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G-100 Berlin Integrationsherausforderungen und Politische Referenzen für Neuankömmlinge Policy Brief 1, Oktober 2019 #NewVoices4Europe

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G-100 BerlinIntegrationsherausforderungen und Politische Referenzen für

Neuankömmlinge

Policy Brief 1, Oktober 2019

#newvoiceforeurope#NewVoices4Europe

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11. Der Arbeitsmarkt verlangt von den arbeitsuchenden Migratnt*innen höhe Deutschkenntnisse ohne ihre Muttersprachen als zusätzliche Qualifikation anzuerkennen, obwohl das Potenzial besteht, unterschiedliche Sprachkenntnisse von Neuankömmlingen für den Markt zu nutzen.

Für Hochschulen

12. Neuankömmlinge in Deutschland bemühen sich, ihre Bildungsnachweise anerkennen zu lassen und müssen daher durch die deutsche Bürokratie, die dann die Integration auf Arbeitsmarkt oft unnötig verzögert.

13. Junge Neuankömmlinge werden ermutigt, trotz ihres Interesses an einer Hochschulausbildung, eine Berufsausbildung zu absolvieren.

14. Obligatorische Integrationskurse bereiten Neuankömmlinge nicht angemessen für ihre künftige Bildung und Arbeit vor und bieten kein relevantes Sprachenlernen.

15. Neuankömmlinge fühlen sich oft unter Erfolgsdruck gesetzt, um negative Stereotype und Vorurteile gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen nicht aufrechtzuerhalten.

Richtlinienkontext

Im Jahr 2014 berichtete UNHCR, dass die Zahl der Vertriebenen weltweit ein beispielloses Ausmaß von 59,5 Millionen erreicht hat, verglichen mit 51,2 Millionen im Jahr zuvor. Seitdem ist die Zahl auf ein beispielloses Niveau gestiegen. Obwohl nur ein Minimaler Teil der Geflüchteten und Migrant*innen der Welt es nach Europa schaffte, setzte der unvorhergesehene Zustrom Fragen der Sicherheit, Einwanderung und Integration auf die Tagesordnung der Länder. Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2018 hielten sieben von zehn Europäer*innen die Integration von Neuankömmlingen auf längere Sicht für eine notwendige Investition und waren der Ansicht, dass die EU-Mitgliedstaaten den Austausch bewährter Verfahren und die Einführung gemeinsamer Integrationsmaßnahmen verbessern sollten. Lediglich in Deutschland haben zwischen 2015 und 2018 rund 1,8 Millionen Menschen Asylanträge gestellt, von denen mindestens eine Million entweder den Flüchtlingsstatus oder den subsidiären Schutzstatus erhielten, wodurch die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wurde.

Für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), UN Agenturen und deutsche Zivilgesellschaft

1. Integration ist nicht Assimilation. Integration ist keine Einbahnstraße, sie erfolgt immer beidseitig; Es ist nicht nur die Aufgabe von Migrant*innen und Geflüchteten, sich anzupassen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, indem neue Mitglieder aktiv einzubeziehen.

2. Neuankömmlinge werden vom i.d.R. politischen Leben und bei der Politikgestaltung nicht vertreten und haben keinen Zugang zu diesen.

3. Neuankömmlinge begrüßen wachsende Anstrengungen der deutschen Zivilgesellschaft, mit ihnen als gleichberechtigten Partner zusammenzuarbeiten.

4. Neuankömmlinge erkennen die Bedeutung der psychosozialen Unterstützung für die Bewältigung früherer Traumata an, aber die soziale Stigmatisierung im Zusammenhang mit psychischen Problemen hält viele davon ab, Hilfe zu suchen.

5. Neuankömmlinge sehen Unternehmertum als eine gute Möglichkeit, berufliche Ziele zu erreichen, haben jedoch mit einem eingeschränkten Zugang zu Kapital, Netzwerken und Technologie zu kämpfen.

6. Neuankömmlinge profitieren von Soft Skills-Trainings. Diese könnten für einige Neuzuwander*innen, denen in ihrem Geburtsland an Möglichkeiten mangelte, durch diese Möglichkeiten die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln, von größerer Bedeutung sein.

Für deutsche Unternehmer auf dem Arbeitsmarkt

7. Die Sprachbarriere ist eine der größten Herausforderungen für den Zugang zu Informationen und die Erleichterung der Integration.

8. Die Beschäftigungsmöglichkeiten entsprechen nicht den Qualifikationen und Fähigkeiten der Neuankömmlinge, insbesondere nicht denen mit höherer Bildung.

9. Es mangelt an gezielter Förderung, um Neuankömmlingen die Orientierung am Arbeitsmarkt zu erleichtern.

10. Neuankömmlinge sind oft der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt, insbesondere Frauen mit Kopftuch.

Übersicht: Politische Referenzen

1) European Commission, 13 April 2018, Results of special Eurobarometer on integration of immigrants in the European Union, https://ec.euro-pa.eu/home-affairs/news/results-special-eurobarometer-integration-immigrants-european-union_en (accessed 6 October 2019).

