Podcasts Gesundheit für die Ohren€¦ · Der Podcast-Markt boomt und hat längst die Hörerschaft...

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Kommunikation 44 Healthcare Marketing 5/2020 Podcasts Gesundheit für die Ohren Der Podcast-Markt boomt und hat längst die Hörerschaft in der Healthcare- Branche erreicht. Immer mehr Unternehmen starten ihre eigenen digitalen Audio-Formate, um ihre Zielgruppen zu erreichen und setzen dabei auch auf die Unterstützung von Agenturen. Obgleich die Corona-Pandemie und die Quarantänemaßnahmen Podcasts einen sprunghaften Hörer-Anstieg bescherten, ist das Audio-Format kein Trend der vergangenen Monate. In den USA ge- hört das Medium bereits seit 2014 zum festen Bestandteil der Medienrezeption. Dort wie auch hier gibt es mittlerweile zahlreiche auf Podcasts spezialisierte Firmen und Medienunternehmen, die zunehmend auf professionellere und hochwertigere Angebote setzen. Auch in puncto Vermarktung spielen die For- mate für Werbungtreibende eine zuneh- mend wichtige Rolle: So gab der Audio- Streaming-Anbieter Spotify kürzlich bekannt, datengesteuerte Podcast-Wer- bung ab Mitte April 2020 in Deutsch- land anzubieten. Über das neue Tool Streaming Ad Insertion (SAI) haben Werbungtreibende die Möglichkeit, ihre Kunden noch zielgerichteter über Pod- cast-Werbung anzusprechen. Angesichts der steigenden Nachfrage und den nach- haltigen Veränderungen beim Medien- nutzungsverhalten nicht verwunderlich: Viele Verbraucher greifen auf Audio- Inhalte zurück, sei es aufgrund des Zeit- mangels, des stressigen Alltags oder weil es eine einfache Form der Informations- beschaffung ist. Und das für eine immer größer werdende Zielgruppe: Laut dem Goldmedia Trendmonitor wird der An- teil der Podcast-Konsumenten in 2020 auf 31 Prozent klettern. Zudem werden Podcasts mit Informationsgehalt immer beliebter, wie das Marktforschungsinsti- tut YouGov, Köln, im August 2019 he- rausfand. Zu den Beweggründen einen Podcast zu hören, gehören „zur Unter- haltung“ (35 %), „um mich über aktuel- le Angelegenheiten zu informieren“ (34 %) und „um mich zu bilden“ (32 %). Das Interesse geht dabei über die unter- haltenden Conversational-Formate hin- aus, die Rubrik Lifestyle und Gesundheit gehören aus Sicht der Hörer ebenfalls zu zehn beliebtesten Genres. Das große Interesse an dem derzeit wohl bekanntesten Podcast ‚Das Coronavi- rus-Update‘ mit dem Virologen Profes- sor Drosten zeigt, wie groß der Bedarf an wissenschaftlich-medizinischen The- men ist und das über alle Altersklassen hinweg. Das erkennen auch immer mehr Akteure aus dem Gesundheitsmarkt: Pharma-Unternehmen, Krankenkassen und Dienstleister setzen eigene Formte um und greifen dabei häufig auf die Ex- pertise von Agenturen zurück. ‚Health- care Marketing‘ hat Experten aus Agenturen zu ihren Erfahrungen und Learnings mit dem Medium befragt. 44 Healthcare Marketing 5/2020 Foto: Ohr © Lonely – stockadobe.com, Wave © Wartram – AdobeStock

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Gesundheit für die OhrenDer Podcast-Markt boomt und hat längst die Hörerschaft in der Healthcare-Branche erreicht. Immer mehr Unternehmen starten ihre eigenen digitalen Audio-Formate, um ihre Zielgruppen zu erreichen und setzen dabei auch auf die Unterstützung von Agenturen.

