Pilotprojekt: Interkulturelles Lernen in der Grundschule · Pilotprojekt: Interkulturelles Lernen...

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Pilotprojekt: Interkulturelles Lernen in der Grundschule Bericht über die Module Lesen und Stadterkundung Berichtszeitraum: 18. Oktober 2010 20. Juli 2012 Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Heidi Rösch (Leitung), Agnieszka Wolny (Honorarmitarbeiterin) Geplante Laufzeit: 2010 - 2013 Finanzierung: Förderverein Lions-Club Karlsruhe e.V. Organisation: Stadt Karlsruhe Büro für Integration: Staatliches Schulamt Karlsruhe

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Pilotprojekt:

Interkulturelles Lernen

in der Grundschule

Bericht über die Module

Lesen und Stadterkundung

Berichtszeitraum:

18. Oktober 2010 – 20. Juli 2012

Wissenschaftliche Begleitung:

Prof. Dr. Heidi Rösch

(Leitung),

Agnieszka Wolny

(Honorarmitarbeiterin)

Geplante Laufzeit: 2010 - 2013

Finanzierung: Förderverein Lions-Club Karlsruhe e.V.

Organisation: Stadt Karlsruhe – Büro für Integration:

Staatliches Schulamt Karlsruhe

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 1

Inhalt Konzept .................................................................................................................................. 2

Projektverlauf ........................................................................................................................ 4

Erfahrungen im Schuljahr 2010/2011 ................................................................................ 8

Erfahrungen im Schuljahr 2011/12 .................................................................................... 9

Auswertung der Etappenprotokolle der Studierenden ........................................................... 9

1. Interkulturelle Bezüge .................................................................................................. 12

2. Schüleraktivierung und Motivation ............................................................................. 15

3. Medieneinsatz .............................................................................................................. 17

4. Etappenaufbau ............................................................................................................. 18

Beurteilung der Lernangebote ............................................................................................. 20

Modul Lesen .................................................................................................................... 20

Modul Stadterkundung .................................................................................................... 22

Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum ........................................................... 25

Besuch der Ausstellung „Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“.......................... 28

Auswertung von Schülertexten und -aktivitäten ................................................................. 29

Zum Konzept des interkulturellen Lernens ......................................................................... 33

Aufgabenformulierung aus interkultureller Perspektive .................................................. 34

Interkulturell relevante Situationen ................................................................................. 38

Abschließender Kommentar und Empfehlungen ................................................................ 39

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 2

Konzept

Das Projekt richtete sich an Kinder in vier Karlsruher Grundschulen mit einem hohen An-

teil an Kindern mit Migrationshintergrund, die – so war es geplant – von der zweiten bis

zur vierten Klasse an zwei Nachmittagen pro Woche von Studierenden der Pädagogischen

Hochschule betreut werden. Gewählt wurden Schulen in allen vier Himmelsrichtungen: die

Werner-von-Siemens-Schule in der Nordweststadt, die Pestalozzischule in Durlach und

damit im Osten, die Leopoldschule in der Weststadt und Anne-Frank-Schule in Oberreut

und damit im Süden.

Angeboten wurden den Kindern an jeder Schule die Module Lesen und Stadterkundung.

Außer an der Leopoldschule, in der unterschiedliche Kinder in der Lese- bzw. Stadtgruppe

mitarbeiteten, besuchten die Kinder beide Module und befassten sich jede Woche sowohl

mit kinderliterarischen Werken als auch mit ihrer Stadt. Die Gruppen sollten mindestens

acht Kinder mit und ohne Migrationshintergrund umfassen. Bewusst wurde auf ein Ange-

bot ausschließlich für Kinder mit Migrationshintergrund verzichtet. Stattdessen wurde ein

Angebot für alle entwickelt, das aber interkulturelles Lernen in den Fokus nahm. Die

Gruppengröße berücksichtigte zum einen die Herausforderung für Studierende, mit ihr

auch alleine zurechtzukommen, zum anderen den Anspruch, dass ein Austausch zwischen

den Kindern möglich wird. Für die Rekrutierung der Kinder waren die Schulen zuständig.

Betreut wurden die Module von acht Studierenden (und einer Springerin) der Pädagogi-

schen Hochschule, wobei je vier für das Modul Lesen und vier für das Modul Stadt zustän-

dig waren. Das heißt, an jeder Schule waren jeweils zwei Studierende im Einsatz.

Im Modul Lesen wurden interkulturell relevante Kinderbücher unter inhaltlichen und

weitergehenden literarischen Aspekten bearbeitet. Damit die Kinder die Handlung auch

nachvollziehen konnten, wurde auf das Verfahren des verzögerten Lesens zurückgegrif-

fen. Konflikte allgemeiner oder interkultureller Art wurden z.B. durch szenisches Inter-

pretieren von Schlüsselszenen bearbeitet. Die literarische Gattung (Bilderbuch, Mär-

chen, Fabel) und ausgewählte Formelemente (Sprachwahl, Haupt-/Nebenfiguren, Er-

zählhaltung) wurden durch textnahe Aufgaben mit den Kindern ermittelt. Weiterführen-

de oder erklärende Informationen über Ort und Zeit der Handlung, Vergleiche zwischen

Ländern, Gesellschaftssystemen, Sprachen, historischen Entwicklungen etc., die die Er-

fahrungswelt der Kinder einbeziehen, rundeten die Beschäftigung mit dem Werk ab.

Während im ersten Jahr mehrere Bilderbücher behandelt wurden, entschieden wir uns

im zweiten Jahr für Ganzschriften, was die Spannung bei den Kindern erhöhte und den

Projektcharakter unterstützte.

Im Modul Stadterkundung wurden Aktivitäten überwiegend außerschulisch geplant

und durchgeführt. Aufgesucht wurden Lernorte rund um Feste (wie der Karlsruher

Weihnachtsmarkt), für die Kinder bekannte Orte (wie ihr eigenes Viertel) und unbe-

kannte Orte (wie das Dörfle oder die Universität) sowie die aktuelle Großbaustelle zur

Realisierung der Kombilösung. Ziel war neben der Orientierung in der Stadt auch die

Migrationsgeschichte der Stadt zu erkunden. Dies sollte durch forschendes Lernen er-

möglicht werden, wozu aber auch das Stadtplan lesen und erstellen gehörte und die Do-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 3

kumentation des ‚Erforschten‘ in einem Stadttagebuch Es entstand eine offene sowie

spontane Planung, die den Kindern ermöglichte, Erfahrungen in ihrer Stadt zu sammeln

und diese eventuell auch mit erweitertem Blick wahrzunehmen. Die Kinder wurden von

bei allen Ausflügen1 von zwei Erwachsenen begleitet. Während im ersten Jahr die Um-

gebung erkundet wurde, arbeiteten wir im zweiten Jahr mit dem Badischen Landesmu-

seum zusammen, so dass ein zusammenhängendes Projekt realisiert werden konnte.

Das Projekt verfolgte Ziele für zwei Gruppen: Bezogen auf die Kinder versuchten wir den

Übergang auf weiterführende Schulen zu unterstützen und hatten dabei vor allem auch

Kinder mit Migrationshintergrund im Blick. Zentral war dabei, mit den Kindern zu lesen

und (auch im Modul Stadterkundung) zu schreiben, um die Lese- und Schreibkompetenzen

durch das zusätzliche Angebot zum Regelunterricht zu entfalten. Bewusst wurde auf eine

Hausaufgabenbetreuung oder Nachhilfe verzichtet und darauf gesetzt, dass die zusätzliche

Lernzeit in einer relativ kleinen Gruppe eine gewisse Wirkung entfaltet. Bezogen auf die

Studierenden ging es darum, sie durch die begleitete und dennoch direkte Konfrontation

mit der Praxis (jenseits eines betreuten Unterrichtspraktikums, wie es im Studium vorgese-

hen ist) für die Besonderheiten eines Unterrichts in multiethnischen und multilingualen

Lerngruppen zu sensibilisieren und zumindest in Ansätzen Strategien für eine interkulturel-

le Gestaltung dieses Unterrichts zu vermitteln und zu erproben.

Ein zweiter Aspekt war die Entfaltung interkultureller Kompetenzen zunächst bei den Stu-

dierenden. Unser Ziel war, diese in die Lage zu versetzen die sprachliche und kulturelle

Vielfalt in der Lerngruppe und ihrer Umgebung wahrzunehmen und positiv damit umzu-

gehen. Wir gingen davon aus, dass sich eine solchermaßen veränderte Sicht auf die Unter-

richtsgestaltung und damit auch auf den Lernprozess der Kinder auswirkt. Aus diesem

Grunde lasen wir Kinderliteratur, die einen konstruktiven Umgang mit Vielfalt und Hybri-

dität gestaltet und daraus resultierende Konflikte einer Lösung zuführt. Bei der Stadterkun-

dung sollten Migration nach Karlsruhe sowie vielfältige Lebensformen in Karlsruhe sicht-

bar werden. Die gemeinsamen Gespräche über die gelesene Literatur und auch über die

Erkundungen in der Stadt sollten unterschiedliche Sichtweisen deutlich werden lassen. Da

die Kinder angehalten wurden, Erfahrungen mündlich und schriftlich zu artikulieren und

zu dokumentieren, sich über Gelesenes und Erlebtes auszutauschen, gehen wir davon aus,

dass das Projekt auch einen Beitrag zu impliziter Sprach- und Kommunikationsförderung

leisten konnte.

Unsere Arbeit an der Pädagogischen Hochschule konzentrierte sich auf die Studierenden.

Deren Aufgaben waren:

1. Planung von Etappen in den Modulen Stadterkundung bzw. Lesen, die in allen vier

Stadt- bzw. allen vier Lesegruppen durchgeführt wurden,

2. Durchführung der 12 Etappen (pro Vorlesungszeit) im Umfang von je 2 oder 2,5

Schulstunden pro Woche mit einer Gruppe von 6-8 Kindern,

3. Dokumentation der durchgeführten Etappen (u.a. mit Materialien, Schülerarbeiten etc.)

1 Der Begriff Ausflug wird hier im Sinne von außerschulischen Lernorten verwendet. Denn es handelt sich

dabei nicht um eine Freizeitaktivität.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 4

Die einzelnen Etappen wurden jeweils für ein Schulhalbjahr vorbereitend geplant. Die Stu-

dierenden bereiteten pro Semester durchschnittlich 3 Etappen bezogen auf Inhalt, Aktivitä-

ten und Arbeitsmaterialien eigenständig vor und besprachen sie mit Agnieszka Wolny und

punktuell auch mit Heidi Rösch. Ausgenommen davon waren die Besuche im Badischen

Landesmuseum im Schuljahr 2011/12, da die Führungen von fachkundigem Museumsper-

sonal durchgeführt wurden.

Da sich schnell herausstellte, dass die Studierenden nicht nur bei der Vorbereitung, son-

dern auch bei der Durchführung der Etappen weitreichende Unterstützung brauchten,

musste Agnieszka Wolny viel mehr Zeit als geplant in diese Aufgabe investieren.

Projektverlauf

Geplant war, dass dieselben Studierenden und dieselben Kinder während 3 Jahren an dem

Projekt teilnehmen. Beides konnte nicht erreicht werden. Die folgende Übersicht zu „Be-

teiligten Schulen, Studierenden und Kindern“ offenbart bereits die mangelnde Kontinuität,

die letztendlich zum Abbruch des Projekts nach 2 Jahren führte. Es gelang zwar, wieder

Studierende zu finden, als nach dem ersten Jahre fast alle aus dem Projekt ausstiegen, aber

diese mussten neu eingearbeitet werden und waren auch für die Kinder neue Bezugsperso-

nen. Gründe für die mangelnde Kontinuität auf Seiten der Studierenden sind studienorgani-

satorischer Art: Da wir Studierende erst nach ihrem erfolgreichen Fachpraktikum einsetzen

wollten, bedeutete das für die meisten, dass sie in ihrem 6-semestrigen Studium schon so

weit fortgeschritten waren, dass sie nach diesem Studienjahr bereits ins Examen gingen

und deshalb nur noch wenig Zeit für ein solches Projekt aufbringen konnten.

Problematischer war aus unserer Sicht die Zahl der Kinder in den einzelnen Gruppen. Be-

reits im ersten Schuljahr unterschritten die Gruppe der Anne-Frank-Schule und eine Grup-

pe der Leopoldschule die von den Geldgebern erwartete Zahl von acht Kindern pro Grup-

pe. Im zweiten Jahr gingen die Zahlen noch weiter zurück. Außerdem kamen die Kinder

unregelmäßig, so dass unsere Studierenden ihre Arbeit zum Teil gar nicht anbieten konn-

ten. Das führte zur Schließung dieser beiden Gruppen bereits nach den Pfingstferien und

letztendlich auch zum Abbruch des gesamten Projekts Ende des Sommersemesters 2012.

Ein weiterer Grund für den Abbruch war die Tatsache, dass die wissenschaftliche Beglei-

tung im Rahmen des vorgesehenen Budgets nur rudimentär durchgeführt werden konnte.

Agnieszka Wolny musste sehr viel Zeit in die Koordination, vor allem die Vor- und Nach-

bereitung sowie die Unterstützung der Studierenden vor Ort investieren, so dass die ge-

plante Begleituntersuchung nur in Ansätzen realisiert werden konnte. Nachdem ihre halbe

Stelle an der PH auf eine 20% Stelle gekürzt wurde, war es nicht mehr vertretbar, dass sie

das Projekt weiter betreut.

Dennoch betrachten wir dieses Projekt als Erfolg für die beteiligten Kinder und Studieren-

den. Fast alle Etappen wurden in allen Schulen durchgeführt, wie die tabellarischen Über-

sichten zu den durchgeführten Etappen in beiden Modulen zeigen.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 5

Beteiligte Schulen, Studierende und Kinder

Schule

Adresse

Rektor/in:

Anne Frank GHS

Bonhoefferstr. 12

76189 Karlsruhe

Herr Schwarz-Hemmerling

Pestalozzi-Schule

Christofstr. 23

76227 Karlsruhe-Durlach

Herr Kühn

Leopoldschule GHS

Leopoldstr. 9

76133 Karlsruhe

Frau Vogt

Wernern von Siemens GHS

Kurt-Schumacherstr. 1

76187 Karlsruhe

Frau Schäfer

Projekttage Di + Do 14:30 – 16:00 Di + Do 15:00 – 16.30 Mo + Do 14:30 – 16:00 Do 14:30 – 16:00

Fr 14:00 – 15:30

WiSe 10/11

25.10.2010 –

14.02.2011

SoSe 2011

11.04.2011 –

18.07.2011

Lesen

Andrea

Marquardt

Stadt

Rahel

Kreß

Lesen

Annika

Michel

Stadt

Tobias

Bayer

Lesen

Birsen

Kilic

Stadt

Kirsten

Möhlenhof

Lesen

Caroline Hock

Stadt

Lisa

Fritzsche

Springerin: Julia Schneider

1. Antunes, Julia

(Italienisch)

2. Bopp, Edward

(Russisch)

3. Fidan, Azra

(Arabisch)

4. Filator, Vlad

(Russisch)

5. Rubzow, Eveline (Russisch)

1. Badawi, Shinan (Ägyp-

tisch/Arabisch)

2. Cardella, Matteo (Italie-

nisch)

3. Jöhnke, Maxime

(Deutsch)

4. Frese, Vanessa

(Polnisch)

5. Kirch, Benjamin (Rumä-

nisch)

6. Marino, Fabrizio (Italie-

nisch)

7. Satongkaew, Phakhin

(Thailändisch)

8. Schlegel, Daniel (Russisch)

1. Burakmak, Roza (Tür-

kisch/Kurdisch)

2. Tas, Melek (Tür-

kisch/Kurdisch)

3. Beyazsahin, Rona-Ayce

(Türkisch/Kurdisch)

4. Tomas, Damir

(Kroatisch)

_________________

1. Koparan, Helin (Tür-

kisch/Kurdisch)

2. Herold, Joey

(Deutsch)

3. Bas, Mert

(Türkisch)

4. Abbas, Ali

(Arabisch)

5. Miskolczi, Zsolt (Ungarisch)

6. Deari, Semine

(Albanisch)

7. Demir, Heli

(Türk./Kurdisch) nur WiSe

1. Gromer, Sophie

(Deutsch)

2. Jasim, Mia-Lena (Kroatisch)

3. Ludwig, Natalie (Rumä-

nisch)

4. Obeng, Mevis

(Afrikanisch)

5. Schweigle, Marlon (Italie-

nisch)

6. Waschage, Samira (Ara-

bisch, Tunesien)

7. Christiansen, Brandon

(Deutsch) nur WiSe

8. Pellegrino, Alessandro

(Italienisch) nur WiSe

WiSe 11/12

07.11.2011 –

09.02.2012

SoSe 2012

16.04.2012 –

27.07.2012

Lesen

Sule

Öztürk

Stadt

Katharina

Indlekofer

Lesen

Larissa

Jaspersen

Stadt

Julia

Schmied

Lesen

Birsen Kilic /

Christine

Zohren

Stadt

Anna

Ploschka

Lesen

Alina

Opitz

Stadt

Jennifer

Flum

Springerin: Luisa Junghans

1. Antunes, Julia

(Italienisch)

2. Filator, Vlad

(Russisch)

3. Trovato, Enrico (Italienisch)

4. Schneider, Kevin (Deutsch)

nur im WiSe

Gruppe nach den Pfingstferien

2012 aufgelöst

1. Badawi, Shinan (Ägyp-

tisch/Arabisch)

2. Frese, Vanessa

(Polnisch)

3. Satongkaew, Phakhin

(Thailändisch)

4. Schlegel, Daniel (Russisch)

nur im WiSe

5. Erdinc, Zeynep (Türkisch)

6. Karakaya, Umut (Türkisch)

7. Kizilkilinc, Aylin (Türkisch)

nur im WiSe

8. Tranak, Süleyman (Tür-

kisch)

1. Burakmak, Roza (Tür-

kisch/Kurdisch)

2. Tas, Melek (Tür-

kisch/Kurdisch)

3. Beyazsahin, Rona-Ayce

(Türkisch/Kurdisch)

4. Tomas, Damir

(Kroatisch)

Gruppe nach den Pfingstferien

2012 aufgelöst ________________________________

1. Abbas, Ali

(Arabisch)

2. Deari, Semine

(Albanisch)

3. Rose, Samuel (Romanes)

4. Lorik Leonard ab SoS

5. Erdem-Yusuf Avci ab SoS

1. Ludwig, Natalie

(Rumänisch)

2. Obeng, Mevis

(Afrikanisch)

3. Schweigle, Marlon

(Italienisch)

4. Koparan, Helin

5. Sysal, Muhammed (Ara-

bisch)

6. Tuncer, Zelal (Türkisch)

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Durchgeführte Etappen des Moduls Stadterkundung

Etappe Woche ab Titel der Etappe zuständige/r Student/in

Win

tersemester 2

010

/11

1. 25.10.2010 Kennenlernen Lisa Fritzsche

2. 08.11.2010 Klassenzimmer Kirsten Möhlenhof

3. 15.11.2010 Unsere Schule Tobias Bayer

4. 22.11.2010 Unser Stadtteil Tobias Bayer

5. 29.11.2010 Vorbereitung: Stadtmuseum Rahel Kreß

6. 06.12.2010 Ausflug: Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais Rahel Kreß