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G-100 ist eine Initiative der Diaspora Network Alliance (DNA), die Neuankömmlinge, darunter Geflüchtete und Mitglieder der Diaspora-Gemeinschaften, mit Experten und Entscheidungsträgern zusammenbringt, um Lösungen für die wichtigsten Herausforderungen zu erörtern, die im Integrationsprozess künftig zu bewältigen sind. Dies geschieht, wenn ein erleichterter Dialog zwischen relevanten Interessengruppen ermöglicht wird, der in politischen Empfehlungen mündet und Stimmen der Neuankömmlinge in der öffentlichen Debatte und Entscheidungsfindung erhöht. G100 wurde bisher in Amsterdam, Brüssel und jetzt auch in Berlin implementiert, um europaweit repliziert zu werden.

Dieses Kurzdossier spielt auf die Schlüsseldrosseln an, die sich aus einem erleichterten Dialog am 27. April ergaben. Bei diesem Forum diskutierten rund 50 Neuankömmlinge die wichtigsten Integrationsherausforderungen und politische Empfehlungen, die von ihnen ermittelt wurden und mit Fragen des bürgerschaftlichen Engagements, der Beschäftigung, der Bildung sowie des persönlichen Wachstums und Wohlbefindens in Verbindung standen. Dieses Kurzdossier hebt hervor, wie deutsche Entscheidungsträger eingreifen können, um die politischen Ziele der Integrationserleichterung zu erreichen.

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Integrationsräte verfügen häufig über eine beratende Funktion und können sich daher nur für die Interessen der Zuwander*innen einsetzen, aber keine verbindlichen Entscheidungen treffen. Die geringe Wahlbeteiligung bei vielen Betriebsratswahlen, die im Durchschnitt bei rund 10 Prozent liegt, stellt die Legitimität der Migrant*innenvertretungen erneut in Frage (Vicente 2011).“.

Politische Beteiligung und Repräsentation

Die Teilnehmenden waren der Meinung, dass Migrant*innen und Geflüchtete einen schweren Zugang zu Plattformen und Foren haben, die es ihnen ermöglichen könnten, sich mit dem politischen System auseinanderzusetzen oder die Politikgestaltung zu beeinflussen. Ungeachtet dessen waren sich die Teilnehmenden einig, dass eine große Menge an Informationen über Engagementmöglichkeiten in der Zivilgesellschaft und Politik vorhanden ist, jedoch bestehen weiterhin Hindernisse für den Zugang zu diesen Informationen, einschließlich Sprachbarrieren.

ANHALTSPUNKT: „Die Motivationsfaktoren für den Beitritt in eine deutsche Partei für Geflüchtete und Migrant*innen waren vielfältig, darunter politisches Engagement, sowie ehemalige Beteiligung in der Politik in ihren Herkunftsländern, aber auch die Möglichkeit, Erfahrungen in demokratischen Verfahrensweisen zu sammeln2)“. Die Teilnehmer würdigten die Dynamik des zivilgesellschaftlichen Aktivismus in Deutschland und begrüßten, dass Organisationen zunehmend nicht nur für, sondern auch mit Geflüchteten und Migrant*innen als gleichberechtigte Partner arbeiten - ein Trend, der laut den Teilnehmenden fortgesetzt werden sollte.

ANHALTSPUNKT: „Migrant*innen- und Geflüchtete-organisationen können als Brückenbauer zwischen der marantischen Bevölkerung und den lokalen Gemeinschaften fungieren und alternative Wege für politische Beteiligung bieten (Leinberger 2006). Obwohl das BAMF Migrant*innenorganisationen gezielt unterstützt, wurden die Beziehungen zwischen den staatlichen und Migrant*innenorganisationen kritisch diskutiert. Weiss (2013) weist darauf hin, dass staatliche Förderprogramme tendenziell größere Dachorganisationen, sowie ähnliche Projekte bevorzugen, die von Organisationen geleitet werden, die bereits in der Aufnahmegesellschaft etabliert sind3)“.

Angekommen und bereit mitzuhelfen

Nach einer ersten Orientierungsphase in Deutschland, äußerten viele Teilnehmende den Wunsch, aktive Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Viele sind bereits stark in zivilgesellschaftlichen Organisationen, als Gründer*innen/Mitarbeitende in Unternehmen und Start-ups sowie in der lokalen Politik engagiert. Dieses Engagement gründet ihnen das Gefühl, in der Gesellschaft angekommen zu sein und “Hilfe zurückgeben” zu wollen, aber auch in dem Wunsch nach Anerkennung des eigenen Potenzials und gesellschaftlichen Engagements.

ANHALTSPUNKT: „Eine Umfrage des IAB-BAMF-SOEP 2019 ergab, dass im Vergleich zu den Vorjahren immer mehr Geflüchtete beim Erlernen der deutschen Sprache und beim Abschluss von Integrationskursen Fortschritte gemacht haben. Dies zeigt deutlich, dass Geflüchtete den Prozess der Integration und des Deutschlernens beschleunigen wollen, um ihr eigenes bürgerschaftliches Engagement in der Gesellschaft zu verfolgen. Die Umfrage zeigt auch, dass mehr Menschen ohne Kinder Sprachlernprogramme wahrnehmen“.

Neudefinition der Integration

Insgesamt wurde der Begriff der Integration weitgehend hinterfragt und kritisiert. Viele Teilnehmende waren der Meinung, dass das Konzept der „Integration“ eine Homogenität innerhalb der Aufnahmegesellschaft suggeriert, die nicht der Realität entspricht, während gleichzeitig die Erwartung geweckt wird, dass Geflüchtete und Migrant*innen ihre Identität aufgeben. Die Teilnehmenden waren sich weitgehend einig, dass es eine Bewegung von einer assimilierenden Interpretation des Integrationsbegriffs hin zu einem Ansatz, der die Vielfalt der Menschen einbezieht, geben sollte. Im Integrationsprozess liegt die Verantwortung nicht nur bei Migrant*Innen und Geflüchteten sich anzupassen. Auch die aufnehmende Gesellschaft trägt die Verantwortung, diejenigen aktiv einzubeziehen, die sich der Gesellschaft anschließen und an ihr teilnehmen wollen.