Obgleich die Corona-Pandemie und die Quarantänemaßnahmen Podcasts einen sprunghaften Hörer-Anstieg bescherten, ist das Audio-Format kein Trend der vergangenen Monate. In den USA ge-hört das Medium bereits seit 2014 zum festen Bestandteil der Medienrezeption. Dort wie auch hier gibt es mittlerweile zahlreiche auf Podcasts spezialisierte Firmen und Medienunternehmen, die zunehmend auf professionellere und hochwertigere Angebote setzen. Auch in puncto Vermarktung spielen die For-mate für Werbungtreibende eine zuneh-mend wichtige Rolle: So gab der Audio-Streaming-Anbieter Spotify kürzlich bekannt, datengesteuerte Podcast-Wer-bung ab Mitte April 2020 in Deutsch-land anzubieten. Über das neue Tool Streaming Ad Insertion (SAI) haben Werbungtreibende die Möglichkeit, ihre Kunden noch zielgerichteter über Pod-

cast-Werbung anzusprechen. Angesichts der steigenden Nachfrage und den nach-haltigen Veränderungen beim Medien-nutzungsverhalten nicht verwunderlich: Viele Verbraucher greifen auf Audio-Inhalte zurück, sei es aufgrund des Zeit-mangels, des stressigen Alltags oder weil es eine einfache Form der Informations-beschaffung ist. Und das für eine immer größer werdende Zielgruppe: Laut dem Goldmedia Trendmonitor wird der An-teil der Podcast-Konsumenten in 2020 auf 31 Prozent klettern. Zudem werden Podcasts mit Informationsgehalt immer beliebter, wie das Marktforschungsinsti-

tut YouGov, Köln, im August 2019 he-rausfand. Zu den Beweggründen einen Podcast zu hören, gehören „zur Unter-haltung“ (35 %), „um mich über aktuel-le Angelegenheiten zu informieren“ (34 %) und „um mich zu bilden“ (32 %). Das Interesse geht dabei über die unter-haltenden Conversational-Formate hin-aus, die Rubrik Lifestyle und Gesundheit gehören aus Sicht der Hörer ebenfalls zu zehn beliebtesten Genres. Das große Interesse an dem derzeit wohl bekanntesten Podcast ‚Das Coronavi-rus-Update‘ mit dem Virologen Profes-sor Drosten zeigt, wie groß der Bedarf an wissenschaftlich-medizinischen The-men ist und das über alle Altersklassen hinweg. Das erkennen auch immer mehr Akteure aus dem Gesundheitsmarkt: Pharma-Unternehmen, Krankenkassen und Dienstleister setzen eigene Formte um und greifen dabei häufig auf die Ex-pertise von Agenturen zurück. ‚Health-care Marketing‘ hat Experten aus Agenturen zu ihren Erfahrungen und Learnings mit dem Medium befragt.

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HEALTHCARE MARKETING: Wel-che Rolle spielen Podcasts aktuell in der Kommunikationsstrategie Ihrer Kun-den? STEFANIE DÜRNBERGER, CEO, DDB HEALTH: Podcasts spielen eine große Rolle in der Kommunikationsstra-tegie unserer Kunden, sie entwickeln sich fast schon zu einem eigenen Kanal. Und wir sehen noch größeres Potential. Das liegt wohl auch daran, dass Podcasts gut die heutige On-Demand-Mentalität be-dienen: Ich entscheide, wann und wo ich was hören will. KARIN REICHL, MANAGING DI-RECTOR, HEALTH ANGELS: Pod-casts haben sich als unkompliziertes Sprachrohr der Unternehmen etabliert. Eine Marke muss sprechen – im Podcast verleihen wir ihr eine konkrete Stimme. Thesen, Leitlinien, Fragen, polarisieren-de Statements – all das findet Gehör. Das gesprochene Wort aktiviert beim Zuhö-ren andere Sinne. Es steckt viel Psycho-logie in diesem Format und wir erlernen durch Podcasts ein wichtiges Vermögen gerade neu: Das Zuhören.LINDA-MARIA DIODATI, MANA-GING PARTNER, MW OFFICE: Podcasts nehmen in aktuellen Cross-media-Strategien eine immer wichtiger werdende Rolle ein, da sie ein probates Mittel für detaillierte Informationen ge-nauso wie zum Entspannen und Ablen-ken sind. Nachdem das Streaming die Musik digitalisiert hat, fehlte nur noch ein informatives Audio-Format. Dank der vielzähligen Themenbereiche kann der Podcast als Kommunikationsinstru-ment im B2B- und B2C-Bereich einge-setzt werden.

GUNTHER BRODHECKER, GE-SCHÄFTSFÜHRUNG KREATION, SCHMITTGALL HEALTH: Podcasts können in der Kommunikationsstrate-gie für Healthcare Produkte die unter-schiedlichsten Rollen einnehmen: Mal als Branded Value Content-Kommuni-kation für Patienten oder auch HCPs, mal im Sinne von Disease Awareness. Auch als internes Tool in der Kommuni-kation mit dem Außendienst.

