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Sprache und Sprachwandel im 20. Jahrhundert Annatina Seifert Wintersemester 2002 / 2003 5. Semester Prof. Christa Dürscheid Feldmoosstrasse 3 Thema: Politische Sprache 8800 Thalwil Politische Sprache – Theoretische Überlegungen und Analyse einer Bundesratserklärung vom 25. Juni 1940 Thalwil, den 31. März 2003

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Sprache und Sprachwandel im 20. Jahrhundert Annatina Seifert

Wintersemester 2002 / 2003 5. Semester

Prof. Christa Dürscheid Feldmoosstrasse 3

Thema: Politische Sprache 8800 Thalwil

Politische Sprache – Theoretische Überlegungen

und Analyse einer

Bundesratserklärung vom

25. Juni 1940

Thalwil, den 31. März 2003

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1. Einleitung 03

2. Theoretische Aspekte 04 2.1 Funktionen politischer Sprache und ihr Verhältnis zum politischen

System 04

2.2 Ziel und Nutzen der sprachwissenschaftlichen Analyse politischer

Reden 07

2.3 Die Bundesratserklärung 08

3. Beispielanalyse: Die Pilet-Rede 09 3.1 Geschichtlicher Hintergrund und konkret-historische Situation 10

3.1.1 Die Weltlage und die Situation der Schweiz 10

3.1.2 Die konkret-historische Situation und die Person Pilet-Golaz‘ 11

3.2 Linguistische Analyse der Pilet-Rede 12 3.2.1 Schlüsselbegriffe 12

3.2.2 Rhetorische Figuren 14

3.2.2.1 Lexikalische Figuren 14

3.2.2.2 Syntaktische und gedankliche Figuren 16

3.2.3 Argumentationsanalyse 18

3.3 Wirkung und Redekritik 19

4. Schluss 22

Bibliographie 25

Anhang: Radioansprache von Pilet-Golaz 28

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1. Einleitung „Es waren mutige, nach aussen würdig, nach innen väterlich klingende Worte [...]“ (National-

Zeitung, 26. Juni 1940). „Der Bundesrat möge uns in einer klaren und weniger blumenreichen

Sprache sagen, was er will [...]“ (Berner Tagwacht, 27. Juni 1940.) „[...] wirklich kraftvollen

Äusserungen unserer Landesbehörde [...]“ (Leserbrief in der Neuen Zürcher Zeitung, 29. Juni

1940.) „Im ganzen hätte die bundesrätliche Rede über das Zu-viel-Reden kürzer sein können

und dafür aufschlussreicher.“ (Berner Tagwacht, 26. Juni 1940.) - Widersprüchlicher als diese

Kommentare zu einer Radioansprache vom 25. Juni 1940, gehalten vom damaligen

schweizerischen Bundespräsidenten Marcel Pilet-Golaz1, könnten die Pressereaktionen auf

eine Politikerrede kaum sein.

Solch unterschiedlichen Deutungen stellen keinen Einzelfall dar, sondern sind für politische

Reden symptomatisch. Weshalb diese Widersprüche und unterschiedlichen Interpretationen

ein und derselben Rede? Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte in der sprachlichen

Realisierung der Rede gesucht und – wie ich in dieser Arbeit zu zeigen versuchen werde –

gefunden werden.

Die angeführten Beispiele zeigen, dass die Rede eines Politikers nicht von allen Rezipienten

gleich interpretiert wird. Da sich politische Kommunikation im Allgemeinen und die Form

der politischen Rede im Besonderen primär in sprachlicher Form konstituiert, beschäftigt sich,

neben anderen Wissenschaften wie der Soziologie oder der Politologie, auch die

Sprachwissenschaft mit diesem komplexen Bereich: Ein Zweig der angewandten Linguistik,

die sogenannte Politolinguistik2, beschäftigt sich mit der Analyse, Kategorisierung,

Typisierung, Dokumentation und Kritik der Sprache der Politik. Im Rahmen dieser

empirischen Forschungsrichtung möchte ich mich mit der Problematik politischer Sprache

auseinandersetzen. In einem ersten Teil werde ich einige theoretische Aspekte der politischen

Sprache untersuchen und dabei Fragen nach den Funktionen der politischen Sprache, nach

ihrem Verhältnis zum politischen System und nach dem Ziel und Nutzen

sprachwissenschaftlicher Beschäftigung mit politischen Texten zu klären versuchen. Die

Beschreibung der Eigenschaften einer speziellen Form politischer Kommunikation, nämlich

der Bundesratserklärung3, schliesst dieses Kapitel ab und leitet zum zweiten Teil über. Dieser

1 Im Folgenden werde ich diese Rede als Pilet-Rede bezeichnen. 2 Bezeichnung nach Burkhardt (1996): Bereich der Sprachwissenschaft, der sich mit der Erforschung von Sprache und Rede in der Politik beschäftigt. Wird teilweise auch Sprache-und-Politik-Forschung genannt. (Girnth, 2002) 3 Synonym zu dem Begriff ‚Bundesratserklärung‘ werde ich ‚Regierungserklärung‘, ‚Bundesratsansprache, ‚Bundesratsrede‘, ‚Regierungsrede‘, ‚bundesrätliche Ansprache‘, ‚bundesrätliche Rede‘ oder ‚Regierungsansprache‘ gebrauchen.

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versteht sich als Versuch, die eingangs erwähnte Bundesratsansprache vom 25. Juni 1940

linguistisch zu analysieren und die im ersten Teil erarbeiteten theoretischen Grundlagen

anzuwenden.

2. Theoretische Aspekte 2.1 Funktionen politischer Sprache und ihr Verhältnis zum

politischen System Als Einstieg in die Thematik der „politischen Sprache“ möchte ich die Frage aufgreifen, was

eigentlich „politische Sprache“ bedeutet, in welchem Verhältnis sie zum politischen System

steht und welche Funktionen sie darin innehat.

Gemäss einer Definition von Armin Burkhardt (1996) beinhaltet der Begriff „politische

Sprache“ „alle Arten öffentlichen, institutionellen und privaten Sprechens über politische

Fragen, alle politiktypischen Textsorten, sowie jede für das Sprechen über politische

Zusammenhänge charakteristische Weise der Verwendung lexikalischer und stilistischer

Sprachmittel“. (Burkhardt, 1996: 79) Dieser sehr weitgefasste Begriff von politischer Sprache

umfasst sowohl das Sprechen über Politik, sei es im privaten, sei es im öffentlichen Bereich

der Medien, als auch die Binnen- und Aussenkommunikation der Politiker.

Da der Ausdruck „politische Sprache“ den Begriff „Politik“ impliziert, möchte ich den meiner

Arbeit zugrundeliegende Politikbegriff ebenfalls kurz definieren. Ich schliesse mich Lübbe

(1975: 107) an, der Politik als „die Kunst im Medium der Öffentlichkeit

Zustimmungsbereitschaft zu erzeugen“ versteht, also eine sehr eng gefasste, stark

kommunikationsorientierte Definition des Begriffs „Politik“ favorisiert. Konstitutive

Merkmale eines solchen Politikbegriffes sind demnach persuasive Fähigkeiten der Politiker

und das Gebundensein an die Institution der Öffentlichkeit. In die gleiche Richtung geht

Dieckmanns Definition: Er bestimmt Politik als „staatliches oder auf den Staat bezogenes

Reden.“(Dieckmann, 1975: 29) Dass es, ich möchte sagen: leider, neben sprachlichem auch

noch andere Formen politischen Handelns, wie zum Beispiel Gewalt, gibt, schliesse ich nicht

aus, ist aber für diese Arbeit nicht relevant.

Die Definitionen von Lübbe und Dieckmann führen uns direkt zur Frage nach dem Verhältnis

zwischen Sprache und Politik. Die Forscher4 sind sich weitgehend einig darüber, dass Politik

4 Für die Bezeichnung „Forscher und Forscherinnen“ und ähnliche Wendungen wird in der Folge einfachheitshalber nur die männliche Form verwendet. Die Weibliche ist dabei aber selbstverständlich immer mitgemeint.

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ohne Sprache nicht denkbar ist. Rau formuliert dies so: „(Sprache [meine Hinzufügung])

spielt in der Politik eine zentrale Rolle. (Sie ist eine [meine Hinzufügung]) der

Grundbedingungen für alle Politik.“ (Rau, 1996: 19) Schily geht sogar noch weiter und

postuliert, dass Politik „auf Sprache angewiesen“ ist und „nur durch Sprache existiert“

(Schily, 2000: 126) Ob jedoch politisches Handeln mit sprachlichem Handeln gleichgesetzt

werden darf, ist in der Forschung umstritten. Während Politolinguisten, vor allem in

Anlehnung an sprachhandlungsorientierte Ansätze, dazu tendieren, politische Tätigkeit mit

sprachlicher Tätigkeit gleichzusetzen, weisen Politikwissenschaftler sprachlichem Handeln in

der Politik eine untergeordnete Rolle zu.5 (vgl. Girnth, 2002: 2) Ich bin nicht in der Lage,

diese kontroverse Frage zu entscheiden, gehe jedoch im Folgenden davon aus, dass der

Sprachgebrauch in der Politik die Voraussetzung für ein gemeinsames Handeln schafft, bzw.

ein Teil dieses politischen Handelns darstellt.

