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ERNEUERBARE ENERGIEN 48 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4 Plug-in-Photovoltaik in Deutschland: Eine technische, ökonomische und soziale Analyse Leonardo Burckhardt und Martin Pehnt Plug-in-PV-Systeme, auch bekannt als „Balkonkraftwerke“ oder „Guerilla-PV“, sind Photovoltaik-Kleinstanlagen, die in der Regel eine Nennleistung von 200 W p oder mehr besitzen. Sie sind einfach und „steckerfertig“ zu installieren und bieten da- mit auch Mieterhaushalten die Möglichkeit, als Prosumer sowohl selbst Strom zu produzieren als auch im Eigenverbrauch zu konsumieren. Plug-in-PV in Deutschland wurde bislang noch nicht wissenschaftlich analysiert. Im Rahmen einer Un- tersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) wurde der energetische und wirtschaftliche Nutzen von Plug-in-PV-Modulen abhängig von Standort- und Einsatzbedingungen beurteilt und deren Akzeptanz analysiert. Anlage sind vielfältig und umfassen mehr als rationale Beweggründe. Barrieren sind vor allem die Anschlussbedingungen. Mit den aktuellen Verkaufszahlen ist der energetische Beitrag für das System gering, allerdings können vergleichsweise viele Haushalte erreicht werden. Verbände, Energiegenossenschaften oder aber auch Stromanbieter zu beobachten. Die Erträge von Plug-in-PV-Anlagen sind vergleichsweise gering. Laut Aussage der Hersteller ergeben sich bei einer 250 W p - Anlage je nach Lastprofil des Haushalts [3, 4]. Zum einen sollen diese Angaben hier mit einer Wirtschaftlichkeitsrechnung überprüft werden. Zum anderen stellt sich die Frage, welche anderen Gründe es neben wirtschaftlichen Beweggründen für und ge- gen eine Plug-in-PV Anlage aus Sicht von Privatpersonen gibt. Grundlage dieses Artikels ist eine Masterar- beit, die am Institut für Energie- und Umwelt- forschung in Heidelberg (ifeu) verfasst wur- de. Die Arbeit hatte das Ziel, die Akzeptanz in Form von Motiven und Barrieren von Plug- in-PV-Anlagen in Deutschland zu analysieren als auch ihren energetischen und wirtschaft- lichen Nutzen zu beurteilen. In Abb. 1 sind die verwendeten Daten sowie die einzelnen Methoden nochmals zusammengefasst. Plug-in-Photovoltaik-Anlagen bestehen grund- sätzlich aus einem Photovoltaik-Modul, einem Mikrowechselrichter und einem Anschluss- kabel. Plug-in-PV-Systeme sind dafür vor- gesehen, direkt in den Endstromkreis eines Haushaltes per Schutzkontaktstecker (Schu- Ko-Stecker) oder mithilfe eines alternativen Stecker-Systems eingesteckt zu werden. Der erzeugte Strom wird von den im Haushalt angeschlossenen Geräten direkt verbraucht, ohne in das allgemeine Stromnetz eingespeist zu werden. Wegen der geringen Größe und der ver- gleichsweise geringen Investitionskosten sind vielfältige Einsatzmöglichkeiten für un- terschiedliche Bevölkerungsgruppen denk- bar. Sie werden als ein Baustein der bürger- nahen Energiewende angesehen und sorgen in Deutschland aktuell für Aufmerksamkeit [1, 2]. Verbraucher können hiermit unabhän- gig von der Einspeiseförderung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) direkt Strom produzieren und diesen im Eigenver- brauch konsumieren. Auf dem deutschen Markt werden pro Jahr schätzungsweise etwa 3.000 bis 10.000 Systeme üblicherweise mit Leistungen zwi- p p verkauft. Die durchschnittlichen Kosten pro kW p lagen bei Online-Angeboten Mitte 2016 bei etwa p p -Plug-in-PV- werden. Üblicherweise werden die Systeme online vertrieben, allerdings sind auch an- dere Vertriebswege bspw. über Handwerker, 9A-Burckhardt+Pehnt.indd 48 27.03.17 10:42

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ERNEUERBARE ENERGIEN

48 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4

Plug-in-Photovoltaik in Deutschland: Eine technische, ökonomische und soziale AnalyseLeonardo Burckhardt und Martin Pehnt