SWEA VON MENDE, INHABERIN, VON MENDE MARKETING: Audio und Podcasts als integralen Bestandteil des Kommunikationsmixes zu denken, ist heute Pflicht. Schließlich hat jeder sein Abspiel-Device in der Tasche. Un-ternehmen und Marken, auch im Rx- und OTC-Markt, müssen relevanten Content bereitstellen. Hochwertige Au-dio-Inhalte, die echte Mehrwerte bieten und Dialog-Impulse setzen, sind gefrag-ter denn je.

SEBASTIAN SCHMITT, GESCHÄFTS-LEITUNG WEFRA LIFE MEDIA: Po-dcasts sind in der Fachkommunikation, vor allem Bereich der medizinisch-phar-mazeutischen von großem Vorteil. Sie binden nur einen Sinn, die Ohren – der Arzt oder Apotheker kann also bequem eine weitere Tätigkeit ausüben oder aber während einer Folge entspannen. Der Po-dcast ist also ideales wissenschaftliches Begleitmedium.MARCO DRÖGE, MANAGING DI-RECTOR, FACE2FACE: Schon vor Co-rona waren Podcasts wie andere digitale Tools auf dem Vormarsch. Nicht alles muss als Video dargestellt werden. Nur Audio funktioniert auch, wenn es gut und zur Zielgruppe passend aufbereitet wird. Da, wo es zuvor noch Unsicherheit gab, ob man mit dem Format langfristig Erfolge erzielen kann, ist die Nachfrage jetzt sprunghaft angestiegen. Aus gutem Grund: HCPs können schnell und un-kompliziert Fachinformationen vermit-telt werden, bei Mitarbeitern eignet sich der Podcast für interne Kommunikation und das Onboarding. Hier sehen wir auch Potenzial für die Zeit nach Corona.KRISTIN BROSCH, TEAMLEITUNG, ABC HEALTHCARE: Audio-Content gewinnt zunehmend an Relevanz. Da-her kann ein eigener Podcast oder die redaktionelle Platzierung von Experten den Kommunikations-Mix ideal ergän-zen. In welchem Fall es sinnvoll ist, ei-nen eigenen Podcast ins Leben zu rufen, hängt von dem Mediennutzungsverhal-ten der entsprechenden Zielgruppe und den Botschaften ab, die kommuniziert werden sollen. In manchen Fällen ist die redaktionelle Platzierung effektiver. Dies

Linda-Maria Diodati, Managing Partner, MW Office, München, sieht Potenziale sowohl B2B- als auch im B2C-Bereich

Podcasts eignen sich gut als Wissens-Container, findet Stefanie Dürnberger, CEO DDB Health, München

Für Karin Reichl, Managing Director, Health Angels, Hamburg, sind Konzept und inhaltliche Tiefe zentrale Erfolgsfaktoren

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Es steckt viel Psychologie in diesem Format und wir erlernen durch Podcasts ein wich-tiges Vermögen gerade neu: Das Zuhören.Karin Reichl, Managing Director Health Angels

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sollte vorab im Rahmen einer zielgerich-teten Analyse geprüft werden.

HEALTHCARE MARKETING: Wo lie-gen Mehrwert und Relevanz der Audio-Formate? MARCO DRÖGE: Grundsätzlich sorgt Multisensualität für gedächtniswirksame Assoziationen, viele Reize hinterlassen einen bleibenden Eindruck, ein Erlebnis. Um jedoch der heutigen Reizüberflutung entgegen zu wirken, kann die gezielte Fokussierung auf einen Sinn wesentlich förderlicher für einen Wissensaustausch sein. Audioformate sind Wissensvermitt-lung to go, Ort und Zeitpunkt des Anhö-rens sind selbstbestimmt. LINDA-MARIA DIODATI: Im Unter-schied zu anderen Content-Formaten zeichnen sich Podcasts durch eine hohe Kontinuität aus. Hörer entscheiden sich aktiv für einen Podcast und abonnieren diesen bewusst. Der große Vorteil ist, dass die Inhalte orts- und zeitunabhän-gig konsumiert werden können.

