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6. Jahrgang 2018, Nummer 1, ISSN 2309-9186 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz Pneumologie Journal für Asthma – COPD – Imaging – Funktionsdiagnostik – Thoraxchirurgie – Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) – Schlafapnoe – Thoraxtumor – Infektiologie – Rehabilitation Homepage: www.kup.at/pneumologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Chronische Lungenerkrankungen im Vormarsch - was die Epidemiologie uns lehrt Breyer-Kohansal R Journal für Pneumologie 2013; 1 (1), 5-8

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6. Jahrgang 2018, Nummer 1, ISSN 2309-9186

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

PneumologieJournal für

Asthma – COPD – Imaging – Funktionsdiagnostik – Thoraxchirurgie – Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) – Schlafapnoe – Thoraxtumor – Infektiologie – Rehabilitation

Homepage:

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Chronische Lungenerkrankungen im Vormarsch - was die

Epidemiologie uns lehrt

Breyer-Kohansal R

Journal für Pneumologie 2013; 1 (1), 5-8

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J PNEUMOLOG 2013; 1 (1)

Chronische Lungenerkrankungen – Epidemiologie

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Chronische Lungenerkrankungen im Vormarsch –was die Epidemiologie uns lehrt

R. Breyer-Kohansal

Einleitung

Laut World Health Organisation (WHO) sind die sogenanntennon-communicable diseases (NCDs) (deutsch: chronische,nichtübertragbare Krankheiten) die Krankheiten des 21. Jahr-hunderts. Durch eine hohe Prävalenz und eine hohe Mortalitätsind NCDs eine Herausforderung weltweit. Diese Krankhei-ten sind definiert durch ein langjähriges Bestehen und im All-gemeinen langsames Fortschreiten [1]. Dies führt nicht nur zueiner großen individuellen Belastung, sondern stellt auchaufgrund des wirtschaftlichen Aspekts, verursacht durch me-dikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien, Hospi-talisierungen und eingeschränkte Berufsfähigkeit, eine ge-sellschaftliche Belastung dar. Daher hat die WHO bereits als

air pollution. Early life events and molecular com-ponents, reflecting complex network perturba-tions, are crucial for NCDs and aging increasesdisease complexity. Chronic obstructive lung dis-eases as COPD and Asthma are NCDs and impor-tant causes of morbidity worldwide and have atremendous impact on the individual patient, thehealthcare system, and the general public. Con-trary to other chronic diseases, the natural his-tory of chronic obstructive diseases commonlydescribed with the natural decline of lung func-tion, has not been investigated sufficiently andthe presence of various phenotypes is still underintensive investigation. Therefore, we aim to in-vestigate the natural course of lung function andthe development of chronic lung diseases in alongitudinal, observational population based co-hort in Austria. In particular, we intend to assess(a) the age-related natural decline in lung func-tion in the general population, (b) the prevalenceof COPD and asthma and the development ofmajor respiratory symptoms in this disease, (c)the prevalence of the most important comor-bidities (eg, cardiovascular, metabolic and cogni-tive dysfunction) and (d) the association betweenlung health and social status, individual longterm exposure to air pollution and other toxic in-halants. This health examination will be the firstinvestigation in Austria providing informationabout the most prevalent respiratory diseasesand its comorbidities in a longitudinal approach.J Pneumologie 2013; 1 (1): 5–8.

Key words: NCD, COPD, asthma, Austrian LEADstudy.