Wie wir gesehen haben, besteht zwischen einem politischen System und der darin zur

Anwendung kommenden politischen Sprache eine enge Wechselwirkung. Süssmuth drückt

dies folgendermassen aus: „Insofern ist der öffentliche Sprachgebrauch immer auch

Seismograph des Zustandes unseres demokratischen Gemeinwesens. Er ist Ausweis der

Freiheit des einzelnen wie gesellschaftlicher Gruppen in der parlamentarischen Demokratie.“

(Süssmuth, 1996: 17) Vergleicht man demokratische Gesellschaften mit autoritären Regimes,

wird schnell deutlich, dass sich die elementaren Unterschiede dieser beiden

Regierungsformen auch in der jeweiligen politischen Sprache niederschlagen. Die

Unterdrückung und Gleichschaltung wird in totalitären Regimes auch sprachlich realisiert:

„So haben die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung nicht ohne Grund auch

sprachliche Zwangsmassnahmen ergriffen, haben die Verwendung bestimmter

Bezeichnungen erzwungen, den Gebrauch anderer Ausdrücke unter Strafe gestellt. [...] (Auch

[meine Hinzufügung]) in der damaligen DDR (gab es [meine Hinzufügung]) durchaus

massive Versuche einer Sprachlenkung der Bevölkerung durch ideologisch-terminologische

Indoktrination.“ (Süssmuth, 1996: 17) Während also in einem totalitären System auch die

öffentlich-sprachliche Freiheit eingeschränkt ist, zeichnet sich eine pluralistische Demokratie

genau dadurch aus, dass sie „durch heterogene Begriffe und Konzepte der einzelnen

gesellschaftlichen Gruppen wie ihrer Dispute und Kontroversen um die Verwendung

bestimmter Begriffe geprägt ist.“ (Süssmuth, 1996: 17)

5 Geht man nämlich davon aus, dass politisches Handeln mit sprachlichem Handeln identisch ist, hört Politik dort auf, wo sie sprachlos wird. (vgl. Girnth, 2002: 2) Diese Position vertreten zum Beispiel Dieckmann (1975: 29) und Grünert (1974: 1)

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Die Frage nach den Funktionen politischer Sprache wurde und wird von den Politolinguisten

verschieden beantwortet. Während bei Dieckmann (1981) die Funktion des öffentlich-

politischen Sprechens explizit darin besteht, „beim Adressaten, den Bürgern oder Teilgruppen

der Bürger, Zustimmung für politische Ziele, Programme, Massnahmen zu erlangen [...]“

(Dieckmann, 1981: 138), misst Klein (1995) der Persuasion weniger Gewicht bei und nennt

als erste Funktion der politischen Kommunikation, den Politikern und deren Parteien zu

politischem Erfolg zu verhelfen.(vgl. Klein 1995: 92) Nach der Grice’schen Theorie lautet die

Maximenformel für politisches Sprechen bei Dieckmann: Spreche so, dass du deine Zuhörer

überzeugst!6, bei Klein jedoch: Spreche so, dass du politisch erfolgreich bist und setze „soviel

Persuasivität (ein [meine Hinzufügung]), wie unter den gegebenen Umständen politisch

zweckmässig“ (Klein, 1995: 93) ist. Demzufolge lautet das oberste Ziel politischer

Kommunikation bei Dieckmann ‚Persuasion‘, bei Klein ‚politischer Erfolg‘. Für Klein ist die

Persuasion nur eines von mehreren Mitteln zur Erreichung dieses Ziels. Klein argumentiert,

dass der im Gefolge der neuen Medien wesentlich veränderte öffentlich-politische

Sprachgebrauch zwangsläufig auch andere Ziele verfolgt und nach anderen Kriterien verfährt,

als die antike Redekunst und deren Nachfolgetheorien.

Insgesamt lässt sich also sagen, dass die gesellschaftlich-politische Wirklichkeit und die

politische Sprache sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Ich vertrete den Standpunkt,

dass die Sprache nicht nur irgendein Werkzeug der Politik ist, sondern diese erst ermöglicht,

da die Politik „durch Sprache entworfen, vorbereitet, ausgelöst, von Sprache begleitet,

beeinflusst, gesteuert, geregelt, durch Sprache beschrieben, erläutert, motiviert, gerechtfertigt,

verantwortet, kontrolliert, kritisiert, be – und verurteilt“ (Grünert 1983: 43) wird.

Obwohl in der heutigen Zeit das oberste Ziel aller Politiker politischer Erfolg ist und die

Sprache die Funktion hat, bei der Erreichung dieses Ziels mitzuhelfen, möchte ich doch

darauf hinweisen, dass die Persuasion nach wie vor die dominierende Funktion der politischen

Sprache darstellt. Denn letztendlich bedeutet politischer Erfolg nichts anderes als langfristig

wirksame Persuasion, sei es für konkrete Ziele, sei es für einzelne Kandidaten oder für

Parteiprogramme. Funktionen wie ‚informieren‘ oder ‚integrieren‘ sehe ich als Mittel zur

Erreichung der Persuasion an.

6 Dem liegt folgendes, von Grice formuliertes Kooperationsprinzip zugrunde: „Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“ (Grice1979: 248)

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2.2 Ziel und Nutzen der sprachwissenschaftlichen Analyse

politischer Reden Die in der Einleitung zitierten Kommentare zur Pilet-Rede verdeutlichen, dass die politische

Sprache für den Bürger oft undurchschaubar, zweideutig oder schlicht unverständlich ist. Dies

hat widersprüchliche Deutungen ein und derselben Rede zur Folge, welche Verwirrung stiften

und dazu führen können, dass viele Bürger den Politikern mehr und mehr Aufmerksamkeit

und Vertrauen entziehen. Wenn der Staatsbürger einer Demokratie die Sprache der Politiker

nicht mehr versteht oder ihr prinzipiell nicht mehr vertraut, besteht die Demokratie nur noch

auf dem Papier, eine aktive Beteiligung des Bürgers am Staatsgeschehen ist nicht mehr

möglich. Johannes Bock (1982) formuliert diesen Missstand in seinem Buch Zur Inhalts- und

Funktionsanalyse der Politikerrede; Ein Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation

zwischen Staatsbürger und Politiker folgendermassen: „[...] es (darf [meine Hinzufügung]) in

einer parlamentarische Demokratie nicht darum gehen [...], die politische Beteiligung des

Staatsbürgers auf formalisierte Wahlakte zu beschränken. Vielmehr erfordert eine politische

Partizipation des Bürgers auch die Fähigkeit, den direkten Repräsentanten des

Politikgeschehens, den Politiker, so gut zu verstehen, dass eine eigene Urteilsbildung und eine

Entscheidungsfindung für oder gegen eine Sache, für oder gegen den betreffenden Politiker

generell möglich werden.“ (Bock, 1982: 1) Zur Beseitigung dieses Problems, schlägt Bock

vor, dass „die politische Sprache für den einzelnen Bürger durchschaubarer, verstehbarer und

kritisierbarer gemacht werden“ (Bock, 1982: 1) sollte. Genau darin sehe ich die Hauptaufgabe

linguistischer Beschäftigung mit politischer Kommunikation. Indem wir Techniken, Prozesse

und Strategien des politischen Sprachgebrauchs offenlegen, ermöglichen wir eine objektivere

Beurteilung politischer Texte und helfen den Bürgern, eigene Entscheidungen in politischen

Belangen zu treffen. Keineswegs können linguistische Analysen verschiedenen

Interpretationen politischer Texte und Reden vorbeugen, da diese immer zu einem grossen

Teil von der jeweiligen Weltanschauung geprägt sind. Sie können jedoch jedem einzelnen das

Werkzeug in die Hand geben, die Interpretationen anderer in Frage zu stellen und eine eigene

Deutung zu versuchen. Man ist nicht mehr so leicht durch gekonnte Rhetorik zu beeinflussen.

Wer kennt das Gefühl nicht, den geschickten Formulierungen der Politiker wehrlos

ausgeliefert zu sein? Besonders bei politischen Fragen, die uns direkt betreffen, fällt es uns oft

schwer, uns ein adäquates Bild der Lage zu machen. Mir ist es schon oft so ergangen, dass ich

sowohl den Argumenten der Befürwortern einer politischen Streitfrage als auch jenen der

Gegner beipflichtete, da beide so geschickt und überzeugend vorgetragen wurden. Als ich

mich dann für die Pro- oder die Kontraseite entscheiden sollte, fiel mir dies äusserst schwer.

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Kenntnisse über die rhetorischen Strategien und sprachlichen Mittel könnten in einem solchen

Fall helfen, eine rationale Entscheidung aufgrund möglichst objektiver Informationen zu

fällen.

Das Dekodieren von politischen Äusserungen fällt vielen schwer. Die Beispielanalyse der

Pilet-Rede im zweiten Teil dieser Arbeit wird zeigen, wie komplex ein solcher politischer

Text aufgebaut sein kann und wie schwierig seine Dekodierung für die damaligen Bürger

gewesen sein muss, welche die Ansprache nur einmal im Radio hörten. Zudem fehlte ihnen

die zeitliche Distanz, die das Durchschauen der Strategien ebenfalls erleichtert. Den Zweck

einer Analyse historischer Politikerreden sehe ich darin, den Sinn für die sprachliche

Komplexität solcher Reden zu schärfen, um auch aktuelle politische Sprechakte mit einer

gewissen wissenschaftlichen Distanz betrachten und analysieren zu können.

2.3 Die Bundesratserklärung Der Begriff ‚politische Sprache‘ umfasst viele verschiedene Formen politischen

Sprachgebrauchs. Dazu zählt, als Unterform der Politikersprache, auch die

Regierungserklärung, die, repräsentiert durch die bundesrätlichen Radioansprache zum

Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich, Gegenstand meiner Beispielanalyse

sein wird. Ich möchte deshalb diese Textsorte etwas genauer definieren.

Der Terminologie Burkhardts folgend, bezeichnet „Politikersprache“ „die

Aussenkommunikation der durch den (befristeten) Besitz öffentlicher Ämter definierten

Personengruppe“. (A. Burkhardt 1996: 81) Die Bundesratserklärung ist eine spezielle Form

dieser Politikersprache. Ihr Emittent ist ein Mitglied der Exekutive eines Staates7. Es handelt

sich also hierbei um das Zusammenfallen der Institution und der Person des jeweiligen

Bundesrats als Urheber. Der Sprecher repräsentiert einerseits sich selbst und kann für das

Gesagte „politisch und sogar straf- und zivilrechtlich verantwortlich gemacht werden“

(Girnth, 2002: 73), andererseits aber auch den Staat. Diese doppelte Urheberschaft ist eine

wesentliche Eigenschaft der Regierungserklärung. Als Folge davon muss die

kommunizierende Regierungsperson nicht nur für sich sprechen, sondern immer auch die

Maxime: ‚Spreche so, dass du der Institution, deren Rollenträger du bist, nicht schadest’

befolgen. Bei der Beurteilung einer Bundesratsrede muss dieser Aspekt dementsprechend

ebenfalls beachtet werden. (vgl. Klein 1995: 77 – 78)

7 In diesem Fall der Schweiz.

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Ein weiteres Merkmal der Regierungserklärung ist ihre fehlende Spontaneität. Die Rede wird

im Normalfall vorbereitet, niedergeschrieben und dann abgelesen. Stilistisch gesehen ist eine

solche Rede in einer gehobenen Standardsprache gehalten. Inhaltlich handelt es sich bei den

Regierungserklärungen oft um Lagebeurteilungen oder Zukunftsperspektiven, um

rückwirkende Rechtfertigung oder Erklärung und Legitimierung des zukünftigen Handelns.

