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PRAKTIKUM DER ALLGEMEINEN UND ANORGANISCHEN CHEMIE 1. JAHR Frühjahrssemester 2015 Prof. P. Belser e g t 2g oktaedrische Umgebung sphärische Umgebung

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PRAKTIKUM DER ALLGEMEINEN UND

ANORGANISCHEN CHEMIE 1. JAHR

Frühjahrssemester 2015

Prof. P. Belser

eg

t2g

oktaedrische Umgebung

sphärische Umgebung

Praktikum der allgemeinen und anorganischen Chemie 2.Semester

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Inhaltsverzeichnis  

1.  Fällungsreaktionen  .........................................................................................................  3  1.1  Einführung  Fällungsanalyse  ....................................................................................................................................  3  1.2  Löslichkeitsgleichgewichte  ......................................................................................................................................  4  1.2.1  Das  Löslichkeitsprodukt  ..........................................................................................................................................  5  

1.3  Bestimmung  von  Chloridionen  ..............................................................................................................................  7  1.4  Gravimetrie  ..................................................................................................................................................................  12  

2.  Säure-­‐Base-­‐Titrationen  .................................................................................................  20  2.1  Theoretische  Grundlagen  ......................................................................................................................................  20  2.1.1  Säuren  und  Basen  ...................................................................................................................................................  20  2.1.2  Titrationen  .................................................................................................................................................................  21  2.1.3  Titrationskurven  .....................................................................................................................................................  23  2.1.4  Beispiele  für  einfache  Säure-­‐Base-­‐Titrationen  ..........................................................................................  28  

2.2  Experimenteller  Teil  ................................................................................................................................................  37  

3.  Redoxtitrationen  ..........................................................................................................  41  3.1  Oxidation  und  Reduktion  ......................................................................................................................................  41  3.2  Redoxindikatoren  .....................................................................................................................................................  42  3.3  Oxidimetrie  /  Redox-­‐Titration  ............................................................................................................................  43  

4.  Konduktometrie  ...........................................................................................................  50  4.1  Die  Leitfähigkeit  von  Elektrolytlösungen  .......................................................................................................  51  

5.  Potentiometrische  Methoden  ......................................................................................  56  5.1  Grundlagen  ..................................................................................................................................................................  56  5.2  Potentiometrische  pH-­‐Messung  .........................................................................................................................  57  5.3  Spezifische  Elektroden;  Natrium-­‐selektive  Elektroden  ...........................................................................  68  

6.  Komplexometrie  ..........................................................................................................  74  6.1  Bestimmung  der  Wasserhärte  mittels  Komplexometrie  .........................................................................  75  

7.  Spektroskopische  Methoden  ........................................................................................  79  7.1  Einleitung  .....................................................................................................................................................................  79  7.2  UV-­‐Vis-­‐Spektroskopie  .............................................................................................................................................  81  

8.  Optische  Aktivität  .........................................................................................................  91  8.1  Theoretischer  Teil  ....................................................................................................................................................  91  8.1.1  Diastereomere  ..........................................................................................................................................................  93  8.1.2  Enantiomere  ..............................................................................................................................................................  94  

8.2  Optische  Aktivität  .....................................................................................................................................................  95  

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1.  Fällungsreaktionen    

1.1  Einführung  Fällungsanalyse  

Es gibt mehrere Möglichkeiten die Ionenkonzentrationen einer Probe zu bestimmen. Die geläufigsten Methoden sind die Titration und die Gravimetrie. In Versuch 1 wird die Chlorid-Ionenkonzentration durch Titration, in Versuch 2 die Nickel-Ionenkonzentration und im dritten Versuch die Kupfer-Ionenkonzentration durch Gravimetrie bestimmt. Die Titration bildet dabei ein schnelleres und einfacheres Verfahren zur Konzentrationsbestimmung, da das Filtrieren, Waschen und Trocknen der Niederschläge wegfällt. Titrimetrische Verfahren sind aber nur bei umfangreichen Kenntnissen des Reaktionsablaufs und der Zusammensetzung der einzelnen Substanzen möglich. Dagegen bildet die Gravimetrie ein eher komplexeres Verfahren mit guter Genauigkeit und einfacher Handhabung. Das Ziel der Gravimetrie ist es, die zu bestimmenden Ionen in eine Fällungsform und anschliessend in eine Wägeform zu überführen. Die Fällung der Ionen kann dabei auf zwei Arten geschehen, die gelartige und die kristalline Fällung. In diesem Kapitel wird ausschliesslich die kristalline Fällung behandelt.

Einteilung der Fällungsanalyse

Wir können die Fällungsanalyse oder Gravimetrie nach der Art der Abscheidung in folgende Methoden aufteilen:

• Ausfällung einer schwerlöslichen stabilen Verbindung des betreffenden Elements auf chemischem Wege (Zugabe von Fällungsreagenz)

Gravimetrie

• Abscheidung des gesuchten Elements oder Verbindung mit Hilfe des elektrischen Stromes

Elektrogravimetrie

In diesem ersten Kapitel wird die quantitative Bestimmung von Cl-, Ni2+ und Cu2+

behandelt. In der folgenden Abbildung ist ein generelles Schema der Fällungsanalyse dargestellt.

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Schema: Darstellung verschiedener Niederschlagsabtrennmethoden

1.2  Löslichkeitsgleichgewichte   Das Gleichgewicht gelöste-ungelöste Substanz

Abgesehen von ein paar Fällen der vollständigen Mischbarkeit ist es in der Regel nicht möglich, in einem gegebenen Lösungsmittel eine unbegrenzte Menge an Gelöstem aufzulösen.

Die Löslichkeit einer dissoziierten Verbindung wird durch das maximale Ionenprodukt oder Löslichkeitsprodukt KL (engl.: KSO) bestimmt. Unter der Löslichkeit L (engl.: S) versteht man die Gesamtkonzentration des gelösten Stoffes in der gesättigten Lösung, bezogen auf die Formeleinheit.

Die Löslichkeit eines Körpers ist die maximale Menge, die in einem gegebenen Volumen von Lösungsmittel gelöst werden kann, wodurch eine gesättigte Lösung entsteht. Sie variiert je nach der Art des Lösungsmittels und der gelösten Substanz, und ist eine Funktion der Temperatur. Die reine überschüssige Substanz und die gesättigte Lösung bilden immer zwei definierte Phasen, die einem stationären, heterogenen Gleichgewicht entsprechen: Obwohl die Lösung gesättigt ist, wird eine gewisse Menge an Substanz aufgelöst und durch eine gleiche Menge an Substanz, welche zur gleichen Zeit ausfällt, kompensiert. So besteht das System z.B. aus festem NaCl und einer gesättigten NaCl-Lösung aus Ionen, welche aus der Kristall-Lösung in den Kristall eingebaut werden, und anderen, welche sich aus dem festen NaCl-Kristall auflösen:

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Richtung 1: Auflösung; Richtung 2: Ausfällung

• 1.2.1  Das  Löslichkeitsprodukt   Zwischen einer ionischen Verbindung AB und einer gesättigten Lösung von Ax+ und Bx--Ionen, die durch eine Dissoziation von AB entstehen, existiert ein Löslichkeitsgleichgewicht:

Dieses wird auch durch das Massenwirkungsgesetz beschrieben.

Da jedoch die relativen, molaren Konzentrationen von Festkörpern (AB) gleich 1 gesetzt werden können, wird eine neue Konstante erhalten:

KL ist durch den Druck, die Temperatur und das gegebene Milieu definiert.

Ganz allgemein ist das Löslichkeitsprodukt einer ionischen Verbindung AmBn, welche nach der folgenden Gleichung dissoziiert:

durch die folgende Beziehung definiert:

Voraussichtliche Veränderungen

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Im Allgemeinen kann vorausgesagt werden in welche Richtung sich ein Gleichgewichtssystem verschiebt. Durch einen Vergleich des Reaktionsquotienten Q des Zustandes, in dem sich das System befindet, und der Gleichgewichtskonstanten der Löslichkeit KL kann die Richtung der Veränderung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall wird das Verhältnis Q durch den Ausdruck [Ax+]m [By-]n und durch die Gleichgewichtskonstante KL ausgedrückt. Für Q können folgende drei Fälle auftreten:

Q < KL: Das System ist nicht im Gleichgewicht. Es findet ein Auflösen und keine Ausfällung des Festkörpers statt. Dieser Prozess dauert solange bis der Gleichgewichtszustand Q = KL erreicht ist.

Q = KL: Das System befindet sich im Gleichgewicht. Es findet sowohl eine Auflösung wie auch eine Ausfällung der Verbindung statt. Die Lösung ist gesättigt.

Q > KL: Um das Gleichgewicht zu erreichen muss das System eine gewisse Menge an Substanz durch Auskristallisieren verlieren. Dieser Prozess dauert solange, bis der Gelichgewichtszustand Q = KL erreicht ist. Die Beziehung Löslichkeit und Löslichkeitsprodukt

Die Löslichkeit L einer Verbindung wird als diejenige Menge an Mol Substanz bezeichnet, welche in einem Liter des Lösungsmittels löslich ist.

Wenn die Dissoziation vollständig abläuft, sind in Lösung keine Moleküle AB mehr vorhanden. Die Verbindung liegt in ihrer ionischen Form als Ax+ und Bx- vor. Es gilt daher:

und Die beiden Konzentrationen [Ax+] und [Bx-] sind in diesem Fall gleich gross.

Für eine Verbindung AmBn ergibt jedes aufgelöste Mol AmBn m Mole des Ions Ax+ und n Mole des Ions By-. Daraus folgt:

und

Das Löslichkeitsprodukt kann also wie folgt beschrieben werden:

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Die Löslichkeit ist somit:

Das Löslichkeitsprodukt lässt sich nach folgenden Methoden experimentell bestimmen:

• Löslichkeitsmessungen • EMK(Elektromotorische Kraft)-Messungen mit Feststoffelektroden • Instrumentelle Messung der fällungsanalytischen Titrationskurve

Bei der Messung von KL werden oft elektrochemische Messmethoden als Bestimmungsmethoden benutzt. Man misst hierbei das Elektrodenpotential einer elektrochemischen Halbzelle einer gesättigten Lösung des gesuchten Ions. Das gemessene Potential ist physikalisch direkt verknüpft mit den Konzentrationen der entsprechenden Ionen.

1.3  Bestimmung  von  Chloridionen  

Eine wichtige Methode, die die Ausfällung von schwerlöslichen Verbindungen beinhaltet, ist die Gravimetrie. Der Niederschlag wird sofort nach dem Absaugen des Lösungsmittels und einem Trocknungsprozess als kristallines Produkt ausgewogen. Mit wenigen Ausnahmen ist die Fällung vollständig und kann entweder, wie erwähnt, gewogen werden oder für eine nachfolgende Titration gebraucht werden. Diese Analysetechnik kann auf Halogenide wie AgCl, AgBr sowie AgI und für die Pseudohalogenide wie AgSCN und AgCN angewendet werden. Wird mit Hilfe einer Bürette Cl- (resp. Ag+) zu einer Lösung von Ag+ (resp. Cl-) zugegeben, erreicht man nach der Zugabe einer stöchiometrischen Menge Gegenionen den sogenannten Äquivalenzpunkt. Ein wichtiger Teil der titrimetrischen Bestimmung der Ionen ist die Anzeige des Endpunktes der Titration (Äquivalenzpunkt), der sehr nahe am wirklichen Endpunkt der Titration liegen muss. Im Bereich des Endpunktes der Titration muss die Messfunktion eine grosse Änderung ihres Wertes aufzeigen, um eine genaue Analyse zu gewährleisten.

Es existiert eine älteres Verfahren, welches aber sehr instruktiv die oben erwähnten Punkte zeigt. So tragen in der Reaktion:

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die kolloidalen Teilchen von AgCl tragen eine negative Teilladung, solange man im Bereich vor dem Äquivalenzpunkt liegt. Die Zusammensetzung der Aggregate kann dann wie folgt beschrieben werden: AgClxδ-, oder x = 1 + δ, δ<< 1. Die Koagulierung ist am Äquivalenzpunkt komplett und die Lösung wird klar.

Um den Äquivalenzpunkt (Endpunkt der Koagulation) sichtbar zu machen, kann man einen anionischen Farbstoff (Eosin) hinzufügen. Letzterer hat in Lösung eine andere Farbe, als wenn es von einem kolloidalen Teilchen adsorbiert wird. Im Verlauf der Titration eines Halogenids durch Ag+ wird der Indikator nicht vom Silberhalogenid-Kolloid adsorbiert. Am Aequivalenzpunkt ladet sich das ausgefallene Silber-halogenid-Kolloid wegen einem kleinen Ueberschuss an Ag+ leicht positiv auf. Es bildet nun mit dem Indikatoranion ein Anion/Kation-Adukt und ändert dabei seine Farbe. Diese Indikationsmethode ist nach ihrem Entdecker Fajans benannt.

Beispiele für verwendete Indikatoren: Titration von Cl-: Fluorescein. Titration von Br-, I-, SCN-, pH ~ 3-8: Eosin.

Bei der Indikationsmethode zur Endpunktbestimmung nach Mohr wird K2CrO4 zugegeben um Cl- oder Br- zu bestimmen. Da Silberionen einen roten Silberkomplex mit dem Chromat (Ag2CrO4) bilden, ist der Äquivalenzpunkt durch das Auftreten einer Rotfärbung gekennzeichnet.

