Potentiell inadäquate Medikamente (PIM) in einer ... · Dosierungen betrug der Anteil der PIM...

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Potentiell inadäquate Medikamente (PIM) in einer geriatrischen Klinik in 2013 K. Hager 1 , V. Grosse 1 , A. Weygand 2 1 : Zentrum für Medizin im Alter, Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH, Hannover 2 : Zentralapotheke, Diakonische Dienste Hannover gGmbH (DDH) Hintergrund: In der Priscus-Liste aus 2011 wurden potentiell inadäquate Medikamente (PIM) für ältere Menschen aufgelistet, wobei diese Medikamente nicht generell im Alter ausgeschlossen sind, jedoch eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Verordnung erfordern 1 . Ergebnisse Tatsächlich wurden 31 (d.h. 37%) der 83 in der Priscus-Liste genannten Substanzen von der geriatrischen Klinik angefordert (Tab. 1). Bezogen auf die gesamte Anzahl von 1034 der bestellten Substanzen bzw. Dosierungen betrug der Anteil der PIM 6,1%. (Tab. 2) Bezogen auf die 429.823 angeforderten Stückzahlen lag der Anteil der PIM nur bei 3,7%. Alle bestellten, in der Priscus-Liste genannten Substanzen sind in Tab. 4 aufgeführt. Aufgrund der Erhebungsmethodik ist allerdings nicht zu eruieren, ob die verordneten Dosierungen tatsächlich auch im potentiell inadäquaten Bereich lagen. Daher wird der Anteil der PIM an den Verordnungen eher noch geringer sein. Die fünf häufigsten PIM (abnehmende Menge) waren: Tavor® 1,0 mg, Zolpidem10 mg, Amineurin® 25 mg, Arcoxia 60 mg® und Novodigal® 0,2 mg. Methodik Die Medikamentenanforderungen des Zentrums für Medizin im Alter in Hannover wurden in der Zentralapotheke der Diakonischen Dienste (DDH) vom 01.01.2013 bis zum 31.12.1013 nach Präparaten und Dosierung erfasst. Diese Liste wurde hinsichtlich der 83 in der Priscus-Liste aufgeführten Substanzen durchgesehen. 39. ADKA-Kongress, 15.-18.05.2014, Hamburg Tab. 1 Zahl und Anteil der in der Priscus-Liste genannten Medikamente, die tatsächlich bestellt wurden Diskussion Der relativ geringe Anteil der PIM an den insgesamt angeforderten Stückzahlen deutet darauf hin, dass PIM in der Geriatrie tatsächlich relativ selten eingesetzt wurden. Im Vergleich dazu weist der hohe Anteil von 37% dennoch angeforderter PIM auf eine bewusste Auswahl dieser Medikamente hin. Gründe für die Gabe eines PIM können eine differenzierte Indikationsstellung genauso sein wie der Wunsch des Patienten oder eine Vormedikation, auf die nicht verzichtet werden sollte. Einige der Medikamente wurden auch bewusst unter Berücksichtigung der möglichen Nebenwirkungen eingesetzt (z.B. Arcoxia® bei Schmerzen, Novodigal® als Fortsetzung der Vormedikation). Vergleichszahlen lassen sich beispielsweise einer Publikation von Thürmann und Selke entnehmen 2 . Danach lag der Verordnungsanteil (nach Packungen) in Deutschland im Mittel bei 4-5%. Die verordnete Menge in dieser Studie (nach Medikamentenzahlen) lag mit 3,6% auf diesem Niveau. Offen ist, inwieweit der komplette Verzicht auf PIM tatsächlich Vorteile für den Patienten bringt, z.B. hinsichtlich der Lebensqualität oder des Überlebens. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der klinikinternen Besprechungen dargestellt und auf einen besonders vorsichtigen Einsatz von PIM hingewiesen. Interessenkonflikt. Es bestehen keine Interessenkonflikte aufgrund von Beziehungen zur Pharmaindustrie Fragestellung Die von einer geriatrischen Klinik angeforderten Medikamente sollten daraufhin überprüft werden, wie groß der Anteil der PIM im Sinne der Priscus-Liste ist. Kontaktadresse: Prof. Dr. med. K. Hager, Zentrum für Medizin im Alter, Schwemannstraße 19, 30559 Hannover, Tel.; 0511/289-3222; Fax: 0511/289-3004; Email: [email protected] Tab. 4 Welche PIM wurden bestellt? Literatur 1. Priscus-Liste: http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf , zuletzt eingesehen am 19.04.2014 2. Thürmann, P.A. und Selke, G.W.: Verordnungen potenziell inadäquater Medikamente (PRISCUS-Liste) an ältere Patienten. In: Klauber et al.: Versorgungs-Report 2013/2014. ISBN: 978-3-7945-2929-2. © Schattauer GmbH. Nr. 44 Zusammenfassung 3,6% der von einer Geriatrie in der Apotheke bestellten Menge an Medikamenten finden sich auch in der Priscus-Liste und wären danach für geriatrische Patienten potentiell inadequat. Dies liegt auf bzw. noch etwas unter Werten aus Deutschland und spricht dafür, dass PIM in der geriatrischen Klinik mit Bedacht eingesetzt wurden. Insgesamt wurden jedoch 37,3% der in der Priscus-Liste genannten Medikamente tatsächlich bestellt, was im Hinblick auf den geringen Mengenanteil auf einen gezielten Einsatz hinweist. Ein kompletter Verzicht auf solche potentiell inadäquaten Medikamente (PIM) ist kaum möglich. Zudem gibt es viele weitere, für alte Menschen potentiell nebenwirkungsreiche Medikamente, die nicht in der Priscus-Liste verzeichnet sind. Acetyldigoxin Novodigal Amitriptylin Amineurin Baclofen Lioresal Bromazepam Bromazanil Clemastin Tavegil Clomipramin Anafranil Clonidin Clonidin, Catapresan Clozapin Leponex Diazepam Digoxin Lanicor Dimenhydrinat Arlevert, Vomex Dimetinden Fenistil Doxazosin Doxazosin, Doxacor Etoricoxib Arcoxia Flunitrazepam Flunitrazepam, Rohypnol Fluoxetin Fluctin Haloperidol* (> 2 mg) Haldol, Haloperidol Indometacin Indo..., Indometacin Lorazepam (> 2 mg/d) Tavor Maprotilin Maprotilin, Ludiomil Metildigoxin Lanitop Naftidrofuryl Dusodril Nitrazepam Imeson, Mogadan Nitrofurantoin Nitrofurantoin Pentoxifyllin Trental Sotalol Sotalex…. Thioridazin Melleril Tolterodin (nicht retardiert) Detrusitol, Tolterodin Trimipramin Stangyl Zolpidem (> 5 mg/d) Stilnox Zopiclon (> 3,75 mg/d) Tab. 2 Anzahl und Anteil der unterschiedlichen Medikamente bzw. Dosierungen im Hinblick auf die Nennung in der Priscus-Liste Tab. 3 Bestellte Menge an Einzeldosen im Hinblick auf die Nennung in der Priscus- Liste bestellte Menge Anteil alle 429.823 100% keine PIM 414.564 96,4% PIM 15.259 3,6% Anzahl der bestellten Medikamente bzw. Dosierungen Anteil alle 1.034 100% keine PIM 971 93,9% PIM 63 6,1% Anzahl Anteil Medikamente der Priscus-Liste 83 100% davon verordnet 31 37,3% davon nicht verordnet 52 62,7%