Auch wenn eine gute Regierungsansprache strukturell dialogisch aufgebaut sein sollte, wird

sie meist monologisch realisiert, für die Zuhörer besteht keine Möglichkeit zu diskutieren,

nachzufragen oder zu widersprechen. Im heutigen Zeitalter der Massenmedien wendet sich

eine bundesrätliche Ansprache prinzipiell immer an sämtliche Bewohner eines Landes. Diese

Addressatengruppe ist bereits in sich äusserst heterogen. Rechnet man damit, dass die Rede

auch in ausländischen Medien ausgestrahlt und rezipiert wird, erweitert sich das

Adressatenspektrum noch um ein Vielfaches. Man kann hier also definitiv von einer

„Adressatenpluralität“ (Klein, 1995: 79) sprechen. Zentraler Aspekt dabei ist, dass der

sprechende Politiker nie im Voraus genau weiss, wer seine Rede rezipieren wird. Darin liegt

auch ein wesentlicher Grund dafür, dass solche Reden oft ziemlich vage und zweideutig sind.

Eine Bundesratserklärung ist also eine Unterform der Politikerrede und zeichnet sich durch

ihre doppelte Urheberschaft, ihre fehlende Spontaneität, ihre monologische Realisierung,

sowie ihrer Mehrfachadressiertheit aus. Sie hat stark appellativen Charakter und behandelt

aktuelles Geschehen oder entwirft Zukunftsperspektiven.

3. Beispielanalyse: Die Pilet-Rede Die bis anhin herausgearbeiteten Grundlagen und Aspekte politischer Sprache möchte ich nun

exemplarisch auf eine Rede anwenden. Bei der Beispielrede handelt es sich um die

Radioansprache des damaligen schweizerischen Bundespräsidenten Marcel Pilet-Golaz8 vom

25. Juni 1940. Er reagierte damit auf den Waffenstillstand zwischen den Achsenmächten und

Frankreich und dem damit verbundenen dringenden Bedürfnis der schweizerischen

Bevölkerung, die Einschätzung und die Position ihrer Regierung dazu zu kennen. Pilet-Golaz

hielt die Rede auf französisch, Bundesrat Philipp Etter auf Deutsch und Bundesrat Enrico

Celio auf Italienisch.

Methodisch angelehnt an ein lexikalisch-semantisches Verfahren9 werde ich besonders die

Schlagwörter und die Euphemismen analysieren. Das Schwergewicht meiner Analyse wird

8 Der Wortlaut der deutschen Version der Pilet-Rede ist im Anhang aufgeführt. 9 Für eine Darstellung der verschiedenen Methoden vgl. Burkhardt, 1996: 90 – 91.

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jedoch auf der pragmatisch-textlinguistischen Analyse liegen. Dabei wird vor allem die

rhetorische Analyse und die Argumentationsanalyse zum Tragen kommen. Die rein

linguistische Analyse werde ich mit der, für die richtige Interpretation der sprachlichen Daten

notwendige, Beschreibung des geschichtlichen Hintergrunds und der konkret-historischen

Situation, sowie mit der Analyse der Wirkung der Rede ergänzen und mit einer Redekritik

abschliessen.

3.1 Geschichtlicher Hintergrund und konkret-historische

Situation 3.1.2 Die Weltlage und die Situation der Schweiz Der Frühsommer 1940 brachte den völligen Sieg der Achsenmächte in Westeuropa. Die

beiden neutralen Staaten Norwegen und Dänemark wurden von Hitler besetzt. In einem

Blitzkrieg eroberte er halb Frankreich, wobei er die sogenannte ‚Maginot-Linie‘ über die

neutralen Staaten Niederlande und Belgien umging. Am 10. Juni 1940 trat Italien an der Seite

Deutschlands in den Krieg ein. Frankreich unterschrieb am 24. Juni das

Waffenstillstandsabkommen mit Deutschland und Italien.

Am 19. Juni erhielt Bundespräsident Pilet-Golaz eine Protestnote von Nazideutschland, in

welcher sich Hitler über die seiner Meinung nach unrechtmässigen Abschüsse deutscher

Flieger durch die schweizerische Fliegerabwehr beschwerte und gleichzeitig eine

unmissverständliche Kriegsdrohung aussprach. In der Schweiz erwartete man 1940 jederzeit

einen deutschen Angriff. General Guisan und der Bundesrat glaubten dann jedoch, mit dem

Waffenstillstandsabkommen zwischen den Achsenmächten und Frankreich sei die akute

Gefahr eines Militärschlages gegen die Schweiz vorbei und beschlossen eine teilweise

Demobilmachung. Dabei schickte sich Hitler gerade im Juni 1940 an, seinen Plan, die

Schweiz zu erobern, in die Tat umzusetzen. Am 22. Juni 1940 begann der effektive

Aufmarsch gegen die Schweiz. Hitler war nach der Niederlage Frankreichs und den

Kriegseintritt Italiens in der Lage, die Schweiz von allen Seiten gleichzeitig anzugreifen. Die

Heere standen bereit und warteten nur auf den Befehl. Doch bekanntlich blieb dieser Befehl

aus. Nur wussten die Menschen in der Schweiz dies damals nicht, weshalb die Entscheidung,

die Armee in einer Zeit grösster Angriffsgefahr teilweise zu demobilisieren aus unserer

heutigen Sicht erstaunlich anmutet.

Die Schweiz war im Juni 1940 also militärisch eingekreist und konnte von den

Achsenmächten beliebig politisch und wirtschaftlich erpresst werden. Diese höchst explosive,

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heikle Situation darf man bei der Analyse der Pilet-Rede auf keinen Fall aus den Augen

verlieren.

3.1.2 Die konkret-historische Situation und die Person Pilet-Golaz‘ Im Jahre 1940 hatte der Waadtländer Marcel Pilet-Golaz das Amt des Bundespräsidenten

inne. Der ausgesprochen intellektuelle Mann galt als bester Redner der französischen Schweiz

(vgl. Bucher, 1993: 509) Obwohl ihm ein autoritäres Temperament nachgesagt wird, hat er

die schweizerischen Institutionen gelten lassen, jedoch mehr Handlungsspielraum für die

Regierung angestrebt. (Bucher, 1993: 512)

Da nicht nur der Urheber, sondern auch der Redner bei einer Radioanprache von zentraler

Bedeutung ist, möchte ich hier kurz auf Bundesrat Philipp Etter zu sprechen kommen,

welcher die Rede auf Deutsch verlas. Er strebte eine autoritäre Demokratie und die

„Ausweitung der Regierungsbefugnisse“ (Bucher, 1993: 524) an, weshalb Worte wie „eigene

Machtbefugnisse“ (Pilet-Rede, Satz 25), in der französischen Version nur „prise d’autorité“,

aus seinem Munde schwergewichtig anmuten mussten.

Um eine Politikerrede zu interpretieren, ist es wichtig, die Intentionen und Ziele des Redners

zu rekonstruieren. Zentraler Punkt der ganzen Ansprache sollten die kommenden

Schwierigkeiten der schweizerischen Wirtschaft sein. Es galt, den bundesrätlichen Willen zur

Bekämpfung der drohenden Arbeitslosigkeit kundzutun und die Bevölkerung auf weitere

materielle Opfer vorzubereiten. An zweiter Stelle stand wohl die Absicht, dem Defätismus,

der die Schweiz nach der Niederlage Frankreichs erfasst hatte, entgegenzuwirken und

trotzdem die stufenweise Demobilisation anzukündigen. Weitere Ziele waren die Beruhigung

der Bevölkerung, die Rechtfertigung der bundesrätlichen Vorgehensweise und nicht zuletzt

die Beschwichtigung des mithörenden Hitlerdeutschlands. (vgl. Bucher, 1993: 537 und 545 –

547; Fenner / Werlen, 1987: 60) Bei der Ausarbeitung der Ziele berieten die damaligen

Bundesräte Minger und Etter sowie der Nationalrat Gut den Bundespräsidenten, weshalb,

obschon der Gesamtbundesrat vor der Verlesung nicht kontaktiert wurde, die Rede nicht als

Alleingang Pilet-Golaz‘ bezeichnet werden kann. Als Autorschaft wird dann im Text selbst

nur zweimal „ich“ (Pilet-Rede, Satz 1 und 27) verwendet, sonst spricht Pilet-Golaz in „wir“-

oder „er“- (gemeint der Bundesrat) Form.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es bei der Analyse zu beachten gilt, ist die

Zusammensetzung der Adressaten und deren Stimmung und Erwartung zum Zeitpunkt der

Rede. Zu Beginn der Rede rechtfertigt sich der Bundesrat für sein langes Schweigen, was

darauf hinweist, dass er für das Ausbleiben einer bundesrätlichen Stellungnahme kritisiert

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worden war. Die Thematik des „lieber handeln als reden“ durchzieht dann auch als Leitmotiv

den gesamten Text. (vgl. Pilet-Rede: Abschnitt II., XI., XV.) Kennzeichnend für die damalige

Stimmung in der Schweiz sei, so Bucher (1993: 538 – 539), die allgemeine Desorientierung

und Verunsicherung gewesen, die durch die militärischen Erfolge Hitlerdeutschlands noch

verstärkt worden wären. Es habe in weiten Kreisen der Bevölkerung ein starkes Bedürfnis

nach einer starken Führung und ein steigendes Misstrauen gegen die traditionellen

politischen Institutionen gegeben. Man kann also davon ausgehen, dass der Grossteil der