Die Endpunktanzeige nach der Methode von Volhard wird oft zur Bestimmung von Ag+ benutzt. Das Titrationsmittel ist eine Masslösung von SCN-. Der Titrierlösung wird wenig Fe3+ zugegeben. Der blutrote Komplex FeSCN2+ bildet sich sobald alles an AgSCN ausgefällt wurde.

Experiment 1: Bestimmung der Chlorid-Ionen in Wasser mit der Methode nach Mohr

Ziel

Die Qualität des Trinkwassers ist auf europäischer Ebene geregelt. Diese Verordnungen fixiert die Grenzwerte, welche nicht überschritten werden dürfen, wie den Ionengehalt, die Anzahl der Mikroorganismen, die Menge der Pestizide, bei einer

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bestimmten Temperatur und einem definierten pH-Wert, etc. In dieser Verordnung sind auch die Grenzwerte für Cl- geregelt.

Die Methode zur Bestimmung der Chlorid-Ionen, welche verwendet wird um Wasser zu analysieren, ist die Mohr-Methode. Mit dieser Methode messen wir die Konzentration der Chlorid-Ionen in Mineralwasser.

Material und Chemikalien

• Eine graduierte Bürette • Ein Magnetrührer mit einem Magnetrührstab und einem magnetisierten

Stab um den Magnetrührstab aus der Lösung zu entfernen • 1 Becherglas, 100 mL • 1 Becherglas, 200 mL • Reagenzglashalter und 3 Reagenzgläser • Pipetten, 1 mL, 5 mL, 10 mL und 25 mL • Eine Flasche mit einer 0.1 M NaCl-Lösung • Eine Flasche mit einer 0.025 M Silbernitrat-Lösung. Diese Lösung muss

vor Licht geschützt werden! • Eine Lösung von Kaliumchromat; m (K2CrO4) = 5 g, V (K2CrO4) = 100 mL • Eine Flasche d’ Henniez oder eine Kochsalzlösung (vom Assistenten

ausgegeben) mit bekanntem Gehalt an Chlorid-Ionen.

Durchführung

Giessen Sie ungefähr 50 mL einer Silbernitratlösung (AgNO3) der Konzentration c = 0,025 mol/L in ein etikettiertes (Silbernitrat) 100 mLBecherglas. Im zweiten Schritt giessen Sie ungefähr 20 mL einer Kochsalzlösung in ein etikettiertes (NaCl) 100 mL Becherglas.

Vorversuche

Giessen Sie in zwei Reagenzgläser je 3 mL der Silbernitratlösung.

• Geben Sie in das erste Reagenzglas 2-3 Tropfen der Natriumchloridlösung mit Hilfe einer Pasteurpipette.

• Geben Sie in das zweite Reagenzglas 2 Tropfen der Kaliumchromatlösung mit Hilfe einer weiteren Pasteurpipette.

Komplementieren Sie die Tabelle:

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Reagenzglas 1 Reagenzglas 2

Beobachtung des Inhalts der Reagenzgläser

Vervollständigen Sie die Bilanz der

Reaktionsgleichung der Bildung des Niederschlags

Schlussfolgerung: Mit welchem Ion reagiert Ag+? Die Ag+-Ionen reagieren

mit den Chromat-Ionen

Interpretation

Wenn man zur Natriumchloridlösung, welche in kleiner Konzentration Chromat-Ionen (Indikator) enthält, Silberionen zugibt, beobachtet man zuerst eine weisse Fällung von Silberchlorid. Nachdem alle Chloridionen als Silberchlorid gefällt wurden, wird eine ziegelrote Fällung von Silberchromat beobachtet (Ag2CrO4). Das Auftreten einer Rotfärbung zeigt also das Ende der Titration nach Mohr an.

Am Äquivalenzpunkt gilt: Anzahl Mole Ag+ = Anzahl Mole Cl-.

Titration

a) Schnelle Zugabe

Spülen Sie die Bürette mit wenig Silbernitratlösung und füllen Sie die Bürette dann mit der Silbernitratlösung bis zur 0-Marke. Gebe in ein 200 mL Becherglas ungefähr 100 mL des Mineralwassers (oder der vom Assistenten ausgegebenen

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Natriumchloridlösung) ; 20 mL dieser Analysenlösung werden in ein 100 mL Becherglas gegeben und mit 1 mL der Kaliumchromatlösung versetzt.

Stellen Sie das Becherglas auf den Magnetrührer, geben Sie einen Rührfisch in das Becherglas, starten Sie das Rühren und positionieren Sie alles unter der Bürette. Fügen Sie mL um mL der Silbernitratllösung zu und notieren Sie die Farbe der Lösung und des Niederschlages in der nachfolgenden Tabelle.

Volumen der zugegebenen

Silbernitratlösung (mL) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Farbe des Niederschlags

Notieren Sie in der folgenden Zeile das Volumen V1, bei dem der Niederschlag seine Farbe wechselt. Entfernen Sie den Rührfisch, waschen und trocknen Sie ihn.

…………………mL < V1 < ...................mL

b) Genaue Zugabe

Füllen Sie die Bürette wieder und stellen Sie das Volumen auf 0 mL. Wiederholen Sie die Manipulationen wie unter Punkt a). Geben Sie so viele mL Silbernitratlösung zu wie auf der linken Seite der obigen Gleichung angegeben ist. Anschliessend geben Sie tropfenweise (!) weitere Silberchloridlösung zu bis der ziegelrote Niederschlag beobachtet wird. Notieren Sie das entsprechende Volumen V2 an zugegebener Silbernitratlösung.

V2 =........................

c) Berechnung

Berechnen Sie die Anzahl Mole an Silberionen, die im Volumen V2 enthalten sind. Berücksichtigen Sie dabei, dass die Konzentration der Silbernitratlösung 0,025 mol/L beträgt:

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n (Ag+) = ..

Das Auftreten des ziegelroten Niederschlags zeigt die Anzahl Mole an Silberionen, die zugegeben wurden, und die exakt der Menge an Molen Chloridionen entspricht:

 

Berechnen Sie die Konzentration an Chloridionen entsprechend der folgenden Gleichung

c (Ag+) = Konzentration der Silbernitratlösung in mol/L.

V2 = Volumen in mL der zugegebenen Silbernitratlösung bis zur Beobachtung des ziegelroten Niederschlags.

VWasser = Volumen des Mineralwassers in mL.

d) Gehalt an Chloridionen im Mineralwasser

Unter Berücksichtigung der Atommasse des Elements Chlor (M(Cl) = 35.5 g/mol) bestimmt man die Menge an Chloridionen in einem Liter Wasser. Vergleichen Sie das Resultat mit der Angabe auf dem Etikett.

Das Resultat der Titration muss innerhalb eines Fehlerbereichs von +/- 1% liegen.

1.4  Gravimetrie  

Experiment 2: Gravimetrische Bestimmung von Nickel

Einleitung

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Ionen können quantitativ mit Hilfe der Gravimetrie bestimmt werden. Grundsätzlich werden bei der Gravimetrie Ionen in eine in ihrer Zusammensetzung bekannte Verbindung überführt, die als Niederschlag gefällt wird. Diese wird von anhaftenden oder eingeschlossenen Verunreinigungen durch Filtrations- bzw. Waschprozesse befreit und durch Trocknen oder Glühen in eine stabile Wägeform überführt. Bei Nickelionen entspricht die Fällungsform der Wägeform. Nach einer Massebestimmung der Wägeform kann die gesuchte Konzentration der zu analysierenden Ionen berechnet werden.

Grundlagen

Verbindungen mit einem kleinen Löslichkeitsprodukt können leicht aus der Lösung ausgefällt werden. Sie sind "schwer löslich". Das Löslichkeitsprodukt ist das mathematische Produkt aus den Konzentrationen der Kationen und der Anionen einer Verbindung. In einer gesättigten, wässrigen Lösung einer AB-Verbindung leitet sich das Löslichkeitsprodukt KL aus dem Massenwirkungsgesetz wie folgt ab

[ ] [ ][ ]ABBAK−+ ⋅

=

mit  

Man geht bei einem hinreichend kleinen Löslichkeitsprodukt von einer 100%igen (quantitativen) Fällung aus. Nickel bildet mit Dimethylglyoxim einen schwer löslichen Komplex der Form Nickelbisdimethylglyoxim. Die Brutto-Reaktionsgleichung hierfür lautet:

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Reaktion, dargestellt anhand von Strukturformeln.

Auswertung

Wie man aus der Reaktionsgleichung erkennen kann, entspricht 1 mol Nickelchlorid (bzw. Nickelionen) genau 1 mol Nickelbisdimethylglyoxim. Daraus folgt für die Berechnung des Nickelgehalts der ursprünglichen Lösung:

mit

Aufgabenstellung

In der ausgegebenen Lösung ist die Konzentration von Nickel durch gravimetrische Bestimmung zu ermitteln. Bei quantitativen Analysen sind Dreifachbestimmungen obligatorisch. Die Konzentration soll in mg Nickel pro 250 mL angegeben werden.

Versuchsdurchführung

Schematischer Ablauf des Versuchs:

• Ausfällung • Filtration mittels eines Glasfiltertiegels • Trocknung • Auswaage

Vorbereitung und Reinigung der Glasfiltertiegel:

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• Wenn die Glasfiltertiegel stark verschmutzt sind, müssen mit konz. Schwefelsäure und H2O2 (Vorsicht!) gewaschen und anschliessend mit ca. 2 Liter destilliertem Wasser ausgespült werden.

• Anschliessend trocknet man die Tiegel während 12-24 Stunden bei 120 °C. Man lässt im Exsikkator auskühlen. Man wägt anschliessen die leeren Tiegel auf einer Analysenwaage aus. Transportieren Sie die Tiegel nur mit einer sauberen Tiegelzange.

Herstellung einer 1%igen alkoholischen Dimethylglyoxim-Lösung:

0.5 g Dimethylglyoxim werden in 49.5 g Ethylalkohol gelöst.

Fällung des Nickelbisdimethylglyoxim-Niederschlags:

Verdünne mit destilliertem Wasser die Ni2+-Lösung auf exakt 100 mL. 20 mL der so vorbereiteten Nickelsalzlösung werden in ein 400 mL Becherglas pipettiert. Dann wird 1 mL Salzsäure (25%ig) zugesetzt und das Becherglas wird mit destilliertem Wasser auf ein Volumen von ca. 200 mL aufgefüllt. Die Lösung wird ca. eine Minute auf 70 °C erwärmt. Nach Entfernen der Heizquelle werden langsam und unter ständigem Rühren 60 mL Dimethylglyoximlösung zugegeben. Ammoniumhydroxid (10%ig) wird zugetropft bis sich ein pH-Wert von 8 bis 9 eingestellt hat. Das auf diese Weise quantitativ gefällte Nickelbisdimethylglyoxim wird unter ständigem Rühren eine Minute lang gekocht, und nach dem Abkühlen (Dauer: etwa 1 Stunde) mit einem zuvor mit Salzsäure gereinigten, getrockneten, im Exsikkator abgekühlten und vorgewogenen Glasfiltertiegel (1D4) abfiltriert. Es ist darauf zu achten, dass das Filtrat klar vorliegt da ansonsten ein Teil des Nickelbisdimethylglyoxims nicht abgefiltert wurde. Der Niederschlag verbleibt im Tiegel und wird mit schwach ammoniakalischem Wasser (pH-Wert = 8) gewaschen und im Trockenschrank mind. 2 Stunden bei 120 °C bis zur Massenkonstanz getrocknet. Nach dem Abkühlen im Exsikkator wird der Glasfiltertiegel auf der Analysenwaage ausgewogen und die Masse des Nickelbisdimethylglyoxims bestimmt.

Geräte und Chemikalien

Geräte:

• 1 Messkolben, 100 mL • 1 Messzylinder, 50 mL • 1 Vollpipette, 20 mL • 3 Bechergläser, 400 mL • 3 Uhrgläser • 1 Wasserstrahlpumpe mit Wulff`sche Flasche

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• 1 Saugflasche mit Gummimanschette • 3 Glasfiltertiegel 1D4 • 1 Thermometer • 1 beheizbarer Magnetrührer • Magnetstab • pH-Papier • Exsikkator

Chemikalien (w% ≡ Gewichtsprozent):

• Salzsäure, HCl = 25 w% • Ammoniumhydroxidlösung, NH4OH = 10 w% • Dimethylglyoxim, (CH3CNOH)2 = 1 w% (in Ethanol) • Destilliertes Wasser

Literatur

Holleman - Wiberg

Lehrbuch der Anorganischen Chemie

de Gruyter Verlag (1971).

Kunze, Udo

Grundlagen der quantitativen Analyse

Georg Thieme Verlag (1987).

Fischer, Hanns

Praktikum in Allgemeiner Chemie

Teil 1: Allgemeine und Anorganische Chemie

VCH (1994).

Experiment 3: Gravimetrische Bestimmung von Kupfer

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Ziel

Das Ziel dieses Versuches ist es, die Kupfer-Konzentration einer unbekannten Probe durch gravimetrische Bestimmung zu ermitteln.