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Potentiell inadäquate Medikamente (PIM) in einer geriatrischen Klinik in 2013

K. Hager1, V. Grosse1, A. Weygand2

1: Zentrum für Medizin im Alter, Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH, Hannover 2: Zentralapotheke, Diakonische Dienste Hannover gGmbH (DDH)

Hintergrund: In der Priscus-Liste aus 2011 wurden potentiell inadäquate Medikamente (PIM) für ältere Menschen aufgelistet, wobei diese Medikamente nicht generell im Alter ausgeschlossen sind, jedoch eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Verordnung erfordern1.

Ergebnisse Tatsächlich wurden 31 (d.h. 37%) der 83 in der Priscus-Liste genannten Substanzen von der geriatrischen Klinik angefordert (Tab. 1).

Bezogen auf die gesamte Anzahl von 1034 der bestellten Substanzen bzw. Dosierungen betrug der Anteil der PIM 6,1%. (Tab. 2)

Bezogen auf die 429.823 angeforderten Stückzahlen lag der Anteil der PIM nur bei 3,7%.

Alle bestellten, in der Priscus-Liste genannten Substanzen sind in Tab. 4 aufgeführt. Aufgrund der Erhebungsmethodik ist allerdings nicht zu eruieren, ob die verordneten Dosierungen tatsächlich auch im potentiell inadäquaten Bereich lagen. Daher wird der Anteil der PIM an den Verordnungen eher noch geringer sein.

Die fünf häufigsten PIM (abnehmende Menge) waren: Tavor® 1,0 mg, Zolpidem10 mg, Amineurin® 25 mg, Arcoxia 60 mg® und Novodigal® 0,2 mg.

Methodik Die Medikamentenanforderungen des Zentrums für Medizin im Alter in Hannover wurden in der Zentralapotheke der Diakonischen Dienste (DDH) vom 01.01.2013 bis zum 31.12.1013 nach Präparaten und Dosierung erfasst. Diese Liste wurde hinsichtlich der 83 in der Priscus-Liste aufgeführten Substanzen durchgesehen.

39. ADKA-Kongress, 15.-18.05.2014, Hamburg

Tab. 1 Zahl und Anteil der in der Priscus-Liste genannten Medikamente, die

tatsächlich bestellt wurden

Diskussion Der relativ geringe Anteil der PIM an den insgesamt angeforderten Stückzahlen deutet darauf hin, dass PIM in der Geriatrie tatsächlich relativ selten eingesetzt wurden. Im Vergleich dazu weist der hohe Anteil von 37% dennoch angeforderter PIM auf eine bewusste Auswahl dieser Medikamente hin. Gründe für die Gabe eines PIM können eine differenzierte Indikationsstellung genauso sein wie der Wunsch des Patienten oder eine Vormedikation, auf die nicht verzichtet werden sollte. Einige der Medikamente wurden auch bewusst unter Berücksichtigung der möglichen Nebenwirkungen eingesetzt (z.B. Arcoxia® bei Schmerzen, Novodigal® als Fortsetzung der Vormedikation).

