens auch die Gaußverteilung. Die Binomialverteilung ist also sozusagendie “Mutter aller Verteilungen”. Mit ihr kann man die Ergebnisse eines “Ber-noulli - Experimentes” beschreiben, das ist eines mit genau zwei moglichenErgebnissen. Ein einfaches Bernoulli - Experiment ist der Wurf einer Munze.Mit Hilfe der Binomialverteilung (BiV) kann ich dann z.B. die Frage beantwor-ten: “Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, einmal “Zahl” und 9 mal “Adler”zu bekommen, wenn ich eine (symmetrische) Munze 10 mal werfe?” Man kannsich das Ergebnis eigentlich “zu Fuß” ausrechnen, wenn man alle Moglichkei-ten abzahlt. Wir wollen das hier tun, bevor wir uns die BiV im Detail ansehen.Also:

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Wir wollen das Erscheinen von “Zahl” nach dem Wurf den “Erfolg” nennen.Dann bedeutet “Adler” Mißerfolg. Die Wahrscheinlichkeit fur einen Erfolg nen-nen wir p, die fur Mißerfolg q. Da ich nur entweder Erfolg oder Mißerfolg habenkann, gilt p+q = 1. Andererseits ist die Munze symmetrisch, daher p = q = 1/2.Die Anzahl der “Erfolge” sei r, also hier r = 1. Die Anzahl der Wurfe ist n = 10.Dann ist die Wahrscheinlichkeit, bei 10 voneinander unabhangigen Wurfen ein-mal “Erfolg” zu haben, pr = 0.51. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, 9mal “Mißerfolg” zu haben, gleich q9 = (1 − p)9 = 0.59. Damit sind wir schonfast fertig, wir mussen aber noch bedenken, daß wir das Ergebnis auf 10 ver-schiedene Art und Weisen erreichen konnen, namlich (A fur Adler, Z fur Zahl):ZAAAAAAAAA, AZAAAAAAAA, AAZAAAAAAA, etc. Damit haben wirunser Ergebnis beisammen: Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist

B(1; 10, 0.5) = 10 · 0.5 · 0.59 = 10/1024 ,

also etwa 1 %.Fur den allgemeinen Fall (p und q verschieden, aber naturlich immer p+ q = 1;wir konnen hier an eine manipulierte Munze denken, die auf einer Seite schwererist) lautet die Formel

B(r;n, p) =n!

r! (n − r)!pr qn−r.

Das sieht ein bißchen angsteinfloßend aus, aber nach unserer vorherigenAbzahlubung verstehen wir es: B(r;n, p) gibt die Wahrscheinlichkeit an, bein Wurfen r Erfolge zu erzielen, wenn die Wahrscheinlich fur den Erfolg gleichp (und damit die Wahrscheinlichkeit fur den Mißerfolg gleich q = 1 − p) ist.Unnotig zu sagen, daß p nur eine Zahl zwischen Null und Eins sein kann.Der Bruch auf der rechten Seite ist ein sogenannter “Binomialkoeffizient”; ergibt an, auf wie viele verschiedene Weisen man r Erfolge bei n Wurfen realisie-ren kann. (Raten Sie, was der Ausdruck 49! / (6! (49−6)!) bedeutet - Woche furWoche!) In unserem Beispiel war er gleich 10! / (1! (10−1)!) = 10. Ach ja: DerAusdruck 10! (sprich “zehn - Fakultat”) bedeutet 10! = 1 · 2 · · · · · 9 · 10.Merke furs Leben: 1! = 0! = 1. Außerdem: (Jede Zahl)0 = 1, auch 00 = 1.Unser Beispiel hat uns also gelehrt, daß ich bei 100 Serien von jeweils 10 Wurfenim Mittel einmal das Ergebnis “einmal Zahl und neunmal Adler” erzielen werde.Alles verstanden? Gut. Rechnen Sie als Hausaufgabe das Ergebnis fur r = 4aus!Der Vollstandigkeit halber sei noch erwahnt, daß der MW der BiV gleich n · pist, und ihre Varianz gleich n · p · q.

IV.3 Von “Herrn Binom” zu Herrn Poisson

Wenn man in der Binomialverteilung die Wahrscheinlichkeit fur den “Erfolg”immer kleiner, die Anzahl der “Wurfe” immer großer werden laßt, dabei aberdas Produkt n · p (also den Mittelwert) konstant halt, dann erhalt man diePoisson - Verteilung. Die Poissonverteilung greift immer dann, wenn man Er-eignisse in einem bestimmten “Intervall x” zahlt, typischerweise von Raumoder Zeit, die voneinander und von x unabhangig sind (d.h.einander nicht kau-sal beeinflussen, und deren Haufigkeit auch nicht von der Wahl des Intervallsabhangen soll). Ein Paradebeispiel ist der Zerfall eines (langlebigen) Radio -Isotops: Wir wollen annehmen, daß die mittlere Lebensdauer sehr groß gegendie Beobachtungszeit sei (so daß die mittlere Zerfallsrate sich nicht andert).Dann konnte unser Experiment folgendermaßen aussehen: Wir bewaffnen unsmit einem Zahlrohr und messen sehr oft, wie viele Zerfalle in jeweils einer Mi-nute stattfinden. Wir wissen naturlich, daß die mittlere Zerfallsrate pro Minutedurch Halbwertszeit und Menge des radioaktiven Materials (und durch andereParameter) gegeben ist. Wir interessieren uns aber vor allem um die Fluktua-tionen.Nun ist aber der radioaktive Zerfall ein durch und durch statistisches (“sto-chastisches”) Phanomen. In unserer Probe befindet sich eine immense Zahlvon Kernen unseres Radionuklids; aber keiner dieser Kerne “weiß” etwas vonden anderen - es gibt keine kausale Beeinflussung der Kerne untereinander. Je-der Kern “entscheidet” sich allein, wann er “zerfallen will”, und gehorcht dabeinur ubergeordneten physikalischen Gesetzen, die z.B. die Halbwertszeit fur justdieses Nuklid festlegen.Es kann also sein (vorausgesetzt, daß ich den Umfang meiner Probe entspre-chend gewahlt habe), daß ich in einer Minute einmal neun, einmal zwei odersieben Zerfalle, oder auch einmal gar keinen Zerfall registriere. Nur wenn ichnach jeweils (z.B.) 100 Meßreihen den Mittelwert der Zahlen meiner Zerfallebilde, dann bekomme ich - mit kleinen Fluktuationen - immer die gleiche Zahl.Wir stellen nun das Ergebnis unserer Meßreihen graphisch dar, und zwar inder bewahrten Form des Histogramms. Wir teilen unsere Abszisse in Bins ein,die wir mit 0, 1, 2, usw. bezeichenen, im Prinzip bis “unendlich”. Wenn wirkeinen Zerfall registriert haben, dann machen wir ein Kreuzchen in das “nullte”Bin, bei einem Zerfall in das erste, und so weiter. Wenn wir das lange genuggemacht haben, dann bekommen wir eine veritable Poisson - Verteilung. DieForm dieser Verteilung hangt nur (das ist wichtig!) von einem Parameter ab,namlich ihrem Mittelwert, den wir μ nennen wollen. Tapfer, wie wir sind, stellenwir uns gleich der mathematischen Formel fur die Poisson - Verteilung:

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P (n;μ) =μn e−μ

n!

In dieser Formel bedeutet μ (der griechische Buchstabe “my”), wie schon ge-sagt, den MW der Verteilung. n ist schlicht ein Laufindex, der von Null bisunendlich geht: n = 0, 1, 2, ..∞. Und die Formel wird folgendermaßen inter-pretiert (wir bleiben bei unserem Beispiel): Wenn der Mittelwert der Zerfallemeines Nuklids in einem gegebenen Zeitintervall (z.B. einer Minute) gleich μist, dann wird die Wahrscheinlichkeit, genau n Zerfalle in diesem Intervall zumessen, durch P (n;μ) gegeben. Alles klar? Ubrigens: Die Poisson - Verteilungist zwar eine diskrete Verteilung - n ist eine ganze Zahl - , der Mittelwert μjedoch kann eine beliebige reelle Zahl zwischen Null und Unendlich sein!In den folgenden Abbildungen 3 und 4 sind zwei Poisson - Verteilungen dar-gestellt, und zwar einmal fur einen kleinen MW (1.2), und einmal fur einengroßen (15). Wir sehen, daß die Verteilung fur kleine MWe stark asymmetrischist und offenbar fur großer werdende MWe immer symmetrischer wird: In derTat geht die Poisson - Verteilung fur große MWe in eine Gaußverteilung uber.In der Abbildung 4 sehen wir, daß die Poisson - Verteilung fur einen MW von 15schon deutlich weniger asymmetrisch ist und eine gewisse “Gauß - Ahnlichkeit”zeigt. Aber wir mussen offensichtlich noch deutlich großere MWe wahlen, biswir den Unterschied nicht mehr erkennen konnen.Hier machen wir eine Pause: Glauben wir das? Wir haben gelernt, daß die Gauß-verteilung eine kontinuierliche Verteilung ist und daß sie durch zwei Parameterdefiniert wird, namlich durch MW und Varianz σ2. Die Poisson - Verteilungwird aber durch nur einen Parameter definiert, durch den Mittelwert. Außer-dem geht die Gaußverteilung von −∞ bis +∞, die Poisson - Verteilung jedochfangt erst bei Null an.Bevor wir weiter argumentieren, luften wir noch ein Geheimnis der Poisson -Verteilung. Ihre Varianz ist gleich ihrem Mittelwert, namlich

σ2Poisson = μPoisson.

Auf dieser Eigenschaft beruht das “Wurzel - N - Gesetz” bei der Fehlerbestim-mung von gezahlten Großen. Aber darauf kommen wir noch.Nach dem, was wir bis jetzt zusammengestellt haben, kann die Poissonvertei-lung niemals in eine “echte” Gaußverteilung ubergehen. Tut sie auch nicht.Aber tatsachlich laßt sich die Form der Poisson - Verteilung fur große MWemathematisch durch die Gaußverteilung approximieren. Man muß dann aberin der Formel fur den Gauß das “σ2” durch “μ” ersetzen - auch dieser “Pseudo

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

Abbildung 3: Poisson - Verteilung mit μ = 1.2

- Gauß” hangt nur von einem Parameter ab! Einen Vorteil bietet die Vergau-ßung der Poisson - Verteilung allerdings: Fur große MWe wird die Fakultat (n!im Nenner) sehr unhandlich - dies wird durch die Gauß - Form vermieden.

Jetzt haben wir also auch die Poisson - Verteilung verstanden. Sie wird immerdann wichtig, wenn irgendetwas in irgendeinem Intervall gezahlt wird, dessenVorkommen vollig statistisch erfolgt. Dies konnen, wie in unserem Beispiel,Zerfalle eines Radionuklids pro Zeiteinheit sein, aber auch Sterne pro Raum-winkel - Segment am Nachthimmel. Regentropfen pro Quadrat - Dezimeter imGarten tun es auch, oder - beliebt bei Physikern - Blaschen entlang einer Teil-chenspur in einer Blasenkammer. Mediziner dagegen haben eine Vorliebe furLeukozyten im Blut oder das Auftreten seltener Krankheiten.

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0 5 10 15 20 25 30 35 400

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

Abbildung 4: Poisson - Verteilung mit μ = 15

IV.4 Das “Wurzel - N - Gesetz”

Schließlich noch die versprochene Bemerkung zum “Wurzel - N - Gesetz”. Wennjemand mit einem Geigerzahler eine Zahlrate mißt, und er hat wahrend derMeßzeit - sagen wir - 4711 “Counts” gezahlt, dann wird er sagen, der Fehler(oder die statistische Unsicherheit) auf diese Zahl sei

√4711. Warum?

Wie gesagt, unser Experimentator soll nur einmal gemessen haben. Was er ei-gentlich hatte tun mussen, aber aus verstandlichen Grunden nicht tun kann,ware “unendlich oft” zu messen. Dann konnte er nach jeder Messung sein Egeb-nis in ein Histogramm (s. oben) eintragen und hatte am jungsten Tag eineperfekte Poisson - Verteilung (vorausgesetzt, sein Praparat lebt noch langer).Diese Poisson - Verteilung wird dann einen Mittelwert haben, der gleich ihrerVarianz ist. Und hier einnern wir uns daran, daß die Standardabweichung dieWurzel aus der Varianz ist.

Unser Experimentator hat nun einen doppelten intellektuellen Schlenker ge-macht: Da er nur einmal messen kann, interpretiert er sein Ergebnis alsSchatzung fur den Mittelwert; und wenn er den erst hat, zieht er die Wurzeldaraus und verkauft sie als Standardabweichung - die klassische “Unsicherheitauf die Einzelmessung”. Dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn man das“Wurzel - N - Gesetz” anwendet.(Naturlich kann man auch hier subtiler vorgehen: Man kann nach dem Intervallfragen, in dem der wahre MW mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit liegt, wennich eben bei nur einer Messung meine z.B. 4711 Zerfalle zahle. Aber das gehtuber den Rahmen dieser Betrachtung hinaus.)Im Ubrigen:

√N ist der absolute Fehler auf die gemessene Zahl N . Der rela-

tive Fehler ist dann

√N

N=

1√N

.

Wenn ich diesen relativen Fehler mit 100 multipliziere, bekomme ich den“prozentualen” Fehler. Wir sehen, daß der relative Fehler mit “hoherer Stati-stik” schrumpft. Man kann ihn also im Prinzip unter jede vorgegebene Grenzedrucken - aber auch hier gilt wieder das, was schon im zweiten Abschnitt gesagtwurde.

IV.5 Normierung der Poisson - Verteilung

Zum Schluß noch etwas fur den echten Fan: Wir wissen, daß jede Verteilungeiner Wahrscheinlichkeitsdichte “auf Eins normiert” sein muß, denn irgendeinErgebnis kommt “mit Sicherheit”, also der Wahrscheinlichkeit Eins, heraus.Wie steht es mit der Poisson - Verteilung?Um die Normierung zu uberprufen, muß die Summe uber alle Einzelwahrschein-lichkeiten Eins werden, also:

∞∑n=0

μn e−μ

n!= 1.

Stimmt das? Wir schreiben dieselbe Formel etwas anders, indem wir die Expo-nentialfunktion vor die Summe ziehen:

e−μ∞∑

n=0

μn

n!= 1.

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Aber nun sieht unser scharfes Auge sofort, was unter dem Summenzeichensteht: Es ist die Taylor - Reihenentwicklung der Exponentialfunktion, die (mitx statt mit μ) ausgeschrieben so aussieht:

1 + x +x2

2!+

x3

3!+ · · = ex.

Damit wird unsere Summe schlicht zu

e−μ eμ = e(μ−μ) = e0 = 1,

was zu beweisen war.

IV.6 Die “Duplizitat der Ereignisse”

Man beobachtet im taglichen Leben des ofteren, daß zwei außergewohnliche Er-eignisse rasch nacheinander stattfinden. Die offentliche Aufmerksamkeit nimmtdies besonders bei Katastrophen wie z.B. Flugzeugabsturzen wahr. Konnenwir das mit dem, was wir bisher gelernt haben, verstehen? Wir versuchen eineAnnaherung:Wir bleiben zunachst bei unseren radioaktiven Nukliden; wir schreiben aberden Mittelwert μ (fur die Anzahl der Zerfalle pro Zeitintervall) etwas um. Wirfuhren die “mittlere Haufigkeit pro Zeiteinheit” ein und nennen sie λ (“lamb-da”). Dann konnen wir uns den MW fur jedes beliebige Zeitintervall t konstru-ieren, er ist schlicht μ = λ t. Unser Poisson sieht jetzt so aus:

P (n;μ = λ t) =(λ t)n e−λ t

n!.

Und jetzt fragen wir uns: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß im Intervallt kein Zerfall stattfindet? Offenbar:

P (0;λ t) =(λ t)0 e−λ t

0!= e−λ t.

(Wir erinnern uns: 0! = 1.) Und diese einfache Formel (die nichts anderes ist alsdas Gesetz des radioaktiven Zerfalls) sagt uns, daß kurze Intervalle zwischenzwei Zerfallen wahrscheinlicher sind als lange, denn e−λ t wird um so kleiner,je großer t ist. Es ist also wahrscheinlicher, daß zwei Zerfalle dicht aufeinanderfolgen, als daß sie durch lange Intervalle getrennt sind.Was hat das nun mit Katastrophen zu tun? Naturlich nur bedingt etwas. We-sentlich ist, daß bei dieser Betrachtung die einzelnen “Ereignisse” einander

eben nicht kausal beeinflussen, wie das bei radioaktiven Zerfallen der Fall ist.Wenn wir also annehmen, daß Katastrophen wie Flugzeugabsturze “statistischverteilt” vorkommen (und nicht, weil in einem bestimmten Flugzeugtyp etwazwei Kabel vertauscht wurden), dann wurde man tatsachlich haufiger kurzeAbstande zwischen zwei solchen bedauerlichen Vorkommnissen erwarten alslange. Der Volksmund nennt das die “Duplizitat der Ereignisse”. Und damitendgultig genug von Herrn Poisson.

V Ein Wort zur Fehlerfortpflanzung

Die Großen, fur die man sich interessiert, sind oft nicht die gemessenen selbst,sondern daraus abgeleitete. Beispiel: Das Volumen einer Kiste ist das Produktder Kantenlangen. Wie hangt die Unsicherheit (der “Fehler”) des Volumensvon den Meßfehlern der Kantenlangen ab?Diese und andere Fragen beantworten die Rechenregeln der Fehlerfortpflanzung(“error propagation”). Diese basieren aber auf einfachen Regeln der Differen-tialrechnung und sollen hier nicht diskutiert werden. Außerdem findet man siein jedem Lehrbuch und auch in der Anleitung zum Physikalischen Praktikum.Es soll nur kurz der “asymmetrische Fehler” erwahnt werden; das ist ein Fehler,dessen Balken verschieden lang sind. Wie kann es dazu kommen?Wenn eine Große “linear” von einer anderen abhangt, wenn also beide nurdurch einen konstanten Faktor verbunden sind wie z.B. beim Ohmschen Ge-setz (U = R · I) Strom und Spannung, dann skaliert naturlich auch der Fehlermit dieser Konstanten. Graphisch kann man das durch “Spiegelung an einerGeraden” darstellen. Sobald aber der Zusammenhang nicht mehr linear ist,wie z.B. bei der kinetischen Energie, die quadratisch von der Geschwindigkeitabhangt, dann spiegelt man nicht mehr an einer Geraden, sondern an einer Pa-rabel. Und dann haben die Spiegelbilder des - symmetrischen - Fehlers z.B. derGeschwindigkeit nicht mehr gleiche Abstande vom Spiegelbild des Zentralwer-tes - der Fehler wird “asymmetrisch”. Ubrigens, in logarithmischer Darstellungerscheint naturlich auch ein symmetrischer Fehler asymmetrisch.

VI Schlußbemerkung

So, ganz langsam geht uns die Puste aus, es ist Zeit, Schluß zu machen. Was ha-ben wir gelernt? Wir haben uns mit zwei wichtigen Methoden der Messung undihren Unsicherheiten beschaftigt: Mit der Messung einer kontinuierlichen Große

c© Dr. J. Stiewe - Kirchhoff-Institut fur Physik - V. 1.0 Stand 10/2002

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum IIa Wir wollen richtige Fehler !

mit Hilfe eines (wie auch immer gearteten) “Maßstabes”, und einer Messung,die auf der Zahlung von diskreten “Ereignissen” wie z.B. Zerfallsprozessen be-ruht. Und wir haben das dazugehorige Handwerkszeug kennengelernt, namlichdie Gauß- und die Poisson - Verteilung.Damit haben wir in der Tat ein ansehnliches Wissen erworben, denn auf Gaußund Poisson basieren viele Gebaude der Statistik, insbesondere beim “Test vonHypothesen” und der Parameterschatzung. Hier sollte kurz das Wort “Anpas-sung” (“Fit”) fallen. Einfaches Beispiel: Jemand hat an einem langen Drahteine Spannung angelegt und mißt nun den Strom als Funktion der Spannung.Offenbar liegen die Meßpunkte “mehr oder weniger” auf einer Geraden. Wel-ches ist die “beste” Gerade, die ich durch die Meßpunkte legen kann, und wassind meine Kriterien? Wenn ich ein “Fit - Verfahren” fur diese Prozedur ken-ne, kann ich das Result (offenbar den reziproken Ohmschen Widerstand desDrahtes) und auch noch dessen Unsicherheit angeben.Wir sehen, es ist ein weites und spannendes Feld. Jede Messung hat es mehroder weniger mit dem Zufall zu tun. Aber der Zufall hat einmal (naturlich reinzufallig) Herrn Gauß und Monsieur Poisson getroffen - Herrn Binom sei Dank.Last but not least: Der Verfasser dankt seinem Nachbarn und Mitstreiter T.Berndt fur tatige Hilfe bei der Erzeugung der Diagramme mit Hilfe des gehei-misvollen Programmpaketes “Root”.

c© Dr. J. Stiewe - Kirchhoff-Institut fur Physik - V. 1.0 Stand 10/2002

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c© Dr. J. Stiewe - Kirchhoff-Institut fur Physik - V. 1.0 Stand 10/2002

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Fehlerrechnung mit Kopfchen

F. Eisele

Physikalisches Institut, Universitat Heidelberg

Die Fehlerrechnung erfreut sich bei Studenten i.A. keiner großen Beliebtheit.Im besten Falle wird sie als notwendiges Ubel angesehen. Ein wichtiger Grunddafur ist allerdings auch der, dass viel zu viel unnotiger Rechenaufwand getrie-ben wird und der Nutzen vernunftiger Fehlerabschatzungen nicht erkannt wird.Die folgenden Tipps sollen dazu beitragen, dass die Fehlerrechnung einfacherund besser gelingt.

I Relative Fehler nutzen

In der Praxis ist die Nutzung von relativen Fehlern von unschatzbarem Wertund sollte wann immer moglich genutzt werden.

I.1 Relative Fehler als Erleichterung der Fehlerfortpflan-

zung

Es ist sehr einfach zu zeigen, dass fur eine Funktion der Form

f(x, y, z) = xa · yb · zc (1)

gilt: (df

f

)2

=

(adx

x

)2

+

(bdy

y

)2

+

(cdz

z

)2

. (2)

Dabei sind a, b, c beliebige Potenzen (3/2, -4 ,...). Zu merken ist:

• Prozentuale Fehler werden quadratisch addiert.

• Wenn ein prozentualer Fehlerbeitrag kleiner als 20% des großten Fehlersist, dann kann er mit Sicherheit vernachlassigt werden, da er den Gesamt-fehler nur noch zu 2% beeinflusst.√

12 + 0, 22 =√

1, 04 = 1, 02. (3)

• Geht eine Messgroße mit hoher Potenz in f ein, dann hat sie auch einhohes Gewicht beim Fehlerbeitrag.

Beispiel aus dem Praktikum: Berechnet wird der Wert und Fehler des Adiaba-tenkoeffizienten κ:

κ =Cp

CV=

4mV

r4T 2p. (4)

Die Messgroßen sind die Schwingungsdauer T , die Masse m, der Radius r, dasVolumen V und der Druck p. Fur den relativen Fehler ergibt sich dann aus (2):

(dκ

κ

)2

=

(dm

m

)2

+

(dV

V

)2

+

(4dr

r

)2

+

(2dT

T

)2

+

(dp

p

)2

. (5)

Die Schwingungsdauer T wird aus einer langen Messreihe bestimmt mit einemprozentualen Fehler von etwa dT/T = 0, 005. Der Fehlerbeitrag ist also 1%(2dT/T ). Die Werte von m,V und r sind vorgegeben zu m = (34, 35±0, 002) g,V = (1342, 4 ± 0, 6) cm2 und r = (10, 253 ± 0, 013) mm. Der Druck p wird miteiner Genauigkeit von 1 Promille gemessen. Ohne weitere Rechnung ist sofortersichtlich, dass p,m und V prozentuale Fehler von 1 Promille beitragen, alsogegen den Fehlerbeitrag von T vernachlassigbar sind. Der relative Fehler vonr ist zwar auch nur 1,3 Promille, er geht aber in den Fehler von κ mit demGewicht 4 ein, da κ von r−4 abhangt. Dieser Fehlerbeitrag ist daher 0,5% undnicht vernachlassigbar. Damit folgt:

κ=

√(2dT

T

)2

+

(4dr

r

)2

=√

0, 012 + 0, 0052 = 0, 012. (6)

Hier wurde die letzte Stelle aufgerundet.

I.2 Prozentuale Fehlerabschatzung zur Messplanung und

Verbesserung des Experiments

Das Beispiel aus dem Praktikum zeigt, wo die Schwachstellen des Experimentssind, wenn das Ziel eine prazise Messung von κ sein soll: Der Messaufwand mussin die bessere Bestimmung von T und r gesteckt werden. Es lohnt sich nicht,kleine Fehlerbeitrage noch kleiner zu machen! Also konnte man daran denkenlangere Messreihen fur T zu machen, da der Fehler von T fur N Messungenmit 1/

√N kleiner wird (Fehler des Mittelwerts). Der Gewinn geht allerdings

nur mit der Wurzel. Es macht im Allgemeinen wenig Sinn 100 Messungen zu

c© Prof. Dr. F. Eisele - Physikalisches Institut - V. 0.1 Stand 2/2009

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum IIa Wir wollen richtige Fehler !

machen, dann ware es schon besser die Messmethode von T zu verbessern, al-so den Fehler der Einzelmessung zu verringern. Die Abschatzung prozentualerFehler vor der Versuchsdurchfuhrung hilft also ein Experiment optimal zu pla-nen. Hierzu macht man unter Umstanden vorher kleine Testmessungen um dieFehlerbeitrage besser abschatzen zu konnen.Beispiel aus dem Praktikum: Gemessen wird die spezifische Warmekapazitatcx fester Korper mit einem Kalorimeter nach der Formel:

cx = mW cWTM − T2

mx(T1 − TM ). (7)

Dabei werden die Massen mW und mx mit einer Waage auf 1 Promille genaugemessen und die Temperaturen Ti mit einem genauen Thermometer auf 0,5◦.Auf den ersten Blick ist die prozentuale Fehlerrechnung nicht anwendbar. Eshindert uns aber nichts daran die Temperaturdifferenzen ΔT = (TM −T2) etc.als Messgroßen zu betrachten. Dann gilt:

d(ΔT ) =√

(2 · 0, 52) = 0, 7◦. (8)

Die typischen Temperaturdifferenzen sind etwa 10◦. Somit folgt:

d(ΔT )

ΔT= 0, 7/10 = 0, 07, (9)

also 7%. Damit sind die Fehler der Massenmessungen vernachlassigbar. Esmacht keinen Sinn eine Messreihe fur die Massen durchzufuhren. Gleichung (7)zeigt, das eine genaue Messung von cx moglichst große Temperaturdifferenzenerfordert, was im Praktikum aber nur begrenzt moglich ist. Allerdings solltenbeide Temperaturdifferenzen moglichst gleich groß sein um den Fehler zu mi-nimieren. Das heißt, das die Wassermenge und der Probekorper x moglichstgleiche Warmekapazitat haben sollten.

II Fur die Fehlerfortpflanzung bei komplizier-

ten Formeln nicht Ableitungen berechnen.

Nehmen wir an, es soll eine Messgrosse f(x)

f(x) = 4x2 sin(12x2) exp(−2x) (10)

und der dazugehorige Messfehler aus der Messung von x bestimmt werden.Offensichtlich ist die Standardfehlerfortpflanzung hier sehr muhsam. Sie solltensich allerdings daran erinnern, was die Gleichung

df(x) =df

dx(11)

bedeutet: Sie ist nur eine lineare Naherung um die Werte von f(x + dx) undf(x−dx) abzuschatzen und diese Naherung ist dazu haufig auch noch schlecht.Sie gilt nur fur sehr kleine Werte von dx. Es ist viel sinnvoller in so einemFall die Werte von f(x + dx) und f(x − dx) direkt auszurechnen. Dann istdx− = f(x − dx) − f(x) und dx+ = f(x + dx) − f(x). Das Ergebnis ware

f(x)+dx+

−dx−

. (12)

Nur wenn beide Fehler etwa gleich sind sollte man ±dx schreiben und dafur denMittelwert der beiden Fehlerabschatzungen nehmen. Das ist im Allgemeinennur bei kleinen Fehlern so und kann sogar haufig zu groben Fehlern fuhren.Nehmen sie z.B. an, dass der Messwert zufallig nahe bei einem Extremwert derFunktion (10) liegt. Dann liefert die Fehlerfortpflanzung den Fehler Null, weildie Ableitung Null ist. Bei großen Fehlern ist das offensichtlich Unsinn.

s

L

Abbildung 1: Bestimmung des Impuls eines geladenen Teilchen aus der Sagittades Kreisbogens.

• Sie durfen den Fehler immer durch Berechnung der Funktionswerte f(x +dx) und f(x− dx) berechnen. Das ist oft einfacher als die Fehlerfortpflan-zung und auf jeden Fall zuverlassiger, insbesondere wenn sie eine program-mierbaren Rechner zur Hand haben.

• Die Nutzung dieses Tricks erlaubt auch eine erhebliche Ausweitung derAnwendung prozentualer Fehler.

Zum Abschluss noch ein in der Physik wohlbekanntes Beispiel, bei dem dieStandard-Fehlerrechnung versagt: In einem magnetischen Spektrometer wird

c© Prof. Dr. F. Eisele - Physikalisches Institut - V. 0.1 Stand 2/2009

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der Impuls eines geladenen Teilchen aus der Sagitta s des Kreisbogens bestimmt(Abbildung 1).Dabei ist L die Lange des Kreisbogens. Der Fehler der Sagitta ds ist durchdie Genauigkeit des Spurdetektors bestimmt und sei z.B. 1 mm. Wenn derImpuls sehr groß wird, dann kann ds großer oder vergleichbar mit s sein, d.h.s − ds kann negativ werden, was praktisch heißt, dass sich das Vorzeichender elektrischen Ladung umkehrt, und offensichtlich kann ein Impulswert ∞nicht ausgeschlossen werden. Dagegen liefert s + ds einen kleineren Impuls.Die Funktion p ∝ 1/s verhalt sich bei der Fehlerfortpflanzung fur großeprozentuale Fehler offensichtlich extrem asymmetrisch und liefert fur großeWerte von ds/s kompletten Unsinn. Hier hilft nur das Verfahren der direktenFunktionsberechnung und die Angabe asymmetrischer Fehler. Diese werdensie in vielen Publikationen finden.

Schlussbemerkung: Alles was bisher gesagt wurde, giltdann, wenn die statistischen Messfehler dominieren. Diesist bei Prazisionsexperimenten selten der Fall. Der Kampfmit systematischen Fehlern ist daher das eigentliche Pro-blem der Experimentalphysiker. Dafur gibt es aber leiderkeine Patentrezepte.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum IIa Wir wollen richtige Fehler !

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Versuch 11

Einfuhrungsversuch

Abbildung 2: Versuchsaufbau.

III Vorbemerkung

Ziel der Einfuhrungsveranstaltung ist es Sie mit grundlegenden Techniken desExperimentierens und der Auswertung der Messdaten vertraut zu machen. Die-se Grundkenntnisse sind fur eine erfolgreiche Durchfuhrung des Praktikumsnotwendig.Bei diesem Versuch werden Sie Messungen am Federpendel durchfuhren.Zunachst wird die Federkonstante gemessen. Das Ergebnis dieser Messungwird verwendet um in einer zweiten Messung die Erdbeschleunigung zubestimmen. Sie werden in diesem Versuchsteil den statistischen Fehler bei derBestimmung der Schwingungsdauer des Federpendels kennen lernen. Es sollauch gezeigt werden, dass zwei scheinbar identische Methoden zur Bestimmungder Schwingungsdauer unterschiedliche Messgenauigkeiten besitzen. Um ausden Messdaten die Federkonstante und die Erdbeschleunigung zu extrahierenist es notwendig die Ergebnisse graphisch darzustellen. Aus den Diagrammendie erstellt werden, kann man die zu bestimmenden Großen einschließlich desMessfehlers ablesen.

Ziel des Versuches:

Zunachst wird die Federkonstante eines Federpendels gemessen. Danach wirdunter Berucksichtigung dieses Ergebnisses die Erdbeschleunigung ermittelt.

Lernziele:

• Bestimmung des Messfehlers bei einer Zeitmessung.

• Vergleich von zwei unterschiedlichen Messmethoden.

• Graphische Darstellung von Messwerten.

• Ablesen von Messgroßen und -fehlern aus der graphischen Darstellung.

Messmethode:

Die Differentialgleichung fur ein Federpendel lautet:

mx = −Dx (13)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Wenn man das Federpendel zur Zeit t = 0 um x0 auslenkt und loslasst, solautet die Losung

x(t) = x0 cos(ωt) (14)

mit

ω =

√D

m. (15)

Die Periodendauer T ist mit ω uber

ω =2π

T(16)

verknupft. Somit ergibt sich fur die Periodendauer:

T = 2π

√m

D(17)

Misst man die Periodendauer T als Funktion der Masse m so kann man hierausdie Federkonstante D bestimmen. Wird das Federpendel mit einer Masse mbelastet, so gilt:

mg = Dx (18)

Da der Wert der Federkonstante D aus der vorhergehenden Messung bereitsbekannt ist, kann man hieraus den Wert der Erdbeschleunigung bestimmen.

Durchfuhrung des Versuchs:

Belasten Sie zunachst das Federpendel mit einer Masse von 200g. Messen Siedann je 10 mal 3 Pendelschwingungen um die Schwingungsdauer des Pendelszu bestimmen. Starten und stoppen sie dabei die Messungen beim Maximal-ausschlag des Pendels. In einer zweiten Messung von 10 mal 3 Pendelschwin-gungen soll die Schwingungsdauer bestimmt werden, indem die Messung beimNulldurchgang des Pendels gestartet und gestoppt wird. Bestimmen Sie furbeide Messreihen die mittlere Schwingungsdauer und den mittleren Fehler desMittelwertes1. Verwenden Sie fur die folgenden Messungen die genauere der bei-den Methoden. Messen Sie nun die Schwingungsdauer als Funktion der Masse.

1Fur eine Messreihe mit n Messungen x1, x2, ..., xn und dem Mittelwert x ist der mittlere

Fehler der Einzelmessung (auch Standardabweichung) durch σx =

√ ∑ni=1

(xi−x)2

n−1definiert.

Der mittlere Fehler des Mittelwertes ist durch σx = σx√n

=

√ ∑ni=1

(xi−x)2

n(n−1)gegeben.

Beschweren Sie hierzu das Federpendel mit Massen zwischen 50 g und 250 gin Schritten von 50 g. Fur jede Masse werden dreimal drei Pendelschwingun-gen ausgemessen. Diese Messreihe wird dazu benutzt die Federkonstante desPendels zu bestimmen.

Fur die Messung der Erdbeschleunigung wird die Auslenkung des Feder-pendels als Funktion der Masse bestimmt. Das Federpendel wird hierzumit den Massen 0g, 50g, 100g, 150g, 200g und 250g beschwert und die Aus-lenkung wird abgelesen. Notieren Sie die Ablesegenauigkeit fur die Auslenkung!

Hinweise zur Auswertung:

Tragen Sie zunachst die Ergebnisse der Vergleichsmessungen der Schwingungs-dauer in ein Histogramm ein. Die Abbildung zeigt beispielhaft ein Histogrammfur eine Messreihe. Berechnen Sie fur beide Methoden den Mittelwert und denmittleren Fehler des Mittelwertes. Welche Methode ist genauer? Was ist derGrund?

10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 10,60

1

2

3

4

5

6

7

8

Mittelwert T

Binbreite:0,05s

Anza

hld

erE

inträge

T[s]

�T

Abbildung 3: Histogramm der Messreihe.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - Stand 03/2006, V. 1.0

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Messung T [s] T [s] σT [s] σT [s]

1 10,11

10,285 0,094 0,03

2 10,23

3 10,34

4 10,28

5 10,26

6 10,24

7 10,28

8 10,46

9 10,27

10 10,38

Um die Federkonstante aus der Messung der Schwingungsdauer als Funktionder Masse zu bestimmen wird eine graphische Methode verwendet. Hierzu wirdGleichung (17) geschrieben als

T 2 =4π2

D· m (19)

Dies lasst sich als Geradengleichung

y = ax + b (20)

interpretieren wenn man

x = m

y = T 2

a = 4π2

D

b = 0

(21)

setzt. Daher wird im Diagramm das Quadrat der gemessenen Schwingungsdau-er T gegen die Masse m aufgetragen. Der Wert von T 2 und von m sind fehler-behaftet und es mussen Fehlerbalken in das Diagramm eingezeichnet werden.Der Fehler wird nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz aus den mittleren Fehlernder Mittelwerte der Schwingungsdauern bestimmt. Der statistische Fehler derMasse eines Gewichtstucks liegt bei 5%. Als nachstes wird die Steigung aus

dem Diagramm bestimmt in dem eine Gerade so in das Diagramm gelegt wird,dass die Gerade die Messwerte moglichst gut beschreibt. Die Steigung dieserGeraden kann nun aus dem Diagramm nach

a =ΔT 2

Δm(22)

abgelesen werden. Um den Fehler von a zu erhalten werden in das Diagrammzusatzlich Fehlergeraden eingezeichnet. Die Fehlergeraden werden so gelegt,dass sie noch gerade die Messungen unter Berucksichtigung des Messfehlersbeschreiben konnten. Die Differenz der Steigungen der optimierten Geradenund der Fehlergeraden wird als Fehler der Steigung σa verwendet. Nach Glei-chung (21) kann nun die Federkonstante und mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungs-gesetz der Messfehler der Federkonstanten berechnet werden.