7. 13.12.2010 Ausflug: Weihnachtsmarkt Lisa Fritzsche

8. 10.01.2011 Sport in Karlsruhe Kirsten Möhlehof

9. 17.01.2011 Ausflug: Günter Klotz-Anlage Kirsten Möhlehof

10. 24.01.2011 Zuwanderung in Karlsruhe Tobias Bayer

11. 31.01.2011 Ausflug: Das Dörfle Rahel Kreß

12. 07.02.2011 Nachbereitung: Das Dörfle Rahel Kreß

13. 14.02.2011 Abschluss: Spiele aus aller Welt Lisa Fritzsche

So

mm

ersemester 2

011

14. 11.04.2011 „Charly und die geheimnisvolle Tür“ Rahel Kreß

15. 02.05.2011 Vorbereitung: Kombilösung Rahel Kreß

16. 09.05.2011 Ausflug: Kombilösung“ Tobias Bayer

17. 16.05.2011 Ausflug: PH-Rallye Lisa Fritzsche

18. 23.05.2011 Ausflug: Südstadt Kirsten Möhlenhof

19. 30.05.2011 Nachbereitung: Südstadt -----

20. 06.06.2011 Vorbereitung: In der Moschee Agnieszka Wolny

21. 27.06.2011 Ausflug: Zentralmoschee Karlsruhe DITIB Landesverband BW in KA

22. 04.07.2011 Vorbereitung: In der Kirche Agnieszka Wolny

23. 11.07.2011 Ausflug: St. Elisabeth Kirche A. Wolny /Rahel Kreß

24. 18.07.2011 Abschluss Teamarbeit

Win

tersemester 2

011

/12

1. 07.11.2011 Wo wohnen wir? Postkarten aus Karlsruhe Agnieszka Wolny

2. 14.11.2011 Wo wohnen wir? Agnieszka Wolny

3. 21.11.2011 Meine Stadt Karlsruhe: Ausflug Jennifer Flum

4. 01.12.2011 Traumhäuser Anna Ploschka

5. 05.12.2011 Häuser fotografieren: Ausflug Katharina Indlekofer

6. 12.12.2011 Fotocollage Katharina Indlekofer

7. 19.12.2011 Weihnachtsmarkt: Ausflug Julia Schmied

8. 09.01.2012 Mein Traumhaus Anna Ploschka

9. 16.01.2012 Kinderzimmer: Wie können sie aussehen Julia Schmied

10. 23.01.2012 Als meine Großeltern Kinder waren Jennifer Flum

11. 30.01.2012 Schul- und Berufsuniformen Katharina Indlekofer

12. 06.02.2011 Vergangenheit und Zukunft Teamarbeit Stadtgruppe

So

mm

ersemester 2

012

13. 16.04.2012 Ferienerlebnisse mit Ausstellung Katharina Indlekofer

14. 23.04.2012 Einführung: Karlsruher Schloss und seine Geschichte Anna Ploschka

15. 30.04.2012 Thema offen wegen Brückentag Julia Schmied

16. 07.05.2012 Schloss: Karlsruher Schloss und seine Geschichte Badisches Landesmuseum

17. 14.05.2012 Einführung: Alltag und Kindheit im 19.Jh.

in der Stadt und auf dem Land Julia Schmied

18. 21.05.2012 Schlossführung zum selben Thema Badisches Landesmuseum

19. 11.06.2012 Einführung: Sammellust- was und wieso sammeln wir? Julia Schmied

20. 18.06.2012 Schloss: Kunst- und Wunderkammer Badisches Landesmuseum

21. 25.06.2012 Schloss: Türkenbeute Badisches Landesmuseum

22. 02.07.2012 Vorbereitung des Besuchs auf dem Hauptfriedhof Jennifer Flum / Agnieszka Wolny

23. 09.07.2012 Ausflug: Hauptfriedhof Karlsruhe Jennifer Flum

24. 16.07.2012 Abschluss am Schlossgarten Agnieszka Wolny

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Durchgeführte Etappen des Moduls Lesen

Etappe Woche ab Titel der Etappe zuständige/r Student/in

Win

tersemester 2

010

/11

1. 25.10.2010 „Der kleine Frosch will Sänger werden“

(Gülsum Cengiz) in türk. & deutscher Fassung Birsen Kilic

2. 08.11.2010 „Bobo und Susu“ (Rafik Schami / Erika Rapp) Heidi Rösch

3. 15.11.2010 „Wir können noch viel zusammen machen“

(Friedrich K. Waechter) Andrea Marquardt

4. 22.11.2010 „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“

(Rafik Schami / Ole Könneke)

Caroline Hock

5. 29.11.2010 Caroline Hock

6. 06.12.2010 “Irgendwie anders” (Kathryn Cave / Chris Riddell) Annika Michel

7. 13.12.2010 Winterfeste „Rudolph the rednosed reindeer“ (Text und Malbuch von Gne

Aury) Annika Michel

8. 10.01.2011 „Winzig der kleine Elefant“ (Erwin Moser) Andrea Marquardt

9. 17.01.2011 „Klein sein ist nicht einfach“ (Can Göknil) Birsen Kilic

10. 24.01.2011 „Die kleine Raupe Nimmersatt“ /

„La chenille qui fait des trous“ (Eric Carle) Teamarbeit Lesegruppe

11. 31.01.2011

12. 07.02.2011 Nacharbeit nicht abgeschlossener Etappen ----

13. 14.02.2011 Ausflug: Kinderbibliothek im Prinz-Max-Palais Teamarbeit Lesegruppe

So

mm

ersemester 2

011

14. 11.04.2011 „Du hast angefangen – Nein, du“ (David McKee) Teamarbeit Lesegruppe

15. 02.05.2011 Nachbereitung: „Winzig der kleine Elefant“ Teamarbeit Lesegruppe

16. 09.05.2011 „Das ist kein Papagei“

(Rafik Schami / Wolf Erlbruch)

Caroline Hock

17. 16.05.2011 Birsen Kilic

18. 23.05.2011 „Das Land der Ecken“ (Irene Utlizka / Gerhard Gepp) Annika Michel

19. 30.05.2011 „Blauer Hund“ (Nadja) Caroline Hock

20. 06.06.2011 „Freunde fürs Leben“ (Florance Seyvos) Andrea Marquardt

21. 27.06.2011 „Die Wölfe in den Wänden“

(Neil Gaiman / Dave McKean)

Andrea Marquardt

22. 04.07.2011 Annika Michel

23. 11.07.2011 Abschluss Teamarbeit Lesegruppe

24. 18.07.2011 Ausflug: Filmvorführung an der PH Teamarbeit Lesegruppe

Win

tersemester 2

011

/12

1. 07.11.2011 Wer ist Erich Kästner? Vorstellung von „Gullivers Reisen“ Agnieszka Wolny

2. 14.11.2011 Kapitel 1 Birsen Kilic

3. 21.11.2011 Kapitel 2 und 3 Larissa Jaspersen

4. 28.11.2011 Lesung in der Bibliothek: Ausflug Teamarbeit Lesegruppe

5. 05.12.2011 Kapitel 4 und 5 Alina Opitz

6. 12.12.2011 Kapitel 6 und 7 Sule Öztürk

7. 19.12.2011 Weihnachtsmarkt: Ausflug Teamarbeit Lesegruppe

8. 09.01.2012 Kapitel 8 Alina Opitz

9. 16.01.2012 Kapitel 9 Larissa Jaspersen

10. 23.01.2012 Kapitel 10 und 11 Birsen Kilic

11. 30.01.2012 Kapitel 12 Sule Öztürk

12. 06.02.2012 Kapitel 13 Alina Opitz

So

mm

ersemester 2

01

2

13. 16.04.2012 Zoran Drvenkar und Andreas Steinhöfel: „Die Kurzhosengang“ , Vor-

wort des Übersetzers (S. 5-10) Alina Opitz/L.Jaspersen

14. 23.04.2012 Kap. 1 Rudolpho Sule Öutürk

15. 30.04.2012 Kap. 1 Rudolpho Sule Öutürk

16. 07.05.2012 Kap. 2 Island Larissa Jaspersen

17. 14.05.2012 Kap. 2 Island Larissa Jaspersen

18. 21.05.2012 Kap. 3 Snickers Christine Zohren

19. 11.06.2012 Kap. 3 Snickers Christine Zohren

20. 18.06.2012 Kap. 4 Zement Alina Opitz

21. 25.06.2012 Kap. 4 Zement Alina Opitz

22. 02.07.2012 Nacharbeit Teamarbeit

23. 09.07.2012 Ausflug: Ausstellung „Extrem Süß! gemalt, gehäkelt, gegossen“ Junge Kunsthalle Karlsruhe

24. 16.07.2012 „So wurden wir die Kurzhosengang“: Die Geschichte fortspinnen Agnieszka Wolny

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Erfahrungen im Schuljahr 2010/2011

Während des ersten Jahres galt es organisatorische Hürden zu bewältigen. Außerdem

mussten Konkretisierungen des Konzepts vorgenommen werden. In beiden Modulen fand

eine Ritualisierung statt. So begann jede Etappe mit dem Lied „In Paule Puhmanns Pad-

delboot“ von Gert Neuner und Fredrik Vahle und endete mit einem Tagebucheintrag.

Die Literaturauswahl erfolgte sukzessive, erwies sich insgesamt aber als geeignet, denn sie

regte die Kinder zum Fragenstellen oder Gedankenaustausch an. „Wie ich Papa die Angst

vor Fremden nahm“, “Irgendwie anders” und die deutsch-französische Fassung von „Die

kleine Raupe Nimmersatt“ /„La chenille qui fait des trous“ weckten besonderes Interesse.

Die Kinder konnten sich in die Figuren oder Szenen hineinversetzen und fühlten sich ange-

sprochen, besonders wenn es um die eigene Herkunft, Sprache und Freundschaft ging. Das

Bewusstsein einer anderen Herkunft und Zugehörigkeit zu einer anderen Sprachgemein-

schaft war bei den Kindern stark ausgeprägt und führte zu intensiven Diskussionen auch

zwischen den Studierenden. Diese hatten in dieser Phase mit Konzentrations- und Dis-

ziplinproblemen zu kämpfen, die sich dank der Unterstützung von Agnieszka Wolny eini-

germaßen verringern ließen. Obwohl die Konzentration am Nachmittag den Kindern Mühe

machte, erkannten die Studierenden mit der Zeit eine Verbesserung der Schreibbereitschaft

und -leistungen.

Das Modul Stadterkundung verfolgte das Ziel, die Kinder mit ihrer Schule, ihrer Stadt und

ihren Stadtteilen bekannt zu machen. Das passierte in Form von Kurzausflügen, bei denen

sich die Kinder sehr engagiert beteiligten. Dabei begeisterten im ersten Halbjahr vor allem

die Lesung in der Kinderbibliothek, der Universitätsbesuch und immer wieder das Fahren

mit der Straßenbahn. Im Sommer fand ein Besuch des „Pavillions K.“ statt, wo sich die

Kinder die Baumaßnahmen und Veränderungen in der Stadt auf einem großen Touch-

screen betrachten konnten. Die Entstehung eines Tunnels, dargestellt in einem Kurzfilm,

weckte ihre Neugier, führte aber auch zu Disziplinproblemen. Es folgten Ausflüge in den

ältesten Stadtteil, die Südstadt und eine Rallye über den Werderplatz. Die Vielfalt der Süd-

stadt beeindruckte die Kinder nicht besonders, dennoch untersuchten sie Wohnhäuser auf

fremdsprachige Namen und erkundeten Geschäfte. Eine Herausforderung stellte der Be-

such religiöser Einrichtungen wie einer Moschee und einer katholischen Kirche dar. Einige

Kinder mit türkischem Hintergrund waren überrascht und begeistert zugleich, als wir in

den Gruppen darüber sprachen. Alle Eltern stimmten dem Besuch zu. Der Besuch der Mo-

schee in der Oststadt (DITIB Landesverband BW) erwies sich als voller Erfolg. Die Kinder

wurden von der Gemeinde und dem Imam herzlich begrüßt. Eine junge Frau begleitete uns

in den Gebetsraum und dolmetschte die Erklärung über die islamischen Bräuche und Feier-

tage. Die Kinder stellten dem Imam Fragen. Er zog sein Gewand an und erklärte, wie es

heißt und wozu es dient. Danach gab es Tee und Gebäck. Die Evaluation dokumentierte

die besondere Bedeutung dieses Ausflugs.

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Erfahrungen im Schuljahr 2011/12

Dank einer enormen Vorbereitungszeit ist es uns gelungen im 2. Jahr alle Etappen im Vo-

raus zu planen. Dies eröffnete Zeitfenster für Überarbeitungsphasen mit Agnieszka Wolny

und Heidi Rösch, die in beiden Gruppen auch genutzt wurden. Die Studierenden zeigten

dabei in beiden Modulen enormes Engagement und eine hohe Motivation. Bei Krankheit

wurden die Springerin bzw. andere Projektteilnehmerinnen aktiviert.

Nach einem Jahr mit Bilderbüchern entschieden wir uns im zweiten Jahr für zwei Ganz-

schriften – eine pro Semester, um die Intensität im Umgang mit einem Werk zu steigern.

Geeignet erschienen uns „Gullivers Reisen“ von Erich Kästner und „Die Kurzhosengang“

von Zoran Drvenkar, geschrieben unter dem Pseudonym Caspak/Lanois. Jedes Kind be-

kam sein Exemplar und bastelte sein Lesezeichen dazu. Die Bücher wurden in den Klas-

senzimmern aufbewahrt. Vor allem im Sommersemester war es zum Teil schwierig, die

Kinder am Nachmittag, und weil sie ihre Zeit überwiegend im Klassenzimmer verbringen

mussten, zu motivieren. Dies gelang durch Rätsel, Rollenspiele, Bilderspiele, Brettspiele,

Bastelarbeiten und kreatives Schreiben. Die Lektüre von „Die Kurzhosengang“ begeisterte

die Kinder deutlich weniger als die vorherige Lektüre „Gullivers Reisen“. Dennoch er-

kannten die Studierenden eine Steigerung beim lauten Lesen bei manchen Kindern, die

sich im öfter freiwillig meldeten. Ein weiteres Erfolgserlebnis einer Studentin war, dass

„die Kinder sich endlich merken konnten, was in der Projektstunde davor gelesen wurde.

Im letzten Halbjahr wurde ich so oft gefragt, was nochmal geschehen ist und musste häufig

wiederholen“.

Im Sommersemester fanden mehrere Ausflüge ins Badische Landesmuseum statt, die Ag-

nieszka Wolny mit Dr. Sarah Hoke abgesprochen hatte und auf die die Studierenden durch

einen Museumsbesuch, die Nutzung der Museumsbibliothek sowie die persönliche Unter-

stützung von Frau Hoke vorbereitet wurden (ausführlicher vgl. weiter unten).

Disziplinprobleme in den jeweiligen Schulen wurden seltener gemeldet als im 1. Jahr. Al-

lerdings entstand das Problem der regelmäßigen Anwesenheit der Kinder, was die Atmo-

sphäre und Arbeitsmotivation der Kinder und schließlich auch der Studierenden deutlich

beeinträchtigte.

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Auswertung der Etappenprotokolle der Studierenden

Die Studierenden waren aufgefordert, nach jeder Etappe einen Protokollbogen mit folgen-

den Kategorien auszufüllen:

1. Inhaltliche Aspekte: Wurden interkulturelle Bezüge hergestellt?

2. Schüleraktivierung und Motivation: Waren die Kinder selbsttätig und aktiv?

3. Medieneinsatz: Waren die Medien zielgruppengerecht? Motivierend?

4. Etappenaufbau: War dieser nachvollziehbar, verständlich, zielführend? Waren die

Studierenden ausreichend vorbereitet? Welche Ergebnisse wurden erreicht? Wurden

diese gesichert?

Leider wurden diese Protokollblätter trotz mehrmaligen Aufforderns nicht von allen in

gleicher Weise solide bearbeitet. Dennoch bilden die vorliegenden Protokollbögen eine

gute Grundlage für Aussagen über die Qualität der Etappen aus Studierendenperspektive.

Gleichzeitig liefern sie aber auch Hinweise über die Kompetenzen der Studierenden im

Umgang mit den Kindern und in der Umsetzung der interkulturellen Projektidee.

Vorausgeschickt sei der Hinweis, dass dieselben Etappen in den unterschiedlichen Grup-

pen auch unterschiedlich durchgeführt und bewertet wurden, wie die entsprechende Über-

sicht mit „Beispielen für die unterschiedliche Beurteilung ausgewählter Etappen nach

Schulen“ illustriert. So wurde die Auswahl der außerschulischen Lernorte zum Teil sehr

unterschiedlich beurteilt. Während der Zoobesuch in einigen Gruppen als sinnvoll erachtet

wurde, fanden andere: „Der Ausflug hätte auch an einen anderen Ort führen können, da die

Kinder schon so oft im Zoo waren.“ Auch die Etappen „Mein Traumhaus“, „Mein Kinder-

zimmer“ sowie „Mein Stadtteil“ wurden oft negativ beurteilt, wobei nach unserer Wahr-

nehmung in der Leopoldschule und Werner von Siemens-Schule „sehr schöne Prospekte

über das eigene Wohnviertel“ entstanden. Der Friedhofbesuch wurde in allen Gruppen

durchgeführt, aber unterschiedlich umgesetzt. Die Reaktion der Kinder war in allen Grup-

pen positiv.

Im Folgenden wird in einer Querschnittanalyse eine Auswertung aller vorliegenden Proto-

kolle versucht, die deutlich macht, welche Lernmöglichkeiten die Studierenden realisierten

und wie die Kinder diese aufnahmen. Dabei folgen wir den vorgegebenen Kategorien2.

2 Die Zitate sind den Protokollen entnommen, zum Teil aber gekürzt und rechtschreiblich korrigiert worden.

Allerdings wurde das von den Studierenden gewählte Zeitschema beibehalten.

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Beispiele für die unterschiedliche Beurteilung ausgewählter Etappen nach Schulen

Etappe Leopold-GS Anne-Frank-GS Pestalozzi-GS Siemens-GS

„Gulli-

vers

Reisen“

WiSe

2011/12

Die Idee mit der Bastel-

einheit und den Karten in

der Wiederholungsrunde

waren sehr gut. Allerdings

konnten die K die Bilder

nur beschreiben, aber

nicht in eine Reihenfolge

bringen. Das Arbeitsblatt

wurde eigenständig (!)

erarbeitet. K vergewissern

sich immer wieder, ob

das, was sie schreiben,

auch richtig ist. Das Pla-

kat mit den Kriegsparteien

wurde nicht beendet.

Einstieg mit Bildern im

Sitzkreis. Im Gespräch

über das neue Kapitel

wird der Begriff „Ehre“

besprochen, die K be-

schreiben den Begriff als

„stolz“ und „Recht ha-

ben“. Die Schiffe und das

anschließende Plakat sind

sehr motivierend. Das

Plakat wird in der nächs-

ten Stunde fertig gemacht

und aufgehängt.

Für die jeweiligen Kapitel

war genug Zeit einge-

plant. Wichtige Stellen

wurden hervorgehoben. K

arbeiten gemeinsam an

einem Plakat. Auswahl

und Bereitstellen der

Materialien war sehr gut.

Während der Basteleinheit

wurde über die Liliputaner

und Blefuscu gesprochen.

Zeitlich hat die Bearbei-

tung des Arbeitsblattes

nicht gepasst.

Abwechslung durch ver-

schiedene Bewegungsein-

heiten. Nach der ersten

Runde Lesen ließ die

Motivation nach und sie

verweigerten das Lesen.