ANHALTSPUNKT: „Eine Studie von Gesemann, Roth und Aumüller (2012) zur lokalen Integrationspolitik ergab, dass 64,2 Prozent der Gemeinden eine institutionalisierte Form der Migrantenvertretung haben, die entweder von Nichtdeutschen oder vom Gemeinderat gewählt wird.

Hauptintegrationsherausforderungen für Neuankömmlinge

HERAUSFORDERUNG 1: BÜRGERLICHES ENGAGEMENT

2)Ragab, N. and L. Antara, Political participation of refugees: The case of Afghan and Syrian refugees in Germany. Internatio-nal Institute for Democracy and Electoral Assistance, 2018.3)ibid

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Vom Job Center zum Arbeitsmarkt

Viele der Teilnehmenden berichten von einer gemischten Erfolgsbilanz der Jobcenter bei der Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Die angebotenen Dienstleistungen richten sich im Allgemeinen nicht an Personen aus anderen Ländern mit unterschiedlichem formellen und informellen Fachwissen und unterschiedlicher Ausbildung, insbesondere nicht an Personen mit hohen beruflichen Qualifikationen und Bestrebungen. Dies führt zu einer Beschäftigung, die nicht ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Ambitionen entspricht.

ANHALTSPUNKT: „Die Erwerbsbeteiligung wurde deutlich erhöht; 21 Prozent der seit 2013 in Deutschland angekommenen Geflüchtete waren in der zweiten Jahreshälfte 2017 erwerbstätig. Während zum Zeitpunkt der Studie die Schätzungen auf Basis der Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit einen weiteren Anstieg dieses Anteils auf 35 Prozent bis Oktober 2018 implizierten, stieg einem Bericht der BA (April 2019) zufolge die Beschäftigung im 2018 um 40%. Diese Tendenz wird mit dem Abschluss von Integrationsmaßnahmen wie der Teilnahme an Integrationskursen immer deutlicher“.

Arbeitsmarktorientierung

Die angebotenen Dienstleistungen entsprachen unter anderem nicht den Anforderungen hochqualifizierter Geflüchteter und Migrant*innen. Im Bereich der Arbeitsmarktorientierung fehlt es an individuell angepassten Beratungs-, Coaching- und Mentoringangeboten. Formelle und informelle Netzwerke sind für den Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten von hoher Bedeutung. Darüber hinaus berichteten viele Teilnehmende über diskriminierende Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt hinsichtlich ihres Migrations-/Fluchthintergrunds. Besonders sind davon Frauen betroffen, die ein Kopftuch tragen.

ANHALTSPUNKT: „Eine Studienanalyse zur Arbeits-marktleistung von Geflüchteten in der EU ergab als Hauptergebnis, dass „Flüchtlinge bessere Qualifikationen benötigen, aber nur niedrige Einkommen mit den bestehenden erzielen können“. Dies bedeutet, dass rund 30 Prozent der Geflüchtete an Arbeitsplätzen tätig sind, für die sie formal überqualifiziert sind, und ein Viertel von denen Berufen haben, deren Anforderungen über ihr formales Qualifikationsniveau hinausgehen. Das Durchschnittseinkommen von vollzeitbeschäftigten Geflüchteten liegt bei rund 55 Prozent des Durchschnitts-einkommens von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland5)“.

Die sprachlichen Anforderungen bleiben ein wesentliches Hindernis für den Zugang zu Beschäftigung. Die Teilnehmenden empfinden es als sehr wichtig, die deutsche Sprache zu beherrschen, weisen jedoch darauf hin, dass viele Arbeiten auch trotz geringerer Sprachkenntnisse oder in Englisch ausgeführt werden könnten. Die Sprachkenntnisse von geflüchteten Menschen (viele sprechen mehrere Sprachen) würden nur selten anerkannt oder genutzt.

ANHALTSPUNKT: „Die Herkunft aus einem Drittland beeinträchtigt erheblich die Beschäftigungsaussichten. Dieses Problem wurde bereits im Bericht über Beschäftigung und soziale Entwicklungen in Europa im Jahr 2015 hervorgehoben. Dies bedeutet, dass nichtbeobachtbare Faktoren wie rechtliche Hindernisse, eine geringe Anerkennung von Qualifikationen und Bildung oder Diskriminierung die Beschäftigungsaussichten von Flüchtlingen in so einem Maße beeinträchtigen, dass sie den Wert des Erwerbs besserer Qualifikationen und weiterer Bildung für Geflüchtete mindern“.

Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung

Während viele Teilnehmende über direkte oder indirekte Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung berichteten, sahen sie das Thema Rassismus nicht als vorherrschend in der Gesellschaft an.