Nach Gleichung (19) sollte man erwarten, dass die Gerade durch den Koordi-natenursprung geht. Dies ist aber nicht der Fall. Uberlegen Sie sich die Ursachehierfur. Aus dem selben Grund ist es ubrigens auch nicht moglich die Feder-konstante fur einzelne Messungen direkt aus Gleichung (17) zu bestimmen. Diegraphische Bestimmung der Federkonstante ist in diesem Fall unerlasslich! Umdie Erdbeschleunigung zu bestimmen wird nun in einem zweiten Diagramm dieAuslenkung des Federpendels gegen die Masse aufgetragen. Aus der Steigungder Geraden kann die Erdbeschleunigung bestimmt werden, da Gleichung (18)wieder als Geradengleichung der Form

x =g

Dm (23)

dargestellt werden kann. Die Steigung

a =Δx

Δm(24)

und ihr experimenteller Fehler konnen nun nach dem oben beschriebenen Ver-fahren aus dem Diagramm abgelesen werden. Die Erdbeschleunigung wird nach

g = D · a (25)

berechnet. Um den Fehler der Erdbeschleunigung zu bestimmen muss die Feh-lerfortpflanzung angewendet werden, da sowohl der Wert von D als auch derWert von a fehlerbehaftet sind.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

IV Messprotokoll

Vergleich der Methoden zur Bestimmung der Schwingungsdauer:

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

1 3

2 3

3 3

4 3

5 3

6 3

7 3

8 3

9 3

10 3

Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Maximalauslenkung.

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

1 3

2 3

3 3

4 3

5 3

6 3

7 3

8 3

9 3

10 3

Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Nulldurchgang

Ablesegenauigkeit der Stoppuhr: ...................

Messung der Federkonstante:

m

[g]Nr.

Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σ

T[s]

50

1 3

2 3

3 3

100

1 3

2 3

3 3

150

1 3

2 3

3 3

200

1 3

2 3

3 3

250

1 3

2 3

3 3

Messung der Schwingungsdauer als Funktion der Masse. Start/Stop bei

..............................

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Messung der Erdbeschleunigung:

Δm [g] Auslenkung x [mm] Ablesefehler Δx [mm]

Messung der Auslenkung als Funktion der Masse

V Beispiele fur die Darstellung von Messergeb-

nissen

Abschließend werden noch ein paar Beispiele dafur gegeben, wie Messdatengraphisch dargestellt werden sollen. Es werden auch einige Beispiele fur typischeFehlerquellen beim Zeichnen von Diagrammen gezeigt.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 4: Richtige Darstellung von Messwerten.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Abbildung 5: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Achsenbeschriftun-gen fehlen.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 6: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Fehlerbalken fehlen.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - Stand 03/2006, V. 1.0

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

0 20 40 60 80 100

0

5

10

15

20

25

x[m

m]

m[g]

Abbildung 7: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Messpunkte sinddurch eine (unphysikalische) Zick-Zack-Linie verbunden.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Fehler-gerade

Ausgleichs-gerade

�x=

21,5

mm

�m=78g

�x=

20m

m

�m=80g

x[m

m]

m[g]

Abbildung 8: Richtiges Anpassung einer Ausgleichsgerade und Ermittlung derGeradensteigung.

Die Steigung der Ausgleichsgeraden ergibt sich zu

aAusgleich =Δx

Δm=

20mm

80g= 0, 25

mm

g

die der Fehlergeraden zu

aFehler =Δx

Δm=

21, 5mm

78g= 0, 276

mm

g

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 11 Einfuhrungsversuch

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - Stand 03/2006, V. 1.0

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 12 Tragheitsmoment

Versuch 12

Tragheitsmoment

Abbildung 1: Ubersicht des Versuchs Tragheitsmoment.

I Messaufbau

• Drehpendel mit senkrechter Achse.

• Drehgabel und Drehtisch

• Balkenwaage (bis 2 kg belastbar) gemeinsam fur alle Aufbauten.

• Handstoppuhr und Messschieber.

• Balancierschneide

• Zubehor: Al-Scheibe mit Schnurnut und Winkelteilung, runde Messing-scheibe, unregelmaßige Messingscheibe, Gewichtsteller mit Zugschnur, 6Auflegegewichte von je 40 g, Selbstklebeetiketten.

Abbildung 2: Zubehor zum Versuch Tragheitsmoment.

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Drehbewegung fester Korper, Tragheitsmoment, Drehmoment, Drehimpuls,Rotationsenergie, Steinerscher Satz.

Verstandnisfragen

1. Die Physik der linearen Bewegung und der Drehbewegung wird bei Ver-wendung der passenden Begriffe durch vollig analoge Gleichungen beschrie-ben. Finden Sie fur die folgenden Großen der linearen Bewegung, analogeGroßen zur Beschreibung der Drehbewegung: Ort r, Geschwindigkeit v,

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 1.0 Stand 06/2006

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 12 Tragheitsmoment

Masse m, Kraft F , Impuls p, kinetische Energie W . Vergleichen Sie wei-terhin folgende Großen des Federpendels mit dem Drehpendel: linearesKraftgesetz: F = −kr, Gesamtenergie W = 1/2kx2 + 1/2mv2, Schwin-gungsdauer T = 2π

√m/k.

2. Welches”Kraftgesetz“ erwarten Sie bei der Drehung des Drehpendels?

3. Wie sieht die Differentialgleichung fur die Schwingung eines Korpers mitdem Tragheitsmoment Js aus, wenn sie harmonisch ist, wie sieht dafur derEnergiesatz aus?

4. Betrachten Sie die Skizze. Welche Bedingung fur x0 muss gelten, damitder im Punkt P unterstutzte Korper im Schwerefeld im Gleichgewicht ist?Was hat das mit dem Schwerpunkt zu tun?

P

X0

Ximi

5. Formulieren Sie den Steinerschen Satz (mit Skizze).

6. Was sind die Haupttragheitsmomente und die zugehorigen Drehachsen fureinen homogenen Quader (Skizze)? Wodurch zeichnen sie sich bei freierRotation aus?

IV Aufgaben

• Das Richtmoment eines Drehpendels ist zu bestimmen.

• Das Tragheitsmoment eines unregelmaßig geformten Korpers soll fur ver-schiedene Lagen der Drehachse im Korper ermittelt werden.

V Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Das Richtmoment D des Drehpendels ist uber den Zusammenhang zwischenangreifendem Drehmoment M und dem Winkel der Auslenkung φ nach derBeziehung

M = −Dφ (1)

zu bestimmen. Das Drehmoment M wird wie folgt erzeugt: Auf der Drehach-se wird die Aluminiumscheibe mit der Winkelteilung aufgesetzt und festge-schraubt. Am Umfang der Scheibe greift uber eine Schnur tangential die KraftF (Gewicht des Gewichtstellers mit aufgelegten Massestucken) an. Es ist dann

M = −Fr (2)

worin r der Radius der Scheibe ist, der uber den Durchmesser 2r mit demMessschieber bestimmt wird.Hangen Sie den Gewichtsteller an die Schnur und losen Sie die Schraube amStativ. Drehen Sie nun den gesamten Aufbau so, dass die Schnur uber dengesamten Umfang der Scheibe anliegt. Legen Sie nacheinander die 6 Gewichteauf. Notieren Sie den jeweiligen Winkel der Scheibendrehung.

3. Zum Vergleich ist das Richtmoment D des Drehpendels aus seinerSchwingungsdauer mit einer Scheibe mit bekanntem Tragheitsmoment Js

zu ermitteln. Dazu wird die Al-Scheibe abgenommen und der Drehtischaufgesetzt. Zunachst wird die Schwingungsdauer T1 des Tisches bestimmt,dann wird die runde Messingscheibe so auf dem Drehtisch befestigt, dass ihrMittelpunkt (Kornermarke) genau uber der Achse (Zeigerspitze) liegt underneut die Schwingungsdauer gemessen (T2). Zur Ermittlung der Schwin-gungsdauer stoppen Sie jeweils 3 mal 20 Schwingungen. Bestimmen Sie denDurchmesser der Scheibe mit der Schieblehre sowie dessen Masse.

4. Der Schwerpunkt der unregelmaßigen Messingplatte ist auf statischemWege zu bestimmen. Kleben Sie auf die Platte ein neues Etikett. Legen Siedie Platte auf die am Tisch festgeschraubte Schneide und ermitteln Sie zweimoglichst senkrecht zueinander liegende Gleichgewichtslagen, die Sie durch

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 12 Tragheitsmoment

Striche langs der Auflageschneide auf dem Klebeetikett kennzeichnen. Dieerhaltenen Schwerelinien kreuzen sich im Schwerpunkt.

5. Das Tragheitsmoment der unregelmaßigen Platte bezuglich der Achsedurch den Schwerpunkt senkrecht zur flachen Seite der Platte ist aus ihrerSchwingungsdauer zu bestimmen (einmal 20 Schwingungen). Hierzu wird diePlatte so auf dem Drehtisch befestigt, dass der Schwerpunkt genau unter derZeigerspitze liegt. Das Tragheitsmoment des Drehtisches, den Sie in Aufgabe 3bestimmt haben, wird von dem ermittelten Tragheitsmoment (Tisch + Platte)abgezogen.

6. Bestimmen Sie die Tragheitsmomente bezuglich funf parallel zur Schwer-punktachse (Aufgabe 5) im Abstand a1, ..., a5 verlaufende Achsen. ZiehenSie auf dem Klebeetikett eine Gerade in Langsrichtung der Platte durchden Schwerpunkt. Markieren Sie darauf einige Punkte und deren Abstandevom Schwerpunkt. Fur diese so markierten Achsen bestimmen Sie nun dieTragheitsmomente wie in Aufgabe 5. Die Masse der Platte ist durch Wagungzu bestimmen.

VI Auswertung

zu 2. Tragen Sie die gemessenen Winkel als Funktion des Drehmoments inein Diagramm ein. Aus der Steigung der durch die Messpunkte zu legendenGeraden kann D errechnet werden. Der Fehler von D ist grafisch zu bestimmen.

zu 3. Das Tragheitsmoment Js der runden Scheibe bestimmen Sie ineinfacher Weise aus deren Masse ms und ihrem Radius rs zu

Js =1

2msr

2s (3)

Ist das Tragheitsmoment des Tisches JT , dann ist

T1 = 2π

√JT

D(4)

und

T2 = 2π

√JT + Js

D(5)

Nach Quadrieren kann aus (4) und (5) das Tragheitsmoment JT durch Sub-traktion eliminiert werden. Man erhalt

D =4π2Js

T 22 − T 2

1

=2π2msr

2s

T 22 − T 2

1

(6)

Prufen Sie nach, ob die beiden gefundenen Werte fur D aus Aufgabe 2 undAufgabe 3 innerhalb der Fehlergrenzen ubereinstimmen.

zu 5. Berechnen Sie das Tragheitsmoment der unregelmaßigen Platte.

zu 6. Tragen Sie die gefundenen Werte gegen a2 in ein Diagramm ein.In dasselbe Diagramm sind die Werte fur das Tragheitsmoment als Funktionvon a2 einzutragen, die sich aus dem Steiner’schen Satz ergeben. Zeichnen Siezu den experimentell erhaltenen Werte die Fehlerbalken ein.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 12 Tragheitsmoment

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 13 Resonanz

Versuch 13

Resonanz

Schrittmotor

Pohlsches Rad

Netzteil fürWirbelstrombremse

Frequenzgenerator

Netzteil undSchrittmotorsteuerung

Abbildung 1: Ubersicht des Versuchs Resonanz.

I Messaufbau

• Drehpendel, angeregt von einem Schrittmotor mit Exzenter.

• Schrittmotorsteuerung mit Netzteil.

• Frequenzgenerator.

• Netzgerat zur Regelung der Dampfung (bei Aufbau A-C in das Gehauseder Schrittmotorsteuerung eingebaut)

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Freie Schwingung (gedampft, ungedampft), erzwungene Schwingung,Resonanz, Drehpendel, Wirbelstrome, Lenzsche Regel.

Verstandnisfragen:

1. Welche Krafte wirken in dem System?

2. Wie sieht die Differentialgleichung fur die Schwingung aus, wenn siegedampft oder ungedampft ist? Wie lauten die Losungen?

3. Mit welcher Frequenz schwingt das Drehpendel, wenn eine außere Kraftangelegt wird? (Wie sieht die Differentialgleichung aus?)

4. In welche Formen teilt sich die Gesamtenergie im System auf? Was passiertbei der Dampfung?

5. Wie groß ist die Energie im System in Abhangigkeit von der Frequenz desErregers (qualitativ)?

6. Eine”Resonanzkurve“ wird durch die Lage des Maximums (

”Resonanzfre-

quenz“), die Amplitude an der Resonanzstelle sowie die Halbwertsbreitefestgelegt. Welchen Einfluss hat die Große der Dampfung auf die genann-ten Parameter der Resonanzkurve?

7. Was versteht man unter der”Gute“ Q eines Resonators?

IV Aufgaben

• Die Schwingungsdauer T0 eines ungedampften freien Drehpendels (Pohl-sches Rad) ist zu bestimmen.

• Mit einer Wirbelstrombremse wird das Pendel gedampft und fur zweiStrome aus der Abnahme der Amplitude mit der Zeit die Dampfung be-stimmt.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 13 Resonanz

• Das Pendel wird zu einer erzwungenen Schwingung angeregt und es wirdfur verschiedene Dampfungen die Abhangigkeit der Amplitude von der Er-regerfrequenz gemessen. Aus der Breite und der Hohe der Resonanzkurvenwerden nochmals Werte fur die Dampfungskonstanten ermittelt.

V Grundlagen

In diesem Versuch werden Sie freie und erzwungene Schwingungen eines Dreh-pendels untersuchen. Die freie gedampfte Schwingung (Schwingungsdauer Tf )ist dadurch gekennzeichnet, dass die Amplitude mit fortschreitender Zeit ab-nimmt und das Pendel schließlich irgendwann zum Stillstand kommt. Die Am-plitudenabnahme tritt auf, wenn Krafte (z.B. Reibungskraft) vorhanden sind,die der momentanen Bewegungsrichtung entgegenwirken. Sind diese propor-tional zur Geschwindigkeit (haufigster Fall), so wird die Zeitabhangigkeit derBewegung durch

a(t) = a0e−δt sin ωf t (1)

beschrieben. Hier bezeichnet ωf die Kreisfrequenz des gedampften, frei schwin-genden Oszillators, a0 die Anfangsamplitude und δ die Dampfungskonstante.Der erste Teil von Gleichung (1) beschreibt das exponentielle Abklingen, die Si-nusfunktion die Oszillation der Schwingung. Betrachtet man die Zeitabhangig-keit der Amplitude nur in einem der Umkehrpunkte, so ist dort der Sinus stetsEins und wir erhalten fur die Amplitude

a(t) = a0e−δt. (2)

Sofern die Schwingung zur Zeit t = 0 in einem Umkehrpunkt begonnen hat,lasst sich t = nTf (n = Zahl der Schwingungen, Tf=Periodendauer) schreiben.Tragt man gemaß Gleichung (2) die Amplitude im logarithmischem Massstabuber die Zahl der Schwingungen auf, so erhalt man eine Gerade (Abbildung 2).Aus Abbildung 2 kann unmittelbar die Dampfungskonstante δ bestimmt wer-den. Ist t1/2 die Zeit, zu der die Amplitude auf die Halfte der Anfangsamplitudeabgesunken ist, so folgt

a(t1/2) =a0

2= a0e

−δt1/2 und damit δ =ln 2

t1/2. (3)

Zwischen der Kreisfrequenz ωf der gedampften Schwingung und der Kreisfre-quenz ω0 der ungedampften Schwingung besteht der Zusammenhang:

0 2 4 6 8 10

5

7,5

10

12,5

15

17,5

1/2

a0

Am

plit

ude

[b.E

.]

Zahl der Schwingungen n

a0

1/2

t

Abbildung 2: Messung der exponentiellen Abnahme der Amplitude eines Oszil-lators. (b.E.=Beliebige Einheiten). Beachten Sie die logarithmische Auftragungder Amplitude.

ωf =√

ω20 − δ2. (4)

Schaltet man uber ein mechanisches Ubertragungssystem ein periodisch wir-kendes Drehmoment (Schrittmotor mit Exzenter) mit der Frequenz ω an dasDrehpendel, so spricht man von einer erzwungenen Schwingung. Man beobach-tet nach Abwarten des sogenannten Einschwingungsvorganges eine Schwingungmit konstanter Amplitude und der Frequenz ω des Erregers. Die Amplitude desDrehpendels hangt von der Erregrfrequenz ab. Der Verlauf ist in Abbildung 3dargestellt und wird durch folgende Gleichung beschrieben:

b(ω) =Aω2

0√(ω2

0 − ω2)2

+ (2δω)2, (5)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 13 Resonanz

Frequenz

��

��

��

�'

b( )=b� max'

b( )�'12

Am

plit

ud

eb

()

Abbildung 3: Resonanzkurve. Beachten Sie dass hier ω = 2πf und nicht faufgetragen ist.

wobei b(ω) die Amplitude des Drehpendels als Funktion der Anregungsfrequenzund A die Amplitude des Erregers darstellen. Aus Gleichung (5) lasst sich durchDifferentation und Bestimmung der Nullstelle die Frequenz ω′ bestimmen, beider die Amplitude maximal wird1:

ω′ =√

ω20 − 2δ2. (6)

Zwei weitere Großen sind zur Charakterisierung der Resonanzkurve wichtig:Die Halbwertsbreite H und die Resonanzuberhohung. Die Breite der Kurve in

1Die Verschiebung von ω′ gegen ω0 ist sehr gering und im Versuch kaum messbar. Beieiner Dampfung, bei der die Amplitude pro Schwingung auf die Halfte abnimmt, betragt sie1,2 % von ω0. Bei einer solchen Schwingung ware die Halbwertsbreite der Resonanzkurve0,23 ω0, d.h. man mußte die Lage des Maximums auf rund 5 % von der Halbwertsbreitemessen!

der Hohe b(ω′)/√

2 ist bei nicht zu starker Dampfung gegeben durch

H = (ω2 − ω1) = 2δ. (7)

H heißt die Halbwertsbreite der Resonanzkurve, da es die Breite in halber Hoheist, wenn man das Quadrat der Amplitude uber der Frequenz auftragt.Die Resonanzuberhohung ist definiert durch den Quotienten

b(ω′)

b(ω → 0)=

ω0

2δ, (8)

wobei ω0 ≈ ωf angenommen wurde. Die links stehenden Amplituden und ω0

konnen gemessen werden, womit eine Bestimmung von δ moglich ist.Die Theorie der erzwungenen Schwingung liefert fur die Auslenkung als Funk-tion der Zeit φ(t) folgenden Ausdruck:

φ(t) = a0 sin(ωf t − β) e−δt + b(ω) sin(ωt − ε). (9)

Diese Gleichung enthalt eine exponentiell abklingende Schwingung mit der Fre-quenz ωf der freien gedampften Schwingung plus einer ungedampften Schwin-gung mit der Frequenz ω des Erregers. Die Phase β hangt von dem Anfangszu-stand des Systems ab. ε ist die Phasendifferenz zwischen Erreger und erzwun-gener Schwingung. Der Einschwingvorgang ist beendet, wenn der erste Termin (9) praktisch verschwunden ist. Es bleibt eine stationare Schwingung derAmplitude b und der Frequenz ω, wobei b nach (5) von ω abhangt.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Die Schwingungsdauer T0 des ungedampften freien Drehpendels istzu bestimmen. Dreimalige Messung von 20 Schwingungsdauern genugt.

3. Schalten Sie die Dampfung ein (sie funktioniert nach dem Prinzipder Wirbelstrombremse;

”Lenzsche Regel“) und beobachten Sie zunachst

qualitativ den Einfluss auf die Amplitude der Schwingung bei verschiedenenStromen durch die zur Dampfung dienende Magnetspule. Stellen Sie dann diean der Apparatur angegebenen 2 Stromwerte ein, bei denen die Amplitudeeinmal nach ca. 10 Schwingungen und einmal nach ca. 15 Schwingungen vomVollausschlag auf praktisch 5 % des Vollausschlages abgeklungen ist. Schreiben

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 13 Resonanz

Sie die zugehorigen Zeiten auf. Sie sind die zu dieser Dampfung gehorendenEinschwingzeiten fur die Messungen unter 5 2.

4. Fur die beiden in Aufgabe 3 gewahlten Strome wird jeweils die Schwin-gungsdauer Tf gemessen und die zeitliche Abnahme der Amplitude registriert.Das Abklingen der Amplitude messen Sie so, dass Sie zur Zeit t = 0 dasDrehpendel in einem Umkehrpunkt loslassen und dann nach jeder vollenPeriode die Amplitude ablesen. Falls Sie alleine arbeiten und es Ihnen nichtgelingen sollte, die Amplitudenwerte in rascher Folge zu Papier zu bringen,bitten Sie einen Kollegen um Hilfe. Fur jede Dampfung die Messung einmalwiederholen.

5. Das Drehpendel wird von einem Schrittmotor angeregt, der es er-laubt, die Frequenz der Erregung des Pendels direkt zu bestimmen. Dereingebaute Schrittmotor macht pro elektrischem Impuls eine Drehung um1,8◦, d.h. nach 200 Schritten eine Umdrehung. Durch das nachgeschalteteGetriebe entspricht eine Motorfrequenz von 2500 Hz, 1 Hz an der Welle desDrehpendels.

Die Frequenz der Pendelerregung wird also durch die Frequenz bestimmt, mitder der Motor angesteuert wird. Diese kann an dem Frequenzgenerator ein-gestellt und abgelesen werden. Der Motor wird durch Ein- und Ausschaltendieses Generators gesteuert. Achtung: Bei Frequenzen oberhalb von ca. 800 Hzlauft der Motor nicht an; man muss die Frequenz von niederen Werten hoch-fahren. Der Einfachheit halber tragen Sie die folgenden Messwerte uber derFrequenz des Generators auf und rechnen erst am Schluss bei der Bestimmungvon δ und ω′ den Faktor 2500 ein. Stellen Sie den Generator in den Bereich

”1 k“ (Tasten); messen Sie dann fur die beiden in Aufgabe 3 ausgewahlten

Strome (=Dampfungen) die stationare Amplitude des Drehpendels als Funkti-on der Frequenz im Bereich von ca. 300 Hz bis 2100 Hz (=maximal erreichbareFrequenz im

”1 k“-Bereich). Hierzu messen sie zunachst in ca. 200 Hz Schrit-

ten, danach ±150 Hz um die Stelle der Resonanz in 50 Hz Schritten. Bei jedemMesspunkt mussen Sie die in Aufgabe 3 bestimmte Einschwingzeit abwarten,bis eine stationare Amplitude erreicht ist. Unter Umstanden ist es zweckmaßigin der Nahe der Resonanzspitze und an den Flanken im Bereich von 0,7 bmax

noch je einen weiteren Punkt zu messen. Beobachten Sie die Phasen von Erre-ger und Pendel, insbesondere bei tiefen, bei hohen Frequenzen und in der Nahe

2Es ist gunstig, mit dem jeweils eingestellten Strom die Messungen 4. und 5. hintereinanderdurchzufuhren.

der Resonanzspitze.

VII Auswertung

zu 2. Bestimmen Sie T0 mit Fehler.

zu 4. Die Amplitude der gedampften Schwingungen (fur beide Strome)ist in logarithmischem Massstab als Funktion der Zahl der Schwingungenaufzutragen. Bestimmen Sie aus dem Diagramm die Dampfungskonstanten δ.

zu 5. Die Amplitude der stationaren Schwingung (fur beiden Dampfun-gen) ist uber der Generatorfrequenz aufzutragen. Bestimmen Sie jeweilsdie Lage des Maximums der Resonanzkurve und vergleichen Sie die darausberechnete Frequenz (1/2500) des Pendels mit dessen Eigenfrequenz. Sowohlaus der Halbwertsbreite wie aus der Resonanzuberhohung ist abermals dieDampfungskonstante zu bestimmen. Prufen Sie, ob jeweils die drei nachverschiedenen Verfahren gewonnenen Ergebnisse fur δ innerhalb ihrer Fehlerubereinstimmen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

Versuch 14

Mathematisches Pendel

Abbildung 1: Ubersicht des Versuchs Mathematisches Pendel.

I Messaufbau

• Mathematisches Pendel mit 2 Spiegelskalen

• Stoppuhr

• Messschieber

• Lichtschranke mit Zahler

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Harmonische Schwingung, Schwerependel, Drehpendel.

Verstandnisfragen:

1. Stellen Sie die Bewegungsgleichung fur das mathematische Pendel auf. Anwelcher Stelle verwendet man bei genauer Betrachtungsweise die schwereMasse, wann die trage Masse der schwingenden Kugel?

2. In der einfachsten Betrachtungsweise wird die Bewegung des Pendels als li-neare Bewegung beschrieben. Wie sieht die Bewegungsgleichung aus, wennman in einer exakten Theorie die Bewegung als Drehbewegung um denAufhangepunkt beschreibt?

3. Warum macht es keinen Sinn, zur genauen Bestimmung von g die Messzeit,also die Zahl der Schwingungen, moglichst groß zu wahlen?

IV Aufgaben

• Es sind Lange und Schwingungsdauer des Pendels moglichst genau zu mes-sen und hieraus die Schwerebeschleunigung zu berechnen. (HeidelbergerStandard-Wert: g = (9,80984 ±2 × 10−5) m/sec2.)

• Zusatzlich soll die Schwerebeschleunigung unter Berucksichtigung von Kor-rekturen (Auftrieb, Reibung,...) bestimmt werden.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

V Grundlagen

Die Genauigkeit des Ergebnisses ist in erster Linie durch die Genauigkeit derLangenmessung gegeben. Die Messung der Schwingungsdauer T0 kann belie-big genau durchgefuhrt werden, vorausgesetzt, dass die Uhr richtig geht. (Sehrgenaue Zeitmessungen sind jedoch relativ leicht moglich.) Da namlich n Schwin-gungsdauern gezahlt werden, wobei n beliebig groß gemacht werden kann,erhalt man eine Zeit t = nT0 mit der Stoppgenauigkeit Δt, welche naturlichnicht von der Zahl der gemessenen Schwingungen abhangt. Dann ergibt dieeinfache Fehlerrechnung mit T0 = t/n fur den relativen Fehler der Schwin-gungsdauer:

ΔT0

T0=

Δt

t=

Δt

nT0. (1)

Der Fehler wird also fur genugend großes n beliebig klein. Der Gesamtfehlerder aus der Formel

T0 = 2π

√l

gund somit g = 4π2 l

T 20

l : Pendellange (2)

zu ermittelnden Schwerebeschleunigung g, ist gegeben durch:

Δg

g=

√(Δl

l

)2

+

(2Δt

nT0

)2

(3)

Man sieht, dass der Fehler der Langenmessung eine untere Grenze fur den Ge-samtfehler darstellt und es nicht sinnvoll ist, die Genauigkeit der Zeitmessungwesentlich weiter zu treiben als die beschrankte Genauigkeit der Langenmes-sung. Man wird z.B. fordern:

2Δt

nT0≈ 0, 3

Δl

l. (4)

Dann ist wegen der quadratischen Addition der Fehler (3) die Genauigkeitpraktisch nur durch den Fehler der Langenmessung bestimmt und wir erhalteneine Bedingungsgleichung fur die Zahl n, die aus (4) bestimmt werden kann,wenn man die ubrigen Großen gemessen hat.Es wird daher zunachst die Lange des Pendels gemessen und deren relati-ver Fehler bestimmt. T0 und Δt werden aus einer vorlaufigen Messung von20 Schwingungsdauern ermittelt, die funfmal durchgefuhrt wird. Der mittlere

Fehler der Einzelmessung σE fur zwanzig Schwingungen wird ermittelt und alsStoppgenauigkeit Δt genommen. Zusammen mit dem so bestimmten Mittel-wert von T0 kann n aus obiger Gleichung (4) ermittelt werden. Bitte prufenSie, ob Ihre 5 Werte fur 20 Schwingungen unzulassig stark schwanken; diesware ein Zeichen dafur, dass Sie sich bei einer Messung verzahlt haben. Dererrechnete Wert wird auf das nachste volle Hundert aufgerundet. Falls IhreLangenmessung schon genauer als ein halbes Promille ist, bestimmen Sie nso, dass der Zeitfehler von derselben Großenordnung wird, insgesamt also dasErgebnis einen Fehler von etwa 1 Promille aufweist.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Bestimmen Sie zunachst die Lange des Pendels (Abstand Aufhangung bisMitte Kugel). Hierbei ist auf sorgfaltige Justierung der Spiegelskala parallelzum Faden des Pendels zu achten. Wiederholen Sie die Justierung dreimal,wobei auch die Aufhangung in vertikaler Richtung verschoben werden soll. EineAblesung von jeweils jedem der Partner genugt.

Höhenverstellung

Vertiefung

plane Auflagefläche

Abbildung 2: Pendelaufhangung.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

Fur die Langenmessung nehmen Sie die Spitze der oberen Aufhangung aus derkleinen Vertiefung und setzen Sie sie auf die plane Flache der Aufhangung (Ab-bildung 2). Notieren Sie die Koordinate der oberen Kante der Auflageflache. Ander Kugel sind die Koordinaten des oberen und des unteren Randes abzulesen.Es wird zunachst, wie in dem vorangehenden Abschnitt geschildert, grob dieSchwingungsdauer T0 ermittelt und die beschriebene Abschatzung fur n durch-gefuhrt. Hiernach ist die Zeit fur n Schwingungen zu messen.Das Abzahlen von mehreren Hundert Schwingungen wird durch den Einsatzeiner Reflexlichtschranke erleichtert. Positionieren Sie dazu den Reflexsensorgenau unter der Gleichgewichtsposition der Kugel und uberprufen Sie, ob beimDurchschwingen der Kugel der Zahler anspricht. Ist dies nicht der Fall, so istder Abstand der Kugel vom Reflexsensor zu groß. Sie mussen dann die Pen-delaufhangung ein wenig nach unten bewegen (Abbildung 2). Den Zahlerstandkonnen Sie mit Hilfe des Reset-Schalter auf Null zurucksetzen.Achtung: Der Zahlerstand wird immer beim Durchschwingen der Kugel durchdie Gleichgewichtsposition erhoht. Der Zahler zeigt daher die Anzahl der ge-messenen halben Periodendauern an. Beachten Sie auch den Startvorgangder Zeitmessung. Falls Sie die Zeitmessung genau dann starten, wenn die Ku-gel durch die Gleichgewichtsposition lauft, startet der Zahler nicht bei Null,sondern bereits bei Eins.Notieren Sie sich fur die nachste Aufgabe die mittlere Schwingungsweite (ggf.gleich in Abhangigkeit von der Zeit fur die Bestimmung der Dampfung δ).

2. Eine exakte Theorie erfordert die Behandlung des Schwerependels alsDrehpendel mit dem Aufhangepunkt als Schwingungsmittelpunkt. DieSchwingungsdauer einer Drehschwingung ist durch die Formel

TD = 2π

√J

D(5)

gegeben, wobei J das Tragheitsmoment bezuglich der Drehachse und D dieWinkelrichtgroße des Pendels (siehe Versuch 12 Tragheitsmoment) darstellen.Das Gesamttragheitsmoment des Pendels ergibt sich nach dem Steiner’schenSatz als die Summe der einzelnen Tragheitsmomente von Kugel und Fadenbezuglich der Drehachse durch P:

Jges = JKugel + JFaden = mK l2 +2

5mKr2 +

1

3mF l′2 (6)

Hier bezeichnen mK die Masse der Kugel, mF die Masse des Fadens, l, l′ Pen-dellange und Fadenlange und r der Kugelradius. Weiterhin ist die Winkelricht-

große D zu berechnen. Bildet das Pendel den Winkel ϕ mit der Ruhelage (Ab-bildung 3), so erzeugen die Gewichte von Kugel und Faden ein rucktreibendesDrehmoment, wobei das Gewicht der Kugel um den Auftrieb in Luft (DichteρL, Volumen VK) vermindert ist. (Der Auftrieb des Fadens kann vernachlassigtwerden.)

1/2 l

F

g

r

F

gF

Fr

´

´

aF

P

Abbildung 3: Krafte die an das Pendel angreifen: Reibungskraft FR, Gewichts-kraft FG, Auftrieb Fa. Die gestrichenen Großen beziehen sich auf den Faden.

Fur das Drehmoment gilt:

M = −[(mK − ρLVK)g sin ϕl + 1/2mF g sinϕl′] (7)

Das Minuszeichen ruhrt daher, dass der Winkel nach rechts gezahlt wird, dieKrafte jedoch nach links wirken. Setzt man sinϕ ≈ ϕ, so ergibt sich mit mK =ρKVK

M = −[mK

(1 − ρL

ρK

)+

1

2mF

]glϕ (8)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

Ein Vergleich mit der Definitionsgleichung fur D

M = −Dϕ (9)

ergibt:

D = mKgl

[1 −

(ρL

ρK− 1

2

mF

mK

)](10)

Dieser Ausdruck ist in der Formel fur TD einzusetzen und der Bruch J/D unterBenutzung der Naherungsformel 1/(1− ε) ≈ 1 + ε fur ε � 1 auszuwerten. Diesfuhrt zu einer ersten Naherung:

T 21 = 4π2 l

g

(1 +

2

5

r2

l2+

ρL

ρK− 1

6

mF

mK

), (11)

wobei Produkte der Form (ρl/ρK)(r2/l2), (mF /mK)(r2/l2) etc., als Großenklein in 2. Ordnung, vernachlassigt werden.Als weitere Korrektur ist die Abhangigkeit der Schwingungsdauer vom Win-kelausschlag ϕ0 zu beachten. Dies fuhrt zu:

T 22 = T 2

1

(1 +

ϕ20

8

)(12)

Die Herleitung dieser Gleichung konnen Sie im Anhang nachlesen.Weiter ist der Einfluss der Dampfung δ (Luftreibung) auf die Schwingungsdauerzu berucksichtigen:

ω23 = ω2

2 − δ2 = ω22

[1 −

(δ2

ω22

)](13)

beziehungsweise

T 23 = T 2

2

[1 +

(δ2

ω22

)](14)

Berucksichtigt man zusatzlich diese beiden Korrekturen so fuhrt dies auf:

T 2g = 4π2 l

g

(1 +

2

5

r2

l2+

ρL

ρK− 1

6

mF

mK+

δ2

ω20

+ϕ2

0

8

), (15)

wobei Tg die gemessene Periodendauer darstellt. Die rechts stehenden Großen,mit Ausnahme der Dampfung δ werden durch Rechnung bestimmt (ρLuft =

1,20 g/dm3 bei 20◦C, 760 Torr). Die Massen mF und mK ergeben sich ausder Dichte von Eisen (ρEisen = 7,86 g/cm3) und den jeweiligen Volumina. DenKugeldurchmesser konnen Sie mit dem Messschieber bestimmen; der Faden-durchmesser betragt ∅Faden = 0,2 mm). Der Winkel wird aus der (mittleren)Schwingungsweite und der Pendellange berechnet. Die Dampfung ist durch dieMessung der zeitlichen Abnahme der Schwingungsamplitude a nach

a(t) = a0e−δt (16)

zu bestimmen. Hierzu ist die kleine Spiegelskala in Richtung des Ausschlageszu montieren. Beobachten Sie den Ausschlag am Faden direkt uber der Kugelund notieren Sie die Amplitude fur verschiedene Zeiten t.

VII Auswertung

1. Berechnen Sie die Erdbeschleunigung aus der gemessenen Periodendauerund der Pendellange. Diskutieren Sie die Fehlerquellen und deren Einfluss aufdas Endergebnis.

2. Tragen Sie a(t) graphisch auf eindekadisches Logarithmenpapier aufund ermitteln Sie aus der Steigung (siehe auch Versuch 13 Resonanz) dieDampfung δ, deren Einfluss auf die Schwingungsdauer nach obenstehen-der Formel zu ermitteln ist. Berechnen Sie die Erdbeschleunigung unterBerucksichtigung der Korrekturterme.

Hinweis zur Rechengenauigkeit: Der Quotient 4π2l/T 2 ist sehr genau auszu-rechnen, dagegen genugen fur die Korrekturglieder in einigen Fallen (welchen?)sogar Abschatzungen. Machen Sie sich das klar, bevor Sie einen der Korrektur-terme ausrechnen.