Der Zeitplan war nicht gut

bemessen. Die Zeit reichte

für das Basteln nicht,

sodass das Bild am An-

fang der nächsten Etappe

fertiggestellt werden

musste.

Als

meine

Großel-

tern

Kinder

waren

WiSe

2011/12

K sollten in dieser Etappe

einen ausgefüllten Frage-

bogen mitbringen. Es kam

nur ein Kind (nach eini-

gen Telefonaten) und

dieses hatte die Aufgabe

nicht mitgebracht. Die

Bilder zum Gespräch

waren anregend.

Die zwei anwesenden K

haben keinen Kontakt zu

den Großeltern. Ich habe

Familientypen besprochen

und ein Selbstporträt ihrer

jetzigen Familie malen

lassen. Die Thematik

Stiefvater/-bruder bzw.

Tod war sehr auffällig.

Berichterstattung der

Studierenden liegt nicht

vor.

K erzählten teilweise sehr

gerne, was sie von ihren

Eltern/Großeltern erfahren

haben. Sie waren über die

Unterschiede in den Fami-

lien teilweise sehr ver-

wundert.

„Die

Kurzho-

sen-

gang“

SoS

2012

Gruppe vorzeitig beendet Gruppe vorzeitig beendet Der Textumfang war zu

groß. Mir hat die Frage,

wie K mit Angst umgehen

und wovor sie Angst

haben, gefallen. Dafür

waren K offen und erzähl-

ten. Die Skizze über

aktuelle Abläufe war eine

sehr gute Idee und konnte

umgesetzt werden. Zwei

K haben sich geweigert,

ihre Wünsche vor den

anderen zu erzählen.

Ich habe einzelne Pla-

nungsschritte aus Zeit-

gründen weggelassen. Um

Spannung aufzubauen,

versuchte ich durch Un-

terbrechungen die Neu-

gierde zu wecken, was

gelang. Als die Pauli

Gang zur Sprache kam,

waren einige begeistert.

Zum Abschluss machte

sich jeder Gedanken über

seine eigenen Träume und

Wünsche.

Einfüh-

rung:

Karls-

ruher

Schloss

und

seine

Ge-

schichte

SoS

2012

K lernen die fächerartige

Ausrichtung ihrer Stadt

kennen und entwickeln

ein Bewusstsein dafür.

Auffällig war, dass kein K

zuvor in der Lage war,

den Fächer mit Karlsruhe

zu verbinden. Es fiel

ihnen nicht schwer, Fra-

gen für die zukünftigen

Ausflüge zu formulieren.

K versuchen sich in ver-

gangene Zeit zu versetzen.

Fächer fasziniert sie.

Lange Diskussion über

Kompass, Himmelsrich-

tungen und Erdanzie-

hungskraft. Überlegungen

und Fragen an die Muse-

umspädagogin waren sehr

produktiv, nachdem sich

die K sich auf die Thema-

tik eingelassen hatten.

Aus Zeitüberschuss haben

wir die Schlossvorlage mit

den Strahlen aufgeklebt

und mit Straßennamen

beschriftet.

Berichterstattung der

Studierenden liegt nicht

vor.

K sind sehr interessiert an

der Person Karl Wilhelm.

Sie stellen viele Fragen

dazu. Die Legende wird

interessiert angenommen.

Den Grundriss zu legen

scheint ihnen nochmal

eindrucksvoll zu verdeut-

lichen, wie Karlsruhe

aufgebaut ist.

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1. Interkulturelle Bezüge

Modul Lesen

Zu Beginn der Langschrift „Gullivers Reisen“ wurden Gullivers Beruf als Arzt und Orte

wie Liliput beschrieben. Brobdingnang, Liliput, Blefuscu als Städtenamen erscheinen

ihnen ziemlich unwahrscheinlich: „Ein Land mit Zwergen, aber das ist doch ein Märchen!“

Die Kinder verstanden den Text als „Fantasieerzählung“, die nichts mit der Realität zu tun

hat. Später zeigten sich einige verunsichert. Daran wird deutlich, dass es gelungen ist, eine

implizite Beschäftigung mit literarischen Formen anzuregen.

Dass auch Fantastisches mit ihrem Alltag verbunden werden kann, zeigt der Umgang mit

der liliputanischen Sprache: In der Pestalozzi-Schule bereitete es den Kindern besondere

Freude, „Liliputanisch zu sprechen“. Die Kinder bemerkten auch in anderen Gruppen,

„dass Gulliver zwar zu groß, aber trotz allem benachteiligt sei, da er die Sprache der Lili-

putaner nicht spricht“. Verständigungsalternativen wurden gefunden und nach einer Weile

waren die Kinder der Meinung, „dass beim Sprachausfall Hände und Gesicht eine Stütze

sind“. Neben der Vorstellung, eine Einheitssprache sei notwendig, wenn man sein Gegen-

über verstehen möchte, fand aber auch eine intensive Beschäftigung mit Mehrsprachigkeit

statt. „In der Gruppe entwickeln sich sofort Vorschläge, wie sie klingen könnte. Kinder

sprechen mit leiser und piepsiger Stimme eine ‚neue Sprache‘“. In der Gruppe der Anne-

Frank-Schule wird Hallo auf liliputanisch gesprochen. Anschließend werden Begrüßungs-

wörter in den Sprachen, die die Kinder zuhause sprechen, gesammelt (Englisch, Italie-

nisch, Chinesisch, Türkisch, Russisch). „Die Kinder erzählen über (...) ihre Familienspra-

che. Ihre Mehrsprachigkeit wird mit positiver Reaktion anerkannt, dies trifft in der Gruppe

auf weiteres Gesprächsbedürfnis“. Gespräche über Sprache fallen Kindern grundsätzlich

leichter, wenn dabei klare Bezüge durch Fragen oder Beispiele auf andere Sprachen herge-

stellt werden. Gespräche auf dieser Ebene erfordern von den Studierenden die Bereitschaft,

interkulturelle Situationen als Chance und weniger als Bedrohung anzunehmen.

In der Diskussion, ob Gulliver einen Feuerbrand mit dem eigenen Urin hätte löschen dür-

fen, wurde der Umgang mit (auch eigenen) Grenzen besprochen. Die Kinder fanden dieses

Kapitel erst lustig und eklig zugleich, diskutierten dann aber über die Hintergründe: „Gul-

liver ist nicht frei.“ „Das hat er ja nicht einfach so gemacht. Er ist nicht schuld.“ Die Aus-

sagen zeigen, dass nach Auffassung der Kinder Gulliver den Liliputanern in dieser kon-

fliktbelasteten Situation mit Kreativität und Eigenständigkeit entgegenkommt und sie dis-

kutieren die Bestrafung: „Er soll bestraft werden, da der Kaiser sehr mächtig ist. Aber kei-

ne Todesstrafe!“ Die Todesstrafe empfanden viele (auch in einer Fantasieerzählung) als

„ungerecht“. Ein Kind hat die Warnung des Obersthofmeisters Reldresal sehr beeindruckt

und angemerkt, dass es richtig war, dass wenigstens einer der Liliputaner zu Gulliver ge-

halten hat. Die Kinder befassten sich hier zumindest implizit auch mit Handlungen ganz

allgemein, die je nach Perspektive als gerecht oder ungerecht bewertet werden. Fairness

und Ehrlichkeit empfanden sie als wichtig und formulierten dies sehr oft in Gesprächen

untereinander.

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Es war nicht zu übersehen, dass nach dem Lesen des Kapitels über das Land der Riesen,

die Kinder erneut das unfaire Verhalten gegenüber Gulliver besprechen wollten: „Gulliver

landet bei den Riesen, dies gefiel den Kindern überhaupt nicht. Denn diese Menschen sind

mächtig und könnten Gulliver töten, sagten sie.“ „Gulliver ist nicht frei.“ „Er muss immer

das tun, was die Riesen wollen.“ Hier gelang es den Kindern, Gefühle und Bedürfnisse

anderer zu erfassen und sich in diese Person und ihre Lage hineinzuversetzen.

Im folgenden Kapitel wird Gulliver auf dem Markt der Riesen als Attraktion vorgeführt.

„Sie behandeln ihn wie ein Spielzeug. Auch Glumda behandelt ihn zuerst wie eine Puppe.“

„Er ist doch keine Puppe“ oder „Er arbeitet ja nicht im Zirkus!“ sind Kommentare von

Kindern, die neben Empathie auch Solidarität zeigen. Als Gulliver daraufhin als Lügner

abgestempelt wird, obwohl er wahre Erlebnisse erzählt, empfanden die Kinder großes Mit-

leid. Diesen Perspektivenwechsel verbalisierten sie als „Nun bist du selber der Liliputaner,

mein lieber Gulliver!“ Die Kinder erkennen den Rollenwechsel und hoffen aus dieser Per-

spektive, dass die Riesen in Brobdingnang auch so freundlich sind wie Gulliver in Liliput,

denn „es ist nicht wichtig, ob man klein oder groß ist sondern, ob man gut oder böse ist“.

Besonders auffallend war während der gesamten Lektüre, dass die Kinder aufgrund der

Tatsache, dass dieselbe Figur sowohl als Zwerg als auch als Riese Erfahrungen sammelte,

das Prinzip der Relativität von Größen- und damit auch von Machtverhältnissen erkennen

konnten: Die Kinder äußerten ihre Gefühle und fanden, dass sich Gulliver als Zwerg hilflos

gefühlt haben muss. An dieser Stelle ließe sich die Frage stellen, ob es auch im echten Le-

ben solche Relationen gibt oder man mit Hilfslosigkeit (auch im ‚echten Leben‘) umgehen

kann. Doch diese Brücke zwischen den Erfahrungen Gullivers und dem alltäglichen Leben

der Kinder zu schlagen, fiel den Studierenden schwer. Da hier die Gefahr besteht, dass

allzu simple Entsprechungen mit Fragen wie „Habt ihr so etwas auch schon erlebt?“ ge-

sucht werden, setzten wir als Verantwortliche hier eher darauf, beim Text zu bleiben und

auf eine transformatorische Wirkung zu hoffen, auch wenn diese nicht direkt angeleitet

wurde.

Es gab aber auch Etappen, in denen die Kinder diese Transformation eigenständig vorge-

nommen haben wie beim Thema „Abschied und Heimkehr Gullivers“: „Gulliver wird es

bestimmt nach Hause schaffen und andere Abenteuer erleben“. Diese Projektstunde gehör-

te zu den beliebtesten und die Kinder sprachen noch lange darüber hinaus „über ihre Ge-

fühle beim Abschiednehmen“.

Die zweite Langschrift „Die Kurzhosengang“ stieß auf weniger Begeisterung. Dies zeigte

sich im Leseprozess und im interkulturellen Miteinander. Die Kinder ließen sich zunächst

auf die Erzählung engagiert ein. Die Studierenden erklärten, dass es Autoren gibt, die ein

Buch unter einem anderen Namen veröffentlichen. Die Kinder überlegten, ob sie so etwas

aus anderen Kontexten kennen (Spitznamen, Codenamen, Pseudonym) und warum sich

Menschen andere Namen geben. Damit war der Einstieg geschafft, denn alle vier Mitglie-

der der Gang tragen Pseudonyme. Rudolpho, Snickers, Island und Zement erzählen in ei-

ner Fernsehshow ein gemeinsames Erlebnis, jedoch immer aus ihrer persönlichen Perspek-

tive. Nach Lektüre der ersten beiden Kapitel wurde den Kindern klar, dass es sich um vier

verschiedene Sichtweisen einer sehr abenteuerreichen Geschichte handelt. Dabei war das

Rollenlesen eine große Hilfe.

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Problematisch war die dritte Episode im Snickers-Kapitel, denn sie behandelt das Thema

Schwangerschaft und Geburt. Die Kinder fanden das „sehr ekelig“. „Sie waren geschockt

und haben nur gelacht, weil sie peinlich berührt waren“. Den Studierenden gelang es nicht,

mit dieser Peinlichkeit konstruktiv umzugehen und die Geburt als etwas Natürliches darzu-

stellen. Sie schafften es nicht, Snickers Charakter in den Mittelpunkt zu stellen und seine

beherzte Art, mit einer auch für ihn schwierigen Situation umzugehen, zu würdigen. Denn

letztendlich geht es in dem Text darum, Verschiedenheit in einer Gruppe zu thematisieren

und deutlich zu machen, dass diese Gruppe ihre heroischen Leistungen nur bringen konnte,

weil ihre Mitglieder so verschieden sind.

Zement, der das letzte Kapitel erzählt, ist der ‚Besonderste‘ in der Gruppe, von dem die

anderen auch am wenigsten wissen. Er offenbart seine Person erst in dieser Erzählung. In

der Pestalozzi-Gruppe wurde angemerkt, dass „Zement ‘anders‘ sei als die anderen Jungen

der Gang. Sie haben ihn mit U. (einem Kind der Gruppe) verglichen, der auch ein bisschen

anders ist, weil er übergewichtig ist, aber trotzdem gemocht wird.“ Damit zeigten die Kin-

der, dass sie die spezifische Situation im Buch erfasst haben und mit ihren Alltagserfah-

rungen verbinden können. In den anderen Gruppen ist dies weniger gut gelungen.

Die Erfahrung, dass dieses Buch weniger gut angenommen wurde, obwohl es interkulturell

deutlich anspruchsvoller ist, zeigt, dass die Studierenden (noch) nicht in der Lage waren,

diese Spezifik zu erkennen und mit den Kindern zu erarbeiten. Hier hätten wir als Verant-

wortliche deutlich intensiver mitwirken müssen. Interessanterweise sah allerdings der von

Kindern zu gestaltende Zukunftstraum „komischerweise genauso aus wie der Traum der

KHG: Horrorfilme guckend Popcorn essen“. Das lässt sich auch als Indiz deuten, dass die

Kinder mehr mit dem Werk anfangen konnten, als im Projekt offensichtlich wurde. Positi-

ve Beispiele, auf geäußerte Verständnisschwierigkeiten zu reagieren, zeigte eine Studentin

in der Werner-von-Siemens-Schule: „Es war schwierig für die Kinder, dem Text zu folgen

und sich die Landschaft vorzustellen. Daher haben wir ein Tafelbild erstellt.“ Beim Thema

Verantwortung hatten die Kinder viel zu erzählen, nachdem der Begriff im Rückgriff auf

die Erfahrungswelt von Kindern, die Verantwortung gegenüber eigenen (Spiel-)Sachen,

jüngeren Geschwistern oder einem Haustier übernehmen, geklärt worden war.

Modul Stadterkundung

Das Herstellen interkultureller Bezüge in der Planung und Durchführung war eine beson-

dere Herausforderung. Zunächst wurde stets mit einem Stadtplan bzw. Kinderstadtplan und

einer Weltkarte im Klassenzimmer gearbeitet. Dies regte die Neugierde der Kinder an und

sie erzählten gerne, welche Länder sie besucht haben oder woher ihre Eltern stammen.

Beim Ausflug in den Karlsruher Stadtgarten stellten die Kinder interessante Fragen wie:

„Ist es den Giraffen im Winter hier nicht viel zu kalt, wie machen die das? Und die Eisbä-

ren im Sommer?“ Daraufhin erzählten die Kinder der Anne Frank-Schule von den Her-

kunftsländern ihrer Eltern oder Großeltern, vom „kalten Russland“, vom „sommerhaften“

Thailand oder von Italien. Es folgte eine Diskussion über Essgewohnheiten der Tiere im

Zoo und die Frage, was passiert, „wenn (es) das Fressen von zu Hause hier nicht gibt“. Die

Kinder sprachen darüber, dass in Oberreut viele Personen unterschiedlicher Herkunft woh-

nen. Auf die Frage, was das denn bedeutet, „erzählen die Kinder von ‚unheimlichen Plät-

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zen‘, z.B. Graffity-verschmierten Spielplätzen, oder von Obdachlosen“. Auffällig war, dass

in zwei Gruppen die Angst vor Obdachlosen genannt wurde. Diese Personengruppe er-

schien als „gefährlich oder komisch“. Die Studierenden waren überrascht, dass unter dem

Thema Vielfalt Obdachlose zu einem zentralen Thema wurde und konnten leider nicht

angemessen darauf reagieren, so dass die Stereotypen über Obdachlose nicht bearbeitet,

sondern eher gefestigt wurden.

Beim Ausflug zum Hauptfriedhof in Karlsruhe waren die Kinder zum Teil überrascht, dass

der Friedhof eher „parkähnlich“ ist und dass er nicht „gruselig“ ist. Durch ein Aufgaben-

blatt, das über den Friedhof führte, wurden die Kinder gezielt angeregt, sich mit christli-

chen, muslimischen und anonymen Gräbern auseinanderzusetzen. „Den Kindern fiel auf,

dass die christlichen Gräber auf dem Hauptfriedhof in größerer Anzahl vertreten sind. Dies

konnte man anhand der Kreuze erkennen, die immer wieder auf der Route auftauchten.

Vier der fünf Jungen aus der Leopoldschule sind muslimischen Glaubens. Interessant war

zu sehen, dass die Kinder auf dem muslimischen Friedhof Gräber aus ihren Ländern er-

kannten (wie Albanien, Türkei). Hier haben sich die Kinder vor die einzelnen Gräber ge-

stellt und für die Verstorbenen gebetet. Auch die Soldatengräber fanden bei den Kindern

große Beachtung. Es wurden genaue Jahreszahlen zu den Weltkriegen erfragt. Außerdem

rechneten die Kinder das Alter der Soldaten aus“, berichtete eine Studierende der Leopold-

schule. Solch eine Situation bestätigt das rege Interesse und die Neugier der Kinder gegen-

über den je Andersgläubigen und unterstützt eine Erweiterung ihrer Weltsicht. Sie entde-

cken aber auch gemeinsam Neues wie die Soldaten- oder die anonymen Gräber.

2. Schüleraktivierung und Motivation

Modul Lesen

Die Kinder gingen überwiegend mit positiver Einstellung ins Projekt. Gleichzeitig forder-

ten die Belastungen des Schulalltages oder weitere außerschulische Aktivitäten der Kinder,

die sich in Müdigkeit und fehlender Konzentration im Projekt ausdrückten, von den Stu-

dierenden, die Kinder zu aktivieren und zu motivieren.

Manchmal kam die Motivation eher zufällig: Als „Gullivers Reisen“ vorgestellt wurde,

„erzählten die Kinder selbst, woher sie Erich Kästner bereits kennen, z.B. durch ‚Das flie-

gende Klassenzimmer‘ oder ‚Pünktchen und Anton‘, das sie selbst gelesen haben“. Die

Motivation, nun ein Buch vom selben Autor zu lesen, war hoch. Jedes Kind bekam sein

eigenes Exemplar und war sofort damit beschäftigt. Das Basteln eigener Lesezeichen regte

zusätzlich an. Neben haptischen gab es aber auch vielfältig kognitive Aktivierungen. So

wurden die Kinder durch Fragen immer wieder zum Nachdenken oder Perspektivenwech-

sel angeregt: „Auf die Frage, warum der Kaiser Gulliver befreit hat, kamen verschiedene

Antworten: Der Kaiser bekam Angst, weil Gulliver so groß war. Der König hatte erkannt,

dass Gulliver ein gutes Herz hat und deswegen ließ er Gulliver frei.“ Die Kinder aus der

Gruppe dachten, dass Gulliver fliehen würde, „weil er ganz anders ist als die Liliputaner

und kaum die Sprache kennt“. Damit lagen sie falsch und waren sehr erstaunt. Ihre Irritati-

on konnten sie in einem Brief an seine Frau artikulieren.