Grundlagen

Die Bestimmung der Kupfer-Konzentration der unbekannten Probe erfolgt durch Fällung der Kupfer(II)-Ionen in Form eines Bis-8-hydroxychinolinkupfer(II)-Komplex (2). Anschliessend wird filtriert und das Gewicht bestimmt. Daher ist es von grosser Bedeutung, dass die Kupfer(II)-Ionen ausschliesslich und vollständig zu Bis-8-hydroxychinolinkupfer(II) reagieren. Mithilfe von Ammoniak wird verhindert, dass sich schwer lösliches Kupfer(II)hydroxid bildet. Das Ammoniak selbst bildet mit den Kupfer(II)-Ionen einen löslichen Tetraamminkupfer(II)-Komplex (1). Gleichzeitig wird im alkalischen Milieu eine Fällung von Kupfer(II)hydroxid verhindert, indem das schwer lösliche Kupfer(II)hydroxid zu löslichen Hydroxokomplexen wie dem [Cu(OH)4]2- reagiert (3). Die Kupfer(II)-Ionen favorisieren den Bis-8-hydroxychinolin-Komplex, da dieser Komplex stabiler und entropisch günstiger ist als die anderen Komplexe. Das Ende der Fällung wird durch die Farbänderung von blau zu grün erkannt; d.h. dass alle blauen Tetraamminkupfer(II)-Komplexe zu unlöslichen grünen Bis-8-hydroxychinolinkupfer(II)-Komplexen abreagiert sind. Anschliessend wird das Fällungsprodukt im Ofen getrocknet damit das ganze Kristallwasser verdampft und nur noch reines 8-Bis-hydroxychinolinkupfer(II) vorherrscht, welches ausgewogen werden kann.

8-Hydroxychinolin ist ein spezifisches Reagens für die Bestimmung von Kupfer in ammoniakalischen Lösungen. Ein grüner und leicht abfiltrierbarer Niederschlag wird erhalten. Er ist in Wasser, verd. Ammoniak, Essigsäure und Ethanol unlöslich. Er ist wenig löslich in konz. Ammoniak und gut löslich in konz. Mineralsäuren.

Die Reaktionsgleichungen für die Nebenreaktion (1 und 3) und den Fällungsvorgang (2) lauten:

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Auswertung

Wie man aus der Reaktionsgleichung erkennen kann, entspricht 1 mol Kupfersulfat (bzw. Kupferionen) genau 1 mol Kupfer-bis-8-hydroxychinolin. Daraus folgt für die Berechnung des Kupfergehalts der ursprünglichen Lösung:

mit

Aufgabenstellung

In der ausgegebenen Lösung ist die Konzentration von Kupfer durch gravimetrische Bestimmung zu ermitteln. Bei quantitativen Analysen sind Dreifachbestimmungen obligatorisch.

Versuchsdurchführung

Vorbereitung und Reinigung der Glasfiltertiegel:

Siehe gravimetrische Nickelbestimmung.

Fällung des Kupfer-bis-8-hydroxchinolin-Niederschlags:

Es werden 5 g 8-Hydroxychinolin (0.034 mol) in 500 mL Ethanol gelöst. 25 mL der unbekannten Lösung werden mit Hilfe einer Vollpipette in ein Becherglas gegeben. Das Becherglas wird auf etwa 200 mL mit bidestilliertem Wasser aufgefüllt.

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Anschliessend wird Ammoniak der Lösung zugegeben, bis sich diese blau färbt. Die Lösung wird auf einer Heizplatte auf ca. 80oC erwärmt. Die Hydroxychinolin-Lösung wird nun tropfenweise zu der Kupfer-Lösung hinzugefügt bis ein Niederschlag ausfällt. Das Leergewicht der Glasfritten wird per Analysewaage bestimmt und notiert. Der grüne Niederschlag wird durch eine, unter Vakuum stehende Glasfritte filtriert. Die Rückstände werden mit heissem Wasser und verdünntem Ammoniak gewaschen. Eine Aluminiumfolie wird durchlöchert um damit die Glasfritten abzudecken. Die Glasfritten werden für 24 h bei 120 °C im Ofen getrocknet. Anschliessend werden sie, nachdem sie abgekühlt sind, erneut auf der Analysewaage gewogen. Mit Hilfe der Differenz des Glasfrittengewichts vor und nach der Filtration wird die Konzentration des Kupfers in der unbekannten Lösung berechnet.

Geräte und Chemikalien

Geräte:

• 1 Messkolben, 100 mL • 1 Vollpipette, 20 mL • 1 Bürette (50 mL) • 3 Bechergläser, 400 mL • 3 Uhrgläser • 1 Wasserstrahlpumpe mit Wulff`sche Flasche • 1 Saugflasche mit Gummimanschette • 3 Glasfiltertiegel 1D4 • 1 Thermometer • 1 beheizbarer Magnetrührer • Magnetstab • pH-Papier • Exsikkator •

Chemikalien:

• 8-Hydroxychinolin • Ammoniumhydroxidlösung, NH4OH = 10 w% • Destilliertes Wasser

Literatur

Vogels’s Textbook of Quantitative Inorganic Analysis Fourth Edition

Revised by J. Bassett, R.C. Denney, G.H. Jeffery and J. Mendham

Longman, London and New York 1978, Seite 462.

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2.  Säure-­‐Base-­‐Titrationen   In Säure-Base-Titrationen werden Protonen zwischen den Reaktanden übertragen.

2.1  Theoretische  Grundlagen   In der Chemie wurden die Stoffe zunächst entsprechend ihrer Eigenschaften, die sich mit den Sinnen erfassen oder in Experimenten beobachten liessen, eingeordnet. Alltäglich vorkommende Stoffe, die beispielsweise bei Zitronen oder saurer Milch den sauren Geschmack hervorrufen, erhielten die Bezeichnung “Säure”, (Zitronensäure, Milchsäure). Der scharfe oder seifige Geschmack von Seifenlaugen führte zur Bezeichnung “Lauge”. Später wählte man stattdessen den Begriff “Base”. Vermischt man Basen mit Säuren, so bildet sich ein Salz; Säuren und Basen verlieren ihre typischen Eigenschaften. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ergab sich aus dem Verhalten der Stoffe gegenüber Lackmus, einem Pflanzenfarbstoff, der schon im Mittelalter zum Färben diente. Alkoholische Lackmuslösungen (= Lackmustinktur) färben sich mit Säuren rot, mit Basen blau. Lackmus fungierte also als ein Säure-Basen-Indikator. Säuren lassen sich auch am Reaktionsverhalten erkennen:

• Sie setzen in Gegenwart bestimmter unedler Metalle Wasserstoff frei.

• Sie setzen bei der Reaktion mit Kalkstein (Marmor) Kohlendioxid frei.

Die Beschreibung solcher Phänomene charakterisiert die Vorgehensweise in der Chemie. Erst aufgrund von Beobachtungen versucht man, umfassende Definitionen und allgemeine Gesetze zu formulieren.

• 2.1.1  Säuren  und  Basen   Wässrige Lösungen von Säuren, Basen und Salzen leiten den elektrischen Strom. Die gelösten Stoffe sind Elektrolyte. Die Leitfähigkeit ist ein Indiz dafür, dass in der Lösung Ionen vorliegen. Ionen sind bei den Salzen schon im Kristall vorhanden. Bei Säuren und Basen bilden sich Ionen erst in wässriger Lösung. Dabei kommt es zur heterolytischen Aufspaltung kovalenter Bindungen. Man bezeichnet diesen Vorgang als Dissoziation.

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Brønsted definierte Säuren und Basen unter Einbeziehung des Wassers als Lösungsmittel mit Hilfe der Weitergabe und Aufnahme von Protonen: Säuren geben Protonen ab und werden als Protonendonoren bezeichnet, während Basen Protonen aufnehmen und deshalb Protonenakzeptoren genannt werden. Bei chemischen Reaktionen gibt es keine freien Protonen. Wenn ein Stoff Protonen abgibt, muss ein anderer zugegen sein, der diese Protonen aufnimmt. Säure/Basen-Reaktionen sind Protonenübertragungs-Reaktionen (= Protolyse-Reaktionen). In wässriger Lösung nehmen Wassermoleküle Protonen auf.

Im Hydronium-Ion (= Hydroxonium-Ion) ist der Sauerstoff dreibindig. H3O+ wird wie alle Ionen durch weitere Wassermoleküle hydratisiert (H3O+

aq), was beim Schreiben von Gleichungen unberücksichtigt bleibt. Die Dissoziation einer Säure oder Base in Wasser ist eine Protonenübertragungs-Reaktion. Sowohl Protonenaufnahme wie –abgabe sind reversibel, es stellen sich Gleichgewichte ein.

2.1.2  Titrationen   Die Neutralisation einer Säure (oder Base) mit einer Base (oder Säure) ergibt als Produkt ein Salz und Wasser.

Das Prinzip dieser Titrationsmethode besteht darin, durch Zugabe eines exakten Volumens einer Säurelösung (oder Base-Lösung) mit bekannter Konzentration die basische Lösung (respektive saure Lösung) zu neutralisieren. Um sicher zu gehen, dass die Reaktion vollständig abläuft, wird die Titration im Allgemeinen mit starken Basen oder Säuren durchgeführt. Die folgenden Reaktionen treten auf: Säure titriert mit einer starken Base:

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Base titriert mit einer starken Säure:

Die Neutralisation entspricht dem Zustand, in dem die Anzahl zugegebener Mole OH- (resp. H3O+) den Molen H3O+, welche die Säure durch Dissoziation gebildet hat, entspricht. Dieser Punkt entspricht der Gleichung:

 

Bemerkungen:

• Es ist wichtig, immer die Neutralisationsgleichung aufzuschreiben, insbesondere wenn Polysäuren und Polybasen beteiligt sind.

• Die genaue Konzentration der Titrationslösung muss bekannt sein und das gemessene Titrationsvolumen muss exakt bestimmt werden.

Beispiel: Welches Volumen einer 0,3 M HCl ist nötig, um 50 mL einer 0,2 M NaOH zu neutralisieren?

1) Neutralisationsgleichung:

2) Berechnung der Anzahl Mole der eingesetzten Base:

3) Berechnung des Volumens der Salzsäure, welches zur Neutralisation

der Base benötigt wird:

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2.1.3  Titrationskurven   Die Variation des pH-Wertes als Funktion der zugegebenen Titrierlösung ergibt die sogenannte Titrationskurve. Eine solche Kurve kann kontinuierlich mit einem pH-Meter aufgenommen oder aber Punkt für Punkt bestimmt werden. Diese sigmoidale Kurve besitzt einen Wendepunkt, der dem Äquivalenzpunkt (oder Endpunkt) entspricht.

Tabelle: Titration einer starken Säure mit einer starken Base

Volumen der 0,1 M NaOH /ml

[H3O+] / M

Volumen NaOH, das eine Verminderung der [H3O+] um einen Faktor

10/ml induziert

pH

pOH

0,00 1,000·10-1 1,00 13,00

40,91 1,000·10-2 40,91 2,00 12,00

49,01 1,000·10-3 8,10 3,00 11,00

49,90 1,000·10-4 0,89 4,00 10,00

49,99 1,000·10-5 0,09 5,00 9,00

49,999 1,000·10-6 0,009

0,011

6,00 8,00

50,000 1,000·10-7 0,001 7,00 7,00

50,001 1,000·10-8 0,001 8,00 6,00

50,01 1,000·10-9 0,009 9,00 5,00

50,1 1,000·10-

10 0,9 10,00 4,00

51,01 1,000·10-

11 0,91 11,00 3,00

61,11 1,000·10-

12 10,10 12,00 2,00

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Abbildung: zugehörige Titrationskurve starke Säure/starke Base

Je verdünnter die Säure (oder Base) ist, desto kleiner ist der pH-Sprung. Halber Äquivalenzpunkt Durch die Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base (oder umgekehrt) entsteht im Bereich des halben Äquivalenzpunktes eine Pufferlösung (schwache Säure/konjugierte starke Base). Die kleine pH-Veränderung bei der Zugabe von starker Base entspricht dem Verhalten einer Pufferlösung. Der Punkt (oder pH-Wert) der halben Äquivalenz entspricht der folgenden Gleichung:

Im Falle einer Pufferlösung kann die Gleichung von Henderson-Hasselbalch angewendet werden:

Der Punkt der halben Äquivalenz entspricht:

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25

Dadurch wird die Gleichung zu

und die Henderson-Hasselbalch-Gleichung wird zu

Abbildung: Signifikante Punkte markiert in der Titrationskurve „Schwache Säure / starke Base“

Bestimmung des Äquivalenzpunktes Endpunktsbestimmung mittels der Tangentenmethode Bei einer Titration einer Säure durch eine Base oder einer Base durch eine Säure wird der pH-Wert als Funktion des Volumens der zugegebenen Base oder Säure aufgezeichnet und der Äquivalenzpunkt aus dem Graphen pH vs. VTitrationsmittel bestimmt. Man nutzt bei dieser Methode die Symmetrieähnlichkeit der Titrationskurve (siehe nachfolgende Figur). Diese Methode nimmt die Symmetrie der Titrationskurve als gegeben an, obwohl dies wegen dem Verdünnungseffekt während der Titration nicht genau eintrifft. Als Beispiel wird bei einer Titration von 25 mL einer 0,1 M HCl mit einer 0,1 M NaOH, einer starken Säure und einer starken Base, der Äquivalenzpunkt bei pH = 7,00 beobachtet.