VIII Anhang

Fur die Bestimmung der Korrektur der Schwingungszeit auf endliche Winkel ϕ0

geht man z.B. vom Energiesatz aus. E = Ekin +Epot wobei Ekin die kinetischeund Epot die potentielle Energie der Schwingung ist:

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

1

2ml2ϕ2 + (1 − cos ϕ) lmg = (1 − cos ϕ0) lmg (17)

⇔ ϕ√cos ϕ − cos ϕ0

=

√2g

l(18)

dϕ√cos ϕ − cos ϕ0

=

√2g

ldt (19)

Falls der Zeitnullpunkt so gewahlt wird, dass fur t = 0 gerade ϕ = 0 ist,dann ist bei ϕ = ϕ0, t = T/4. Integration von (19) uber die Zeit (eine viertelSchwingungsperiode, bis das Pendel im hochsten Punkt ist und den Winkel ϕ0

aufspannt) ergibt:

∫ ϕ0

0

dϕ√cos ϕ − cos ϕ0

=

√2g

l

∫ T/4

0

dt =T

4

√2g

l. (20)

Um das links stehende Integral auszuwerten, substituieren wir

u = arcsin

(sin(ϕ/2)

sin(ϕ0/2)

)(21)

und berechnen du/dϕ:

du

dϕ=

1√2

√1 − sin2(ϕ/2)

cos ϕ − cos ϕ0. (22)

Damit ergibt sich

dϕ√cos ϕ − cos ϕ0

=

√2

1 − sin2(ϕ/2)du. (23)

Setzen wir diesen Ausdruck in Gleichung (20) ein, so erhalten wir

∫ π/2

0

du√1 − sin2(ϕ/2)

=T

4

√g

l(24)

wobei sich die neuen Integrationsgrenzen aus (21) ergeben. Definieren wir noch

k2 = sin2(ϕ0/2), (25)

so erhalten wir unter Berucksichtigung von (21) schließlich:

∫ π/2

0

du√1 − k2 sin2 u

= F (k, π/2) =T

4

√g

l. (26)

Das Integral heißt vollstandiges elliptisches Integral erster Gattung1.Fur kleine Werte von k2 kann man eine Reihenentwicklung durchfuhren, indemman die Wurzel unter dem Integral entwickelt:

1√1 − k2 sin2 u

= 1 +1

2k2 sin2 u +

3

8(k2 sin2 u)2 + ... (27)

Mit den Beziehungen

sin2 u =1

2(1 − cos 2u) (28)

cos2 u =1

2(1 + cos 2u), (29)

lasst sich Gleichung (27) leicht integrieren:

F (k, π/2) = π/2

[1 +

(1

2

)2

k2 +

(1 · 32 · 4

)2

k4 +

(1 · 3 · 52 · 4 · 6

)2

k6 + ...

](30)

Setzt man nun k2 = sin2 ϕ0/2 ≈ (ϕ0/2)2 und bricht nach dem quadratischenTerm in k ab, so ergibt sich:

F (k, π/2) =π

2

(1 +

ϕ20

16

). (31)

Schließlich kann nun die Periodendauer T mit Hilfe Gleichung (20) angegebenwerden:

T = 4

√l

gF (k, π/2) = 4

√l

g

π

2

(1 +

ϕ20

16

), (32)

und somit

1Tabellen des elliptischen Integrals finden Sie z.B. in Jahnke-Emde: Tafeln hoherer Funk-tionen; Bronstein-Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik; Kurt Uhde: Spezielle Funk-tionen der Mathematischen Physik (Tafeln II); U. Abramowitz, I. Stegun (ed.): Handbookof Mathematical Functions.

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51

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 14 Mathematisches Pendel

T 2 = T 20

(1 +

ϕ20

8

), (33)

wobei T0 = 2π√

l/g gesetzt wurde und der Term mit ϕ4 vernachlassigt wurde.

Fur ϕ = π/2 (also 90◦!) ergibt die Korrektur T = 1, 144 T0, d.h. selbstin diesem Extremfall ist die Schwingungszeit nur um ca. 14% verlangert. Furϕ = π/15 (12◦) gilt fur die korrigierte Periodendauer T = 1, 002738 T0 alsonur noch eine Abweichung von 3×10−3.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 15 Schiefe Ebene

Versuch 15

Schiefe Ebene

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs schiefe Ebene.

I Messaufbau

• hohenverstellbare Rollbahn

• Lichtschranken mit Steuergerat

• Wasserwaage

• Lineal

• Rollkorper

– Vollzylinder (Aluminium, ρ = 2, 70 g/cm3)

– Hohlzylinder (Messing, ρ = 8, 44 g/cm3 )

– Verbundzylinder: Mantel aus Aluminium, Kern aus Messing.

• Schieblehre

• Waage

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kraft, Gewichtskraft, Gleitreibung, Rollrei-bung, Drehmoment, Drehimpuls, Tragheitsmoment, Impuls, Impulserhaltung,mechanische Energieformen, Energieerhaltung.

Verstandnisfragen:

1. Berechnen Sie das Tragheitsmoment fur folgende Korper, die um ihre Sym-metrieachse rotieren.

• Vollzylinder

• Hohlzylinder

• Verbundzylinder: Mantel und Kern aus unterschiedlichen Materialien

Fuhren Sie die Rechnung durch Integration aus der allgemeinen Definitiondes Tragheitsmoments durch.

2. Ein”reibungsfreier“ Quader, ein Vollzylinder, ein Hohlzylinder und eine

Vollkugel mit jeweils gleichen Radien, gleiten bzw. rollen eine geneigte Ebe-ne hinunter. Vergleichen Sie die Bewegungen miteinander. Welcher Korperkommt als erstes

”unten“ an?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 15 Schiefe Ebene

3. Ein”reibungsbehafteter“ Quader soll durch Oberflachenbehandlung so ge-

trimmt werden, dass seine Beschleunigung an einem um 10◦ gegen die Ho-rizontale geneigten Hang genauso groß ist wie die eines Vollzylinders. Aufwelchen Wert musste man die Gleitreibungszahl dann einstellen? (Tipp:neben der Hangabtriebskraft wirkt auf den Quader die Gleitreibungskraft.)

IV Aufgaben

• Bestimmung der Beschleunigung auf einer schiefen Ebene fur verschiedeneRollkorper.

• Untersuchungen zum Energieerhaltungssatz

V Grundlagen

r

rF

HF

Abbildung 2: Zur Herleitung der Beschleunigung auf der schiefen Ebene.

Die Reibungskraft Fr (Haftreibungskraft) eines Rollkorpers am”Hang“bewirkt

am Radius r das Drehmoment

M = FR · r = Idω

dt. (1)

Dabei ist ω die Winkelgeschwindigkeit und I das Tragheitsmoment des rollen-den Korpers. Mit der Rollbedingung vs = rω, wobei der Index

”s“ auf den

Schwerpunkt verweist, lasst sich diese Gleichung wie folgt umformen:

M = FR · r =I

r

dvs

dt=

Is

r· as (2)

und somit

FR =I

r2· as. (3)

Auf den Schwerpunkt des rollenden Korpers wirken Hangabtriebskraft FH undReibungskraft in entgegen gesetzte Richtung:

mas = mg sin ϕ − FR (4)

Die Gleichungen (3) und (4) erlauben die Eliminierung der Reibungskraft:

mas = mg sin ϕ − I

r2· as (5)

und man erhalt fur die Beschleunigung des Schwerpunkts:

as =mg sin ϕ

m + Ir2

. (6)

VI Durchfuhrung des Versuchs

Machen Sie sich zunachst mit der Zeit-Messtechnik vertraut. Schließen sie denam Startmechanismus angebrachten Schalter an den Starteingang der Uhr an.Die Stopp-Eingange der Uhr werden durch die vier Lichtschranken geschaltet.Die Lichtschranken bestehen jeweils aus einem Sender (Infrarot-Leuchtdiode)und einem Empfanger (Infrarot-Photodiode), die beide jeweils an einengemeinsamen Kanal der Lichtschrankenbox anzuschließen sind. Der Ausgangjedes Kanals wird dann mit dem entsprechenden Stopp-Eingang der Uhrverbunden. Die Leuchtdioden an der Lichtschrankenbox zeigen jeweils an, obdie Lichtschranken

”scharf“ sind, das heißt, ob die Photodiode hinreichend

von der gegenuber platzierten Leuchtdiode angestrahlt wird.

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau

2. Vermessung der schiefen Ebene und der Probekorper

Fur die folgenden Untersuchungen an der geneigten Ebene mussen dieVersuchskorper genau vermessen werden. Verwenden sie zur Bestimmungdes Durchmessers einen Messschieber. Ermitteln Sie auch die Masse derVersuchskorper.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 15 Schiefe Ebene

s

h

Rollkörper

Lichtschranke

Rollkörper

Abbildung 3: Skizze des Versuchsaubaus.

Uberprufen Sie mit der Wasserwaage ob die geneigte Ebene uber die gesamteBreite die gleiche Neigung aufweist. Falls dies nicht der Fall ist, mussen Siedie Ebene nachjustieren, indem Sie die Hohe einer der

”Fuße“ nachstellen. Die

Platte ist sehr schwer. Fuhren Sie dies daher am besten zu zweit durch. Einerstutzt die Platte, der andere lost die beiden seitlichen Schrauben und variiertdie Lange der Stahlstange.

Uberlegen Sie sich genau, welche Lange und Hohe Sie messen mussen, um denNeigungswinkel der Ebene ausrechnen zu konnen (Abbildung (3)).

3. Untersuchung der Bewegungsart fur das Rollen an der ge-neigten Ebene

Uberprufen Sie zunachst, ob sich fur das Rollen an der geneigten Ebenegleichmaßig beschleunigte Bewegungen ergeben. Hierzu sollten Sie die Licht-schranken in sinnvollen Abstanden auf der schiefen Ebene positionieren(t ∝ √

s).

Verwenden Sie alle drei Zylinder und eine beliebige Neigung der Ebene. DieAbstande vom Rollkorper bis zu den einzelnen Lichtschranken, mussen vomMittelpunkt der Lichteintrittsoffnungen an den Lichtschranken bis zum Anla-gepunkt des Rollkorpers am Startmechanismus gemessen werden. Die Anlage-linie des Rollkorpers am Startmechanismus ist auf der Edelstahlflache seitlichneben dem Startmechanismus markiert.

Erlautern sie ohne Rechnung, warum die verschiedenen Probekorper unter-schiedlich lange brauchen, um unten anzukommen.

4. Genaue quantitative Untersuchung der Beschleunigung

Bestimmen Sie fur die drei Probekorper die Beschleunigung. Messen Siedie Abstande s der Lichtschranken vom Startmechanismus (siehe Abbil-dung (3)). Stoppen Sie jeweils 5-mal die Zeiten, die die Rollkorper benotigen,um die einzelnen Lichtschranken zu passieren.

5. Untersuchungen zum Energieerhaltungssatz

Die zu Beginn vorhandene potentielle Energie der Rollkorper wird imVerlauf der Beschleunigung in kinetische Energie umgewandelt. Die kinetischeEnergie lasst sich in einen Rotations- und einen Translationsanteil zerlegen, sodass sich die Gesamtenergie durch folgende Gleichung ergibt:

Wges =1

2mv2 +

1

2Iω2 + mgh, (7)

wobei v die Translationsgeschwindigkeit, I das Tragheitsmoment und ω dieWinkelgeschwindigkeit des Rollkorpers darstellen. In diesem Versuchsteil sollam Fuß der geneigten Ebene auf einem horizontalen Teilstuck die Translations-geschwindigkeit der verschiedenen Rollkorper mit Hilfe von zwei Lichtschrankenbestimmt werden. Fuhren Sie die Messungen jeweils 5-mal durch. Die darausermittelte kinetische Gesamtenergie wird mit der anfangs vorhandenen poten-tiellen Energie verglichen. Um die potentielle Energie zu berechnen benotigenSie Hohendifferenz zwischen Start- und Endposition der Rollorper. Qualitativ:

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 15 Schiefe Ebene

Beim Versuch befindet sich ein weiterer Rollkorper der mit einer Flussigkeitgefullt ist. Wie verhalt sich dieser Korper im Vergleich zu den anderen undwarum?

VII Auswertung

zu 4: Tragen Sie in einem Diagramm die Strecken s uber t2 auf und berechnenSie aus der Steigung die Beschleunigung. Vergleichen Sie diese mit dem Wert,der sich aus der Masse und der Geometrie des Rollkorpers sowie aus demNeigungswinkel der schiefen Ebene ergibt.

zu 5: Berechnen Sie die kinetische Energie (Translation- und Rotationsenergie)und vergleichen Sie diese mir der potentiellen Energie. Sind die Ergebnisseinnerhalb der statistischen Messfehler vertraglich? Welche systematischenFehler konnte es geben?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

Versuch 21

Elektrolyse

Netzteil

Amperemeter

Schiebewiderstand

Kupfersulfatlösung

Kupferplatten

Wasserzersetzungs-apparat

Abbildung 1: Ubersicht des Versuchs Elektrolyse.

I Messaufbau

• Elektrolytgefaß mit Kupfersulfatlosung

• Zwei Kupferplatten

• Schiebewiderstand

• Amperemeter

• Tischstoppuhr

• Analysewaage in Raum 205

• Fon

• Netzgerat

• Wasserzersetzungsapparat (nach Hoffmann) mit verdunnter Schwefelsaure

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tippler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Faraday-Konstante, Elektrolyse, Aquivalentmasse, elektrische Elementarla-dung, Gasgesetze.

Verstandnisfragen:

1. Was ist ein Elektrolyt? Was sind typische Beispiele?

2. Was ist ein Anion bzw. ein Kation?

3. Was ist die Faraday-Konstante?

4. Wie lasst sich mit einer Massenmessung die Faraday-Konstante berechnen?

5. Wie lasst sich mit einer Volumenmessung die Faraday-Konstante berech-nen?

6. Welche Reaktionen laufen bei den beiden Teilaufgaben ab?

7. Was muss hinsichtlich der gemessenen Drucke in den Schenkeln des Hoff-mann’schen Wasserzersetzungsapparates bei der Wasserzersetzung beach-tet werden?

8. Erlautern Sie die Wirkungsweise einer Brennstoffzelle.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

IV Aufgaben

• Die Faraday-Konstante ist aus der Abscheidung von Kupfer bei der Elek-trolyse von CuSO4 zu bestimmen.

• Die Faraday-Konstante ist aus der elektrolytischen Zersetzung von Wasserzu bestimmen.

• Beobachten Sie qualitativ die Umkehrung der Elektrolyse mit Hilfe einerBrennstoffzelle.

V Grundlagen

Losungen von Sauren, Hydroxiden und Salzen und deren Schmelzen leiten denelektrischen Strom. Im Gegensatz zu den metallischen Leitern erfolgt der La-dungstransport aber nicht durch freie Elektronen sondern durch Ionen. Ionenentstehen aus neutralen Atomen oder Molekulen durch Abgabe oder Aufnahmevon Elektronen an bzw. von anderen Atomen/Molekulen oder durch Dissozia-tion. Im elektrischen Feld werden positiv geladene Ionen (Kationen) zur Ka-thode beschleunigt, negative Ionen (Anionen) zur Anode. Flussigkeiten derenLeitfahigkeit auf der Ionenleitung basiert, werden als Elektrolyte bezeichnet.

Befindet sich ein Elektrolyt im Feld zweier Elektroden, so tritt bei Stromfluss inder Regel eine Zersetzung des Elektrolytes auf. Man bezeichnet diesen Vorgangals Elektrolyse.

Im ersten Versuchsteil werden Sie Kupfersulfat (CuSO4) mit zwei Kupferelek-troden elektrolysieren. Kupfersulfat dissoziiert in Wasser gemaß

CuSO4 � Cu++ + SO−−

4 .

Legt man nun an die Kupferelektroden eine elektrische Spannung an, so wan-dern die Cu++ Ionen zur Kathode, an der Sie durch Aufnahme zweier Elektro-nen zu Kupfer reduziert werden und sich an dieser niederschlagen. Die Sulfatio-nen SO−−

4 wandern zur Anode und geben dort ihre zwei Uberschusselektronenab. Gleichzeitig findet hier noch eine Sekundarreaktion statt: Kupfer wird vonder Anode abgelost. Die Gesamtmenge an gelostem Kupfersulfat andert sichalso nicht. Effektiv wandert nur Kupfer von der Anode zur Kathode. Die Ka-thode wird um einen Teil schwerer, wahrend die Anode um denselben Teil anMasse verliert.

Die bei der Elektrolyse an der Kathode abgeschiedene Masse m lasst sich ausdem ersten Faraday’schen Gesetz bestimmen:

m = nMMol =Q

zFMMol, (2)

wobei Q die zwischen den Elektroden transportierte Ladung, MMol die Mol-masse von Kupfer, z die Wertigkeit der transportierten Ionen und n die an derKathode abgeschiedene Stoffmenge bezeichnen.Die Konstante F ist die Faraday- Konstante:

F = eNA = (9, 648455 ± 0, 000027) 104C mol−1; 1 (3)

Sie entspricht der Ladungsmenge die durch einen Elektrolyten fließt, wenn sich1/z Mol eines z-wertigen Stoffes an der Elektrode absetzt.Die wahrend des Versuchs transportierte Ladungsmenge Q lasst sich aus derStromstarke I und der Versuchsdauer t mit Hilfe der Gleichung

Q = It (4)

berechnen. Durch Wagung der Elektroden vor und nach der Elektrolyse kannso die Faraday- Konstante bestimmt werden.Im zweiten Teil des Versuchs wird die Faraday-Konstante durch die elektro-lytische Zersetzung von Wasser bestimmt. Der dabei eingesetzte Wasserzer-setzungsapparat nach Hoffmann besteht aus zwei Schenkeln mit jeweils ei-ner Platinelektrode und einem verschiebbaren Vorratsgefaß mit verdunnterSchwefelsaure. Da reines Wasser ein sehr schlechter Elektrolyt ist, wurde dieLeitfahigkeit durch Zugabe von Schwefelsaure erhoht. Bei Verwendung vonPlatin-Elektroden spielen sich an den Elektroden folgende Vorgange ab:

Kathode: 2H+ + 2e− → H2

Anode: 2OH− → H20 +1

2O2 + 2e−

An der Kathode bildet sich Wasserstoff und an der Anode Sauerstoff. Die ge-nauen Vorgange an den Elektroden sind im Einzelnen viel komplizierter undsollen an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Im Endeffekt wird aber bei die-sem Prozess nur Wasser zersetzt.

1Quelle: Horst Hansel, Werner Neumann, Physik, Elektrizitat- Optik- Raum und Zeit,Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, 1993

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

+ -

Platin

O2 H2

H SO2 4

Anode

Kat

hode

Abbildung 2: Wasserzerset-zungsapparat nach Hoffmann.

Zur Berechnung der Faraday-Konstante nach Gleichung (2) muss die Stoff-menge aus den abgeschiedenen Volumen V des Wasserstoffs bzw. Sauerstoffsbestimmt werden:

n =Q

zF(5)

mit

n =V

VMol. (6)

Das Molvolumen konnen Sie aus dem idealen Gasgesetz ableiten. Unter Nor-malbedingungen (T0=273,15 K, p0=1013,25 mbar ≡ 760 Torr) betragt dasMolvolumen eines idealen Gases V0

Mol=22,414 l/mol. Bei der Temperatur Tund dem Druck p gilt dann

VMol =p0

p

T

T0V 0

Mol. (7)

Der Druck p setzt sich aus drei Teildrucken zusammen: außerer Luftdruck pL,hydrostatischer Druck pH und dem Dampfdruck pD der verdunnten Schwe-felsaure. Wenn die Flussigkeitsspiegel im Messrohr und im Ausgleichsgefaß aufgleicher Hohe sind, verschwindet der hydrostatische Druck und der Druck imMessrohr entspricht dem außeren Luftdruck (Abbildung 2). In die Berechnung

des Molvolumens darf aber nur der Partialdruck von Wasserstoff bzw. Sauer-stoff eingehen. Wir mussen daher noch den Dampfdruck der verdunnten Schwe-felsaure abziehen.

p = pL − pH2SO4

D , (8)

p = pL − 0, 9pH2OD . (9)

Fur den Sattigungsdampfdruck des Elektrolyten sind 90 % des Satti-gungsdampfdruckes des reinen Wassers einzusetzen (das entspricht ca. 3 %Schwefelsaure). Die Werte fur Wasser finden Sie im Anhang.

Funktionsprinzip einer Brennstoffzelle

Das Funktionsprinzip einer Brennstoffzelle ist der umgekehrte Vorgangder Elektrolyse. Wahrend bei der Elektrolyse Wasser in seine BestandteileSauerstoff und Wasserstoff unter Energiezufuhr zerlegt wird, wird in derBrennstoffzelle Wasserstoff in einem elektrochemischen Prozess mit Sauerstoffunter Abgabe von Energie zu dem Endprodukt Wasser

”verbrannt“. Die

Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff ist Ihnen bereits von der Knall-gasreaktion bekannt. Werden zwei Teile H2 und ein Teil O2 miteinandervermischt und gezundet, so verbrennen diese explosionsartig zu Wasser. Ineiner Brennstoffzelle vollzieht sich dieselbe Reaktion

”kalt“, d.h. ohne offene

Verbrennung durch Trennung des Reaktionsraums.

Es gibt verschiedene Brennstoffzellentypen, die sich in Aufbau und Funktions-weise unterscheiden. Im Praktikum verwenden wir eine PEM-Brennstoffzelle(engl.: Proton Exchange Membrane). Eine PEM-Brennstoffzelle besteht auszwei Elektroden, die durch eine protonenleitfahige Membran voneinander ge-trennt sind. Die Anode (Pluspol) wird mit dem

”Brennstoff“ umspult (in un-

serem Fall Wasserstoff), die Kathode (Minuspol) mit dem Oxidationsmittel(Sauerstoff). Die Elektroden sind mit einem Katalysator (Platin) uberzogen,wodurch Wasserstoff an der Anode in positiv geladene H+- Ionen und freie Elek-tronen aufgespaltet wird und an der Kathode Sauerstoff (O2) dissoziiert wird(Abbildung 3a). Die erzeugten Protonen konnen durch die protonenleitfahigeMembran zur Kathode ubertreten. Die Elektronen konnen die Membran aller-dings nicht durchqueren und verbleiben an der Elektrode, die dadurch negativaufgeladen wird (Abbildung 3b)2.

2Die negative Elektrode wird Anode genannt, da Wasserstoff hier zu Protonen oxidiertwird.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

Anode Kathode

Membran (PEM)

H2

+

+-

-

+

+-

-

O2

Katalysator

2H2 4H + 4e+ - Anode Kathode

+

+-

-

+

+-

-

4H+

H2 O2

--

-

-

I

4e -

a)

b)

c)

d)

+

+-

-

+

+-

-

2O + 24H + 4e+ - 2H O

2H O

+

+

+

+

Abbildung 3: Funktionsprinzip einer PEM- Brennstoffzelle.

Werden die beiden Elektroden durch einen außeren Stromkreis miteinanderverbunden, so konnen die Elektronen zur Kathode fließen und dabei einen Ver-braucher mit elektrischer Energie versorgen (Abbildung 3c). An der Kathodereagieren schließlich die Elektronen, Protonen und der Sauerstoff zu Wasser(Abbildung 3d).

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie die beiden Versuchsaufbauten.

2. Bestimmung der Faraday-Konstante aus der Abscheidung von Kupferbei der Elektrolyse von CuSO4

Wiegen Sie die beiden Kupferplatten moglichst genau nach vorherigergrundlicher Reinigung (schmirgeln und spulen mit Wasser) und Trocknung.Die Analysewaage steht im Nebenraum. Anschließend tauchen Sie die Kup-

ferplatten in die Kupfersulfatlosung ein. Die Stromstarke wird mit demVorwiderstand auf etwa 0,5 bis 1 A eingestellt und in Zeitabstanden vonetwa 1/2 Minute auf ihre Konstanz gepruft und falls notig nachreguliert.Der Strom soll mindestens 30 Minuten lang fließen. Uberlegen Sie sich vordem Einschalten der Spannung, welche Stromstarke Sie wahlen wollen, undregulieren Sie diese nach dem Einschalten so schnell wie moglich ein (keinProbelauf). Sollte sich die Stromstarke sprungartig andern und nicht mehr aufden alten Wert regulieren lassen, so wenden Sie sich bitte an den Assistenten.Nach dem Durchgang des Stromes spulen Sie die Kupferplatten grundlich,aber sehr vorsichtig mit Wasser. Vorsicht, dass sich kein Kupfer ablost.Anschließend werden die Platten mit dem Fon getrocknet und erneut gewogen.Das Elektrolytgefaß mit der Losung ist am Ende wieder gut abzudecken,ebenso die Analysewaage.

3. Bestimmung der Faraday-Konstante aus der elektrolytischen Zerset-zung von Wasser

Vorsicht: In den Steigrohren befindet sich mit Schwefelsaureangesauertes Wasser; austretende Flussigkeit kann zu irreparablenFlecken und Lochern in Ihrer Kleidung fuhren.

Die beiden Schenkel des Apparats werden vollstandig mit Flussigkeit gefullt,indem man die Hahne offnet und das Vorratsgefaß langsam soweit hebt, bisder Flussigkeitsspiegel etwas uber den Hahnen steht. Dann die Hahne wiederschließen. Der Wasserzersetzungsapparat wird mit dem Schiebewiderstand unddem Amperemeter in Reihe geschaltet. Wahrend eines kurzen Vorlaufs (ca.t=30 s) wird der Strom eingestellt (I = 0,5 bis 1 A). Wenn alle Gasblaschenhochgestiegen sind, misst man die Anfangsvolumina. Beim eigentlichen Ver-such soll der Strom etwa so lange fließen, bis der Wasserstoff die eine Rohre zuetwa 3/4 fullt. Messen Sie die dazu benotigte Zeit. Die Stromstarke muss etwajede Minute auf Konstanz kontrolliert werden (entweder nachregulieren oderjede Minute notieren und spater mitteln). Es sind die Gasvolumina in beidenRohren abzulesen; dies geschieht unter vorsichtiger Senkung des Vorratsgefaßesbis die Flussigkeitsspiegel im jeweiligen Schenkel und im Vorratsgefaß gleichhoch stehen (warum?).

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

4. Qualitative Beobachtung der Umkehrung der Elektrolyse durch eineBrennstoffzelle

Ein Aufbau ist zusatzlich mit einer Brennstoffzelle und einer Solarzelle(auf dem Dach des Praktikumsgebaude montiert) ausgestattet. UntersuchenSie zusammen mit dem Assistenten qualitativ das Funktionsprinzip einerSolar- Wasserstoffanlage und die Umwandlung von chemischer Energie inelektrische durch eine Brennstoffzelle.

VII Auswertung

Zu 2. Wie lautet die chemische Reaktionsgleichung? Welche Prozesse findenstatt? Berechnen Sie die Faraday-Konstante aus der Messzeit und dem Strom,der durch den Elektrolyten geflossen ist. Berucksichtigen Sie in zwei separatenRechnungen die Massenzunahme der Kathode und die Massenabnahme derAnode. Vergleichen Sie die beiden Werte der Faraday-Konstante. Wie lassensich die Abweichungen erklaren? Diskutieren Sie die moglichen Fehlerquellenund deren Einfluss auf das Endergebnis.

Zu 3. Wie lautet die chemische Reaktionsgleichung? Aus den beidenGasmengen und der durchgeschickten Elektrizitatsmenge ist jeweils dieFaraday-Konstante zu berechnen.Hinweis: Der bei der Elektrolyse freiwerdende Sauerstoff reagiert teilweise mitder Schwefelsaure zu Perschwefelsaure, so dass die gemessene Sauerstoffmengeein wenig kleiner ist als erwartet. Die aus der Wasserstoffmenge berechneteFaraday-Konstante ist daher genauer als die Rechnung mit der gemessenenSauerstoffmenge.Vergleichen Sie die Ergebnisse der beiden Versuche und diskutieren Sie diemoglichen Fehlerquellen und deren Einfluss auf das Endergebnis.

VIII Anhang

Sattigungsdampfdruck von Wasser:

T [◦C] pD [Torr] T [◦C] pD [Torr]

10 9,20 31 33,70

11 9,84 32 35,67

12 10,51 33 37,73

13 11,23 34 39,90

14 11,98 35 42,18

15 12,78 36 44,57

16 13,63 37 47,08

17 14,53 38 49,70

18 15,47 39 52,46

19 16,47 40 55,34

20 17,53 41 58,36

21 18,65 42 61,52

22 19,82 43 64,82

23 21,07 44 68,28

24 22,38 45 71,90

25 23,76 46 75,67

26 25,21 47 79,63

27 26,74 48 83,75

28 28,35 49 88,09

29 30,04 50 92,60

30 31,82

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 21 Elektrolyse

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan

Versuch 22

Bestimmung der Elementarladung nach

Millikan

Abbildung 1: Ubersicht des Millikan-Versuchs.

Abbildung 2: Links: Steuergerat, Rechts: elektronische Stoppuhr.

I Messaufbau

• Millikan-Gerat (Plattenkondensator, Olzerstauber und Beleuchtung).

• Mikroskop-Kamera mit Monitor.

• Millikan-Steuergerat (Hochspannungsquelle, Triggerung der Stoppuhren).

• zwei elektronische Stoppuhren.

• PC mit Drucker, Datenauswertung mit dem Programm Excel.

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart, 7.Auflage1994, S. 310-313.

• W. Ilberg, M. Krotzsch, D. Geschke, Physikalisches Praktikum,B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Stuttgart, Leipzig 10. Auflage 1994, S.254-256.

• J. Becker, H.J. Jodl, Physikalisches Praktikum fur Naturwissenschaftlerund Ingenieure, VDI-Verlag GmbH Dusseldorf 1991, S. 152-155.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de). Hierfinden Sie weitere Informationen zum Versuch. Unter anderem konnen Siehier die Orginalarbeit Millikans,

”On the Elementary Electrical Charge

and the Avogadro Constant“, herunterladen.

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Auftrieb, Stokesches Gesetz, Elektrisches Feld in einem Kondensator, Kraft aufeine Ladung im homogenen elektrischen Feld. Berechnen Sie die Summe allerKrafte auf ein im feldfreien Raum mit konstanter Geschwindigkeit sinkendesOltropfchen und auf ein im elektrischen Feld des Kondensators mit konstanterGeschwindigkeit steigendes Oltropfchen. Leiten Sie hiermit die beiden Glei-chungen (5) und (6) ab.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan

IV Aufgaben

• Bestimmung der Elementarladung durch Messung der Sink- bzw. Steigge-schwindigkeit von elektrisch geladenen Oltropfchen im Plattenkondensa-tor.

V Grundlagen

Robert A. Millikan

Robert A. Millikan hat im Jahre 1913 in derFachzeitschrift Physical Review eine Arbeit mitdem Titel

”On the Elementary Electrical Char-

ge and the Avogadro Constant“ (Phys.Rev. 2(1913), 109-143) veroffentlicht. Fur die in die-ser Arbeit beschriebene Messung der elektrischenElementarladung erhielt Millikan im Jahre 1923den Nobelpreis fur Physik. Der hier im Prakti-kum aufgebaute Versuch beruht im wesentlichenauf der Originalapparatur von Millikan. Grund-prinzip des Millikan- Experiments ist die Tatsa-che, dass auf ein im homogenen Feld eines Plat-tenkondensators bewegliches, elektrisch geladenesOltropfchen verschiedene Krafte wirken, die indi-

rekt messbar sind. Dabei wird die Ladung eines Tropfchens aus der Messungseiner Fallgeschwindigkeit vf im feldfreien Raum und seiner Steiggeschwindig-keit vs bei einer an den Kondensator angelegten Spannung bestimmt.Auf ein fallendes Tropfchen (ohne elektrisches Feld) wirken drei Krafte:

Gewichtskraft: FG =4

3πr3ρOl g (1)

Auftriebskraft: FA =4

3πr3ρLuft g (2)

Stokesche Reibung: FR = 6πrηv. (3)

Wobei r, ρOl, und v der Radius, die Dichte und die Geschwindigkeit des Oltropf-chens bezeichnen, g ist die Schwerebeschleunigung, ρLuft und η sind die Dichteund die Viskositat der Luft. Tragt das Oltropfchen eine elektrische Ladung q,

so wirkt im Feld eines Plattenkondensators eine zusatzliche Kraft,

elektrische Kraft: Fe = qU

d(4)

auf dieses ein. Hier ist q die Ladung des Tropfchens, U ist die am Kondensatoranliegende Spannung und d der Abstand der Kondensatorplatten.

Abbildung 3: Einwirkende Krafte auf ein elektrisch geladenes Oltropf-chen im Plattenkondensator. Links: Ohne elektrisches Feld. Rechts: Imelektrischem Feld.

Aus der Summe aller Krafte, die ohne elektrisches Feld auf ein mit konstanterGeschwindigkeit vf fallendes Tropfchen wirken und aus der Summe der Krafte,die auf ein im elektrischen Feld des Kondensators mit konstanter Geschwindig-keit vs steigendes Tropfchen wirken, lassen sich die beiden Gleichungen fur denRadius r und die Ladung q des Oltropfchens ableiten:

r =

√9η

2ρgvf (5)

q =(vf + vs)

√9 vf η3

2 ρ g

6πd

U, (6)

wobei ρ die Differenz ( ρOl - ρLuft) darstellt.Berechnet man die Ladungen der Oltropfchen mit Hilfe von Gleichung (6) undleitet aus vielen solchen Messungen die Elementarladung e ab, so stellt man

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan

fest, dass der so bestimmte Wert um etwa einen Faktor 1,1 zu hoch ist. Ge-nauere Untersuchungen zeigen, dass dieser Faktor um so großer wird, je kleinerder Radius der Oltropfchen ist. Der Grund hierfur liegt in der Tatsache, dassdie Radien der Oltropfchen im Bereich 10−6 m bis 10−7 m liegen (folgt ausGleichung (5)). Dies entspricht derselben Großenordnung wie die mittlere freieWeglange der Molekule in Luft. Die Viskositat η wurde aber bei der bisherigenBetrachtung als konstant angenommen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn derDurchmesser der Oltropfchen deutlich großer ist als die mittlere freie Weglangeder Luftmolekule. Man kann aber die Viskositat η mit einem radiusabhangigenKorrekturfaktor f(r) versehen. Dieser auch schon von Millikan benutzte Kor-rekturfaktor (die sogenannte Cunningham-Korrektur des Stokeschen Gesetzes)ist gegeben durch:

η(r) = η0f(r) =η0

1 + brp

. (7)

Hier ist η0 der Grenzwert der Viskositat fur sehr große Oltropfchen, p ist derLuftdruck und b eine empirische Konstante. Da bei unserer Betrachtung derRadius r von η abhangt, Gleichung (5), musste man (um r exakt zu berechnen)Gleichung (7) in Gleichung (5) einsetzen und nach r auflosen (fuhrt auf einequadratische Gleichung). Es zeigt sich aber, dass es genugt, in Gleichung (5)mit η0 zu rechnen. Der Fehler, den man dabei fur r macht, liegt bei etwa 5 %.Der daraus resultierende Fehler fur den Korrekturfaktor f betragt nur etwa0,5 % und ist somit vernachlassigbar.

Bei der Auswertung zu verwendende Konstanten:

Viskositat der Luft η0 = 1, 81 × 10−5 Ns/m2

Schwerebeschleunigung g = 9.81 m/s2

Dichte des Ols bei 15◦C ρOl = 877 kg/m3

Dichte des Ols bei 25◦C ρOl = 871 kg/m3

Dichte der Luft ρLuft = 1, 29 kg/m3

Konstante im Korrekturfaktor b = 7, 78 × 10−3 Pa m

Abstand der Kondensatorplatten d = (6, 00 ± 0, 05) mm

Skala auf dem Bildschirm 1Skt = (5, 00 ± 0, 13) × 10−5 m

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Machen Sie sich mit der Versuchsapparatur vertraut. Bringen Sie Oltropf-chen in den Kondensator ein und beobachten Sie ihr Verhalten unter dem Ein-fluss der angelegten Spannung (ungefahr 500 Volt einstellen, eingestellten Wertnotieren und dann nicht mehr verandern). Benutzen Sie zur Scharfstellung dasEinstellrad an der Mikroskopfuhrung. Beachten Sie die Prozedur zum Nullstel-len der Stoppuhren (ist auf den Uhren angegeben). Mit dem rechten Schalterdes Steuergerats starten Sie die obere Uhr, mit der die Fallzeit der Tropfchengemessen wird. Mit dem linken Schalter wird die Spannung am Kondensatorangelegt, gleichzeitig wird die obere Stoppuhr angehalten und die untere Stopp-uhr gestartet. Am oberen Umkehrpunkt des Tropchens wird der linke Schalterwieder ausgeschaltet, dies stoppt die untere Uhr und startet wieder die obereUhr, usw. Am Ende der Messung eines Tropfchens wird schließlich wieder derrechte Schalter betatigt.

3. Suchen Sie sich ein Tropfchen mit dem richtigen Ladungsvorzeichen (!) aus,das sich nicht zu schnell bewegt. Messen Sie seine Fallgeschwingkeit (ohne elek-trisches Feld) und seine Steiggeschwindigkeit (mit elektrischem Feld) jeweils 5mal und notieren Sie die Werte der einzelnen Messungen (Wege und Zeiten).Aus der Verteilung der insgesamt 10 Messwerte soll spater die Genauigkeitder Geschwindigkeitsmessung abgeschatzt werden. Achtung: Beim Starten undStoppen der Zeiten an den Umkehrpunkten Parallaxe beachten (Augen solltenauf Hohe des Oltropfchens sein!).

4. Messen Sie die Fall- und Steiggeschwindigkeiten von insgesamt etwa 40 bis60 Tropchen. Verfolgen Sie nach Moglichkeit ein Tropfchen bei mehreren Fall-und Steigbewegungen.