ANHALTSPUNKT: „In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatten die Mainstream-Medien in europäischen Ländern die Tendenz, die Einwanderung mit negativen Bedrohungen wie Illegalität, Krise, Kriminalität

usw. in Verbindung zu bringen (Fitzgerald, Curtis & Corliss 2012). In den letzten Jahren ist eine stärkere Berichterstattung über den islamischen Terrorismus und einen Zusammenhang zwischen dem Ursprung der Muslime in Europa und dem Terrorismus zu beobachten. Aus diesem Grund wird oft angenommen, dass Medien “ein zusätzlicher Faktor“ für die Gestaltung feindlicher Einstellungen gegenüber den Migrant*innen sind, was dazu führt, dass die Einwanderer*innen als eine „Bedrohung“ für die Aufnahmegesellschaften betrachtet werden (van Klingeren, Boomgaarden, Vliegenthart & de Vreese, 2015, p. 269)4)“.

HERAUSFORDERUNG 2: ZUGANG ZUM ARBEITSMARKT

4) Caponio, T. and T. Cappiali, Exploring the current migration/integration ‚crisis‘. What bottom-up solutions?Vision Europe Summit, no date5) Peschner, J., Labour market performance of refugees in the EU. Working Paper 1/2017: Analytical support to the employment and social developments in Europe 2016 review (ESDE 2016) Chapter 3: The labour market and social integration of refugees in the EU, European Com-mission, 2017.6) ibid

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Von Integrationskursen zu Bildungskursen

Das Bildungssystem wurde im Allgemeinen als ziemlich unflexibel empfunden; es wurde mehr Wert daraufgelegt, die deutschen Standards zu wahren, als Talente und Qualifikationen zu nutzen, die Geflüchtete und Migrant*innen möglicherweise anbieten können. Zum Beispiel kämpften viele Teilnehmende um die Anerkennung ihrer ausländischen Bildungsnachweise in Deutschland, um ihre Ausbildung fortzusetzen oder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Ebenso werden praktische Kompetenzen und Berufserfahrung nicht ausreichend gewürdigt, was zu einer Demotivation neuer Fachkräfte führt. Darüber hinaus einigten sich die Teilnehmenden, dass eine Tendenz besteht, junge Migrant*innen und Geflüchtete zu beraten, eher eine Berufsausbildung als eine Hochschulausbildung zu absolvieren.

ANHALTSPUNKT: „Es ist zu beachten, dass es schwierig fällt, Bildungssysteme in den Herkunftsländern mit dem Bildungssystem in Deutschland zu vergleichen, und dass Abschlüsse nicht immer einfach zu klassifizieren sind (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2017b, c). Beispielsweise gehören Technische Hochschulen in Syrien zur Tertiärstufe, vermitteln jedoch gleichzeitig berufliche Qualifikationen, die in den Bereich der dualen Ausbildung in Deutschland fallen. Darüber hinaus sind die qualitativen Anforderungen an das Lernen und Üben in den Herkunftsländern im Vergleich zu den in Deutschland üblichen Standards unterschiedlich (ebenda)8)“.

Obligatorische Integrationskurse wurden von den Teilnehmern unterschiedlich bewertet. Im Durchschnitt war ein Kursabschluss mit höheren Sprachkenntnissen und höheren Beschäftigungschancen verbunden. Die Gestaltung dieser Kurse wurde jedoch dafür kritisiert, dass sie zeit- und ressourcenintensiv sind und nur selten angemessene Ergebnisse hinsichtlich des Sprachenlernens, des kulturellen Verständnisses im neuen Land oder der Vorbereitung auf Weiterbildung oder Arbeit liefern. Der Fokus sollte auf den Ergebnissen liegen, nicht auf der Anzahl der Studenten, die an Integrationskursen teilnehmen. Die Komponente des Deutschen in Integrationskursen müssen der tatsächlichen und praktischen Kommunikation größere Priorität einräumen. Einige Teilnehmende hätten ein fachspezifisches Sprachtraining vorgezogen, das einen schnelleren Einstieg in die Weiterbildung oder in den Arbeitsmarkt hätte ermöglichen können.

ANHALTSPUNKT: „Ein Bericht des BAMF aus dem Jahr 2019 über Beschäftigung und Bildung der Geflüchtete hat gezeigt, dass die Teilnahme an Integrationsprogrammen eng mit der Erwerbstätigkeit verbunden ist. 31 Prozent der Geflüchtete, die einen Integrationskurs absolviert haben, sind erwerbstätig, gegenüber 16 Prozent von denen, die daran noch nicht teilgenommen haben oder derzeit teilnehmen9)“.

HERAUSFORDERUNG 3: ZUGANG ZUR BILDUNG

Eigenständigkeit ist kein Luxus

Das Erreichen von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, die Entwicklung sozialer Netzwerke sowie der Erhalt persönlichen und psychischen Wohlbefindens sind für Geflüchtete und Migrant*innen nach oft schwierigen, manchmal aussichtslosen Ausreisen aus ihren Heimatländern und den Herausforderungen in einem neuen Land von entscheidender Bedeutung. Die Teilnehmenden teilten mit, dass Deutschland theoretisch viele Möglichkeiten bietet, ihre persönlichen Ziele zu verwirklichen, obwohl Hindernisse bestehen bleiben, die oben schon in Bezug auf Arbeitsmarkt, Bildung sowie bürgerschaftliches bzw. politisches Engagement ausgeführt wurden.