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Abbildung: Tangentenmethode zur Endpunktbestimmung

Endpunktsbestimmung mittels pH-Indikaktoren Eine einfache Methode, den Äquivalenzpunkt zu bestimmen, besteht in der Anwendung von Farbindikatoren, die im Bereich des Äquivalenpunktes ihre Farbe wechseln. Diese Indikatoren sind schwache Säuren (Basen), deren konjugierte Basen (Säuren) einen Farbwechsel in der Nähe der entsprechenden pKS-Werte zeigen. Der pH-Bereich, indem der Farbwechsel stattfindet, wird der Umschlagsbereich des Farbindikators genannt. Der Farbwechsel stammt vom Protoneneinfluss der sauren Form auf ihre molekulare Struktur und der dadurch entstehenden Änderungen ihrer Lichtabsorption. Ein Indikator wird im Allgemeinen als HInd (in seiner sauren Form) und Ind- (in seiner basischen Form) benannt. Der Indikator nimmt an einem Protonentransfer-Gleichgewicht teil:

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Beispiel: Phenolphthalein (pKS = 9,2)

Der Farbwechsel kann im Allgemeinen für die folgenden Konzentrationsverhältnisse der Indikator-Säure/Basen wahrgenommen werden:

und

Das Wahrnehmungslimit entspricht

Die Umschlagszone eines Indikators kann daher wie folgt definiert werden:

Beispiel: Für Phenolphthalein mit einem pKS-Wert von 9,2 liegt der Umschlagsbereich zwischen dem pH-Werten von 8,2 und 10,0 (siehe auch die nachfolgende Tabelle der Farbindikatoren).

Tabelle: verschiedene Indikatoren und ihre Farben bei unterschiedlichen pH-Werten Indikator Umschlagsbereich pKS Saure Form Basische Form

Methylviolett 0,0 - 1,6 0,8 gelb blau

Thymolblau 1,2 - 2,8

8 - 9,6

1,7

8,9

rot gelb

gelb blau

Heliantin 3,2 - 4,4 3,4 rot gelb

Bromphenolblau 3,0 - 4,6 3,9 gelb blau

Bromcresolgrün 3,8 - 5,4 4,7 gelb blau

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Methylrot 4,8 - 6,0 5,0 rouge gelb

Bromthymolblau 6,0 - 7,6 7,1 gelb blau

Tournesol 5,0 - 8,0 6,5 rot blau

Phenolrot 6,6 - 8,0 7,9 gelb rot

Phenolphtalein 8,2 - 10,0 9,2 farblos purpur

Alizaringelb R 10,1 - 12,0 11,2 gelb rot

Alizarin 11,0 – 12,4 11,7 rot violett

Die Wahl des korrekten Indikators:

Abbildung: Wie wählt man den passenden Indikator. Bromthymolblau ist ein perfekter Indikator für die Titration von starken Säuren (oder Basen) mit starken Basen (oder Säuen) da der Umschlagspunkt im pH-Bereich von 6,0-7,6 liegt. Für die Titration einer schwachen Base durch eine starke Säure ( <7), kann Heliantren genommen werden. Für die Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base ( >7) wird Phenolphthalein benutzt.

2.1.4   Beispiele  für  einfache  Säure-­‐Base-­‐Titrationen Titrationen einer starken Säure mit einer starken Base : Titration von 50 ml 0,1 M HCl (1) mit NaOH (2) 0,1 M.

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Berechnung des pH-Wertes:

Starke Säure HCl (1)

Starke Base NaOH (2)

Neutralisationsgleichung

Für

Für

Der pH-Wert ist festgelegt durch die starke Säure: pH = -log [H3O+].

Bei ist der Aequivalenzpunkt einer Titration starke Säure/starke Base bei

einem pH-Wert von 7 und n1 = n2.

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mit

Für

Der pH-Wert ist festgelegt durch die starke Base pH = 14 + log [OH-].

Titrationskurve: Der Farbwechsel erscheint am Äquivalenzpunkt. Für Bromthymolblau ist dies bei einem pKa-Wert von 7,1 der Fall. Es wird jedoch ein Umschlagsbereich zwischen pH = 6,1 und pH = 7,6 beobachtet.

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Abbildung: Indikatorumschlagsbereich bei einer Titration Bei Verdünnung ändert sich der Äquivalenzpunkt nicht, aber der pH-Sprung wird kleiner.

Abbildung: Verdünnungseinfluss auf Titrationskurven

Die Genauigkeit der Titration ist bei konzentrierten Lösungen grösser, weil der pH-Sprung deutlicher ist. Titration einer starken Base mit einer starken Säure: Für die Titration einer starken Base mit einer starken Säure gilt die gleiche Argumentation wie im Falle der starken Säure titriert mit einer starken Base. Die beobachteten Titrationskurven sind symmetrisch. Auch die Bemerkungen bezüglich der Wahl der Indikatoren wie auch der Einfluss der Verdünnung sind gleich.

Abbildung: Titrationskurve einer starken Base mit einer starken Säure

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Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base: Titration von 50 mL CH3CO2H (1) 0.1 M mittels NaOH (2) 0.1 M. Berechnung des pH-Wertes:

Schwache Säure CH3COOH (1)

Starke Base NaOH (2)

Gleichgewichtsbilanz der Neutralisation

Für

Der pH-Wert ist derjenige einer schwachen Säure, mit

Für

Der pH-Wert ist durch die schwache Säure bestimmt, welche durch die Base neutralisiert wird

Beispiel:

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Punkt der halben Äquivalenz: ( )

Für

Die schwache Säure ist vollständig neutralisiert. Die einzige Verbindung ist die konjugierte Base, welche den pH-Wert bestimmt. Die Lösung ist basisch, die Quelle

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von OH- ist die schwache Base CH3CO2-, welche, wenn sie protoniert wird, gleiche

Mengen an CH3CO2H und OH- ergibt.

Beispiel :

mit

Für

Der pH-Wert ist bestimmt durch die starke Base mit .

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Titrationskurve:

Abbildung: Beispiel einer Titrationskurve

Wenn der Äquivalenzpunkt in diesem Beispiel mit Hilfe eines Indikators bestimmt werden soll, muss sein Umschlag bei einem pH von 8,7 (typisch zwischen 7,7 und 9,7) liegen. Ein möglicher Indikator ist Phenolphthalein (8,2 – 10,0). Bei einer Konzentrationsänderung ändert sich das Volumen der NaOH nicht, aber der pH-Sprung am Äquivalenzpunkt wird kleiner. Je konzentrierter die Lösungen sind, desto grösser ist der pH-Sprung.

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Beispiel: Für eine Konzentration 1; 0,01 und 0,001 mol/L an CH3COOH und NaOH, berechnet sich der Äquivalenzpunkt bei: pH = 9,23 für eine Konzentration 1 M pH = 8,33 für eine Konzentration von 0,01 M pH = 7,73 für eine Konzentration von 0,001 M

Abbildung: Konzentrationsabhängige Titrationskurve

Einfluss des pKs-Wertes auf den pH-Sprung am Äquivalenzpunkt In der Nähe des Äquivalenzpunktes wird der pH-Sprung immer kleiner, wenn die Säurestärke verringert wird (pKS-Wert erhöht sich). Die Reaktion zwischen der Säure und der Base ist weniger komplett, wenn die Säure schwächer wird.

Abbildung: Einfluss der Säurekonstanten auf die Titrationskurve

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Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure Für die Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure gelten die gleichen Überlegungen, wie im voran gegangenen Beispiel. Die Titrationskurven sind symmetrisch. Auch die Argumente bezüglich der Wahl des Indikators, der Einfluss der Verdünnung und des pKS-Wertes sind identisch.

Abbildung: Titrationskurve einer schwachen Base mit einer starken Säure

2.2  Experimenteller  Teil   Zur Messung des pH-Wertes werden entweder eine kombinierte Glas-Elektrode oder eine pH-Elektrode mit separater Referenzelektrode, ein mV-Messgerät oder ein pH-Messgerät verwendet. Die Elektroden werden wie folgt aufbewahrt:

• Glaselektroden: Destilliertes Wasser • Kombinierte Glaselektrode: 3 M KCl • Referenzelektrode Ag/AgCl: 3 M KCl • Dies ist dringend regelmässig zu überprüfen, da sonst die Funktionstüchtigkeit der Elektroden leidet.

Experiment 4: Verwendung von Titrisolen Herstellung einer 0.1 M HCl und einer 0.1 M NaOH

Verwenden Sie zur Herstellung der beiden Titrierlösungen HCl und NaOH bidestilliertes Wasser. Kaufen Sie entsprechende Titrisol-Ampullen, welche nach

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Verdünnung auf 1 Liter die benötigten Konzentrationen aufweisen. In einem Messkolben muss die Titrisollösung und das abgekochte Wasser gut gemischt werden bevor das Volumen auf die Marke aufgefüllt wird.

Messen Sie den pH-Wert der Lösungen und berechnen Sie daraus die genaue Konzentration. Experiment 5: Carbonatgehalt einer NaOH-Lösung Die NaOH-Lösung hat die Tendenz aus der Luft CO2 aus der Luft zu absorbieren und verursacht daher einen zu tiefen Gehalt an OH-.

Die erste Protonierung des Carbonat-Anions

hat seinen Umschlagspunkt bei dem von Phenolphtalein und der zweite Umschlagspunkt

hat seinen Umschlagpunkt bei dem von Methylrot. Falls der Umschlag dieser beiden Indikatoren langsam und schleppend ist, zeigt dies, dass die NaOH-Lösung mit Carbonationen verunreinigt ist.

Man kann den Gehalt der NaOH-Lösung an Carbonationen berechnen, indem man die Differenz der notwendigen Menge an HCl in zwei unabhängigen Experimenten bestimmt, um den Umschlagspunkt von Phenolphthalein und Methylrot zu erreichen: D * 4,4 = mg CO2 (D = Differenz ml HCl) enthalten im Titriervolumen der NaOH (falls die HCl und die NaOH je 0.1 M waren).

Es ist jedoch genauer die Titration statt mit Indikatoren mit einem pH-Meter durchzuführen und aus dem so erhaltenen Graphen die Umschlagspunkte zu bestimmen.

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Im kommenden Experiment sollen Sie praktisch die Konzentrationen Ihrer NaOH-Lösungen welche zum einen durch Abwägen der NaOH und zum anderen durch Herstellung einer Titrisol-NaOH-Lösung erhalten wurden, bestimmen. Dafür wird möglichst exakt soviel NaOH eingewogen, wie für eine 0.1 M NaOH-Lösung benötigt wird. Die genaue Konzentration der NaOH-Lösung wird für die Berechnung benötigt. Nach der Herstellung der 0.1 M NaOH wird sie mit einer 0.1 M HCl (Titrisol) titriert. So wird die genaue Konzentration der NaOH bestimmt. Anschliessend wird die per Titrisol-hergestellte NaOH mit derselben Titrisol-HCl-Lösung titriert und auch deren Konzentration ermittelt. Experiment 6: Titration von Borax Die Borsäure ist eine sehr schwache Säure und die Neutralisationskurve entspricht derjenigen von HCN. Man beobachtet nur einen kleinen pH-Sprung, nachdem man 1 mol NaOH zugegeben hat. Dieser pH-Sprung ist zu klein, um einen guten Umschlagspunkt des Indikators zu erhalten. Umgekehrt zeigt sich das Boration als relativ starke Base, vergleichbar mit Phosphat- oder Carbonationen, welche man leicht titrieren kann. Die Titration von Borax Na2B4O7, das in Lösung als eine Mischung von H3BO3 und H2BO3

- auftritt, basiert auf der Annahme, dass 2 Äquivalente an HCl pro Äquivalent Borax bis zum Umschlagspukt von Methylrot benötigt werden. Das Natriumsalz von Borax dissoziiert in wässriger Lösung zu Na+- und Tetraborat-Ionen, welche starke Basen sind und deshalb in wässriger Lösung als Tetraborsäure vorliegen.

Diese ist allerdings nicht beständig und hydrolysiert in Borsäure, die in Wasser als H3BO3 und H2BO3

- vorliegt.

Auf diesem Weg wird zuerst die Hydratisierung (Menge an Kristallwasser) von Borax bestimmt.

Es wird eine Stammlösung hergestellt, indem 0,5 g Borax in Wasser in einem 100 mL-Messkolben gelöst und dann bis zur Markierung aufgefüllt wird. Entnehmen Sie 50 mL dieser Lösung und titrieren Sie diese mit 0.1 M HCl mit Methylrot als Indikator. Bestimmen Sie aus dem Mittelwert Ihrer Titrationen die Hydratisierung des Borax (über die Stoffmenge).

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Im zweiten Schritt gibt man zur Borsäure einen Polyalkohol (siehe nachfolgende Figur) und erzeugt dadurch eine viel stärkere Säure. Das benutzte Mannitol eignet sich dazu vorzüglich, weil es einen bizyklischen Ester mit der Borsäure bildet:

H2C

HHO

HHO

OHH

OHH

CH2

OH

HO

2 + H3BO3

H2C

HHO

HHO

OHH

OH

OH

CH2

H OH

H OH

HO H

O H

HO

O

OB

+ H+ + 3 H2O

Der stöchiometrisch gebildete Ester ist eine viel stärkere Säure als die ursprüngliche Borsäure und hat einen Pufferbereich im pH-Bereich von etwa 7. Die unbekannte Probe wird in einem Messkolben mit destilliertem Wasser gelöst und dann auf ein Volumen von 100 mL aufgefüllt. Anschliessend werden 25 mL mit einer Vollpipette in ein Becherglas transferiert. Einige Gramm Mannitol und einige Tropfen einer Phenolphthaleinlösung werden zur Titrierlösung gegeben. Es wird eine Rücktitration mit NaOH 0.1 M durchgeführt bis der Umschlag von Phenolphthalein (Farbwechsel farblos/rot) erreicht wird (Dreifachbestimmung). Bei dieser Rücktitration benötigt man 1 Mol der Base für 1 Mol der Borsäure. Dies entspricht der doppelten Menge an HCl, welche bei der direkten Titration von Borax benötigt würde. Berechnen Sie den Gehalt an Borax Ihrer unbekannten Probe durch eine alkalimetrische Titration. Berücksichtigen Sie dabei, dass auch der Überschuss Mannitol etwas NaOH (ungefähr 0.1 mL) verbraucht. Experiment 7: Titration nach Winkler Vom Assistenten erhalten Sie eine Probe zur Analyse, welche folgende Mischungen an Salzen beinhalten kann: I) NaOH/NaHCO3, II) NaOH/Na2CO3 oder III) NaHCO3/Na2CO3. Ihr Assistent teilt Ihnen mit welche dieser Mischungen Sie erhalten.