5. Notieren Sie die Werte fur Temperatur und Luftdruck.

6. Tragen Sie die jeweils 4 Werte fur jedes gemessene Tropfchen (Fallweg undFallzeit, Steigweg und Steigzeit) in die Tabelle des Excel-Programms zur Aus-wertung ein.

7. Drucken Sie die Excel-Tabelle aus.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan

VII Auswertung

1. Verifizieren Sie fur ein ausgewahltes Tropfchen die von Excel berechnetenWerte, d.h. berechnen Sie fur dieses Tropfchen von Hand vf , vs, r0, f(r0) undq unter Berucksichtigung der Einheiten (r0 ist der mit η0 berechnete Radius).

2. Zeichnen Sie (von Hand) ein Histogramm aller gemessenen Ladungen, dieim Bereich von 0 As bis ca. 10−18 As liegen. Wahlen Sie als Intervallgroße2 × 10−20 As.

3. Uberprufen Sie, ob der im Excel-Programm benutzte Wert fur die obereGrenze der gemessenen Ladung eines einfach geladenen Tropfchens vernunftigist. Konnen Sie sicher sein, dass der im Excel-Programm berechnete Wert ei-ner Elementarladung e entspricht (und nicht etwa 2e oder 3e)?

4. Schatzen Sie den systematischen Fehler Δq/q unter Berucksichtigung deroben angegebenen Fehler einiger Eingabegroßen ab. Nehmen Sie fur den Fehlerder Spannungsmessung 0,5 %, fur den Fehler der Viskositat (einschließlich desKorrekturfaktors) 2,0 % und fur den Fehler der Oldichte 0,5 % an. VerwendenSie dazu die folgende Formel und begrunden Sie die in der Formel enthaltenenVorfaktoren 1/2 und 3/2:

Δq

q=

√(3Δs

2s

)2

+(Δρ

)2

+(3Δη

)2

+(Δd

d

)2

+(ΔU

U

)2

(8)

5. Nehmen Sie an, dass der statistische Fehler im wesentlichen auf den Messfeh-lern beruht, die Sie bei den Geschwindigkeitsmessungen machen. Schatzen Sieaus der Verteilung der 5 Werte fur q, die Sie mit Hilfe von Gleichung (6) ausden Messungen in Aufgabe 3 erhalten haben, den resultierenden Fehler einerEinzelmessung fur q ab und vergleichen Sie ihn mit der von Excel bestimmtenStandardabweichung einer Einzelmessung.

6. Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem Literaturwert

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 23 Strom- und Spannungsmessung

Versuch 23

Strom- und Spannungsmessung

Eichspannung

Kompensator

Dekaden-widerstände

Taster

Schiebewiderstand

Amperemeter

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Strom- und Spannungsmessung.

I Messaufbau

• stabilisierte Spannungsversorgung

• Kompensator

• Milliamperemeter

• Schiebewiderstand (100 Ω)

• drei Dekadenwiderstande

• Batterie

• Tastschalter

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden The-men vor: Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Gesetze, Innenwiderstand vonStrom- und Spannungsmessinstrumenten, Drehspuleninstrument, Kompensati-onsschaltung, Innenwiderstand und Elektromotorische Kraft von Stromquellen.

Verstandnisfragen:

1. Was besagen die Kirchhoffschen Gesetze?

2. Was und wie misst man mit einem Kompensator?

3. Worin besteht der prinzipielle Vorteil eines Kompensators gegenuber einer

”normalen“ Spannungsmessung?

4. Was muß man tun, um den Messbereich eines Voltmeters oder Ampereme-ters zu erweitern?

5. Was ist eine Elektromotorische Kraft, und wie bestimmt man sie?

6. Wie groß ist der maximale (Kurzschluss) Strom, den eine Batterie - kurz-zeitig - zur Verfugung stellen kann? Berechnungsbeispiel: Auto-Batterie:U=12 V, Innenwiderstand: R=0,1 Ω, Imax = ?

IV Aufgaben

• Eichen Sie eine Kompensationsschaltung zum Messen von Spannungen.

• Der Messbereich eines Amperemeters ist von 10 mA auf 200 mA zu erwei-tern.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 23 Strom- und Spannungsmessung

• Die Klemmenspannung einer Batterie ist als Funktion der Belastung zumessen, um die ElektroMotorische Kraft (EMK) und den Innenwiderstandzu bestimmen.

• Zusatzaufgabe fur Physiker: Berechnen Sie, fur welchen Lastwiderstandaus der Batterie die maximale Leistung P = UI entnommen wird.

V Grundlagen

VI Durchfuhrung des Versuchs

Es wird dringend empfohlen, sich die Formeln fur die Vor- und Parallelwi-derstande zur Messbereichsanderung schon vor dem Praktikum klar zu machen.Nicht einfach abschreiben, sondern selbst entwickeln!

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Machen Sie sich den Aufbau und die Wirkungsweise des Kompensatorsklar. Vergleichen Sie die Schaltelemente des Kompensators mit dem Schalt-plan. (Gehause von unten ansehen; Linearitatsfehler des Drehpotentiometersnotieren).

6 V Hilfsspannung

+

-

50

51 k

Eichregler

μA

100 Drehpotentiometer

Taster

Nullinstrument

0-5 V Messbuchsen

+

-

Abbildung 2: Schaltplan des Kompensators.

3. Die 6 V Hilfsspannung zum Betrieb des Kompensators wird dem Netz-gerat entnommen. Eichung des Kompensator: Eichspannung (1,018 V) an dieMessbuchsen legen, am Drehpotentiometer 2,036 Skt einstellen und durch Dre-hen am Eichknopf den Kompensator auf Null abgleichen. Die Drucktaste istmit 51 kΩ uberbruckt. Dadurch fließt bei Fehleinstellung ein kleiner Stromdurch das Nullinstrument. Dieser verrat sofort die richtige Drehrichtung zumNullabgleich. (Uberlegen Sie sich, was hinter dieser Eichvorschrift steckt). Nachdem Abgleich entsprechen 10,00 Skt am Drehpotentiometer genau 5,00 Volt anden Messbuchsen, 8,00 Skt entsprechen genau 4,00 Volt usw.Bemerkung zur Eichspannung: Ublicherweise wird zur Eichung von Kompen-satoren ein chemisches Normalelement (Weston-Element) verwendet, das un-abhangig von der speziellen Einzelherstellung einen festen Spannungswert von1,01830 Volt (bei 20◦C) hat. Die Temperaturabhangigkeit der Spannung istgenau bekannt. Da ein solches Normalelement sehr teuer und gegen Belastungsehr empfindlich ist, wurde eine elektronische Ersatzschaltung mit demselbenSpannungswert vorgezogen.

4. Erweitern Sie den Messbereich eines Amperemeters von 10 mA auf 200 mA.Benutzen Sie dazu die drei Dekadenwiderstande (schauen Sie sich die Skiz-ze auf deren Ruckseite an). Den Innenwiderstand des 10 mA-Meters finden Sieauf demselben vermerkt (Fehler ± 1Ω). Der Innenwiderstand des 10 mA-Metersist kunstlich erhoht worden, damit Sie bei dieser Aufgabe mit drei Dekadenwi-derstanden auskommen.

+-

100

mA

Taster

BatterieKompensator 200

Abbildung 3: Schaltung zu Aufgabe 5.

5. Mit dem erweiterten mA-Meter und dem Kompensator wird in der ange-

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 23 Strom- und Spannungsmessung

zeichneten Anordnung die Klemmenspannung der Taschenlampenbatterie beiBelastung aufgenommen. Der Batterie wird ein Strom I entnommen und gleich-zeitig die Klemmenspannung mit dem Kompensator gemessen. Mit dem Schie-bewiderstand wird die Stromstarke von ca. 0 bis 200 mA geregelt (9 Mes-spunkte). Um die Batterie zu schonen, wird die Morsetaste zur Messung im-mer nur kurz (wahrend des Abgleichs des Kompensators) gedruckt. Sofort einDiagramm U = U(I) zeichnen! Welchen Verlauf erwarten Sie?

VII Auswertung

1. Bestimmen Sie Ri und die EMK aus dem Diagramm. Diskutieren Sie IhreMessungen unter Berucksichtigung der Messfehler.

2. Zusatzaufgabe fur Physiker: Rechnen Sie durch Differenzieren der GleichungP = U(I)I aus, bei welchem Lastwiderstand die von der Batterie abgegebeneLeistung am großten ist. (Leistungsanpassung). Wie groß ist dann U(I) ?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 23 Strom- und Spannungsmessung

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Physikalisches Grundpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 25 Oszilloskop

Versuch 25

Oszilloskop

Abbildung 1: Versuchsaufbau Oszilloskop.

I Messaufbau

• Oszilloskop Goldstar OS-9020A

• Funktionsgenerator

• Signalgenerator

• Phasenschieber

• Sinusgenerator und Netzteil fur zwei Aufbauten zusammen

II Literatur

• Ernst Beckmann et al., Einfuhrung in die Elektronik, vgs Verlagsgesell-schaft Koln. Ein sehr empfehlenswertes Buch zur Vorbereitung. Das Buchkann bei der Praktikumsverwaltung eingesehen werden.

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Motivation

Ziel dieses Versuchs ist nicht die Untersuchung eines physikalischen Gesetzesoder die Bestimmung einer Naturkonstanten, sondern das Kennenlernen undrichtige Anwenden eines in Wissenschaft und Technik weit verbreiteteten In-struments.

Am haufigsten wird das Oszilloskop zur Darstellung der zeitlichen Verande-rung eines elektrischen Signals in Echtzeit benutzt. Nahezu alle physikalischenGroßen, die sich mit geeigneten Sensoren in korrespondierende elektrische Si-gnale umwandeln lassen, konnen mit einem Oszilloskop dargestellt werden. DasAnwendungsfeld reicht von einfachen Amplitudenmessungen einer Sinusspan-nung, bis hin zur Darstellung von Herz- bzw. Gehirnstromen im medizinischenBereich. Dabei uberdeckt die Zeitauflosung einen Bereich von einigen ns beischnellen Oszilloskopen, bis zu mehreren Minuten bei digitalen Speicheroszil-loskopen.

IV Vorbereitung

Informieren Sie sich mit Hilfe zusatzlicher Literatur uber das Funktionsprinzipeines Oszilloskops. Weiterfuhrende Literatur kann bei der Praktikumsverwal-tung entliehen werden. Bereiten Sie sich außerdem auf folgende Themen vor:Bewegung von Elektronen in elektrischen Feldern, Kenngroßen von Wechsel-spannungen: Frequenz, Periode, Phase, Spitze-Spitze-Spannung USS bzw. UPP ,Effektivspannung. Senkrechte Uberlagerung von Schwingungen: Lissajous- Fi-guren.

V Aufgaben

• Durch gezieltes Verstellen der Bedienelemente des Oszilloskops und Beob-achtung der damit verbundenen Auswirkungen auf den Elektronenstrahl,soll die Bedienung des Oszilloskops geubt werden. Untersuchung der Syn-chronisation und der Triggerung des Elektronenstrahls zur Darstellung ste-hender Bilder.

• Messung der Periodendauer und Amplitude von verschiedenen Signalfor-men. Fur ein periodisch exponentiell abfallendes und aufsteigendes Signalist die Halbwertszeit zu bestimmen.

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Physikalisches Grundpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 25 Oszilloskop

• Messungen im Zweikanalbetrieb: Untersuchung der Phasenverschiebungzweier Sinussignale gleicher Frequenz, sowohl im yt- als auch im xy-Betrieb. Qualitative Beobachtung von Lissajous- Figuren unter Beachtungder Frequenzverhaltnisse.

VI Grundlagen

Aufbau eines Elektronenstrahl- Oszilloskops

In Abbildung 2 ist der schematische Aufbau einer Elektronenstrahl- Rohredargestellt. Am schlanken Ende einer evakuierten Glasrohre befindet sich ei-ne beheizbare Kathode (Gluhkathode), aus der durch thermische EmissionElektronen heraustreten. Diese Elektronen werden durch eine hohe elektrischeSpannung UB in Richtung Anode beschleunigt, durchlaufen anschließend diex- und y-Ablenkeinheiten und treffen schließlich auf die Floureszenzschicht desLeuchtschirms, an dessen Auftreffpunkt sie einen Leuchtfleck erzeugen. DieHelligkeit des Leuchtflecks kann zum einen durch die Beschleunigungsspan-nung, als auch mit Hilfe des Wehnelt- Zylinders eingestellt werden. Befindetsich der Wehnelt- Zylinder auf einem Potential UW , das negativer ist als dasPotential an der Kathode, so bewirkt dieses abstoßende Potential, dass ein Teilder Elektronen zur Kathode zuruckgedrangt werden und somit weniger Elek-tronen den Leuchtschirm erreichen. Ab einem gewissen Sperrpotential konnenkeine Elektronen den Wehnelt-Zylinder passieren. Dadurch ist ein sehr schnelles

”Ausschalten“ (Dunkeltastung) und auch wieder

”Einschalten“ des Elektronen-

strahls moglich. Wir werden spater noch darauf zuruckkommen.Zur Fokussierung des Elektronenstrahls befindet sich zwischen dem Wehnelt-Zylinder und der Anode eine zusatzliche zylinderformige Fokussierelektrode.Liegt diese auf einem positiven Potential UF , das kleiner ist als das Potentialan der Anode, so wirkt die Fokussierelektrode zusammen mit der Anode wieeine elektrische

”Sammellinse“, die die Gluhkathode auf den Schirm abbildet.

Durch Variierung des Potentials an der Fokussierelektrode mit dem Einstell-regler FOCUS kann so ein scharfer Leuchfleck erzeugt werden.Mit der bisher geschilderten Elektrodenanordnung lasst sich nur ein starrerLeuchtfleck erzeugen. Zwar kann die Helligkeit und die Scharfe des Leucht-flecks eingestellt werden, der Leuchtpunkt verharrt aber stets im Mittelpunktdes Schirms. Damit der Leuchtpunkt in der gesamten Bildschirmebene bewegtwerden kann, benotigen wir zusatzlich die x- und y-Ablenkeinheiten. DieseAblenkeinheiten bestehen jeweils aus zwei Metallplatten, die senkrecht zuein-

y-Ablenkung x-Ablenkung

UB

Glühkathode mitWehneltzylinder

Anode

Beschleunigungs-spannung

Fokussier-elektrode

y

x

UFUW

Abbildung 2: Schematischer Aufbau eines Elektronenstrahl- Oszilloskops.

ander angeordnet sind (Plattenkondensator). Betrachten wir zunachst die y-Ablenkeinheit: Legt man an diese eine Spannung Uy so wirkt auf ein Elektronbeim Durchqueren eine elektrische Kraft, die proportional zur Spannung Uy istund in y-Richtung wirkt. Befindet sich beispielsweise die obere Ablenkplatte aufeinem positiven Potential, so wird der Elektronenstrahl und somit der Leucht-punkt oberhalb der Schirmmitte abgelenkt. Bei umgekehrter Polung wird derLeuchtfleck entsprechend nach unten abgelenkt. Durch eine Steuerspannungan den y-Ablenkplatten ist also eine vertikale Verschiebung des Leuchtpunktsmoglich. Der gleiche Effekt kann mit Hilfe der x-Ablenkeinheit und einer Steu-erspannung Ux auch in horizontaler Richtung erzielt werden. Somit kann durcheine entsprechende Einstellung von Ux und Uy jeder Punkt auf dem Leucht-schirm erreicht werden.

Das Oszilloskop im yt-Betrieb

Bisher haben wir nur diskutiert, wie man einen einzelnen Punkt auf demLeuchtschirm ansteuern kann. Im Allgemeinen wird aber ein Oszilloskop dazubenutzt, um ein Spannungssignal als Funktion der Zeit darzustellen. Man be-zeichnet diesen Betriebsmodus auch als yt- Betrieb. Die y-Richtung des Bild-schirms entspricht dabei der Spannungsachse und die x-Achse der Zeit. DasGrundprinzip ist in Abbildung 3 skizziert. Hier soll beispielsweise ein Sinussi-gnal Uy als Funktion der Zeit auf dem Oszilloskop dargestellt werden. Hierfur

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.8 Stand 08/2004

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Physikalisches Grundpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 25 Oszilloskop

wird das darzustellende Signal Uy auf die y-Ablenkplatten gelegt. Aufgrundder sinusformigen sich andernden Spannung Uy bewegt sich der Leuchtpunktzunachst nur immer auf und ab (Abbildung 3a). Auf dem Oszilloskop erscheinteine senkrechte Linie mit der man naturlich noch nicht allzuviel anfangenkann. Um nun eine sinnvolle Zeitinformation zu erhalten muss der Leucht-punkt gleichzeitig zur y-Ablenkung auch proportional zur Zeit in horizonta-ler Richtung abgelenkt werden. Damit dies zeitlich linear geschieht, besitzt einOszilloskop eine eingebaute Elektronik, die eine sogenannte SagezahnspannungUx an der x-Ablenkeinheit generiert (Abbildung 3b).

U

a)

y

UUx

UUy UUx

t t

UUy

UUx

b) c)

Abbildung 3: Wirkungsweise der x- und y-Ablenkeinheiten: a) Das darzustel-lende Spannungssignal Uy (hier ein Sinussignal) wird an die y-Ablenkeinheitangeschlossen. b) Gleichzeitig erzeugt das Oszilloskop intern eine Sagezahn-spannung, an der x-Ablenkeiheit die den Elektronenstrahl proportional zur Zeithorizontal verschiebt. c) Das resultierende Oszilloskopbild bei dem gleichzeitigdie Signalablenkung in y-Richtung, sowie die Sagezahnspannung in x-Richtunganliegt, liefert den Spannungsverlauf Uy(t) als Funktion der Zeit.

Diese Spannung steigt zunachst zeitlich linear an, so dass sich der Elektro-nenstrahl proportional zur Zeit in horizontaler Richtung mit konstanter Ge-

UUx

t

Vorlauf Rücklauf

Oszillokopbild

UUmin

UUmax

Rücklauf

Abbildung 4: Links: Eine Periode der Sagezahnspannung die die Zeitablenkungdes Elektronenstrahls fur den Vor- und Rucklauf bestimmt. Rechts: Ohne Dun-keltastung wurde der Elektronenstrahl beim Rucklauf eine storende Linie (inder rechten Abbildung gepunktet dargestellt) auf das Bild schreiben.

schwindigkeit bewegt. Erreicht der Leuchtpunkt den rechten Bildschirmrand,so soll der Schreibvorgang wieder am linken Rand des Leuchtschirms beginnen.Dies wird erreicht indem die x-Ablenkspannung sehr schnell auf das negati-ve Maximum umgepolt wird. Da dieses Umpolen naturlich auch eine gewisseZeit benotigt, erinnert die Form des Signalverlaufs, der Zahnung eines Sage-blatts. Die x-Ablenkspannung wird daher als Sagezahnspannung bezeichnet.Die langsame linear ansteigende Anstiegsflanke bedingt dabei den Vorlauf desElektronenstrahls und die steil abfallende Flanke den Rucklauf. Gleichzeitigzum Sagezahnsignal folgt der Elektronenstrahl auch der Signalspannung, diean der y-Ablenkeinheit anliegt. Aufgrund der optische Tragheit unserer Augenund dem Nachleuchten des Schirmes entsteht so ein Bild, dass den Spannungs-verlauf Uy(t) darstellt (Abbildung 3c). Ubrigens lasst sich die Nachleuchtdauerdurch eine geeignete Wahl der Flouressenzschicht von etwa einer ms bei schnel-len Oszilloskopen, bis mehreren Sekunden, wie es zum Beispiel bei analogenRadarschirmen erforderlich ist, einstellen.

Beim Rucklauf des Elektronenstrahls erzeugt dieser eine storende Leuchtspurauf dem Schirm (Abbildung 4). Um dies zu vermeiden wird fur die Zeitdauerder Rucklaufzeit ein Impuls auf den Wehneltzylinder gegeben, der den Elektro-nenstrahl ausschaltet (Dunkeltastung). Auf dem Oszilloskop ist dann nur dasBild, das beim Signalvorlauf erzeugt wird, zu sehen.

Der Elektronenstrahl ist vergleichbar mit einem mechanischen Linienschreiber(yt-Schreiber), der den Spannungsverlauf auf ein Blatt Papier (Endlospapier)

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Physikalisches Grundpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 25 Oszilloskop

als Funktion der Zeit aufzeichnet. Dabei bewegt sich das Papier mit konstan-ter Geschwindigkeit unter einem Schreibstift. Gleichzeitig folgt der Stift aberauch dem zu messenden Spannungssignal in der zur Papiervorschubrichtungsenkrechten Richtung. Es entsteht so eine lange Papierbahn, die den Span-nungsverlauf kontinuierlich mit der Zeit bzw. mit der Papierlange wiedergibt.Im Gegensatz zum mechanischen Linienschreiber steht beim Oszilloskop nureine begrenzte Bildschirmbreite zur Verfugung. Da aber das Oszilloskopbildregeneriert wird, sobald der Strahl aussetzt und die Nachleuchtdauer des Bild-schirms abgeklungen ist, verblasst das zuvor aufgezeichnete Bild und es kannerneut ein Spannungssignal im Bildschirmbereich aufgezeichnet werden.

Triggerung

Im Allgemeinen mochte man mit einem Oszilloskop periodische Signale dar-stellen. Legt man beispielsweise an den y-Eingang ein kontinuierliches Sinussi-gnal, so soll auf dem Schirmbild stets ein zeitlich konstanter Ausschnitt diesesSignals angezeigt werden. Damit man auf dem Leuchtschirm ein stillstehen-des Bild erhalt, muss die Periodendauer der Sagezahnspannung gleich oderein ganzzahliges Vielfaches von der Periodendauer des darzustellenden Sinussi-gnals betragen. Andere asynchrone Einstellungen der Perioden fuhren zu einemflackernden, unregelmaßigen Bild, da bei jedem Strahlvorlauf immer ein andererSignalbereich dargestellt wird (Abbildung 5).

Um stets ein stehendes Bild zu erhalten und unabhangig von den jeweiligenPeriodendauern zu sein, muss das zu messende Signal Uy(t) getriggert werden(Abbildung 6). Im Triggerbetrieb arbeitet das Oszilloskop nicht mit standig ab-laufenden Zeitablenksignalen. Die Sagezahnspannung wird erst dann generiert,wenn die Eingangsspannung einen bestimmten Wert (Triggerschwelle) uber-schreitet. Erst dann startet das Sagezahnsignal und der Strahl wird horizontalabgelenkt. Nachdem eine Periode des Sagezahnsignals vollstandig abgelaufen,d.h. die Sagezahnspannung wieder auf ihr Minimum zuruckgesprungen ist, ver-gleicht die im Oszilloskop eingebaute Triggerelektronik ob die darzustellendeEingangsspannung Uy genauso groß ist wie die Triggerschwelle. Ist dies nichtder Fall, so wird der Elektronenstrahl mit Hilfe des Wehneltzylinders schlagar-tig ausgeschaltet. Erst wenn die Eingangsspannung die Triggerschwelle wiedererreicht, wird der Elektronenstrahl eingeschaltet und der Sagezahngeneratorerneut gestartet, so dass ein neues Bild auf den Oszilloskopschirm geschrie-ben wird. Die Bilddarstellung beginnt demnach immer an der gleichen Stellebzw. bei der gleichen Phasenlage des Eingangssignals. Bei einem kontinuier-

2. Bild

1. Periode 2. Periode

t

t

Oszilloskop

1. Bild

Uy

Ux

t

t

Oszilloskop

2. Bild

b)

1. Bild

Uy

Ux

a)

2. Bild1. Bild

1. Periode 2. Periode

Abbildung 5: a) Das darzustellende Sinussignal Uy hat die gleiche Perioden-dauer wie die Sagezahnspannung. Dadurch wird bei jedem Strahlvorlauf dergleiche Signalbereich auf dem Oszillokopschirm dargestellt und es entsteht einstehendes Bild. b) Die Periode des Sinussignals stimmt nicht mit der Perioden-dauer des Sagezahns uberein. Dies hat zur Folge, dass bei jedem Strahlvorlaufein anderer Bereich des Sinussignals auf dem Schirm erfasst wird und so keinstehendes Oszilloskopbild moglich ist.

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2. Bild

1. Periode 2. Periode

t

t

Oszilloskop

1. BildUy

Ux

Triggerschwelle

Dunkeltastung

Abbildung 6: Prinzip der Triggerung: Der Sagezahngenerator wird erst danngestartet wenn das darzustellende Eingangssignal die Triggerschwelle erreicht.Nach Ablauf einer Sagezahnperiode wird der Elektronenstrahl dunkelgetastet.Erst wenn das Eingangssignal wieder die Triggerschwelle erreicht, wird dienachste Sagezahnperiode gestartet. Durch den Triggerbetrieb erhalt man stetsein stehendes Oszilloskopbild.

lich periodischen Eingangssignal ist somit immer der gleiche Signalauschnittals stehendes Bild auf dem Oszilloskop zu sehen.

Wenn im Folgenden von”triggern“ gesprochen wird, ist damit das Starten des

Sagezahngenerators und somit das Aufzeichnen eines einzelnen Oszilloskop-bilds gemeint. Das Einsetzen der Triggerung kann an den Einstellreglern desOszilloskops beeinflusst werden. So kann beispielsweise der Triggerlevel stufen-los eingestellt werden. Desweiteren kann auch die Triggerung zwischen steigen-der und fallender Flanke umgeschaltet werden. Wird die Einstellung

”steigende

Flanke“ gewahlt, so erfolgt die Triggerung nur dann, wenn das darzustellendeEingangssignal beim Erreichen der Triggerschwelle ansteigt. Wird auf die fal-lende Flanke getriggert, so erfolgt die Triggerung wenn das Eingangssignal Uy

die Triggerschwelle”von oben kommend“ durchlauft. In Abbildung 6 erfolgt

die Triggerung beispielsweise auf der steigenden Flanke der EingangsspannungUy. Auf die genaue Einstellung der Triggerparameter wird an spaterer Stellenoch detailliert eingegangen.

Bedienung des Oszilloskops

Der Leuchtschirm des Oszilloskops besitzt ein Koordinatensystem mit demSie die Signale leicht vermessen konnen. Zusatzlich befindet sich auf demBildschirm noch ein quadratisches Gitternetz bestehend aus acht mal zehnKastchen. Die Breite und Hohe eines Kastchens wird im folgenden als DIV be-zeichnet (DIV ist die englische Abkurzung fur

”division“ und bedeutet hier die

Unterteilung des Koordinatensystems des Bildschirms). Die horizontale undvertikale Achse des Koordinatenkreuzes besitzen zusatzlich noch eine Feinein-teilung von 0,2 DIV.

Die Frontplatte des Oszilloskops ist in vier Bereiche gegliedert:

Horizontalablenkung

Die Laufzeit des Elektronenstrahls uber die horizontale Bildschirmrichtung-und damit die Dauer der Vorlaufzeit der Sagezahnspannung- kann mit demSchalter TIME/DIV eingestellt werden. Der Schalter besitzt insgesamt 19 festkalibrierte Schaltpositonen. Die daneben stehenden Einheiten beziehen sichstets auf die Breite eines horizontalen Kastchens des Bildschirms. Die Ein-stellung 50 μs/DIV bedeutet z.B., dass der Elektronenstrahl 50 μs benotigtum ein Kastchen des Bildschirms in horizontaler Richtung zu durchlaufen. Mitdem hier im Praktikum eingesetzten Oszilloskop kann die horizontale Ablenk-

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Abbildung 7: Bedienfeld der Horizontalablenkung.

zeit im Bereich von 200 ns/DIV bis 200 ms/DIV eingestellt werden. Das sindimmerhin sechs Großenordnungen! Beachten Sie bei Zeitmessungen, dassdie Angaben am Regler nur dann geeicht sind, wenn der danebenliegende Einstellknopf auf der Position CAL steht (CAL=kalibriert).Diesen Einstellknopf sollten Sie nur dann verwenden, wenn keine Zeitmessun-gen durchzufuhren sind und Sie das Oszilloskopbild in horizontaler Richtungstauchen oder strecken mochten.Der Zeitwahlschalter besitzt am rechten Anschlag eine Position mit der Be-zeichnung X-Y. In dieser Stellung arbeitet das Oszilloskop nicht wie bisherbesprochen im yt-Betrieb sondern im xy-Modus. Dieser Betriebsmodus wirdweiter unten noch ausfuhrlich diskutiert.Ganz rechts im Bedienfeld befindet sich zusatzlich noch ein Einstellreglermit dem Sie das Oszilloskopbild in horizontaler Richtung verschieben konnen(⇐⇒). In Abbildung 7 sind die Bedienelemente fur die Zeitablenkung darge-stellt.

Vertikalablenkung

Alle Oszilloskope im Praktikum sind fur den Zweikanalbetrieb ausgelegt, d.h.sie konnen gleichzeitig zwei verschiedene Eingangssignale auf dem Leuchtschirmdarstellen. Die Frontplatte der Vertikalablenkung ist symmetrisch aufgebaut

(Abbildung 8). Die Bedienelemente der linken Seite sind fur den Kanal 1 aus-gelegt, die der rechten Seite fur den Kanal 2.

Abbildung 8: Bedienfeld der Vertikalablenkung.

Die Eingangssignale werden uber BNC- Buchsen an das Oszilloskop ange-schlossen. Die Beschriftung neben den Buchsen gibt den Eingangswiderstand,die Eingangskapazitat und die maximal erlaubte Eingangsspannung an. Ganzlinks, bzw. rechts fur den zweiten Kanal, befinden sich die Schalter fur dieEingangskopplung. Steht der Schalter auf GND (GND=Ground, Erde), so wirddie y-Ablenkung auf Erde gelegt. Der Strahl erfahrt dann keine y-Ablenkung.Die GND-Einstellung dient zur Eichung der Nulllinie. Mit dem Positionsregler �konnen Sie bei dieser Kopplung die Nulllinie so verschieben, dass diese im Ur-sprung des Koordinatenkreuzes liegt. Dies ist dann wichtig, wenn Gleichspan-nungen gemessen werden sollen, da in diesem Fall eine exakte Ausrichtung desNullpunkts erforderlich ist. Mochten Sie beispielsweise wie in Abbildung 9 dar-gestellt, eine Sinusspannung messen, die einen Gleichspannungsanteil besitzt,so ist dies nur bei der direkten Kopplung DC moglich. Bei der DC-Kopplung wirddas Eingangssignal direkt, ohne weitere Beeinflussung, wie z.B. Filterung, andie y-Ablenkung gelegt. Mochten Sie bei dieser Kopplung quantitative Messun-gen durchfuhren, mussen Sie aber zuvor den Nullpunkt mit Hilfe der KopplungGND einstellen. In den meisten Fallen ist man aber nur an den Anderungen ei-nes Signals interessiert, d.h. am Wechselspannungsanteil. Um nur diesen Anteildarzustellen muss der Schalter auf die Position AC1 gelegt werden. Bei dieserKopplung wird zusatzlich ein Hochpassfilter zugeschaltet, der etwaige Gleich-

1AC: alternating current (Wechselsstrom), DC: direct current (Gleichstrom), ACDC: ge-niale Rockband.

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spannungsanteile ausfiltert. Bei der AC-Kopplung wird auf dem Oszilloskop-schirm dann nur das Sinussignal ohne den Gleichspannungsanteil dargestellt(Abbildung 9 Mitte).

t

Uy Kopplung: DC

t

Uy Kopplung: AC

Gleichspannungs-anteil

t

Uy Kopplung: Gnd

Position

Abbildung 9: Auswirkungen der verschiedenen Eingangskopplungen. Bei derDC-Kopplung wird sowohl der Gleichspannungs- als auch der Wechselspan-nungsanteil auf dem Schirm angezeigt, wahrend bei der AC-Kopplung nurder Wechselspannungsanteil des Eingangssignals dargestellt wird. In der GND-Einstellung wird die y-Ablenkung geerdet. Mit dem Positionsregler kann zurFestlegung des Nullpunkts die Nulllinie vertikal verschoben werden.

Mit dem Oszilloskop sollen Spannungspegel uber mehrere Dekaden gemessenwerden konnen. Da zur maximalen Strahlablenkung in y-Richtung aber im-mer die gleiche Maximalspannung an den y-Ablenkplatten anliegen muss, kanndie zu messende Eingangsspannung nicht direkt an die y-Ablenkplatten ge-legt werden. Sollen sehr kleine Spannungen dargestellt werden, so mussen dieseverstarkt werden, damit der Spannungsverlauf moglichst den gesamten Bild-schirm in y-Richtung ausfullt. Bei der Darstellung von sehr hohen Spannungenmussen diese entsprechend abgeschwacht werden. Zu diesem Zweck ist zwi-schen der Eingangsbuchse und den y-Ablenkplatten eine interne Elektronikzwischengeschaltet, mit dessen Vorwahlschalter der y-Ablenkkoeffizient einge-stellt werden kann. Dieser Vorwahlschalter befindet sich auf der Frontplatterechts neben dem Schalter fur die Eingangskopplung. Bei dem hier verwen-deten Oszilloskop kann der Ablenkkoeffizent im Bereich von 5 mV/DIV bis5 V/DIV in zehn Stufen eingestellt werden. Die Einheit am Schalter beziehtsich, wie bei der Zeitablenkung, auf ein Kastchen des Oszilloskopschirms; dies-mal aber in vertikaler Richtung. 50 mV/DIV bedeutet beispielsweise, dass derElektronenstrahl eine Signalanderung von 50 mV benotigt, um ein Kastchen

in vertikaler Richtung zu durchlaufen. Im Zentrum des y-Vorwahlschalters istein weiterer Regler eingebaut, mit dem Sie den y-Ablenkkoeffizient stetig, aberungeeicht verandern konnen. Uberprufen Sie bei quantitativen Messungen, dassdieser zweite Regler stets auf der Position CAL steht. Nur dann sind die Zah-lenangaben am Vorwahlschalter geeicht.

In der Mitte der Frontplatte der Verikalablenkung, befindet sich ein weite-rer Schalter der Bezeichnung MODE, mit dem Sie die Darstellung der beidenSignalspannungen auf dem Oszilloskop einstellen konnen. Die moglichen Ein-stellungen sind CH1, CH2 bei den jeweils nur der entsprechende Kanal auf demSchirm dargestellt wird (Einkanalbetrieb). In der Stellung DUAL werden beideKanale gleichzeitig angezeigt und in der Stellung ADD erscheint die algebraischeSumme der beiden Eingangssignale.

Display

Der Bedienbereich der Frontplatte fur den Bildschirm enthalt den Netzschaltersowie die Einstellregler FOCUS und INTEN, mit denen die Scharfe und Intensitatdes Bildes eingestellt werden konnen. Zusatzlich ist auch noch ein Kalibrie-rungsanschluss PROBE ADJUST fur Tastkopfe vorhanden. An diesem Anschlussliegt ein Rechtecksignal mit einer Frequenz von 1 kHz an.

Triggerung

Mit dem Potentiometer Level kann die Triggerschwelle stufenlos eingestelltwerden. Zusatzlich besitzt das Potentiometer einen eingebauten Schalter mitdem Sie die Triggerflanke wahlen konnen. Bei herausgezogenem Drehknopf wirdauf die fallende Flanke getriggert, bei gedrucktem Knopf auf die steigende.Rechts daneben befindet sich der Schalter MODE fur den Triggermodus. Bei derStellung NORM kann die Triggerung der Zeitablenkung an jeder Stelle der Si-gnalflanke durch Variierung der Triggerschwelle erfolgen (Abbildung 6). Ist derTriggerlevel zu hoch oder zu tief eingestellt, so dass das Eingangssignal diesenWert nicht erreichen kann, entsteht im Allgemeinen kein stehendes Bild. Dieautomatische Triggerung (Schalterstellung AUTO) hat bei dem hier verwende-ten Oszilloskop im Wesentlichen die gleiche Funktion wie die normale Trigge-rung NORM. Der einzige Unterschied bei dem hier verwendeten Oszilloskop liegtdarin, dass der Elektronenstrahl nicht dunkelgetastet wird, wenn das Signalaußerhalb der Triggerschwelle liegt oder kein Signal angeschlossen ist. Bei bes-seren Oszilloskopen bewirkt die automatische Triggerung zusatzlich, dass die

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Triggerschwelle automatisch eingestellt wird. Der Level- Einstellregler wirddann nicht mehr benotigt. Diese beiden internen Triggermethoden werden amhaufigsten verwendet. Zusatzlich besitzt das Oszilloskop noch die Triggerungen:TV-H und TV-V. Bei diesen Schalterstellungen sind Triggerungen mittels Bild-oder Zeilensynchronimpulsen von Monitoren bzw. Fernsehgeraten moglich. ImPraktikum werden diese Einstellungen nicht benotigt.

Abbildung 10: Bedienfeld der Triggerung. Der Schalter SOURCE steht auf derPosition EXT und der Schalter MODE auf TV-H.