Zusammenfassung: Die sogenannten non-communicable diseases (NCDs) sind weltweitdie Krankheiten des 21. Jahrhunderts und kenn-zeichnen sich durch eine hohe Prävalenz und einehohe Mortalität aus. Daher hat die WHO bereitsals Konsequenz die „Bekämpfung“ dieser NCDsals Priorität ausgerufen. NCDs werden vor allemverursacht durch komplexe Genetik-Umwelt-Interaktionen, beginnend bereits vor der Geburt.Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD,Asthma) sind, wie auch kardiovaskuläre Erkran-kungen (KHK, Insult, PAVK), metabolische Krank-heiten (Diabetes, metabolisches Syndrom), Oste-oporose und neuropsychiatrische Erkrankungen(Angst, Depression), die wichtigsten NCDs. DasVerständnis um die natürliche Entwicklung derLunge von der Jugend bis ins hohe Alter beiMännern und bei Frauen und die Interaktion mitder Umwelt (Lebensstil wie Zigarettenkonsum,Ernährung, tägliche körperliche Aktivität undSport, sozioökonomischer Status [definiert durchAusbildung, Einkommen und Beruf]) und Um-weltbelastung ist der essentiellste Grundpfeilerzur Interpretation von möglichen therapeuti-schen Interventionen. In welchem Ausmaß gene-tische Prädisposition und die o.g. Einflussfakto-ren das Risiko und den Verlauf der Lungenfunk-tion im direkten Vergleich in Gesundheit undKrankheit beeinflussen, kann nur durch prospek-tiv angelegte, longitudinale Studienkohorten inder Allgemeinbevölkerung geklärt werden. Ausdiesem Grund hat das Ludwig Boltzmann Institutfür COPD und pneumologische Epidemiologie2012 die Austrian LEAD (Lung, HEart, SociAl,BoDy) Study initiiert. Ziele der Austrian LEAD

Study sind: (a) den natürlichen Verlauf der Lun-genfunktion in Abhängigkeit vom Alter in einerrepräsentativen österreichischen Population zuuntersuchen, (b) die Prävalenz von Asthma undCOPD und die Entstehung/Progredienz der wich-tigsten pulmonalen Symptome (Husten, Auswurfund Atemnot) zu evaluieren, (c) die Prävalenz derwichtigsten Komorbiditäten der COPD (z. B. kar-diovaskulär, metabolisch und kognitiv) zu erfas-sen und (d) den Einfluss sozioökonomischer Fak-toren, eventuell bestehender Komorbiditätenund der Exposition gegenüber inhalativer Schad-stoffe auf den natürlichen Abfall der Lungen-funktion über die Zeit zu analysieren.

Schlüsselwörter: NCDs, COPD, Asthma, AustrianLEAD Study.

Summary: Chronic Lung Diseases – Pro-gressing, Processing. Non-communicable dis-eases (NCDs) are the major global health prob-lem of the century. NCDs are diseases of longduration and generally slow progression. Theyinclude, among others, chronic respiratory dis-eases, cardiovascular diseases, metabolic dis-eases (diabetes and metabolic syndrome), osteo-porosis, and neuropsychiatric diseases (mentaldisorders such as anxiety, depression and im-paired cognitive function). This diseases arecaused by a complex gene-environment interac-tion across lifespan from fetus to old age. Envi-ronment is defined by lifestyle habits, as tobacco,nutrition, activities of daily living, socioeconomicstatus (income, education, and occupation), and

Konsequenz die „Bekämpfung“ dieser NCDs als Priorität aus-gerufen.

NCDs werden vor allem verursacht durch komplexe Genetik-Umwelt-Interaktionen, beginnend bereits vor der Geburt.Umwelt ist hierbei definiert als Lebensstil (wie Zigaretten-konsum, Ernährung, tägliche körperliche Aktivität undSport), sozioökonomischer Status (definiert durch Ausbil-dung, Einkommen und Beruf) und Umweltbelastung (in die-sem Fall: Luftverschmutzung). Sogenannte „early life events“und molekulare Komponenten repräsentieren ein komplexesNetzwerk an Störeffekten im System [2] und sind entschei-dend in der Entwicklung von NCDs. Der natürliche Alterungs-prozess des Individuums steigert diese Komplexität zusätz-lich [3].

Fakt ist: Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD,Asthma) sind, wie auch kardiovaskuläre Erkrankungen (KHK,Insult, PAVK), metabolische Krankheiten (Diabetes, metabo-lisches Syndrom), Osteoporose und neuropsychiatrische Er-krankungen (Angst, Depression), die wichtigsten NCDs [4].

Aus dem Ludwig Boltzmann Institut für COPD und pneumologische EpidemiologieWienKorrespondenzadresse: Dr. Robab Breyer-Kohansal, Ludwig Boltzmann Institutfür COPD und pneumologische Epidemiologie, The Austrian LEAD Study, A-1140 Wien,Sanatoriumstraße 2, E-mail: [email protected]

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Chronische Lungenerkrankungen – Epidemiologie

Asthma

Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindes-und Jugendalter. Derzeit sind ca. 300 Millionen Menschenweltweit erkrankt. Die medizinische Behandlung hat seit Eta-blierung der inhalativen Steroide sowie durch die zunehmen-de Entwicklung immunmodulatorischer Substanzen vor al-lem für Patienten mit therapieresistentem Asthma eine enor-me individuelle therapeutische Verbesserung erzielt, jedochhaben diese Therapien keinen krankheitsmodulierenden Ef-fekt [5]. Die Prävalenz von Asthma ist weiterhin steigend. Jenach Land, Methodik und Population werden Prävalenzenvon derzeit 1–18 % angegeben [6].