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Wiederholungsrunden am Anfang jeder Etappe zielten ebenfalls auf die Aktivierung. Be-

sonders beliebt waren Bastel- und Malarbeiten im Team: „Die Kinder mussten sich mit den

anderen absprechen, wann die verschiedenen Kataloge weitergegeben werden, und Kom-

promisse finden, wer welches Bild für seine Collage benutzen darf.“

Fremde Begriffe in den Texten stießen auf „große Unsicherheit“. Durch lautes Vorlesen

und wiederholen der Personennamen, Orte oder Sachbezeichnungen ließ die Angst vor

unkorrektem Lesen nach. Rollenspiele, „um zu erproben, wie es sich anfühlt, wenn man in

der Faust von einem Riesen landet“, wurden zunehmend aktiver gestaltet.

Der Text „Die Kurzhosengang“ war durch Passagen mit direkter sowie indirekter Rede

schwieriger zu verstehen, was die Kinder phasenweise verwirrte und ihre Motivation zum

Lesen verringerte. Auch kreativ formulierte Schreibaufgaben stießen oft auf mangelndes

Interesse, was auch den besonderen Förderbedarf der Kinder zum Ausdruck bringt. Leider

war es den Studierenden nicht möglich, auf solch komplexe Anforderungen ad-hoc zu rea-

gieren. Sie artikulierten stattdessen den Zeitdruck: „Für die Lerngruppe wirkt sich der

Zeitdruck ein bisschen negativ aus, da die Kapitel nicht am Stück gelesen bzw. besprochen

werden konnten.“ „Leider nimmt das Lesen viel Zeit in Anspruch und wir liegen mit der

Durchführung dieser Etappe zurück.“

Modul Stadterkundung

Die Kinder nutzten die Stadtpläne sehr gerne etwa zum „Schulwegzeichnen“. Sie zeigten

während der Ausflüge Initiative und Eigenständigkeit: „V. übernimmt V. die Wegweiser-

Rolle im Zoo, weil er sich als Experte sieht. Er besucht den Stadtgarten sehr oft. Sein

schnelles Tempo durch den Zoo macht den Kindern Spaß, sie versuchen der Rallye zu fol-

gen und die Fragen zu beantworten.“ Die Themen „Mein Traumhaus“ und „mein Kinder-

zimmer“ stießen dagegen auf relativ wenig Interesse. Die Materialien erschienen „langwei-

lig und schwer unterscheidbar“. Es handelte sich um „stereotype Modelle von Familien-

häusern, Bungalows, Reihenhäusern oder dergleichen. Möbelprospekte und Prospekte mit

Einrichtungsgegenständen waren ähnlich monolithisch ausgewählt“. Vermutlich war das

Thema insgesamt zu wenig mit der Lebensrealität der Kinder verbunden.

Wenig motivierend war auch die Etappe „Bewusstsein für Größen zu schaffen“: Das Klas-

senzimmer wurde zwar ausgemessen, die Maßeinheiten besprochen, aber „die Kinder wa-

ren nicht in der Lage ihre Vorstellungen zu Papier zu bringen“ und wirkten schnell ge-

langweilt. Das Aufsuchen des eigenen Stadtteils brachte die Kinder in die Rolle von Orts-

kundigen: „Sie haben begeistert Lieblingsplätze aufgezählt und diese dann begeistert foto-

grafiert.“ Andere waren voller Vorfreude auf die späteren Fotos, wollten selbstständig Tex-

te zu den Fotos schreiben und sie dann präsentieren.

Es bestand großes Interesse am Thema Tod. Die Geschichte über den gestorbenen Dachs

war für dieses 3. Schuljahr „zu einfach“. Die Kinder initiierten Gespräche über den Tod

und den Todeszustand, sind dann beim Besuch auf dem Friedhof „recht gelassen mit dem

Thema umgegangen“. Sie halfen sich gegenseitig beim Ausfüllen des Arbeitsblattes und

waren sehr interessiert. Als sie von anderen Besuchern angesprochen wurden, erzählten sie

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gerne vom Projektausflug und zeigten ihre Aufgabenblätter. Die Kinder fühlten sich ernst

genommen und notierten mehr ‚Entdeckungen‘ als verlangt.

Familien-Themen lösten ebenfalls rege Beteiligung aus. „Die Kinder haben viel Ge-

sprächsstoff über ihr eigenes Alter und das ihrer Eltern.“ Ein Kind wusste nicht genau, wo

die Mutter geboren wurde und wollte das unbedingt erfragen.

Anspruchsvoll und motivierend waren die Vorbereitungsetappen für die Museumsbesuche.

Überlegungen, welche Fragen man stellen kann, waren in zwei Gruppen besonders produk-

tiv, weil es sich um etwas Neues und damit Spannendes handelte: „Auffällig war, dass kein

Kind in der Lage war, den Fächer mit Karlsruhe zu verbinden.“ Passend dazu wurden „ge-

schichtliche Fakten aus der vergangenen Etappe aufgegriffen und wiederholt. In dieser

Etappe hat man die große Begeisterung der Kinder in Zusammenhang mit Stadtplänen ge-

sehen. Sie wollten sofort ihre Straße suchen. Man merkt außerdem, dass es den Kindern

große Freude bereitet ihre Arbeit zu präsentieren.“ Während der Museumsbesuche war die

Motivation unterschiedlich. Da nicht jede Museumspädagogin die Kinder direkt einbezog,

gab es nach dem zweiten Ausflug eine negative Atmosphäre. Im Gespräch mit Sarah Hoke

konnten einige Aspekte zur Schüleraktivierung und Motivation teilweise behoben werden.

3. Medieneinsatz

Modul Lesen

Die von den Studierenden ausgewählten Medien wirkten nicht immer motivierend. Hieran

zeigt sich, dass solches Material sorgfältig(er) ausgewählt und eventuell auch professionel-

ler gestaltet sein sollte, als es Studierenden möglich ist. Diverse Arbeitsblätter hatten bei-

spielsweise „zu wenige Zeilen“, Bilder waren undeutlich oder nicht kindgerecht. Doch es

gab auch positive Beispiele, als die Kinder anhand der einführenden Bilder zu „Gullivers

Reisen“ über den Ort der Handlung spekulierten: „Ist das Buch über England?“

Für „Die Kurzhosengang“ wurde eine Bilderkartei mit den Helden und Ortschaften der

Handlung erarbeitet. „Bilder zum Thema Tornado faszinierten einige besonders. Der Be-

darf an naturwissenschaftlichen Themen bzw. Fragen ist sehr hoch. Es entstanden Diskus-

sionen.“ Bei der Erstellung des Abschlussplakates „kam es mir vor, als würden die Kinder

nicht oft mit Zeitungen in Berührung kommen.“ Zeitungen, Magazine und bunte Prospekte

waren Hauptmedien zur Gestaltung dieses Plakates. „Die Beschäftigung mit dem Basteln

hat den Kindern sehr viel Spaß gemacht. Sie haben sich gefreut, als sie ihr fertiges Plakat

im Flur aufhängen durften.“ Ein Spiel zur und über die Kurzhosengang bildete „einen ge-

lungenen Abschluss“, es „hat den Kindern Spaß gemacht. Das Gestalten des Plakats war

eine schöne kooperative Arbeit.“

Modul Stadterkundung

Die Arbeitsmaterialien und Arbeitsblätter waren auch hier von unterschiedlicher Qualität

und wirkten nicht immer motivierend. So wurden verschiedene Materialien zur Geräusch-

nachbildung angeboten, dennoch erweis es sich als schwierig, „sie so wiederzugeben, dass

sie erkannt werden konnten. Dies langweilte die Kinder dann schnell.“ Die Stadtgarten-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 18

Rallye galt manchen Studierenden als „zu lang“. Kritisiert wurde auch, dass die Weltkarte

englische statt deutsche Länderbezeichnungen hatte.

Doch es gab auch positive Erfahrungen: „Die Postkartenvordrucke waren so motivierend,

dass die Kindern einen Vordruck mit nach Hause nehmen und zu Hause weitere basteln

wollten.“ Beim Ausflug in den eigenen Stadtteil bekamen die Kinder Einwegkameras, mit

denen sie sorgfältig umgingen. Die entwickelten Fotos wurden in der nächsten Etappe zur

Erstellung von Reiseführern benutzt. Außerdem wurde die Arbeit mit dem Overheadpro-

jektor, bei der sich die Kinder einen Gegenstand aussuchten und malten, als „abwechs-

lungsreich“ beurteilt.

Die Kinder legten den Grundriss von Karlsruhe mithilfe von Papierstreifen nach: „Somit

erfahren sie dies nicht nur auditiv und visuell, sondern auch haptisch.“ Der Fächer wird als

„Gesprächsstein“ genutzt. „Der Stadtplan war ebenfalls eine gute Idee, die Kinder beschäf-

tigen sich mit großem Interesse mit Stadtplänen“ und finden während der Reise mit Stadt-

bahnen stets die richtige Straße oder Haltestelle auf der Karte. Bei den Ausflügen fiel auf,

dass die Kinder über ihre Schulstrecke hinaus selten Stadtbahn fahren. Sie waren am Fahr-

kartenkauf interessiert und wollten den Automaten selbst bedienen.

Die Erzählung zum Thema Tod wurde mit leider „zu einfachen und plakativen“ Bildern

verbunden, die die Kinder schnell durchschauten. Während des Friedhofbesuches bekamen

die Kinder jeweils ein Klemmbrett, Arbeitsblatt und eine Karte mit eingezeichnetem Weg,

mit der sie ihren Orientierungssinn üben und im Team kooperieren konnten.

Besonders auffallend war der Umgang mit dem medialen Ort des Museums. Alle Kinder

wussten, wo es liegt („Nicht weit vom Marktplatz“, „Es ist groß und weiß.“) und stempel-

ten es als „langweilig“ ab. Spätestens nach der Turmbesteigung und dem weiten Blick auf

die Stadt waren sie positiv eingestellt und bereiteten begeistert Fragen vor, die sie dann den

Museumspädagoginnen vorlasen oder frei formulierten.

4. Etappenaufbau

Modul Lesen

Insgesamt war der Ablauf weitgehend ritualisiert: Die Etappen begannen mit einem Lied

und endeten mit dem Tagebucheintrag. Dazwischen lagen Phasen, die grob dem didakti-

schen Dreischritt folgten (Einstieg, Erarbeitung, Ergebnissicherung). Die Umsetzung war

so konzipiert, dass Schülerinteressen eingebracht und bearbeitet werden konnten. Deshalb

wurden häufig auch Probleme z.B. beim Verstehen sichtbar.

In Gesprächsrunden wurden die Kinder motiviert Fragen zu stellen und zu diskutieren.

Dabei überwogen Verständnisfragen nach Begriffen wie „Leutnant, Tempel, Offizier oder

Kaiserreich“, die zeigten, dass die Texte „den Kindern Probleme machten“. Deshalb ent-

schlossen sich die Studierenden je nach Gruppe häufiger als vorgesehen Wortschatzarbeit

zu leisten. Am Etappenende gab es gelegentlich ein Pantomime-Spiel. Ein Wort aus dem

gelesenen Stoff wurde ausgewählt und pantomimisch dargestellt. „Den Kindern machte es

sehr viel Spaß und zusätzlich können sie sich sowohl die Bedeutung als auch die Schreib-

weise des Wortes besser einprägen.“ Diese Aussage verdeutlicht, das hohe Gewicht, das

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 19

die Studierenden dem Spaß beimessen. Sie erleben das Lernen (hier des Wortes und seiner

Schreibung) als nachgeordnet („zusätzlich“). Immer wieder haben wir versucht, ihnen

klarzumachen, dass es um den Spaß am Lernen geht und nicht darum, Spaß zu haben und

dabei (vielleicht auch noch) zu lernen.

Die Aufgabenstellungen waren oft zu komplex: Die Kinder sollten eine Collage basteln, in

der Gulliver im Gegensatz zu den Riesen klein erscheint. Doch in einer Gruppe war „nur

auf einer Collage die Perspektive Gulliver als kleiner Mann aufgenommen worden. Statt-

dessen kamen individuelle Vorstellungen über das Land Brobdingnag heraus.“ Diese wur-

den dann in einer Präsentationsrunde vorgestellt und zum Gegenstand des Gesprächs. So

konstruktiv diese spontane Reaktion einzuschätzen ist, so klar muss gesehen werden, dass

die Studierenden bereits während der Arbeitsphase hätten intervenieren oder aber das Grö-

ßenverhältnis anhand der vorliegenden Collagen thematisieren sollen.

Sinnvolle Entlastungsstrategien der Studierenden waren Zusatzfragen, wiederholtes Lesen

von Textpassagen, Vergleiche und Mindmaps und andere Bilder an der Tafel: „Um die

Transparenz des Gelesenen zu gewährleisten, war es sinnvoll, die einzelnen Namen für ein

besseres Verständnis und eine Übersicht an der Tafel festzuhalten (z.B. die Namen beider

Eishockey-Teams, Zugehörige der „Rinkratten“ mit Pfeilen markieren ...)“. Wichtig war

die Schreibaufgaben zu begleiten, indem z.B. jedes Kind in seiner Gruppe zunächst „seine

Stichpunkte erklärte, damit es für alle nachvollziehbar war“ und sie erfolgreich weiterar-

beiten konnten.

Insgesamt wurde immer wieder der Zeitdruck bemängelt, was dazu führte, dass kreative

Aufgaben wie „das Plakat mit den Kriegsschiffen zu gestalten“ verlegt wurden. Aufgrund

sprachlicher Probleme beim Verstehen der Texte wurden einige Schreibaufgaben wegge-

lassen oder nachgeholt. Das entschieden die Studierenden je nach Gruppenbedarf, wobei

sich uns immer wieder auch der Eindruck aufdrängte, dass bei der Auswahl des Wegzulas-

senden auch die Vorlieben der Studierenden eine Rolle spielten. Auch waren wir mit der

Einschätzung der Studierenden nicht immer einverstanden. So beurteilten sie „Stationenar-

beit mit Bildern, Memory, Lückentexten, Kreuzworträtsel“ besonders positiv, da die Kin-

der dabei „große Freude“ hatten, „sich gegenseitig unterstützten“ und „sich öfter so ein

Projekt“ wünschten. Nach unserer Wahrnehmung ist Stationenarbeit bei einer so kleinen

Gruppe nicht sinnvoll, stattdessen sollte hier die Auseinandersetzung über bestimmte

Themen im Gespräch stattfinden. Doch solche Gespräche zu moderieren stellte für die

Studierenden eine große Herausforderung dar.

Modul Stadterkundung

Die Gruppen arbeiteten mit vielen Materialien wie Bildern, Prospekten, Reiseführern oder

dem Karlsruher Stadtplan. Einige Inhalte waren für die Lerngruppe neu oder „sehr abs-

trakt“. Die Kinder brauchten entsprechend Zeit, um sich darauf einzulassen. So waren „Ge-

räusche in Karlsruhe“ für die Kinder „nicht eindeutig erkennbar“; sie wussten nicht, was

sie sammeln, wie sie sie dokumentieren sollten. Quiz-Ideen kamen sehr gut an, waren „je-

doch oft realistischer Weise nicht durchführbar“.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 20

Als sinnvoll hat sich die Gestaltung von Doppeletappen aus Vorbereitung und Durchfüh-

rung von Ausflügen erwiesen. Denn auch für die dort behandelten Themen brauchten die

Kinder mehr Unterstützung als erwartet: So hätte das Gespräch über die Gegenstände, die

die Menschen früher gesammelt haben, durch Realien unterstützt werden müssen, weil den

Kindern viele Begriffe unbekannt waren. In der abschließenden Betrachtung fiel auf, dass

die handlungsorientierte Umsetzung der Themen wie „der Quadratmeter, den M. (Schüler

der Leopoldschule) mithilfe seines Körpers gezeigt hat“ in Erinnerung geblieben war.

Auffallend waren Zeitprobleme, denn vor allem die Durchführung der außerschulischen

Aktivitäten forderte „etwas Eigeninitiative des Studierenden, um sich passend auf die Pro-

jektgruppe abzustimmen“ und gut vorzubereiten. Hier kam es zu großen Unterschieden

zwischen den Gruppen: War die Erarbeitung in der einen Gruppe „recht schnell und kon-

zentriert“ möglich, wurde in einer anderen „wenig kreativer Gestaltungsraum für die Kin-

der“ bemängelt.

Beurteilung der Lernangebote

Modul Lesen

Titel des Buches Bewertung und Empfehlung

„Der kleine Frosch will Sänger

werden“ (Gülsum Cengiz)

in türk. & deutscher Fassung

Themen wie Mut, Gehorsam oder Ausdauer werden kindgerecht dar-

gestellt; Zeichnungen sind sehr ansprechend.

„Bobo und Susu“

(Rafik Schami / Erika Rapp)

Empathisch erzählte Geschichte über Bobo, den Elefant und Susu, die

Maus, die mit ihrer Verschiedenheit leben lernen, nachdem sich beide

‚verwandelt‘ haben.

„Wir können noch viel zusammen

machen“ (Friedrich K. Waechter)

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jungendliteraturpreis 1975. Wenig

Text und viele Bilder, die zum Entdecken auffordern. Fischkind Ha-

rald, Schwein Inge und Vogel Philip finden trotz ihrer Verschiedenheit

schnell und unkompliziert zueinander.

„Wie ich Papa die Angst vor

Fremden nahm“ (Rafik Schami /

Ole Könneke)

Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz kann man bekämpfen, wenn die

Angst auf beiden Seiten fällt. Großartige Bilder von Ole Könneke

untermauern den aus Kinderperspektive erzählten Text.

“Irgendwie anders”

(Kathryn Cave / Chris Riddell)

Fremdsein und Sehnsucht nach Freunden werden erreicht, wenn jeder

erkennt, dass er irgendwie anders ist.

„Rudolph the red-nosed reindeer“

(Text u. Malbuch von Gene Au-

try)

Klassiker-Lied und Malbuch zur Weihnachtszeit; ideal für eine Thea-

teraufführung.

„Winzig der kleine Elefant“

(Erwin Moser)

Winzigs Suche nach Geborgenheit, Liebe und Freundschaft zeigt, was

es bedeutet klein zu sein und groß zu werden. Gelungene Verbindung

von Bild und Text.

„Klein sein ist nicht einfach“

(Can Göknil)

Deutsch-Türkisches Bilderbuch zum Thema Anerkennung und Aus-

grenzung. Einfache Sprache, ganzseitige Bilder.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 21

„Die kleine Raupe Nimmersatt“ /

„La chenille qui fait des trous“

(Eric Carle)

Eine Raupe schlüpft und frisst sich Tag für Tag durch immer mehr

Nahrung. Sie wird immer dicker, verpuppt sich und wird zu einem

Schmetterling. Interessant ist diesen Bilderbuch-Klassiker in verschie-

denen Sprachen zu betrachten.

„Du hast angefangen – Nein, du“

(David McKee)

Das rote und das blaue Monster streiten sich durch ein Loch im Berg,

bis ihre Wut den Berg zum Einsturz bringt. Ein Bilderbuch mit wie-

derkehrenden Satzmustern über Streit, Wut und Versöhnung.

„Das ist kein Papagei“

(Rafik Schami / Wolf Erlbruch)

Ein Papagei schweigt, weil er von Linas Eltern verkannt und mit

Sprachübungen malträtiert wird. Als Lina sich ihm nähert und erkennt,

dass sie eine Mamagei ist, wird seine Vielsprachigkeit sichtbar.