Darüber hinaus scheint die Betonung auf der Integration im öffentlichen Diskurs sowie die implizite Verpflichtung von Geflüchteten und Migrant*innen, „es zu schaffen“ zu vernachlässigen, dass viele erst seit einigen Jahren in Deutschland sind. Außerdem stehen Geflüchtete und Migrant*innen unter zusätzlichem Erfolgsdruck. Sie fühlen sich für das öffentliche Image aller Geflüchtete und

Migrant*innen verantwortlich und können es sich daher nicht leisten, zu scheitern, weil dies negative Stereotype aufrechterhalten kann.

Psychische Gesundheit angesichts sozialer Stigmatisierung

Viele Migrant*innen und Flüchtlinge haben mit psychosozialen Problemen zu kämpfen, und die Teilnehmenden betonten die zentrale Rolle der psychosozialen Unterstützung bei der Verbesserung des persönlichen Wohlbefindens, räumten jedoch ein, dass die soziale Stigmatisierung, die mit psychischen und emotionalen Problemen verbunden ist, Migrant*innen und Geflüchtete daran hindern kann, Hilfe zu suchen. Obwohl die Teilnehmende mitteilten, dass Informationen über Beratung, Dienstleistungen und Möglichkeiten vorhanden sind, stellten sie auch fest, dass es sich möglicherweise um eine „Informationsüberflutung“ handelt, da Einzelpersonen die für sie relevantesten Informationen nicht aussuchen können und daher keine richtige Entscheidung treffen können.

HERAUSFORDERUNG 4: PERSÖNLICHES WACHSTUM UND WOHLBEFINDEN

8) Stoewe, K., Education levels of refugees: Training and education in the main countries of origin. IW-Report 37/2017, Institut der Deutschen Wirtschaft, Cologne, 2017.5) Brücker, H. et al., Language skills and employment rate of refugees improving with time. Issue 01/2019 of the Brief Analysis by the Migration, Integration and Asylum Research Centre at the Federal Office for Migration and Refugees, 2019.

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ANHALTSPUNKT: „Laut eines kurzen Berichts des BAMF aus dem Jahr 2019 besteht für Geflüchtete ein höheres Risiko von psychischen Erkrankungen, als für die durchschnittliche Bevölkerung; das von ihnen gemeldete psychische Wohlbefinden ist in allen Altersgruppen geringer, und weibliche Geflüchtete weisen dazu ein schlechteres psychisches Wohlbefinden auf als Männer. Außerdem berichteten sie auch über ähnliche depressionsbedingte Symptome sowie das Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Gesundheitsrisiken hängen vom Herkunftsland und den Erfahrungen bei der Zwangsmigration ab; Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien und dem Irak sowie Menschen, die bei ihrer Ankunft in Deutschland ein oder mehrere negative Ereignisse erlebt haben, die zu Traumata oder psychischen Belastungen führen können, haben das höchste Risiko, an PTBS und Symptomen einer Depression zu leiden9)“. Entrepreneurship ermöglicht das Selbstverwirklichung

Geflüchtete und Migrant*innen sind auch vom globalen unternehmerischen Trend betroffen, der ermöglicht, die Eigenständigkeit, nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung zu erreichen. Viele Teilnehmende stellten fest, dass Unternehmertum und die Gründung eines eigenen Unternehmens nicht nur darauf zurückzuführen sind, dass man sich von anderen abheben möchte, sondern auch, dass manchmal die Notwendigkeit bestand, für sich selbst Möglichkeiten zu schaffen, die auf dem herkömmlichen Arbeitsmarkt fehlten oder unzugänglich waren. Für Migrant*innen und Geflüchteten sind bei der Gründung des eigenen Unternehmen im Vergleich zu ihren einheimischen Kollegen jedoch zusätzliche Herausforderungen zu erwarten, da sie einen niedrigen Zugang zum Finanzierungen, Netzwerken, und notwendige Technologien.

ANHALTSPUNKT: „Im gegenwärtigen Kontext der Globalisierung wird Unternehmertum als einer der Motoren für wirtschaftliches Wachstum auf europäischer Ebene zum Jahr 2020 als Schlüsselfaktor für wirtschaftliches Wachstum, sozialen Fortschritt und Beschäftigung angesehen. Die Förderung des Unternehmertums wird zunehmend als eine wirksame Vorgehensweise zur Bewältigung der Herausforderungen der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung von Migrant*innen und Geflüchteten betrachtet. In Aufnahmeländern kann das Unternehmertum von Migrant*innen und Geflüchteten dazu beitragen, eine sichere, regelmäßige und ordnungsgemäße Migration zu fördern, indem die Wahrnehmung von Migrant*innen und Geflüchteten in der Gesellschaft verändert wird. Für Herkunftsländer kann das Unternehmertum von Migrant*innen und Geflüchteten auch Möglichkeiten schaffen, indem es sowohl Investitionen als auch Entwicklung des Privatsektors stimuliert, insbesondere in Familien und Gemeinden zu Hause10)“.

Unterstützung der Soft Skills

Weibliche Geflüchtete und Migrantinnen, denen in ihrem Herkunftsland nicht viele Möglichkeiten zur Verfügung standen, benötigen wahrscheinlich extra Zeit, um ihre Ziele und Fähigkeiten zu entwickeln und neue Möglichkeiten nutzen zu können. Daher betonten die Teilnehmer neben den Hindernissen für die Bereitstellung fachspezifischer Kompetenzen die Bedeutung von Soft Skills - sowohl im beruflichen als auch im sozialen Bereich - bereits zu Beginn ihrer Zukunft, da diese Skills manchmal von ihren früheren Erfahrungen abweichen können.

