Positionierung des medizinischen Labors - roche.de · 31 Korrespondenzadresse Thorsten Diehl...

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28 Labormarkt | Positionierung des medizinischen Labors | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 50 • 08/2016 medizin als klassisches Querschnittsfach eher in der zweiten Reihe agiert und über wenig direkten Patientenkontakt verfügt, mangele es ihr in der Außenwahrnehmung an einem kla- ren Profil. Allzu häufig fände sie sich dadurch in der Rolle des „Hidden Champions“ wieder, der zwar erheblichen medizinischen Mehr- wert generiere, dessen Fach aber nichtsdes- totrotz schwer greifbar bleibe. Dies belegen unter anderem aktuelle Befra- gungen, nach denen 80 Prozent der behan- delnden Ärzte zwar einerseits den essenzi- ellen Beitrag der diagnostischen Daten zu ihrer Arbeit klar erkennen, zugleich aber die Labordiagnostik vor allem als einen zusätzli- chen Kostenfaktor sehen. Diese ambivalente Wahrnehmung verdeutliche, so Isermann, wie wichtig es sei, das Imageprofil der Labor- medizin zu schärfen. Im Zentrum stehe die Frage: „Wie kann man den Mehrwert, den wir in der Medizin generieren, besser greif- bar machen?“ Kooperation mit Arbeitsteilung Ein entscheidender Faktor sei, machte Professor Dr. Franz-Josef Schmitz (Bild- Die zentrale Rolle, die die In-vitro-Diagnostik heute in medizinischen Entscheidungsprozes- sen spielt, ist weitgehend unbestritten. Trotz- dem wird die Labormedizin in der Praxis häufig unterbewertet und gilt bei vielen Ärz- ten vor allem als Kostenfaktor. Während der diesjährigen Roche Tage in Mannheim disku- tierten Vertreter von Laboren aus verschiede- nen Sektoren – der Klink, dem universitären und dem niedergelassenen Bereich – wie sich die Positionierung der Labordiagnostik künf- tig verbessern und schärfen lässt. Neben einer engeren Zusammenarbeit der verschiedenen diagnostischen Disziplinen und der Integ- ration neuer Technologien betonten sie vor allem die wachsende Bedeutung des Labor- mediziners als Berater für behandelnde Ärzte. Hierbei könnten auch auf Labordaten basie- rende, computergestützte Expertensysteme wichtige Unterstützung leisten. Die Positionierung der Labormedizin in der medizinischen Versorgung ist bei weitem kein neues Thema, stellte der Schirmherr des Fachsymposiums und Leiter der Session Professor Dr. Berend Isermann (Bildkasten) gleich zu Beginn fest: Gerade weil die Labor- Positionierung des medizinischen Labors kasten) in seinem Beitrag deutlich, dass das ganze Spektrum labormedizinischer Fächer – Mikrobiologie, Hygiene, Umwelt- medizin und Transfusionsmedizin – von einer Institution abgebildet werde. Ferner sei, wie im Fall der Mühlenkreiskliniken, eine intensive, langjährige Zusammenarbeit zwischen Krankenhauslaboren und einem niedergelassenen Partner wichtig. Um die Kunden aus Krankenhaus und niedergelassenem Bereich bestmöglich und rund um die Uhr versorgen zu kön- nen, sind die Parameterspektren der Ein- zellabore in diesem Verbund aufeinander angepasst. In der Spezialdiagnostik werden bestimmte Analysen vom niedergelassenen Labor, andere von den Mühlenkreisklini- ken übernommen. Besonders wichtig sei darüber hinaus die technologisch einheitli- che Aufstellung: So gibt es eine Spiegelung der Systeme an allen fünf Laborstandorten der Mühlenkreiskliniken und zudem eine einheitliche IT-Infrastruktur. Die Back- Up-Systeme ermöglichen bei Engpässen den flexiblen Personaltausch zwischen den Standorten. Barcodierte Proben können Roche Medizinische Labore generieren erheblichen Mehrwert.

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Labormarkt | Positionierung des medizinischen Labors | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 50 • 08/2016

medizin als klassisches Querschnittsfach eher in der zweiten Reihe agiert und über wenig direkten Patientenkontakt verfügt, mangele es ihr in der Außenwahrnehmung an einem kla-ren Profil. Allzu häufig fände sie sich dadurch in der Rolle des „Hidden Champions“ wieder, der zwar erheblichen medizinischen Mehr-wert generiere, dessen Fach aber nichtsdes-totrotz schwer greifbar bleibe.