Mit dem Schalter ganz rechts am Trigger- Bedienfeld konnen Sie die Trig-gerquelle auswahlen (SOURCE). Prinzipiell unterscheidet man zwischen internerund externer Triggerung. Die interne Triggerung, bei dem direkt auf das y-Eingangssignal getriggert wird, wurde bereits oben diskutiert. Im Zweikanal-betrieb konnen Sie am Schalter auswahlen, ob auf Kanal 1 (CH1) oder Kanal 2(CH2) getriggert werden soll. Im Einkanalbetrieb mussen Sie den Schalter aufden Kanal einstellen, an dem das Eingangssignal angeschlossen ist. Zusatzlichsind noch zwei weitere Triggerquellen moglich. In der Schalterstellung (LINE)wird auf die Frequenz des Stromnetzes (in Deutschland 50 Hz) getriggert. Dieswird aber nur selten benotigt und soll hier nicht weiter diskutiert werden.

Weitaus wichtiger ist die externe Triggerung. In diesem Modus (Schalterstel-lung EXT) wird der Trigger nicht selbst durch das Eingangssignal Uy ausgelost,sondern durch ein externes Signal, das an die unter dem Schalter liegende BNC-Buchse angeschlossen wird, ausgelost.

Das Oszilloskop im xy-Betrieb

Es ist nicht unbedingt notwendig, dass die x-Achse immer die Zeitachse dar-stellt. Im xy-Modus (Position X-Y des Zeitwahlschalters in Abbildung 7) wirdein Spannungssignal Uy als Funktion eines anderen Signals Ux dargestellt.Auf dem Schirm erscheint dann die Leuchtspur des Signals Uy(Ux). Im xy-Modus wird der Sagezahngenerator, der im yt-Betrieb fur die Zeitablenkungverantwortlich ist, intern ausgeschaltet und stattdessen das Ux-Signal an diex-Ablenkeinheit gelegt. In y-Richtung folgt der Strahl der Spannung Uy (An-schluss an die BNC-Buchse CH2) und in x-Richtung dem Signal Uy (BuchseCH1). Der Leuchtschirm stellt somit die senkrechte Uberlagerung der beidenEingangsspannungen dar.

Der xy-Betrieb ist besonders zur Darstellung der Phasenverschiebung zwei-er Signale geeignet. Bei der senkrechten Uberlagerung zweier Sinussignale dergleichen Frequenz entsteht im xy-Modus eine Ellipse2. In Abbildung 11 ist dasZustandekommen dieser sogenannten Lissajous- Figur skizziert. Sind die Am-plituden gleich groß, so hangt die Form der Lissajous- Figur von der Phasen-verschiebung ab. In der Abbildung sind unten links die Lissajous- Figuren furPhasenverschiebungen zwischen 0◦ und 180◦ skizziert. Bei verschieden großenAmplituden erhalt man statt eines Kreises eine Ellipse. Sind die Frequenzennicht gleich groß, so entstehen komplexere Formen, die ebenfalls von der Pha-se abhangen. Außerdem erhalt man nur dann ein stehendes Bild, wenn dieFrequenzen in einem rationalen Verhaltnis stehen. In Abbildung 11 sind dieLissajousfiguren fur die Frequenzverhaltnisse 2:1, 3:1 und 3:2 eingezeichnet.Das Frequenzverhaltnis kann aus den Lissajousfiguren unmittelbar abgelesenwerden. Denkt man sich die Figur in ein enganliegendes Rechteck eingebettet,so gibt die Anzahl der Beruhrpunkte der Lissajous- Figur mit einer horizontalenbzw. einer vertikalen Seite des Rechtecks, das Frequenzverhaltnis wieder. DieBeruhrungspunkte sind in Abbildung 11 unten rechts durch Pfeile angedeutet.

2Eine Gerade und ein Kreis sind Spezialfalle einer Ellipse bei denen entweder eine Haupt-achse Null ist oder beide Hauptachsen gleich groß sind.

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1

2

3

4

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1

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2

3

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3

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1

2

3

4

1

1

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3

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3

4

t

t

t

t

0° 45° 90° 135° 180° f : f =3:1, =45°� f : f =3:2, 0°�=1 2 1 2

f : f =1:1, =90°�1 2f : f =1:2, =45°�1 2

Abbildung 11: Durch die senkrechte Uberlagerung zweier Sinussignale entstehenim xy-Betrieb Lissajous- Figuren. In der linken Bildhalfte sind die Frequenzender Sinussignale gleich groß. Die Form der Lissajous- Figur hangt dann nurvon der Phase und der Amplitude der beiden Signale ab. Bei unterschiedlichenFrequenzen (rechte Bildhalfte) entstehen komplexere Formen und nur dann einstehendes Bild, wenn die Frequenzen in einem rationalen Verhaltnis zueinanderstehen. Das Frequenzverhaltnis kann dann aus der Anzahl der

”Knoten“ in

vertikaler und horizontaler Richtung abgelesen werden. Im Beispiel rechts untensind die Knoten durch Pfeile angedeutet. Das Frequenzverhaltnis betragt hierdemnach 3:2.

VII Durchfuhrung des Versuchs

Wichtige Vorbemerkung: Bitte stellen Sie die Intensitat des Elektronen-strahls uber einen langeren Zeitraum nicht zu stark ein, da sonst der Leucht-schirm beschadigt werden kann. Die Helligkeit ist so zu wahlen, dass das Bildgerade gut zu erkennen ist. Dies gilt vor allem im xy-Betrieb, wenn keine Si-gnalquelle angeschlossen ist.

1. Bedienung des Oszilloskops

Machen Sie sich zunachst mit den Bedienelementen des Oszilloskops vertraut.

Schalten Sie das Gerat, ohne Eingangssignal ein und untersuchen Sie die Aus-wirkungen der Einstellregler FOCUS und INTEN sowie der Positionsregler fur diex- und y-Richtung. Beachten Sie, dass ohne ein Eingangssignal die Nulllinie nurdann auf dem Schirm erscheint, wenn der Trigger MODE Schalter auf AUTO steht.Schalten Sie zum Vergleich auf die Stellung Norm und verandern Sie die Trig-gerschwelle mit dem Einstellregler LEVEL. Es wird keine Linie auf dem Schirmangezeigt.

2. Prinzip der Triggerung

Schließen Sie den Funktionsgenerator an einen der beiden y-Eingange an. AlsSignalform wahlen Sie am Funktionsgenerator die Stellung Sinus mit einer Fre-quenz von ca. 100 Hz. Wenn Sie nun den Trigger richtig eingestellt haben,sollten Sie ein stehendes Bild der Sinusspannung erkennen. Untersuchen Siedie Auswirkungen der Schalter fur den vertikalen und horizontalen Ablenkko-effizienten, VOLTS/DIV und TIME/DIV, sowie der Positionsregler fur die x- undy-Richtung.

Schalten Sie nun die Triggerung ab, in dem Sie z.B. den Schalter Trigger-SOURCE auf den Kanal einstellen an dem keine Eingangsspannung anliegt. Furdie Zeitablenkung am Oszilloskop wahlen Sie 1 ms/DIV und fur den Trigger-MODE AUTO. Sie werden bei dieser Einstellung in der Regel kein stehendes Bilderkennen. Nur fur den Fall, bei dem die Periode des Eingangssignal genau sogroß oder ein Vielfaches der Periode der Sagezahnspannung ist, liegt eine Syn-chronisation vor und das Bild steht still (Abbildung 5). Uberprufen Sie dies,indem Sie die Frequenz am Funktionsgenerator langsam verstellen bis das Bildnicht mehr wandert und eindeutig angezeigt wird. Notieren Sie den gefunde-nen Wert und vergleichen Sie diesen mit der Frequenz der Sagezahnspannung.Warum sind die beiden Werte nicht identisch? Uberzeugen Sie sich auch, dassdie nachste vernunftige Synchronisation erst bei der doppelten Frequenz desEingangssignals erfolgt.

Ohne Triggerung erhalten Sie also nur dann ein stehendes Bild, wenn diex-Ablenkung synchron mit der Eingangsspannung erfolgt. Im Triggerbetrieberhalt man aber in der Regel immer ein vernunftiges Bild. Schalten Sie nunden Trigger wieder ein, indem Sie jetzt die richtige Triggerquelle wahlen.Uberzeugen Sie sich, dass auch dann ein stehendes Bild erscheint, wenn keineSynchronisation vorliegt. Dazu verstellen Sie wieder die Frequenz am Funkti-onsgenerator. Es sollte stets ein stehendes Bild erscheinen. Untersuchen Sie nundie Auswirkungen des Einstellreglers LEVEL und des Schalters fur die Trigger-

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flanke. Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse dieses Abschnitts in Ihr Protokoll-heft.

3. Amplituden- und Zeitmessung

Verbinden Sie den Ausgang des Signalgenerators mit dem Oszilloskop unddie Versorgungsspannungsbuchse mit dem Netzteil. Der Signalgenerator er-zeugt mehrere Signale mit unterschiedlicher Frequenz und Amplitude. Mit demDrehschalter konnen die einzelnen Signale ausgewahlt werden. Achten Sie dar-auf, dass der zusatzliche Umschalter auf der oberen Position (�) steht. Nur inder Schalterstellung 5 ist der Umschalter nach unten zu kippen. Messen Sie furjede Schalterstellung die folgenden Großen:

a) Periodendauer bzw. Frequenz.b) Spitze-Spitze Spannung USS sowie falls vorhanden den Gleichspannungsan-teil.c) In der letzten Schalterstellung wird ein Signal erzeugt, dass periodisch ex-ponentiell abfallt und danach wieder exponentiell ansteigt. Schalten Sie dazuden Umschalter auf die untere Position. Messen Sie entweder fur die abfallendeoder ansteigende Flanke, die Zeit die das Signal benotigt bis die halbe Span-nung USS erreicht wird (Halbwertszeit).

Benutzen Sie bei diesen Messungen die unterschiedlichen Eingangskopplungensowie die x- und y-Positionsregler. Um den Ablesefehler moglichst klein zu hal-ten, mussen die vertikalen und horizontalen Ablenkkoeffizienten, VOLTS/DIVund TIME/DIV, so eingestellt werden, dass das Signal auf dem Oszilloskopmoglichst den gesamten Bildschirm ausfullt. Uberzeugen Sie sich, bevor Siemessen davon, dass alle relevanten Regler auf CAL stehen. Der betreuende As-sistent wird Ihnen bei den Einstellungen behilflich sein.

4. Zweikanalbetrieb

Stellen Sie am Funktionsgenerator ein Sinussignal mit einer Frequenz vonca. 10 kHz und einer Amplitude von ungefahr 1 VSS ein. Die Amplitude soll-ten Sie mit dem Oszilloskop nachmessen. Schließen Sie nun an den Eingangdes Phasenschiebers den Funktionsgenerator an. Die Versorgungsspannungs-buchse ist mit dem Netzteil zu verbinden. Der Phasenschieber liefert an denbeiden Ausgangsbuchsen zwei sinusformige Wechselspannungen mit der glei-

chen Frequenz wie die Eingangsspannung vom Funktionsgenerator, aber miteiner einstellbaren Phasenverschiebung zwischen 0◦ und 180◦. Zusatzlich kannfur jedes Sinussignal auch noch die Amplitude variiert werden. Schließen Siedie Ausgange des Phasenschiebers an die beiden y-Eingange des Oszilloskopsan und stellen Sie den Darstellungsmodus so ein, dass beide Signale gleichzeitigzu sehen sind. Beobachten Sie zunachst qualitativ was passiert, wenn Sie diePhasenlage sowie die Amplituden der beiden Signale verstellen. Schalten Sienun auf den xy-Betrieb (Position X-Y des Zeitwahlschalters in Abbildung 7)und stellen Sie die Ausgangsspannung am Funktionsgenerator so ein, dass dieEllipse moglich den gesamten Bildschirm ausfullt. Untersuchen Sie nun wiederqualitativ die Auswirkungen der Einstellregler auf das Oszilloskopbild. Skizzie-ren Sie Ihre Beobachtungen in das Protokollheft.

a b x

y

sin �� ab

t

U

�t � ��� �f t

Abbildung 12: Messung der Phasenverschiebung im xy-Betrieb und yt-Modus.Im xy-Betrieb konnen Sie die Phase aus den Abstanden a und b bestimmen.Im yt-Modus erfolgt die Phasenbestimmung beispielsweise durch Messung desZeitabstands der Nulldurchgange.

Messen Sie nun fur zwei verschiedene Einstellungen des Potentiometers fur diePhaseneinstellung, die Phasenverschiebung der beiden Signale sowohl im xy-als auch im yt-Betrieb. Die Bestimmung des Phasenwinkels ist in Abbildung 12erlautert.

Beobachten Sie anschließend die Lissajousfiguren von zwei Sinussignalen un-terschiedlicher Frequenz. Benutzen Sie dazu den Funktionsgenerator zusam-men mit den zusatzlichen Sinusgenerator (vergessen Sie nicht den Netzschalterauf der Ruckseite des Sinusgenerators einzuschalten). Wann erhalten Sie ste-

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hende Figuren auf dem Oszilloskop? Skizzieren Sie diese fur zwei verschiedeneFrequenzwerte in Ihr Protokollheft und notieren Sie die Frequenzwerte.Schließen Sie den Sinusgenerator an einen Kanal des Oszilloskops an. Der Funk-tionsgenerator verbleibt am anderen Kanal. Bestimmen Sie die Frequenz desSinusgenerators, in dem Sie mit Hilfe des Funktionsgenerators, geeignete Lis-sajousfiguren auf dem Oszilloskop einstellen (siehe dazu Abbildung 11 rechtsunten). Zur Uberprufung messen Sie die Frequenz im yt- Betrieb nach.

VIII Auswertung

zu Aufgabe 2:

Fassen Sie Ihre Beobachtungen bezuglich der Synchronisation und der Trigge-rung zusammen und gehen Sie dabei auf die im Aufgabenteil gestellten Fragenein.

zu Aufgabe 3:

Fertigen Sie eine Tabelle an, die folgende Spalten besitzt: Skizze der Signalformder Eingangsspannung, Periode, Frequenz, USS , Maximalspannung, Minimal-spannung, Gleichspannungsanteil sowie fur die exponentiell abfallende Span-nung noch die Halbwertszeit. Tragen Sie fur jede Signalform ihre Messwerteund die dazugehorigen Messfehler in die Tabelle ein und berechnen Sie dierestlichen Großen.

zu Aufgabe 4:

Berechnen Sie die Phasenverschiebung unter Berucksichtigung der Messfehlerfur die Messung im xy-Betrieb und yt-Modus. Welche Messmethode ist genau-er? Welche Vorteile besitzt die andere Messmethode?Erlautern Sie Ihr Vorgehen bei der Messung der Frequenz des Sinusgeneratorsmit Hilfe von Lissajousfiguren. Wie groß ist die Frequenz, die Sie im xy-Betrieb(mit Fehlerangabe) und yt-Modus bestimmt haben. Wovon hangt der Messfeh-ler der Frequenzbestimmung im xy-Betrieb ab?

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Versuch 26

Schallgeschwindigkeit

Stethoskop

Quincke'schesRohr

Stimmgabel

Handrad zumHeben und Senkendes Wasserpegels Wasserspiegel

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Schallgeschwindigkeit Teil I.

SinusgeneratorOszilloskop

Kasten mit Schalldämmung,eingebautem Lautsprecherund verschiebbarem Mikrofon

Stimmgabel

Taster

Abbildung 2: Aufbau des Versuchs Schallgeschwindigkeit Teil II.

I Messaufbau

Versuchsaufbau I

• Steigrohr mit Stethoskop

• Ausgleichsgefaß fur Wasser

• Gummihammer

• Stimmgabel

• Gasflasche mit Kohlendioxid, Reduzierventil, Drucktastenventil undZufuhrungsschlauchen fur das Gas; Streichholzer zur Kontrolle

Versuchsaufbau II

• Oszillograph HM 512

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• Sinusgenerator mit den Frequenzen 2 kHz, 5 kHz, 10 kHz

• Kasten mit Schalldammung, darin eingebaut: Lautsprecher und ein ver-schiebbares Mikrofon

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Grundlagen uber Wellen (transversale und longitudinale Wellen, stehende undfortschreitende Wellen, Reflexion von Wellen, Schallausbreitung, Quincke’schesRohr. Desweiteren sind Grundkentnisse in der Bedienung und dem Funktions-prinzip eines Oszilloskops notwendig. Informationen diesbezuglich entnehmenSie der Versuchsbeschreibung: Versuch 25, Oszilloskop, und der angegebenenLiteratur.

Verstandnisfragen:

1. Was ist Schall? Beschreiben Sie den physikalischen Charakter einer Schall-welle. Warum kann es in Flussigkeiten und Gasen keine Transversalwellengeben (hochstens an Grenzflachen)? Welchen Frequenzbereich kann derMensch horen? Was ist die Großenordnung der Wellenlangen?

2. Welche Parameter eines Materials bestimmen die Schallgeschwindigkeit?

3. Warum ist die Schallgeschwindigkeit in Flussigkeiten oder Festkorperngroßer als in Gasen?

4. Zur Schallgeschwindigkeit in Gasen: Hat die Ausbreitungsgeschwindig-keit etwas mit der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung der Gasato-me/Gasmolekule zu tun?

5. Was ist eine stehende Welle und wie kann man sie erzeugen?

6. Wie hangen Wellenbauch-Wellenknoten und Druckbauch-Druckknoten zu-sammen? Welche Situation liegt also im Resonanzfall am geschlosse-nen/offenen Ende vor?

7. Eine andere Moglichkeit die Schallgeschwindigkeit zu bestimmen, ist dieMessung der Wellenlange einer fortlaufenden Schallwelle mittels der Pha-senverschiebung zwischen Lautsprecher und Mikrophon. Wieso genugt eshier nicht, allein das Signal des Mikrophons zu beobachten?

8. Wieso kann ich jemanden hinter einem (großen) Baum horen aber nichtsehen? Welche Materialien eignen sich gut fur die Schallabsorption (ver-gleiche Tonstudio)?

IV Aufgabe

• Die Schallgeschwindigkeit in Luft und in Kohlendioxid ist durch Beobach-tung stehender Wellen im Quincke’schen Rohr zu bestimmen.

• Die Anderung der Laufzeit einer Schallwelle zwischen dem Lautspre-cher und dem Mikrofon wird in Abhangigkeit des Abstandes Mikrofon-Lautsprecher gemessen; diese Messung wird nur fur Luft durchgefuhrt.

V Grundlagen

Die Schallgeschwindigkeit in Gasen kann mit Hilfe stehender Wellen gemessenwerden. Dazu benotigt man einen Schallgeber (Stimmgabel) und ein Rohr, andessen Ende sich ein Reflektor (Wasser) befindet (Quincke’sches Rohr). Dievon der Stimmgabel ausgehende Schallwelle trifft auf die Wasseroberflache undwird an dieser reflektiert. Die reflektierte Welle interferiert mit der einfallen-den, so dass es zur Ausbildung einer stehenden Welle kommen kann. Beruck-sichtigt man, dass die schwingende Luftsaule am Ort des Schallgebers einenWellenbauch und am Reflektor einen Wellenknoten aufweist, so gilt im Fallder Resonanz fur den Abstand h der Luftsaule (Abstand zwischen Sender undEmpfanger):

h =2n + 1

4λ, (1)

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Wassersäule

h

Stimmgabel

Abbildung 3: Stehende Welle im Quin-ckeschen Rohr.

wobei fur n ∈ N gilt und λ die Wellenlange bezeichnet.Die Schallgeschwindig-keit c ist mit λ und der Frequenz ν durch c = νλ verknupft. Uberlegen Sie sich,dass nur im Resonanzfall die Tonintensitat einen erheblichen Wert erreicht unddass nicht etwa beim Heben des Wasserspiegels, Maxima und Minima an deroberen Rohroffnung vorbeiwandern. Die Scharfe der Resonanz hangt von derDampfung des Resonators ab (siehe Versuch 13). Durch Variierung der Reso-natorlange h kann so ein ein Lautstarkemaximum eingestellt werden und damitindirekt uber die Wellenlange λ, die Schallgeschwindigkei c bestimmt werden.

Eine weitere Moglichkeit die Schallgeschwindigkeit in Gasen zu bestimmen, istdie Laufzeitmessung einer fortschreitenden Schallwelle. Bei diesem Experimentbefindet sich ein Mikrofon in einem einstellbarem Abstand von einem Lautspre-cher entfernt. Als Signalquelle fur den Lautsprecher wird ein Sinusgeneratorverwendet. Das Signal des Sinusgenerators wird gleichzeitig an den Lautspre-cher und an ein Oszilloskop angeschlossen. Die Signalzufuhr zum Lautsprecherkann durch einen Taster unterbrochen werden. Der Lautsprecher konvertiertdas Signal des Sinusgenerators in eine Schallwelle gleicher Frequenz, die sichmit der zu bestimmenden Schallgeschwindigkeit c ausbreitet. Nach Durchlau-fen einer einstellbaren Strecke h gelangt die Schallwelle zu einem Mikrofon woes in ein proportionales elektrisches Signal umgewandelt wird an den zweitenKanal des Oszilloskops dargestellt wird. Auf dem Oszilloskop werden nun zwei

10 kHz

h

Lautsprecher

Sinusgenerator

Taster

Mikrofon

Abbildung 4: Skizze zum Versuchsaufbau II.

Signale dargestellt. Kanal 1 zeigt das Signal des Sinusgenerators, das direkt denLautsprecher ansteuert, Kanal 2 zeigt das um die Schallgeschwindigkeit zeit-verzogerte Signal des Mikrofons. Um nun die Schallgeschwindigkeit zu bestim-men, misst man die Phasenverschiebung der Signale. Das vom Sinusgeneratorin das Oszilloskop direkt eingespeiste Signal wird nahezu ohne Zeitverzogerungdargestellt. Dagegen benotigt das Signal, das vom Lautsprecher zum Mikrofonlauft, die Zeit

τ = h/c. (2)

Hieraus kann durch Messung der Laufzeit der Schallwelle zwischen Lautspre-cher und Mikrofon und durch Messung der Laufstrecke h die Schallgeschwin-digkeit mit Hilfe eines Oszilloskops bestimmt werden.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

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2. Messung der Schallgeschwindigkeit in Luft und CO2 mit dem Quin-cke’schen Rohr

Das Quincke’sche Rohr ist zunachst mit Luft gefullt. Die Stimmgabel wirdangeschlagen und durch Heben und Senken des Wasserspiegels die effektiveLange des Rohres variiert. Bei bestimmten Hohen wird die Resonanzbedingungerfullt. In diesem Fall ist ein deutlicher Ton zu horen (Lautstarkemaxima). ZurVermeidung psychologischer Nachwirkungen beim Einstellen blickt derjenige,der die Resonanz aufsucht, nicht auf die Skala; die Ablesung erfolgt durch denPartner. Suchen Sie die Positionen der Lautstarkemaxima auf. Jede Einstellungist von jedem Partner 5 mal zu wiederholen. Notieren Sie sich die Frequenz derStimmgabel.

Messen Sie die Schallgeschwindigkeit in CO2: Drehen Sie den Flussigkeitsspiegelganz nach unten und platzieren Sie den CO2 Einfullschlauch etwas uber derWasseroberflache, so dass das spezifisch schwerere CO2 die Luft aus dem Rohrvon unten nach oben verdrangen kann. Durch Betatigung des Drucktastenventilwird die Rohre mit CO2 befullt. Es ist wichtig, dass die gesamte Rohre nur mitCO2 gefullt ist und kein Luftanteil mehr vorhanden ist. Als Probe kann manein brennendes Streichholz verwenden, das bei vollstandiger Befullung mit CO2

sofort erlischt. Falls Sie wahrend der Messung den Wasserspiegel absenken, somussen Sie die dadurch angesaugte Luft durch erneutes Nachstromenlassen vonGas verdrangen.

Die Bestimmung der Resonanzstellen der schwingenden CO2-Saule erfolgt wiebei der Messung in Luft. Notieren Sie sich zur Umrechnung der gemessenenSchallgeschwindigkeiten auf Normalbedingungen die Raumtemperatur! NachVersuchsende das Hauptventil schließen und den Wasserspiegel wieder ganznach unten absenken!

3. Teil II Bestimmung der Schallgeschwindigkeit durch eine Lauf-zeitmessung

a) Der Messaufbau befindet sich im Nebenzimmer! Zur Bedienung des Os-zilloskops: Die Messung wird mit einer Frequenz von 10 kHz durchgefuhrt. Dievom Frequenzgenerator erzeugte Wechselspannung wird auf den Lautsprecherund auf Kanal 1 des Oszilloskops (Trig. Ausg.-Buchse am Frequenzgenerator)gegeben.

Ein Schwingspulenmikrofon empfangt die Schallwelle und wandelt sie in ei-ne Wechselspannung von 10 kHz um, die auf den y-Eingang des Kanal 2 des

Oszilloskops angeschlossen wird.

Abbildung 5: Oszilloskop zur Messung der Phasenverschiebung.

Uberprufen Sie, ob der innere rote Drehknopf des TIME / DIV.-Einstellreglersin der Stellung CAL. steht, d.h der Pfeil nach links zeigt. Nur dann sind dieZeitangaben am Einstellknopf kalibriert (Abbildung 5).Beim Drucken der Tasters sollten auf dem Oszilloskop zwei Sinussignale sicht-bar sein. Stellen Sie mit Hilfe des Spannungsbereichsschalters und der Ablenk-geschwindigkeit das Bild der Sinusspannung in der gewunschten Große ein undlegen Sie einen markanten Signalpunkt (z.B. Nulldurchgang) auf irgendeinenRasterpunkt des Oszillographenschirmes. Vergroßert man den Abstand zwi-schen Mikrofon und Lautsprecher, so wandert das Signal auf dem Oszilloskopnach rechts: die Phase der am Mikrofon einlaufenden Welle verschiebt sichgegenuber der Phase der am Kanal 1 anliegenden Sinusspannung. Entsprichtdie Abstandsanderung gerade einer Wellenlange, so ist das Signal auf demSchirm entsprechend der um τ = λ/c vergroßerten Laufzeit, um eine Periodeverschoben (Phasenverschiebung 360◦). Bestimmen Sie zweimal alle Abstandezwischen Mikrofon und Lautsprecher, bei denen das Oszilloskopbild um jeweilseine Periode weitergewandert ist.

b) Bestimmen Sie aus der eingestellten x-Ablenkgeschwindigkeit durch Ablesender Periodenlange die Frequenz ν des Frequenzgenerators.

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4. Beobachten Sie zum Schluss das Spektrum Ihrer Stimme auf dem Oszil-loskop. Dazu Deckel des Kastens offnen.

5. Falls Sie die Phase genauer messen mochten, lesen Sie die Bemerkung imAnhang.

6. Der Frequenzgenerator liefert auch Sinussignale mit 2 kHz und 5 kHz. Siekonnen sich damit uberzeugen, dass die Schallgeschwindigkeit nicht von derFrequenz abhangt (qualitative Messung).

VII Auswertung

zu 2: Aus den gemessenen Hohen der Luftsaule im Resonanzfall ist die Schallge-schwindigkeit in Luft bzw. Kohlendioxid zu bestimmen; dabei benutzen Sie nurdie Hohendifferenzen. Die Schallgeschwindigkeit in Gasen ist durch die folgendeFormel wiedergegeben:

c =

√κRT

M(3)

wobei κ den Adiabatenkoeffizienten (fur Luft κ=1,40, fur CO2 κ = 1, 30), Rdie allgemeine Gaskonstante, T die Temperatur des Gases in Kelvin und M dieMolekulmasse (Luft: M=29 g/mol, CO2: M=44 g/mol) bezeichnen.

Zur Umrechnung der gemessenen Schallgeschwindigkeit auf Normalbedingun-gen benutzen Sie die Gleichung:

c0

c=

√T0

T. (4)

Benutzen Sie diese Formel, um die bei Zimmertemperatur gemessenen Werteauf 0◦C umzurechnen. Vergleichen Sie weiterhin das Verhaltnis der gemessenenSchallgeschwindigkeiten cLuft/cCO2

fur die beiden Gase mit dem entsprechen-den Wert den Sie aus Gleichung (3) gewinnen.

zu 3: Berechnen Sie den Mittelwert von λ und dessen Fehler. Fur die Berech-nung der Schallgeschwindigkeit gemaß

c = νλ (5)

verwenden Sie den sehr viel genaueren Wert von 10 kHz, der am NF-Generatorfest eingestellt werden kann. Auch hier wieder c auf Normalbedingungen um-rechnen.

VIII Anhang

Beim Aufsuchen der Abstande an denen die Phase gerade um 360◦ verschobenist, d.h. das Schirmbild wieder gleich aussieht, werden Sie festgestellt haben,dass dies nicht sehr genau durchzufuhren ist. Bei einer Ablenkung von 30 μs/cmist der Abstand zwischen zwei Nulldurchgangen (d.h. 180◦) ca. 17 mm. EinAblesefehler von 1 mm entspricht in diesem Fall einem Phasenfehler von ±10◦.Falls man wie hier die Phase zweier Sinussignal gleicher Frequenz vergleichenwill, gibt es ein empfindlicheres Verfahren: Man gibt das eine Signal auf die Y-Ablenkplatten und das andere anstelle des Sagezahns auf die X-Ablenkplatten.Dazu mussen Sie das Oszilloskop durch Drucken der Taste X - Y in den XY-Modus schalten. Auf dem Schirm entsteht eine sogenannte Lissajous-Figur.Die vertikale und horizontale Große der Ellipse konnen Sie mit den beidenY-Reglern einstellen.

Gehen wir zunachst zur Vereinfachung davon aus, dass die beiden Amplitudengleich groß sind, so hat der Leuchtpunkt in jedem Augenblick die Koordinaten

x = a sin(ωt) (6)

y = b sin(ωt + α), (7)

wobei α den Phasenwinkel zwischen den beiden Signalen beschreibt. Die Figurist in einem Quadrat der Seitenlange 2a eingeschlossen (Abbildung 6).

0° 45° 90° 135° 180°

2a

Abbildung 6: Lissajous- Figuren bei unterschiedlichen Phasenwinkeln.

Einige Spezialfalle:

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α = 0◦, y = x: der Strahl lauft auf einer Diagonalen des Quadrates hin undher.

α = 180◦, y = −x: der Strahl lauft auf der orthogonal entgegengesetzten Dia-gonalen.

α = 90◦(−90◦), y = x: der Strahl beschreibt eine rechts- oder linkslaufendeKreisbahn.

Im allgemeinen Fall handelt es sich um in einem Quadrat einbeschriebene El-lipsen, deren Hauptachsen in Richtung der Diagonalen sind. Fur 2a=4 cm undα=10◦ ergibt sich fur die kleine Hauptachse 0,3 cm, d.h. die Ellipse ist ca. 0,5cm breit, was man bequem von einem Strich unterscheiden kann! Ist die X-Amplitude nicht gleich der Y-Amplitude, so muss man an Stelle des Quadratesein Rechteck annehmen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

Versuch 31

Optische Abbildung

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Optische Abbildung.

I Messaufbau

• Optische Schiene

• Lampe mit Kondensor und verschiebbaren Farbfiltern

• 2 bikonvex Linsen, 1 Achromat- Linse

• Loch- und Ringblende

• Fassung zur Aufnahme der Linsen und Blenden

• Schirm

• Dias mit Teststrukturen sowie ein Kreuzgitter

• verstellbarer Messspalt (Spaltbreite ist in mm geeicht)

• Zwischenbild mit mm-Einteilung

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer,

• W. Demtroder Experimentalphysik 2, Elektrizitat und Optik, Springer-Verlag.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Abbildung durch Linsen, Linsenfehler (speziell spharische und chromati-sche Aberration), Snelliussches Brechungsgesetz, Dispersion, graphische Kon-struktion der optischen Abbildung, Mikroskop: Strahlengang und Auflosungs-vermogen, Beugung am Spalt, Abbildungsmaßstab und Vergroßerung.Verstandnisfragen:

1. Konstruieren Sie die Abbildung eines Objekts durch eine Sammel- undeine Streulinse.

2. Was ist der Unterschied zwischen den Begriffen Abbildungsmaßstab undVergroßerung?

3. Was ist die physikalische Ursache fur die chromatische- und spharischeAberration?

4. Wie funktioniert die Entspiegelung einer Linse?

5. Wie groß ist das Auflosungsvermogen des menschlichen Auges? Wodurchwird es limitiert? Wie konnen kleinere Gegenstande betrachtet werden?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

6. Aus welchen optischen Elementen besteht ein Mikroskop?

7. Was ist die Aufgabe des Objektivs, was die Aufgabe des Okulars? Was istdas Messprinzip des Mikroskops?

8. Wie ist die Auflosung definiert?

9. Welche Vergroßerung kann man mit einem professionellen Mikroskop er-reichen?

10. Auf einem Mikroskopobjektiv sind folgende Werte abgedruckt: Vergroße-rung=40, Tubuslange=160, NA=0,65. Wie groß ist die Brennweite des Ob-jektivs und wie hoch ist das Auflosungsvermogen wenn mit grunem Lichtbeleuchtet wird?

11. Qualitativ: Was ist ein Elektronenmikroskop und warum erreicht man da-mit eine so viel hohere Auflosung als mit einem optischen Mikroskop?

IV Aufgabe

• Durch variieren der Bild- und Gegenstandsweite sollen die Eigenschaftender optischen Abbildung untersucht werden (Abbildunsmaßstab, virtuellesund reelles Bild, etc.)

• Es ist die Brennweite einer Sammellinse zu messen. Die chromatische Ab-erration ist experimentell zu untersuchen und der Einfluss der spharischenAberration ist qualitativ zu beobachten.

• Bauen Sie ein Mikroskop auf einer optischen Bank auf. Messen Sie a) dieGitterkonstanten der beiden Strichgitter, b) das Auflosungsvermogen desObjektivs in Abhangigkeit vom Offnungswinkel des Objektivs (quantita-tiv) und der Wellenlange (qualitativ).

V Grundlagen

Reele und virtuelle Bilder

Bei einer optischen Abbildung werden die von einem Objektpunkt ausgehen-de Lichtbundel nach Durchgang durch ein optisches System (Linsen, Spiegel,Auge,

”Lochkamera“) in einem Punkt, dem Bildpunkt, wieder vereinigt. Ein

einfaches Beispiel fur ein abbildendes optisches System ist der Planspiegel (Ab-bildung 2). Die von einem Objektpunkt ausgehenden Lichtbundel werden amSpiegel nach dem Reflexionsgesetz in den unteren Halbraum divergent reflek-tiert. Dadurch scheinen fur einen Beobachter alle Lichtbundel aus einem Punkthinter dem Spiegel zu kommen, obwohl die reflektierten Lichtbundel diesenBildpunkt uberhaupt nicht erreichen. Das Spiegelbild wird daher auch als vir-tuelles Bild bezeichnet. Allgemein entsteht ein virtuelles Bild im Schnittpunktder ruckwartigen Verlangerung divergenter Lichtbundel. Solche Bilder lassensich nicht mit einem Schirm (Mattscheibe) auffangen.Im Gegensatz zum Planspiegel erzeugt ein spharischer Spiegel ein reelles Bild.Das Abbildungsprinzip beruht auch hier allein auf dem Reflexionsgesetz. Aller-dings bedingt die Krummung der Spiegeloberflache, dass die Lichtbundel nichtdivergieren sondern sich im Bildpunkt schneiden. Allgemein entsteht ein reellesBild im Schnittpunkt von Lichtbundeln, die vom gleichen Objektpunkt ausge-hen und lassen sich mit einem Schirm auffangen.

Objekt virtuelles BildSpiegel

Auge

ObjektHohlspiegel

reelles Bild

a) b)

Abbildung 2: a) Virtuelles Bild eines Planspiegels. b) Reelles Bild eines Hohl-spiegels.

Brechung an spharischen Flachen

Treffen parallel zur optischen Achse verlaufende Lichtbundel auf eine trans-parente, kugelformige Flache, die das Medium 2 begrenzt, so werden alleLichtbundel in einem Punkt auf der optischen Achse gebrochen (Abbildung 3links). Der Schnittpunkt dieser Teilbundel wird als Brennpunkt F bezeich-net. Der Abstand zwischen dem Brennpunkt und der Kugeloberflache entlangder optischen Achse, heißt Brennweite f . Mit Hilfe einfacher geometrischen

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

Uberlegungen und unter Berucksichtigung des Brechungsgesetz folgt fur dieBrennweite:

1

f=

n1 − n2

n1

1

r, (1)

wobei ni die Brechungsindizees der beiden Medien darstellt und r der Radiusder Kugelkrummung ist. Diese Gleichung gilt allerdings nur fur kleine Einfalls-winkel bzw. nur fur Lichtbundel die in einem geringen Abstand h zur optischenAchse auf die Linse treffen. In der Literatur wird diese Naherung auch alsparaxiale oder als Gaußsche Naherung bezeichnet.

optische Achse F

Medium 2: n2

h

Medium 1: n 1

f

F

MF

Gegenstand

Bild

Mittelpunktstrahl

Parallelstrahl

Brennpunktstrahl

Abbildung 3: Links: Brechung von parallelen Lichtbundeln an einer spharischenFlache. Rechts: Abbildung eines Gegenstandes durch ein Kugelsegment.