DR. NATASCHA TERP, INHABERIN 2STROM: Ein guter Podcast wird durch guten Content gemacht und so eignet sich dieses Tool auch gerade für medizi-nische Themen, in den unterschiedlichs-ten Zielgruppen. In einer Zeit, in der digitale Formate immer mehr Bedeutung gewinnen, wird auch der Einsatz von Podcasts in der Pharmaindustrie zuneh-men. Nicht umsonst kann hier auf einem Kanal kommuniziert werden, der es der Zielgruppe möglich macht, sehr indi-viduell auf Informationen zuzugreifen. Aber wie bei allen Formaten gilt auch hier: nur wer den Bedarf seiner Zielgrup-pe kennt, wird auch die Zielsetzung, die ein Podcast verfolgt, erfüllen können. STEFANIE DÜRNBERGER: Der Mehr-wert von Podcasts liegt einerseits in der schnellen Verbreitung von einfachen Informationen, andererseits können sie Content bieten wie KOL-Interviews, Basics und Hintergründe. Podcasts sind flexibel, eignen sich aber auch gut als ab-geschlossene Wissens-Container. Dazu kommt, dass Podcasts einen unbeobach-teten, exklusiven Moment für den Hörer bieten – ein fast intimer Moment. Der lässt eine emotionalere Durchdringung zu, so wird das Gehörte anders veran-kert, als wenn es nur gelesen wird. GUNTHER BRODHECKER: Podcast als Medium revolutioniert Audio. Radio hat in den letzten 30 Jahren die Content-Ebene fast völlig aufgegeben und wur-de zum reinen Dudelradio. Anders das Medium Podcast, das Audio wieder mit Content verknüpft. Menschen holen

sich gezielt Content. Wir erleben, dass ein Podcast wie das ‚Corona Update‘ mit Professor Drosten von der Charity über Nacht Millionen Hörer findet. Content ist heiß, wenn er relevant ist.

HEALTHCARE MARKETING: Für welche Kunden sind Sie derzeit aktiv in der Umsetzung von Podcasts?GUNTHER BRODHECKER: Wir sind gerade von zwei Kunden mit der Produk-tion von Podcast- Formaten beauftragt und mit mehreren Kunden im Gespräch. Das Thema bekommt gerade eine un-glaubliche Dynamik. Reden dürfen wir über unseren Podcast für Riopan. Unser Kunde Dr. Kade setzt hier mit Brenn-punkt Sodbrennen, einem Podcast von PTAs für PTAs, ein Zeichen. Ein zweiter Podcast ist gerade in der Entwicklung, auf dem Weg zur Produktion und wird im Frühsommer on air gehen. Hierbei handelt es sich um eine Art Audio-Blog, der von einem Patienten getragen wird.

Sebastian Schmitt, Geschäftsleitung WEFRA Life Media, unterstützt Zambon Deutschland bei der Podcast-Kreation

Gunther Brodhecker, Geschäftsführung Schmittgall Health, setzt zum Launch von Podcasts auf Vermarktungsaktionen

Audio und Podcasts sind heute Pflicht, fin-det Swea von Mende, Inhaberin von Mende Marketing, Oldenburg

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Wir wollen nicht die Podcast-Charts erobern. Für uns ist entscheiden-der, ob die Podcasts unsere Zielgruppen erreichen.Gunther Brodhecker, Geschäftsführer Schmittgall Health

Grundsätzlich kön-nen Podcasts überall dort zum Einsatz kommen, wo es um die emotionale, un-terhaltsame Vermittlung von Inhalten geht.Swea von Mende, Geschäftsführerin von Mende Marketing

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SWEA VON MENDE: Derzeit erstellen wir eine Podcast-Serie für ein Unter-nehmen, das medizinisches Cannabis vertreibt. Ziel ist es, Zuhörern einen umfassenden Einblick in die Welt der Menschen zu geben, die mit medizini-schem Cannabis in Berührung kommen. Entlang der Patient Journey aus der Sicht von Ärzten und aus der Perspek-tive der Gesundheitspolitik. Wir wollen mit unserer Serie informieren, aufklären und auch ein wenig neugierig machen. ANGELA STEERE, GESCHÄFTSFÜH-RERIN, YUPIK PR: Für Orthomol ha-ben wir im Rahmen der Content-Kam-pagne www.liebe-dein-immunsystem.de eine mehrteilige Podcast-Serie konzipiert und umgesetzt. Der Podcast wurde bei allen gängigen Streaming-Diensten gelis-tet und ist aber vor allem Teil der Mar-ken-Website.SEBASTIAN SCHMITT: Aktuell setzen wir in der Kommunikation zu Corona zwei Podcastfolgen für unseren Kunden Zambon Deutschland ein. Die Zielstel-lung war, den Fachärzten die norma-lerweise von Zambon via Außendienst besucht werden, in der Zeit der Kon-taktsperre einen besonderen und persön-lichen Service zu bieten. Spezialisiert auf den Bereich der Parkinson Therapie soll-te der Podcast in Verbindung mit einem persönlichen Anschreiben Informatio-nen rund um Corona für die Zielgruppe der Neurologen bereitstellen.