„Das Land der Ecken“

(Irene Utlizka / Gerhard Gepp)

Der Held der Geschichte ist ein Junge, der sich – da Erwachsene in

ihrem Denken und Handeln eingefahren sind – alleine auf die Reise

macht, um Geheimnisse jenseits des Landes der Ecken zu entdecken.

„Blauer Hund“

(Nadja)

Großflächige und ausdrucksstarke Bilder des Buches werden mit der

Frage verbunden, ob in einer Freundschaft Vorurteile und Vertrauen

eine Rolle spielen.

„Freunde fürs Leben“

(Florance Seyvos)

Kurzgeschichte über eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen

einer Maus und einem Dinosaurier, die Freunde fürs Leben werden.

„Die Wölfe in den Wänden“

(Neil Gaiman / Dave McKean)

Das Bilderbuch thematisiert Invasion, Vertreibung und Angst vor

Überfremdung. Lucy kämpft mutig gegen die Wölfe, die aus den

Wänden gekommen sind. Doch dort warten schon Elefanten.

„Gullivers Reisen“

(Erich Kästner)

Erich Kästner erzählt den berühmten Roman nach und konzentriert

sich dabei auf die Reise nach Liliput und die nach Brobdingnag (zu

den Riesen), so dass es um die Relation von Größe und Macht, Heim-

weh und Ungerechtigkeit geht. Die Illustrationen von Horst Lemke

unterstützen das Verständnis der Handlung.

„Die Kurzhosengang“

(Victor Caspak / Yves Lanois)

Vier Jungs aus Kanada erzählen in einem Fernsehinterview ihre span-

nenden Abenteuer und verdeutlichen dabei auch ihren jeweiligen Cha-

rakter. Das mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2005 ausgezeich-

nete Buch, das Zoran Drvenkar unter dem Pseudonym Caspak/Lanois

publiziert hat, eignet sich gut für Rollenspiele. Ole Könnekes Zeichen-

stil erinnert an Comicfiguren.

Die Bilderbücher handeln vom Befremden, erzählen aus fernen Ländern oder thematisieren

Migration. Nicht jedes hatte einen deutlich erkennbaren interkulturellen Gehalt, trotzdem

war es möglich mit den Kindern über diese Phänomene ins Gespräch zu kommen. Der

Umgang mit den Bilderbüchern war produktiv-kreativ angelegt. Dabei wurde im Laufe des

ersten Jahres deutlich, dass es sinnvoller ist, mehr Zeit für ein Buch zu veranschlagen und

nicht pro Etappe ein Bilderbuch zu behandeln. Während im Wintersemester 2010/11 elf

Bilderbücher behandelt wurden, waren es im Sommersemester 2011 lediglich fünf, was für

erheblich mehr Gelassenheit und Interesse bei den Kindern sorgte. Doppeletappen wurden

angesetzt und die Arbeiten rund um die Handlung und das Werk wurden expliziter. Man-

che Kinder brachten ihren Stolz zum Ausdruck, so viele Bücher gelesen zu haben. Beson-

ders die drei mehrsprachigen Werke von Can Göknil, Eric Carle und Gülsum Cengiz er-

wiesen sich als Neuland für die Kinder und die Studierenden. Das Lesen in zwei Sprachen

überraschte und irritierte zugleich.

Unterschiedlich gut kamen die beiden Ganzschriften an: Viele Kinder kannten Gulliver,

durch das Original von Jonathan Swift, Fernsehfilme, Zeichentrickserien, Hörspiele oder

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 22

den Kinofilm „Gullivers Reisen – Da kommt was Großes auf uns zu“ (Regie Rob Letter-

mann 2010). Alle Kinder zeigten große Leselust. „Die Kurzhosengang“ löste ähnliche Vor-

freude aus wie „Gullivers Reisen“. Die Erwartungen der Kinder waren im Sommersemes-

ter 2012 in Bezug auf das Gelesene deutlich gestiegen. Einige Kinder sagten, sie hofften,

das Buch wäre so toll wie „Gullivers Reisen“. Aber leider ließ die Begeisterung schnell

nach. Kinder erwähnten immer wieder, dass ihnen „Gullivers Reisen“ besser gefallen habe.

Den Grund erkannten die Studierenden durchaus: „Insgesamt hatte ich den Eindruck, das

Buch ist zu schwierig für die Kinder und dadurch wurden die vielen Leseabschnitte häufig

langweilig.“ Hier hätten weitergehende Entlastungen eingebaut werden müssen.

Modul Stadterkundung

Titel des Ausfluges Bewertung und Empfehlung

Kennenlernen Spiele zum besseren Kennenlernen.

Klassenzimmer Wenig effektiv, da die Kinder ihre Klassenzimmer gut kennen.

Unsere Schule

Kinder als Experten führen einen Rundgang in der Schule und um die Schule.

Gespräche über den Namen der Schule waren sehr ergiebig und neu für die Kin-

der.

Unser Stadtteil Besseres Bewusstsein schaffen für die Umgebung der Kinder und ihren Schul-

weg. Kinder bekommen einen Kinderstadtplan.

Vorbereitung: Stadtmu-

seum

Was ist ein Stadtmuseum, welche Sammlungen finden wir dort? Wer ist Karl-

Wilhelm? Vorbereitungen auf den ersten Ausflug.

Ausflug: Stadtmuseum

im Prinz-Max-Palais /

Kinderbibliothek

Viele der Kinder waren zum ersten Mal in einem Museum und einer Bibliothek.

Das Interesse nach der Lesung einen eigenen Bücherausweis anzulegen war sehr

groß. Mehrere Bibliotheksbesuche wären ratsam.

Ausflug: Weihnachts-

markt

Vor Ferienbeginn Besuch des Karlsruher Weihnachtsmarktes am Rathaus. Anlass

für Gespräche über die christlichen Feiertage und deren Bräuche.

Sport in Karlsruhe

Bewusstsein schaffen für die Erkundung neuer Spielplätze, Schwimmbäder,

Sporthallen etc. Rege Beteiligung der Kinder bei diesen Gesprächen und Übung

„Rund um die Europahalle“.

Ausflug: Günter Klotz-

Anlage

Günter Klotz-Anlage erkunden. Rallye und Spiele vor Ort. Alle Kinder kannten

diesen Ort, waren aber noch nicht oft mit den Eltern da.

Zuwanderung nach

Karlsruhe

Was ist Zuwanderung? Woher kommen die unterschiedlichen Einwohner in

Karlsruhe? Welche Sprachen sprechen Sie, welche Arbeit verrichten sie?

Ausflug: Das Dörfle

Karte lesen lernen und den ältesten Teil Karlsruhes besuchen. Kennzeichnung auf

dem Stadtplan und Fotografieren des „Dörfle“. Woher stammt der Name, welche

Geschichte ist damit verbunden? Aktive Beteiligung der Kinder.

Nachbereitung: Das

Dörfle

Besuch der Universität und Interviews mit Studierenden auf dem Campus. (Die-

ser Teil wurde auf Wunsch der Kinder nachgearbeitet, die von den Studierenden

und dem alten Haus begeistert waren.)

Abschluss: Spiele aus

aller Welt Internationale Spiele auf dem Sportplatz und Brettspiele.

„Charly und die ge-

heimnisvolle Tür“

„Hallo, ich heiße Charly!“ zu Beginn der Geschichte stellt sich Charly vor, ei-

gentlich heißt er aber Karl. Thematisiert wird die Geschichte des eigenen Na-

mens: Was bedeutet er? Warum wurde ich so genannt?

Vorbereitung: Kom-

bilösung

Aktuelle Ereignisse aus Karlsruhe besprechen. Der Bau einer U-Bahn in Karlsru-

he. Wie betrifft das Kinder?

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 23

Ausflug: Kombilösung

Besuch der Infobox am Staatstheater. Vorstellung des Projektes und Strecken-

plans, Film zur Entstehung eines Tunnels. Sportliche Aktivität für Kinder vor Ort.

Sie interessieren sich sehr dafür und wollen ihre Eltern auch hierher bringen.

Ausflug: PH-Rallye Besuch der „Schule“ der Studierenden auf Wunsch der Kinder. Vorbereitete Ral-

lye durch das gesamte Gelände.

Ausflug: Südstadt Quiz und Erkundung der Südstadt (Werderstraße und Werderplatz). Der älteste

Stadtteil mit Einwohnern und Läden aus aller Welt.

Vorbereitung: In der

Moschee

Vorbereitendes Gespräch auf den Moscheebesuch. Was wissen wir über den

Islam? Wer ist ein Muslim? Kinder aus muslimischen Familien freuten sich über

dieses Thema und nahmen aktiv teil.

Ausflug: Zentralmo-

schee Karlsruhe

„In der Moschee war es toll. Wir haben gelernt, dass man die Schuhe ausziehen

soll. Ein Mädchen hat uns geführt. Sie hat uns alles über Muslime beigebracht.

Sie hat uns das Mädchenzimmer gezeigt und was der Imam alles tut.“(Schülerin,

Siemens-Schule)

„Ich fand das toll was wir über die Moschee alles gehört haben. Fand alles von

Anfang an toll.“ (Schüler, Siemens-Schule)

Vorbereitung: In der

Kirche

Vorbereitendes Gespräch auf den Kirchenbesuch. Was ist eine Kirche? Wer ist

ein Christ, etc. Kinder haben sofort die ersten Unterschiede zur Moschee aufge-

griffen.

Ausflug: St. Elisabeth

Kirche

„Die Kirche war ganz groß und da war ganz viel Gold.“(Schülerin, Siemens-

Schule)

„Die Kirche ist ganz hoch 99m hoch. Und Gott war in der Mitte.“ (Schülerin,

Siemens-Schule)

Wo wohnen wir? Post-

karten aus Karlsruhe

Eindrücke nach der langen Sommerpause. Wettbewerb für eine Postkarte für die

Klassenlehrerin. Gestalten einer Postkarte über Karlsruhe.

Ausflug: Meine Stadt

Karlsruhe

Besuch des Stadtviertels, in dem ich lebe. Viele Kinder waren stolz darauf zu

zeigen, wie gut Sie sich auskennen und wo sie wohnen.

Traumhäuser Vorstellungen und Ideen über Traumhäuser der Kinder.

Häuser fotografieren:

Ausflug

Fotografieren lernen. Was ist wichtig um ein Gebäude zu fotografieren? Weniger

effizient, da Kinder schnell das Interesse an Häusern verlieren und alles Mögliche

fotografieren.

Fotocollage Fotocollage oder Reiseprospekt über meinen Stadtteil basteln. Gelungene Zu-

sammenarbeit.

Mein Traumhaus Wie stellen sich Kinder ihre Traumhäuser vor? Wie groß ist es? Wo liegt es?

Kreatives Gestalten und Umsetzen eigener Ideen.

Kinderzimmer: Wie

können sie aussehen?

Einige Kinder sind Einzelkinder, andere teilen sich mit mehreren Geschwistern

ein Zimmer, sodass es interessant war, sich über Privatsphäre und Gemeinschaft

im Kinderzimmer auszutauschen.

Als meine Großeltern

Kinder waren

Vorbereitung zur Stunde: Interview mit meinen Großeltern. (Wenige Kinder

bereiteten diese Aufgabe vor.) Welche Familienformen gibt es? Wer gehört zur

Familie – in meiner Familie und allgemein?

Schul- und Berufsuni-

formen

Schuluniformen tragen: Wie sehen Sie aus? Was spricht für oder gegen eine

Schuluniform? Berufsbezeichnungen, in denen Uniformen getragen werden. Die

Kinder hatten überwiegend eine negative Haltung gegenüber Schuluniformen.

Vergangenheit und

Zukunft

Was ist Vergangenheit und Zukunft? Begriffserklärung. Wie und wo stelle ich

mir mein Leben in der Zukunft vor? Schreibaufgaben für Kinder.

„In Amerika würde ich Häuser verkaufen und ein Haus, Hund und Schwein ha-

ben“ (Schüler, Anne-Frank-Schule). „In Deutschland will ich leben. Ich möchte

Ingenieurin werden, weil man z.B. wenn die Bauleiter ein Loch machen, messen

sie es und überprüfen“ (Schülerin, Leopoldschule).

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 24

Ferienerlebnisse mit

Ausstellung Kinder präsentieren vor anderen ihre Aufsätze zum Thema Ferienerlebnisse.

Einführung: Karlsruher

Schloss und seine Ge-

schichte

Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit dem Badischen Landesmuseum im

Sommer. Karlsruhe, die Fächerstadt (mit Stadtplan). Kinder sind sehr gespannt,

was sie dort erwartet und bereiten ihre ersten Fragen für die Führung vor: „Wann

hat Karl Wilhelm das Schloss bauen lassen? Hatte Karl Feinde? Wie starb er?

Wie groß ist das Schloss?“ (4 Schüler, Leopoldschule)

Ausflug ins Schloss 2-stündige Führung mit Turmbesteigung.

Einführung: Alltag und

Kindheit im 19.Jh. in

der Stadt und auf dem

Land

Stadtkind-Landkind, wo liegen die Unterschiede? Verschiedene Lebensformen in

der Stadt und auf dem Land im 19. Jh.

Ausflug ins Schloss 1-stündige Führung in der Abteilung über das Leben der Familie im 19.Jh. Be-

such eines Kolonialwarengeschäfts und anprobieren der Kinderkleidung.

Einführung: Sammel-

lust – was und wieso

sammeln wir?

Gesprächsrunden über das Sammeln von verschiedenen Gegenständen (was,

weshalb, sammeln Mädchen und Jungen dasselbe?)

Ausflug ins Schloss:

Kunst- und Wunder-

kammer

1-stündige Führung in der Kunst- und Wunderkammer. Sammlungen aus aller

Welt. Kinder reagierten erstaunt, was alles an „Schätzen“ gesammelt wurde.

Ausflug ins Schloss:

Türkenbeute

1-stündige Führung in der Abteilung „Türkenbeute“. Interessante Begegnung mit

der türkischen Geschichte. Durch das aktive gemeinsame Musizieren des „Türki-

schen Marsches“ von Ludwig van Beethoven hinterließ dieser letzte Ausflug

einen gewaltigen Eindruck.

Vorbereitung: Besuch

des Hauptfriedhofes

Lesen und besprechen einer Erzählung; Bilder von deutschen Friedhöfen und aus

verschiedenen Religionen. Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede kann man

feststellen, weshalb? Gespräche und Arbeiten rund um das Thema Friedhof.

Ausflug: Hauptfriedhof

Karlsruhe

Besuch des Hauptfriedhofes. Kinder bekommen ein Arbeitsblatt mit Klemmbrett.

Sie erkunden die eingezeichnete Strecke und erforschen christliche, anonyme,

muslimische und Gräber von Roma und Sinti. Sie möchten wiederkommen.

Für eine produktiv-kreative Arbeit im Rahmen des Moduls Stadterkundung ist nach den

zahlreichen Etappen und Ausflügen folgendes Resümee zu ziehen: Jede außerschulische

Aktivität (hier zum Teil verkürzt als Ausflug bezeichnet) bedarf einer sehr guten Vorberei-

tung. Es ist sinnvoll, außerschulische Orte mehrfach zu besuchen und sich einen fachlich

kompetenten Kooperationspartner für den regionalen Bereich der Stadterkundung zu su-

chen.

Bei einigen Etappen wurden interkulturell wertvolle Inhalte nicht berücksichtigt. Die Stu-

dierenden waren trotz intensiver Vorbereitung damit oft überfordert. Allerdings ermöglich-

te die Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum eine in der Regel erste systemati-

sche Begegnung mit der Geschichte der Stadt. Zuerst entdeckten die Kinder dieses neue

und unbekannte Museum, das sie für „langweilig und nur für Erwachsene“ erachtet hatten.

In regelmäßigen geplanten Museumsgängen erforschten sie vier verschiedene Abteilungen

und Themenbereiche. Ein Schüler der Pestalozzi-Schule ging nach der Führung auf eine

der Mitarbeiterinnen zu und „bedankte sich, dass sie im Museum sein können“. Erst das

systematische Aufsuchen eines Ortes bringt konkrete Resultate, auch wenn diese aus inter-

kultureller Perspektive sicher auch entwicklungsfähig sind.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 25

Die Begegnung der Kinder mit religiösen Themen in den Vorbereitungsstunden für den

Besuch der Moschee und Kirche sowie des Friedhofes waren authentisch und positiv. Die

meisten Kinder hatten bislang noch keine Moschee, Kirche oder keinen Friedhof betreten.

Durch die Vorbereitung und Gegenüberstellung zogen sie sehr schnell eigene Schlüsse und

berichteten ihren Schulkameraden und Eltern davon. Eine Schülerin erzählte, dass ihre

Mutter Angst vor Friedhöfen habe. Aufgrund des Zeitdruckes konnten wir nicht lange

verweilen, allerdings kam von den Kindern der Wunsch diese Orte erneut zu besuchen.

Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum

Die Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum wurde durch Agnieszka Wolny und

Dr. Sarah Hoke, Referat Museumspädagogik und Ausstellungsdidaktik, realisiert. Sie

nahm ihren Anfang über den Artikel der BNN vom 09.Juli 2011 „Dino und Maus Vorbild?

Pilotprojekt ´Interkulturelles Lernen` vorgestellt“. Das Badische Landesmuseum bietet

neben den aktuellen Angeboten, z.B. der „Türkenbeute“, seit circa fünf Jahren auch

„Deutsch lernen im Museum“ an, was sich bisher auf Integrationskurse für Erwachsene

konzentrierte. Sarah Hoke signalisierte ihr Interesse, dieses Angebot für Grundschüler wei-

terzuentwickeln. Ab Juni 2013 wird es zudem eine neue Sammlungsausstellung zum Inter-

kulturellen Dialog geben, für die Frau Hoke in Zusammenarbeit mit unserem Projekt ein

Angebot zum interkulturellen Lernen für Schulklassen konzipiert. Der Austausch zum

Thema Deutsch als Zweitsprache sowie Interkulturelles Lernen steht aus der Perspektive

des Landesmuseums im Vordergrund.

Im Februar und März 2012 wurden für das Modul Stadterkundung folgende vier Themen-

führungen vereinbart: Karlsruher Schloss und seine Geschichte, Alltag und Kindheit im 19

Jahrhundert in der Stadt und auf dem Land, Sammellust, Türkenbeute. Die Studierenden

wurden darauf vorbereitet, was besonders zu beachten ist, und planten vor drei Museums-

besuchen jeweils einleitende Etappen zu einem ähnlichem oder demselben Thema. Da über

90% der Kinder noch nie im Badischen Landesmuseum oder einem anderen Museum wa-

ren, musste auch in das Konzept Museum eingeführt werden.

Unser Projekt hatte für das Landesmuseum Pilotcharakter, deshalb sollten die Studierenden

die museumspädagogische Situation beurteilen. Für das Landesmuseum standen dabei Me-

thoden und Inhalte einer spielerischen Sprachförderung im Zentrum, während es uns um

die Möglichkeiten, interkulturelles Lernen zu initiieren, ging. Es wurde versucht, beides in

einem Leitfaden „Museumsführungen“ zu integrieren. Er enthielt folgende Aspekte:

1. Kinder: Altersbezogenheit, Präsentation, Sprache des Inputs; Reaktionen der Kinder

2. Migration: Bezüge zu Einwanderern und ihren Ländern; Anregungen zur aktiven

Beteiligung v.a. von DaZ-Lernenden

3. Interkulturelles Lernen: interkulturelle Akzentuierung des Angebots; Verbesse-

rungsvorschläge zur Einbeziehung der Kinder in das vorgestellte Angebot; Reaktio-

nen der Führungskraft

Die Studierenden beantworteten diese Fragen während der oder im Anschluss an die Füh-

rung. Im Folgenden findet sich die Auswertung der Antworten von drei Studierenden, de-

ren Stadtgruppe regelmäßig an den Museumsführungen teilgenommen hat:

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 26

1. Kinder:

Ist der präsentierte Input altersbezogen?