Bei der Titration dieser Mischung mittels einer Säure wird der erste pH-Sprung bei einem pH-Wert von ca. 8 erscheinen. Die Menge an HCl, die man bis zu diesem Punkt zugegeben hat, entspricht der Summe von CO3

2- und OH- in der Analysenlösung. Der zweite pH-Sprung im Bereich von pH ≈ 5 entspricht der vollständigen Protonation von HCO3

- mit der Bildung von CO2. Die Bestimmung dieses pH-Sprungs wird oft sehr ungenau, weil ein Freisetzen von CO2 stattfindet. Wenn die Lösung zu Beginn des Sprungs (pH ≈ 6,5) erhitzt (zum Siedepunkt) wird, kann die Hauptmenge an CO2 entweichen, wodurch die Titration präziser wird. Man

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lässt nach dem Entweichen des CO2 die Lösung wieder auf RT abkühlen und führt die Titration zu Ende. Die Menge an HCl zwischen dem ersten und zweiten pH-Sprung entspricht der Menge an Hydrogencarbonat in der zu analysierenden Lösung.

Man misst den pH-Wert im Laufe der Titration mit einem pH-Meter. Es wird eine graphische Darstellung des zugegebenen Volumens an HCl gegen den pH-Wert erstellt. Aus dieser Darstellung werden graphisch die Endpunkte bestimmt und die genauen Menge der Produkte in Ihrer Mischung bestimmt.

3.  Redoxtitrationen  

3.1  Oxidation  und  Reduktion   Redoxvorgänge stellen neben den Säure-Basen-Reaktionen die zweite wichtige Gruppe von Austauschprozessen (Reaktionstypen) dar. Die Oxidation verläuft unter Elektronenabgabe, die Reduktion unter Elektronenaufnahme. Ein Elektronendonor wirkt seinerseits als Reduktionsmittel, ein Elektronenakzeptor als Oxidationsmittel.

Zwischen den Redox-Titrationen und Protolyse-Titrationen besteht eine weitgehende Parallelität. Bei der Protolyse handelt es sich um den Austausch von Protonen. Eine Säure kann das Proton nur abgeben, wenn ein Stoff zugegen ist, der das Proton aufnimmt (eine Base). Vergleicht man dies mit den Redoxvorgängen, so werden hier Elekronen ausgetauscht. Dabei treten keine freien Elektronen auf. Ein Reduktionsmittel kann Elektronen nur dann abgeben, wenn ein Oxidationsmittel zugegen ist, das diese Elektronen aufnimmt. Trotz dieser formalen Ähnlichkeiten mit der Protolysereaktion muss man beachten, dass es durch eine Oxidations- und Reduktionsreaktion zu tiefgreifenden Veränderungen eines Moleküls kommen kann. Ein weiterer Vergleich kann mit den Ampholyten vorgenommen werden. Ampholyte sind bekanntlich Verbindungen, die je nach Reaktionsbedingungen als Base oder als Säure reagieren können. Ebenso gibt es keine absoluten Oxidations- oder Reduktionsmittel. Je nach Reaktionspartner kann ein Stoff einmal als Reduktionsmittel und in einem anderen Fall als Oxidationsmittel auftreten. Wie die positiv geladenen Protonen sind auch die Elektronen als negativ geladene Elementarteilchen wegen ihres hohen Reaktionspotentials bei geringem Teilchenradius in kondensierter Materie nur kurze Zeit existent. Die Halbwertszeit beträgt etwa 1 ms und ist ausreichend, um mit Elektronen “Chemie” zu betreiben.

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Freie Elektronen wirken als sehr starke Reduktionsmittel und zersetzen z.B. spontan Wasser.

Analog den Säure-Basen Reaktionen können Oxidation und Reduktion nur zusammen vorkommen (= Redoxreaktion):

Die Oxidation und Reduktion chemischer Verbindungen lassen sich auch mit der Änderung der Oxidationsstufe (anhand der Oxidationszahlen) beschreiben. Die Oxidation führt zu einer Erhöhung, die Reduktion zu einer Erniedrigung der Oxidationsstufe. Da es sich um relative Veränderungen handelt, wird ein willkürlich definiertes Bezugssystem durch folgende Regeln mit abnehmender Priorität festgelegt:

• Metalle, Halbmetalle: Positive Oxidationszahl • Fluor: Oxidationszahl (-1) Wasserstoff:

Oxidationszahl (+1) (mit Ausnahme der Metallhydride) • Sauerstoff: Oxidationszahl meist (-2) (alle Stufen von (+2) bis (-

2) bekannt) • Halogenid, Hydroxid: Oxidationszahl (-1)

Das Verständnis der Redox-Titrationen setzt folgende Kenntnisse auf dem Gebiet der allgemeinen und anorganischen Chemie voraus:

• Oxidation, Reduktion • Redoxreaktionen • Redoxpotentiale • Normalpotentiale und Spannungsreihe

3.2  Redoxindikatoren   Wie bei der Protolyse-Titration können Redox-Titrationen elektrometrisch oder colorimetrisch indiziert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Ende einer Redoxtitration direkt zu erkennen, wenn der Titrator gefärbt ist, wie es z.B. bei Permanganat der Fall ist. Ist die Eigenfarbe zu gering, muss die Farbintensität durch geeignete Zusätze erhöht werden (z.B. bei Iod durch die Zugabe von Stärke).

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Als elektrometrische Methode wird vor allem die potentiometrische Indizierung herangezogen. Zur colorimetrischen Endpunktbestimmung stehen verschiedene Redoxindikatoren wie z.B. Ferroin zur Verfügung. Die eigentlichen Redoxindikatoren stellen reversible Redoxsysteme dar, deren reduzierte und oxidierte Form verschiedenfarbig ist. Beispiele hierfür sind Ferroin (blau/rot; Eo = 1.14 V), Diphenylamin (violett/farblos; Eo = 0.76 V) und Methylenblau (blau/farblos; Eo = 0.53 V bei pH = 7).

Wie die Säure-Basen-Indikatoren innerhalb eines bestimmten pH-Bereichs umschlagen, ändern die Redox-Titrationen innerhalb eines bestimmten Redoxpotentialbereichs ihre Farbe. Es sei noch erwähnt, dass das Redoxpotential vom pH abhängig ist, worauf bei der praktischen Durchführung von Redox-Titrationen zu achten ist.

3.3  Oxidimetrie  /  Redox-­‐Titration   Die Oxidimetrie als Methode der Massanalyse ist eine Titration, bei der der Übergang von einem oder mehreren Elektronen von einem Donator-Ion oder –Molekül (dem Reduktionsmittel) auf einen Akzeptor (das Oxidationsmittel) erfolgt. Hierbei werden vollständig und glatt ablaufende Oxidations- oder Reduktionsreaktionen für die quantitative Bestimmung genutzt, wobei entweder direkt titriert oder ein vorgelegtes, überschüssiges Reagenz zurücktitriert wird. Der Endpunkt wird visuell, elektrochemisch oder mit Hilfe eines Redoxindikators festgestellt. Unterarten der Oxidimetrie sind z. B.:

• Bromatometrie • Bromometrie • Cerimetrie • Chlorimetrie • Chromatometrie • Iodimetrie • Iodatometrie • Iodometrie • Permanganometrie • Titanometrie

Der Schwerpunkt in diesem Kapitel liegt auf der Iodometrie und der Permanganometrie.

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Experiment 8: Permanganometrie

Grundlagen Die permanganometrische Titration wird normalerweise unter stark sauren Bedingen durchgeführt, sie kann aber auch unter neutralen und basischen pH-Bedingungen ablaufen. Grundgleichungen: Saures Medium (überwiegende Anwendung)

Neutrales bis schwach alkalisches Medium

Stark alkalisches Medium (wenig angewendet)

Tatsächlich verläuft die Reduktion nach einem komplizierten Mechanismus, der auch praktische Konsequenzen hat (das Auftreten einer Induktionsphase). Der Nachteil von KMnO4-Lösungen liegt in ihrer leichten Zersetzung (kurz vor Gebrauch den Gehalt prüfen!), die durch ausgeschiedenes MnO2 autokatalysiert wird. Das Permanganatanion wird durch kleine Mengen an organischen Verunreinigungen in Braunstein (MnO2) umgewandelt, welches wiederum die Eigenzersetzung des Permanganations katalysiert (Versuch 1. Semester).

Aufgabenstellung Es wird eine 0,02 M Permanganat-Lösung hergestellt und deren Titer mittels festem, exakt eingewogenem Natriumoxalat (Na2C2O4 ; Urtitersubstanz) bestimmt. Mit Hilfe dieser eingestellten Permanganat-Lösung wird der Titer einer unbekannten Lösung an Oxalsäure bestimmt.

Versuchsdurchführung: Herstellung einer 0,02 M Permanganat-Lösung

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3,25 g KMnO4 werden in einem Liter Wasser gelöst und diese Lösung wird für 30 Minuten gekocht. Man lässt auf RT abkühlen und entfernt das ausgefällte MnO2 durch Filtration über einen Porzellan- oder einen Glasfiltertiegel (kein Papierfilter einsetzen!). Die Permanganat-Lösung muss im Dunkeln in einer sauberen (braunen) Glasflasche, verschlossen mit einem ungefetteten Glasstopfen aufbewahrt werden. Der Titer der Lösung wird mittels einer Titration mit Natriumoxalat bestimmt.

Bei RT läuft die oben dargestellte Reaktion sehr langsam ab. Um eine praxisnahe Reaktionsgeschwindigkeit zu erhalten, muss die Lösung auf 60-70 oC erhitzt werden. Man braucht einen grossen Überschuss an 0,5 M Schwefelsäure. Berechnen Sie die minimal benötige Menge an 0,5 M Schwefelsäure. Die Reaktion ist autokatalysiert, weil sie durch das gebildete Mn2+ katalytisch beschleunigt wird. Man kann sehr gut beobachten, dass die ersten Tropfen zugegebener Permanganat-Lösung sehr langsam umgesetzt werden. Anschliessend wird die Reaktionsgeschwindigkeit durch die entstandenen Mn2+-Ionen merklich erhöht. Vom Saalassistenten bekommen Sie anschliessend eine Oxalsäure-Lösung mit unbekanntem Titer zur Konzentrationsbestimmung. Auswertung: 2 mol MnO4

- entsprechen 5 mol C2O42- und 1 mL der 0,02 M

Permanganat-Lösung setzt 8,8 mg an C2O42- um.

Geräte und Chemikalien Geräte:

Messkolben, 100 mL 1 Messzylinder, 25 mL 1 Vollpipette, 20 mL 1 Bürette, 25 mL 3 Bechergläser, 400 mL 1 Wasserstrahlpumpe mit WULFF‘scher Flasche 1 Saugflasche mit Gummimanschette 1 Glasfiltertiegel 1D4 1 Thermometer 1 beheizbarer Magnetrührer mit Rührer Magnetstab pH-Papier

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Chemikalien: Oxalsäure-Lösung (mit unbekanntem Titer) Natriumoxalat Permanganat-Lösung 0,02 M (mit eingestelltem Titer) Schwefelsäure 0,5 M

Literatur Udo R. Kunze Grundlagen der quantitativen Analyse Thieme-Verlag, 1990 G. Jander, K.F. Jahr und H. Knoll Massanalyse Sammlung Göschen 1966 Experiment 9: Iodometrie Iod kann je nach Partner als Oxidations- oder Reduktionsmittel in der Titration verwendet werden. • Iodometrie: Titration von Oxidationsmitteln Als Masslösung wird I- in der Form von Kaliumiodid (KI) eingesetzt. Die Masslösung ist ein Reduktionsmittel. I- wird zu I2 oxidiert. Sie gibt ein Elektron pro Molekül I- ab. Zur Probe wird ein Überschuss KI-Masslösung gegeben und dann das entstehende I2 mit Thiosulfat-(S2O3

2-)-Masslösung zurücktitriert. Zur Endpunktindikation wird Stärke zur Lösung gegeben, welche mit I2 einen tiefblauen Komplex bildet. Das Verschwinden der blauen Farbe zeigt das Verschwinden des I2 am Äquivalenzpunkt an. Beispiel: Iodometrische Bestimmung von BrO3

-: Reaktion von I- mit dem Analyten BrO3

- (in saurer Lösung):

Rücktitration, Reaktion des gebildeten I2 mit S2O3

2-:

• Iodimetrie: Titration von Reduktionsmitteln

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Als Masslösung, welche oxidierend ist, wird I3-(I2 in KI Lösung) verwendet. Sie nimmt zwei Elektronen pro Molekül I2 auf. Zur Endpunktindikation wird Stärke zur Lösung gegeben, welche mit I2 einen stark blau gefärbten Komplex bildet. Beispiel: Iodimetrische Titration von SO3

2-:

Oft muss die Probe vor der Titration oxidiert werden, da der Analyt nicht vollständig in der oxidierten Form vorliegt. Unter diesen Umständen darf das Oxidationsmittel und die daraus entstehende reduzierte Form die Titration nicht stören. Im folgenden Versuch der Konzentrationsbestimmung einer Kupferlösung wird die Iodometrie angewendet.