Bevölkerung auf ein beruhigendes, klares Zeichen wartete und vom Bundesrat einen

eindeutigen „Appell zum Widerstand und Durchhaltewillen“ (Die Schweiz im zweiten

Weltkrieg, 1990: 38) sowie eine bestätigende Zusage zu den für die Schweiz zentralen

Werten, wie Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie erwartete. Wie die unterschiedlichen

Reaktionen auf die Rede im Kapitel 3.4 zeigen werden, kann aber auf keinen Fall von einem

homogenen Publikum ausgegangen werden. Zudem war Pilet-Golaz zum Zeitpunkt der Rede

nicht nur Bundesratspräsident, sondern auch Aussenminister, weshalb er mit grosser

Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, dass seine Rede auch in Deutschland vernommen

werden würde. Viele behaupteten später, die Rede sei unter „dem Diktat der Wilhelmstrasse“

(Bucher, 1993: 549) entstanden und sei eine „Anbiederungsrede an Berlin“ gewesen. (Bucher,

1993: 554)

Mit den obigen Bemerkungen zum Entstehungshintergrund der Rede habe ich zu zeigen

versucht, dass die Bedingungen, unter welchen die Rede entstand - akute militärische

Bedrohung, drohender Defätismus, Verunsicherung der Bevölkerung, wirtschaftliche Krise -

den Emittenten dazu zwang, nach verschiedenen Seiten im Voraus Kompromisse einzugehen

und dementsprechend vorsichtige Formulierungen zu verwenden.

3.2 Linguistische Analyse der Pilet-Rede Die linguistische Analyse der Rede möchte ich mit einer semantischen Untersuchung der

zentralen Begriffe beginnen, um darauf einige rhetorische Figuren, und

Argumentationsstrategien herauszuarbeiten.

3.2.1 Schlüsselbegriffe Die Verwendung der Kategorie „Schlüsselwörter“ stellt in wissenschaftlicher Hinsicht einige

Probleme, lässt sie sich doch nicht operationalisieren, d. h. sie lässt kein „so eindeutiges

Klassifizieren von Wortmaterial zu, dass verschiedene Personen damit zu genau gleichen

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Ergebnissen kämen.“ (Bachem, 1979: 63) Auch ist die Terminologie für die Bezeichnung

solcher Wörter, die „komplexe Wirklichkeit, vereinfachend, man könnte auch sagen

verdichtend“ (Girnth, 2002:52) darstellen, nicht einheitlich. Neben den Begriffen

„Schlüsselwörter“ und „Hochwertwörter“ existieren auch die Bezeichnungen „Symbolwort“,

„Schlagwort“, „hochaggregierte Symbole“, „Grundwerte-Lexeme“ oder „Leitvokabeln“. (vgl.

Girnth, 2002: 52) Ich verzichte hier auf die nähere Unterscheidung dieser Begriffe10 und

werde im Folgenden den Begriff Schlüsselwort für all jene Begriffe verwenden, die einen

komplizierten, oft abstrakten Sachverhalt auf das Typische kondensieren, Identität stiften oder

sich gegen andere Gruppen abzugrenzen helfen und oft zu einem bipolaren

Wirklichkeitsentwurf verwendet werden. Die Schlüsselwörter stehen demnach für einen sehr

positiven (Miranda) oder einen extrem negativen (Anti-Miranda) Wert (vgl. Girnth, 2002:

53). Für die Schweiz prototypische Miranda sind zum Beispiel „Neutralität“,

„Unabhängigkeit“, „Demokratie“, „Freiheit“ und „Solidarität“. Im Anschluss möchte ich

einige in der Pilet-Rede in Erscheinung tretende Schlüsselwörter semantisch analysieren.

Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass sich vor allem die konnotativen Merkmale

dieser Schlüsselbegriffe mit der Zeit verändern und von Individuum zu Individuum

verschieden sein können.

Schon das erste Wort der Radioansprache von Bundespräsident Pilet-Golaz, die Anrede

„Eidgenossen“ (Pilet-Rede: Satz 1) hat Schlüsselwortcharakter, ähnlich wie die Begriffe

„Schweizervolk“ (Pilet-Rede: Satz 5) und „wir Schweizer“(Pilet-Rede: Satz 7). Denotativ

meinen diese Begriffe lediglich „Bewohner bzw. Staatsbürger der Schweiz“. Diese Begriffe

haben in unserem Zusammenhang aber noch zahlreiche andere, konnotative Merkmale. Sie

weckten in den Adressaten der Pilet-Rede höchstwahrscheinlich Gefühle des Stolzes, der

Zusammengehörigkeit, der Geborgenheit. Positive Werte, wie eine ruhmreiche gemeinsame

(wenn auch legendenhafte) Geschichte, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Freiheit und

Demokratie schwangen in ihnen mit. In der damaligen Krisenzeit mussten diese Miranda eine

noch viel stärkere Wirkung gehabt haben als heute. Sie verkörperten das Zusammenrücken in

der schwierigen Zeit und die gegenseitige Solidarität. Pilet-Golaz greift diese Werte mit den

Ausdrücken „Tiegel des nationalen Interessens“ (Pilet-Rede: Satz 60), „Einigkeit“ (Pilet-

Rede: Satz 50) und „Vaterland“ (Pilet-Rede: Satz 66) mehrmals auf.

Da sich Pilet-Golaz bewusst gewesen sein musste, dass seine Rede auch von

Nichtschweizern, sprich von den Achsenmächten, gehört wurde, belegt er auch jene mit

einem positiv konnotierten Hochwertwort. Er spricht von den „drei grossen Nachbarn“ (Pilet-

10 Mehr dazu siehe Girnth, 2002: 52 – 54.

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Rede: Satz 7). Mit diesem Begriff drückt er aus, dass er zu den Achsenmächten eine

„nachbarschaftlich-gute“ Beziehung wünscht und unterstreicht das Abhängigkeitsverhältnis

gegenüber den, wirtschaftlich und militärisch, „grossen“ Nachbarstaaten Deutschland und

Italien.

Zwei wichtige Schlüsselworte des Textes sind „Arbeit“ und „Ordnung“ (Pilet-Rede: Satz 50,

51 und 53) Im Zeichen der herrschenden Unsicherheit und der drohenden Arbeitslosigkeit

hatten diese Begriffe starken Hochwertwortcharakter. Sie bilden dann auch Schlüsselpunkte

der Pilet-Rede. Mit „Arbeit“ assoziierten die Adressaten Auskommen, Sicherheit, Normalität,

wirtschaftliche und soziale Existenz. Der Begriff „Ordnung“ musste ihnen ebenfalls das

Bewusstsein von Sicherheit geben und beabsichtigte, ihr starkes Bedürfnis nach einer sicheren

politischen Führung zu befriedigen. Die heute wohl eher verpönte Vorstellung des fleissigen,

ordentlichen Schweizers sollte den damaligen Menschen bestätigen und beruhigen.

An dieser Stelle wäre auch die Überlegung interessant, welche Schlüsselbegriffe in der Rede

nicht vorkommen. Einige Kritiker der Rede vemissten nämlich zentrale schweizerische

Miranda, wie zum Beispiel „Demokratie“, „Neutralität“ oder „Unabhängigkeit“. Auf diesen

Punkt werde ich im Kapitel 3.3 zurückkommen.

3.2.2 Rhetorische Figuren In einer politischen Rede finden sich in fast jedem Satz rhetorische Figuren, sei es, dass sie

der Redner mit Absicht verwendet, sei es, dass er sie unbewusst benutzt. Ich möchte hier nur

jene Redefiguren untersuchen, die in meinem Beispieltext eine wichtige Rolle spielen. Dies

ist zum einen die Metapher mit ihrer Sonderform, der Personifikation, und der Euphemismus,

also Figuren des lexikalischen Bereichs, zum anderen syntaktische und gedankliche Figuren

wie die Anapher, die Zweier- und Dreiergruppen, der Vergleich, die Anspielung, der Anruf

und die rhetorische Frage.

3.2.2.1 Lexikalische Figuren

Metaphern sind ein wichtiger Bestandteil unseres alltäglichen, literarischen und auch

politischen Sprachgebrauchs. Um eine Politikerrede zu analysieren, ist eine bewusste

Dekodierung der wichtigsten Metaphern und Bilder unerlässlich. Bachem formuliert dafür

folgende Strategie: „ Dieses Zeichen kann an dieser Stelle nicht meinen, was es konventionell

bedeutet. Ich kann es also nicht automatisch dekodieren. Was es an dieser Stelle meint,

kombiniere ich aus dem Kontext.“ (Bachem, 1979: 50)

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Ich möchte hier einige Metaphern etwas näher beschreiben. Da sind zum Beispiel Ausdrücke

wie „das Stillschweigen beobachtet“ (Pilet-Rede: Satz 2), „der Lauf der Dinge“ (Pilet-Rede:

Satz 4), „stufenweise Demobilmachung“ (Pilet-Rede: Satz 14), „ins Auge fassen“, „auf die

wir Gewicht legen“ (Pilet-Rede: Satz 45), und „in der Hoffnung wiegten“(Pilet-Rede: Satz

47), welche im Allgemeinen gar nicht mehr als Metaphern wahrgenommen werden, da sie

zum Teil bereits lexikalisiert sind. Auffälligere und daher wohl auch wirksamere Metaphern

stammen zum Beispiel aus dem Gebiet des Krieges und der Armee. Da gibt es die

Personifikationen „unser Weltteil bleibt im Alarmzustand“ (Pilet-Rede: Satz 13) und „Da der

Krieg nicht mehr an unsern Grenzen toben wird [...]“ (Pilet-Rede: Satz 14), und die

Metaphern „in die Zukunft marschieren“ (Pilet-Rede: Satz 31) und „die Ereignisse

marschieren schnell“ (Pilet-Rede: Satz 59). Eindrucksvolle Metaphern, die abstrakte