Die Ursache für die steigende Prävalenz ist unbekannt. Tatsa-che ist, dass ein Netzwerk aus individuellen Faktoren (sog.„Host Factors“) wie genetische Prädisposition zur Atopie, zurbronchialen Hyperreaktivität, Adipositas und Geschlecht, so-wie äußerliche Einflussfaktoren (Allergene, Infektionen prä-dominat viral, > 300 Berufsnoxen, aktiver und passiver Ziga-rettenrauch, Luftverschmutzung, Ernährung) zum Entstehenvon Asthma beitragen [8]. Wann genau jedoch jeder einzelneFaktor und vor allem wann das gesamte Netzwerk der einzel-nen Faktoren zur „Störung des Systems“ führen und damitauch den sog. natürlichen Verlauf von Asthma vom Beginnder Erkrankung bis zur Entstehung der verschiedensten Phä-notypen über spezifische pathophysiologische Wege, ist bisheute nicht exakt erklärt [5].

COPD

Ähnlich verhält es sich bei der häufigsten chronisch obstrukti-ven Lungenerkrankung, der COPD mit ca. 600 Millionen er-krankten Menschen weltweit. Die COPD ist definiert als ver-meidbare und therapierbare Erkrankung, die durch eine per-sistierende und progrediente Atemflussbehinderung basie-rend auf einer entzündlichen Antwort auf inhalative Noxencharakterisiert ist [9]. Im Gegensatz zu anderen chronischenErkrankungen, wie die koronare Herzerkrankung oder Diabe-tes, ist der natürliche Verlauf der COPD, definiert durch denkontinuierlichen Abfall der Lungenfunktion über die Zeit,bislang nur unzureichend erforscht.

Das Verständnis um die natürliche Entwicklung der Lungevon der Jugend bis ins hohe Alter, bei Männern und bei Frau-en, ist der essentiellste Grundpfeiler zur Interpretation vonmöglichen therapeutischen Interventionen. Vor über 30 Jah-ren veröffentlichten Fletcher und Peto eines der bekanntestenDiagramme zum natürlichen Verlauf der chronisch obstrukti-ven Lungenerkrankung [10]. Dieses bekannte Diagrammstellt den pathologischen Lungenfunktionsverlust eines Rau-chers mit COPD – analysiert anhand der forcierten exspirato-rischen Volumen in der ersten Sekunde (FEV1 in %Sollwert)– dem physiologischen Verlust an FEV1 beim Niemals-Rau-cher und Ex-Raucher gegenüber.

Obwohl diese Erkenntnis um Entwicklung und Verlauf derLungenfunktion über Jahrzehnte hinweg maßgebend für dieInterpretation therapeutischer Interventionen und die Identifi-zierung von Einflußfaktoren verantwortlich zeichnete, blie-ben jedoch viele Fragen unbeantwortet. Vielmehr noch wies

die von Fletcher und Peto durchgeführte Analyse einige Limi-tationen auf. Damals wurden keine Frauen untersucht, derUntersuchungszeitraum mit 8 Jahren zur Erhebung valider,longitudinaler Daten war relativ kurz bemessen, mit 60 % warder Anteil aktiver Raucher hoch und die Spirometrie zumdamaligen Zeitpunkt war nicht standardisiert. Weiters lag dasAlter der untersuchten Männer zwischen 30–59 Jahren, diebekannten „Fletcher und Peto-Kurven“ postulieren jedocheinen lungenfunktionellen Verlauf vom 25. bis zum 75. Le-bensjahr. Dies veranschaulicht, dass dieser Meilenstein derPneumologie keine statistische Grafik basierend auf den da-mals erhobene Daten ist, sondern vielmehr als eine Zeich-nung basierend auf einem Trend innerhalb der untersuchtenKohorte zu verstehen ist.