Plug-in-PV-Systeme, auch bekannt als „Balkonkraftwerke“ oder „Guerilla-PV“, sind Photovoltaik-Kleinstanlagen, die in der Regel eine Nennleistung von 200 Wp oder mehr besitzen. Sie sind einfach und „steckerfertig“ zu installieren und bieten da-mit auch Mieterhaushalten die Möglichkeit, als Prosumer sowohl selbst Strom zu produzieren als auch im Eigenverbrauch zu konsumieren. Plug-in-PV in Deutschland wurde bislang noch nicht wissenschaftlich analysiert. Im Rahmen einer Un-tersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) wurde der energetische und wirtschaftliche Nutzen von Plug-in-PV-Modulen abhängig von Standort- und Einsatzbedingungen beurteilt und deren Akzeptanz analysiert.

Anlage sind vielfältig und umfassen mehr als rationale Beweggründe. Barrieren sind vor allem die Anschlussbedingungen. Mit den aktuellen Verkaufszahlen ist der energetische Beitrag für das System gering, allerdings können vergleichsweise viele Haushalte erreicht werden.

Verbände, Energiegenossenschaften oder aber auch Stromanbieter zu beobachten.

Die Erträge von Plug-in-PV-Anlagen sind vergleichsweise gering. Laut Aussage der Hersteller ergeben sich bei einer 250 Wp-Anlage je nach Lastprofil des Haushalts

[3, 4]. Zum einen sollen diese Angaben hier mit einer Wirtschaftlichkeitsrechnung überprüft werden. Zum anderen stellt sich die Frage, welche anderen Gründe es neben wirtschaftlichen Beweggründen für und ge-

gen eine Plug-in-PV Anlage aus Sicht von Privatpersonen gibt.

Grundlage dieses Artikels ist eine Masterar-beit, die am Institut für Energie- und Umwelt-forschung in Heidelberg (ifeu) verfasst wur-de. Die Arbeit hatte das Ziel, die Akzeptanz in Form von Motiven und Barrieren von Plug-in-PV-Anlagen in Deutschland zu analysieren als auch ihren energetischen und wirtschaft-lichen Nutzen zu beurteilen. In Abb. 1 sind die verwendeten Daten sowie die einzelnen Methoden nochmals zusammengefasst.

Plug-in-Photovoltaik-Anlagen bestehen grund- sätzlich aus einem Photovoltaik-Modul, einem Mikrowechselrichter und einem Anschluss-kabel. Plug-in-PV-Systeme sind dafür vor-gesehen, direkt in den Endstromkreis eines Haushaltes per Schutzkontaktstecker (Schu-Ko-Stecker) oder mithilfe eines alternativen Stecker-Systems eingesteckt zu werden. Der erzeugte Strom wird von den im Haushalt angeschlossenen Geräten direkt verbraucht, ohne in das allgemeine Stromnetz eingespeist zu werden.

Wegen der geringen Größe und der ver-gleichsweise geringen Investitionskosten sind vielfältige Einsatzmöglichkeiten für un-terschiedliche Bevölkerungsgruppen denk-bar. Sie werden als ein Baustein der bürger-nahen Energiewende angesehen und sorgen in Deutschland aktuell für Aufmerksamkeit [1, 2]. Verbraucher können hiermit unabhän-gig von der Einspeiseförderung nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) direkt Strom produzieren und diesen im Eigenver-brauch konsumieren.

Auf dem deutschen Markt werden pro Jahr schätzungsweise etwa 3.000 bis 10.000 Systeme üblicherweise mit Leistungen zwi-

p p verkauft. Die durchschnittlichen Kosten pro kWp lagen bei Online-Angeboten Mitte 2016 bei etwa

p p-Plug-in-PV-

werden. Üblicherweise werden die Systeme online vertrieben, allerdings sind auch an-dere Vertriebswege bspw. über Handwerker,

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Unklare rechtliche Lage

Die momentane rechtliche Lage von Plug-in-PV ist ungeklärt, da keine Anschlussbe-dingungen formuliert sind, die auf solche Anlagen passen. So sei zwar die Nachfrage sowie das Angebot solcher Anlagen vorhan-den, allerdings befänden sich die Anlagen in einem rechtlichen Graubereich, heißt es im EEG-Erfahrungsbericht [5]. Verbände der Energiewirtschaft halten Plug-in-PV-Anlagen gegenwärtig für unzulässig (vgl. Stellungnahmen in [6] und [7]).