Dies belegen unter anderem aktuelle Befra-gungen, nach denen 80 Prozent der behan-delnden Ärzte zwar einerseits den essenzi-ellen Beitrag der diagnostischen Daten zu ihrer Arbeit klar erkennen, zugleich aber die Labordiagnostik vor allem als einen zusätzli-chen Kostenfaktor sehen. Diese ambivalente Wahrnehmung verdeutliche, so Isermann, wie wichtig es sei, das Imageprofil der Labor-medizin zu schärfen. Im Zentrum stehe die Frage: „Wie kann man den Mehrwert, den wir in der Medizin generieren, besser greif-bar machen?“

Kooperation mit ArbeitsteilungEin entscheidender Faktor sei, machte Professor Dr. Franz-Josef Schmitz (Bild-

Die zentrale Rolle, die die In-vitro-Diagnostik heute in medizinischen Entscheidungsprozes-sen spielt, ist weitgehend unbestritten. Trotz-dem wird die Labormedizin in der Praxis häufig unterbewertet und gilt bei vielen Ärz-ten vor allem als Kostenfaktor. Während der diesjährigen Roche Tage in Mannheim disku-tierten Vertreter von Laboren aus verschiede-nen Sektoren – der Klink, dem universitären und dem niedergelassenen Bereich – wie sich die Positionierung der Labordiagnostik künf-tig verbessern und schärfen lässt. Neben einer engeren Zusammenarbeit der verschiedenen diagnostischen Disziplinen und der Integ-ration neuer Technologien betonten sie vor allem die wachsende Bedeutung des Labor-mediziners als Berater für behandelnde Ärzte. Hierbei könnten auch auf Labordaten basie-rende, computergestützte Expertensysteme wichtige Unterstützung leisten.

Die Positionierung der Labormedizin in der medizinischen Versorgung ist bei weitem kein neues Thema, stellte der Schirmherr des Fachsymposiums und Leiter der Session Professor Dr. Berend Isermann (Bildkasten) gleich zu Beginn fest: Gerade weil die Labor-

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kasten) in seinem Beitrag deutlich, dass das ganze Spektrum labormedizinischer Fächer – Mikrobiologie, Hygiene, Umwelt-medizin und Transfusionsmedizin – von einer Institution abgebildet werde. Ferner sei, wie im Fall der Mühlenkreiskliniken, eine intensive, langjährige Zusammenarbeit zwischen Krankenhauslaboren und einem niedergelassenen Partner wichtig.

Um die Kunden aus Krankenhaus und niedergelassenem Bereich bestmöglich und rund um die Uhr versorgen zu kön-nen, sind die Parameterspektren der Ein-zellabore in diesem Verbund aufeinander angepasst. In der Spezialdiagnostik werden bestimmte Analysen vom niedergelassenen Labor, andere von den Mühlenkreisklini-ken übernommen. Besonders wichtig sei darüber hinaus die technologisch einheitli-che Aufstellung: So gibt es eine Spiegelung der Systeme an allen fünf Laborstandorten der Mühlenkreiskliniken und zudem eine einheitliche IT-Infrastruktur. Die Back-Up-Systeme ermöglichen bei Engpässen den flexiblen Personaltausch zwischen den Standorten. Barcodierte Proben können

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Medizinische Labore generieren erheblichen Mehrwert.

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prinzipiell an allen Standorten verarbeitet werden. Die Vernetzung über eine zentrale Middleware sorgt dafür, dass alle Systeme nicht nur in den jeweiligen Laboren selbst, sondern auch vom Zentrallabor in Minden aus kontrolliert werden können.

Nach Ansicht von PD Dr. Felix Stelter (Bild-kasten) bleiben die Konsolidierung und Industrialisierung der Labore zeitgemäß. Auch wenn diese Entwicklung oft negativ konnotiert sei, sei sie im Sinne eines sinn-vollen Einsatzes von Mitteln und Ressour-cen unumkehrbar. Durch die Organisation in Verbünden könne ärztliche Expertise gebündelt und zugleich sichergestellt wer-den, dass die Standarddiagnostik in der Flä-che gewährleistet bleibt, während arbeits- und kostenintensive Spezialdiagnostik an den am besten geeigneten Standorten zen-tralisiert wird.