Bereits mit einer einzigen spharischen Grenzflache lasst sich ein Gegenstandabbilden (Bild 3 rechts). Um das Bild des Gegenstandes geometrisch zu kon-struieren, bedarf es lediglich zwei Strahlenbundel1, die von einem Gegenstand-spunkt ausgehen. Besonders einfach ist die Bildkonstruktion, wenn man spezi-elle Lichtbundel einzeichnet, namlich einen der gegenstandsseitig parallel zuroptischen Achse verlauft und einen der durch den Mittelpunkt M der Kuge-loberflache geht. Mittelpunktsstrahlen fallen senkrecht auf die Kugeloberflacheund werden daher nicht gebrochen. Parallelstrahlen werden so gebrochen, dasssie zu Brennpunktstrahlen werden (siehe Abbildung 3 links). Der Schnittpunktdieser beiden Strahlen entspricht dem abgebildeten Bildpunkt. Zur Konsistenz-prufung kann zusatzlich noch ein dritter Strahl eingezeichnet werden: Aus derUmkehrbarkeit des Lichtweges folgt, dass ein Strahl der im Medium 2 parallelzur optischen Achse lauft, im Medium 1 die optische Achse im gegenstandsseiti-

1Der Begriff Strahlenbundel und Strahl wird in diesem Text synonym verwendet.

gen Brennpunkt F ′ schneidet. Von der Gegenstandsseite aus gesehen bedeutetdies, dass ein Brennpunktstrahl zu einem bildseitigen Parallelstrahl wird.Zusammenfassend sind bei der geometrischen Abbildung eines Gegenstands-punktes, folgende drei Regeln zu beachten:

1. Mittelpunktstrahlen werden nicht abgelenkt

2. Parallelstrahlen werden zu Brennpunktstrahlen

3. Brennpunktstrahlen werden zu Parallelstrahlen

Linsen

Linsen, speziell spharische Linsen, bestehen aus einem transparenten Materialmit dem Brechungsindex n und sind durch eine kugelformige Flache begrenzt.Trifft ein Lichtbundel auf die Linse ist zu berucksichtigen, dass der Strahl ins-gesamt zweimal an den Grenzflachen mit den Radien r1, r2 gebrochen wird.Fur dunne Linsen, bei denen die Dicke klein gegenuber der Krummungsradienist, ergibt sich fur die Brennweite

1

f= (n − 1)

(1

r1+

1

r2

). (2)

Die Brennweite hangt also nur vom Brechungsindex und von den Radien derGrenzflachen ab. Je nach Vorzeichen und Kombination der Grenzflachen defi-niert man verschiedene Linsentypen. Eine Zusammenfassung kann Abbildung 4entnommen werden.Bei der geometrischen Konstruktion der Abbildung durch eine dunne Linse, gel-ten die gleichen Merksatze wie bei der Brechung an einer einzelnen spharischenFlache: Mittelpunktstrahlen werden nicht abgelenkt, gegenstandsei-tige Parallelstrahlen werden zu bildseitigen Brennpunktstahlen undgegenstandseitige Brennpunktstrahlen werden zu bildseitigen Paral-lelstrahlen. Die Brechung erfolgt dabei an der Mittelebene der Linse (Ab-bildung 5). Es soll nochmals betont werden, dass dies nur fur dunne Linsengilt. Im allgemeinen Fall hat eine Linse zwei sogenannte Hauptebenen, an de-nen die Brechungen erfolgen. Nur fur dunne Linsen fallen diese Hauptebenenzusammen.Bei der optischen Abbildung mit einer Linse sind die Großen Bildweite b, Ge-genstandsweite g und Brennweite f durch die Abbildungsgleichung

1

f=

1

g+

1

b(3)

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a) b) c)

d) e) f)

Abbildung 4: Klassifizierung von Linsen: a) bikonvex b) plankonvex c) positiverMeniskus d) bikonkav e) plankonkav f) negativer Meniskus.

miteinander verknupft. Bildweite und Gegenstandsweite stehen im direkten Zu-sammenhang mit der Gegenstandsgroße G und der Bildgroße B. Man definiertden Abbildungsmaßstab β durch:

β =B

G=

b

g, (4)

der sich mit Gleichung (3) schreiben lasst als

1

β=

g

f− 1 oder β =

b

f− 1. (5)

Messung der Brennweite einer Linse

Die Bestimmung der Brennweite einer Linse kann prinzipiell durch Messungder Gegenstands- und Bildweite unter Anwendung der Abbildungsgleichung (3)erfolgen. Allerdings ist diese Methode in der Regel mit großeren Fehlern be-haftet, da die Abstande absolut gemessen werden. Dies setzt voraus, dass dieLinse gut zentriert in die Fassung montiert sein muss. Fur reale,

”dicke“Linsen

kommt hinzu, dass sich die Abstande g und b nicht auf die Mittelebene sondern

f

G

f

BFF

g b

f

G

f

B

FF

b

g

Abbildung 5: Optische Abbildung durch eine dunne bikonvex Linse und einebikonkav Linse.

auf die Hauptebenen beziehen, deren genaue Lage im allgemeinen unbekanntist.Diese Nachteile treten bei der sogenannten Bessel-Methode nicht auf. Bei die-sem Verfahren (Abbildung 6) wird ausgenutzt, dass es bei einem konstantenAbstand L > 4f zwischen Bild und Gegenstand zwei Linsenstellungen gibt, diezu einer scharfen Abbildung fuhren. Bei einer Stellung findet eine Vergroße-rung, bei der anderen eine Verkleinerung statt. Ist d der Abstand zwischendiesen beiden Stellungen, der uber eine Differenzmessung recht genau ermitteltwerden kann, so gilt fur die Brennweite:

f =L2 − d2

4L(6)

Die Genauigkeit des Besselverfahrens reicht aus, um bestimmte Abbildungsfeh-ler (Linsenfehler) zu untersuchen. Bei spharischen Linsen gilt Gleichung (3) nurfur achsennahe Strahlen. Lichtbundel, die auf weiter außen von der optischenAchse gelegenen Zonen der Linse treffen, werden nicht mehr in den gleichenPunkt fokussiert und haben daher eine etwas andere Brennweite als das Lin-senzentrum. Dieser Linsenfehler wird als spharische Aberration bezeichnet. Esgibt mehrere Methoden die spharische Aberration einer Linse zu minimieren.Am einfachsten gelingt dies durch Abblenden d.h. mit Hilfe einer Lochblendewerden nur achsennahe Lichtbundel zur Abbildung zugelassen. Allerdings gehtdies auf Kosten der Lichtstarke die proportional zur Flache der Linse ist. Jekleiner der Blendendurchmesser, desto scharfer ist zwar das Bild aber auch um-so dunkler. Eine andere Methode ist die Verwendung von aspharischen Linsen.

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Gegenstand Schirm

g b

g‘ b‘

d

L

Abbildung 6: Prinzip des Bessel- Verfahren zur Brennweitenbestimmung.

Solche Linsen sind so geschliffen, dass auch achsenferne Strahlen in den selbenPunkt fokussiert werden wie Achsennahe. Die Herstellung dieser Linsen ist al-lerdings sehr aufwendig, so dass diese vorwiegend nur in teuren Spezialoptikeneingesetzt werden.

Ein weiterer Linsenfehler ist die chromatische Aberration. Bei der Abbildungeines Gegenstandes der mit weißem Licht beleuchtet wird, treten im BildFarbsaume auf. Diese beruhen auf der Dispersion des Linsenmaterials. NachGleichung (2) geht in die Brennweite der Brechungsindex n ein, der wiederumvon der Wellenlange abhangt. Im Fall der normalen Dispersion hat blaues Lichtbeispielsweise einen großeren Brechungsindex als rotes und wird daher starkergebrochen. Somit ist die Brennweite fur kurzwelliges Licht kleiner als fur Lichtmit einer großeren Wellenlange.

Da achsenferne Lichtbundel am meisten zur Aberration beitragen, lasst sichder Farbfehler ebenfalls durch Abblenden reduzieren. Eine bessere Methode istdie Verwendung von sogenannten Achromaten. Dabei handelt es sich um Lin-sensysteme mit unterschiedlicher Dispersion und Brechkraft, die den Farbfehlerfur zwei Wellenlangen vollstandig ausgleichen konnen.

Vergroßerung des Sehwinkels: Lupe und Mikroskop

Wenn Sie einen kleinen Gegenstand moglichst groß sehen mochten, so verrin-gern Sie den Abstand zwischen Ihrem Auge und dem Gegenstand, in dem Sie

beispielsweise den Gegenstand naher an Ihr Auge heranfuhren. Dadurch wirddas Bild auf der Netzhaut großer dargestellt und Sie konnen feinere Details er-kennen. Aus dem linken Teilbild in Abbildung 7 ist zu erkennen, dass das Bildauf der Netzhaut um so großer ist je geringer der Abstand zum Gegenstand istoder um so großer der Sehwinkel α ist. Allerdings konnen Sie den Gegenstandnicht beliebig nah an das Auge heranfuhren, da die Ziliarmuskulatur des Augesden Krummungsradius der Linse nur bedingt variieren kann (Akkomodation).Unterhalb einer bestimmten Enfernung kann der Gegenstand nicht mehr aufdie Netzhaut fokusiert werden und der Gegenstand erscheint verschwommen.Der kleinste Abstand auf dem ein gesundes Auge uber einen langeren Zeitraumermudungsfrei akkomodieren kann, heißt deutliche Sehweite s0. Der Wert vons0 ist auf 25 cm festgelegt. Uberprufen Sie doch mal die deutliche Sehweitebei Ihnen selbst, in dem Sie z.B. diese Anleitung an Ihr Auge heranfuhren undden Abstand messen, bei dem Sie auch uber einen langeren Zeitraum den Textohne Anstrengung lesen konnen.

��1 ��0 G

Bild imUnendlichen

FF

f

s0

Abbildung 7: Links: Je großer der Sehwinkel α desto großer ist das Bild aufder Netzhaut. Fur Abstande kleiner als die deutliche Sehweite s0

.=25 cm kann

das Bild in der Regel nicht mehr scharf auf die Netzhaut abgebildet werden.Rechts: Wirkungsweise einer Lupe.

Sollen noch feinere Details eines Objekts erkannt werden, so benotigt manoptische Instrumente, die den Sehwinkel und damit die Bildgroße auf der Netz-haut vergroßern. Das einfachste Instrument ist die Lupe. Eine Lupe bestehtlediglich aus einer einfachen bikonvex Linse mittlerer Brennweite. Ist bei derAbbildung die Gegenstandsweite kleiner oder gleich der Brennweite so erfolgteine Vergroßerung des Sehwinkels. In Abbildung 7 rechts liegt der Gegenstand

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z.B. genau in der Brennebene der Linse. In diesem Fall ist das Auge volligentspannt und somit auf Unendlich akkomodiert. Fur den Sehwinkel αL, wobeider Index L fur Lupe steht, ergibt sich:

tan αL =G

f. (7)

Ohne Lupe, bei dem sich der Gegenstand in der deutlichen Sehweite s0=25 cmbefindet, erhalt man dagegen fur den Sehwinkel α0:

tan α0 =G

s0. (8)

Definiert man als Vergroßerung V das Verhaltnis der Sehwinkel mit Lupe (bzw.allgemein mit einem zusatzlichen optischen Instrument) und ohne Lupe (allge-mein ohne optisches Instrument) in der deutlichen Sehweite, so ergibt sich furdie Vergroßerung V :

VLupe =tan αL

tan α0=

G/f

G/s0=

s0

f. (9)

Wenn im Folgenden von Vergroßerung gesprochen wird, istgrundsatzlich die Vergroßerung des Sehwinkels gemeint!Typische Werte fur die Brennweite einer Lupe liegen zwischen 25 mm und50 mm. Werte unter 25 mm konnen nicht realisiert werden, da dann die Abbil-dungsfehler zu groß werden. Somit kann mit einer gewohnlichen Lupe maximaleine 10-fache Vergroßerung erreicht werden.Weitaus großere Vergroßerungen lassen sich mit einem Mikroskop erreichen.Ein Mikroskop besteht im wesentlichen aus zwei Linsen, dem Objektiv unddem Okular, die die Abbildung und Vergroßerung bewirken. Der Strahlengangist in Abbildung 8 dargestellt.Der zu beobachtende Gegenstand G befindet sich in der Gegenstandsweite getwas außerhalb der Brennweite des Objektivs. Mit dem Objektiv wird dieserGegenstand in die Bildebene abgebildet. Es entsteht ein reelles, umgekehrtesBild B, das im Folgenden als Zwischenbild bezeichnet wird. Mit dem Okularwird dieses Zwischenbild als Lupe betrachtet, d.h das Zwischenbild befindetsich genau in der Brennweite der Okularlinse, so dass das Auge auf Unendlichakkomodiert.Um die Vergroßerung des Mikroskops zu bestimmen, muss wieder der Sehwinkelmit und ohne Mikroskop bestimmt werden. Fur den Sehwinkel mit Mikroskop

f1 f1

f2 f2

G

B

Objektiv Zwischenbild Okular Auge

t

G

B

f1 t

M

Abbildung 8: Strahlengang eines Mikroskops. Die untere Skizze dient zur Be-rechnung der Mikroskopvergroßerung.

ergibt sich aus Abbildung 8:

tan αM =B

f2, (10)

wobei B die Bildgroße des Zwischenbilds und f2 die Okularbrennweite darstellt.Aus dem unteren Teilbild in Bild 8 kann zusatzlich abgelesen werden, dass sichG : f1 genauso verhalt wie B : t:

G

f1=

B

t. (11)

Die Große t wird als Tubuslange bezeichnet und gibt den Abstand zwischengegenstandsseitigen Objektivbrennpunkt und bildseitigen Okularbrennpunktan. Setzt man Gleichung (11) in (10) ein, so ergibt sich fur den Sehwinkel:

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tan αM =Gt

f1f2(12)

und fur die Vergroßerung

VM =tan αM

tan α0=

Gt

f1f2

/ G

s0=

s0

f=

s0t

f1f2. (13)

Definiert man nun die Objektivvergroßerung durch

v1 =t

f1(14)

und schreibt fur die Okularvergroßerung nach Gleichung (9)

v2 =so

f2, (15)

so ist die Gesamtvergroßerung das Produkt dieser beiden Einzelvergroßerungen:

VM = v1v2 =t

f1

so

f2. (16)

Offenbar konnte man meinen, dass die Gesamtvergroßerung beliebig erhohtwerden kann, indem man die Brennweiten der Linsen sehr klein und die Tu-buslange des Mikroskops sehr groß wahlt. In der Realitat ist aber die nutz-bare Vergroßerung aufgrund der Wellennatur des Lichtes, durch die Beugungbegrenzt. Die Beugung ist eine spezielle Interferenzerscheinung von Wellen angeometrischen Hindernissen (Spalt, Lochblende etc.). Bei einem Mikroskop ent-spricht solch ein Hindernis beispielsweise dem endlichen Durchmesser des Ob-jektivs, das als Lochblende wirkt.Wird eine Lochblende mit parallelem Licht beleuchtet, so erkennt man aufeinem dahinter stehenden Schirm nicht einen hellen Lichtpunkt, wie man esnach der geometrichen Optik erwarten wurde, sondern ein Beugungsbild miteiner Intensitatsverteilung wie sie in Abbildung 9 zu sehen ist. Ihr Betreuerwird Ihnen dies mit Hilfe eines Lasers und einer Spaltblende demonstrieren. DasBeugungsbild besitzt ein sehr helles zentrales Maximum, gefolgt von mehrerenMinima und Nebenmaxima, dessen Intensitaten allerdings schnell abnehmen.Bei einem Mikroskop erzeugt nun jeder Punkt des darzustellenden Gegenstandssolch ein Beugungsbild im Zwischenbild (Abbildung 10). Die Breite w des zen-tralen Maximums betragt:

Lochblende Beugungsfigur

Intensität

w

Abbildung 9: Beugung an einem Spalt. Auf einem hinter dem Spalt befindlichenSchirm wird nicht ein scharfer Lichtstreifen dargestellt, wie man es nach dergeometrischen Optik erwarten wurde, sondern eine Beugungsfigur mit einemsehr hellen Maximum, gefolgt von Nebenmaxima, dessen Intensitat mit hohererOrdnung rasch abfallt. Das Bild rechts zeigt die Beugungsfigur einer Lochblende.

w = 2, 44λb

D. (17)

Die Herleitung dieser Gleichung konnen Sie z.B. im Demtroder, Experimental-physik 2, nachlesen.Je kleiner der Abstand g zweier Objektpunkte, desto naher rucken auch dieBeugungsbilder dieser Punkte im Zwischenbild zusammen. Ab einem gewissenAbstand bmin uberschneiden sich die Beugungsbilder so stark, dass sie nichtmehr als zwei getrennte Objekte wahrnehmbar sind. Um dies zu quantifizie-ren, definiert man das Auflosungsvermogen nach dem Rayleigh- Kriterium:Zwei Objektpunke sind nur dann voneinander unterscheidbar, wenn der Ab-stand der beiden Beugungsfiguren großer ist als die halbe Breite des zentralenMaximums. Die Auflosungsgrenze ist also dann erreicht, wenn das Beugungs-maximum des einen Punktes in das Beugungsminimum des anderen fallt. Derminimale Abstand der Beugungsfiguren ist dann nach Gleichung (17):

Bmin = 1, 22λb

D. (18)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

f g

G

D

b

B

~~

Abbildung 10: Jeder Objektpunkt erzeugt im Zwischenbild eine Beugungsfigur.Damit zwei Punkte noch getrennt zu erkennen sind, durfen sich die Beugungs-bilder nicht zu stark uberlappen. Im unteren rechten Bild sind die beiden Punktenicht mehr unterscheidbar.

Mit Hilfe von (4) erhalt man mit Bmin/b = Gmin/g den kleinsten AbstandGmin zweier Objektpunkte, der mit dem Mikroskop noch aufgelost werdenkann:

Gmin = 1, 22λg

D. (19)

Da die Objektpunkte praktisch in der Brennebene der Objektivlinse liegen(g ≈ f), konnen wir auch schreiben:

Gmin = 1, 22λf

D. (20)

Der Quotient D/f = 2 sin α stellt gerade den Sinus des halben Offnungswinkelder Objektivlinse dar. Machen Sie sich dies anhand einer Skizze klar. Befin-det sich zwischen dem Objekt und dem Objektiv eine Flussigkeit mit demBrechungsindex n (z.B. Immersionsol), so folgt schließlich fur das Auflosungs-

vermogen

Gmin = 1, 22λ

2n sin α, (21)

bzw. mit der Abkurzung NA = n sin α, die als numerische Apertur bezeichnetwird:

Gmin = 0, 61λ

NA, (22)

Abbildung 11: Kommerzielles Objektiv eines Lichtmikroskops. Die Objektivver-großerung betragt 40. Die Zahl 160 besagt, dass das Objektiv nur fur Mikroskopemit einer Tubuslange von 160 mm verwendet werden kann. Zusatzlich ist nochdie numerische Apertur, NA=0,65 und die zu verwendene Deckglasdicke von0,17 mm angegeben.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie bei jedem Versuch den Versuchsaufbau.

2. Bauen Sie auf der optischen Schiene einen Aufbau bestehend aus Lampemit Kondensorlinse, Gegenstand, Linse und Bildschirm auf. Verwenden Sie da-bei die achromatisch korrigierte Linse (Achromat). Als Gegenstand stehen zweiDias mit einer Teststruktur zur Verfugung. Verandern Sie nun die Bild- oder

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

Gegenstandsweite so, dass Sie ein scharfes Bild erkennen konnen. Notieren Siedie Bild- und Gegenstandsweiten und berechnen Sie sofort die Brennweite.Fertigen Sie folgende Tabelle an und messen Sie bei unterschiedlichen Gegen-standsweiten, die Bildweite/Bildgroße, die Art des Bildes (reell oder virtuell)und die Ausrichtung. In den Bereichen ∞ > g > 2f und 2f > g > f sind je-weils drei verschiedenen Positionen auszumessen. Falls das Bild zu klein wird,verwenden Sie das Dia mit großen Doppelpfeil als Gegenstand. Andernfalls neh-men Sie das Dia mit der komplexen Teststruktur. Notieren Sie sich auch beijeder Messung die Fehler.

g G b B Art Richtung

∞ > g > 2f

g = 2f

2f > g > f reel/virtuell aufrecht/umgekehrt

g = f

f > g

3. Messung der Brennweite der bikonvex Linse L1 nach dem Besselverfahren:Stellen Sie auf der optischen Bank einen geeigneten Abstand Bild-Gegenstandein (etwa L ≈ 5f bis 6f , ein grober Wert fur f ist am Linsenhalter angegeben)und suchen Sie die beiden Scharfeinstellungen auf. Beachten Sie dabei, dassder weiße Schirm nicht in der Mitte der Halterung sitzt. Sie mussen daher dieDicke des Alu-Bleches (2 mm) beim Abstand L berucksichtigen (Die Seite mitdem Gitter ist in der Mitte). Es werden 3 Messungen von d durchgefuhrt undgemittelt.

4. Untersuchung der chromatischen Aberration:Bei unverandertem Abstand L werden je 3 Messungen von d gemacht. FuhrenSie diese Messung jeweils mit dem Rotfilter und b) mit dem Blaufilter durch.Beobachten Sie qualitativ die spharische Aberration, indem Sie einmal dieLochblende und einmal die Ringblende vor die Linse stellen: Wie andert sichd? (Großeres d heißt kleineres f .)

5. Aufbau eines Mikroskops auf der optischen Bank:Bauen Sie das Objekt (Dia mit Kreuzgitter) hinter die Lampe mit dem einge-setzten Grunfilter ein. Dicht dahinter wird der Spalt mit den Schneiden zumObjektiv und wieder dicht dahinter das Objektiv eingesetzt. Der Abstand Lin-senebene bis zur Mitte des Reiters ist genau 3 cm. Der Schirm fur das Zwi-

schenbild (Dia mit mm-Teilung) wird im Abstand von 25 cm vom Objektiv auf-gestellt und dahinter im Abstand f2 das Okular. Zur Scharfeinstellung schauenSie durch das Okular und verschieben Sie den Gegenstande bis Sie ein schar-fes Bild sehen. Lampe und Kondensor werden so eingestellt, dass das Bild desGitters in vernunftiger Helligkeit erscheint. Zu diesem Zweck kann der Lam-pensockel im Gehause verschoben werden.

a) Aus der Bildweite b und f1 lasst sich der Abbildungsmaßstab berechnen(Gleichung (5)). Bestimmen Sie aus der Große des Zwischenbildes (z.B. Zahlder Striche pro 5 mm) bei weit geoffnetem Spalt und mit grunem Licht denStrichabstand des Gitters.b) Verringen Sie nun die Offnung des Messspalts und beobachten Sie dabei wiedie senkrechten Strukturen des Kreuzgitters verschwinden. Messen Sie dreimaldie Spaltbreite bei der die senkrechten Strukturen gerade nicht mehr auflosbarsind. Machen Sie sich klar, dass durch das Verengen des Spalts das Auflosungs-vermogen nur in einer Dimension eingeschrankt wird! Berechnen Sie aus derBreite des Spalts und seinem Abstand vom Objekt den Offnungswinkel desSystems und damit das Auflosungsvermogen; fur λ wird der Wert 550 nm ein-gesetzt. Der erhaltene Wert wird mit dem zuvor bestimmten Strichabstandverglichen. Beobachten Sie qualitativ den Einfluss der Wellenlange auf dasAuflosungsvermogen, in dem Sie das rote und das blaue Farbfilter benutzen.

VII Auswertung

zu 2. Werten Sie Ihre Ergebnisse anhand folgender Tabelle aus (β bezeichnetden Abbildungsmaßstab.) Konstruieren Sie grafisch die Abbildung eines Ob-jekts fur die jeweiligen Gegenstandsweiten.

Nr. g b Art Richtung β

I ∞ > g > 2f

II g = 2f

III 2f > g > f z.B. reel/ aufrecht/ z.B.

IV g = f 2f = b > f virtuell umgekehrt > 1

V f > g

Zeichnen Sie Ihre gemessen Werte fur die Bild- und Gegenstandsweite in einDiagramm ein. Tragen Sie dazu immer ein Wertepaar b, g so auf, dass die Ge-genstandsweite auf der Abszisse und die Bildweite auf der Ordinaten liegt und

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 31 Optische Abbildung

Bildweiteb

gGegenstandsweite

f

f

Abbildung 12: Grafische Bestimmung der Brennweite.

verbinden Sie die beiden Punkte durch eine Gerade (Abbildung 12). Alle Linienschneiden sich in einem Punkt, aus dem die Brennweite abgelesen werden kann.Schatzen Sie den Fehler ab.

zu 3. Berechnen Sie die Brennweite nach dem Besselverfahren.

zu 4. Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse bezuglich der untersuchten Linsen-fehler.

zu 5. Berechnen Sie die Gitterkonstante des Kreuzgitters und bestimmen Siedas Auflosungsvermogen des Mikroskops.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 33 Prismenspektrometer

Versuch 33

Prismenspektrometer

Netzteil

Hg-,He- oder H-Lampe

Kollimator

Prisma

FernrohrSpaltblende

Prismatisch

Abbildung 1: Aufbau des Prismenspektrometer Versuchs.

I Messaufbau

• Spektrometer mit Prisma.

• Hg-Lampe in einem Gehause montiert auf einem Stativfuß.

• He-Lampe in einem Gehause montiert auf einem Stativfuß.

• Netzteil.

• Wasserstofflampe mit Netzgerat (fur je 2 Aufbauten gemeinsam)

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Brechungsgesetz, Aufbau des Prismenspektrometers, Dispersion, Auflosungs-vermogen eines Prismenspektralapparates, Energieniveaus des Wasserstoff-atoms, Balmerformel.

Verstandnisfragen:

1. Andert sich die Wellenlange λ oder die Frequenz ν, wenn Licht von einemMedium in ein anderes tritt?

2. Von welchen Parametern hangt der Gesamtablenkwinkel δ (siehe Abbil-dung 2) im Allgemeinen ab? Wie kann man zeigen, dass δ ein Minimumannimmt und in diesem Fall der Strahlengang im Prisma symmetrischverlauft?

3. Wie setzt sich die Kurve n(λ) zu großeren und kleineren Wellenlangenfort? Was versteht man unter normaler und anomaler Dispersion?

4. Wird bei einem Prisma (normale Dispersion angenommen) bei gleichemEinfallswinkel, rotes Licht oder blaues Licht starker abgelenkt?

5. Wie entstehen Spektrallinien? Welche Bedeutung hat die Spektralanalyse?

6. Was begrenzt die Moglichkeit zwei Spektrallinien benachbarter Wel-lenlangen im Spektrometer zu trennen?

IV Aufgabe

• Die Winkeldispersionskurve δ(λ) des Prismas ist durch Messung der Ab-lenkwinkel δ bei gegebenem Spektrum des Hg aufzunehmen und als Eich-

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 33 Prismenspektrometer

kurve zur Bestimmung der Wellenlange des He-Spektrums zu benutzen.Der brechende Winkel des Prismas ist zu bestimmen.

Zusatzaufgabe: Fuhren Sie zusatzlich noch eine der beiden Aufgaben durch.

• Die Dispersionskurve n(λ) soll durch Messung der Minimalablenkwinkelδmin(λ) fur vier Linien des Hg-Spektrums ermittelt werden.

• Die Wellenlange der sichtbaren Linien des Wasserstoffspektrums sind zubestimmen und daraus mit Hilfe der Balmerformel die Rydberg-Konstantefur Wasserstoff zu berechnen.

V Grundlagen

Ein Spektrometer ist ein Instrument, mit dem Licht in seine Spektralfarben(Wellenlangen) zerlegt werden kann. Beim Prismenspektrometer erfolgt dieseZerlegung durch ein optisches Prisma. Dabei handelt es sich um einen Korperaus einem lichtdurchlassigen Material (i.a. Glas), der von zwei ebenen, nichtparallelen Flachen begrenzt wird. Die Gerade, in der sich die beiden Flachenschneiden, wird brechende Kante genannt. In einem Schnitt senkrecht dazu(Hauptschnitt) liegt an der brechenden Kante der brechende Winkel ε.

2

1�1 �

2

Brechzahl n

brechende Kante

brechende Winkel

Bündelachse

ausfallendesParallellichtbündel

einfallendes

monochromatisches

Parallellic

htbündel

Basis B

Abbildung 2: Hauptschnitt eines Prismas.

Mit Hilfe des Brechungsgesetzes und unter der Annahme, dass fur den Bre-chungsindex von Luft nLuft = 1 gilt, folgt fur den totalen Ablenkungswinkel δ,um den ein einfallendes Lichbundel abgelenkt wird:

δ = α1 − ε + arcsin(√

n2 − sin(α1)2 sin(ε) − sin(α1) cos(ε)). (1)

Von besonderem Interesse ist der Fall, bei dem das Prisma symmetrisch vomLicht durchsetzt wird. Dabei trifft das einfallende Lichtbundel senkrecht aufdie Ebene, die den brechenden Winkel ε halbiert. Bei diesem Einfall nimmt derAblenkwinkel δ ein Minimum ein und es gelten die Beziehungen:

αmin = α1 = α2 =(δmin + ε

2

)(2)

n =sin

((δmin + ε)/2

)sin(ε/2)

(Fraunhofersche Formel). (3)

Gleichung (3) (Fraunhofersche Formel) beschreibt eine Methode um den Brech-ungsindex des Prismamaterials zu bestimmen. Messungen an Prismen solltenstets beim minimalen Ablenkwinkel erfolgen, da in diesem Fall der Ablenkwin-kel δ kaum vom Einfallswinkel α1 abhangt (δ nimmt ein Minimum ein!).Bisher haben wir uns nur auf ein einfallendes monochromatisches Lichtbundelbeschrankt. Allerdings hangt aufgrund der Dispersion, der Brechungsindex nvon der Wellenlange ab, so dass bei einem einfallenden

”weißen“ Lichtbundel,

bei den bisherigen Betrachtungen, n durch n(λ) ersetzt werden muß. Da derAblenkwinkel δ von dem Brechungsindex abhangt, wird ein

”weißes“ Parallel-

lichtbundel spektral zerlegt.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau

2. Justierung des Spektrometers

Machen Sie sich zunachst mit den verschiedenen Funktionen der Arretierungs-schrauben und Feintriebe vertraut. Bei Unklarheiten fragen Sie den Assistenten.Die Einstellung des Fernrohrs auf unendlich vollzieht man durch Scharfstelleneines sehr fernen (> 50 m) Gegenstandes, indem man das Okular verschiebt.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.9 Stand 08/2005

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 33 Prismenspektrometer

(Zweckmaßigerweise visiert man vom bereitgestellten Pult im Gang den Schorn-stein des Heizkraftwerkes an.) Bild und Fadenkreuz sollen keine Parallaxe mehrzeigen, d.h. bei Bewegung des Auges vor dem Okular soll keine gegenseitige Ver-schiebung eintreten. (Beide liegen dann in einer Ebene.) Bei den beiden alterenSpektrometern (Aufbau D und E) ist das Fadenkreuz fest justiert. Bei diesenGeraten konnen Sie nur die Lupe so verschieben, dass das Fadenkreuz scharfist. uberzeugen Sie sich jedoch von der richtigen Justierung.Zur Einstellung des Kollimatorrohres auf Parallellicht verschiebt man denSpalteinsatz, bis man im justierten Fernrohr ein scharfes Spaltbild paralla-xenfrei zum Fadenkreuz beobachtet. Dazu das Prisma herausnehmen.Fallt beim Beobachten eines Spektrums die Fadenkreuzmitte nicht mit denMitten der Spaltbilder zusammen, so lassen Sie durch den Assistenten die bre-chende Kante des Prismas parallel zur Spektrometerachse einjustieren.

3. Aufnahme der EichkurveFur die Messung sollte der Prismenschwerpunkt ungefahr in der Spektrometer-achse liegen. Stellen Sie den Minimalablenkwinkel fur die grune Hg-Linie ein.Dieser ist dann erreicht, wenn das im Fernrohr beobachtete grune Spaltbild(Fadenkreuz benutzen) bei Drehung des Prismentisches stehen bleibt. KleineDrehungen des Tisches nach rechts oder links lassen das Bild in die gleicheRichtung zuruckwandern. Messen Sie bei festgehaltener Prismenlage die Ab-lenkwinkel δ(λ) fur folgende zehn Linien des Hg-Spektrums:

Nr. λ(nm) Farbe Intensitat

1 690,7 rot schwach

2 623,4 rot mittel

3 579,1 gelb stark

4 577,0 gelb stark

5 546,1 grun stark

6 499,2 blaugrun schwach

7 491,6 blaugrun mittel

8 435,8 blau stark

9 407,8 violett mittel

10 404,7 violett stark

Zur Feineinstellung konnen Sie die Mikrometerschraube am Fernrohrtrager be-nutzen. Es genugt die genaue Messung der Ablenkwinkel nach einer Seite. Nut-

Kollimator

A

A’B

B’

C

C’

Position 1

Position 2

�min

�min

�2

�1

Kollimator �

Abbildung 3: Oben: Messung des Minimalablenkwinkel. Unten: Bestimmungdes brechenden Winkels.

zen Sie unbedingt die Genauigkeit des Nonius aus. Achten Sie darauf, dasswahrend der Durchfuhrung der Aufgabe 3, Aufgabe 4 und gegebenenfalls derZusatzaufgabe II die Teilkreisskala in der gleichen Lage arretiert bleibt! Furdie starken Linien kann der Spalt sehr eng gestellt werden; fur die schwacherenLinien offnen Sie den Spalt soweit wie notig.

4. Wellenlangenbestimmung des He-SpektrumsMessen Sie Bei unveranderter Einstellung des Prismas (Minimum der Ablen-kung fur die grune Hg-Linie) die Ablenkwinkel fur folgende sechs Linien desHe-Spektrums: rot (stark); gelb (stark); grun (stark); grun (mittel); blau (mit-tel); blau (stark).

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 33 Prismenspektrometer

Falls Sie die Zusatzaufgabe II bearbeiten mochten, mussen Sie diese jetzt mitdem geeichten Spektrometer durchfuhren!

5. Zusatzaufgabe I: Messung der Dispersion des PrismamaterialsFur die Spektrallinien 2, 5, 7, 10 des Hg-Spektrums werden die Minimalablenk-winkel δMin(λ) nach

”rechts“ und

”links“ (siehe Abbildung 3 oben) gemessen.

6. Messung des brechenden WinkelsMessen Sie in der Prismenlage nach Abbildung 3 unten, den Drehwinkel φ = 2εauf der arretierten Teilkreisskala zwischen den beiden Fernrohrpositionen, indenen man die reflektierten Spaltbilder beobachtet.

7. Zusatzaufgabe II: Balmer-Serie des Wasserstoffspektrums.Die Wasserstofflampe samt Netzgerat wird vor den Spektrometerspalt gestelltund das Gerat eingeschaltet. Nach ca. 2 Minuten Betriebsdauer wird das Geratvorsichtig so vor dem Spalt verschoben, dass die Linien mit maximaler Hellig-keit sichtbar sind. Die Wellenlangen der drei starken Linien (rot, turkis, violett)werden aus der Eichkurve bestimmt. Versuchen Sie durch Offnen des Spalteseine vierte, kurzwelligere Linie zu sehen. Achtung: Die Wasserstofflampe hatstarken Bandenuntergrund, der weitere Linien vortauscht.

VII Auswertung

Zu 3 und 4: Zeichnen Sie auf mm-Papier die Winkeldispersionskurve δ(λ) desHg-Spektrums und bestimmen Sie anhand dieser Eichkurve die Wellenlangender He-Linien. Berucksichtigen Sie den Fehler aus der Ablesegenauigkeit desNonius. Wie groß sind die Abweichungen von den Tabellenwerten (706,5 nm -667,8 nm - 587,6 nm - 501,6 nm - 492,2 nm - 471,3 nm - 447,1 nm)?

Zu 5: Entnehmen Sie aus Aufgabe 6 den brechenden Winkel des Prismas undbestimmen Sie nach der Gleichung (gultig fur symmetrischen Strahlengang)

n(λ) =sin

(12 (δMin(λ) + ε)

)sin(ε/2)

(4)

die Brechungsindizes fur die gemessenen Hg-Linien. Zeichnen Sie die Dispersi-onskurve n(λ).

Zu 7: Berechnen Sie die Rydberg-Konstante mit Hilfe der Balmer-Formel. Ver-gleichen Sie die gemessene Spektrallinien mit den Literaturwerten (siehe An-hang).

VIII Anhang

� � � �H H H H

Balmer Serie

E

K

E

L

M

N

OP

-13,6 eV

0eV

� � � �H H H H

656,3 486,1��� ��nm 434,0 410,1

Kontinuum

Kontinuum

Abbildung 4: Balmer-Serie des Wasserstoffs.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

Versuch 34

Spektralfotometrie

Photoelement

KMnO - Küvetten4

SpektrallampeGlühlampe

Amperemeter

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Spektralfotometrie.

I Messaufbau

• Spektralfotometrische Messanordnung auf einer Grundplatte, bestehendaus: Lichtquelle mit aspharischer Kondensorlinse, Kuvettenbank, Hg-Cd-Spektrallampe mit Netzteil und Einblendspiegel, Monochromator inLittrow-Anordnung mit verschiebbarem Austrittsspalt und FotoelementTyp BPY 64 in einem Gehause, beleuchtetes Ableselineal mit mm-Teilung,Sehschlitz zur visuellen Beobachtung des Spektrums

• Picoamperemeter zur Fotostrommessung

• Netzversorgung fur die Lampen

S2

L1Sp1L3 Pr

S

Sp2S0

Abbildung 2: Strahlengang im Spektrometer. Die Bezeichnungen sind Im Ka-pitel

”Grundlagen“ erlautert.