Auf europäischer Ebene wird eine einheit-liche Regelung von Kleinsterzeugungsan-lagen angestrebt [8–11]. Allerdings ist die Rechtslage zu solchen Anlagen in Europa bislang sehr unterschiedlich. So ist das Be-treiben einer Kleinsterzeugungsanlage bzw. einer Plug-in-PV-Anlage in der Schweiz und in Österreich bis 600 W

p grundsätzlich er-laubt und die Hürden sind im Vergleich zu den deutschen Bedingungen niedriger [12, 13]. Hier ist z. B. eine schriftliche Meldung an den Netzbetreiber bei Anlagen unter 600 W

p ausreichend.

Wirtschaftlichkeit der Plug-in-PV

Als Bewertungsgrundlage des energeti-schen Nutzens wurde das Stromerzeugungs-profil eines 250 Wp-Plug-in-PV-Moduls über acht Wochen gemessen. Zusammen mit den Referenzlastgängen der VDI-Richtlinie 4655 für Haushalte [14] bilden diese die Basis für eine Analyse der Deckungsanteile, wie z. B. des Eigenversorgungsanteils. Hiermit soll das Problem der Gleichzeitigkeit von Stromerzeugung und Stromverbrauch über-prüft werden. Es wurden insgesamt zwölf Fälle unterschieden: drei Erzeugungsprofi-le durch Multiplikation des 250 W

p-Profils sowie zwei Haushalte (1-Personen- Haushalt in einem Mehrfamilienhaus (MFH) und ein 3-Personen-Haushalt in einem Einfamilien-haushalt (EFH)) jeweils an sommerlichen Werktagen und an Sonntagen.

Die Ergebnisse zum Eigenversorgungsan-teil fallen unterschiedlich aus. Abhängig von der Nennleistung sind dabei jedoch gewisse Tendenzen zu erkennen. In Abb. 2 ist der Lastgang eines EFH an Werktagen sowie die Erzeugungsprofile eines sonni-gen Tags im Mai (26.5.2016) aufgetragen

(für die anderen Auswertungsparameter wurden die Messwerte über den gesamten Messzeitraum verwendet). Es ist zu erken-nen, dass nur das Erzeugungsprofil der 250 W

p-Anlage annähernd von den Haushalts-Lastgängen abgedeckt wird.

Anlagen mit einer höheren Nennleistung erzeugen unter idealen Bedingungen zeit-weise deutlich höhere Leistungen, als durch den Haushalt abgenommen werden kön-nen. Insbesondere am Vormittag und Mit-tag zwischen 9 Uhr und 14 Uhr übersteigt die Leistung den Strombedarf an Werkta-gen meistens um mehr als das Doppelte. Am Nachmittag kann auch die Energie des 500 W

p- und 750 Wp-Moduls mehr oder we-niger vom Haushalt abgenommen werden.

Die Erkenntnisse aus den Graphen spiegeln sich auch in den ermittelten Auswertungs-parametern zum Eigenversorgungsanteil EV% wider (s. Tabelle). Der Eigenversor-gungsanteil beschreibt, wie viel Prozent des Haushaltsstrombedarfs durch die PV-Anla-ge gedeckt werden können. Allerdings ist der Anteil, in denen die Erzeugung größer als der Verbrauch ist, aufgrund der fluktuie-renden Sonneneinstrahlung deutlich gerin-ger als für die Stromerzeugung unter idea-len Bedingungen. Der Anteil der durch das vermessene 250 W

p-Plug-in-PV-Modul über acht Wochen produzierten Energie, welcher im Gebäude genutzt wurde, ist für das EFH und das MFH annähernd 100  %. Bei zwei bzw. drei Modulen fällt dieser Anteil im EFH auf etwa 80 % ab. Bei der Wohnung im MFH reduziert sich dieser Wert bereits bei einer 500 W

p-Plug-in-PV-Anlage auf 80 % und bei einer 750 Wp-Anlage auf unter 70 %. Der Ei-genversorgungsanteil EV% durch eine Plug-

in-PV-Anlage beträgt für einen Werktag zwischen knapp 7 % für das EFH mit einer 250 Wp-Anlage und knapp 40 % für die Woh-nung im MFH mit einer 750 Wp-Anlage. Im Fall des MFH ist der Eigenversorgungsanteil für alle Anlagengrößen mehr als doppelt so groß wie für das EFH. Da der Zuwachs der nutzbaren Energie von der 500  Wp-Anlage zur 750  Wp-Anlage für beide Haushalte geringer ausfällt als der Zuwachs von der 250  Wp- zur 500  Wp-Anlage, fällt auch die Steigerung beim Eigenversorgungsanteil entsprechend geringer aus.