HEALTHCARE MARKETING: Wie wurde die Zielgruppe der Fachärzte auf das neue Format von Zambon Deutsch-land aufmerksam gemacht? SEBASTIAN SCHMITT: Aktuell sind wir genau zwischen zwei Aussendungen. Der erst Podcast wurde kurz nach Os-tern via Direktmailing versendet, es gab einen QR-Code sowie eine Short URL zum Podcast. 50 Prozent der Hörer ha-ben den Podcast direkt mit dem Smart-phone angehört, etwa 30 Prozent hat die Short-URL via Desktop verwendet.

HEALTHCARE MARKETING: Welche Kriterien werden bei der Erfolgsbewer-tung von Podcasts herangezogen? LINDA-MARIA DIODATI: Um den Erfolg messbar zu machen, sollte der Podcast in der Crossmedia-Strategie mit KPIs wie Abonnements, Anzahl der Downloads und weiteren integriert wer-den. Zusätzlich müssen auch qualitati-ve Maßnahmen wie Hörerbefragungen oder das Monitoring von Rückmeldun-gen auf sozialen Netzwerken berück-sichtigt werden. Der richtige Content, die Relevanz für den Zuhörer und na-türlich der Aufbau der Reichweite des eigenen Podcasts entscheiden über den Erfolg.

GUNTHER BRODHECKER: Es gibt messbare Kennzahlen, die über die meisten Hosting-Anbieter oder Podcast-Plattformen und deren Analyse-Tools abrufbar sind. Spotify etwa gewährt tiefe Einblicke in soziodemografische Daten und Nutzungsverhalten. Das sind Kennzahlen wie Anzahl der Downloads, Anzahl der Hörer- und Abonnenten oder Listens pro Folge. Das sind natür-lich nützliche Indikatoren, die allerdings bei unseren relativ nischigen Podcasts auch nur bedingt aussagekräftig sind.

HEALTHCARE MARKETING: Was ist denn bei den Nischen-Podcasts die bes-sere Währung? GUNTHER BRODHECKER: Wir wol-len nicht die Podcast-Charts erobern. Für uns ist entscheidender, ob die Pod-casts unsere Zielgruppen, etwa die PTAs oder bestimmte Patientenzielgruppen, erreichen. Wir wollen, dass diese uns in ihrem Umfeld weiterempfehlen und mit einer längerfristigen Bindung, sprich Community-Bildung, einhergehen. Hier ist das Zusammenspiel von Podcast und anderen Plattformen, wie Websites, ent-scheidend. An dieser Stelle schauen wir auf KPIs zur Interaktion der Hörer mit dem Podcast und die Weiterempfeh-lungsrate.

LIEBE DEIN IMMUNSYSTEMAuftraggeber: Orthomol, Langenfeld Agentur: Yupik PR, Köln Zielgruppe: Endverbraucher

IST DAS NOCH GESUND?Auftraggeber: Techniker Krankenkasse, Hamburg Agentur: C3 Creative Code and Content, HamburgZielgruppe: Endverbraucher

WICKELSTAMMTISCHAuftraggeber: AOK Baden-Württemberg, Stuttgart Agentur: wldmr, Bad Homburg Zielgruppe: Eltern

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HEALTHCARE MARKETING: In wel-chen Bereichen kommen Podcasts zum Einsatz und welche Ziele werden kon-kret verfolgt? KRISTIN BROSCH: Podcasts sind längst kein Nischenmedium mehr, son-dern fester Bestandteil im Kommuni-kationsmix. Besonders im B2C-Bereich werden sie zur Steigerung der Marken-bekanntheit oder Leadgenerierung ein-gesetzt. Auch im B2B-Bereich werden Podcasts genutzt, etwa zur Wissensver-mittlung. Generelles Ziel ist das Erzeu-gen von Awareness. SWEA VON MENDE: Grundsätzlich können Podcasts überall dort zum Ein-satz kommen, wo es um die emotionale, unterhaltsame Vermittlung von Inhalten geht – in Form kleiner Reportagen, Por-träts oder Interviewformate. Und zwar sowohl im B2C- oder B2B-Segment, als auch für interne Kommunikation. Und wer sich für zukünftige Mitarbeiter at-traktiv in Szene setzen möchte, kann das natürlich auch mit einer kleinen Podcast-Serie machen, die Einblicke in den Arbeitsalltag des Unternehmens ge-währt.GUNTHER BRODHECKER: Es gibt einfach kein Feld, in dem Podcast nicht eine sinnvolle Ergänzung darstellen kann. Letztlich können fast alle klassi-schen Marketingziele wie Awareness,