Für die Diagnostik werden sich laut Stelter vermehrt Kombinationen aus bewährten und neuen Markern etablieren. „In vielen Fällen arbeiten wir in unserem Labor gar nicht mehr mit klassischen Referenzberei-chen, sondern mit Entscheidungsgrenzen oder Scores für konkrete klinische Frage-stellungen“. Im Hinblick auf technologi-sche Entwicklungen sieht er vor allem den anhaltenden Trend zur Automation, verbun-den mit Miniaturisierung und Multiplex-Analyse. Dabei bleibe die Vergleichbarkeit von Methoden und Messergebnissen eine zentrale Herausforderung. Durch die fort-schreitende Digitalisierung stiegen zudem

Diskussionsrunde zur Positionierung des medizinischen Labors

Prof. Dr. Berend Isermann, Direktor des Instituts für Kli-nische Chemie und Pathobiochemie am Universitätskli-nikum Magdeburg leitete als Schirmherr das Symposium „Diagnostik im Dialog LIVE“ und führte den Vorsitz der Session „Positionierung des medizinischen Labors".

Prof. Dr. Franz-Josef Schmitz, Chefarzt des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Hygiene, Umweltme-dizin und Transfusionsmedizin an den Mühlenkreiskliniken in Minden schilderte die Chancen medizinischer Labore in einem regionalen Krankenhausverbund.

PD Dr. Felix Stelter, Ärztlicher Leiter am Labor Schott-dorf MVZ GmbH in Augsburg legte die Herausforderun-gen der Laborpositionierung aus Sicht der niedergelasse-nen Labore dar.

Prof. Dr. Dr. André Gessner, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Hygiene in Regensburg vertrat bei der Frage der Laborpositionierung die Position der universi-tären Laboratorien.

Prof. Dr. Jens Brümmer, Direktor des Zentralinstituts für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Transfusions-medizin am Städtischen Klinikum Karlsruhe leitete die Session „Digitalisierung der Gesundheit“ und präsentierte seine Erfahrungen zur Laborpositionierung im Kontext von Big Data.

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Im Sinne einer sinnvollen Ressourcennutzung ist die "Industrialisierung" der Labore unumkehrbar.

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die Anforderungen an Labore im Hinblick auf Datenschutz und -sicherheit.

Zukunftsthemen bedienen, Ärzte beratenFür Prof. Schmitz liegt ein weiterer Fak-tor für die erfolgreiche Positionierung der Labormedizin in der gezielten Ausrichtung auf Zukunftsgebiete der Diagnostik, insbe-sondere in den Bereichen Mikrobiologie, Antibiotic Stewardship (ABS) und Hygiene – auch wenn dies zum Teil einen Schwenk weg von der klassischen Labordiagnostik bedeute. „Aus meiner Sicht wird es künf-tig ganz entscheidend darauf ankommen, den Bereich Mikrobiologie in einem Labor- umfeld zu stärken“, so Schmitz. „Wir sehen die Probleme mit multiresistenten Erregern, Probleme mit Isolationen, Probleme mit potenziellen Ausbrüchen und hier gewinnen sowohl die Bereiche mikrobiologische Bera-tung und ABS auf der einen, sowie Hygiene und Infektionsprävention auf der anderen Seite einen immer größeren Stellenwert.“

Eine Einschätzung, die auch Professor Dr. Dr. André Gessner (Bildkasten) teilt: In der Tat habe sich die Mikrobiologie zu einem wichti-gen Bereich in der täglichen Versorgung, aber auch für die Forschung entwickelt. Grund

dafür sei zum einen das Auftauchen immer neuer, zum Teil unbekannter Erreger wie BSE, SARS, Ebola oder zuletzt Zika. Zum anderen wächst die Problematik resistenter Erreger mittlerweile zu einem der größten globalen Gesundheitsprobleme heran.

„Infektiologie, Mikrobiologie und Hygiene müssen extrem eng zusammenarbeiten“, ist Gessner deshalb überzeugt. Der infek-tiologischen Beratung werde künftig noch mehr Bedeutung zukommen, gerade im Bereich ABS. Um dieser Rolle gerecht wer-den zu können, sei es gerade für universitäre Labore mit ihrem zusätzlichen Auftrag für Forschung und Ausbildung bedeutsam, neue Technologien zu integrieren und wichtige Entwicklungsfelder der Labormedizin vor-anzutreiben. Dazu zählen für Gessner unter anderem das Therapeutic Drug Monitoring als Teil von ABS, die T-Zell-Immundiagnos-tik sowie die Mikrobiom-Analyse.