Zusätzlich wurde eine Wirtschaftlichkeits-bewertung von Plug-in-PV-Anlagen für eine Nutzungsdauer von 20 Jahren durchgeführt. Dabei wurden unterschiedliche Einflussfak-toren analysiert, wie z. B. der Nutzungsan-teil des produzierten Stroms. Bei der Be-rechnung wurden die Investitionskosten, der Jahresertrag und die sich daraus ergebe-

Abb. 1 Datengrundlagen und Module

Abb. 2 Typischer Lastgang eines EFH an ei-nem Werktag und beispielhafte Erzeu-gungsprofile eines sonnigen Tages im Mai 2016 von Plug-in-PV-Anlagen mit verschiedenen Nennleistungen (blau: 250 Wp, lila: 500 Wp, grün: 750Wp)

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nen finanziellen Ersparnisse berücksichtigt. Als Bewertungskriterien wurden der Kapi-talwert (vgl. [15–17]) und die Stromgeste-hungskosten (vgl. [18]) berechnet.

Aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung geht hervor, dass der Kapitalwert nach 20 Jahren im Falle einer 500  Wp-Plug-in-PV-Anlage mit einer Neigung von 30° ab einem Nutzungsanteil von durchschnittlich 30  % positiv wird. Bei einem Nutzungsanteil von 100 % liegt die Amortisationszeit bei sieben Jahren. Der jährliche, finanzielle Ertrag kann in diesem Fall über 100 €/a betragen. Kleinere Anlagen mit 250 W

p sind dagegen erst ab einem durchschnittlichen Nutzungs-anteil von 40  % wirtschaftlich. Bei einem

Nutzungsanteil von 100 % amortisiert sich ein solches Plug-in-System in etwa acht Jahren. Maximal wäre demnach ein jährli-cher Gewinn von 47 €/a möglich. Größere Anlagen mit drei Modulen (750 W

p) sind bei gleichen Nutzungsanteilen wirtschaft-licher als eine 500  Wp-Anlage. Mit einer solchen Anlage kann bei voller Auslastung der produzierten Energie ein jährlicher Ge-winn von 165 €/a erzielt werden. Mit den gewählten Rahmenbedingungen kann dage-gen bei einer Neigung von 90° (senkrechte Installation) im Falle einer 500 W

p-Anlage erst ab einem Nutzungsanteil von 40  % nach 20 Jahren mit einem knappen Gewinn gerechnet werden. Bei einer 250 Wp-Anlage liegt der Kapitalwert nach 20 Jahren dage-

gen erst bei einem Nutzungsanteil von 60 % im positiven Bereich. Diese amortisiert sich vergleichsweise langsamer und nur bei höheren Nutzungsanteilen des erzeugten Stroms.

Vergleicht man die Stromgestehungskosten für verschiedene Szenarien, ergeben sich zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den Fällen. Dies wird aus Abb. 3 deutlich. Bei optimalen Standort- und Nutzungsbedin-gungen liegen die Stromgestehungskosten für eine geneigte und südlich ausgerichtete 500 W

p-Plug-in-PV-Anlage in Heidelberg bei gut 8 ct/kWh. Diese erhöhen sich nur leicht auf 8,5 ct/kWh für einen Standort mit gerin-gerer Globalstrahlung in Berlin. Die Strom-gestehungskosten erhöhen sich deutlicher bei weniger guten Standort- bzw. Nutzungs-anteilen. So liegen die Kosten für eine kWh bei einer Ost- oder Westausrichtung bei knapp 10  ct/kWh und bei einer typischen Balkonaufhängung mit einem Neigungswin-kel von 90° bei gut 11  ct/kWh. Wenn der Haushalt nur 75  % des Stroms nutzt und der eingespeiste Strom durch eine Rück-laufsperre des Stromzählers wirtschaftlich nicht wirksam wird, liegen die Stromgeste-hungskosten unter optimalen Bedingungen bei knapp 11 ct/kWh. Wird die Plug-in-PV-Anlage hängend angebracht, steigen die Kosten bei diesem Nutzungsanteil auf fast 15 ct/kWh. Ähnlich hohe Kosten entstehen, wenn das ganze System nur 10 Jahre statt 20 Jahre genutzt wird. Wenn der Wechsel-richter nach 10 Jahren ausgetauscht werden muss, liegen die Stromgestehungskosten bei etwa 13 ct/kWh.