Branding, Markenaktualisierung etc. erreicht werden. Das Thema Promotion und Abverkauf ist aber sicher nicht das zentrale bei Podcast.

HEALTHCARE MARKETING: Welche Rolle spielen Influencer und bekannte Persönlichkeiten bei der Podcast-Strate-gie? SWEA VON MENDE: Eine bekannte Persönlichkeit, eine bekannte Stimme, die den Podcast moderiert oder die In-terviews führt, ist natürlich immer von Vorteil, um das Interesse am Podcast zu erhöhen und Reichweiten zu generieren. Gleiches gilt für Influencer, die ebenfalls als Interviewer oder den Podcast emp-fehlen können. In beiden Fällen müssen sie zum Unternehmen, zur Kommunika-tionsstrategie und zur Zielgruppe pas-sen. GUNTHER BRODHECKER: Influ-encer spielen natürlich eine Rolle. So basiert einer unserer Podcasts auf ei-nem Patientenblog und ist auch ge-wissermaßen als ein Audio-Blog zu verstehen. Viele Influencer schnup-pern in das Thema rein und schau-en, ob sie in diese Audiowelt passen.

HEALTHCARE MARKETING: Die Medienkonsumenten verfügen über ein begrenztes Zeitkontingent. Was muss ein Podcast leisten, um Gehör zu finden?KARIN REICHL: Wir glauben an die Macht der inhaltlichen Relevanz. Sprich, als müsstest du bei dir selbst Gehör fin-den. Erzähle Dinge von wirklichem Inte-resse und frage nur nach Dingen, auf die du auch eine Antwort erhalten möch-test. Wir sind überzeugt, dass jedes The-ma – relevant aufgearbeitet – Interessen-ten hat. Trotzdem bleibt die wichtigste Frage, die ein Unternehmen sich stellen muss, bevor es kommuniziert. Wen inte-ressiert das? DR. NATASCHA TERP: Wir erarbei-ten im Moment einen Podcast für die veterinärmedizinische Industrie, bei dem es um eine Erkrankung geht, deren Therapie verschiedene Stellschrauben bedienen muss. Der Spannungsbogen um diese, aufbereitet mit Cases und Ex-pertenstatements, gibt den Tierärzten für Nutztiere einen Überblick über die verschiedenen Ursachen und therapeuti-schen Möglichkeiten und kann in jeder Folge neue Aspekte aufrollen. Der Mix aus wissenschaftlicher Information, Ex-pertenwissen und praktischer Anwen-dung ist die Basis des Formates für eine Zielgruppe, deren Hauptaufenthalts-ort der Stall und das eigene Auto ist.

GEDANKENDEALERAuftraggeber: Extravert, Berlin Agentur: Online Marketing Rockstars, HamburgZielgruppe: Endverbraucher

MS-PODCASTAuftraggeber: Bayer Vital, Leverkusen Zielgruppe: Patienten & Betroffene mit Multipler Sklerose

ISLA PODCASTAuftraggeber: Engelhard Arzneimittel , Nieder-dorfeldenAgentur: WEFRA Life Media, Neu-IsenburgZielgruppe: PTAs / Apotheker