Sachverhalte wirkungsvoll veranschaulichen und konkretisieren, sind auch „den Weg des

Friedens“ (Pilet-Rede: Satz 7) beschreiten, „Europa [...] muss [...] sein neues Gleichgewicht

finden [...]“(Pilet-Rede: Satz 18), „den alten Menschen ablegen“ (Pilet-Rede: Satz 37), „das

tägliche Brot sichern“ (Pilet-Rede: Satz 23), „die Tradition, diesem belebenden Safte, der aus

den Wurzeln der Geschichte heraufsteigt“ (Pilet-Rede: Satz 30), und „im Dienste aller

Schweizer, die Söhne ein und desselben Bodens, Ähren desselben Feldes sind“ (Pilet-Rede:

Satz 57). Diese Metaphern haben für den Redner den Vorteil, dass er keine langen, konkreten

Ausführungen und Erklärungen vorbringen muss, sondern ein plakatives, knappes Bild,

dessen Inhalt jedoch sehr vage ist, verwenden kann, welches leichter im Bewusstsein seiner

Hörer haften bleibt. Es geht zum Beispiel aus der Rede nicht genau hervor, wie der „alte

Mensch“, den es „abzulegen“ gilt, aussieht oder wie sich der Redner das „neue

Gleichgewicht“ Europas vorstellt. Im Falle von „Weg des Friedens“ (Pilet-Rede: Satz 7) hat

die Metapher auch Euphemismuscharakter, denn sie umschreibt ja eigentlich die mit

Waffengewalt eingeforderte und alles andere als freiwillige Kapitulation Frankreichs. Diese

Beispiele zeigen bereits, dass sich die verschiedenen rhetorischen Figuren teilweise

überschneiden oder ergänzen. Ähnlich verhält es sich mit den Argumentationsstrategien, die

oft von rhetorischen Figuren unterstützt oder gänzlich durch sie realisiert werden.

Eine weitere wichtige, besonders für eine Lagebeurteilung zentrale rhetorische Figur ist der

Euphemismus, welcher „unliebsame Sachverhalte mit angenehmen Assoziationen“ (Bachem

1979: 58) versieht oder schreckliche Dinge beschönigt. Obwohl Pilet-Golaz explizit

behauptet, dass der Bundesrat die Wahrheit „ohne Beschönigung und ohne Zaghaftigkeit“

(Pilet-Rede: Satz 35) sagen wird, benutzt er vor allem zu Beginn seiner Rede die

Euphemismen „tragischer Film auf der Weltleinwand“ (Pilet-Rede: Satz 2), und „gewaltiges

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Ereignis“ (Pilet-Rede: Satz 5), anstelle von „blutigem, unrechtmässigem Eroberungskrieg der

Achsenmächte“. Auch wenn er von „angehäuften Ruinen und Menschenverluste(n)“ (Pilet-

Rede: Satz 7) spricht, muss man diese Ausdrücke als beschönigend bezeichnen.

3.2.2.2 Syntaktische und gedankliche Figuren

Drei der auffälligsten syntaktischen Figuren in der Pilet-Rede sind die Anapher, die

Verwendung von Zweier- und Dreiergruppen und die Antithese. Aber auch Vergleiche,

Anspielungen, Anreden, Ausrufe und rhetorische Fragen finden sich in diesem Text.

Die Anaphern und die Zweier- und Dreiergruppen verstärken die Wirkung des Gesagten.

Durch diese Figuren wird eine Botschaft dem Zuhörer eingehämmert. Durch ihre Strukturen

scheinen sie logisch und zwingend. Eine antithetisch aufgebaute Anapher findet sich zum

Beispiel in Abschnitt fünfzehn, wo es heisst: Nicht schwatzen, sondern denken;

Nicht herumdiskutieren, sondern schaffen;

Nicht geniessen, sondern erzeugen,

Nicht fordern, sondern geben. (Pilet-Rede: Satz 38)

Der Aufbau ‚nicht x, sondern y‘ wird viermal wiederholt, die jeweilig für x und y eingesetzten

Begriffe einander gleichgesetzt, die Botschaft durch die Struktur verstärkt. Ein ähnliches

Prinzip liegt auch Abschnitt fünfundzwanzig zugrunde: Bleibt ruhig, wie auch er ruhig ist!

Bleibt fest, wie auch er fest ist!

Habt Vertrauen, wie auch er Vertrauen hat (Pilet-Rede: Satz 63 - 65)

Die Verwendung von Zweier- oder Dreiergruppen dient ebenfalls der Verstärkung. Sie kann

mit einem Parallelismus gekoppelt sein, wie bei den folgenden Beispielen: „auf der Erde, auf

dem Meere und in der Luft“(Pilet-Rede: Satz 17), „geistig und materiell, wirtschaftlich und

politisch“ (Pilet-Rede: Satz 19), „Ohne schmerzhafte Verzichte und ohne schwere Opfer“

(Pilet-Rede: Satz 20), „auf unseren Handel, auf unsere Industrie, auf unsere Landwirtschaft“

(Pilet-Rede: Satz 21) und „an die Enterbten, an die Schwachen, an die Unglücklichen“ (Pilet-

Rede: Satz 41). In den Gruppen können aber auch ähnliche oder synonyme Adjektive

aneinandergereiht werden, um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen, wie bei „beraten,

diskutieren und abwägen“ (Pilet-Rede: Satz 25) oder noch deutlicher bei „erklären, erläutern

und begründen“ (Pilet-Rede: Satz 58).

Pilet-Golaz arbeitet in seiner Rede oft mit Antithesen. Im bereits erwähnten Abschnitt

fünfzehn beispielsweise stellt er die Verben „schwatzen“ und „denken“, „herumdiskutieren“

und „schaffen“, „geniessen“ und „erzeugen“ und schlussendlich „fordern“ und „geben“

einander als Gegensätze gegenüber. Ebenfalls als Antithesen tauchen auch mehrmals die

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Bereiche Vergangenheit und Zukunft auf: „von der Vergangenheit in die Zukunft“ (Pilet-

Rede: Satz 31), „wehmütig rückwärts zu schauen [...] (den [meine Hinzufügung]) Blick [...]

nach vorwärts wenden [...]“ (Pilet-Rede: Satz 32 – 33) und „würdig der Vergangenheit, [...]

beherzt in die Zukunft“ (Pilet-Rede: Satz 69).

Weniger häufig, dafür an entscheidender Stelle verwendet der Emittent unserer Rede einen

Vergleich. Gleich zu Beginn der Rede umschreibt ein Vergleich euphemistisch die jüngsten

Ereignisse mit „wie ein tragischer Film auf der Weltleinwand“ (Pilet-Rede: Satz 69).

Viel Kritik erntete die Aufforderung, zur „inneren Wiedergeburt“ und zum „Ablegen des

alten Menschen“ (Pilet-Rede: Satz 36 – 37), die dahingehend gedeutet wurde, dass der

Bundesrat sich auf die Anpassung seiner Politik an die Hitlerdeutsche Ordnung vorbereite. In

Wahrheit aber handelt es sich hierbei um biblische Anspielungen, um Aussprüche des

Apostels Paulus. (vgl. Bucher, 1993: 555) Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass rhetorische

Figuren ihre Wirkung auch verfehlen können, wenn sie zum Beispiel, wie hier, auf nicht

allgemein Bekanntem aufbauen.

Die letzten drei Figuren, die ich hier behandeln möchte, dienen vor allem dem Aufbau einer

Verbindung zwischen dem Emittenten und den Rezipienten. Es handelt sich dabei um

Anreden, Ausrufe und rhetorische Fragen, die eine gewisse Dialogizität schaffen möchten,

Diese ist jedoch nur oberflächlich gegeben, denn zu einem wirklichen Dialog kann es in

diesem Fall schon aufgrund der Textsorte (Regierungserklärung) und des Mediums

(Radioansprache) nicht kommen.

Anreden leiten die Rede ein und schliessen sie ab: „Eidgenossen“ (Pilet-Rede: Satz 1 und 58)

und „Schweizer, meine Brüder“ (Pilet-Rede: Satz 69). Aufrufe hingegen finden sich überall

dort, wo der Redner die Dringlichkeit und Wichtigkeit der jeweiligen Botschaft betonen

möchte. Nachdem Pilet-Golaz aufgezeigt hat, dass neue Zeiten anbrechen werden, die eine

Veränderung der eigenen Gewohnheiten nötig machen, ruft er aus: „Sei dem wie es wolle!“

(Pilet-Rede: Satz 29) Auch die Schlüsselworte „Arbeit“ und „Ordnung“, die in der

Argumentation des Redners zentral sind, treten in einem elliptischen Ausruf auf. (Pilet-Rede:

Satz 52 und 54).

Die rhetorische Frage soll den Rezipienten zum Nachdenken anregen. Eine Antwort des

Hörers wird nicht erwartet und eine explizite Antwort durch den Redner erübrigt sich

meistens, jedoch nicht immer. Im zweiten Satz seiner Rede greift Pilet-Golaz rhetorisch

geschickt die Frage auf, die sich die Bewohner der Schweiz zu diesem Zeitpunkt

wahrscheinlich stellten und beantwortet sie gleich darauf:

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„Wusste denn der Bundesrat nichts zu sagen, angesichts der Ereignisse, die sich wie ein

tragischer Film auf der Weltleinwand abwickelten? Der Bundesrat musste denken, vorsehen,

Beschlüsse fassen, handeln; er konnte jetzt nicht Reden halten [...]“ (Pilet-Rede: Satz 2 - 4).

Die hier angeführten rhetorischen Mittel spielen auch bei den Argumentationsstrategien eine

wichtige Rolle, weshalb ich teilweise im nächsten Kapitel auf sie zurückkommen werde.