Tab.: Zusammenfassung der Auswertung des Vergleichs der Plug-in-PV Erzeugungsprofile und der Haushalts-Lastgänge vom 11.5. bis zum 6.7.2016

Einh.250 Wp

EFH-SWX500 Wp

EFH-SWX750 Wp

EFH-SWX250 Wp

MFH-SWX, 1 WE500 Wp

MFH-SWX, 1 WE750 Wp

MFH-SWX, 1 WE

Nutzbare Energie (8 W.)a kWh 53 97 130 52 86 106

Nutzungsanteilb  % 100  92  82  98  81  67 

Eigenversorgungsanteil EV%  % 7  13  17  19  31  39 

Einh.250 Wp

EFH-SSX500 Wp

EFH-SSX750 Wp

EFH-SSX250 Wp

MFH-SSX, 1 WE500 Wp

MFH-SSX, 1 WE750 Wp

MFH-SSX, 1 WE

Nutzbare Energie (8 W.)a kWh 53 103 145 52 95 122

Nutzungsanteilb  % 100  97  91  99  90  76 

Eigenversorgungsanteil EV%  % 7  13  18  19  35  45 

EFH = Einfamilienhaus; MFH = Mehrfamilienhaus; SWX = Sommer-Werktag; SSX = Sommer-SonntagSommer-Werktag (SWX), Sommer-Sonntag (SSX)a Die über den Messzeitraum produzierte Energiemenge, die vom Haushalt abgenommen wird. Volllaststunden der Testanlage über 8 Wochen (= 1.344 h) waren etwa 210 hb Anteil der Energiemenge, die durch den Verbrauch des Haushalts abgenommen werden kann

Abb. 3 Stromgestehungskosten einer 500 Wp-Plug-in-PV-Anlage mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren für verschiedene Szenarien. Das Optimum (Opt.) bezieht sich auf den Standort Heidelberg mit einem Azi-mutwinkel von 1.800 und einem Neigungswinkel von 30°. NA: Nutzungsanteil, WR: Wechselrichter

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Motive und Barrieren

Neben dem Vergleich von Erzeugungs-profilen und Lastgängen sowie der Wirt-schaftlichkeitsberechnung wurden Ein-schätzungen zur Marktsituation, Motiven und Barrieren von Plug-in-PV-Modulen in Deutschland zunächst durch qualitative In-terviews mit fünf Anlagenbetreibern und fünf Experten erhoben. Die Ergebnisse der qualitativen Befragung wurden anschlie-ßend durch eine quantitative Online-Umfra-ge mit mehr als 100 Teilnehmern ergänzt, um die Resultate stärker generalisieren zu können ([19]; vgl. auch [20]).

Das Marktpotenzial wird mit einem jährli-chen Zubau auf zwischen 3.000 und 10.000 Plug-in-PV-Module mit einer Tendenz zur oberen Wertegrenze eingeschätzt. Je nach Anlagengröße zwischen 250 W

p und 750 Wp ergibt sich daraus eine jährliche, zusätzlich installierte Nennleistung von 0,75  MWp bis 7,5  MWp. Wenn angenommen wird, dass diese Verkaufszahlen für den Zeitraum seit 2013 bis in zehn Jahren von heute ausgehend (also bis 2026) gleichbleiben, so resultiert eine insgesamt installierte Nennleistung von rund 10 MW

p bis 100 MWp (vgl. Abb. 4). Mit den bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung ge-troffenen Annahmen ergäbe sich für südlich ausgerichtete und um 30° geneigte Anlagen und einem Nutzungsanteil von 100 % im Jahr 2026 demnach eine jährliche Stromerzeu-gung von gut 10 GWh bis 100 GWh.