Grundlagen Elementares Iod löst sich gut in einer Lösung, die Iodid-Ionen enthält, unter Bildung eines Addukts I3-. Das Standardpotential des Redoxpaares I3-/I- beträgt Eo = 0.5355 V.

Dieses Redoxpotential liegt in der Mitte der Redoxskala, welche von den wässrigen Lösungen der Redoxpaare CrIII/CrII (Eo = -0.4 V) und CeIV/CeIII (Eo = 1.6 V) gebildet wird. Die Reduktionsmittel mit Eo < 0.5 V(Sn2+, SO3

2-, S2-, N2H4, HPO42-, etc) sind in

der Lage I3- zu I- zu reduzieren. Die Oxidationsmittel mit Eo > 0.6 V (Cr2O72-, H2O2,

IO3-, ClO-, Fe3+, etc.) sind in der Lage I- zu I3- zu oxidieren.

Das gebildete I3- kann mit Hilfe einer Titration mit Natriumthiosulfat (oder Arsenit) bestimmt werden. Das Thiosulfat-Anion wird dabei zum Tetrathionat-Anion oxidiert (das Arsenit-Anion zum Arsenat-Anion). Welche Strukturen haben die Edukte und Produkte nach dem VSEPR-Modell?

Das Ende der Titration wird durch das Verschwinden der gelben Farbe des Iods angezeigt. Man kann den Farbeffekt am Umschlagpunkt durch eine Zugabe von wasserlöslicher Stärke intensivieren. Stärke bildet mit Iod einen tiefblau gefärbten Komplex. Man stellt die Stärkelösung wie folgt her: 5 g wasserlöslicher Stärke werden mit wenig Wasser zu einem Brei verrieben und unter Rühren zu 1 L kochendem Wasser gegossen. Dann wird noch 1-2 Minuten weiter gekocht, bis eine klare Lösung entstanden ist und dann rasch auf RT abgekühlt.

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Grafik: Abbildung des Stärke-Iod Addukts welches die blaue Farbe erzeugt.

Diese Lösung ist mehrere Tage stabil. Bei der Bestimmung von Cu2+-Ionen wird das Gleichgewicht der Reaktion

vollständig nach rechts verschoben, da das gebildete CuI praktisch unlöslich ist

(KL ≈ 10-12 ) und somit aus dem Gleichgewicht entfernt wird. (0.34 V) ist

negativer als ; wohingegen das Potential des Redoxpaares Cu2+/CuI 0.88 V beträgt.

Aufgabenstellung Es ist der Gehalt einer Kupfersulfat-Lösung mittels der iodometrischen Methode zu bestimmen. Der Kupfergehalt ist in mg Kupfer/100 mL Lösung anzugeben.

Versuchsdurchführung: Herstellung einer 0,1 M Natriumthiosulfatlösung (p.a.). Dazu werden 24,82 g Natriumthiosulfat-Pentahydrat in einem Liter destilliertem Wasser aufgelöst. Einstellung des Faktors: Etwa 0.05 – 0.08 g KIO3 p.a. (bei 150 oC für 2 h getrocknet) werden genau gewogen und in einem Erlenmeyerkolben mit etwa 100 mL destilliertem Wasser gelöst. Die Lösung wird mit etwa 3 g KI p.a. versetzt und mit etwa 15 mL HCl 10% angesäuert. Das Iod bildet sich quantitativ und wird so lange mit der Natriumthiosulfatlösung titriert, bis die Lösung nur noch schwach gelb ist. Nach Zusatz von wenig Stärkelösung, was die Lösung blau färbt, wird schliesslich langsam zu Ende titriert.

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Das Verschwinden der blauen Färbung muss mindestens 2 - 3 Minuten andauern. Der Faktor wird nach drei Titrationen berechnet.

Praktische Durchführung Die vom Assistenten erhaltene Cu2+-Lösung wird bis zur Marke (100 mL) mit destilliertem Wasser verdünnt. Exakt 20 mL dieser Lösung werden in einen Erlenmeyer-Kolben pipettiert, mit etwa 100 mL destilliertem Wasser verdünnt, mit etwa 3 g Kaliumiodid p.a. versetzt und mit etwa 15 mL HCl 10% angesäuert. Der Erlenmeyer-Kolben wird mit dem ungefetteten Glasstopfen verschlossen und etwa 15 – 30 Minuten im Dunkeln stehen gelassen. Das ausgeschiedene Iod wird so lange mit der Natriumthiosulfatlösung titriert, bis die Lösung noch schwach gelb ist. Nach Zusatz von wenig Stärkelösung wird schliesslich langsam bis zum vollständigen Verschwinden der blauen Färbung titriert. Die Bestimmung muss mindestens 3 Mal durchgeführt werden.

Auswertung 1 mol Cu2+ entspricht 1 mol Thiosulfat und 1 mL der 0,1 M Thiosulfatlösung entspricht 6.35 mg Cu2+. Geben Sie den Fehler über drei Bestimmungen an. Geräte und Chemikalien Geräte:

1 Messkolben, 100 mL 1 Messkolben, 1 L 2 Bechergläser, 50 mL 1 Uhrglas 1 Messzylinder, 25 mL 2 Vollpipetten, 20 mL 1 Bürette, 25 mL 1 Erlenmeyerkolben, 1 L 3 Erlenmeyer-Kolben, 500 mL, mit Glasstopfen 1 Magnetrührer mit Magnetstab pH-Papier Chemikalien:

Kupferlösung (mit unbekanntem Titer) KIO3 p.a.

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Natriumthiosulfat Pentahydrat Thiosulfat-Lösung 0,1 M (mit eingestelltem Titer) KI p.a. Salzsäure 10% Lösliche Stärke

Literatur G. Jander, K.F. Jahr und H. Knoll, Massanalyse, Sammlung Göschen 1966. Skoog, West, Holler, Chimie Analytique, DeBoeck Université, 1997.

4.  Konduktometrie Bei der Konduktometrie wird die Änderung der Leitfähigkeit einer Lösung beobachtet. Die Lösung befindet sich in einer Leitfähigkeitszelle, in der zwei Platin-Elektroden an eine Stromquelle angeschlossen sind (siehe untenstehende Abbildung). Um eine elektrolytische Zersetzung der Lösung zu vermeiden, verwendet man Wechselstrom. Zur Leitfähigkeitsmessung benutzt man die Wheatstone`sche Brückenschaltung. Dabei wird der Widerstand R1 zwischen den Platin-Elektroden bestimmt.

Abbildung: Messaufbau zur Leitfähigkeitsmessung

Verschiebt man den Schleifkontakt des regelbaren Widerstandes (Strecke AC) so, dass im Anzeigeinstrument kein Strom mehr fliesst, dann verhalten sich der Widerstand R1 zum Vergleichswiderstand R2 wie die Streckenabschnitte AB zu BC:

Daraus ist R1 und dessen Kehrwert, die Leitfähigkeit L, zu berechnen. Das verwendete Konduktometer führt die Messung basierend auf diesem Prinzip durch, gibt dem Nutzer jedoch direkt die spezifische Leitfähigkeit an.

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Bei der Konduktometrie wird die Leitfähigkeit L (bzw. der Widerstand R = 1/L) einer Elektrolytlösung in Abhängigkeit von der zugesetzten Reagenzmenge gemessen. Die Gesamtleitfähigkeit setzt sich additiv aus den Beiträgen der einzelnen Ionen zusammen. Die Konduktometrie ist ungeeignet, wenn eine hohe Fremdionenkonzentration vorliegt, weil dann die Leitfähigkeitsänderung während der Titration oft zu gering ausfällt. Man unterscheidet zwischen der überwiegend verwendeten niederfrequenten Titration/Konduktometrie (≈ 1 kHz) und der Hochfrequenztitration/Oszillometrie (> 1 MHz).

Tabelle: verwendete Symbole und deren Einheiten in der Konduktometrie Symbol Name Einheit R Widerstand Ohm [Ω] ρ spezifischer Widerstand [Ω . m] L Leitfähigkeit Siemens [S] = [Ω−1

] σ spezifische Leitfähigkeit [S . m-1]

molare Leitfähigkeit [S.m2 .mol-1]

Molare Grenzleitfähigkeit [S.m2 .mol-1]

l Abstand zwischen den Elekroden

[m]

A Plattenelektroden-Oberfläche [m2] κ Zellkonstante [m-1]

Messprinzip:

Abbildung: Messprinzip der Konduktometrie

4.1  Die  Leitfähigkeit  von  Elektrolytlösungen   Elektrolytlösungen und Ionenschmelzen sind elektrische Leiter. Auch für diesen Ladungstransport gilt das Ohm'sche Gesetz U = R.I. Der spezifische Widerstand R einer Lösung wird meist wie folgt bestimmt: Man misst den Widerstand zwischen

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zwei planparallelen Plattenelektroden mit der Fläche A im Abstand l, die vollständig in die zu bestimmende Lösung eingetaucht sind. Es gilt:

Der Ausdruck l/A, die sogenannte Zellkonstante k, wird durch Eichung mit Lösungen bekannter Leitfähigkeit (z.B. 0,02 M KCl, σ = 2.768,10-3 S·cm-1) bestimmt. Man definiert die spezifische Leitfähigkeit folgendermassen:

Für die Einheit S (Siemens) gilt: [S] = [W-1]. Die Leitfähigkeit einer Elektrolytlösung ist stark konzentrationsabhängig, da die gelösten Ionen als mobile Ladungsträger für die Stromleitung verantwortlich sind. Man definiert die molare Leitfähigkeit Λm einer Lösung deshalb wie folgt:

Mit: C : Konzentration Lösung [mol/m3] c : Konzentration Lösung [mol/l]

Die Konzentrationsabhängigkeit der Leitfähigkeit folgt näherungsweise der folgenden Beziehung:

Mit: a : Konstante Dabei steht Lm

0 für die molare Grenzleitfähigkeit, d.h. die hypothetische Leitfähigkeit der Elektrolytlösung bei unendlicher Verdünnung. Diese Werte können durch Extrapolation der Geraden Lm = f(C)0.5 auf eine Elektrolytkonzentration von Null ermittelt werden. Kohlrausch hat herausgefunden, dass die Kationen und Anionen einer Ionenlösung unabhängige Beiträge zu Lm

0 liefern. Für eine Lösung des Salzes AnBm gilt also:

Die molaren Grenzleitfähigkeiten der verschiedenen Kationen lo+ und Anionen lo- sind

in der Literatur tabelliert (siehe auch folgende Tabelle).

Tabelle: Molare Grenzleitfähigkeit von Ionen in Wasser bei 25 °C . Kationen / S·cm2 mol-1 Anionen / S·cm2 mol-1

H+ 350 OH- 198.3

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K+ 73.5 Cl- 76.4

Ag+ 61.9 Br- 78.1

Na+ 50 NO3- 71.5

N(C2H5)4+ 32.7 ClO4

- 67.4

Ba2+ 127.3 SO42- 160

Co2+ 110 CO32- 119

La3+ 209 C2O42- 148

Co(NH3)63+ 306 Fe(CN)6

3- 303

Es folgen tabellarisch einige Beispiele für die Abhängigkeit der molare (Grenz-) Leitfähigkeit von verschiedenen Faktoren.

Tabelle: Temperaturabhängigkeit von für HCl Temp. 5 °C 15 °C 25 °C 35 °C 45 °C 55 °C

/ S·cm2 mol-1 297.6 361.9 426.0 489.0 550.2 609.3

Tabelle: Konzentrationabhängigkeit von für NaCl

c/ mol/L 0 5•10-4 10-3 5•10-3 10-2 10-1

/ S·cm2 mol-1 126.5 124.5 123.7 120.6 118.5 106.7

Tabelle: Nichtwässerige Medien , 25 °C

Inertelektrolyt / S·cm2 mol-1

Medium (DK) NaCl KCl KBr

CH3OH (32.6) =97.6 = 105 =109

C2H5OH (24.3) =42.2 = 45.4

HCN (118) = 363 =363

DK : Dielektrizitätskonstante In allen folgenden Experimenten ist bidestilliertes Wasser zu verwenden. Sie finden dieses im Raum 109.

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Experiment 10: Leitfähigkeit von Natriumperchlorat in Wasser und Alkohol Natriumperchlorat ist ein typisches Salz, d.h. in Lösung dissoziiert es praktisch vollständig in seine Ionen. Seine Leitfähigkeit hängt relativ stark vom Lösungsmittel ab. Dies ist auf die verschiedene Solvatation, welche Grösse und Beweglichkeit der Ionen stark beeinflusst, zurückzuführen.