• Je Versuchsaufbau:1 Satz (5 Stuck) Kuvetten mit 0,00005-molaren Kaliumpermanganat-losung (KMnO4), Schichtdicken: l1=1,5 cm, l2=3 cm, l3=6 cm, l4=12 cm,l5=24 cm.Fur alle 5 Aufbauten gemeinsam: Eine 25 ml-Burette mit 1/10 ml-Teilungund 2 l Vorratsgefaß (VE-Wasser), eine 10 ml-Burette mit 1/20 ml-Teilungund 2 l Vorratsgefaß (0,001-molare wassrige KMnO4-Losung)

• Eine offene Kuvette (rechteckig), l=1,5 cm

• Zur Auswertung einfachlogarithmisches Papier mit 4 Dekaden

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Aufbau eines Prismenspektralapparates, Absorption (Extinktion) von Strah-

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

lung, Lambert-Beersches Gesetz, Absorptionsspektren (Absorption in Losun-gen), Fotometrie, Spektralfotometrie, Spektrum eines Temperaturstrahlers,Planck’sches Strahlungsgesetz. Beantworten Sie bei Ihrer Vorbereitung folgen-de Fragen zum Versuch:

1. Was passiert bei der Absorption von Licht durch die KMnO4-Molekule derverwendeten Probelosung?

2. Wie weist man Licht moglichst empfindlich nach?

3. Wie hangt die Absorption von Lange und Konzentration der durchstrahl-ten Losung ab. Wie kommt man zu den entsprechenden Formeln?

4. Wie sieht das Spektrum eines Planck’schen Temperaturstrahlers aus? Wieandert sich das Spektrum bei Anderung der Temperatur?

5. Was genau wird auf den Achsen dargestellt, wenn man ein”Spek-

trum“ zeichnet? Nach”oben“...? Nach

”rechts“...?

IV Aufgabe

• Die Apparatur wird mit Spektrallinien bekannter Wellenlange geeicht.Zusatzaufgabe: Die

”Apparatebreite“ des Spektrografen wird bestimmt.

• Durch Messung der Absorption von Licht der Wellenlange λ=525 nm alsFunktion der Schichtdicke bzw. der Konzentration einer KMnO4-Losungenwird der molare Extinktionskoeffizient ε fur λ= 525 nm ermittelt.

• Das Absorptionsspektrum von KMnO4 wird im Bereich von λ = 630 nmbis 490 nm (von gelb bis blau) gemessen.

• Das Emissionsspektrum einer Gluhlampe wird bestimmt unter Verwen-dung der bekannten Empfindlichkeit des Fotoelements.

V Grundlagen

Als Fotometrie bezeichnet man die Konzentrationsbestimmung einer Substanzdurch Absorption (bzw. durch Streuung oder Fluoreszenz). Das Prinzip be-ruht auf der Messung der Abschwachung der Intensitat eines einfallendenLichtbundels durch die in der Messzelle enthaltene Substanz. Das Absorpti-

0

x

I

0 I0 l

l

absorbierendesMedium

I e�-kx

ILichtquelle

Detektor

Abbildung 3: Verdeutlichung des Lambertschen Absorptionsgesetz.

onsgesetz fur Licht lautet in der differentiellen Schreibweise:

dI

I= −kdl. (1)

Anschaulich bedeutet dies, dass die relative Intensitatsabnahme dI/I bei klei-nen Wegstrecken, der Dicke dl proportional ist. Durch Integration von Glei-chung (1) erhalt man die Intensitat I des Lichts nach Durchlaufen der Streckel im absorbierenden Medium (Lambertsches Absorptionsgesetz):

I = I0e−kl. (2)

Dabei bezeichnet I0 die in das Medium eindringende Intensitat, l die Lange desLichtweges im absorbierenden Medium und k die Absorptionskonstante (bzw.

”Extinktionskonstante“, die beiden Bezeichnungen werden in der Literatur ne-

beneinander verwendet und sind identisch).Zur Auswertung von Messungen empfiehlt sich die logarithmische Schreibweise:

lnI

I0= −kl bzw. ln I = −kl + const mit const = ln I0. (3)

Tragt man I gegen l auf halblogarithmischem Papier auf, so ergibt sich eineGerade. In der Praxis verwendet man dekadische Logarithmen. Gleichung (3)hat dann die Gestalt

log I = −k′l + const′ mit k′ = log e k = 0, 434 k. (4)

k′ heißt”dekadischer oder Bunsenscher Absorptionskoeffizient“.

Fur verdunnte Losungen gilt im allgemeinen, dass die Absorptionskonstante k′

der Konzentration c proportional ist (Beersches Gesetz):

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

k′ = εc. (5)

Man nennt ε den molaren Extinktionskoeffizienten oder kurz Molarextinktion,wobei c in mol/l oder mol/cm3 anzugeben ist. Nach dem Beerschen Gesetz ist εvon der Konzentration c der Losung unabhangig, d.h. ε ist eine Stoffkonstante.Bei hohen Konzentrationen konnen Abweichungen vom Beerschen Gesetz auf-treten. Ein Beispiel bietet die CuCl2-Losung, bei der beim Ubergang vonverdunnter zu konzentrierter Losung eine Gleichgewichtsverschiebung bei derKomplexbildung auftritt, gemaß

verdunnte Losung konzentrierte Losung[Cu

(H2O

)4

]+++ 2Cl− ⇔ 1

2

[Cu++ +

[CuCl4

]−−]+ 4H2O.

Eine Erhohung der Konzentration bedeutet also in diesem Fall nicht einfacheine Vergroßerung der Zahl der an der Absorption beteiligten Ionen (wie imGultigkeitsbereich des Beerschen Gesetzes), sondern Neubildung von Ionen an-derer Art, die i.a. auch ein anderes Absorptionsverhalten zeigen.Die Konzentrationsabhangigkeit der Absorption bietet auch eine einfacheMoglichkeit, den zeitlichen Verlauf von chemischen Reaktionen (Auftauchenbzw. Verschwinden von Ionen) zu verfolgen.k′ bzw. ε hangen von der Wellenlange ab. Die Funktionen k′(λ) bzw. ε(λ)beschreiben das Absorptionsspektrum der Losung. Unter einem Spektrum ver-steht man ein Diagramm, in dem die Intensitat eines Strahlers bzw. eine ihrproportionale Große (hier der Fotostrom) uber der Wellenlange aufgetragenist. Die Stellen maximaler Absorption sind die Schwerpunkte von sog. Absorp-tionsbanden, die fur jedes Ion charakteristisch sind und zu dessen Nachweisdienen konnen. Zusammenfassend lasst sich mit den eingefuhrten Großen dasAbsorptionsgesetz folgendermaßen schreiben:

I = I010−k′l = I010−εcl (6)

Es gibt zwei Methoden k′ und ε zu messen:

1. Man misst die Intensitat des austretenden Lichts als Funktion der Langeder durchstrahlten Flussigkeit bei konstant gehaltener Konzentration. Auf-tragung von log I gegen l ergibt k′. Bei bekannter Konzentration errechnetsich daraus ε.

2. Man halt die Schichtdicke l konstant und variiert die Konzentration c indefinierter Weise. Auftragen von log I gegen c ergibt zunachst das Produktεl und damit bei bekanntem l wieder ε.

L 5

L 2 L 3

Pr

S 2

Sp1

L 1

Sp2

S

L

D

Abbildung 4: Strahlengang des Spektralfotometers.

Zum Aufbau der Apparatur: Der Aufbau des Spektrographen gleicht imPrinzip dem des Prismenspektrometers (Versuch 33). Jedoch ist er diesem ge-genuber in zweierlei Hinsicht vollkommener. Einmal wird durch einen Spiegelhinter dem Prisma dafur gesorgt, dass dieses vom Licht zweimal durchlaufenwird, wodurch die Auflosung verdoppelt wird. Zum Zweiten erreicht man durchEinfugen einer weiteren Linse (Feldlinse L2 in Abbildung 3 und 4) in den Strah-lengang, dass von dem den Spalt Sp1 durchtretenden Licht nichts verloren geht,was große Intensitaten am Bildort bzw. auf der Fotoelement bedeutet. (Inten-sitat = Energiezufuhr pro Zeit und Flache, hier also proportional der Zahl derpro Zeit und Flache einfallenden Photonen.) Das ist fur die Absorptionsmessun-gen wichtig, weil die Absorption (Ruckgang des Fotostromes) umso deutlicherwird, je großer die Primarintensitat ist.

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105

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

Der Strahlengang der Apperatur ist in den Abbildungen 4 und 5 dargestellt.Ein genaues Verstandnis wird nicht verlangt. Wichtig ist aber, dass Sie denAufbau des gewohnlichen Spektralapparates (Versuch 33) verstanden haben.

L 2

Sp1

L 1

L 3

Pr1

L 5

S 0

Sp2

Pr1

L 3‘

Abbildung 5: Vereinfachte Darstellung des Strahlengangs.

Den tatsachlichen Strahlengang in der verwendeten Apparatur zeigt Abbil-dung 4. Um ihn ubersichtlicher zu machen, wurde in Abbildung 5 die in Wirk-lichkeit auftretende 90◦-Abwinkelung des Strahlengangs an dem Prisma S2nicht gezeichnet und die Spiegelung am Littrow-Spiegel S3 zuruck uber dasPrisma Pr1 etc. ersetzt durch den durchlaufenden Strahlengang uber Pr2 etc.

Die Linse L′3 (= Spiegelbild der Kollimatorlinse L3) entspricht dem Fernrohr-objektiv beim Spektrometer. Die Absorptionskuvetten werden zwischen L1 undSp1 gebracht. Die Linsen L2 und L5 werden ebenso wie die Spalte Sp1 und Sp2durch die Linsenkombination L3 und L4 ineinander abgebildet; Sie beeinflussenden Abbildungsstrahlengang Sp1 Sp2 nicht. (L2 und L5 liegen ja in der Ebenevon Sp1 und Sp2, also von

”Gegenstand“ und

”Bild“). L2 bildet L1 in S (bzw.

Pr1) ab und L5 bildet S (bzw. Pr′1) auf das Fotoelement So ab. Insgesamt wird

also L1 auf So abgebildet.Die eingezeichneten Strahlen konnen entweder als Grenzen eines vom Mittel-punkt von L1 ausgehenden Lichtbundels aufgefasst werden, dessen Achse mitder optischen Achse der Anordnung zusammenfallt oder aber als die Achsenzweier vom oberen bzw. unteren Ende der Gluhwendel L ausgehenden Bundel.Das Licht der zur Eichung des Monochromators dienenden Spektrallampe wirduber einen in Abbildung 3 nicht eingezeichneten Spiegel S1 zwischen L1 undSp1 in den Strahlengang eingeblendet.Jeder Spektralapparat hat eine

”Apparatebreite“. Sie charakterisiert die Fahig-

keit des Spektrometers, zwei Linien verschiedener Wellenlangen voneinander zutrennen (noch

”aufzulosen“) und ist im wesentlichen durch die Spaltbreite Sp1

gegeben. Aus Abbildung 5 ist ersichtlich, dass mit L3 und L′3 gerade eine 1:1 -Abbildung des Spaltes Sp1 auf sein Bild Sp2 erreicht wird. Das heißt aber, dassdie Wellenlangendifferenz zweier benachbarter Linien umso kleiner sein darf, jeschmaler der Spalt ist. Gleichzeitig geht mit Verkleinerung der Spaltbreite dieLichtintensitat zuruck. Eine hohe Auflosung geht also stets auf Kosten der hin-ter dem Spektralapparat zur Verfugung stehenden Intensitat. Die prinzipielleGrenze der Auflosung wird durch Beugungserscheinungen gesetzt. Dies wird imVersuch 31 und 33 diskutiert.

Technische Daten: f(L1)= 4,1 cm, f(L2)= 20 cm, f(L3)= f(L′3)= 60 cm,f(L5)= 10 cm; Prisma: Flintglas F2; Breite des Eintrittsspalts und der Pro-jektion des Austrittsspalts: 0,6 mm.

VI Durchfuhrung des Versuchs

Schauen Sie wahrend der Durchfuhrung zu jeder Versuchsaufgabe auch im Ka-pitel Auswertung nach. Einige Diagramme sind sofort wahrend der Messung zuzeichnen. Dafur brauchen Sie drei Blatt gewohnliches Millimeterpapier und einBlatt einfach logarithmisches Papier (Ordinatenbereich vier Zehnerpotenzen).

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Wellenlangen-EichungHierzu wird die Hg-Cd-Spektrallampe verwendet, das Grunfilter ist ausdem Strahlengang zu klappen. Schalten Sie die Lampe ein und steckenSie den Einblendspiegel auf. (Nach etwa 5 bis 10 Minuten gibt die Lampedie volle Intensitat ab.) Sie sehen das Spektrum durch einen Schlitz im

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

Monochromatorkasten. Mit den starksten Linien wird die Eichkurve desMonochromators aufgenommen und sofort gezeichnet (Bereich 400 nm -1100 nm). Die Wellenlange entnehmen Sie der Tabelle. Um die Extrapo-lation ins Infrarote zu erleichtern, soll in der Eichkurve die Spaltstellunguber 1/λ aufgetragen werden (statt uber λ). Sie konnen sich auf die roteLinie und 6 bis 7 der

”stromstarken“ Linien beschranken. Der Fotostrom

ist in der letzten Spalte der Tabelle eingetragen (Iph). Die Grobeinstel-lung des Spalts auf die Linien erfolgt visuell, die Feineinstellung mittelsdes Fotostrom-Maximums. Notieren Sie auch die Strome. Versuchen Sie,die (unsichtbaren) Linien bei 690,7 nm , 708,2 nm und 1014,0 nm mit demDetektor zu finden. (1/λ = 1,448 μm−1, 1,41 μm−1, 0,986 μm−1). Zeich-nen Sie zunachst, um einen Anhaltspunkt zu haben, mit den sichtbarenLinien eine vorlaufige Eichkurve.

λ [nm] Element λ−1 [μm−1] Farbe Intensitat Iph[b.E.]

643,8 Cd 1,553 rot schwach 10

578 Hg 1,73 gelb stark 20

546,1 Hg 1,831 gelbgrun stark 40

508,6 Cd 1,966 grun mittel 15

491,6 Hg 2,034 blaugrun sehr schwach 0.3

480 Cd 2,083 blau mittel 10

467,8 Cd 2,138 blau schwach 5

435,84 Hg 2,294 blauviolett stark 13

407,8 Hg 2,452 (violett) unsichtbar 0.3

404,7 Hg 2,471 (violett) unsichtbar 3.0

3. Zusatzaufgabe fur Physiker: Bestimmen sie an einer starken Linie das Ap-parateprofil (Linienbreite). Wahlen Sie fur die Schrittweite 0,5 mm. TragenSie Ihre Messwerte sofort in ein Diagramm ein. Die Apparatebreite ist innm anzugeben (Umrechnung mit Hilfe der Eichkurve).

Achtung: Bitte schalten Sie nach vollendeter Eichung bzw. nach Be-stimmung des Apparateprofils die Spektrallampe aus. (Vor erneutemEinschalten muss die Lampe etwa 5 Minuten abkuhlen, sonst zundetsie nicht.)Um den Einfluss von Streulicht zu unterdrucken, wird bei den Messungen VI.4,VI.5 und VI.6 ein Grunfilter eingeschwenkt.

Damit keine unnotigen Wartezeiten an den Buretten entstehen, kann die Rei-henfolge der Messungen VI.4 und VI.5 vertauscht werden.Uberzeugen Sie sich vor Beginn der Messungen, dass die Gluhlampenwendelso scharf wie moglich auf den Eintrittsspalt abgebildet ist. Prufen Sie mit ei-nem weißen Papier nach, ob das nahe der Kollimatorlinse entstehende Bild derKondensoroffnung gleichmaßig weiß ist. (Hierzu ist der Deckel des Monochro-matorkastens zu offnen.) Die Gluhlampe lasst sich mit den drei Stellschraubenam Gehause justieren.

4. Absorption einer KMnO4- Losung als Funktion der Schichtdicke:Lambertsches Absorptionsgesetz.Als Lichtquelle benutzen Sie die Gluhlampe. Stellen Sie den Austrittspaltfest auf die Wellenlange λ=525 nm ein und nehmen Sie die durchgelasseneIntensitat als Funktion der Kuvettenlange von l1=1,5 cm bis l5=24 cm auf.Die Messwerte sind sofort auf halblogarithmischem Papier einzuzeichnen.

Dunkelstrom: An dieser Stelle kann der”Dunkelstrom“ den ein Foto-

element auch ohne Lichteinfall liefert, wichtig werden. Bestimmen Sie ihndurch Abdecken des Eintrittsspalts und ziehen Sie ihn bei intensitatsschwa-chen Messungen vom gesamten Fotostrom ab. Wiederholen Sie noch imweiteren Verlauf gelegentlich die Dunkelstrommessung, insbesondere amSchluss des Versuchs.

5. Absorption einer KMnO4- Losung als Funktion der Konzentra-tion: Beersches Gesetz.Einstellung auf λ=525 nm wie unter VI.4. Bei konstanter Schichtdicke lwird die Konzentration c schrittweise erhoht (z.B. jeweils um den Fak-tor 2) und tragt die durchgelassene Intensitat logarithmisch gegen c auf.Als erstes wird eine sogenannte Nullmessung mit reinem VE-Wasser1 ge-macht. Geht man von einem abgemessenen Volumen V0 reinen Wassersaus und gibt nach und nach die Volumina V1, V2, ... einer KMnO4-Losungbekannter Konzentration c zu (in der Burette betragt die Konzentration

1VE-Wasser: Voll Entsalzenes Wasser.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

c=10−3mol/l), so erhalt man die Konzentrationen

c0 = c0

V0= 0, c1 = c

V1

V0 + V1, c2 = c

V1 + V2

V0 + V1 + V2,

c3 = cV1 + V2 + V3

V0 + V1 + V2 + V3, c4 = c

V1 + V2 + V3 + V4

V0 + V1 + V2 + V3 + V4.

Aus den oben angegebenen Gleichungen ergibt sich fur V0=21 ml,V1=1,4 ml, V2=1,6 ml, V3=4,0 ml und V4=14,0 ml (V1+V2+V3+V4 = V0)die gewunschte 1:2-Abstufung, namlich

(10−3

16:

10−3

8:

10−3

4:

10−3

2

)mol

l

Die Rechteck-Kuvette zunachst nicht ausleeren. Die Losung mit der Kon-zentration c4 wird in Aufgabe VI.6 noch benotigt.

Freiwillige Zusatzaufgaben:

6. Absorptionsbanden des MnO−

4 Ions.Um das Streulicht zu unterdrucken, wird auch bei diesem Versuch dasGrunfilter eingeschwenkt. Die Rechteckkuvette und die darin verbliebene5×10−4-molare KMnO4-Losung aus Versuch VI.5 wird vor dem Eintritts-spalt positioniert. Messen Sie das Absorptionsspektrum, in dem Sie denIntensitatsverlauf zwischen gelb und blau in Schritten von ca. 2 mm (inden Banden auch kleiner) durchfahren.

7. Spektrum einer Gluhlampe (”Temperaturstrahler“):

Der Grunfilter wird wieder entfernt. In Schritten von ca. 1,0 cm wird derSpektralbereich von violett bis an das infrarote Ende des Spektrometersdurchgefahren. Messen Sie den Fotostrom IPh und tragen Sie direkt IPh

uber 1/λ auf.

VII Auswertung

1. zu VI.4 und VI.5: Die gemessenen Fotostrome werden sofort in ein gemein-sames halblogarithmisches Diagramm mit zwei (linearen) Abszissenskalen

fur l und fur c eingezeichnet. Punkte die offenbar aus der Geraden her-ausfallen, nochmals nachmessen. Zu Hause berechnen Sie aus der Steigungder

”Lambert-Geraden

”(mit c = 5×10−5 mol/l) den dekadischen Absorp-

tionskoeffizienten k′ und hieraus dann die Molarextinktion ε gemaß ε=k′/c.(Berucksichtigen Sie dazu, dass eine Intensitatsabnahme um den Faktor 10gerade eine Anderung des dekadischen Logarithmus um 1.0 bedeutet: diehierzu erforderliche Absorptionslange l′ entnehmen Sie der Zeichnung. k′

ist dann gegeben durch k′ = 1/l). Schatzen Sie die Fehler ab. Analog ver-fahren Sie bei der

”Beer-Geraden“. Geben Sie die Molarextinktion sowohl

in liter/(mol cm) als auch in cm2/mol an. Wie gut stimmen die Werte ausder Lambert- und aus der Beer-Geraden uberein?

2. zu VI.6: Tragen Sie den Fotostrom als Funktion der Spaltstellung direkt aufMillimeterpapier auf. Bestimmen Sie die Minima und geben Sie mit Hilfeder Eichkurve die Lage der Permanganatbanden in nm an. Eine Fehler-rechnung ist hier sinnlos, da die Banden mehrere nm breit. sind. SchatzenSie die Bandenbreite ab.

3. zu VI.7: Mit Hilfe der relativen spektralen Empfindlichkeitskurve des Fo-toelementes tragen Sie in das Diagramm die umgerechneten Werte ein,die sich aus den gemessenen Fotostromen ergeben, wenn sie auf konstanteEmpfindlichkeit korrigieren. Fehlerbalken an einigen Punkten anbringen!Die so erhaltene Kurve entspricht dem Planck’schen Strahlungsgesetz furdie Temperaturstrahlung. Mit der Apparatur kann man jedoch nur denkurzwelligen Ast der Gesamtkurve messen. Das Maximum der spektralenIntensitatsverteilung liegt entsprechend der Temperatur des Gluhfadensvon ≈2500◦C bei ca. 1,2 μm, also außerhalb der Empfindlichkeit unseresDetektors. Falls Sie mochten, konnen Sie das auf die Empfindlichkeit desDetektors korrigierte Gluhlampenspektrum auf halblogarithmischem Pa-pier aufragen. Die Intensitat bei den hohen Frequenzen (= violetter Astder Planckkurve) verlauft nach der Funktion

I(ν) ∝ ν3e−(hν/kT )dν (Wiensches Strahlungsgesetz). (8)

Da der Exponent bei dem im Praktikum vorliegenden Bedingungen (T,ν)zwischen ca. -5 und -12 liegt, dominiert die Exponentialfunktion. Es ergibtsich somit nur eine schwach gekrummte Kurve.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100re

lativ

eE

mpfin

dlic

hke

it[%

]

1/� [�m-1]

Abbildung 6: Relative spektrale Empfindlichkeit fur das Fotoelement BPY64.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 34 Spektralfotometrie

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

Versuch 35

Fotoeffekt

Netzteil

Hg-Lampe

Photozelle

DoppelprismaAmperemeterund Netzteil

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Fotoeffekt.

I Messaufbau

• Spektrometeraufbau mit zwei Prismen und eingebauter Vakuumfotozelle

• Hg-Spektral-Lampe (befestigt am Spektrometer)

• Piko-Amperemeter mit eingebauter Spannungsquelle fur die Gegenspan-nung

• Netzteil

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

beweglicher Spiegel

Kollimator

Fernrohr

Doppelprisma

weißes Papier

Hebel zum umklappen des Spiegel

Abbildung 2: Strahlengang im Spektrometer.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Fotoeffekt, Aufbau eines Prismenspektrometers.

Verstandnisfragen:

1. Licht kann Elektronen aus Metallen auslosen. Geht das fur jede Frequenzund fur alle Metalle? Der Effekt wurde zuerst mit UV Licht beobachtet.Ist das Zufall?

2. Wovon hangt die kinetische Energie der ausgelosten Elektronen ab?- vom Metall?- von der Intensitat des Lichts und damit vom E-Feld?- von der Wellenlange des Lichts?

3. Erklaren Sie die Einsteinsche Gleichung hν = A + 1/2mv2e . Warum haben

beim Versuch nicht alle Elektronen dieselbe kinetische Energie?

4. Wo wird der fotoelektrische Effekt angewandt?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

5. Warum ist der”Dunkelstrom“ bei hohen negativen Sperrspannungen ne-

gativ? Was wurde passieren, wenn Sie den Anodenring direkt beleuchtenwurden?

IV Aufgabe

• Fur drei starke Linien des Hg-Spektrums zwischen grun und nahem Ultra-violett ist die Grenzenergie der beim Fotoeffekt emittierten Elektronen mitder Gegenfeldmethode zu messen. Daraus ist das Planck’sche Wirkungs-quantum h zu bestimmen.

V Grundlagen

Dieser Versuch demonstriert die Existenz von Lichtquanten. Die Emission vonElektronen bei der Bestrahlung von Metalloberflachen mit Licht zeigt folgendesVerhalten:

1. Die Elektronemission erfolgt erst fur Licht mit einer Mindestfrequenz, dievom Metall abhangt (fur die meisten Metalle wird UV-Licht benotigt).

2. Die Energie der emittierten Elektronen hangt nur von der Frequenz desLichts ab und dem Metall, nicht aber von der Lichtintensitat, wie klassischerwartet, weil sie proportional zum Quadrat der elektrischen Feldstarke derLichtwelle ist.

Im Versuch wird die Emission von Elektronen aus einer Metalloberflache nach-gewiesen und die maximale Energie der Elektronen als Funktion der Lichtfre-quenz gemessen.

Energie von Leitungselektronen im Metall:

Zum Verstandnis des Fotoeffekts, mussen wir uns zunachst naher mit denelektronischen Eigenschaften der Metalle beschaftigen. Bei der metallischenBindung geben die einzelnen Metallatome eine bestimmte Anzahl ihrer Valenz-elektronen ab und bilden ein Metallgitter, bestehend aus positiv geladenenAtomrumpfen und delokalisierten Elektronen. Diese Elektronen konnen sichim ganzen Metall nahezu frei bewegen und werden als Leitungselektronen be-zeichnet. Allerdings konnen die Leitungselektronen das Metallgitter nicht ohneweiteres verlassen. Sie sind im Metallgitter gebunden.

W(E)

E

T>0 K

T=0 K

EF

1

E

E

E

A

kin

F

Ee-Metall

Außenraum h�

a) b)

Abbildung 3: a) Energieverteilung der Elektronen eines Metalls. b) Potenzial-topfmodell.

Die Energie der Leitungselektronen eines Metalls unterliegt einer ganz be-stimmten Verteilung (Fermiverteilung), die von der Temperatur des Metallsabhangt. Bei T=0K sind alle Energiezustande von Null bis zu einer Maximal-energie, die als Fermienergie EF bezeichnet wird, besetzt. Solch eine Verteilungist in Abbildung 3a) dargestellt. W (E) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dassein Elektron die Energie E besitzt. Bis zur Fermienergie ist die Besetzungs-wahrscheinlichkeit fur alle Energien Eins, daruber Null. Die Verteilung besitztdaher bei der Fermienergie eine scharfe Kante (Fermikante). Bei Temperaturenuber 0K ist die Fermikante

”aufgeweicht“. Es gibt dann auch Elektronen mit

Energien oberhalb der Fermikante. Dementsprechend sind einige Energienive-aus mit E < EF unbesetzt.

Die energetischen Verhaltnisse sind anhand eines Potenzialtopfs in Abbil-dung 3b) dargestellt. Die Leitungselektronen sind im Metall gebunden undbevolkern dort kontinuierlich alle Energiezustande von Null bis zur Fermiener-gie. Um ein Elektron aus dem Metall herauszulosen, muss eine zusatzliche Ener-gie aufgebracht werden. Die Energie, die benotigt wird um Elektronen von derFermienergie aus, aus dem Potenzialtopf in den Außenraum zu bringen, wirdals Austrittsarbeit A bezeichnet.

Trifft nun ein Photon mit der Energie hν auf ein Leitungselektron der EnergieEe, so ubertragt es seine Energie auf das Elektron, so dass dieses bei einerhinreichend großen Photonenenergie die Metalloberflache verlassen kann undzudem noch eine kinetische Energie Ekin erhalt. Aus dem Energiesatz folgt

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

dann:

hν = A + (EF − Ee) + Ekin. (1)

Die kinetische Energie der emittierten Elektronen ist am großten fur Elektronenan der Fermikante, d.h. Ee = EF . Diese maximale Energie

Ekin(max) = hν − A (2)

kann durch Messung der Strom-Spannungskurve einer Fotozelle bestimmt wer-den. Das ist das Ziel des Experiments.

h�

U

Kathode

Anodenring

Anodenring

KathodeI

Abbildung 4: Aufbau einer Fotozelle.

Abbildung 4 skizziert den Aufbau einer Fotozelle. Die Innenseite eines evaku-ierten Glaskolbens ist auf einer Seite mit einem Metall (Kalium) welches einegeringe Austrittsarbeit besitzt, bedampft. Diese Metallflache stellt die Fotoka-thode dar. Daruber, in einigen Millimetern Abstand, befindet sich die Anodedie als dunner Drahtring ausgelegt ist.Zwischen Anode und Kathode lasst sich eine Spannung U anlegen. Befindetsich die Anode auf positivem Potenzial, so erreichen alle aus der Kathode aus-gelosten Fotoelektronen die Anode. Bei negativer Spannung nimmt der Foto-strom ab, da nur noch Elektronen mit hoherer kinetischer Energie und damitgrosserem Ee die Anode erreichen. Bei der Sperrspannung Us wird der Stromschließlich Null, so dass auch die Elektronen an der Fermikante, mit Ee = EF ,die Anode nicht mehr erreichen.

Der Fotostrom ist daher konstant fur positive Spannung, wahrend er fur negati-ve Spannungen abnimmt. Bei T = 0K verschwindet der Fotostrom bei U = Us.Tatsachlich nahert sich der Strom aber asymptotisch dem Wert Null, da esfur T > 0K auch Leitungselektronen oberhalb der Fermikante gibt, deren Zahlallerdings mit dem Energieabstand von der Fermikante exponentiell abnimmt(Abbildung 5).

Spannung U

Str

om

I

0Us

T>0 T=0

Abbildung 5: Strom-Spannungskennlinie einer idealen Fotozelle.

Im Versuch steht einer ebenen Kathode eine Ringeleketrode gegenuber. Da-her ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fotoelektronen auf die Anode treffen,selbst bei kleinen positiven Spannungen U klein. Es braucht eine hohe positiveSaugspannung um alle Fotoelektronen dort zu sammeln, d.h. den Fotostrom inSattigung zu bringen (Abbildung 6).

Zur Bestimmung von Us mussen Sie wissen, welchen funktionalen Verlauf dieStrom-Spannungskennlinie in der Nahe von Us fur T > 0 hatte. Dies hangt vonder Geometrie von Anode und Kathode ab. Es lasst sich zeigen, dass fur unsereGeometrie diese Funktion ungefahr I ∝ U2 ist. Daher wird bei der Auswertung

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

Spannung U

Str

om

I

0Us

T>0

Abbildung 6: Strom-Spannungskennlinie einer realen Fotozelle.

√I gegen U aufgetragen und eine Gerade zum Schnittpunkt I = 0 extrapoliert

(Abbildung 7). Die Sperrspannung Us ist dann gegeben durch

eUs = Ekin(max) = hν − A ∝√

I. (3)

Zum Aufbau:

Auf einer Grundplatte ist ein Prismen-Spektralapparat aufgebaut. Um die Di-spersion zu erhohen, sind zwei gleichartige Flintglas Prismen hintereinanderangeordnet. Anders als beim Versuch 33 oder 34 wird das Spektrum durcheinen beweglichen Spiegel uber den Eingang des

”Fernrohrs“ bewegt. In dem

”Fernrohr“-Kasten ist der Austrittspalt eingebaut, hinter dem sich eine Fotozel-

le befindet, so dass die verschiedenen Spektrallinien einzeln auf die Fotokathodegelenkt werden konnen. Vor dem Austrittsspalt befindet sich in dem Kasten einschwenkbarer Spiegel, mit dem das Licht zur Beobachtung auf einen eingebau-ten Schirm (= weißes Papier) gelenkt werden kann. Da normales Papier im UV

fluoresziert, kann auf dem Schirm auch die UV-Linie bei 365,0 nm beobachtetwerden.

Fallt Licht hinreichend großer Energie (Frequenz) auf die Fotokathode, dannwerden daraus Elektronen mit einer kinetischen Energie von E = hν−A ausge-sandt. Ist der Ring uber ein Amperemeter mit der Kathode verbunden, so fließtein Strom. Im Versuch wird die Kathode (uber das Piko-Amperemeter) geerdetund an den Ring eine Vorspannung gegen Erde gegeben. Ist diese Vorspannunghinreichend negativ, dann konnen keine Elektronen mehr auf dem Ring ankom-men. Aus der linearen Abhangigkeit der hierzu benotigten Spannung mit derFrequenz kann dann die Planck’sche Konstante h bestimmt werden.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Die Wartezeit nach dem Einschalten der Lampe, bis diese mit vollerIntensitat brennt, nutzen Sie zum Eichen des Spektrometers. Dazuschwenken Sie den Spiegel im Fotozellenkasten mit dem Hebel so nachoben, dass auf dem kleinen Schirm oben auf dem Kasten das Spektrumerscheint. Durch Drehen an der großen Randelschraube konnen Sie denSpektrometer-Spiegel verstellen und die Linien uber die Marke schieben,die die Lage des Spaltes angibt. Unter der Randelschraube ist eine Skalaund an dem Rand ein Nonius, womit Sie die Stellung des Spiegels bestim-men konnen. Fuhren sie eine Eichung durch, indem Sie die Spiegelstellungals Funktion der Frequenz (in THz) der Linien messen. Auf diese Weisekonnen Sie die Linien den richtigen Frequenzen zuordnen.

Linien des Hg-SpektrumsDa das Auflosungsvermogen des Spektrometers nicht so gut ist, sind in derTabelle nur die starken Linien vermerkt und benachbarte Linien zusammengefasst (∗).

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

Nr. Wellenlange (nm) Frequenz (THz) Farbe Intensitat

1 623,4 480,9 rot mittel

2 578∗ 518,7 gelb sehr stark

3 →546,1 549,0 grun stark

4 491,6 609,8 blaugrun mittel

5 →435,8 687,9 blau stark

6 405∗ 740,2 violett stark

7 →365,0 821,3 UV stak

Nach dem Eichen klappen Sie den Fotozellenspiegel wieder aus dem Strah-lengang, schließen das Amperemeter an die Kathode und die Vorspannungan den Ring an. Bei einigen Volt positiver Vorspannung messen Sie denStrom uber die gelbe und grune Linie in Schritten von 1/10 Umdrehung derRandelschraube. Ihre Lage kennen Sie ja von der Eichung her. Die beidenLinien sind i.a. nicht sauber getrennt, auch kann die Lage des Stromma-ximum etwas von dem abweichen, was sie bei der Eichung fanden; das istnicht beunruhigend.

Setzen Sie sich dann auf die grune Linie (= grunen”Gipfel“ des eben

gemessenen”Gebirges“) und messen Sie den Strom von U=+8 V nach

-4 V in 0,5 V Schritten. Ab der Spannung, wo der Strom unter ca. 5 %bis 10 % des Wertes bei +8 V fallt, messen Sie uber einen Bereich von ca.1,0 V bis 1,5 V in 0,1 V Schritten.

Es genugt, die Strom-Spannungskennlinien fur die mit einem Pfeil gekenn-zeichneten Linien bei 546 nm (grun), 436 nm (blau) und 365 nm (UV) zumessen.

Hinweis zur Durchfuhrung:

Nehmen Sie jeweils einen Messpunkt bei U= +8 V und suchen sie dabeijeweils das Maximum des Fotostroms durch Drehung der Randelschrau-be in kleinen Schritten. Das garantiert, dass sie die Linie zentral auf dieFotokathode abbilden. Nehmen Sie nun die Kennlinie ab U=+0,5 V in klei-nen Schritten hin zu negativen Spannungen auf, bis zu Stromen unterhalb10−11 A und dann noch den Untergrundstrom bei hoher Sperrspannung.(Der Untergrundstrom entspricht nicht dem Dunkelstrom eines optischenDetektors bei abgedeckter Lichtquelle.) Diese Messwerte (ab +0,5 V

Us

Spannung U

I-

I 0

Abbildung 7: Wurzel aus dem gemessenen Fotostrom abzuglich des Untergrund-stroms als Funktion der Spannung.

bis zur Sperrspannung) bitte sofort auch grafisch auftragen! Sievermeiden damit Fehlmessungen und Ablesefehler.

Bitte beachten Sie, dass das Amperemeter im dem kleinsten Messbereicheine lange Zeitkonstante hat. Warten Sie die Endeinstellung ab! Der Stromwird in der Regel bei den hoheren negativen Vorspannungen negativ wer-den; das Vorzeichen ist also zu beachten.

VII Auswertung

Die Strome werden auf den Untergrundstrom I0 (bei hohen negativen Gegen-spannungen) korrigiert und aus den so erhaltenen Werten die Wurzel gezogen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 35 Fotoeffekt

Dazu ist es zweckmaßig, fur jede Farbe eine Tabelle der nachfolgenden Art an-zulegen (Musterzahlen aus einer Messung der violetten Linie); die ersten beidenZeilen sind die Messwerte, die unteren beiden dann Ihre Auswertung.