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STEFANIE DÜRNBERGER: Zuallererst muss man Zielgruppe und Thema in der Tiefe kennen, heißt also: Wissen, wo-von man spricht. Mit der zunehmenden Anzahl der Podcasts wird Unterscheid-barkeit wichtig, das merkt man jetzt schon. Spannend und unterhaltsam um-setzen – eine Idee finden, eine akustische Bühne erschaffen, die dem Thema einen Place-to-be verleiht. Das darf dann gerne auch mal kreativ sein, zum Beispiel ein Waldspaziergang, wenn es um Lungen-Themen geht oder ein akustischer Kaffee-haus-Besuch bei Diabetes-Fragen.KRISTIN BROSCH: Eine qualitativ hochwertige Produktion ist notwendig, eine schlechte Audioqualität gehört zu den K.O.-Kriterien. Zudem ist ein klares und nachvollziehbares Konzept wichtig, denn damit steht und fällt der Erfolg. Die Themen müssen nicht nur den Nerv der Zielgruppe treffen, auch ein roter Faden und Spannungsbogen müssen erkennbar sein. Wie häufig ein Podcast erscheint und wie lang die Folgen sind, wird im Rahmen der Konzeptentwick-lung bestimmt. Generell macht es Sinn, mehr Audio-Content zu erstellen als er-forderlich, um diesen im Rahmen einer Zweitverwertung nutzen zu können. ANGELA STEERE: Sympathische Stim-men, interessante Themen, die der Ziel-gruppe einen Mehrwert bieten. Unter-haltsame Aufbereitung, einfache Sprache, kurze Antworten. Regelmäßigkeit.

HEALTHCARE MARKETING: Sollte jedes Unternehmen einen Podcast haben oder anders: Wo sehen Sie die Grenzen für das Potenzial der Audio-Formate? GUNTHER BRODHECKER: Es gibt natürlich keinen Imperativ was Pod-casts angeht. Die Einsatzmöglichkeiten sind aber riesig. Das Medium erfindet sich ständig neu. Wie jedes Medium hat

auch Podcast seine natürlichen Grenzen. Podcast sind zwar als Werbeplattform sehr geeignet, der Content selbst muss aber werbefrei sein. So gesehen ist das Kerngeschäft von Podcast eher nicht die Promotion. Das Bilden von großen Mar-kenimages ist durch Audioformat auch nicht alleine zu erreichen, hier hat der Podcast ähnliche Einschränkungen wie Radio.LINDA-MARIA DIODATI: Die Rolle von Podcasts als Format im Marketing-Mix wird zunehmend steigen. Podcasts bieten das Potenzial, Informationen unterschiedlichster Art zu vermitteln,

Vertrauen aufzubauen und nicht zuletzt das Unternehmen erlebbar zu machen. Unternehmen müssen daher Inhalte lie-fern, die weit über Werbung hinausge-hen. Das größte Potenzial sehen wir bei den Healthcare Professionals im Bereich Sonderproduktionen, wo neue Thera-pieansätze audiovisuell informieren und weiterbilden.

HEALTHCARE MARKETING: Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Reichweite der Formate erhöhen? KRISTIN BROSCH: Wichtig ist, dass der Podcast erstmal gefunden wird, wes-halb der Bereich Podcast-SEO und die Auffindbarkeit in einschlägigen Podcast-Apps wichtig ist. Ein guter Podcast an sich ist bereits eine Story wert, weshalb über diesen in der Regel auch in ande-ren Medien berichten wird. Das Thema Storytelling ist also auch für diesen Be-reich relevant. Zusätzlich ist ein guter Mix aus klassischen PR-Maßnahmen, die Verbreitung über die sozialen Me-dien, sowie eine eigene Podcast-Website sinnvoll. ANGELA STEERE: Der Beitrag kann über die eigenen Social-Media-Kanäle gepusht werden. PR-Maßnahmen, wie Presseinfos dazu, können ebenfalls für mehr Reichweite sorgen. Außerdem sollte er natürlich bei allen gängigen Po-dcast-Anbietern abrufbar sein, und zu-dem auf der eigenen Website eingebaut werden. Kooperationen mit passenden Influencern, die den Podcast erwähnen sowie Empfehlungen von andern Pod-castern.

Podcasts lassen sich auch in der internen Kommunikation einsetzen, sagt Marco Drö-ge, Managing Director, Face2Face, Köln

Eine schlechte Audioqualität gehört laut Kristin Brosch, Teamleitung, ABC Healthcare, zu den Podcast-K.O.-Kriterien

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Podcasts sind kein Nischenmedium mehr, sondern fester Bestand-teil im Kommunikations-mix. Kristin Brosch, Teamleitung ABC Healthcare

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GUNTHER BRODHECKER: Wir ent-wickeln zum Launch von Podcasts im-mer ein schlankes Vermarktungspaket, das sehr fokussiert die jeweilige Ziel-gruppe anspricht, etwa über Facebook, Instagram, Newsletter und Influencer Marketing. Ist der Podcast on air ist Empfehlungsmarketing der Schlüssel.