Eine Analyse bemühte sich, dieses Modell anhand eines um-fassenden Datensatzes neu zu bewerten und die Ergebnisseauch auf Frauen auszuweiten [11]. Zu diesem Zweck wurdenserielle Lungenfunktionen von Männer und Frauen derFramingham Heart Studie (n = 4.391; Alter bei Studienbeginn13–71 Jahre) analysiert. Diese Studie wurde 1971 initiiert undbeinhaltete Spirometrien in einem Zeitraum von 26 Jahren.als „physiologisch“ anzunehmender kontinuierlicher FEV1-Verlust im Laufe des Alters bei gesunden Personen, die nie-mals geraucht haben konnte gezeigt werden! Darüber hinaus,dass aktives Rauchen und das Vorhandensein respiratorischerSymptome mit einem vergleichsweise schnelleren jährlichenFEV1-Verlust assoziiert ist. Männer erreichten ihr Maximumbei einem Alter von 23 Jahren, nach einem kurzen Plateaufällt die Lungenfunktion mit dem Alter ab. Im Gegensatz dazukonnte bei Frauen das Erreichen des Maximums innerhalbdieser Studienkohorte (Alter ab 13 Jahren) nicht beobachtetwerden. Dies impliziert, dass Frauen viel früher ihre Lungen-reife erreichen und dass ihr Plateau deutlich länger ist als beiMännern.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Ein-fluss frühkindliche Faktoren auf die Entwicklung der Lungeausüben. So zeigte eine Analyse bei über 7500 TeilnehmerIn-nen, dass neben dem eigenen Rauchverhalten einige Faktorenaus der Anamnese wesentlich mit der Lungenfunktion imErwachsenenalter korrelierten: Asthma in der Kindheit, Asth-ma der Eltern, das Rauchverhalten der Mutter, sowie gehäufteAtemwegsinfekte in den ersten 5 Lebensjahren. Die Ergebnis-se dieser Studie bestätigen ein 5-fach erhöhtes Risiko, eineCOPD im Erwachsenenalter zu entwickeln, wenn zumindest2 der oben angeführten Risikofaktoren bestanden. Das Aus-maß der Schädigung der Lungenfunktion wurde durch dieKumulation mehrerer der oben angeführten Risikofaktorenpotenziert, die dabei beobachtete Effektgröße ist dem rauch-assoziierten COPD-Risiko mindestens ebenbürtig. In der kli-nischen Praxis bedeutet dies eine individualisierte Risiko-stratifizierung zur Früherkennung der COPD, die frühkindli-che und soziale Umweltfaktoren stärker miteinbeziehen.

Neben dieser Phänotypisierung werden in Zukunft auch Un-terschiede im Genotyp der COPD zu berücksichtigen sein. Sowurde kürzlich ein den Matrixmetalloproteinasen zuzuschrei-bender Gen-Polymorphismus identifiziert, der bei einerCOPD-Hochrisikopopulation – Kinder mit Asthma und rau-chende Erwachsene – mit einem reduzierten COPD-Risiko

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assoziiert ist [12]. Matrixmetalloproteinasen sind ein Produktvon Makrophagen und wesentlich an der Entwicklung desLungenemphysems, induziert durch Zigarettenrauch (beiMäusen), beteiligt. Die Überexpression dieser Proteinasenführt zur Degradation von Elastin und führt zur weiteren Re-krutierung von Makrophagen (positiver Feedbackmechanis-mus). Das Vorhandensein bestimmter Allele innerhalb dieserProteinasen (in Kombination mit bereits bekannten inhalati-ven Risikofaktoren) könnte demnach einen positiven oder ne-gativen Effekt auf die Entwicklung von obstruktiven Lungen-erkrankungen haben. Dies veranschaulicht die zunehmendeBedeutung genetischer Analysen in der Zukunft der pneumo-logischen Forschung.