3.2.3 Argumentationsanalyse Vier Muster dominieren die Argumentation der Pilet-Rede, nämlich die Strategie des Einheit-

und Identitätsschaffens, die Strategie zu zeigen, dass Handeln besser ist als Reden, die

Strategie, entfernte Vergangenheit, nahe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit

positiven oder negativen Assoziationen zu belegen und die Strategie des Gefahren-Aufzeigens

und Opfer-Verlangens. Am Rande kommen auch die Strategie der Beschönigung und

Beschwichtigung (Pilet-Rede: Abschnitt V.), der Berufung auf eine Autorität („Fragt die

Sportsleute: Sie wissen dies schon lange“ – Pilet-Rede: Satz 49) und der

Wahrheitsversprechung (Pilet-Rede: Abschnitt XIII.) zum Zuge.

Beinahe jede persuasive Rede versucht, den Adressaten ein Gefühl der Einigkeit, des Stolzes

und der Identität zu vermitteln, um einerseits Sympathie zu erlangen und andererseits eine

affirmative Grundstimmung zu erzeugen. Ich möchte dies Strategie hier nicht weiter erläutern

und verweise auf die Schlüsselwortanalyse in Kapitel 3.2.1, S. 13.

Eine weniger übliche, für diese Rede jedoch bezeichnende Strategie besteht darin, die

Adressaten davon zu überzeugen, dass Reden halten und diskutieren, eigentlich Grundwerte

und Voraussetzungen einer direkten Demokratie, den Anforderungen der Zeit nicht mehr

genügten. Mittels der Wiederholung innerhalb der Sätze durch Zweier- und Dreiergruppen

(vgl. Seite 16) und satzübergreifendes Wiederaufgreifen dieser Thematik (Pilet-Rede: Satz 24,

56 und 58) versucht die Rede, einerseits bereits vergangenes und andererseits zukünftiges

Schweigen zu rechtfertigen. Dahinter steht wahrscheinlich die Absicht, die bereits

vorhandenen Vollmachten der Regierung zu legitimieren und ihre Machtbefugnisse in

Zukunft evtl. sogar auszuweiten. Symptomatisch für diese Strategie ist folgende Behauptung,

mit welcher der Redner eigentlich von vornherein die Wirksamkeit seiner momentanen

Beschäftigung, nämlich eine Rede halten, verneint: „[...] man liebt das Reden bei uns viel zu

sehr, das den Lauf der Dinge um keinen Zollbreit zu beeinflussen vermag.“ (Pilet-Rede: Satz

2) Ein Zeitungskommentar aus dem Sommer 1940 sprach dann auch von einer „Rede über das

Zu-viel-Reden“ (Berner Tagwacht, 26. Juni 1940.), was zeigt, dass auch den damaligen

Rezipienten diese Strategie als für die Rede typisch ins Auge gefallen ist.

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Bei der genaueren Lektüre des Textes ist mir aufgefallen, dass Pilet-Golaz subtil versucht, die

Entwicklung der schweizerischen Kultur und Lebensweise als eine Abfolge von einer ehemals

guten, unschuldigen, fleissigen Gesellschaft, zu einer zu verurteilenden jüngeren

Vergangenheit und schliesslich zu einer Gegenwart zu charakterisieren, in welcher es gilt,

einerseits Veränderungen und Anpassungen vorzunehmen und andererseits sich auf die guten

Werte der früheren Gesellschaft zu besinnen, um zu einer besseren Zukunft mit den guten

alten, aber auch positiven neuen Werten zu gelangen. (Pilet-Rede: Satz 18, 19, 28, 30 – 33, 36

– 37, 47, 59 – 60 und 69) Dieses Argumentationsmuster hat, meiner Meinung nach, ebenfalls

die Kritik an der Gegenwart und eine Rechtfertigung zukünftiger Veränderungen zum Ziel.

Die gleichen Ziele wie die beiden letzten Argumentationsstrategien verfolgt die Strategie des

Gefahren-Aufzeigens und Opfer-Verlangens. Die drohenden wirtschaftlichen und politischen

Schwierigkeiten rechtfertigen, der Argumentation der Pilet-Rede folgend, materielle Opfer

und politische Veränderungen, sprich die Ausweitung der bundesrätlichen Vollmachten.

(Pilet-Rede: Satz 9 – 13, 19 – 20, 22, 39 und 45)

3.3 Wirkung und Redekritik In diesem Kapitel möchte ich kurz auf die verschiedenen Punkte eingehen, welche an der

Pilet-Rede kritisiert wurden und anschliessend meine allgemeine Redekritik äussern.

Mit den Reaktionen, welche die Pilet-Rede in der Öffentlichkeit hervorrief, könnte ein ganzes

Buch gefüllt werden. Je nach Einstellung und Beurteilung der Rede lassen sich eine Unmenge

negativer Pressestimmen, aber auch eine Vielzahl positiver Kommentare finden. Unter den

Historikern, mit den Hauptvertretern Erwin Bucher (1993) einerseits und Edgar Bonjour

andererseits (1974), ist ein regelrechter Streit darüber entbrannt, ob die Pilet-Rede eine

positive oder eine negative Auswirkung auf die Stimmung der damaligen Bevölkerung hatte,

ob sie anpasserisch war oder nicht und ob sie als der Situation angemessen bezeichnet werden

kann oder nicht: „Was für unklare Phrasen des höchsten Magistraten nach mehreren Wochen des Schweigens

[...] Man kann diese Rede nur verstehen, wenn man annimmt, Pilet habe in erster Linie als

Aussenminister zum Ausland gesprochen und nicht als Landesvater zum eigenen Volk.. ( E.

Bonjour, zit. nach Fenner / Werlen 1987: 68)

„Die Historiker sind sich heute weitgehend einig, dass diese Rede nicht als anpasserisch

bezeichnet werden darf.“ ( E. Bucher, zit. nach Fenner / Werlen 1987: 68)

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Ich möchte jedoch nicht weiter auf diesen Historikerstreit eingehen und hier nur die

wichtigsten Kritikpunkte aus den Zeitungskommentaren mit dem Originaltext und den

Ergebnissen meiner linguistischen Untersuchung in Zusammenhang bringen.

Einige Stellen und Begriffe lösten in der Bevölkerung heftigen Protest aus, andere, vor allem

das Versprechen, Arbeit für alle zu beschaffen, stiessen allgemein auf Zustimmung (vgl.

Schweizer Woche Nr. 31: 1989). Die Basler AZ schreibt am 26. Juni: Die Erkenntnis, dass

unverzügliche Arbeitsbeschaffung „für das Land von kapitaler Bedeutung ist“, versöhnt mit

vielem.“ Kritik erntete das Fehlen der Worte „Demokratie“ und „Unabhängigkeit, dann aber

vor allem die Tatsache, dass der Bundesrat „auf Grund eigener Machtbefugnis“ (Pilet-Rede:

Satz 26) handeln möchte und nicht immer alles „erklären, erläutern und begründen“ (Pilet-

Rede: Satz 58) zu können glaubt. Inhaltlich wurde zudem die „Anbiederung“ und Anpassung

an Berlin kritisiert. Allgemein mangelte es der Rede für viele Rezipienten an Klarheit und an

konkreten Vorschlägen. Statt Beruhigung herrschte vielerorts Verwirrung: „ [...] eine

Radioansprache, die das Schweizer Volk vollends verunsicherte. Weite Bevölkerungskreise

konnten sich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Bundesrat eine Anpassung an Hitlers

Europa vorbereite.“ (Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg, 1990: 45)

Tatsächlich scheint mir der Vorwurf der fehlenden Klarheit nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Diese Vagheit und Zweideutigkeit ist jedoch zu einem guten Teil durch die Redesituation, die

Adressatenpluralität und die Textsorte erklärbar. Denn die ganze Rede baut darauf auf, nur

grobe Züge, Rahmenbedingungen und abstrakte Ideen zu vermitteln, es fehlen fast gänzlich

konkrete Angaben oder Vorschläge. Es ist zum Beispiel von „anderen Grundlagen“ (Pilet-

Rede: Satz 18) die Rede, wobei der Hörer keine Ahnung hat, wie diese aussehen werden.

Auch wie er sich die „innere Wiedergeburt“ (Pilet-Rede: Satz 36) oder die „seelischen und

materiellen Schmerzen“ (Pilet-Rede: Satz 39) vorzustellen hat, geht aus dem Text nicht

hervor. Der Rede muss jedoch in diesem Zusammenhang zugute gehalten werden, dass sie

dies auch gar nicht intendiert und detailliertere Angaben von anderen Instanzen zu erwarten

waren.

Aus meiner heutigen Sicht macht Pilet-Golaz in seiner Radioansprache nicht zu viele und

nicht zu wenige Zugeständnisse an Deutschland, vor allem, wenn man die grosse Gefahr, in

welcher die Schweiz damals schwebte und die prekäre Wirtschaftslage mit in Betracht zieht.

Doch zu entscheiden, ob man damals auf die euphemistische Darstellung der Situation in

Frankreich oder auf das Umgehen der für Hitler provozierenden Worte „Demokratie“ und

„Unabhängigkeit“ hätte verzichten können, ist nicht möglich.