HEALTHCARE MARKETING: Welche Fehler gilt es bei der Konzeption und Umsetzung zu vermeiden? SELIM CHOUAIBI, PROJECT MA-NAGEMENT DIGITAL, FACE2FACE: Die Inhalte und die Botschaften bestim-men die Maßnahme, nicht alle Themen lassen sich als Podcast abbilden. Pod-casts dürfen nicht langweilig, monoton und zu lang sein. Die Tonalität muss an die Zielgruppe angepasst werden.ANGELA STEERE: Ein Learning ist zum Beispiel, dass man bei den Talkgäs-ten bei der Auswahl auch ein wenig auf Stimme und Redegeschwindigkeit ach-ten muss. Besonders zur Etablierung ei-

ner Podcast-Reihe sind regelmäßige Bei-träge in kurzen Zeitabständen wichtig.GUNTHER BRODHECKER: Der größte Fehler ist sicher, wenn man sich keine Zeit für die Grundkonzeption bis zum Piloten nimmt: Ziele, Zielgrup-pen, Grob-, Feinkonzept, Format-Wahl, Klangwelt, etc. Hier scheitern die meis-ten Podcasts, aber hier entsteht auch die Qualität. Wer hier an Zeit spart, hat kei-ne Chance draußen im Markt und der sich ständig verbessernden Podcastwelt.

HEALTHCARE MARKETING: Wel-che Learnings und Erkenntnisse ziehen Sie aus den ersten Projekten? Welche Kriterien sind die Basis für erfolgreiche Formate?KARIN REICHL: Podcasts folgen den Regeln des Journalismus: Konzept und inhaltliche Tiefe sind entscheidend. Ak-tualität hilft bei der Generierung von Reichweite, die Kanalwahl ist ein wich-tiger Faktor, und natürlich die Kenntnis über die Bedürfnisse der Zielgruppe. Denn nur Podcasts, die dem Hörer einen Mehrwert bringen, haben eine Berechti-gung. SELIM CHOUAIBI: Ein gut ausgearbei-tetes Drehbuch und die Umsetzung mit professionellen Sprechern im Tonstudio sind Voraussetzung, denn auch hier gilt: Quality beats Quantity; lieber wenige, wirklich gut ausgearbeitete Maßnahmen in Zeiten der digitalen Überflutung.LINDA-MARIA DIODATI: Unverzicht-bar ist dabei die regelmäßige Veröffentli-chung, um ein vertrautes Verhältnis zum

Hörer zu schaffen, und auch die Produk-tionsqualität. Neben dem redaktionellen Konzept, der Episoden-Regelmäßigkeit und den Paid-Maßnahmen, muss eine Strategie für die auditive Wahrnehmung aufgebaut werdenSTEFANIE DÜRNBERGER: Erst kommt Inhalt, dann die Idee, dann die Produktion. Alles drei braucht es und zwar in dieser Reihenfolge. Wichtig ist Authentizität und Beziehung zum Host – von der Sympathie der Sprecher ist viel abhängig. An Länge ist alles möglich und hängt von der Zielsetzung ab – aber bitte nicht länger als 45 Minuten.DR. NATSCHA TERP: Das Medientool Podcast wird häufig im Pharma-Marke-ting immer noch mit einer Audiodatei gleichgesetzt und als solche – auch auf der Suche nach neuen Kanälen – bei uns als Agentur angefragt. Doch ein Podcast ist selbstverständlich viel mehr – als qua-si Audioblog oder auch Videoblog berei-tet er Content redaktionell auf. In den verschiedenen Episoden wird informiert und nicht geworben – das wichtigste für einen gelungenen Podcast. Denn dieser ist nur erfolgreich, wenn er das Interesse der Zielgruppe genau trifft.

Text und Umfrage: Thomas Olbrisch

Podcasts sollen informieren und nicht werben, sagt Dr. Natascha Terp, Inhaberin 2Strom, Berlin

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Angela Steere, Geschäftsführerin Yupik PR, Köln, hat für Orthomol eine mehrteilige Podcast-Serie umgesetzt

In einer Zeit, in der digitale Formate immer mehr Bedeutung gewin-nen, wird der Einsatz von Podcasts in der Pharma-industrie zunehmen.Dr. Natascha Terp, Inhaberin 2Strom

Inhalte allein über einen Podcast zu verbreiten, sehe ich für ein Unterneh-men oder eine Marke als nicht sinnvoll an.Angela Steere, Geschäftsführerin Yupik PR

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