Im natürlichen Verlauf beider Erkrankung – Asthma undCOPD – lassen sich vom nicht gänzlich geklärten Ursprung,dem Einfluss von äußeren Faktoren über den Abfall der Lun-genfunktion mit der Zeit gewisse Parallelen ziehen. Bei nähe-rer Betrachtung beider Erkrankungen gibt es offensichtlicheine Subgruppe von Patienten mit einem progressiven Verlustder Lungenfunktion mit der Zeit, dem sogenannten „rapiddecliner“. Ob es sich hierbei um den asthmatischen Raucherbzw. rauchenden Asthmatiker handelt, ist bis heute noch un-geklärt, da die meisten Asthma- und COPD-Studien genaudiese Subgruppe nicht einschließen. Fakt ist, dass nicht nurParallelen der Risikofaktoren, sondern auch des Krankheits-verlaufs und der Krankheitsmerkmale (Atopie, Reversibilitätund fixierte Atemwegsobstruktion, bronchiale Hyperreagibi-lität etc.) zu finden sind. Desweiteren besteht bei beiden Er-krankungen eine Komplexität in der Entstehung, welchesauch die verschiedensten Phänotypen detektieren lässt [13].

Austrian LEAD Study

In welchem Ausmaß genetische Prädisposition und die o.g.Einflußfaktoren das Risiko und den Verlauf der Lungen-funktion im direkten Vergleich in Gesundheit und Krankheitbeeinflussen, kann nur durch prospektiv angelegte, longitudi-nale Studienkohorten in der Allgemeinbevölkerung geklärtwerden. Sogenannte „pulmologische Studienkohorten“ sindinternational vor Jahren in wenigen europäischen Länderngenau zu diesem Zwecke initiiert worden, in Österreich bis datonicht. Inwieweit die Erkenntnisse dieser Studienkohorten aufdie österreichische Bevölkerung umgelegt werden kann, istnicht exakt zu sagen. Fakt ist, dass die unterschiedliche Exposi-tion gegenüber inhalativen Noxen, unterschiedliche Wohnräu-me (Stadt-Land-Gefälle) und unterschiedliche Lebensstile, vorallem in Anbetracht der hohen Anzahl an jugendlichen Rau-cherinnen in Österreich, in der Betrachtung internationaler Da-ten bedacht werden muss. Eine 2007 in Salzburg durchgeführteUntersuchung im Rahmen einer internationalen Kooperationzur COPD-Prävalenz veranschaulichte, dass im Vergleich zuanderen Ländern die Prävalenz der COPD in der Allgemein-bevölkerung ab 40 Jahren in Salzburg deutlich höher ist (10 %vs 26 %) [14]. Hochgerechnet sind demnach ¼ der über 40-Jäh-rigen in Österreich von der COPD betroffen. Demgegenübersteht die bis heute von der WHO angegebene Prävalenz in derAllgemeinbevölkerung von lediglich 2–5 %. Bis heute ist jenach Studie(nprotokoll) die geschlechtliche Verteilung derCOPD unterschiedlich angegeben. So zeigte sich in Salzburgeine höhere Prävalenz bei Frauen, im Gegensatz dazu inter-

nationale Vergleiche mit einer höheren Prävalenz bei den Män-nern [14]. Ob hier die Tatsache der erschreckenden Anzahl anvor allem jugendlichen Raucherinnen in Österreich die ent-scheidende Rolle spielt, kann nur hypothetisiert werden. Somitscheint die Umlegung von internationalen Studien auf Öster-reich nicht besonders valide.

Bei der Interpretation internationaler Publikationen von Stu-dienkohorten ist weiters zu beachten, dass die seriell durchge-führten Spirometrien zumeist ohne Bronchodilation durchge-führt werden. Daher sind Aussagen basierend auf derLungenfunktion vor allem zur Detektion von obstruktivenLungenerkankungen nur sehr eingeschränkt möglich.

Aus diesem Grund hat das Ludwig Boltzmann Institut fürCOPD und pneumologische Epidemiologie 2012 die AustrianLEAD (Lung, HEart, SociAl, BoDy) Study initiiert. Ziele derAustrian LEAD Study sind:a) den natürlichen Verlauf der Lungenfunktion in Abhängig-

keit vom Alter in einer repräsentativen österreichischenPopulation zu untersuchen,

b) die Prävalenz von Asthma und COPD und die Entstehung/Progredienz der wichtigsten pulmonalen Symptome (Hus-ten, Auswurf und Atemnot) zu evaluieren,

c) die Prävalenz der wichtigsten Komorbiditäten der COPD(z. B. kardiovaskulär, metabolisch und kognitiv) zu erfas-sen und

d) den Einfluss sozioökonomischer Faktoren, eventuell beste-hender Komorbiditäten und der Exposition gegenüber in-halativer Schadstoffe auf den natürlichen Abfall der Lun-genfunktion über die Zeit zu analysieren.