(1. Führung) Gut war, dass Kinder, die früher auf dem Schloss gelebt haben, erwähnt

wurden. Allerdings wurde den Kindern, als wir vor der Zirkelspitze standen, keinerlei

Zeit gelassen, diese anzuschauen oder sich mit dem Modell zu beschäftigen. Die Mitar-

beiterin legte sofort mit ihrem Programm los, ohne Raum für Entdeckungen zu lassen.

(2. Führung) Auf das Leben der Kinder wurde kaum eingegangen. (3. Führung) Die

Kinder konnten sich teilweise mit dem Thema identifizieren, da sie selbst auch Dinge

sammeln, auch wenn dies komplett andere sind. (4. Führung) Die Kinder wirkten sehr

interessiert an der Geschichte Türken-Louis und waren auch sehr motiviert, als es um

die türkische Kultur ging – vor allem da drei der Kinder sehr viel darüber wussten.

Wie wird der Input präsentiert? (Methodisch)

(1. Führung) Anschaulich durch Modelle, Kleider, Bilder etc. Kinder konnten sehr aktiv

sein: Gespräche, Anprobe der Kleider, Tanzen, Hofknigge, Turmbesteigen etc. Auffäl-

lig war außerdem, dass die Kinder in ihren Ausführungen von der Museumpädagogin

immer wieder unterbrochen wurden. (2. Führung) Kinder kennen nur wenige Gegen-

stände, sind aber vor allem an Hüten, Parfums etc. sehr interessiert. Es macht ihnen

Spaß, Gegenstände aus der jeweiligen Stube haptisch zu entdecken, zumal ihnen man-

che auch vertraut waren wie ein Sieb oder ein Schöpfer. Die Kinder wurden immer wie-

der zu den Gegenständen und deren Benennung gefragt. Hier konnte man sehr schön

sehen, dass die Kinder zwar viele Gegenstände kannten, jedoch die Benennung nicht

wussten. (3. Führung) Die Kinder durften einiges in die Hand nehmen und waren sehr

interessiert, auch wenn sie selbst nicht aktiv werden konnten. Die Kinder kommen

meistens nicht auf die Bezeichnungen der Gegenstände. Man sollte gezielt nachfragen

und sie ihre Bilder im Kopf versprachlichen lassen. (4. Führung) Handlungs- und Pro-

duktionsorientiert: Anfassen, Anschauen, Kopftücher anprobieren, Gegenstände suchen,

musizieren, Gespräche, in die sie involviert wurden.

Ist die Sprache zu komplex? Wenn ja, was genau ist zu komplex?

Die Komplexität betrifft den Wortschatz: Steckenpferd, Seiher, Zirkel. Schwierig ist,

dass die Wörter in einem anderen Kontext, z.B. historisch, geografisch oder gesell-

schaftlich, verwendet werden. Dies bedarf bei Drittklässlern zusätzlicher einfacher Er-

klärungen und Beschreibungen.

Reaktionen der Kinder

(1. Führung) Kinder waren sehr begeistert, durften viel unternehmen, schienen interes-

siert und wollten unbedingt wiederkommen. Schön war, dass die Kinder auf dem Turm

die Aufgabe erhielten das Wildparkstadion, die sieben Fächerstraßen und die Pyramide

zu suchen. Auch das Verkleiden war ein tolles Erlebnis für die Kinder. Durch die Zug-

fahrt und durch die Kleider durften die Kinder in die damalige Zeit schlüpfen.

(2. Führung) Interesse an unbekanntem Thema und Gegenständen. Das Interesse der

Kinder war sehr groß, sie kannten die Gegenstände und man konnte sehr schön sehen,

wie sie versuchten, sich an deren Benennung zu erinnern. (3. Führung) Die Jungen wa-

ren sehr an Waffen interessiert. Alle Kinder waren vom Wert der Gegenstände fasziniert

und an den Personengemälden/Bildern. Die Aktskulpturen haben großes Gelächter aus-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 27

gelöst, die Steinsammlung fanden alle sehr schön. (4. Führung) Vor allem die Kinder

mit türkischer Einwanderungsgeschichte waren äußerst motiviert bei der Sache. Sie

konnten eigenes Wissen/eigene Erfahrungen einbringen. Die Museumspädagogin hat

aber immer versucht, die Kinder mit anderem Hintergrund einzubeziehen.

2. Migration:

Werden während der Führung Bezüge zu den Einwanderern und ihren Ländern

hergestellt?

Nein, es wurden in den 1.-3. Führungen keine direkten Bezüge zu den Einwanderern

und ihren Ländern hergestellt. 4. Führung: Ja.

Werden Beispiele, Vergleiche oder Gegenstände eingesetzt, um DaZ-Lernende zur

Beteiligung zu motivieren? Wenn ja, welche?

(1. Führung) Einfluss von Herrschern anderer Länder auf Karlsruhe. (2. Führung) keine

Angaben. (3. Führung) Münzen aus verschiedenen Ländern wurden angesprochen. (4.

Führung) Es ging beispielsweise darum, dass der Joghurt aus der Türkei zu uns kam,

dass auch die Tulpe ihren Ursprung in der Türkei hatte und dass alle Gegenstände in

dieser Abteilung von den Türken erbeutet wurden: Kopftücher, Joghurtglas, Tulpe, Bo-

gen, Instrumente, Gebetskette, Gebetsteppich, Teekanne, Münzen.

3. Interkulturelles Lernen:

Was macht das vorgestellte Angebot bzw. Führung interkulturell?

(2. Führung) Kaufladen aus dem 18./19. Jahrhundert (4. Führung) Deutsche Worte und

ihre Herkunft sowie Begebenheiten aus der türkischen Geschichte wurden besprochen.

Welche Verbesserungsvorschläge zur Einbeziehung der Kinder in das vorgestellte

Angebot gibt es?

Keine Angaben. (3. Führung) Besser wäre gewesen, die Kinder zunächst selbst einen

Teil der Ausstellung anschauen zu lassen und sie dann zu Fragen „Was seht ihr denn?“

„Habt ihr Fragen dazu?“ Dadurch kommt das Interesse von Seiten der Kinder und es

besteht durchaus die Möglichkeit, den geplanten Stoff zu vermitteln. Wenn nicht alle

Inhalte abgedeckt sind, ist es nicht dramatisch, da die Kinder selbst zu kleinen For-

schern und Entdeckern werden. (4. Führung) Zum Schluss durften die Kinder mit der

anderen Gruppe musizieren. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Museumspädago-

ginnen zuvor sagen, was mit diesem türkischen Marsch (von Beethoven) gemeint ist.

Reaktionen der Museumspädagoginnen:

(1. Führung) Ging auf die Kinder ein; hat viele und abwechslungsreiche Dinge gezeigt,

erklärt und die Kinder machen lassen. (2. Führung) Kindgerechte Sprache; alle Kinder

wurden einbezogen; Kinder wurden ernst genommen und ihre Interessen standen im

Mittelpunkt; nötiger Freiraum für Fragen und deren Beantwortung wurde gegeben. (3.

Führung) Ging auf die Fragen der Kinder ein; versuchte alle einzubeziehen, ihnen wur-

den Fragen gestellt. Die Pädagogin fragte jedoch so, dass sie immer auf bestimmte

Sachverhalte hinaus wollte. In manchen Situationen wären die Kinder sicher auf einzel-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 28

ne Wörter oder weiterführende Inhalte gekommen, wenn man ihnen weitere Hinweise

gegeben und Zeit gelassen hätte. (4. Führung) Die Kinder waren sehr interessiert und

wollten gar nicht gehen, was natürlich für sich spricht.

Wichtig erscheint auch die Kritik einer Studentin an der häufig gestellten Frage nach der

Wahrnehmung von „den türkischen Kindern“ oder direkter: „Wie ist das denn bei euch in

der Türkei?“ Denn „die Kinder haben zwar verschiedene Einwanderungsgeschichten, aber

sie sind alle (glaube ich zumindest) in Deutschland geboren“; sie schlägt deshalb folgende

Fragemuster vor: „Wisst ihr vielleicht, wie das in der türkischen Kultur ist?“ „Woher wisst

ihr das?“ Sie meinte wahrzunehmen, dass die Kinder zwar stolz auf ihre Hintergründe zu

sein schienen, fand aber die nationale bzw. kontinentale Zuordnung Türkei – Afrika – Ru-

mänien etc. als zu stark.

Kommentar von Dr. Sarah Hoke:

Das Badische Landesmuseum hat sich sehr darüber gefreut, dass zahlreiche Termine mit

den Gruppen im Museum stattfanden. Hier konnte aufgezeigt werden, dass sich quasi jedes

Thema und jede Sammlungsausstellung zum Interkulturellen Lernen eignen, wenn die

richtigen Fragen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung gestellt werden. Einen besonderen

Pluspunkt haben wir darin erkannt, das Museum als spannenden und gewinnbringenden

Lernort sowohl für die Kinder, als auch für die Studierenden zu eröffnen. Die meisten hat-

ten das Badische Landesmuseum zuvor noch nicht besucht und so konnten Hemmschwel-

len abgebaut werden. Für unsere Arbeit ist es gewinnbringend, zu erfahren, wie normaler-

weise „Nicht-BesucherInnen“ das Museum als Ort der Auseinandersetzung und kulturellen

Bildung wahrnehmen und welche besonderen Bedürfnisse aufgegriffen werden müssen.

Die Arbeit in Kleingruppen und die kontinuierlichen Museumsbesuche haben diesen An-

näherungsprozess positiv beeinflusst.

Besuch der Ausstellung „Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“

Durch einen Artikel aus der Sonntagszeitung wurde Agnieszka Wolny auf die Ausstellung

„Extrem Süß! gemalt gehäkelt und gegossen“ in der Jungen Kunsthalle aufmerksam. Nach

Terminabsprachen besuchten drei Lesegruppen im Sommersemester 2012 unter Begleitung

von Alina Opitz, Larissa Jaspersen und Agnieszka Wolny diese Ausstellung zum Thema

Süßigkeiten. Die Führung sowie das kreative Arbeiten in der Werkstatt wurden von Muse-

umsmitarbeiterinnen durchgeführt. Das Ziel der Ausstellung ist, ein neues Bewusstsein für

Süßigkeiten zu schaffen. Dies stieß auf reges Interesse und Beteiligung seitens der Kinder.

Sie wurden in eine schrill bunte Welt mit Riesensüßigkeiten versetzt.

„Die dargestellten Speisen rufen Erinnerungen an lustvolle Erfahrungen wach und sind doch

nur Illusion: Eine vor Sahne strotzende Torte auf dem Bild von Ralph Fleck, Gebäck unter-

schiedlichster Art im Werk von Sybille Kroos oder die gut gefüllte Kuchenvitrine einer Kondi-

torei, dargestellt von Andreas Orosz. Moritz Götze erzählt mit seinen Bildern auf seinen drei

emaillierten ‚Linzer-Torten‘ Geschichten, die ihm der Alltag zugetragen hat. Ulrik Happy

Dannenberg und Anke Eilergerhard fühlen sich durch die Form und Farbe des bunten Colo-

rado-Konfekts zu neuen Darstellungstechniken animiert und Thomas Baumgärtel legt mit sei-

nen Sprühbildern nahe, dass Kaugummi auch in der Geschmacksrichtung ‚Banane‘ ein echter

Renner sein könnte. Die Arbeiten verdanken ihren ästhetischen Reiz aber nicht nur den kräfti-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 29

gen Farben und ihrer appetitlichen Aufmachung. Ähnlich wie Künstler der Pop-Art in den

1960er und 1970er Jahren setzen sich auch die Künstler der Ausstellung mit Objekten aus der

Alltagswelt auseinander. Es sind gerade die ungewöhnlichen künstlerischen Umsetzungen der

Motive, die überraschen: Indem die Süßigkeiten überdimensioniert, täuschend echt oder be-

tont verfremdet dargestellt sind, verschiebt und hinterfragt diese Kunst unsere Wahrnehmung

der bekannten Dinge.“ (Kunsthalle Karlsruhe, Presseinformation 10/2012)

Die Kinder fragten häufig nach der Herkunft der Süßwaren und ließen sich erklären, wer

der Künstler ist und aus welchen Materialien das jeweilige Kunststück bestand. Außerdem

wurde der Zuckerwert in vielen Süßwaren wie Nutella, Haribo, Schokoriegel oder Kuchen

sehr anschaulich dargestellt. So überraschte die Kinder die Anzahl von Zuckerstückchen in

einer Handvoll Haribo oder einem Marsriegel. Nach der Führung gingen alle in die Werk-

statt und kreierten aus verschiedenen Materialien Süßigkeiten. Die Museumsmitarbeiterin

zeigte einige Beispiele von Torten, Pralinen oder Muffins aus Schaum oder große Lollis

aus Packpapier. Dies spornte die Kinder zu 2-3 Werken an. Dazu brauchten sie unter-

schiedlich lang, gelegentlich gab es Frustrationsphasen, weil sich einzelne Kinder nicht

gleich für eine Süßware entscheiden konnten.

Dennoch genossen die Kinder ihre Rolle als Kunst-Bäcker oder -Konditor und präsentier-

ten ihre ‚Ware‘ stolz. Da diese durchaus realistisch aussahen, wurden sie bereits auf dem

Rückweg von einigen Personen angesprochen. Im Gespräch mit Straßenbahngästen erzähl-

ten sie über ihren Besuch der Jungen Kunsthalle und begründeten ihren Ausflug selbst-

ständig. Auch wenn ein Bezug zur interkulturellen Thematik nicht erkennbar war, war das

eine gelungene Aktivität. Man hätte allerdings in der Nachbereitung auch Süßigkeiten aus

aller Welt ‚backen‘ können oder durch eine Stadterkundung herausfinden können, welche

Spezialitäten in Karlsruher Geschäften angeboten werden, ob es badische, deutsche, türki-

sche, russische usw. Süßigkeiten überhaupt (noch) gibt oder ob es nicht längst so ist, dass

überall auf der Welt (z.B. in den Regionen oder Ländern, die die Kinder bereits besucht

haben) dieselben Süßwaren angeboten werden. Die Kinder selbst haben diesen Aspekt

durch ihre Fragen nach der Herkunft der Süßigkeiten ja bereits initiiert.

Auswertung von Schülertexten und -aktivitäten

Kinder dieser Altersgruppe schreiben (noch) konzeptionell mündlich, das heißt sie betrach-

ten Schreiben als eine Art Übersetzung der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit. Um Schrift-

lichkeit zu unterstützen wurden im Projekt mehrfach Briefe geschrieben – etwa an Gulli-

vers Familie oder an die Zeitung aus der „Kurzhosengang“. Außerdem wurden Argumente

für oder gegen Schuluniformen schriftlich fixiert etc.. Das Hintergrundwissen der Kinder

zu berücksichtigen, war ein besonderes Anliegen im Projekt. Spielerisch die eigene Le-

benswelt zu erkunden, beispielsweise Fotos zu machen und diese anschließend zu bespre-

chen und schriftlich zu kommentieren.

Ein wichtiges Prinzip war auch das regelmäßige Schreiben von Tagebucheinträgen am

Ende jeder Sitzung der Lese- und Stadtgruppe. Es war nicht immer einfach, die Kinder

zum Schreiben zu motivieren – zumal nach einem interessanten Ausflug. Diese Tagebuch-

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 30

einträge sind nun Gegenstand der Auswertung, die das Ziel verfolgt, Lernzuwächse der

Kinder, die am häufigsten im Projekt teilnahmen, aufzuzeigen.

Im Schuljahr 2010/2011 besuchten insgesamt 33 Kinder das Projekt. Von diesen liegen

uns nur 13 Tagebücher vor. (Leider haben die Studierenden unzureichend dafür ge-

sorgt, dass alle Tagebücher kopiert wurden.)

Im Schuljahr 2011/2012 besuchten insgesamt 27 Kinder das Projekt. Von diesen liegen

uns 27 Tagebücher vor, auch wenn diese aufgrund unregelmäßiger Teilnahme nicht

vollständig sind.

Da eine detaillierte Auswertung im Rahmen des veranschlagten zeitlichen Umfangs der

wissenschaftlichen Begleitung nicht möglich ist, wird ein zweischrittiges Verfahren ge-

wählt: Eine grobe Durchsicht aller Schülertexte und eine genauere Betrachtung von drei

Kindern, die regelmäßig am Projekt teilgenommen haben. Da wir hier keine Interventions-

studie mit Vergleichsgruppe durchgeführt haben, lassen sich Fortschritte zwar beschreiben,

aber es wäre unlauter, diese allein oder auch nur zentral auf den Einfluss des Projektes zu-

rückzuführen. Der allgemeine Unterricht ist dabei sicher der zentrale Faktor, dennoch ge-

hen wir davon aus, dass wir diesen im Projekt positiv verstärken konnten.

Die grobe Durchsicht aller 40 Tagebücher erbrachte Folgendes3: Die Texte werden in der

Regel länger und übersichtlicher gestaltet. Außerdem zeigen sich entwicklungsbedingte

Fortschritte in der Rechtschreibung, Die Kinder verwenden Aussagesätze und Fragesätze

weitgehend normgerecht, d.h. dass Subjekt, Verb und oft auch eine Ergänzung vorhanden

sind, auch wenn diese nicht immer rechtschreiblich korrekt realisiert werden. Die Komple-

xität der Sätze nimmt zum Teil zu, etwa indem Nebensätze (meist mit weil) formuliert und

Sätze mit aber oder einer anderen semantisch meist korrekt verwendeten Konjunktion an-

geschlossen werden.

Viele Kinder verwenden feste Phrasen wie „also ört ser gut zu“ (aus dem vorgelesenen

Text) oder „Mier hat es gefalen“ (als wiederkehrende Form). Sie neigen zum Gebrauch

von Vielzweckverben wie machen, tun oder sein. Vor allem unregelmäßige Verbformen

scheinen schwierig zu sein (vgl. z.B. „ich esste“), wobei einzelne Kinder aber auch kom-

plizierte Verbformen korrekt bilden wie z.B. „er ist eine Maus geworden“.

Die Nominalgruppen sind meist normgerecht, jedoch fast durchgehend ohne Adjektive wie

bei „der Kaiser“, „eine Maus“ etc. gebildet. Auch schaffen es viele Kinder Sätze mit

Verbklammer wie „Ich habe einen Kind-Stadtplan bekommen“ zu formulieren.