Technologisch hat der Einsatz von Next Generation Sequencing (NGS) große Bedeu-tung, um über die Erregerbestimmung Infek-tionsketten aufklären und unterbrechen zu können. Und NGS wird auch in einem weiteren Zukunftsfeld der Labormedizin

benötigt: der Mikrobiom-Analyse. Es werde immer deutlicher, dass das Mikrobiom im Kontext vieler komplexer Erkrankungen eine zentrale Rolle spielt. Die Mikrobiom-Analyse könnte sich daher bei etlichen klini-schen Fragestellungen zum Standardvorge-hen entwickeln und zu einer Voraussetzung für die Personalisierte Medizin werden.

PD Dr. Felix Stelter betonte, dass sich die Labormedizin in ihrer Positionierung auch auf die sich verändernden gesellschaftli-chen und sozialen Entwicklungen einstel-len müsse, denn dadurch bedingt würden neue Labor- und Beratungsleistungen nachgefragt. Insbesondere die steigende Lebenserwartung verändere das Krank-heitsspektrum: Diabetes, Demenz- und Krebserkrankungen entwickelten sich zu Schwerpunkten. Zunehmend wichtig werde die Labormedizin für die gesellschaftlich brisanten Aspekte „Vorsorge“, „Hygiene“ sowie „Emerging und Re-Emerging Infec-tious Diseases“.

Laut Stelter besteht bereits heute rund ein Drittel der Tätigkeit in seinem Labor aus Gesprächen mit Einsendern, um eine adäquate Entscheidung für den Patienten

Die Bedeutung des Labor- mediziners als Berater für behandelnde Ärzte steigt, beispielsweise im Kontext der globalen infektiologischen Herausforderungen.

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zu unterstützen. Zukünftig sieht er Labore in einer noch stärkeren Beraterrolle bei der Abwägung zwischen dem medizinisch Machbaren und dem medizinisch Notwen-digen.

Expertensysteme und Big Data Die Notwendigkeit einer stärkeren Beratung der Laborkunden, hob auch Professor Dr. Jens Brümmer (Bildkasten) in der Session „Digitalisierung der Gesundheit“ hervor. Er verwies auf ein häufig vernachlässigtes Pro-blem: Nur rund 60 Prozent der Labortests, die nach den Leitlinien gefordert sind, wer-den tatsächlich von den Ärzten angefordert. Dies liege wesentlich daran, dass entweder von vornherein falsche Dinge angefordert oder aus den Befunden falsche Schlüsse gezogen werden. Eine Ursache dafür sei, dass aufgrund des rasanten Wachstums an medizinischem Wissen und Studien kaum ein behandelnder Arzt mehr in der Lage sei, über Analysen und Befunde so gut Bescheid zu wissen, wie das eigentlich notwendig wäre.

Mehr Beratung und Weiterbildung seien deshalb von Seiten der Labore gefordert. Eine Möglichkeit bildeten computerba-

sierte Expertensysteme, die dem Kliniker Vorschläge machen, wann welche Tests für einen bestimmten Patienten anzufordern sind oder was diese Tests aussagen. Hier gibt es bereits vielversprechende Ansätze, bei denen unter Zuhilfenahme aller vor-handenen Fachliteratur konkrete Behand-lungsvorschläge resultieren. Weil sich die diagnostischen und medizinischen Daten immer komplexer und in der Interpreta-tion schwieriger darstellen, sind solche Unterstützungssysteme für Brümmer die Voraussetzung für eine wirklich Persona-lisierte Medizin.

Die Stellung des Labors werde, so Brümmer, durch „Big Data“ gestärkt: Aufgrund ihres hohen Grads an Standardisierung stamm-ten schon heute die am besten strukturier-ten Daten des Gesundheitswesens aus Labo-ren. Das werde zu einer Neubewertung des Labors führen, was sich in den USA bereits abzeichnet: Labore seien künftig nicht mehr Kostenfaktor, sondern vor allem Erzeuger kostbarer Daten – standardisiert, internatio-nal vergleichbar und das bei jedem einzelnen Patienten, ambulant wie stationär. „Labore spielen also eine Art Hauptrolle, wenn es um Big Data geht“, so Brümmer´s Fazit.

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„Big Data“ stärkt Labore, denn sie liefern die am besten strukturierten Patientendaten – standardisiert und inter- national vergleichbar.