9)ibid10) United Nations Conference on Trade and Development, Policy guide on entrepreneurship for migrants and refugees. UNCTAD/DIAE/2018/2, 2018.

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Politische Implikationen, Refernzen und Forderungen

Die oben beschriebenen Themen haben erhebliche politische Auswirkungen in Deutschland. Aufgrund der großen Zahl von Neuankömmlingen und der führenden Rolle Deutschlands in

Europa ist Deutschland in der Lage, positive Integrationsbeispiele zu setzen, die in Europa in den kommenden Jahren dringend benötigt werden.

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Migrant*innen durch bürokratische Verfahren und Papierkram zu begleiten.

Verbesserte Erreichbarkeit der Beratungsstellen

Die Erreichbarkeit von Beratungsstellen soll verbessert werden, indem beispielsweise in jeder Erstaufnahmeeinrichtung eine Beratungsstelle eingerichtet wird und die verfügbaren Mittel für mobile Migrationsberatungsstellen solcher Organisationen wie Rotes Kreuz erhöht werden.

Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung

Migrant*innen und Geflüchtete sollen über eine Möglichkeit verfügen, Botschafter ihrer Kulturen zu sein und nicht ihren Hintergrund und ihr Erbe minimieren oder aufgeben. Die Medien sollen in ihre Verantwortung und Rolle bei der Wahrnehmung von Flüchtlingen und Migrant*innen in der Gesellschaft einbezogen werden und von der Darstellung der Flüchtlingen und Migrant*innen als einer homogenen (und problematischen) Einheit abkehren, insbesondere durch:

• Abbauen der Vorurteile bei der Ausarbeitung von Themen über Geflüchtete und Migrant*innen sowie die Betonung der gemeinsamen Menschlichkeit.

• Widerspiegelung der Vielfalt der deutschen Gesellschaft in den Medien, zum Beispiel unter Nachrichtenreportern und anderen Schlüsselfiguren.

• Sensibilisierung der Öffentlichkeit einerseits für die Unterschiede zwischen den vordefinierten kulturellen und ethnischen Gruppen und andererseits für die überdurchschnittlichen Ähnlichkeiten zwischen diesen Gruppen bei der Bekämpfung von Stereotypen in den Medien.

• Sensibilisierung der öffentlichen Bediensteten für institutionelle Vorurteile, was zu Problemen im Umgang mit Migrant*innen und Geflüchteten führen kann.

Unterstützung der Beteiligung an politischen Parteien

Geflüchtete und Migrant*innen sollen ermutigt werden, sich politischen Parteien anzuschließen, und politische Parteien sollen sich ihrerseits an Geflüchteten- und Migrantengemeinschaften wenden. Um Geflüchtete und Migrant*innen als Wähler zu mobilisieren, ist es auch wichtig, in den Parteien die Probleme der Geflüchteten anzusprechen.

Facilitate political representation on the local level

Erleichterung der politischen Vertretung auf lokaler EbeneDie Verbreitung von Informationen über bestehende Institutionen und Organe, die eine nicht-traditionelle Form der Vertretung auf lokaler Ebene zur Verfügung stellen, wie z. B. regionale Beratungsgremien und Antidiskriminierungsstellen des Bundes, soll frühzeitig bei der Ankunft gewährleistet werden. In diesem Sinne reicht es nicht aus, sicherzustellen, dass diese Informationen in Integrationskursen zu erhalten sind. Für eine sinnvolle Anwendung dieser Ansätze ist jedoch Folgendes zu gewährleisten:

• universeller Zugang zu diesen Einrichtungen in allen Städten und Gemeinden Deutschlands

• Legitimität der Vertretung von Migrant*innen und Geflüchteten in diesen Gremien

• Aktive Rolle dieser Gremien bei der Gestaltung der Geflüchteten- und Einwanderungspolitik.

Verbesserung der Informationsbereitstellung

Die Bereitstellung von Informationen für Geflüchtete und Migrant*innen soll durch die Behörden verbessert werden, insbesondere:

• Verwendung verschiedener Sprachen — sowohl Offline, als auch Online sollen verschiedene Sprachen verwendet werden, der Sprachgebrauch soll nicht auf Deutsch beschränkt sein, sondern auf eine Reihe von Sprachen erweitert werden, die zumindest von der Mehrheit der Geflüchteten und Migrant*innen verstanden werden, insbesondere wenn es um sensibel Themen wie Rechte und Pflichten geht.

• Sprachstil — leicht verständliche Sprache sollte bürokratischen und komplexen Sprachstilen vorgezogen werden.

• Zugänglichkeit der Informationen — die Anzahl der Social-Media-Kanälen zur Verbreitung von Informationen, die für Geflüchtete und Migrant*innen relevant sind, soll durch die Behörden erweitert werden. Die Benutzerfreundlichkeit und Vollständigkeit bestehender Informationsplattformen soll überprüft werden, um sicherzustellen, dass Geflüchtete und Migrant*innen die benötigten Informationen leicht finden können.

• Bessere Zusammenarbeit zwischen Behörden und Freiwilligennetzwerken, um Geflüchtete und

Über bürgerschaftliches Engagement

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Erleichterung der Navigation auf dem Arbeitsmarkt

Geflüchteten- und Zuwandererfachkräfte sollen bei der Bewertung ihrer Fähigkeiten, einschließlich ihrer vorherigen Berufserfahrung unterstützt werden. Außerdem soll eine Anleitung bei der Umstellung dieser Fähigkeiten auf die neuen Möglichkeiten des Arbeitsmarktes gewährleistet werden.