Es zeigen sich auch semantisch orientierte Ersetzungen (Umschreibungen) bei Nomen,

Adverbien und Präpositionen wie „wir siend auch wo die Maler malen“, „Frau K. uns was

vor gelesen“ oder „und da war was um gekert“. Kinder verwechseln Ober- und Unterbe-

griffe und variieren deren korrekten Einsatz, wenn sie schreiben „wir waren drausen und

haben den Schulhof mit den Fisen den Schulhof gemesen haben“ oder „Die Muslime müs-

sen die Strieche einhalten“. Mit „Fisen“ meinte die Schülerin nicht „Füße“ sondern

„Schuhe“, sie erweitert hier die Bedeutung von Füßen. Im zweiten Beispiel handelt es sich

nicht um „Striche“, sondern um „Säulen“ des Islams, womit die Pflichten der Muslime

umschrieben werden, die der Imam beim Moscheebesuch erklärt hatte. Der Begriff „Säule“

3 Zum leichteren Nachvollzug sind die Beispiele aus den angefügten Schülertexten entnommen.

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 31

scheint der Schülerin nicht geläufig zu sein, deshalb ersetzt sie ihn mit einem ihr bekannten

Wort, evtl. bezieht sie sich auch auf die Darstellung mittels Strichen, um die Säulen des

Islam zu verdeutlichen. Ähnliche Verwechslungen sind auch bezogen auf stimmhaften und

stimmlosen Konsonanten wie b-p, d-t, g-k zu beobachten: Wenn ein Kind schreibt „ich

hab auch eine andere Mibel als unsere Dibell“ hört / schreibt es statt des stimmlosen B in

„Bibel“ die stimmhaften Konsonanten M bzw. D.

Betrachtet man die Entwicklung etwas genauer, so fallen große Unterschiede auf, was an

den ausgewählten Tagebucheinträgen von drei Kindern gezeigt werden soll:

M, Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund (Leopoldschule)

25.10.10 „Ich hap ichsewasdunichses gespiel. ich habe andr Kinder kennen gelent.“

08.11.10 „Was brauchen wir in unsren Klassenzimmer? Bleischtiefte, Hefte, Linelal, Tasche, Meppschin,

Doischeft“

22.11.10 „Ich habe einen Kind-Stadtplan bekommen. Das macht spaß“

14.11.11 „Der Burgermeister war gekommen und Frau K. uns was vor gelesen Freunde für immer und wir

haben es erklert und Irgendwie Anders wir haben noch mehr gelesen und wir haben auch Susu und

bobo und da war was um gekert Susu war ein Elefant aber sie war in echt eine Maus und bobo war

ein Elefant aber er ist eine Maus geworden die beide wünschte das die Mäuse weren.“

05.12.11 „Liebe Geuline Wie geht es dir? Hier bei Liliput ist es sehr schön. Aber der Kaiser hat mich ge-

schpert. Und der Kaiser hat geheult weil weil ich so viel esste. Viele liebe Grüße dein Gullivero“

09.12.11 „Oh nein wo soll ich weg gehen oder abhauen was soll ich tun. Ich geh England da kann ich meine

Frau sehen. Oder Blefuscu. Der Kaiser ist mein Feind von mir. Aah ich geh einfach England.“

N, Mädchen mit rumänischem Migrationshintergrund (Werner von Siemens-Schule)

27.10.10 „Mier hat es gefalen. Wir haben eine Weltkarte angeschaut. Wir habe eine Geschichte anghört.

Der junge fült sich traurig und ferlasen und allen und eisam. der Junge und die Elltern haben en-

schiben das der Junge wekziehen muss das Land geferlich ist.“

26.11.10 „Wir haben ein Kinder Stadtplan de komen wir waren drausen und haben den Schulhof mit den

Fisen den Schulhof gemesen haben.“

11.02.11 „Wir waren in einem Dörfle. Wir haten eine Karte gehpt und wir siend zu die Uniwersitet. Mir

hate es ser ser gefalen. wir siend auch wo die Maler malen. Wir haden die Studente und die Stu-

dentinen gesehen und wir haden viele dörche gesehen. Und die dörche haten schone namen. Und

wier siend viele genge gegangen. Wir waren in die Uniwersitet drinen. Wir siend mit der schtras-

endan. Mir hate es ser ser gefalen.“

20.04.11 „Ich sreib eine Geschichte die Ler ferukt ist also ört ser gut zu ich war im Zoo und hab ein Nas-

horn gesehen und er hat auf gereumt und ich hab in ein Apfel gegeben. Ich mag gerne Tiere und

Tiere laufen auch das ist schön. Ich bin auch ser inteligent und das ist ser ser gutt. Ich liebe Ente

sie sind ser unterschedliche Tiere.“

20.05.11 „Wir waren wo mas die Strasenbau bauen kann und wir haben auch ein Fillm gesehhen das hat mir

gefallen. Wir haben auch geschpielt. Wir sind mit der Strasenban gefaren. Unt mit dabei waren

Sopie und Mevis Mia Lena und Samira und Frau W. und Frau F. Und mir hat das wo wir das ge-

schenk bekommen.“

27.05.11 „Ich habe über Islam gelernt. Und hab eine Flage das ein sim toll vür die Islamer haben. Und wir

gehen nechte Woche in einer Moche und wir haben über die Moche geredett und die Muslemer

müssen ihren ganzen korper waschen wen mann betten tut. Und ich hab auch eine andere Mibel

als unsere Dibell und das ist merg wurdig.“

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 32

22.07.11 „In der Mosche gibt es regeln und mann soll die Schuhe auzihn. Und wir sind in einem Raum

gegangen und da waren striche. Die Muslime müssen die Strieche einhalten. Der Imam hate auf

kleider. Er hat uns auch was vor gesprochen. In der Kirche war ganzt hoch es war 99m hoch. Und

die Kirche ihnen waren voller Gott bilder. Und gott war in der Mitte.“

C, Junge mit thailändischem Migrationshintergrund (Pestalozzi-Schule)

22.11.11 „Liebe Mary und meine Kinder. Hallo meine Familie mir geht es gut. Ich wurde von den Liliputa-

ner gefeselt. Und danach wurde ich wieder befreit, weil ich geblinzelt habe. Ich habe neue Freunde

gefunden. Ich melde mich wieder. Grüße Gulliver“

13.12.11 „Gulliver geh weg sonst vergiften die Liliputaner dich.“

19.04.12 „Klettern gehen im Wald. Ich war klettern und habe viele hohe Bäume gesehen.“

08.05.12 Fünf Dinge, die man über die Kurzhosengang wissen muss: „Sie tragen im Winter kurze Hosen.

Es gibt vier Mitgleider: Rudolpho, Snickers, Island, Zement. Die KHG wohnt in Kanada. Sie sind

Freunde. Sie erleben Abenteuer.“ „Es gab in der Turmhalle einen Stromausfall. Denn drausen war

ein heftiger Sturm. Der Sturm hatte die Schule weggeweht. Snickers hatte ein Feuerwehrauto ge-

funden und sind mit dem Feuerwehrauto in die Schule gefahren und die Schüler gerettet. Deswe-

gen sind die KHG helden.“

15.05.12 „Die Pfotenabdrucke gehoren einen Wolf. Die Kurzhosengang sehen den Wolf am Baum verste-

ken. Sie gehen näher und erschrecken den Wolf. Der Wolf hatte den Puck fallen lassen. Die Kurz-

hosengang nahmen den Puck mit und sind noch rechtzeitig zur Stadion gerannt.“

22.05.12 „Die KHG suchten den Puck. Da sahen sie ein Auto im Schnee. Sie sind näher rangegangen und

sie fanden eine Frau im Auto. Snickers hatte die Scheibe eingeschlagen. Die Frau heißt Agnes.

Frau Agnes war schwanger. Sie hatte ein Baby. Dam kam der Krankenwagen und deswegen sind

sie Helden.“

Die Kinder zeigen Schwierigkeiten der Phonem-Graphem-Zuordnung, die darauf hinwei-

sen, dass es ihnen nicht leicht fällt, der Dependenzhypothese folgend Regeln der geschrie-

benen Sprache über die Graphem-Phonem-Korrespondenz aus der gesprochenen Sprache

abzuleiten4. Dieses Problem vieler DaZ-Lernenden kann dauerhaft zu „interferenzbeding-

ten Fehlern im Bereich der gesprochenen und der geschriebenen Sprache“5 führen. In den

Texten von M und N ist das besonders auffällig. Außerdem neigen sie dazu, Artikel und

Präpositionen wegzulassen. Auch dies sind typische Normabweichungen von Lernenden

des Deutschen als Zweitsprache, finden sich allerdings auch – wenn auch seltener und in

der Regel in komplexeren Kontexten – bei Kindern mit Deutsch als Erstsprache.6

Grundsätzlich entstand der Eindruck, dass Kinder, die regelmäßig am Projekt teilnahmen,

in ihrer sprachlichen Entwicklung Fortschritte gemacht haben, auch wenn die Materialde-

cke viel zu dünn ist, um das im Einzelnen nachweisen zu können. Gleiches gilt für die Le-

sekompetenz. Es war nicht möglich, systematische Lesekompetenztests durchzuführen, so

dass die folgenden Aussagen auf Beobachtungen der Studierenden und von Agnieszka

Wolny, die häufig hospitiert und aktiv am Gruppengeschehen mitgewirkt hat, basieren.

Die Kinder zeigten sich nach der Kennenlernphase im 2. und 3. Schuljahr offen und bereit,

sich aktiv den Aufgaben des Projekts zu stellen. Neben Leseübungen gab es Angebote zum

4 Dürscheid, Christa (2002): Einführung in die Schriftlinguistik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 225

5 Siebert- Ott, Gesa (2006): Entwicklung der Lesefähigkeiten im mehrsprachigen Kontext. In: Ursula Bredel,

Hartmut Günther, Peter Klotz, Jakob Ossner und Gesa Siebert- Ott (Hg.): Didaktik der deutschen Sprache.

Paderborn: Ferdinand Schöningh. 1. Band. 2. Aufl., S. 540 6 Vgl. Siebert-Ott, S. 540ff

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 33

freien Erzählen, Sprechen, Nacherzählen und zum aktiven Zuhören. Die Kinder stellten

Vermutungen über den weiteren Handlungsverlauf an, beantworteten Fragen zu Textstellen

und lernten gezielt nach Informationen im Text zu suchen. Das regelmäßige Schreiben des

Lesetagebuches unterstützte auch die schriftliche Stellungnahme zu Texten. Gerade im

Umgang mit den Langtexten wurde im zweiten Jahr nicht nur aktives Zuhören, sondern

auch das laute Vorlesen regelmäßig geübt. Dadurch dass wir uns über einen längeren Zeit-

raum mit einem Text befassten, konnten sich Figuren, Orte, Handlungsphänomene etc.

einschleifen und von den Kindern beim Vorlesen reaktiviert werden. Hinzu kamen szeni-

sche Interpretationen, die das Verständnis sicherten und den Austausch über die Bedeu-

tung/en förderten.

Das Aufsuchen außerschulischer Orte förderte ihre Aufmerksamkeit und Wahrnehmung.

Zu Beginn des Projektes handelte es sich für die Kinder nur um „Ausflüge“, daher fragten

sie die Studierenden auch häufig: „Wann machen wir wieder einen Ausflug?“ Diese Ein-

stellung änderte sich in der zweiten Hälfte des Schuljahres 2010/11, auch weil wir die au-

ßerschulischen Aktivitäten besser vorbereiteten, den Kindern Aufgaben stellten und sie

anhielten, ihre Erfahrungen zu verbalisieren. Entsprechend fragten die Kinder fortan: „Was

besuchen wir als Nächstes?“ Sie wollten besuchte Orte mit den Eltern noch einmal besu-

chen oder nannten Wunschziele. Bekannte Orte wie den eigenen Stadtteil, die Bibliothek

im Prinz Max Palais oder den Karlsruher Stadtgarten aufzusuchen, gab den Kindern das

Gefühl von Sicherheit und die Studierenden versuchten, sie anzuregen, diese Orte auch neu

zu sehen. Daher beschränkten wir uns zu Beginn auf solche Orte, bevor wir den Radius um

unbekanntere Orte erweiterten. Die Besuche wurden mit Themen wie Freundschaft, Fami-

lienleben, Mehrsprachigkeit, Zukunftsvorstellungen verbunden, was die Kinder zum Er-

zählen und Diskutieren anregte. Die Leistungsbereitschaft der regelmäßig teilnehmenden

Kinder hat im Verlauf der zwei Schuljahre zugenommen, auch wenn es schwierig war, die

Kinder nach solchen „Ausflügen“ zum Tagebuchschreiben zu motivieren.

Als Erfolgserlebnis verbuchen wir auch die Öffnung der Kinder gegenüber den Studieren-

den und Agnieszka Wolny, was die Arbeitsatmosphäre positiv beeinflusste. Dies war vor

allem im Schuljahr 2011/12 zu beobachten. Das gewonnene Vertrauen der Kinder erleich-

terte die Umsetzung des Projekts und zeigt, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis ein sol-

ches Projekt erfolgversprechend realisiert werden kann.

Zum Konzept des interkulturellen Lernens

Lisa Fritzsche, eine Förderstudierende der Stadtgruppe der Werner-von-Siemens Schule im

ersten Projektjahr, beschäftigte sich im Sommersemester 2011 im Rahmen Ihrer wissen-

schaftlichen Hausarbeit mit dem Thema „Interkulturelles Lernen in der Grundschule“. Die-

se pädagogisch orientierte Arbeit stellte nicht nur das Projekt vor, sondern untersuchte

auch die gesellschaftspolitische Relevanz des Projektes sowie die dem Projekt zugrunde

liegenden interkulturellen Theorien und Ansätze. Lisa Fritzsche zeichnete die geschichtli-

che Entwicklung von der Ausländer- über die interkulturelle zur Pädagogik der Migrati-

onsgesellschaft nach, klärte die Begriffe Trans-, Multi-, und Interkulturalität und kon-

zentrierte sich auf den Umgang mit Multiethnizität im Kontext der Differenz- sowie der

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Heidi Rösch / Agnieszka Wolny (2012): Interkulturelles Lernen in der Grundschule 34

Diversitätshypothese. Im Praxisteil stellte sie die Konzeption des Projekts anhand eines

Interviews mit dem damaligen Projektkoordinator, Herrn Günter Meyer, dar und analysier-

te beispielhaft zwei Etappen der Module Stadterkundung und Lesen sowie einen Eltern-

abend.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Diversitätshypothese als Grundrichtung des Projekts

betrachtet werden kann. Denn die Kinder bringen der Vielfalt von Kulturen und Lebens-

führungen durch eine multiperspektivische bzw. mehrdimensionale Sicht auf die Welt

Wertschätzung entgegen. Dies kann Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung vor-

beugen, sodass der Grundstock für eine Gesellschaft, die Individualität und Verschieden-

heit als gleichwertig betrachtet, bereits in der Grundschule gelegt wird.

Die Module Stadterkundung und Lesen erscheinen als geeignete Lernbereiche für interkul-

turelles Lernen in der Grundschule:

Das Modul Lesen setzt die übergeordneten Ziele, die Übergangsquote der Kinder mit

Migrationshintergrund auf eine höhere Schulart zu steigern und interkulturelle Kompe-

tenz zu stärken, besonders gut um.

Das Modul Stadterkundung trägt durch die oftmals vernachlässigte Erkundung der Le-

benswelt gemeinsam mit den Kindern zur Identitätsbildung bei.

Lisa Fritzsche empfahl die Einbeziehung der Eltern zu intensivieren und empfand die Ver-

bindung interkultureller Konzepte mit „den Erkenntnissen des Lernvorgangs im Allgemei-

nen“ als Desiderat.

Damit ist ein zentrales Problem solcher Projekte benannt, denn es geht darum, die konkre-

ten Angebote interkulturell zu konzipieren und umzusetzen und zwar mit Studierenden, die

weder in ihrem alltäglichen Unterrichtshandeln, noch bezogen auf interkulturelles Lernen

als kompetent zu bezeichnen sind. Vielmehr sind sie selbst interkulturell Lernende, die oft

an ihre Grenzen stießen. Da interkulturelles Lernen keine Zielgruppenpädagogik ist, legten

wir das Augenmerk auf die zu konzipierenden Etappen. Dabei zeigten sich immer wieder

gravierende Probleme bezogen auf die Aufgabenstellungen und auch bezogen auf ange-

messene Reaktionen im Umgang mit interkulturell brisanten Situationen.

Aufgabenformulierung aus interkultureller Perspektive

Anhand von Fragen und Aufgaben, die die Studierenden im Rahmen geplanter Etappen

gestellt hatten, erläuterte Heidi Rösch in einer Sitzung mit den Studierenden, wie sich da-

ran eine interkulturelle Betrachtung entfalten lässt.

Studentische Frage zum Ausflug in den Zoo: Was haben wir über die Tiere erfah-

ren und aus welchen Erdteilen kommen sie?

Kommentar von Heidi Rösch: So wie die Frage gestellt ist, zielt sie einerseits auf die Be-

schreibung des natürlichen Lebens(raums) von Tieren. Doch was erfahren die Kinder,

wenn sie z.B. einen Eisbär im Zoo betrachten über die Arktis bzw. den Nordpol? Sehr we-

nig, denn er lebt im Zoo angepasst an das Karlsruher Klima. Also schlösse sich doch eher

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die Frage an, wie schafft es ein Eisbär, der eigentlich in einer extrem kalten Region lebt, in

Karlsruhe zu überleben: Passt er sich an oder schafft ihm der Zoo ein Leben ‚wie am

Nordpol‘? Damit ist die Frage der ein- versus gegenseitigen Integration gestellt, diese lässt

sich am Beispiel von Zootieren aus fremden Regionen vermutlich einfacher diskutieren, als

wenn man sie auf (eingewanderte) Menschen in unserer Migrationsgesellschaft überträgt.

Gleichzeitig ziehen die Kinder aus einem solchen Gespräch sicher Schlüsse für ihr Leben

in der Migrationsgesellschaft.

Auch die Frage nach der Herkunft ließe sich entsprechend wenden, wenn gefragt wird: Wo

sind diese Tiere geboren? (Wenn sie tatsächlich nicht in Karlsruhe oder einem anderen

deutschen / europäischen Zoo geboren sind: Wie lange leben sie hier im Karlsruher Zoo?)

Wohin gehören sie – in das Land ihrer Vorfahren oder in das Land, in dem sie leben? Wer

entscheidet darüber, wohin Tiere oder auch Menschen gehören – die anderen oder sie

selbst? Stellt einem Tier diese Frage und überlegt, was es antworten könnte!

Studentische Fragen zum Thema Großeltern - das Leben damals und heute: Finde

ich das Leben heute besser oder hätte ich lieber damals gelebt? Fände ich es schön

mit meiner ganzen Familie unter einem Dach zu wohnen?

Kommentar von Heidi Rösch: Die Fragen basieren auf einem engen Familienkonzept, das

Eltern und Kinder, im besten Fall noch die Großeltern einschließt. Sie suggerieren, dass die

Kinder nicht mit ihrer „ganzen Familie unter einem Dach wohnen“. Im Kontext des The-

mas scheint es um das Zusammenleben einer Eltern-Kind/er-Familie mit den Großeltern zu

gehen. Im interkulturellen Kontext geht es um Vielfalt und Multiperspektivität. Konkret

bedeutet das, dass nicht von einem Konzept z.B. von Familie auszugehen ist, das durch

andere ergänzt wird, sondern dass von Anfang an möglichst viele verschiedene Konzepte

gesammelt werden, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Über die Reihenfolge ent-

scheiden zunächst die Kinderäußerungen, bevor die Lehrperson ergänzt: Ein-Eltern-

Familien, Vater-Mutter-Kind/er-Familien, Vater-Vater-Kind/er-Familien, Mutter-Mutter-

Kind/er-Familien, Großeltern-Enkel-Familien, Patchworkfamilien, Pflegefamilien, Großel-

tern-Eltern-Kind/er-Familien. Anschließend versucht man zu klären, was Familie bedeutet:

Es geht offensichtlich um Verwandtschaft („die ganze Familie“) oder um eine Form des

Zusammenlebens, wozu dann auch Wohn-/Hausgemeinschaften, Betriebswohnungen,

Heime usw. gehören.