MethodikDie Austrian LEAD Study ist eine longitudinale, unizentri-sche, epidemiologische Untersuchung in der Allgemein-bevölkerung. Das Studienkonzept beinhaltet die Rekrutie-rung von 10.000 Männern und Frauen im Alter von 6–80 Jah-ren (8.000 aus Wien = urbane Kohorte und 2.000 Teilnehmeraus Niederösterreich = rurale Kohorte), mittels persönlicherEinladung (Rekrutierung aus dem zentralen Melderegister).Nach einer ersten Untersuchungsphase (PHASE I – Quer-schnittanalyse) sind 2 weitere Folgenuntersuchungen nach4 und 8 Jahren geplant (PHASE II und III – longitudinaleAnalyse) (Abb. 1).

Abbildung 1: Austrian LEAD Studie, Design

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Die Austrian LEAD Study ist die erste Studie in Österreich,welche die Entwicklung bzw. das verminderte Wachstum derLunge und einen vorzeitigen Lungenabbau in Abhängigkeitvon individueller (genetischer) Prädisposition sowie äußerli-chen Einflussfaktoren (Allergene, inhalative Noxen, aktiverund passiver Zigarettenrauch, Luftverschmutzung, Ernäh-rung, Metabolik, Individual- und Familienanamnese, sozio-ökonomischer Status, körperliche Aktivität, Komorbiditäten,Luftverschmutzung, u.v.m) durch eine Vielzahl von Untersu-chungen longitudinal untersucht (Tab. 1).

Im Gegensatz zu den meisten pneumologischen Studien-kohorten wird bei der Austrian LEAD Study seriell eineBodyplethysmographie vor und nach Bronchodilation sowieder sog. DXA-Scan zur Untersuchung des metabolen Status(Fettmasse, Fettfreie Masse und Knochendichte nach State of

Tabelle 1: Untersuchungen in der Austrian LEAD-Studie

Health examination

– Spirometry, bodyplethysmography pre- and post-bronchodilation– Metacholine testing– Arterial blood gas analysis– Anthropometry– Blood pressure– ECG and brachial-ankle index– Serological testing (Bio-bank)– DXA scan– Arterial stiffness– Intima-media thickness measurement

Questionnaires (children, youth, and adult questionnaires)

– Socio-economic factors– Medical history– Smoking history– Respiratory symptoms– Family history– Activities of daily living– Nutrition and diet– Occupational exposures– Depression and anxiety (HADS)– Mini Mental test (MMSE)

Literatur:

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2. Barabasi AL, Gulbahce N, Loscalzo J. Net-work medicine: a network-based approachto human disease. Nat Rev Genet 2011; 12:56–68.

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8. The global initiative for Asthma (GINA).Global strategy for asthma management

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10. Fletcher C, Peto R. The natural history ofchronic airflow obstruction. Br Med J 1977;I (6077): 1645–8.

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13. Vanfleteren L, Kocks J, Stone I, Breyer-Kohansal R, Greulich T, Lacedonia D, Buhl R,Fabbri L, Pavord I, Barnes N, Wouters E,Agusti A. Moving from the Oslerian paradigmto the post-genomic era: are Asthma andCOPD outdated terms? Thorax 2013; in Press.

14. Schirnhofer L, Lamprecht B, Vollmer WM,et al. COPD prevalence in Salzburg, Austria:results from the Burden of Obstructive LungDisease (BOLD) Study. Chest 2007; 131: 29–36.

the art) bei allen Studienteilnehmern durchgeführt. Weiterswerden die Etablierung einer Biobank und die Erhebung von> 1.700 individuellen Daten pro Teilnehmer ermöglichen, inZukunft einen wissenschaftlichen Beitrag in der pneumo-logischen Epidemiologie in Österreich, aber auch internatio-nal zu leisten. Aufgrund dieses innovativen Ansatzes wird dieLEAD-Studie durch das BMI für Gesundheit,den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV),die Medizinische Universität Wien (MUW)und die Stadt Wien ideell unterstützt. WeitereInformationen unter: www.leadstudy.at

Interessenkonflikt

Vorträge für: Astra Zeneca, Boheringer Ingelheim, TorrexChiesi, GSKFür diese Publikation: kein Interessenkonflikt

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