Bereitstellung eines alternativen Zugangs zur Beschäftigung

Ein kreativer Zugang zum Arbeitsmarkt, der Freiwilligentätigkeiten oder Praktika als Einstieg in den Arbeitsmarkt umfassen kann, soll gefördert werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit nicht dauerhaft wird, was auch zu „Bildungsverschwendung“ führen kann oder Personen vom Zugang zu qualifizierten Arbeitsplätzen abhalten kann.

Erleichterung des Markteintritts

Arbeitgeber, Kommunen und Geflüchtetenfachkräfte sollen in die Umsetzung skalierbarer und nachhaltiger Ansätze zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs einbezogen werden, z. B. eines Kreditinstituts, das Praktika für Geflüchtete und Migranten bezuschusst und damit deren Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtert.

Förderung der Mentoring-Programme

Die Dienstleistungen, die derzeit in Jobcentern angeboten werden sollen durch individuelle Beratungsprogramme wie Mentorship, Buddy-Programme und Karriere-Coaching erweitert werden.

Arbeitgeber anvisiertDie Beschäftigung, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, soll durch Bereitstellung zugänglicher und verlässlicher Informationen zu Optionen und Verfahren für Geflüchtete und Migrant*innen erleichtert werden; außerdem spielt die Sensibilisierung für bewusste und unbewusste Vorurteile und Stereotypen eine große Rolle.

Verbesserung des beruflichen Sprachtrainings

Die Möglichkeit eines Sprachtrainings am Arbeitsplatz, das für den erforderlichen beruflichen Hintergrund und die Kommunikationsbedürfnisse eines Mitarbeiters sinnvoll sein kann, soll auch erwägt werden. Dies gilt insbesondere für Berufe, für die keine vollständigen Deutschkenntnisse erforderlich sind.

Für faire Chancen sorgen

• Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt soll bekämpft werden, unter anderem durch Überarbeitung und Verstärkung des deutschen Antidiskriminierungsgesetzes sowie durch die Erstellung einer Medienkampagne über die Auswirkungen der Diskriminierung.Die Vielfalt und Einbeziehung sollen durch die Schulung von Personalabteilungen und Talent Acquisition Managern gesteigert werden, um verborgene Vorurteile über Migrant*innen und Geflüchtete bei Personalvermittlern auszuräumen.

• Die Sensibilisierung für die Potenziale und Talente, die Migrant*innen und Geflüchtete in Unternehmen mitbringen können, ist von großer Bedeutung.

• Anonyme Bewerbungen, die die Häufigkeit von Diskriminierungen bei der Einstellung von Mitarbeiter*innen verringern können, sollen auch gefördert werden.

Unterstützung der Beteiligung an Förderung der Selbstorganisation

Die Selbstorganisation von Migrant*innen und Geflüchteten soll gefördert werden, um diese Gruppen zu befähigen, ihre Anliegen und Interessen deutlich zu definieren und zu vertreten, sowie auch Plattformen zu schaffen, die mehr Geflüchtete und Einwanderer*innen in Fragen einbeziehen, die ihre Gemeinschaften betreffen. Dies kann ihnen auch eine gute Möglichkeit bieten, mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten.

Unterstützung der lokalen Bevölkerung bei Integrationsprozessen

Initiativen, bei denen Einheimische Migrant*innen und Geflüchtete beim Erlernen der Sprache, sowie beim Verstehen der lokalen Normen und Werte und beim Nehmen der bürokratischen Hürden unterstützen, sollen auch gefördert werden.

Fördern der gleichrangigen Unterstützungsnetzwerke

„Peer-to-Peer“ Unterstützungsnetzen, die Neuankömmlinge mit Migrant*innen und Geflüchteten verbinden, die seit längerem in Deutschland leben, sollen auch gefördert werden; außerdem soll dieses informelle Hilfsnetzwerk mit den offiziellen staatlichen Institutionen integriert werden.

ÜBER DEN ZUGANG ZUM ARBEITSMARKT

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Bereitstellung von mehreren Wegen zur Hochschulbildung

Wenn es um studentische Geflüchtete mit unterschiedlichem Bildungshintergrund geht, soll man sich eher auf wertorientierte Bildung als auf Bildungszeugnisse konzentrieren. Es sollten mehr Fahrspuren auf dem Weg zur Bildung hinzugefügt werden, damit Schüler ihr Tempo anpassen und ihre Ziele erreichen können. Ähnliche Maßnahmen würden auch Folgendes beinhalten:

• Eröffnung der Wege zu Universitäten durch Unterstützung der Studierenden bei der Erlangung von Leistungspunkten für in ihrem Heimatland absolvierte Studienleistungen und Einführung von Aufnahmeprüfungen für Studierende mit Vorbildung, jedoch ohne Dokumentation.

• Förderung und Verbesserung der Stipendien- und Finanzierungsmöglichkeiten, die Geflüchteten und Migrant*innen den Zugang zur Hochschulbildung ermöglichen könnten, insbesondere die Verfügbarkeit von Finanzmitteln im Rahmen des BAföG-Programms.