Die Frage nach dem Leben „damals“ im Zusammenhang mit Großeltern ist ausschließlich

aus der Enkelperspektive gestellt, denn Großeltern lebten ja nicht nur „damals“, sondern

sie leben auch heute noch (es sei denn, sie sind bereits gestorben).

Also sollte man fragen: Wie war das Leben, als deine Großeltern Kinder waren? Das ist

interkulturell durchaus interessant, da die Großeltern der Kinder mit Migrationshintergrund

als Kinder vermutlich in dem Land, aus dem sie oder ihre Kinder dann ausgewandert oder

geflohen sind, gelebt haben. Kinder aus binnenmigrierten Familien können sich durch den

Blick in die Kindheit ihrer Großeltern (je nach deren Alter) in die Nachkriegszeit, in die

DDR oder eine andere, vielleicht ländliche Region Deutschlands ‚beamen‘. Auch hier gilt

es diesen Blick nicht monolithisch von einem typischen (?) Fall aus zu betrachten, sondern

vielfältig und multiperspektivisch. Dazu gehört auch immer eine Migrationsperspektive

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einzunehmen und die verschiedenen Facetten von Migration (Arbeitsmigration, Flucht,

Binnenmigration) heranzuholen, damit sie zu einem selbstverständlichen Teil unseres kol-

lektiven Gedächtnisses werden können. Man könnte als fragen: Würden deine Großeltern

heute noch so leben wollen wie damals? Würdest du gerne so leben wie deine Großeltern

als Kinder? Wenn die Großeltern migriert sind: Würden sie lieber dort leben? Würdest du

lieber dort leben?

Studentische Fragen zu „Gullivers Reisen“ Kapitel 8: Wie wird sich Gulliver füh-

len, als er sich von Liliput verabschieden muss? Was bedeutet für ihn Abschied

und Heimkehr? Freut er sich auf seine Heimat? Wird er es schaffen, sicher nach

Hause zu kommen?

Kommentar von Heidi Rösch: Diese Fragen sind sicher sinnvoll und eng am Text orien-

tiert. Gleichzeitig sind sie tendenziell darauf fokussiert, die „Heimat“ als den Herkunftstort

zu idealisieren und das Leben in der Fremde zum (vorübergehenden) Sonderfall zu erklä-

ren. Da die Beantwortung der ersten und zweiten Frage aber bereits die Verbundenheit von

Gulliver mit Liliput und damit seinen schmerzvollen Abschied deutlich aufzeigen wird,

lässt sich daran auch die Frage aufgreifen, ob er auch in Liliput eine Heimat gefunden hat.

Als Transfer auf außertextuelle Element kann diskutiert werden, ob es immer nur eine

Heimat gibt, ob diese im Laufe des Lebens gleich bleibt oder sich verändert. Kinder, die

bereits umgezogen oder (aktiv) migriert sind, werden sich dazu sicher differenzierter äu-

ßern als Kinder, die in ihrem bisherigen Leben immer an einem Ort gelebt haben. Es ist

aber gerade auch für die letztgenannte Gruppe wichtig, einen Einblick in authentische Mig-

rationserfahrungen ihrer Mitschüler/innen zu erhalten.

Studentische Fragen zum Ausflug in die Bibliothek: Wie viele Bücher in einer

fremden Sprache könnt ihr in der Bibliothek entdecken? Schreibt die verschiede-

nen Länder auf!

Kommentar von Heidi Rösch: Die Frage und die Aufgabe zielen darauf ab, einer Sprache

ein Land zuzuweisen oder umgekehrt. Das ist unsinnig, denn die meisten Sprachen werden

nicht nur in einem Land gesprochen, wie schon an der Verbreitung von Deutsch leicht zu

zeigen ist. Hier wäre es viel sinnvoller, den Kindern bekannte Sprachen zu sammeln und

zu klären, wo diese überall gesprochen werden. Außerdem wird hier die Einsprachigkeit

eines Landes als Normalfall unterstellt, was genau so leicht zu widerlegen ist, wenn wir

uns unsere Migrationsgesellschaft anschauen, die sich durch lebensweltliche Mehrspra-

chigkeit auszeichnet. In diesem Kontext sollte man die Kinder auf Entdeckungsreise gehen

lassen und zum Beispiel untersuchen lassen, in wie vielen Sprachen Zeitungen verkauft

werden, in wie vielen Sprachen Informationsmaterial in Ämtern ausliegt usw.

Der Besuch in der Bibliothek und die gestellte Frage gehen genau in diese Richtung. Al-

lerdings sollen die Kinder die Anzahl der Bücher in einer fremden Sprache finden. Damit

sich das nicht nur auf eine fremde Sprache (z.B. Englisch) bezieht, sollte gefragt werden:

Wie viele Bücher in fremden Sprachen gibt es hier insgesamt und wie viele in jeder Spra-

che? Das Ergebnis würde vermutlich eine relativ geringe Zahl von Büchern in den Min-

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derheitensprachen unseres Landes offenbaren. Das könnte die Kinder motivieren, die Bib-

liothekar/innen nach dem Grund zu fragen.

Es zeigt sich, dass nahezu jede Aufgabenstellung interkulturelle Relevanz erhalten kann,

wenn folgende Prinzipien berücksichtigt werden:

Statt von einem monolithischen Konzept auszugehen und dieses dann durch andere

Konzepte zu ergänzen, bildet Diversität den Ausgangspunkt. Das setzt ein Umdenken

bezogen auf fast alle im Unterricht zu behandelnden Themen voraus.

Statt den (individuellen oder familiären) Migrationserfahrungen einzelner Kinder nach-

zuspüren, geht es darum Migration als gesellschaftliche Erfahrung mit allen Kindern

zu thematisieren. Sicher werden dabei erfahrungsbedingt unterschiedliche Sichtweisen

von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund einfließen.

Kultur wird als problematische Kategorie zur Klassifizierung von Menschen in der Mig-

rationsgesellschaft gesehen, denn sie birgt die Gefahr der Kulturalisierung7. Statt sug-

gestiven Fremdzuschreibungen (durch Aufforderungen wie Erzähle, wie es in der Tür-

kei / in deiner (türkischen) Familie ist!) sind Fragen nach der Lebenswelt an alle Kinder

gleichermaßen zu stellen, um statt nationaler Stereotypen oder eines dichotomen Bildes

(bei uns und den anderen) vielfältige Bilder bestimmter Kulturen an einem be-

stimmten Ort entstehen zu lassen. Prinzipiell ist von Kulturen im Plural auszugehen

und nicht nur nach ‚exotischen‘ Kulturen zu suchen, sondern die dominante Kultur (als

Variante) einzubeziehen. Werden etwa verschiedene Kulturen des Essens, Lernens, Fa-

milienlebens usw. in Karlsruhe beschrieben, wird deutlich, dass diese Kulturen hier ge-

lebt werden und zu dieser Region gehören.

Perspektivenwechsel meint nicht unbedingt, sich in die Perspektive von anderen Indi-

viduen hineinzuversetzen. Es geht um den Wechsel zwischen Selbst- und Fremdbild/ern

(wie sehe ich mich, wie werde ich gesehen, wie sieht er sich, wie sehe ich ihn), zwischen

Außen- und Innenperspektive vor allem bei Irritationen, denen durch den Versuch einer

Innensicht entgegengewirkt werden kann, zwischen einer Mehrheiten- und einer Min-

derheitenperspektive, wozu gehört, dass man sich dieser historisch-politischen Dimen-

sion bewusst wird.

In allen heterogenen Lerngruppen ist es wichtig mit Differenz konstruktiv umzugehen,

denn es lauert die Gefahr des Othering8. Im Blick auf Kinder mit und ohne Migrationshin-

tergrund stellt die sprachliche Dimension eine sinnvollere Differenzierungskategorie dar

als die kulturelle. Doch neben spezifischen Sprachbildungsangeboten (die nicht im Fokus

des Projekts standen) sollten im interkulturellen Kontext sprachliche und kulturelle Hyb-

ridisierungsprozesse zum Thema werden.

7 Kulturalisierung meint, dass Menschen aufgrund kultureller Fremd- oder Selbstzuschreibungen auf ihre

Kultur reduziert werden. 8 Othering bedeutet, dass Menschen, die bestimmten Gruppen angehören oder diesen zugerechnet werden, zu

„anderen“ erklärt und damit aus dem gemeinsamen Kontext ausgegrenzt werden.

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Interkulturell relevante Situationen

Im Projekt wurden vor allem durch die Begegnung mit den literarischen Werken interkul-

turell relevante Lernsituationen herbeigeführt. Bei der Stadterkundung gelang dies nur be-

dingt. Aber auch hier schafften die Kinder immer wieder Anlässe, in denen interkulturelles

Lernen dringend geboten gewesen wäre. Die Studierenden zeigten sich aber oft (noch)

nicht in der Lage, diese Ad-Hoc-Situationen zu nutzen. Deshalb wurden sie nachträglich

besprochen, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Beim Thema Zukunftsvorstellungen wurde schnell klar, dass die meisten Kinder ihre Zu-

kunft in Deutschland sehen. Gleichzeitig sprachen sie dabei indirekt auch über ihr Verhält-

nis zum Herkunftsland der Familie: „Nach Russland will niemand zurück, wegen der Ar-

mut.“ „Es ist aber auch gut, sich nicht festzulegen, sondern viele Häuser überall zu haben

und zu reisen“, kommentierte ein Mädchen diese Situation. Hier zeigt sich der Ansatz zu

einer Multiperspektivität bezogen auf das Thema Entsendeländer. Sinnvoll wäre gewesen

die Gleichstellung von Armut und Russland aufzubrechen und zu klären, ob in Russland

alle arm, in Deutschland alle reich sind. Man hätte auch klären können, dass Armut bzw.

schlechte Lebensbedingungen einen Grund für die Auswanderung (auch für Deutsche!)

darstellen können, dass es aber auch andere Gründe gibt, warum Menschen auswandern:

Sie sind zu Hause arbeitslos und finden an einem anderen Ort eine Arbeit, sie folgen ihrer

Familie oder ihrer Liebe, sie sind begeistert von dem neuen Land, der Musik, dem Klima

usw. oder haben einfach Lust, etwas Neues zu erleben. Es gibt aber auch viel dramatische-

re Gründe wie Krieg, Verfolgung, Erdbeben oder andere Naturkatastrophen, warum Men-

schen im Ausland Asyl suchen. Auch hier zeigt sich, dass Hintergrundwissen über Migra-

tion und migrationsbedingte Lebenslagen notwendig ist, um ein solches Thema zu bespre-

chen.

Zum Beispiel weigerte sich ein christlich erzogenes Kind, in eine Moschee und dort die

Schuhe auszuziehen. Hier bietet sich an, mit den Kindern zunächst das Gefühl zu klären:

Ist es ein unangenehmes Gefühl oder sogar Angst, wenn ja wovor: vor dem Fremden, da-

vor, dass dort etwas Schlimmes passieren könnte oder weil man sich einfach nicht anders

als üblich verhalten will. Die Strategie ist, nicht Wissen über die Moschee, den Islam oder

Muslime zu vermitteln, sondern das Befremden der Kinder als solches ernst zu nehmen.

Dabei kann unter Umständen auch deutlich werden, dass muslimisch erzogene Kinder ähn-

liche Gefühle haben, wenn sie in eine Kirche gehen (sollen). Der nächste Schritt ist die

Klärung, wie man mit einem solchen „unguten Gefühl“ umgeht. Eine Sammlung bewegt

sich sicher zwischen den Polen ‚gar nicht hingehen‘ und ‚einfach mal schauen‘. Neugierde

bei Kindern wird vermutlich siegen, sollte aber die Zusicherung beinhalten, dass Kinder,

die es trotz ernsthaftem Versuch, in der Moschee nicht aushalten, mit einem Erwachsenen

gemeinsam den Ort verlassen dürfen und draußen auf die Gruppe warten.

Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf die Einheit Schuluniformen: Den Kindern wurden

Fotos aus dem Internet mit Kindern in Schuluniformen aus aller Welt gezeigt. In einer

Gruppe zeigte ein Junge auf eine Kindergruppe und meinte: „Das bin ja ich.“ Da er keine

Reaktion erhielt, wiederholte er diese Aussage, bis sich andere Kinder irritiert äußerten

(„Das bist doch gar nicht du! Das sind irgendwelche Kinder.“) und über ihn lustig mach-

ten. Es handelte sich um einen schwarzen Jungen, der sich mit auf den Fotos abgebildeten

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schwarzen Kindern identifizierte. Die Studierende unterstützte in der Situation die Haltung

der weißen Kinder und versuchte die Sache so schnell wie möglich zu beenden. Dabei wä-

re hier zu klären gewesen, warum gelacht wird, wenn sich ein schwarzer Junge mit

schwarzen Kindern auf einem Foto identifiziert. (Kinder identifizieren sich gerne mit me-

dialen oder auch realen Helden, so dass ein solches Verhalten keinesfalls ungewöhnlich

ist.) Offensichtlich spielte hier die Hautfarbe eine zentrale Rolle und genau das hätte die

Studentin aufgreifen sollen. In einem solchen Fall gilt es zunächst, die Partei des in der

Situation Schwächeren zu stärken, indem man ihn zu Wort kommen lässt und ihm Gehör

verschafft: „Bist du das wirklich oder findest du die Kinder auf dem Foto toll? Erzähle,

was du an ihnen magst! Wie finden andere diese Kinder? Was ist an diesen Kindern be-

sonders? Usw.“ Irgendwann wäre vermutlich die Hautfarbe thematisiert worden. Genau

diese Frage scheint aber im konkreten Fall aufgrund großer Unsicherheit vermieden wor-

den zu sein. Dennoch hätte in dieser Situation und im Interesse des Jungen, der diesen As-

pekt durch seine Äußerung angesprochen hat, genau diese heikle Frage aufgegriffen wer-

den müssen. Die Studentin hätte zu „Schwarze und Weiße“ eine Fragen-Mindmap erstellen

lassen können. Vermutlich hätten die Kinder gefragt, warum Menschen schwarz oder weiß

sind (aufgrund familiärer Zusammenhänge), wo Schwarze und Weiße leben (überall auf

der Welt). Die Studentin hätte Fragen ergänzen können wie: Gibt es in euren Schulbüchern

Weiße und Schwarze? Warum kommen (fast) nur Weiße vor? Welche Rolle spielt es, ob

jemand weiß oder schwarz ist – zum Beispiel im Sport oder in der Medienbranche? Ist das

eigentlich immer so klar, ob jemand weiß oder schwarz ist? Ist eine solche Unterscheidung

notwendig, sinnvoll oder überflüssig?

Gerade wenn Kinder solche durchaus schwierig zu behandelnden Themen einbringen, soll-

te unbedingt reagiert werden, denn daraus spricht der Wunsch nach Thematisierung und

Erläuterung. Diese zu verweigern verstärkt unter Umständen die Diskriminierungserfah-

rung, die dieser Junge erleben musste.

Abschließender Kommentar und Empfehlungen

Wir bewerten das Projekt als sehr positiv hinsichtlich dessen, was mit den Kindern und

auch den Studierenden erreicht wurde. So hat in der Wahrnehmung der Studierenden die

Lesebereitschaft der Kinder deutlich zugenommen. Einer Studierenden der Pestalozzi-

Schule ist besonders aufgefallen, „dass bei zwei Kindern, die am Anfang nie vorlesen

wollten die Lesebereitschaft zugenommen hat. Ab Januar haben sie sich freiwillig gemel-

det und wollten, nachdem sie schon eine Passage gelesen hatten, eine weitere laut lesen.

Diese Motivation hat mich sehr gefreut.“ Eine weitere Studierende schrieb dazu: „Es hat

sich bei Unruhe und Konzentrationsschwierigkeiten als hilfreich erwiesen, dass jedes Kind

nacheinander einen Satz vorliest. So waren alle Kinder ‚bei der Sache‘ und nur selten kam

es dazu, dass sie unkonzentriert waren.“ Darüber hinaus wurde während der Schreibaufga-

ben beobachtet, dass regelmäßig anwesende Kinder schreibsicherer wurden. Dies bestätig-

te eine Studierende der Werner von Siemens-Schule, denn es ist ihr aufgefallen, dass wäh-

rend des ganzen Schuljahres vor allem ein Schüler große Fortschritte (auch hinsichtlich der

Rechtschreibung) machte. Problematisch erwies sich in allen Lesegruppen das häufige

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Sitzen, besonders im Stuhlkreis. Hier hätten mehr Bewegungsaufgaben eingebunden wer-

den müssen.

Erfolge konnten auch beim Präsentieren und Begründen erzielt werden: „Das Präsentieren

des eigenen Bildes in der Ausstellung ist sinnvoll für die Kinder, da sie so das Vortragen

vor einer Gruppe üben.“ Außerdem nutzten die Kinder das Projekt, um ihre Themen zu

besprechen: „Auffällig war außerdem, dass die Kinder zunehmend Veränderungen ihres

Körpers bzw. die Veränderungen bei anderen wahrnehmen. So klebten sie Duschgel und

Rasierklingen auf das Plakat. Sie erzählten außerdem von der Behaarung unter den Armen

eines Freundes und brachten diese auch zu Papier. Außerdem ist auch das Wort ‚küssen‘

gefallen.“

Aufgrund der Tatsache, dass das Projekt aufgrund mangelnder Teilnahme vorzeitig abge-

brochen wurde, empfehlen wir zukünftig eine engere Verzahnung mit dem Regelunterricht,

eventuell sogar eine Integration solcher Angebote in den Regelunterricht. Sicher wird der

Ausbau von Ganztagsschulen dazu führen, dass solche Angebote auch am Nachmittag ver-

bindlicher wahrgenommen werden.

Weniger zufrieden sind wir mit der angestrebten Entfaltung der interkulturellen Kompe-

tenz bei den Kindern, was allerdings klar darauf zurückzuführen ist, dass unsere Studieren-

den von uns nicht ausreichend angeleitet wurden und es uns nur in Ansätzen gelungen ist,

die nötige Sensibilität soweit auszubauen, dass die Studierenden interkulturell handlungs-

fähig sind. Dennoch bestätigen die meisten Studierenden, dass dieser Prozess in Gang ge-

setzt wurde. Wenn es gelungen wäre, die Studierenden über die geplanten drei Jahre im

Projekt zu halten, wäre hier auch sicher ein größerer Erfolg zu verzeichnen gewesen.

Sicher ist auch die Etappenplanung zu optimieren. Hier wäre es sinnvoll professionelles

Material zu den Kinderbüchern zu entwickeln. Bezogen auf die außerschulischen Lernorte

hat sich die Kooperation mit Museumspädagoginnen sehr bewährt, was aber auch daran

lag, dass sich die Aufgaben auf mehrere Personen verteilten und sich die Studierenden zu-

mindest im Museum ‚nur‘ um die Kinder kümmern mussten.

Als sehr sinnvoll erwies sich die zunehmende Projektorientierung, das heißt, dass während

der Projektphasen an einem fertigen Produkt gearbeitet wird. Das Lese- bzw. Stadttage-

buch ist hier nur ein Anfang. Es wäre darüber nachzudenken, wie das Projekt in der Schule

oder auch über die Schule hinaus dokumentiert werden kann.