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Die ebenfalls heftig umstrittene Formulierung „eigene Machtbefugnis“ (Pilet-Rede: Satz 26)

kann, meiner Meinung nach, aus der Rede so gedeutet werden, dass der Bundesrat eine in

allen Bereichen autoritärere Regierung anstrebte. Ob er dies nur in der momentanen

Krisensituation für angebracht hielt oder auch in Zukunft wollte, ist aus dem Text nicht

ersichtlich. E. Bucher (1993: 546) behauptet, dass im Text der Zusammenhang zwischen

Arbeitsbeschaffung und eigener Machtbefugnis offensichtlich sei. Zwar trifft dies für die

Abschnitte elf und zwölf zu, der Grundtenor des „handeln ohne zu erklären“, bezieht sich

jedoch nicht überall nur auf die wirtschaftlichen Probleme der damaligen Gegenwart. In Satz

58 beispielsweise ist nicht mehr explizit von der Arbeitsbeschaffung die Rede: „Eidgenossen, an Euch ist es, nun der Regierung zu folgen als einem sicheren und

hingebenden Führer, der seine Entscheidungen nicht immer wird erklären, erläutern und

begründen können.“ (Pilet-Rede: Satz 26)

Die Reaktionen der Presse darauf waren deshalb auch nicht nur positiv:

„Darum sagen wir: Arbeitsbeschaffung: jawohl, mit Begeisterung; Gleichschaltung: nein,

dagegen werden wir uns mit Klauen und mit Zähnen wehren. [...] Demokratie und

Unabhängigkeit sind für unser Land unlösbar miteinander verbunden. Die Schweiz wird frei

und demokratisch sein, oder sie wird nicht sein. (Berner Tagwacht 27 Juni 1940 Nr. 148)

„Er soll es (gemeint: mit den ungehemmten Entscheidungsbefugnissen auskommen [meine

Hinzufügung]) probieren, aber natürlich im Rahmen seiner Vollmachten, die ihm large erteilt

worden sind. Über die Probezeit hinaus soll er jedoch nichts präjudizieren, sondern gemäss der

Bundesverfassung, auf die er vereidigt ist, die künftige Staats- und Wirtschaftsgestaltung den

demokratischen Instanzen überlassen. [...] Miteinander reden, wie es sich unter Eidgenossen

gehört, ist nicht „schwatzen“, wie man nach der bundesrätlichen Radiorede glauben könnte.“

(Basler Nachrichten, 29. / 30. Juni 1940: Nr. 176)

Interessant ist, dass die Rede in der französischen Originalversion, verlesen von Pilet-Golaz,

weit weniger negative Reaktionen auslöste, als die deutsche Fassung, welche von Bundesrat

Etter vorgetragen wurde. Hans Rudolf Kurz (In: Der Bund, 27. 01. 1978, zit. nach Fenner /

Werlen 1987: 68) erklärt dies damit, dass der deutsche Text die Menschen, bewusst oder

unbewusst, an das verhasste Nazivokabular erinnerte. Ausdrücke, wie „Führer“ (Pilet-Rede:

Satz 58) oder „in Umbruch begriffene Welt“ (Pilet-Rede: Satz 33) untermauern dieses

Argument. Anstelle des letzeren Begriffs heisst es im französischen Original nämlich nur „à

la restauration du monde disloqué“, also „Wiederherstellung der aus den Fugen geratenen

Welt“. E. Bucher (1993: 544 – 545) begründet diese unterschiedliche Aufnahme der beiden

Versionen damit, dass es sich erstens bei der deutschen Fassung um eine teilweise

sinnverzerrende Übersetzung und um eine unangebrachte Wort-für-Wort Übertragung der

typisch französischen Rhetorik gehandelt habe und zweitens, dass Philipp Etter die Rede mit

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einer „Grabesstimme“ (Bucher, 1993: 545) verlas, wohingegen Pilet-Golaz einen „eher

lockeren Ton“ (Bucher, 1993: 545) wählte.

Eine linguistische Analyse und Bewertung darf meiner Meinung nach die politischen und

ethischen Inhalte nicht tangieren Dies stellt sich bei einer genaueren Betrachtung als

schwierig heraus, ist doch jeder Forscher selbst ein Wesen mit subjektiven Theorien und

Standpunkten, die sich nie gänzlich beiseite schieben lassen. Bei der Beurteilung der Pilet-

Rede werde ich mich deshalb auf das Kriterium der Persuasion konzentrieren.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die Persuasion geglückt ist, bzw., um mit Klein zu

sprechen, ob die Rede politischen Erfolg zu gewährleisten vermochte. Betrachtet man den

Versuch, Deutschland mit dieser Rede zu beschwichtigen, muss man gestehen, dass die

Persuasion geglückt ist. Im Inland hingegen scheint die Rede nur teilweise und nicht für alle

akzeptabel gewesen zu sein. Leider ist es heute fast unmöglich zu entscheiden, ob die

Menschen sich damals durch die Rede beruhigt fühlten. Besonders die deutsche Übersetzung

hätte klarer und eindeutiger formuliert werden können, auch ohne Hitler damit zu

provozieren. Der Versuch, die Alleingänge der Regierung als notwendig und richtig

darzustellen, scheint mir nicht gelungen zu sein, da die Argumentation zu deutlich einen

Grundwert der Demokratie, die breite Diskussion, abwertet und die Menschen so

verunsichern und verärgern musste. Gelungen ist dem Bundesrat aber, der Bevölkerung

seinen guten Willen zur Arbeitsbeschaffung kundzutun und sie in dieser Hinsicht zu

beruhigen. Hätte die Rede klarer gemacht, dass ihr Hauptinteresse der Arbeit galt, hätten

einige Missverständnisse vermieden werden können. Besonders Abschnitt vierzehn und

fünfzehn sind da nämlich äusserst verfänglich.

Alles in allem möchte ich behaupten, dass es sich bei der Pilet-Rede nicht um ein

Meisterwerk der Rhetorik, jedoch in Anbetracht der damaligen Krisensituation um eine zwar

vorsichtige und etwas vage, aber nichtsdestotrotz gelungene Gradwanderung zwischen den

verschiedenen Adressatenerwartungen handelt.

4. Schluss Ausgehend von der Frage nach den Funktionen politischer Sprache und ihrem Verhältnis zum

politischen System habe ich zu zeigen versucht, dass die Sprache ein wesentlicher Bestandteil

der Politik, ja sogar eine ihrer Grundbedingungen ist und dass Politik und politische Sprache

sich gegenseitig stark beeinflussen. Da die Sprache das wichtigste Mittel der Persuasion im

politischen Handeln darstellt, muss jeder Politiker ein Mindestmass an rhetorischen

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Fähigkeiten aufweisen, um politisch erfolgreich zu sein. Aber nicht nur der Politiker muss

diese rhetorischen und dialektischen Techniken und Strategien beherrschen, auch sein

Publikum muss diese zu dekodieren verstehen, da es sonst keine Möglichkeit hat, an der

Gestaltung der politischen Wirklichkeit mitzuwirken. Ich schliesse mich deshalb einem eher

didaktischen Ansatz der Politolinguistik an und sehe die Aufgabe einer linguistischen Analyse

darin, den Rezipienten die Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, eine Politikerrede, eine

politische Diskussion oder eine politische Mitteilung dekodieren zu können, um ihnen die

Bildung einer eigenen Meinung zu ermöglichen. Während eingangs vorwiegend von

politischer Sprache im Allgemeinen die Rede gewesen ist, habe ich meine Aufmerksamkeit

im zweiten Teil auf die Regierungserklärung als spezielle Textsorte politischer Sprache

fokusiert. Nach einer Definition dieser Form politischer Sprache, welche aufzeigte, dass es

sich bei einer Regierungserklärung um eine Rede mit doppelter Urheberschaft, fehlender

Spontaneität, Mehrfachadressiertheit und monologischer Realisierung handelte, ging ich dazu

über, die erarbeiteten theoretischen Erkenntnisse in einer Beispielanalyse anzuwenden. Neben

der linguistischen Analyse, welche den Kernpunkt dieses zweiten Teils bildet, versuchte ich

durch die Beschreibung des historischen Kontextes und der Redesituation, sowie durch eine

der sprachlichen Untersuchung nachgestellte Analyse der Wirkung der Rede die sprachlichen

Ergebnisse in einen konkreten Zusammenhang zu stellen und zu ergänzen. Die linguistische

Analyse beschäftigte sich hauptsächlich mit der Schlüsselwortanalyse, gefolgt von der

Beschreibung der wichtigsten rhetorischen Figuren und Argumentationsmustern. Es stellte

sich heraus, dass die Schlüsselwörter und rhetorischen Figuren, wie Metaphern,

Euphemismen, Anaphern, Zweier- und Dreiergruppen, Antithesen, Anreden, Ausrufe und

rhetorische Fragen, im Dienste der Argumentation stehen, also als Mittel zur Realisierung

bestimmter Argumentationsstrategien bezeichnet werden können. Vier Muster schienen mir

für die Beispielrede typisch. Der Urheber, Bundespräsident Pilet-Golaz versuchte, seine

Zuhörer davon zu überzeugen, dass sie, erstens, Teil einer Wir-Gruppe seien, auf die es stolz

zu sein gilt, zweitens, dass es in der Krise besser sei, zu handeln, anstatt zu reden, was der

Bundesrat auch zu tun gedenke, drittens, dass sie sich in einer Zeit befänden, welche die

Chance biete, die jetzigen schlechten Gewohnheiten abzulegen, zu früheren guten Formen

zurückzufinden und sich an die neue Situation anzupassen und viertens, dass die nahe Zukunft

Gefahren bereithalte, die ihnen Opfer abverlangen werden. In einer abschliessenden

Beurteilung der Beispielrede komme ich zum Schluss, dass die Rede rhetorisch nicht immer

ganz gelungen, in Anbetracht der historisch-konkreten Umstände aber verständlich und

gerechtfertigt ist. Die eingangs gestellte Frage nach den Gründen für die verschiedenen

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Interpretationen ein und derselben Rede erklärt sich durch die aufgrund der

Adressatenpluralität notwendigen Vorsichtigkeit und Zweideutigkeit der Formulierungen.

Interessant wäre es nun, in einer weiterführenden Arbeit die hier isoliert betrachtete

Beispielrede in einen grösseren Zusammenhang mehrerer Reden zu stellen und die

Entwicklung der Sprache politischer Reden in der Schweiz bis heute zu untersuchen.

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Anhang Radioansprache von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz vom 25. Juni

1940

I. Abschnitt 1. Eidgenossen

Ihr fragt Euch gewiss schon, warum ich so lange – während vollen sieben Wochen - das

Stillschweigen beobachtet habe.

2. Wusste denn der Bundesrat nichts zu sagen, angesichts der Ereignisse, die sich wie ein

tragischer Film auf der Weltleinwand abwickelten?

II. Abschnitt 3. Der Bundesrat musste denken, vorsehen, Beschlüsse fassen, handeln;

4. er konnte jetzt nicht Reden halten, - man liebt das Reden bei uns viel zu sehr, das den Lauf

der Dinge um keinen Zollbreit zu beeinflussen vermag.