• Ermöglichung kombinierter Bildungsprogramme, in denen Berufsausbildung und Sprachenlernen zusammen angeboten werden, damit die Zeit für das Erreichen des Sprachniveaus C1 begrenzt wird.

• Einführung eines standardisierten Kompetenztests für Geflüchtete und Migrant*innen, deren Bildungsnachweise nicht anerkannt werden können, um ihre Kompetenzen einschätzen und anschließend diesen Einzelpersonen geeignete Stellen, Studienprogramme oder duale Lehrstellen zuordnen zu können.

Übergang von Integrationskursen zu Integrationspraktiken

Integrationskurse sollen mithilfe des Feedbacks von Migrant*innen- und geflüchteten Studierenden, die bei diesen Kursen mitmachen oder die bereits absolviert haben, überprüft, bewertet und verbessert werden. Außerdem sollen Geflüchtetenfachkräfte aus den Bereichen Pädagogik, Sozialarbeit und anderen verwandten Sphären einbezogen werden, die ihre Sichtweise vom Thema Bildungsbedürfnisse vertreten können.

Qualität der Deutschkurse verbessern

Es soll ein hohes und durchgängiges Qualitätsniveau der Deutschkurse gewährleistet werden, unter anderem durch besser qualifiziertes Lehrpersonal, mehr Möglichkeiten zur Interaktion mit Muttersprachlern sowie auch folgendermaßen:

• Praktisch: beispielsweise mithilfe der Tandem- oder Gastfamilienprogramme zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, um das Erlernen der Sprache und den Kontakt zur Gastbevölkerung zu erleichtern.

• Flexibel: Der Zugang zu Sprachkursen kann erleichtert werden, indem verschiedene Kurspläne oder Betreuungsmöglichkeiten für Einzelpersonen mit Kindern angeboten werden.

• Inklusiv: Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen soll erweitert werden, um sicherzustellen, dass Flüchtlings- und Migrantenkinder Zugang zu frühkindlicher Bildung haben, um die Zielsprache zu lernen und sich mit der deutschen Gesellschaft vertraut zu machen

Orientierung für das richtige Training erleichtern

Informationen über das Bildungssystem in Deutschland sollen verfügbar und transparent gemacht werden, insbesondere der Unterschied zwischen Hochschul- und Berufsbildung und die Möglichkeiten, beides zu kombinieren; Migrant*innen und Geflüchteten sollen unvoreingenommene Informationen darüber bekommen, welchen Weg sie einschlagen können. Darüber hinaus sollen die Eltern über das Bildungssystem in Deutschland besser informiert werden, sowie über die Möglichkeiten für ihre Kinder und die Konsequenzen für ihre zukünftige Bildungschancen, insbesondere hinsichtlich der Wahl der weiterführenden Schule.

ÜBER DEN ZUGANG ZUR BILDUNG

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Aussichten für eine stabile Zukunft verbessern

• Psychologische Sicherheit und Stabilität sind für das persönliche Wohlbefinden von grundlegender Bedeutung; Ein unsicherer Rechtsstatus, kurzfristige Aufenthaltstitel oder eine Trennung von der Familie tragen hingegen nicht zu persönlichem Wachstum und Wohlbefinden bei.

• Man muss auch anerkennen, dass Geflüchtete und Migrant*innen Zeit brauchen, um einige kulturellen Codes, soziale Normen und Soft-Skills zu verstehen und zu erlernen, die ihnen möglicherweise unbekannt sind; Dieser Lernprozess soll durch mehr Interaktion mit der lokalen Bevölkerung, durch „Buddy-Systeme“ und im Rahmen überarbeiteter Integrationskurse erleichtert werden.

Den Zugang zu psychosozialer Unterstützung erleichtern

• Die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von psychosozialen Unterstützungsdiensten, einschließlich solcher, die in anderen Sprachen als Deutsch angeboten werden, soll verbessert werden.

• Die Behörden, Arbeitgeber und Dienstleister, die mit Geflüchteten und Migrant*innen in Kontakt stehen können, sollen für psychosoziale Probleme, mit denen sie möglicherweise konfrontiert werden, sensibilisiert.

• Psychosoziale Probleme sollen destigmatisiert und mehr Offenheit soll bei der Suche nach Unterstützung geschafft werden, indem diese Probleme beispielsweise im Rahmen überarbeiteter Integrationskurse eingegangen werden und das Überweisungsverfahren anderer Institutionen zu psychosozialen Diensten, mit denen Migrant*innen und Geflüchtete in Kontakt kommen, verbessert wird.

Erleichterung des Zugangs zu Informationen über die persönliche Entwicklung

Es ist notwendig einen neuen umfassenden Online-Plattform zu entwickeln, um das Bewusstsein und den Zugang von Neuankömmlingen zu Informationen über psychosoziale Gesundheit, Selbstentwicklung und Navigationsbürokratie zu verbessern, was verschiedene bestehende Initiativen verbindet.

ÜBER DAS PERSÖNLICHE WACHSTUM UND WOHLBEFINDEN

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FÜR MEHR INFORMATION

Wir bedanken uns bei Karoline Popp und Lisa Dornbach für die neutrale und ehrenamtliche Analyse des Inputs und Outputs des G100-Vorkonferenzworkshops im April 2019, was diesen Report ermöglicht hat.

Diaspora Network Alliance, Chaussee d’Ixelles 204, 1050 Brussels, Belgium

März 2019 – November 219

www.g-100.com

Koordinatorin: [email protected]

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