Arbeitsvorschrift: 1. Bestimmung der Zellkonstanten Es wird eine 0,02 M KCl-Lösung hergestellt und deren Leitfähigkeit gemessen. Durch den Vergleich mit dem Literaturwert für σ kann die Zellkonstante k berechnet werden. 2. Ein 100 mL Becherglas wird mit bidest. Wasser gut ausgespült und mit 70 mL bidestilliertem Wasser gefüllt. Die saubere Messzelle wird eingetaucht und der Widerstand gemessen. Die Leitfähigkeit ist vor allem auf Verunreinigungen zurückzuführen. Nun werden 20 ml einer 0,1 M Natriumperchloratlösung in einen 100 mL Messkolben pipettiert und der Kolben wird bis zur Marke mit bidest. Wasser aufgefüllt. Diese 0,02 M NaClO4-Lösung wird in das Becherglas gegeben, mit dem Magnetrührer leicht gerührt und der Widerstand gemessen. Der Messkolben wird gut ausgespült. Dann werden 50 mL der Lösung aus dem Becherglas in den Messkolben pipettiert und mit bidest. Wasser auf 100 mL aufgefüllt. Diese neue NaClO4-Lösung ist nun 0.01 M. Der Rest der Lösung im Becherglas wird verworfen. Becherglas und Messzelle werden gut mit bidest. Wasser gespült und der Widerstand der neuen Lösung (0.01 M) gemessen. Dieses Vorgehen wird noch dreimal wiederholt und so der Widerstand von 2·10-2, 1·10-2, 5·10-3, 2.5·10-3 und 1.25·10-3 M Lösungen bestimmt. Es ist wichtig, sauber zu arbeiten, da schon kleinste Mengen an Verunreinigungen die Resultate verfälschen. Aus dem Widerstand der Lösungen berechnet man die molare Leitfähigkeit.

wird gegen Konzentration c und (c)1/2 aufgetragen und durch Extrapolation L0(H2O) bestimmt. Dasselbe Experiment wird ausgehend von Ethanol (CH3CH2OH) und 0,1 M alkoholischer NaClO4-Lösung ausgeführt. Dabei sind die Gefässe und die Messzelle jeweils mit CH3CH2OH zu spülen. Die Auswertung folgt analog zu denen der wässrigen Lösungen. Experiment 11: Die Leitfähigkeit verschiedener Salze Die molare Leitfähigkeit der folgenden Salze wird durch Leitfähigkeitsmessungen ihrer 0,001 M Lösungen bestimmt.

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Tabelle: Salze und ihre Ladungsverhältnisse Salze Ladungsverhältnis

NaCl (1:1)

K2SO4 (1:2)

Na2SO4 (1:2)

BaCl2 (2:1)

Co(NH3)5H2O]Cl3 (3:1)

[Co(en)3]Cl3 (3:1)

Stellen Sie in einer Tabelle die Messwerte den Leitfähigkeiten gegenüber, die Sie aufgrund der Grenzleitfähigkeiten der einzelnen Ionen berechnen/abschätzen. Unterschiedliche pH-Werte können die Resultate dieses Versuches verfälschen. Experiment 12: Konduktometrische Säure-Base-Reaktion

Da die spezifische Ionenleitfähigkeit von H+ und OH- in Wasser viel grösser ist als die aller anderen Ionen, erwartet man bei der Zugabe von NaOH zu einer HCl-Lösung die folgende Änderung der Leitfähigkeit

R

ml NaOH Abbildung: Typischer Graph einer konduktometrischen Säure-Base-Titration

Der Schnittpunkt der extrapolierten Geraden entspricht dem Äquivalenzpunkt. Man bestimme den Säuregehalt einer vom Assistenten ausgegebenen Lösung. Anzugeben sind der Graph R = f(ml NaOH) und die Konzentrationsangabe der Säure in mol/L. Das Molekulargewicht der Säure muss bekannt sein.

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5.  Potentiometrische  Methoden  

5.1  Grundlagen   Bei der Potentiometrie wird die Potentialdifferenz (Spannung), die eine Indikatorelektrode während der Titration gegen eine Vergleichselektrode mit konstantem Potential (Referenzelektrode; Ag/Ag+) zeigt, gemessen. Die Indikatorelektrode muss rasch und reversibel auf das zu bestimmende Ion ansprechen z.B.

• Titration mit Ag+: Silberelektrode • Titration von oder mit H3O+: Wasserstoff-Elektrode (pH-Elektrode) • Titration mit I-: Iod/Platin-Elektrode.

Grundsätzlich ist jedes Redoxpotential mit einer Inertelektrode messbar, an der sich das Redox-Gleichgewicht einstellt, so dass sich alle Titrationsarten potentiometrisch indizieren lassen.

Abbildung: Beispiel einer potentiometrischen Säure-Base-Titration

Der Äquivalenzpunkt wird bei dieser Art Titrationen graphisch ermittelt. Die Genauigkeit lässt sich durch das Ableiten der Titrationskurve noch erhöhen. Durch die Möglichkeit der punktweisen Konstruktion der Kurve werden Simultanbestimmungen erleichtert. Aus der Titrationskurve lassen sich Reaktionskonstanten (Säure-, Base-, Dissoziations- und Löslichkeitskonstanten) experimentell bestimmen, z.B. das Ionenprodukt des Wassers am Äquivalenzpunkt:

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. Durchführung: Man kombiniert das Indikator-Halbelement mit dem Bezugssystem über einen Stromschlüssel und misst die Potentialdifferenz der beiden Elektroden.

Abbildung: Messanordnung für Potentialmessungen

Als Bezugssystem verwendet man häufig die Silberchlorid-Elektrode (E = 0.198 V; für eine gesättigte KCl-Lösung). In der Praxis werden Mess- und Bezugselektrode gemeinsam in die Probelösung eingesetzt oder zu einer Einstab-Messkette verbunden. Die Vergleichselektrode ist von einem Glasmantel mit Elektrolyt-Lösung umgeben, die durch ein Diaphragma von der Titrierlösung abgetrennt wird.

5.2  Potentiometrische  pH-­‐Messung   Theorie Zur pH-Messung werden zwei Elektroden benötigt: Die Messelektrode (auch Glaselektrode genannt) und die Referenzelektrode. Diese beiden Elektroden werden oft zu einer Elektrode vereinigt (oft kombinierte Elektrode genannt). Weil die Glaselektrode und die Referenzelektrode in dieselbe Lösung getaucht werden, bilden sie ein galvanisches Element. Die Differenz des Potentials hängt von der Art der beiden Elektroden ab. Idealerweise bleibt das Potential der Referenzelektrode konstant, nur das Potential der Glaselektrode variiert in Anhängigkeit des sich verändernden pH-Wertes. Die gemessene Potentialdifferenz wird definiert durch das Nernst’sche Gesetz:

Mit: E = gemessenes Potential (mV) Eind = Potential der Glaselektrode (mV) Eref = Potential der Referenzelektrode (mV)

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E'T = Konstante (Temperaturabhängig) (mV) R = ideale Gaskonstante ( 8,3144 J/K) T = absolute Temperatur (K) F = Faraday Konstante (96485 C) n = Anzahl Elektronen des Redox-Paares aH+. = Aktivitätskoeffizient des Wasserstoff-Kations

Abbildung: Schema der Messanordnung

Im obigen abgebildeten Schema bedeuten senkrechte Striche eine Phasengrenze. A = fester Stab aus Ag/AgCl (in der Glaselektrode) B = interne Pufferlösung gesättigte KCl-Lösung (in der Glaselektrode) C = Glaskugel pH-empfindlich D = Messlösung in welcher der pH-Wert gemessen wird E = Keramik-Fritte F = Elektrolytlösung ( KCl gesättigt oder 3 M) befindet sich im inneren der Referenzelektrode G = fester Stab aus Ag/AgCl (in der Referenzelektrode) Beschreibung einer pH-Elektrode Es gibt viele Möglichkeiten, das System Indikator- und Referenzelektrode zu realisieren. Unten abgebildet ist ein System aus Glaselektrode und Ag/AgCl-Referenzelektrode des Typs „Red Rod“.

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Abbildung: Aufbau der Elektroden

Messelektrode: Die Zusammensetzung der pH-empfindlichen Glaskugel wie auch die interne Lösung beeinflussen beide das sich bildende Potential. Die Potentialdifferenz, die zwischen den Elektroden gemessen wird, bildet sich über die Glasmembran der Glaselektrode. Diese Potentialdifferenz ist proportional zur pH-Differenz der inneren Lösung und der Messlösung. Dieses Phänomen kann mit einem Austausch von Kationen in der Glasmembran mit den H3O+-Ionen erklärt werden. Wenn die Struktur der Glasmembran nicht einheitlich ist, wird ein asymmetrisches Potential entwickelt, auch wenn der pH-Wert der Messlösung identisch mit dem der Glasmembran ist. Referenzelektrode: Silber/Silberchlorid-Elektrode: Die beiden Komponenten (Ag und AgCl), wie auch das KCl, sind in einer Röhre (rot in der obigen Abbildung) eingeschlossen und das Redox-Paar befindet sich in einer gesättigten KCl-Lösung. Die Röhre aus rotem Glas schützt die Chemikalien vor Lichteinfluss. Die Verbindung zwischen der inneren Flüssigkeit und der Messlösung wird über ein Septum hergestellt. Das entstehende Potential wird durch das Löslichkeitsprodukt von Silberchlorid und der Konzentration von KCl in der inneren Lösung bestimmt. Dieses Potential bleibt konstant, unabhängig von der Probelösung, in welche die Referenzelektrode eintaucht. Diese Situation ist ideal und kann beobachtet werden, wenn die

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Migrationsgeschwindigkeiten der Kationen und Anionen auf beiden Seiten des Septums gleich sind. Dies ist in den meisten Fällen erfüllt, auch wenn in einem pH-Bereich zwischen 1 und 13 und mit einer inneren Elektrolytlösung von 3 M oder gesättigter KCl-Lösung gearbeitet wird.

Tabelle: Angabe der Ionenleitfähigkeiten Kation / S·cm2 mol-1 Anion / S·cm2 mol-1

H+ 350 OH- 198.3

K+ 73.5 Cl- 76.4

Ag+ 61.9 Br- 78.1

Na+ 50 NO3- 71.5

N(C2H5)4+ 32.7 ClO4

- 67.4

Ba2+ 127.3 SO42- 160

Co2+ 110 CO32- 119

La3+ 209 C2O42- 148

Co(NH3)63+ 306 Fe(CN)6

3- 303

Eichung eines pH-Meters und pH-Wert-Bestimmung Da die verschiedenen Phasengrenzpotentiale der Glaselektrode zwar konstant (ausser Messlösung /Glasoberfläche), aber ihre Absolutwerte nicht bekannt sind, muss eine Glaselektrode immer geeicht werden. Grundsätzlich kann man zwei verschiedene Eichmethoden anwenden:

• 3-Punkt-Eichung mit Pufferlösungen bekannten pH-Wertes. • Vergleich einer berechneten und einer gemessenen Titrationskurve.

Titrationskurven lassen sich berechnen, wenn die Art der Säure (pKS-Wert) und ihre Konzentration bekannt sind. Im Folgenden wird dies für eine Titration von HCl mit NaOH durchgeführt. Experiment 13: Eichung des pH-Meters und pH-Bestimmung 50 mL einer 2 M KCl-Lösung und 5 mL einer 0,1 M HCl werden in einen 100 mL-Messkolben gegeben und bis zur Markierung aufgefüllt. Diese Lösung wird in ein Titrationsgefäss überführt und mit 0,1 M NaOH in 0,5 mL-Schritten titriert. Zwischen

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4,5 und 5,5 mL NaOH wird der Endpunkt der Titration erwartet, weshalb hier in kleineren Schritten titriert werden sollte. Unter der Annahme, dass die NaOH genau 0,1 M ist (falls dies nicht zutrifft, bitte die

wahre Konzentration einsetzen), wird für jeden Punkt der Titrationskurve [H+] und

[OH-] berechnet und daraus der pH-Wert. Die Differenz Δ zwischen berechnetem und auf dem pH-Meter abgelesenen pH-Wert sollte konstant sein, so dass zwischen pH 2 und 12 gilt:

Nach der Eichung sollten die Eichknöpfe des Instruments für das folgende Experiment nicht mehr bewegt werden! Die Eichung sollte sich über einige Stunden nicht merklich ändern. Sie ist aber natürlich nur gültig für die gewählte Ionenstärke (und die verwendete Elektrode). Wenn man mit der Messanordnung nun z.B. Fruchtsaft, Seewasser oder Blut messen würden, so würden die obige Beziehung nicht exakt gelten (Ionenstärke der Probe stimmt mit Eichlösung nicht mehr überein), d.h. aus pHgemessen könnte man nicht [H+] berechnen. Sehr oft ist das Problem der pH-Messung viel weniger eine Frage der instrumentellen Genauigkeit als eine Frage der Bedeutung (Definition) der gemessenen Grösse. Experiment 14: pKS-Bestimmung einer schwachen Säure Vom Assistenten erhalten Sie eine Lösung einer schwachen Säure mit bekanntem Molekulargewicht. Titrieren Sie 25 mL hiervon in Gegenwart von 1 M KCl mit 0,1 M NaOH. Berechnen Sie aus dem Äquivalenzpunkt die Totalkonzentration und aus 5-10 pH-Messungen im Puffergebiet (0.2 < a < 0.8) den pKS-Wert.