Der jährliche Zubau von kleinen PV-Auf-dachanlagen unter 10 kW

p Nennleistung lag in Deutschland bei knapp unter 600 MWp im Jahr 2013 [5]. PV-Anlagen dieser Größe wer-den üblicherweise im privaten Sektor für Ein- und Zweifamilienhäuser verbaut. Der Zubau von Plug-in-PV-Anlagen würde dem-nach 0,1 % bis 1,3 % des Nennleistungszu-baus von PV-Aufdachanlagen unter 10 kW

p entsprechen. Der direkte Beitrag von Plug-in-PV-Anlagen zur Stromerzeugung aus pri-vaten PV-Anlagen ist also eher gering.

Immerhin könnten auf Basis der geschätz-ten Zubau-Zahlen im Jahr 2020 bis zu 80.000 Wohnungen mit der Technologie ausgestattet sein. Dies entspricht etwa 0,2 % aller bewohnten Wohnungen in Deutschland [21]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Markt von Plug-in-PV abhängig von der

Preisentwicklung der Komponenten, ihrem Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung und nicht zuletzt von der zu klärenden Normge-bung sehr dynamisch entwickeln kann. Die Interviews mit Anlagenbetreibern und die Ergebnisse der Online-Umfrage zeigen, dass die Motive für den Kauf und das Betreiben von Plug-in-PV-Anlagen sehr vielfältig sind. Neben den geringen Anschaffungskosten wurde insbesondere das Umweltbewusst-sein, umweltfreundlich Strom zu produzie-ren herausgestellt. Auch der Wunsch der Selbstversorgung mit Strom und das Inter-esse an Technik wurde benannt. Den Befrag-ten war es darüber hinaus wichtig, ein Bei-spiel für andere zu sein und Freunden sowie Nachbarn von der Möglichkeit einer Plug-in-PV-Anlage zu erzählen, das System zu erläutern oder aber die Anlage sichtbar für Mitmenschen zu platzieren. Es ist also auch ein symbolischer Energiewende-Beitrag, der durch Plug-in-Photovoltaik geleistet wird.

Sowohl in den geführten Interviews mit Anlagenbetreibern und Experten als auch bei der Online-Befragung stellten vor al-lem Fragen und Bedenken bezüglich der Anschlussbedingungen sowie die Auflagen der Netzbetreiber die bedeutendste Barriere dar. Hierzu gehören auch Schwierigkeiten, einen Elektriker zu finden, der den kor-rekten Anschluss der Anlage bestätigt. Der Grund für diese Barrieren liegt in der un-geklärten und teilweise entgegenstehenden Bewertung der elektrischen Sicherheit von Plug-in-PV-Anlagen in Deutschland. Dies zeigen Stellungnahmen verschiedener Ver-bände [6], [7], [22].

Schlussfolgerungen und Handlungsbedarf

Für eine Verbesserung der Marktsituati-on und der Akzeptanz potenzieller Käufer von Plug-in-PV-Anlagen wäre es erforder-lich, dass die Anschlussbedingungen für Kleinsterzeugungsanlagen im Endstrom-kreis eines Haushalts eindeutig geklärt werden. Darüber hinaus könnte es neben ei-ner solchen Regelung notwendig sein, ver-lässliche und verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um die unsichere Situation für Käufer und Anlagenbetreiber aufzulösen. Ein Gremium des VDE|DKE be-rät mit Einschluss von verschiedenen Sta-keholdern der Plug-in-PV-Branche aktuell über mögliche Anpassungen der Anschluss-bedingungen.

Literatur

[1] Janzing, B.: Rebellion zum Einstöpseln. In: neue

energie 2016 (2016) 8, S. 39–41.

[2] Diermann, R.: Strom vom eigenen Balkon. In: Süd-

deutsche Zeitung (2016) online.

[3] Solar Info Zentrum GmbH: Balkonmodul. URL:

http://www.balkonmodul.de/. Abrufdatum 29.8.2016.

[4] miniJOULE: Solar-Power rechnet sich. URL: https://

www.minijoule.com/produktinfos/das-rechnet-sich/.

Abrufdatum 29.8.2016.

[5] Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-For-

schung: Vorhaben IIc Solare Strahlungsenergie. Vorbe-

reitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungs-

berichts 2014 gemäß § 65 EEG, Wissenschaftlicher

Bericht. Berlin 2014.

[6] Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

e. V.: Rechtliche Hinweise zum Verfahren bei Anschluss

Abb. 4 Schätzung der installierten Nennleistung von Plug-in-PV-Anlagen in Deutschland auf Basis der Experteninterviews

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von „Plug-in“-Solarstromanlagen an das Niederspan-

nungsnetz. Berlin 2013.