Vergleichszahlen lassen sich beispielsweise einer Publikation von Thürmann und Selke entnehmen2. Danach lag der Verordnungsanteil (nach Packungen) in Deutschland im Mittel bei 4-5%. Die verordnete Menge in dieser Studie (nach Medikamentenzahlen) lag mit 3,6% auf diesem Niveau.

Offen ist, inwieweit der komplette Verzicht auf PIM tatsächlich Vorteile für den Patienten bringt, z.B. hinsichtlich der Lebensqualität oder des Überlebens.

Die Ergebnisse wurden im Rahmen der klinikinternen Besprechungen dargestellt und auf einen besonders vorsichtigen Einsatz von PIM hingewiesen.

Interessenkonflikt. Es bestehen keine Interessenkonflikte aufgrund von Beziehungen zur Pharmaindustrie

Fragestellung Die von einer geriatrischen Klinik angeforderten Medikamente sollten daraufhin überprüft werden, wie groß der Anteil der PIM im Sinne der Priscus-Liste ist.

Kontaktadresse: Prof. Dr. med. K. Hager, Zentrum für Medizin im Alter, Schwemannstraße 19, 30559 Hannover, Tel.; 0511/289-3222; Fax: 0511/289-3004; Email: [email protected]

Tab. 4 Welche PIM wurden bestellt?

Literatur 1. Priscus-Liste: http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf, zuletzt eingesehen am

19.04.2014

2. Thürmann, P.A. und Selke, G.W.: Verordnungen potenziell inadäquater Medikamente (PRISCUS-Liste) an ältere Patienten. In: Klauber et al.: Versorgungs-Report 2013/2014. ISBN: 978-3-7945-2929-2. © Schattauer GmbH.

Nr. 44

Zusammenfassung 3,6% der von einer Geriatrie in der Apotheke bestellten Menge an Medikamenten finden sich auch in der Priscus-Liste und wären danach für geriatrische Patienten potentiell inadequat. Dies liegt auf bzw. noch etwas unter Werten aus Deutschland und spricht dafür, dass PIM in der geriatrischen Klinik mit Bedacht eingesetzt wurden. Insgesamt wurden jedoch 37,3% der in der Priscus-Liste genannten Medikamente tatsächlich bestellt, was im Hinblick auf den geringen Mengenanteil auf einen gezielten Einsatz hinweist. Ein kompletter Verzicht auf solche potentiell inadäquaten Medikamente (PIM) ist kaum möglich. Zudem gibt es viele weitere, für alte Menschen potentiell nebenwirkungsreiche Medikamente, die nicht in der Priscus-Liste verzeichnet sind.

Acetyldigoxin Novodigal

Amitriptylin Amineurin

Baclofen Lioresal

Bromazepam Bromazanil

Clemastin Tavegil

Clomipramin Anafranil

Clonidin Clonidin, Catapresan

Clozapin Leponex

Diazepam

Digoxin Lanicor

Dimenhydrinat Arlevert, Vomex

Dimetinden Fenistil

Doxazosin Doxazosin, Doxacor

Etoricoxib Arcoxia

Flunitrazepam Flunitrazepam, Rohypnol

Fluoxetin Fluctin

Haloperidol* (> 2 mg) Haldol, Haloperidol

Indometacin Indo..., Indometacin

Lorazepam (> 2 mg/d) Tavor

Maprotilin Maprotilin, Ludiomil

Metildigoxin Lanitop

Naftidrofuryl Dusodril

Nitrazepam Imeson, Mogadan

Nitrofurantoin Nitrofurantoin

Pentoxifyllin Trental

Sotalol Sotalex….

Thioridazin Melleril

Tolterodin (nicht retardiert) Detrusitol, Tolterodin

Trimipramin Stangyl

Zolpidem (> 5 mg/d) Stilnox

Zopiclon (> 3,75 mg/d)

Tab. 2 Anzahl und Anteil der unterschiedlichen Medikamente bzw. Dosierungen im

Hinblick auf die Nennung in der Priscus-Liste

Tab. 3 Bestellte Menge an Einzeldosen im Hinblick auf die Nennung in der Priscus-

Liste

bestellte Menge Anteil

alle 429.823 100%

keine PIM 414.564 96,4%

PIM 15.259 3,6%

Anzahl der bestellten

Medikamente bzw. Dosierungen

Anteil

alle 1.034 100%

keine PIM 971 93,9%

PIM 63 6,1%

Anzahl Anteil

Medikamente der Priscus-Liste 83 100%

davon verordnet 31 37,3%

davon nicht verordnet 52 62,7%