U [V] +0,5 0,0 -0,2 -0,3 -0,4 ... -1,5 -2,0 -2,5

I[10−10A] 37,1 21,4 15,93 13,0 10,86 ... -0,051 -0,124 -0,129

I − I0 37,2 21,5 16,06 13,13 10,99 ... 0,080 0,007 0,002√

I − I0 6,1 4,64 4,00 3,61 3,32 ... 0,284 0,088 0,045

Nur die letzte Zeile wird graphisch aufgetragen. Fur die grune Linie sollte diegesamte Kennlinie bis + 8V gezeichnet werden. Ordinate: Wurzel aus demStrom, Abszisse: Spannungen, wobei sich Kurven nach Abbildung 7 ergeben.An den linearen Teil wird ein Lineal angelegt und aus dem Schnitt mit derSpannungsachse die Spannung extrapoliert, bei der die Elektronen gerade denRing nicht mehr erreichen. Zur Bestimmung der Sperrspannung Us zeichnenSie fur alle Linien (auch die grune) nur den Bereich ab +0,5 V in vernunfti-gem Maßstab, so dass Sie die Steigung gut bestimmen konnen. Der Fehler vonUs wird dadurch bestimmt, wie stark Sie die Steigung der Ausgleichsgeradeninnerhalb der Messfehler im linearen Bereich variieren konnen!Zur Bestimmung der Planckschen Wirkungsquantums h muss nur die Steigungder Geraden

”Us gegen die Frequenz ν“ bestimmt werden. (Nullpunkt fur beide

Achsen unterdrucken!).

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 41 Temperaturmessung

Versuch 41

Temperaturmessung

Pyrometer

Pt100-ThermometerThermoelement

Gasthermometer

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Temperaturmessung.

I Messaufbau

• Pyrometer

• Pt100-Thermometer (Klasse B)

• Konstantstromquelle 1 mA

• Dewargefaß

• Gasthermometer

• Topf fur Temperaturbad

• Thermoelement fur hohe Temperaturen (PtRh) mit Eichtabelle

• Multimeter

• Butangas-Bunsenbrenner

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Temperatur, absoluter Nullpunkt, Gasgesetze, Zustandsanderungen des idea-len Gases, reale Gase, van der Waals- Gleichung, Thermoelement.

Verstandnisfragen:

1. Was ist Warme, was ist Temperatur?

2. Was fur Thermometer gibt es? Auf welchen physikalischen Prinzipien be-ruhen sie? Welche Vor- oder Nachteile bei der Anwendung ergeben sichdaraus?

3. Wie funktioniert ein Gasthermometer? Warum ist dieses Thermometer fureine absolute Temperaturmessung gut geeignet? Kann man ein beliebigesGas nehmen? Bis zu welchen Temperaturen halten Sie ein Gasthermometerfur geeignet- welches Gas wurden Sie also nehmen?

4. Als Temperaturfixpunkte werden die Temperatur des kochenden Wassersund die Schmelztemperatur des Eises (Eis-Wassermischung) genommen,die relativ leicht realisiert werden konnen. Von welchen außeren Parame-tern hangen diese Fixpunkte ab?

5. Welche prinzipielle Moglichkeit zur Festlegung der Temperatur, un-abhangig von einer Arbeitssubstanz, gibt es?

6. Wie funktioniert ein Thermoelement?

7. Wie lasst sich die Oberflachentemperatur von Sternen bestimmen? Wieunterscheiden sich die Spektren von Sirius (T≈10000 K) und der Sonne(T ≈ 6500 K)?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 41 Temperaturmessung

IV Aufgaben

• Temperaturmessung mit Hilfe eines Gasthermometers und eines Platin-Widerstandsthermometers im Bereich zwischen dem Siedepunkt des Was-sers und dem Siedepunkt von flussigem Stickstoff.

• Messungen mit einem Infrarot- Thermometer im Bereich von 0◦C bis100◦C.

• Als typische Anwendung eines Thermoelementes wird mit demPtRh-Element die Temperaturverteilung einer Bunsenbrennerflamme ge-messen.

V Grundlagen

Der thermische Zustand eines Stoffes wird durch die Temperatur charakteri-siert. Zur Messung dieser Große benutzt man Instrumente (Thermometer), diedie Temperaturabhangigkeit verschiedener physikalischer Großen ausnutzen.Dazu gehoren zum Beispiel Ausdehnungsthermometer (Flussigkeitsthermome-ter, Gasthermometer), deren Prinzip auf die Temperaturabhangigkeit des Vo-lumens eines Stoffes beruht. Eine weitere große Klasse von Thermometern sindWiderstandsthermometer wie Platin-Thermometer oder Hableiterthermometer(NTC, PTC). Bei diesen hangt der elektrische Widerstand von der Temperaturab. Thermoelemente bestehen aus zwei unterschiedlichen, miteinander verlote-ten Metalldrahten. Zwischen den Anschlussen liegt eine elektrische Spannungan, die von der Temperaturdifferenz der Kontaktstelle und den Anschlussendenabhangt. In diesem Versuch werden Sie auch Messungen mit einem Pyrometerdurchfuhren. Solch ein Thermometer misst die von einem Korper ausgehende

”Warmestrahlung“, die nur von der Temperatur abhangt.

Weltweit gibt es verschiedene Temperaturskalen wie z.B. Celsius oder Fahren-heit, die auf zwei unterschiedlichen Fixpunkten aufbauen. Bei der Celsiusskalasind dies der Schmelz- und der Siedepunkt von Wasser. Der untere Fixpunktder Fahrenheitskala entspricht der Temperatur einer speziellen Kaltemischung,der obere Fixpunkt der

”Korpertemperatur eines gesunden Menschen“. Sol-

che Definitionen sind nicht besonders gut reproduzierbar. Aus physikalischerSicht gibt es nur eine Temperaturskala, die sich aus dem ersten und zweitenHauptsatz der Thermodynamik ableiten lasst: Die thermodynamische Tempe-raturskala oder die Kelvinskala.

Die derzeit gultige internationale Temperaturskala wurde 1990 (ITS-90) fest-gelegt. Sie definiert spezielle Temperaturfixpunkte im Bereich von 0,65 Kbis 2200 K. Zwischen diesen Temperaturwerten wird mittels definierterThermometer interpoliert, die zuvor an den Fixpunkten kalibriert wur-den. Zu diesen gehoren insbesondere die Platin- Widerstandsthermometer(Messbereich ca. 10 K bis ca. 1200 K), das He-Gasthermometer und dasHe-Dampfdruckthermometer fur Temperaturen kleiner als 30 K, sowie imHochtemperaturbereich die Strahlungsthermometer.

VI Das Gasthermometer

Das Funktionsprinzip eines Gasthermometers lasst sich mit Hilfe der IdealenGasgleichung beschreiben:

pV = NkT, (1)

wobei p den Druck, V das Volumen, T die absolute Temperatur, N die Teil-chenzahl und k die Boltzmann- Konstante darstellen.

Glaskugel

Drucksensor

Manometer

Abbildung 2: Aufbau eines Gasthermometers.

Befindet sich ein Gas in einem abgeschlossenen Behalter, so kann bei konstantgehaltenem Volumen die Temperatur des Gases durch eine Druckmessung be-

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 41 Temperaturmessung

stimmt werden (Gesetz von Amontons):

T ∝ p fur V = konstant. (2)

Den Aufbau des im Praktikum eingesetzten Gasthermometers ist in Abbil-dung 2 dargestellt. Es besteht aus einem mit Luft gefullten Glasballon, deruber eine Kapillare mit einem elektrischen Manometer verbunden ist.Die Genauigkeit, mit der die Temperatur gemessen werden kann, hangt vonder Konstanz des Volumens und dem verwendeten Gas ab. Dabei mussen zweisystematische Fehler berucksichtigt werden. Zum einen dehnt sich der Glasbal-lon bei Erwarmung aus, wodurch sich das Luftvolumen andert. Dieser Fehlerkann aber aufgrund des viel großeren Ausdehnungskoeffizienten von Luft ge-genuber dem von Glas vernachlassigt werden. Zum anderen bleibt die in derKapillare zwischen Glaskugel und Manometer eingeschlossene Luft annaherndauf Zimmertemperatur. Temperaturanderungen im Glasballon bewirken daher,dass dieses

”schadliche Volumen“ komprimiert bzw. expandiert wird, wodurch

sich ebenfalls das Luftvolumen andert. Desweiteren ist Luft nur bedingt alsideales Gas anzusehen. Weit oberhalb des Verflussigungspunktes und bei gerin-gem Druck sind die Voraussetzungen eines idealen Gases sicherlich gut erfullt.Allerdings werden Sie auch Messungen bei Temperaturen des flussigen Stick-stoffs durchfuhren. Da der Druck im Glasballon bei dieser Temperatur deutlichgeringer ist als Atmospharendruck, tritt keine Verflussigung auf und die Luftim Glasbehalter kann immer noch als ideal angesehen werden.

VII Das Thermoelement

Die Wirkungsweise eines Thermoelementes beruht auf dem Seebeck- Effekt:Bringt man zwei unterschiedliche Metalle zueinander in Kontakt, so baut sichan der Kontaktstelle eine elektrische Spannung auf, deren Betrag von der Artdes Metalls und der Temperatur abhangt (Abbildung 3 links). Aus dem Me-tall mit der geringeren Austrittsarbeit fließen Elektronen in das Metall mit dergroßeren Austrittsarbeit. Es entsteht eine Thermospannung Uth. Bei geschlosse-nem Stromkreis fließt ein Thermostrom Ith; die dafur

”benotigte Energie“ wird

der Warmequelle entnommen.Betragt die Temperatur an der Kontaktstelle T1 und an den beiden Enden derMetalle T2, so folgt fur die Thermospannung:

Uth = K(T1 − T2), (3)

T2T1

Uth

T1

T2

a) b)

Kontaktstelle

I th

Uth

Abbildung 3: Funktionsprinzip eines Thermoelements.

wobei K eine Konstante darstellt, die von beiden Metallen abhangt.

Thermoelemente werden in Industrie und Technik sehr haufig eingesetzt. DieVorteile dieser Sensoren sind kleine Dimensionen, gute mechanische und che-mische Stabilitat, die Anwendbarkeit uber einen sehr großen Temperaturbe-reich sowie die geringen Herstellungskosten. Allerdings besitzen Thermoele-mente auch Nachteile. Es lassen sich nur relative Temperaturen messen. Solldie Temperatur T1 absolut bestimmt werden, so muss die Vergleichstempera-tur T2 bekannt sein. Fur einfache Messungen geringer Genauigkeit begnugtman sich mit der ungefahr konstanten Raumtemperatur T2 als Vergleichstem-peratur (Bei Messungen von sehr hohen Temperaturen ist auch diese Methodesehr genau). Fur prazise Messungen der absoluten Temperatur wird aber einekonstante Vergleichstemperatur benotigt. Dazu verwendet man ein Thermoele-ment mit zwei Kontaktstellen (Abbildung 3 rechts), wobei ein Kontakt auf einedefinierte Vergleichstemperatur T2 eingestellt wird.

Die Spannung die an einem Thermoelement anliegt ist sehr gering. Bei demhier verwendeten Platin-Rhodium Thermoelement betragt die Spannung bei50◦C 2 μV, bei 1000◦C 4,9 mV. Eine Vergleichliste zwischen Temperatur undThermospannung liegt am Laborplatz aus.

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VIII Das Platin Widerstandsthermometer

Die Temperaturabhangigkeit eines Pt-Widerstands lasst sich mit guter Genau-igkeit durch ein Polynom zweiten Grades approximieren1:

R(T ) = R0(1 + AT + B T 2), (4)

mit den Koeffizienten

A = 3, 9083 × 10−3[◦C−1]

B = − 5, 775 × 10−7[◦C−2].

R0 ist der Nennwiderstand bei 0◦C. Fur ein Pt100-Thermometer gilt R0 =100 Ω. Damit kann aus dem gemessenen Widerstand R die Temperatur be-rechnet werden. Aus Gleichung (4) ergibt sich:

T (R) =−R0A +

√R2

0A2 − 4R0B(R0 − R)

2R0B. (5)

Platinthermometer sind in vier Genauigkeitsklassen erhaltlich. Die im Prakti-kum eingesetzten Thermometer sind in der Genauigkeitsklasse B eingeordnet.In dieser Klasse betragt der Temperaturfehler:

ΔT = 0, 30 ◦C + 0, 005 |T |. (6)

Der Widerstand eines Pt-Thermometers kann im einfachsten Fall nach demOhmschen Gesetz durch zwei verschiedene Methoden bestimmt werden. Ent-weder wird an den Pt-Widerstand eine konstante Spannung angelegt und derStrom gemessen oder es wird ein konstanter Strom eingepragt und der Span-nungsabfall uber dem Pt-Widerstand gemessen. Bei beiden Messmethoden trittstets eine Eigenerwarmung des Pt-Thermometers auf, die die eigentliche Tem-peraturmessung verfalscht. Es ist daher sinnvoll, die Widerstandsmessung miteinem moglichst kleinen, konstanten Messstrom durchzufuhren und den Span-nungsabfall uber dem Pt-Widerstand mit einem Voltmeter zu messen. Im Prak-tikum verwenden Sie hierfur eine Konstantstromquelle die einen Strom von1 mA liefert.

1Die DIN IEC 751 legt fur den Platin-Widerstand eigentlich zwei Temperaturbereichefest (-200◦C bis 0◦C und 0◦C bis 850◦C), die durch unterschiedliche Polynome definiertsind. Bei diesem Versuch reicht es aber aus, stets die angegebene quadratischen Naherung zuverwenden.

Pt-ThermometerStromquelle

I

Leitungswiderstand

RL

RL

Voltm

ete

r

a)

Pt-ThermometerStromquelle

I

Leitungswiderstand

RL

RL

I

RL

RL

~~0

b)

Voltm

ete

r

Abbildung 4: a) Zweileiterschaltung und b) Vierleiterschaltung zur Messungdes Widerstands eines Pt-Thermometers.

Bei der Spannungsmessung muss berucksichtigt werden, dass der Pt-Widerstand in der Regel an mehr oder weniger langen Zuleitungen angeschlos-sen ist, die wiederum selbst einen elektrischen Widerstand besitzen. Bei derZweileiterschaltung in Abbildung 4 a) geht in die Widerstandsmessung derWiderstand der Messleitungen mit ein. Dieser Messfehler kann durch eine so-genannte Vierleiterschaltung vermieden werden. Dabei dienen zwei Leiter derStromzufuhr und zwei weitere zur Messung des Spannungsabfalls. Da die Span-nungsmessung mit hochohmigen Voltmetern (Innenwiderstand einige MΩ) er-folgt, fließt nur ein sehr kleiner Strom durch die Leitungen und der Spannungs-abfall an den Zuleitungen ist vernachlassigbar klein.

IX Das Pyrometer

Jeder Korper dessen Temperatur großer als 0 K ist sendet Warmestrahlung aus,deren Intensitat nur von der Temperatur abhangt. Zur Quantifizierung der ab-gestrahlten Intensitat geht man zunachst vom Modell eines schwarzen Strahlersaus. Dabei handelt es sich um einen idealisierten Korper, der die gesamte aufihn einfallende elektromagnetische Strahlung vollstandig absorbiert. Nach demkirchhoffschen Strahlungsgesetz besitzt solch ein Korper auch ein maximalesEmissionvermogen ε =1. Die Intensitatsverteilung der Strahlung die von ei-

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nem schwarzen Strahler ausgeht, wird durch das Plancksche Strahlungsgesetzbeschrieben:

Mλ(λ, T ) dAdλ =2πhc2

λ5

1

e(hc

λkT ) − 1dAdλ, (7)

wobei Mλ die Strahlungsleistung beschreibt, die vom Flachenelement dA imWellenlangenbereich λ bis λ+dλ in den Halbraum abgestrahlt wird. Die Inten-sitatsverteilung ist in Abbildung 5 fur verschiedene Temperaturen im Bereichvon 300 K bis 10000 K dargestellt.

0,1 1 10 100

106

107

108

109

1010

1011

1012

1013

1014

1015

300 K

500 K

1000 K

3000 K5777 K

spekt

rale

Strahlu

ngsd

ichte

[Wm

-3]

Wellenlänge � [�m]

10000 K

Me

ssb

ere

ich

de

sIR

-Pyro

me

ters

8-1

m

sic

htb

are

rB

ere

ich

Abbildung 5: Spektrale Intensitatsverteilung eines schwarzen Korpers bei un-terschiedlichen Temperaturen. Die Temperatur von 5777 K entspricht der ef-fektiven Temperatur der Sonnenoberflache.

Die gesamte von einem Korper abgestrahlte Leistung wird durch das Stefan-Boltzmann-Gesetz beschrieben. Integration von Gleichung (7) uber die gesamte

strahlende Flache A und uber alle Wellenlangen ergibt

P = ε(T )σAT 4, (8)

wobei σ die Stefan-Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur be-schreiben. Der Faktor ε(T ) ≤ 1 berucksichtigt, dass reale Korper ein kleineresEmissionsvermogen aufweisen als der idealisiert schwarze Korper. Die abge-strahlte Leistung eines Korpers hangt demnach nur von der Flache und derTemperatur ab. Auf dieser Eigenschaft beruhen beruhrungslose Pyrometer undWarmebildkameras.Bei Zimmertemperatur (≈300 K) liegt das Strahlungsmaximum im langwelligenInfrarotbereich bei einer Wellenlange von etwa 10 μm (Abbildung 5). In diesemBereich arbeiten kommerzielle IR-Pyrometer. Die im Praktikum eingesetztenPyrometer integrieren die von einem Korper ausgehende Strahlung im Bereichvon 8 μm bis 14 μm.

X Durchfuhrung des Versuchs

Achtung:

Kontakt mit flussigem Stickstoff bzw. mit Trockeneisverursacht schwere Erfrierungen und Augenschaden.Beim Hantieren mit Trockeneis und flussigem Stick-stoff unbedingt Handschuhe anziehen und Schutz-brille aufsetzen. Da wahrend des Versuchs erhebli-che Mengen Stickstoff und Kohlendioxid verdampfen,sollte der Raum gut beluftet werden.

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau

2.1 Eichung der Thermometer bei 0◦C

Inbetriebnahme des Pt100-Thermometer: Bauen Sie eine Vierleiterschaltungauf. Stecken Sie dazu den Stecker des Thermometers in die Adapterbox. Dievier Anschlussleitungen konnen Sie dann an den 4 mm-Buchsen abgreifen. Ver-binden Sie als nachstes je eine weiße und eine rote Buchse mit den entspre-chenden Buchsen der Stromquelle. Wenn Sie das Voltmeter an die beiden nochfreien Buchsen der Stromquelle anschließen (rote Buchse an den Anschluss Com

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des Voltmeters), haben Sie eine Zweileiterschaltung (siehe Abbildung 4) und Siemessen den Spannungsabfall uber den Kabeln mit. Um eine Vierleiterschaltungzu bekommen, mussen Sie das Voltmeter direkt an die Adapterbox anschließen.Sie sollten bei der folgenden Messung wenigstens einmal beide Schaltungen aus-probieren. Bei 0◦C betragt der Pt100-Widerstand 100 Ω. Bei einem Messstromvon 1 mA erhalten Sie bei der Vierleiterschaltung einen Spannungsabfall von100 mV. In der Zweileiterschaltung werden Sie einen großeren Wert messen,da Sie die Zuleitungswiderstande mitmessen. Allerdings sind die Kabel relativkurz und der Effekt daher sehr klein.

Benutzen Sie fur die Messung bei 0◦C eine Wasser-Eis Mischung. Fullen Sie denTopf zur Halfte mit klein zerstossenem Eis und platzieren Sie den Glasballonmittig im Topf. Gießen Sie mit Wasser auf und ruhren Sie mit einem Glasstabgut um. Die Glaskugel muss vollig mit Wasser bedeckt sein! Beobachten Siegleichzeitig die Spannung am Pt100 sowie die am Pyrometer angezeigte Tem-peratur. Die Temperatur des schmelzenden Eises in Wasser als Fixpunkt undNullpunkt der Temperaturskala muss moglichst gut erreicht werden. Sie mussendazu das Minimum des Spannungswertes des Pt100-Thermometers abwarten.Wenn sich die Spannung stabilisiert hat, protokollieren Sie die Spannung, denDruck des Gasvolumens und die Pyrometertemperatur. Die Pyrometertempe-ratur wird auf der Wasseroberflache gemessen. Sie wird sich systematisch vonder

”wahren“ Temperatur unterscheiden, weil das Absorptionsvermogen von

Wasser nicht Eins ist.

2.2 Temperaturmessung bis T= 100◦C

Stellen sie jetzt die Kochplatte an und erhitzen sie das Wasser auf etwa 10◦C.Schalten Sie die Heizplatte kurz vor dem Erreichen der gewunschten Tempe-ratur aus und ruhren Sie das Wasser gut um, damit sich eine gleichmaßigeTemperaturverteilung einstellen kann. Registrieren sie Druck, Pyrometeranzei-ge und Pt100 Spannung. Wiederholen Sie diese Messungen in Schritten von un-gefahr 10 Grad. Versuchen Sie nicht durch wiederholtes Ein- und Ausschaltender Heizplatte, genau die Werte 10◦C, 20◦C, ...anzufahren. Welcher Wert sichletztlich einstellt, ob 10◦C oder eben 11,5◦C, ist vollig unerheblich. Warten sieca. 2 Minuten unter dauerndem Umruhren und lesen Sie dann fur jeden Schrittdie Spannung am Pt100 den Druck und die Pyrometeranzeige ab. Nehmen Sieals letzten Messpunkt die Temperatur des siedenden Wassers auf. Lesen Sieden Luftdruck am Barometer im Gang ab und notieren Sie diesen Wert.

2.3 Temperatur von Trockeneis und flussigem Stickstoff am Siede-punkt

Lassen Sie den Glasballon zunachst einige Zeit abkuhlen. Fullen Sie dann dasDewargefaß mit Trockeneis und Alkohol. Durch den Alkohol wird der Warme-kontakt zum Glasballon verbessert. Warten Sie zunachst bis sich die Tempera-tur stabilisiert hat. Dabei gut umruhren! Sobald sich die Messwerte stabilisierthaben, notieren Sie die Spannung und den Druck. Das Pyrometer ist bei diesentiefen Temperaturen nicht mehr einsetzbar.

Schutten Sie nach Beendigung der Messung das Trockeneis/Alkohol-Gemischin den Sammelbehalter.

Fullen sie jetzt das Dewargefass schrittweise mit flussigem Stickstoff und schie-ben Sie die Glaskugel langsam ein bis sie ganz vom Stickstoff bedeckt ist.Warten sie bis die starke Verdampfung aufgehort hat und sich die Tempe-raturwerte stabilisieren. Registrieren sie PT100-Spannung und den Druck imGasthermometer.

3. Messung von sehr hohen Temperaturen mit dem PtRh-Thermo-element

Messen Sie die Temperaturverteilung in der Flamme mit dem PtRh-Thermoelement bei starker Luftzufuhr und bei schwacher Luftzufuhr. DasPtRh-Thermoelement besteht aus zwei Platindrahten, die aber unterschiedlichstark mit Rhodium legiert sind. Zeichnen Sie die ungefahre Gestalt der Flammeund tragen Sie fur verschiedene Stellen die Thermospannung ein (funf Messun-gen bei starker und schwacher Luftzufuhr). Drehen Sie nach Versuchsende dasGas ab und schutten Sie das Wasser und das Eis aus.

XI Auswertung

1. Tragen Sie die bei den vier Fixpunkten gemessenen Druckwerte gegen dieTemperatur in ein Diagramm ein. Wahlen Sie auf der x-Achse einen Tem-peraturbereich von -280◦C bis 110◦C. Eichen Sie die Temperaturskala, in-dem Sie die Temperatur des Wasser-Eisgemisches als 0◦C ansetzen. TragenSie dort den gemessenen Druck ein. Einen zweiten Eichpunkt erhalten Sie,indem Sie die den Druck pgem, den Sie bei der Temperatur des kochendenWassers gemessen haben, auf den Druck pNB unter Normalbedingungenumrechnen:

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 41 Temperaturmessung

pNB = pgem1013, 25 hPa

pLD, (9)

wobei pLD den Luftdruck beschreibt. Ordnen Sie diesem Druckwert dieTemperatur 100◦C zu und tragen Sie den Wert in das Diagramm ein.Jetzt konnen sie die Eichgerade des Gasthermometers durch beide Mes-spunkte zeichnen. Bei welcher Temperatur wird der Druck Null? TragenSie jetzt den Druckmesswert bei der Temperatur des flussigen Stickstoffsein. Welchen Temperaturwert lesen sie ab? Wie vergleicht sich dieser mitdem Literaturwert TN2 = 80,35 K (-195.8◦C). Sie konnen diesen Literatur-wert auch als weiteren Eichpunkt benutzen um den absoluten Nullpunktbesser zu bestimmen. Bei welcher Temperatur bekommen Sie jetzt denDruck p=0? Tragen sie schließlich auch den Druck ein, den Sie bei derMessung mit Trockeneis aufgenommen haben. Welche Temperatur erhal-ten Sie dafur? Erganzen Sie das Diagramm durch eine Kelvin-Skala.

2. Eichung des Pt100 Widerstandsthermometers. Bestimmen Sie mit Hilfe derzuvor angefertigten Eichkurve die Temperaturwerte des Gasthermometersim Bereich von 0◦C bis 100◦C. Tragen Sie den Widerstand des Pt100-Elements gegen die Temperatur in ein weiteres Diagramm ein. WelchenZusammenhang finden Sie? Legen Sie durch die Messwerte im Bereich von0◦C bis 100◦C eine Ausgleichsgerade. Vergleichen Sie die Steigung mit demlinearen Glied des Polynoms in Gleichung (4).

3. Tragen Sie die Temperaturmessungen mit dem Pyrometer gegen die Tem-peratur des Gasthermometers auf. Was beobachten Sie? Erklarung?

4. Skizzieren Sie die Flammengestalt und tragen Sie die Temperaturen furschwache und fur starke Luftzufuhr ein. Die zu den Thermospannungengehorigen Temperaturen sind der ausgelegten Eichtabelle zu entnehmen.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 41 Temperaturmessung

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 42 Spezifische Warmekapazitat fester Korper

Versuch 42

Spezifische Warmekapazitat fester

Korper

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs spezifische Warmekapazitat fester Korper.

I Messaufbau

• Kalorimeter

• Elektrischer Kocher

• Stativ mit Drahthaken

• 3 große Versuchskorper (Graphit, Aluminium, Blei)

• 3 kleine Versuchskorper fur den Zusatzversuch

• Dewargefaß fur flussigen Stickstoff (Zusatzversuch)

• Thermometer

• elektronische Waage

• Stoppuhr

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Spezifische Warmekapazitat, Mischungskalorimeter, Dulong-Petit’sches Gesetz,Grundbegriffe der kinetischen Warmetheorie (Aquipartitionsprinzip, Freiheits-grade). Fur Physiker: Einfrieren von Freiheitsgraden (siehe Gerthsen: Aquipar-titionsprinzip).

Verstandnisfragen:

1. Wo konnen Sie im Alltag beobachten, dass Warme eine Energieform ist?Was bedeutet Warme auf atomarer bzw. molekularer Ebene?

2. Was fur Freiheitsgrade gibt es in Gasen bzw. in Festkorpern? Was besagtdas Aquipartitionsprinzip? Was versteht man unter dem

”Einfrieren“ von

Freiheitsgraden? Schildern Sie das Messprinzip eines Mischungskalorime-ters und leiten Sie die entscheidenden Gleichungen her, denen man diespezifische Warme entnehmen kann.

3. Wie hangt die Warmekapazitat mit der Anzahl der Freiheitsgrade zusam-men? Was versteht man genau unter

”Freiheitsgrad“? Was besagt das

Dulong-Petit-Gesetz? Leiten Sie es her. Gilt es fur alle Festkorper? Wiesieht der Temperaturverlauf der Warmekapazitat qualitativ aus?

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.7 Stand 07/2006

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 42 Spezifische Warmekapazitat fester Korper

IV Aufgabe

• Messung der spezifischen Warmekapazitat mit der Mischungsmethode imTemperaturbereich zwischen 20◦C und 100◦C.

• Messung der spezifischen Warmekapazitaten im Bereich von 20◦C und-195◦C.

V Grundlagen

Wird einem Korper die Warmemenge Q zugefuhrt, so erhoht sich, sofern keinPhasenubergang stattfindet, seine Temperatur um ΔT . Die Große

C =Q

ΔT(1)

heißt Warmekapazitat des entsprechenden Korpers. Sie gibt an, welche Warme-menge einem Korper zugefuhrt werden muss um seine Temperatur um 1◦C zuerhohen. Die Warmekapazitat hangt von der Masse bzw. der Stoffmenge desKorpers ab. Daher unterscheidet man noch die spezifische Warmekapazitatoder einfach spezifische Warme

c =Q

mΔT(2)

und die molare Warmekapazitat (Molwarme)

cmol =M

m

Q

ΔT, (3)

wobei m die Masse des Korpers und M die molare Masse beschreiben.

Prinzip der Messung:Das Verfahren der Mischungsmethode im Wasserkalorimeter beruht darauf,dass sich verschieden warme Korper bei Beruhrung durch Austausch vonWarmemengen in ihrer Temperatur ausgleichen. Ein Probekorper mit der Tem-peratur T1 wird in einem Kalorimetergefaß in ein Wasserbad der Temperatur T2

gebracht. Es stellt sich eine Mischungstemperatur T ein. Nach dem Energiesatzgilt dann fur den Fall T1 > T2: Die vom Probekorper abgegebene Warme

Q = mxcx(T1 − T ) (4)

ist gleich der vom Wasser und dem Kalorimeter aufgenommenen Warmemenge

Q = (mW cW + W )(T − T2) (5)

Die Große W stellt die Warmekapazitat des Kalorimeters dar, die auch alsWasserwert bezeichnet wird. Der Index w bezieht sich auf Wasser, x auf denProbekorper. Daraus ergibt sich die gesuchte spezifische Warmekapazitat cx zu

cx =(mW cW + W )(T − T2)

mx(T1 − T ). (6)

Die Warmekapazitat von Wasser betragt im Temperaturbereich von 15◦C bisungefahr 65◦C, cw =(4,186±0,004) J/(gK).

Beim zweiten Versuchsteil wird ein Probekorper mit der Temperatur T1 (Zim-mertemperatur) in flussigem Stickstoff (T2= -195,8◦C) abgekuhlt. Aus der be-kannten Verdampfungswarme QV und der verdampften Menge des StickstoffesmV kann die abgegebene Warme Q des Probekorpers und daraus nach

Q = QV mv = mxcx(T1 − T2) (7)

der Wert cx berechnet werden.

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Bestimmung des Wasserwertes:Bestimmen Sie zunachst die Masse des unbefullten Kalorimeters (Tem-peraturfuhler herausnehmen). Uberzeugen Sie sich vor dem Wiegen, dassdas Kalorimeter sowohl innen als auch außen vollig trocken ist. Andernfallstrocken Sie es mit einem Tuch gut ab.

Messen Sie mit dem Digitalthermometer die Zimmertemperatur. Diese ent-spricht der Anfangstemperatur T2 des Kalorimeters.

In einem Kocher wird Wasser auf T ≈50◦C erhitzt. Der Kocher wird abge-schaltet und gewartet bis die Temperatur sich unter standigem Umruhrennicht mehr andert. Notieren Sie diese Temperatur als AnfangstemperaturT1. Starten Sie anschließend die Uhr und befullen Sie das Kalorimeter zur

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 0.7 Stand 07/2006

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 42 Spezifische Warmekapazitat fester Korper

Halfte mit dem heißen Wasser. Die Temperatur des Wassers im Kalorime-ter wird funf Minuten lang alle 30 Sekunden gemessen, bis sich ein linearerAbfall ergibt (siehe Abbildung 2). Um den Temperaturausgleich im Ka-lorimeter zu beschleunigen, sollte der Ruhrer standig bewegt werden. DerBugel darf allerdings nicht soweit angehoben werden, daß dadurch Wasserauf die Styroporisolierung des Deckels gelangt.

Tem

pera

tur

Zeit

T1

-

0

T

t

Abbildung 2: Zur Bestimmung des Wasserwertes.

Messen Sie abschließend das Gewicht des befullten Kalorimeters. Hierauskonnen Sie die Masse des Wassers berechnen.

Der Temperaturausgleich im Kalorimetergefaß erfolgt so schnell, dass ermit dem Thermometer nicht verfolgt werden kann. Der Warmeverlust andie Außenluft wahrend des Temperaturausgleichs ist vernachlassigbar. DieMischungstemperatur T zum Zeitpunkt t0 des Einfullens wird durch Ex-trapolation des gemessenen Temperaturverlaufs bestimmt. Der Wasserwertkann aus der Bilanz der Warmemengen bestimmt werden:

W = mW cWT1 − T

T − T2

fur T1 > T2. (8)

3. Zur Messung der spezifischen Warmekapazitat wird das Kalorimeter zurHalfte mit frischem Leitungswasser gefullt und erneut gewogen. Es werdendie großen Probekorper benutzt, deren Masse zunachst zu bestimmen sind.

Fullen Sie den Kocher zur Halfte mit Wasser und hangen Sie einen Pro-bekorper mit Hilfe des Stativs in das siedende Wasser. Der Korper darfnicht den Boden des Kochers beruhren, da er sich sonst uber 100◦C auf-heizen wurde. Der Probekorper sollte mindestens 5 Minuten langim kochendem (sprudelndem) Wasser verbleiben.

Die Temperatur T1 des kochenden Wassers lasst sich aus dem Luftdruck pgemaß

T1 = 100◦C + 0, 0276◦C/hPa (p − 1013 hPa) (9)

bestimmen, wobei p den Luftdruck in hPa beschreibt. Messen Sie dazu denLuftdruck.

Schon vor dem Einbringen des ersten Korpers ist die Temperatur des Was-sers im Kalorimeter fur einige Minuten jede Minute zu messen. Umruhrennicht vergessen. Wenn der Probekorper mit Sicherheit die Temperatur deskochenden Wassers angenommen hat, wird er aus dem Wasserbad entfernt,kurz abgetropft und so schnell wie moglich zentrisch auf den Boden dasKalorimeter gestellt. Kalorimeter sofort verschließen, mit dem Ruhren be-ginnen und alle 10 Sekunden die Temperatur notieren. Messen Sie solangedie Temperatur bis ein Temperaturmaximum erreicht wird, d.h. die Tem-peratur im Kalorimeter wieder zu fallen beginnt. Die MischungstemperaturT entspricht dann dem gemessenen Temperaturmaximum.

Die Messungen mit den verschiedenen Probekorpern konnen hintereinan-der im selben Wasserbad durchgefuhrt werden. Bestimmen Sie jedoch vorjeder Messung erneut durch Wagung des Kalorimeters, die Masse des Was-sers.

4. Messung der spezifischen Warmekapazitaten mit flussigem Stick-stoff:

Achtung: Beim Hantieren mit flussigen Stickstoff bitte Handschuhe undSchutzbrille tragen.

Verwenden Sie fur diese Messung die kleinen Probekorper. Fullen Sie denDewar zur Halfte mit flussigem Stickstoff und warten Sie den Temperatur-ausgleich ab. Notieren Sie den Flussigkeitsstand des Stickstoffs im Dewar.Anschließend lasst man den Probekorper mit der Temperatur langsam aneinem Faden in den Stickstoff eintauchen und wartet die Beendigung desSiedens ab. Darauf wird der Probekorper herausgenommen und erneut die

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum I Versuch 42 Spezifische Warmekapazitat fester Korper

Spiegelhohe abgelesen. Aus der Differenz der beiden Hohen wird das Vo-lumen der verdampften Stickstoffmenge bestimmt und uber die Verdamp-fungswarme die abgegebene Warmemenge bestimmt. Die fur die Rechnungbenotigten Großen sind im Anhang zusammengefasst.

VII Auswertung

1. Berechnen Sie die spezifischen Warmekapazitaten sowie die Molwarmender jeweiligen Probekorper und vergleichen Sie diese mit den Literatur-werten sowie mit dem Gesetz von Dulong-Petit. Fuhren Sie eine Fehler-rechnung durch und uberlegen Sie sich vorher welche Fehler uberwiegen!)

2. Es sind wieder die spezifischen Warmekapazitaten und die Molwarmen zuberechnen. Beachten Sie dabei, dass diese eine Funktion der Temperatursind, und uberlegen Sie, welche Große Sie tatsachlich bestimmt haben.

VIII Anhang

Durchmesser des Dewars Ø = 57 mm

Dichte von fl. Stickstoff ρN,fl = 0, 81 g/cm3

Siedetemperatur von fl. Stickstoff TS = −195, 8 ◦C

Verdampfungswarme von fl. Stickstoff QV = 199 J/g

Rel. Atommasse von Blei MPB = 207, 2 g/mol

Rel. Atommasse von Aluminium MAl = 26, 98 g/mol

Rel. Atommasse von Graphit MC = 12, 01 g/mol

Literaturwerte:

Spez. Warme von Blei (300 K) cPB = 0, 129 J/(gK)

Spez. Warme von Aluminium (300 K) cAl = 0, 90 J/(gK)

Spez. Warme von Graphit (300 K) cC = 0, 709 J/(gK)

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