III. Abschnitt 5. Wenn sich der Bundesrat heute neuerdings an das Schweizervolk wendet, so geschieht es

deshalb, weil ein gewaltiges Ereignis eingetreten ist, das weittragende Folgen haben wird:

IV. Abschnitt 6. Frankreich hat soeben den Waffenstillstand mit Deutschland und Italien abgeschlossen.

V. Abschnitt 7. Welches auch die Trauer sein mag, die jeden Christ angesichts der angehäuften Ruinen und

Menschenverluste erfüllen mag, so bedeutet es doch für uns Schweizer eine grosse

Erleichterung zu wissen, dass unsere drei grossen Nachbarn nun den Weg des Friedens

beschritten haben;

8. diese Nachbarn, mit denen wir so enge geistige und wirtschaftliche Beziehungen pflegen,

diese Nachbarn, die im Geiste auf dem Gipfel unserer Berge – in Himmelsnähe –

zusammentreffen und deren Kulturkreise uns jahrhundertelang bereichert haben, wie die vom

Gotthard herabsteigenden Ströme ihre Ebenen befruchteten.

VI. Abschnitt 9. Diese Beruhigung – das dürfte wohl das zutreffende Wort sein – ist natürlich, menschlich,

insbesondere bei bescheidenen Neutralen, die bisher in jeder Hinsicht verschont geblieben

sind.

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10. Wir dürfen uns indessen dadurch nicht täuschen lassen.

11. Uns nun den Illusionen eines sorgenlosen Glückes hinzugeben, wäre gefährlich.

12. Es wird auf die soeben erlebte Gegenwart eine allzuschwere Zukunft folgen, als dass wir

gleichgültig in die Vergangenheit zurückfallen könnten.

VII. Abschnitt 13. Waffenstillstand bedeutet noch nicht Friede, und unser Weltteil bleibt im Alarmzustand.

VIII. Abschnitt 14. Da der Krieg nicht mehr an unseren Grenzen toben wird, können wir allerdings

unverzüglich eine teilweise und stufenweise Demobilmachung ins Auge fassen.

15. Diese wird aber unserer grundlegend veränderten nationalen Wirtschaft heikle Aufgaben

stellen.

16. Die zum Wohlstande der Völker so notwendige internationale Zusammenarbeit ist noch

lange nicht wieder hergestellt.

17. Grossbritannien verkündet seinen Entschluss, den Kampf auf der Erde, auf dem Meere

und in der Luft fortzusetzen.

18. Bevor Europa wiederum zum Aufstiege gelangen kann, muss es sein neues Gleichgewicht

finden, welches zweifellos sehr verschieden vom bisherigen und auf anderen Grundlagen

aufgebaut sein wird, als auf jenen, die der Völkerbund trotz seiner vergeblichen Bemühungen

nicht zu errichten vermochte.

IX. Abschnitt 19. Überall, auf allen Gebieten – geistig und materiell, wirtschaftlich und politisch – wird die

unerlässliche Wiederaufrichtung gewaltige Anstrengungen erfordern, die, um wirksam zu

sein, sich ausserhalb veralteter Formeln zu betätigen haben werden.

20. Dies kann nicht ohne schmerzhaft Verzichte und ohne schwere Opfer geschehen.

X. Abschnitt 21. Es sei beispielsweise auf unseren Handel, auf unsere Industrie, auf unsere Landwirtschaft

hingewiesen.

22. Wie schwer wird ihre Anpassung an die neuen Verhältnisse werden.

23. Sofern wir jedermann – und das ist erste Pflicht – das tägliche Brot sichern wollen,

welches den Körper ernährt und die Arbeit, die die Seele stärkt, werden Hindernisse zu

beseitigen sein, die man noch vor weniger als einem Jahre für unübersteigbar gehalten hätte.

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XI. Abschnitt 24. Zur Erreichung dieses Ergebnisses – das für die Rettung des Landes von kapitaler

Bedeutung ist – werden wichtige Entscheidungen nötig sein.

25. Und zwar nicht etwa solche, über die wir vorher lange beraten, diskutieren und abwägen

können.

26. Also Beschlüsse, die gleichzeitig überlegt und rasch auf Grund eigener Machtbefugnis zu

fassen sein werden.

XII. Abschnitt 27. Ja, ich sage in der Tat: Eigene Machtbefugnis.

28. Denn, seien wir uns dessen bewusst, die Zeiten, in denen wir leben, werden uns

zahlreichen früheren, behaglichen, lässigen – ich möchte beinahe sagen „altväterischen“

Gewohnheiten entreissen.

29. Sei dem wie es wolle!

30. Wir dürfen ausgefahrene Wege nicht verwechseln mit der Tradition, diesem belebenden

Safte, der aus den Wurzeln der Geschichte heraufsteigt.

31. Die Tradition erfordert im Gegenteil Erneuerungen, weil es nicht in ihrem Wesen liegt, an

Ort und Stelle zu verharren, sondern mit Einsicht und Vernunft von der Vergangenheit in die

Zukunft zu marschieren.

32. Es ist nicht der Augenblick, wehmütig rückwärts zu schauen.

33. Der Blick muss sich nun entschlossen nach vorwärts wenden, um mit allen unseren

bescheidenen, aber dennoch nützlichen Kräften mitzuwirken an der Wiederherstellung der in

Umbruch begriffenen Welt.

XIII. Abschnitt 34. Der Bundesrat hat Euch die Wahrheit versprochen.

35. Er wird sie Euch sagen, ohne Beschönigung und ohne Zaghaftigkeit.

XIV. Abschnitt 36. Der Zeitpunkt der inneren Wiedergeburt ist gekommen.

37. Jeder von uns muss den alten Menschen ablegen.

XV. Abschnitt 38. Das bedeutet:

Nicht schwatzen, sondern denken;

Nicht herumdiskutieren, sondern schaffen;

Nicht geniessen, sondern erzeugen,

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nicht fordern, sondern geben.

XVI. Abschnitt 39. Gewiss wird dies nicht ohne seelische und materielle Schmerzen und Leiden gehen.

XVII. Abschnitt 40. Verbergen wir uns dies nicht: Wir werden uns Einschränkungen auferlegen müssen.

41. Wir werden, bevor wir an uns selbst denken, nur an uns selbst, an die andern denken

müssen – ausserhalb und innerhalb unserer Grenzen – an die Enterbten, an die Schwachen, an

die Unglücklichen.

42. Es wird nicht genügen, einen Teil unseres Überflusses als Almosen hinzugeben;

43. Wir werden ganz sicherlich gezwungen sein, auch einen Teil dessen hinzugeben, was wir

bisher als für uns notwendig hielten.

44. Das ist nicht mehr die Gabe des Reichen, sondern das Scherflein der Witwe.

XVIII. Abschnitt 45. Wir werden sicherlich auf viele Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten verzichten

müssen, auf die wir Gewicht legen, weil sie eine unbewusste Kundgebung unseres Egoismus

sind.

46. Statt einer Verarmung wird dies für uns eine Bereicherung bedeuten.

XIX. Abschnitt 47. Wir werden wiederum zur gesunden Gewohnheit zurückkehren, viel zu werken und uns

für einen bescheidenen Erfolg abzumühen, während wir uns bisher in der Hoffnung wiegten,

grosse Erfolge mit wenig Mühe zu erzielen.

48. Erwächst nicht die Freude nur aus der Anstrengung?

49. Fragt die Sportsleute: Sie wissen dies schon lange!

XX. Abschnitt 50. Eher als an uns selbst und an unser Wohlbehagen, werden wir eben an die anderen und an

ihre wesentlichen Bedürfnisse denken.

51. Das ist die wahre Solidarität, diejenige der Tat und nicht der Worte und Umzüge,

diejenige, die die nationale Gemeinschaft durch Arbeit und Ordnung, diese beiden grossen

schaffenden Kräfte, einbettet in das Vertrauen und in die Einigkeit.

XXI. Abschnitt 52. Die Arbeit!

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53. Der Bundesrat wird sie dem Schweizervolke unter allen Umständen beschaffen, koste dies

was es wolle.

XXII. Abschnitt 54. Die Ordnung!

55. Sie ist uns angeboren und ich bin überzeugt, dass sie ohne Schwierigkeiten mit Hülfe aller

guten Bürger aufrecht erhalten bleiben wird.

XXIV. Abschnitt 56. Diese werden es auch verstehen, dass die Regierung handeln muss.

57. Ihrer Verantwortung bewusst, wird sie ihre Pflicht erfüllen, nach Aussen und nach Innen,

über den Parteien stehend, im Dienste aller Schweizer, die Söhne ein und desselben Bodens,

Ähren desselben Feldes sind.

58. Eidgenossen, an Euch ist es, nun der Regierung zu folgen als einem sicheren und

hingebenden Führer, der seine Entscheidungen nicht immer wird erklären, erläutern und

begründen können.

59. Die Ereignisse marschieren schnell: Man muss sich ihrem Rhythmus anpassen.

60. Auf diese Weise, und nur so werden wir die Zukunft bewahren können.

XXV. Abschnitt 61. Persönliche, regionale und parteiliche Meinungsverschiedenheiten werden sich

verschmelzen im Tiegel des nationalen Interesses, dieses höchsten Gesetzes.

XXVI. Abschnitt 62. Schliesst Euch zusammen hinter dem Bundesrate!

63. Bleibt ruhig, wie auch er ruhig ist!

64. Bleibt fest, wie auch er fest ist!

65. Habt Vertrauen, wie auch er Vertrauen hat!

66. Der Himmel wird uns seinen Schutz auch weiterhin angedeihen lassen, wenn wir uns

dessen würdig zu erweisen wissen.

XXVII. Abschnitt 67. Mut und Entschlossenheit, Opfergeist, Selbsthingabe, das sind die rettenden Tugenden.

68. Durch sie wird unser freies, menschenfreundliches, verständnisvolles, gastliches

Vaterland seine brüderliche Mission weiter erfüllen können, die von den grossen

europäischen Kulturen beeinflusst ist.

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XXVIII. Abschnitt 69. Schweizer, meine Brüder, würdig der Vergangenheit, wir wollen beherzt in die Zukunft

schreiten.

XXIX. Abschnitt 70. Gott möge über uns wachen.