[7] Verband der Elektrotechnik Elektronik Informati-

onstechnik e.V.: VDE warnt vor Photovoltaik-Anlagen

mit Steckern. Frankfurt 2013.

[8] Europäisches Parlament: Stromerzeugung in kleins-

tem Maßstab. Entschließungsantrag (B7-0000/2013),

Strom- und Wärmeerzeugung in kleinem und kleins-

tem Maßstab (2012/2930(RSP)). URL:  www.europarl.

europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/itre/

re/934/934458/934458de.pdf. Abrufdatum 2.8.2016.

[9] Europäisches Parlament: Stromerzeugung in kleins-

tem Maßstab. Entschließung des Europäischen Parla-

ments vom 12.9.2013 zur Strom- und Wärmeerzeugung

in kleinem und kleinstem Maßstab (2012/2930(RSP)),

P7_TA(2013)0374. URL:  http://www.europarl.europa.

eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2013-

0374&language=DE&ring=B7-2013-0388. Abrufdatum

2.8.2016.

[10] Europäisches Parlament: Bericht über die Umset-

zung der Richtlinie zur Energieeffizienz. Entschlie-

ßung des Europäischen Parlaments vom 23.6.2016

über den Umsetzungsbericht zur Energieeffizienzricht-

linie (2012/27/EU), P8_TA(2016)0293. URL:  http://

www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//

EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0293+0+DOC+XML+V0//

DE&language=DE. Abrufdatum 24.8.2016.

[11] Europäisches Parlament: Fortschrittsbericht

„Erneuerbare Energiequellen“. Entschließung des

Europäischen Parlaments vom 23.6.2016 zu dem

Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“

(2016/2041(INI)), P8_TA(2016)0292. URL: http://www.

europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//

NONSGML+TA+P8-TA-2016-0292+0+DOC+PDF+V0//

DE. Abrufdatum 24.8.2016.

[12] Eidgenössisches Starkstrominspektorat Schweiz:

Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen. Begrenzung der Leis-

tung freizügig steckbarer Photovoltaikanlagen. URL:

http://www.esti.admin.ch/files/aktuell/2014-07_plug-

play_d.pdf. Abrufdatum 1.8.2016.

[13] E-Control: Technische und organisatorische Re-

geln für Betreiber und Benutzer von Netzen. Teil D:

Besondere technische Regeln, Hauptabschnitt D4:

Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen. Version 2.2

vom 22.2.2016. URL: http://www.e-control.at/docu-

ments/20903/388512/TOR_D4_V2-2.pdf. Abrufdatum

1.8.2016.

[14] Verein Deutscher Ingenieure: Referenzlastprofile

von Ein- und Mehrfamilienhäusern für den Einsatz von

KWK-Anlagen 27.100 (2008) 4655:2008-05. Berlin.

[15] Dahmen, A.: Investition. München 2012.

[16] Chesney, M.; Gheyssens, J.; Pana, A. C.; Taschini,

L.: Environmental Finance and Investments, 2. Auflage.

Berlin, Heidelberg 2016.

[17] Bieg, H.; Kußmaul, H.; Waschbusch, G.: Investition,

3. Aufl. München 2015.

[18] Branker, K.; Pathak, M.; Pearce, J. M.: A review of

solar photovoltaic levelized cost of electricity. In: Re-

newable and Sustainable Energy Reviews 15 (2011) 9,

S. 4470–82.

[19] Kuckartz, U.: Mixed Methods. Methodologie, For-

schungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden

2014.

[20] Mayring, P.: Kombination und Integration qualita-

tiver und quantitativer Analyse. In: FQS – Forum: Qua-

litative Sozialforschung 2 (2001) 1.

[21] Statistisches Bundesamt: Bauen und Wohnen. Mi-

krozensus- Zusatzerhebung 2014. Wiesbaden, 2016.

[22] Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e. V.:

Versuch der Verunsicherung: Fragwürdige Warnung

vor Erzeugungsanlagen mit Steckern. URL: http://

www.dgs.de/news/en-detail/030317-versuch-der-ver-

unsicherung-fragwuerdige-warnung-vor-stecker-solar-

geraeten. Abrufdatum 6.3.2017.

L. Burckhardt, Dr. M. Pehnt, ifeu gGmbH (Institut für Energie- und Umweltforschung), [email protected]@ifeu.de

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Foto: Leipziger Messe | Brzoska

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