(1)

(2)

[H+] und [OH-] erhält man aus der pH-Messung. Aus (2) kann somit [B-] und damit aus (1) [HB] erhalten werden. Den pKS-Wert findet man dann nach:

Experiment 15: Bestimmung der Konstanten der Nernst`schen Gleichung Die Elektromotorische Kraft (EMK) der anfänglich erwähnten Kette beträgt:

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mit :

Misst man E für verschiedene Silberkonzentrationen, so erhält man beim Auftragen von E gegen eine Gerade mit der Steigung s und dem Achsenabschnitt

. Für die Messung wird eine Ag-Elektrode als Indikatorelektrode und eine Ag/AgCl-Elektrode als Referenzelektrode verwendet. Man gibt 100 mL 1 M KNO

3 ins Titrationsgefäss, montiert dann Magnetrührer, Silberelektrode, Referenzelektrode und Bürette mit 0,02 M AgNO3. AgNO3 wird in folgenden Portionen zugegeben (ml): 0,1 | 0,2 | 0,4 | 0,7 | 1,5 | 3 | 5| 7| 9| 11 und nach jeder Zugabe wird das Potential E mit dem Millivoltmeter gemessen. Man zeichne den Graphen vs. E und bestimme die Steigung der Ausgleichsgeraden. Der Achsenabschnitt . (Eref = 195,8 mV) ist nur bis

auf ein konstantes Glied bestimmt. Unter Verwendung des bekannten Wertes kann man die vorliegende Messung als Eichung benutzen.

Ordinatenabschnitt + Eichkonstante = 604 mV.

Die Eichung wird für den nächsten Versuch benötigt, es soll darum an der Messanordnung nichts geändert werden, bis der kommende Versuch beendet ist. Experiment 16: Bestimmung des Löslichkeitsprodukts von AgCl

Theorie: Eine Chlorid-Lösung wird mit einer Ag+-Lösung titriert. Das Potential wird nach jeder Zugabe der Silber-Lösung gemessen. Der Äquivalenzpunkt kann bestimmt werden, indem in einer graphischen Darstellung das Potential als Funktion der zugegebenen Ag+-Lösung aufgetragen wird. Am Äquivalenzpunkt kann mit Hilfe der zugefügten Ag+-Lösung die Gesamtmenge an Cl--Ionen berechnet werden. Man wendet die Nernst’sche Gleichung an (siehe Experiment 15: Bestimmung der Nernst-Konstante).

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Mit der obigen Gleichung kann die Konzentration an Silberionen in der Lösung bestimmt werden. Die Konzentration an Cl-, welche in der Lösung bleibt, kann wie folgt berechnet werden:

Das Löslichkeitsprodukt wird schlussendlich mit der folgenden Gleichung erhalten:

Versuchsdurchführung: Es werden 2 mL einer 0,1 M HCl-Lösung vorgelegt und soviel KNO3 zugefügt, dass µ = 1 M (10,1 g) erhalten wird und mit deionisiertem Wasser auf 100 mL aufgefüllt. Zur Titration wird eine frisch hergestellte 0,02 M AgNO3 – Lösung verwendet. Falls die Referenzelektrode Ag/AgCl mit KCl gefüllt ist, ersetzen Sie das KCl mit KNO3. Verwenden Sie als Messelektrode eine Ag-Elektrode. Titrieren Sie die Chloridlösung mit der Silbernitratlösung und messen Sie das Potential nach jeder Zugabe (ca. 0 – 10 ml). Bestimmen Sie dann aus genaueren Titrationen das Löslichkeitsprodukt von Silberchlorid. Experiment 17: Die Chinhydron-Elektrode Chinhydron ist das 1:1-Assoziat von Chinon und Hydrochinon. Die Chinhydronelektrode besteht aus einer inerten Pt-Elektrode, die in eine mit Chinhydron [1:1 – Charge-Transfer-Komplex von 1.4-Benzochinon und Hydrochinon] gesättigte Analysenlösung eingetaucht wird. Schon eine kleine Menge Chinhydron gibt in Wasser eine gesättigte Lösung.

Abbildung: Wasserstoffbrückenbindungen im Chinhydron

Chinhydron zerfällt in wässriger Lösung leicht in seine beiden Einzelteile, gemäss der folgenden Gleichung:

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Benzochinon und Hydrochinon sind ineinander überführbar. Wie die Anwendung der Nernst’schen Gleichung auf diesen Redoxprozess zeigt, ist das Potential einer Chinhydronelektrode nur vom pH-Wert der sie umgebenden Lösung abhängig.

Mit [Ch] = [HCh] ergibt sich das Potential bei 25 °C zu:

Der Eo-Wert dieser gesättigten Chinhydronelektrode beträgt 0,699 V. Die Elektrode besteht aus einem Platinblech, das in eine gesättigte Chinhydronlösung eingetaucht wird. Das Potential der Elektrode hängt in ähnlicher Weise vom pH-Wert ab, wie das der Wasserstoffelektrode. Die Vorteile der Chinhydronelektrode liegen in der einfachen Handhabung, der schnellen Potentialeinstellung und dem hohen Standardpotential von Eo = 0,699 V. Letzteres hat den Vorteil, dass die Chinhydronelektrode auch eingesetzt werden kann, wenn in der Analysenlösung Oxidationsmittel vorhanden sind, die durch Wasserstoff am Platin reduziert würden. In alkalischen Lösungen mit pH-Werten über 8,5 kann die Chinhydronelektrode hingegen nicht verwendet werden, denn Hydrochinon ist eine schwache zweiprotonige Säure, die im alkalischen Milieu weitgehend als Anion vorliegt, so dass das Potential nicht mehr in einfacher Weise vom pH-Wert abhängt. Im Übrigen wird Chinhydron in alkalischer Lösung leicht durch Luftsauerstoff oxidiert, was zwar nicht prinzipiell unvermeidbar, im praktischen Einsatz aber lästig ist.

Aufgabenstellung: Eine Eichung der Messanordnung für den folgenden Versuch (Bestimmung des Potentials von Eisenhexacyanoferrat) wird durchgeführt.

Versuchsdurchführung: Eichung der Messkette:

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Um die Messanordnung zu eichen, wird Chinhydron in einer pH-Puffer-Lösung mit genau bekanntem pH-Wert aufgeschlämmt und die Differenz zwischen gemessenem Potential und Sollwert notiert. Für das folgende Beispiel berechnet sich das Potential wie folgt:

Ag+/AgCl ges. KCl | Puffer pH = 4,7 ; Chinhydron | Pt

0,226 V entsprechen hierbei dem Referenzwert der eingesetzten Ag/AgCl-Elektrode (sat. KCl). Eine geeignete Pufferlösung lässt sich z.B. aus Kaliumhydrogenphthalat und Natronlauge herstellen oder die Verwendung eines Acetatpuffers ist möglich. Damit die Eichung für den folgenden Versuch brauchbar ist, muss sie in einer Lösung der Ionenstärke I = 1 (1 M KNO3) durchgeführt werden. Geräte und Chemikalien

Geräte: 1 pH-Meter

Platinelektrode Silber/Silberchlorid-Referenzelektrode Kabel 1 Becherglas, 250 mL 1 Magnetrührer mit Magnetstab pH-Papier Chemikalien:

Chinhydron KNO3

Pufferlösung mit bekanntem pH-Wert

Literatur G. Jander, K.F. Fischer, H. Knoll Massanalyse Sammlung Göschen, 1973 F. Seel Grundlagen der analytischen Chemie Verlag Chemie, 1970

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Experiment 18: Das Potential von Eisenhexacyanoferrat

Einleitung: Aus der potentiometrischen Messung (bei verschiedenen Temperaturen) von Mischungen unterschiedlicher Verhältnisse an [Fe(CN)6]3-/[Fe(CN)6]4- lässt sich das Standardredoxpotential des entsprechenden Redoxpaares mittels einer graphischen Darstellung bestimmen und die thermodynamischen Daten berechnen. Es gilt dabei die Nernst’sche Gleichung:

Die Potentiale sind in Volt angegeben.

Grundlage: • Die gemessenen Potentiale lassen sich nach der Nernst’schen Gleichung

berechnen, wobei Eo das Standardredoxpotential und E das gemessene Redoxpotential ist. Das Standardredoxpotential (und damit auch das Redoxpotential) ist temperaturabhängig. In einem Bereich von 0 – 40 oC ist die Veränderung des

Standardredoxpotentials mit der Temperatur linear. Durch Umstellen der Nernst’schen Gleichung nach Eo ergibt sich:

Die gemessenen Potentiale sind gegenüber einer Bezugselektrode (Chinhydron-Elektrode) zu messen. Diese Bezugselektrode hat (bei konstanter Temperatur) ein konstantes Potential gegenüber der Standardwasserstoffelektrode. Da sich alle Standardredoxpotentiale auf die Standardwasserstoffelektrode beziehen, muss das gemessene Potential der Bezugselektrode aufaddiert werden, um das “wahre” gemessene Redoxpotential gegenüber der Standardwasserstoffelektrode zu erhalten.

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Weiterhin hängt das gemessene Potential von der Zusammensetzung des Redoxgemisches ab, was in der Nernst’schen Gleichung durch das zweite Glied ausgedrückt wird:

• Die Gleichgewichtszellspannung EGG (= “wahres” gemessenes Redoxpotential) kann nach der Gleichung

zur Berechnung von thermodynamischen Reaktionsgrössen herangezogen werden. • Nach (weil sich EGG und damit ΔRG linear mit der Temperatur

ändern) lässt sich die Änderung der Reaktionsentropie und mit

bzw. die Reaktionsenthalpie berechnen.

• Für die Berechnung der thermodynamischen Standardwerte legt man die Redoxgleichung

zugrunde. Setzt man anstelle von EGG Eo in die Gleichung ein, erhält man den Standardwert für ΔRGo.

Aufgabenstellung: Es ist das Standardredoxpotential des Systems durch Messung der Redoxpotentiale verschiedener Mischungen bei 0 oC, 20 oC und 40 oC zu bestimmen. Aus den temperaturabhängigen Messungen können die thermodynamischen Daten für ΔRGo berechnet werden.

Versuchsdurchführung: Für die Bestimmung des Standardredoxpotentials stellt man aus 0,1 M Lösungen von Kaliumhexacyanoferrat(II) und Kaliumhexacyanoferrat(III) Gemische mit den Volumenverhältnissen 10:1, 2:1, 1:1 1:2 und 1:10 her. Diese 5 Mischungen werden auf 40 oC, 20 oC und 0 oC temperiert. Bei den entsprechenden Temperaturen werden die Potentialmessungen mit der Chinhydron-Elektrode aus dem vorherigen Versuch als Referenzelektrode und einer Platinelektrode als Messelektrode durchgeführt und

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die Messwerte notiert. Verwenden Sie einen Stromschlüssel gefüllt mit 1 M KNO3-Lösung um die beiden Halbzellen zu verbinden.

Geräte und Chemikalien Geräte:

pH-Meter Platinelektroden Kabel 1 Becherglas, 250 mL 1 Magnetrührer mit Magnetstab Themostatisier-Bad pH-Papier Stromschlüssel Chemikalien:

Chinhydron KNO3

Pufferlösung mit bekanntem pH-Wert Kaliumhexacyanoferrat(II) und Kaliumhexacyanoferrat(III)

Literatur G. Jander, K.F. Fischer, H. Knoll Massanalyse Sammlung Göschen, 1973 F. Seel Grundlagen der analytischen Chemie Verlag Chemie, 1970

5.3  Spezifische  Elektroden;  Natrium-­‐selektive  Elektroden   Zusammenfassung Die Bestimmung von Natrium mit der Natrium-ISE (ionenselektive Elektrode) stellt eine selektive, schnelle, genaue und günstige Methode dar. Diese wird im vorliegenden Kapitel beschrieben. Natrium kann mittels einer Direktmessung bzw. Standardaddition von bekannten Natriummengen bestimmt werden. Bestimmt wird die Natriumkonzentration in Lebensmitteln wie z.B. in Spinat oder Brühe. Aufbau, Funktionsweise und Einsatzgebiete der ionenselektiven Natrium-Elektrode werden im Folgenden ausführlich erläutert.

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Theorie: Mit Hilfe ionenselektiver Elektroden lassen sich die Aktivitäten von Ionen bestimmen. In stark verdünnten Lösungen entsprechen diese ungefähr den Konzentrationen der jeweiligen Ionen. Die Tatsache, dass ISEs im Idealfall nur auf eine ganz bestimmte Ionenart ansprechen, ermöglicht es, die vorliegende Bindungsform eines Ions zu spezifizieren und selektiv zu bestimmen (Beispiele: selektive Bestimmung einer bestimmten Oxidationsstufe eines Elements; Bestimmung freier in Gegenwart komplex-gebundener Metallionen). Allerdings gibt es keine ionenselektiven Elektroden, die keinerlei Querempfindlichkeit gegenüber chemisch ähnlichen Ionen aufweisen, so dass ISEs nicht als spezifisch bezeichnet werden können.

Grundlagen: Einsatz der ionenselektiven Natrium-Elektroden Der Messbereich der Glasmembran-ISE erstreckt sich zwischen 1.10–5 und 1 mol/L Na+ (entsprechend 0,23 mg/L ... 22,99 g/L Na+). Die Glasmembran-ISE wird vor allem für Proben mit problematischer Matrix eingesetzt (Frucht und Gemüsesäfte; Proben, die Chlorat-, Perchlorat- und/oder Chloroacetationen enthalten). Glasmembran-ISE: Aufbau der Elektrode: Elektrodenschaft und Membran sind aus Glas gefertigt. Die Selektivität für Na+-Ionen wird durch die Zusammensetzung der Glasmembran bestimmt. Zusammensetzung und Konditionierung der Membran: Die Glasmembran (Zusammensetzung: Li2O-Al2O3-SiO2) wird vor dem Einsatz gewässert, so dass eine gelartige Kieselsäure-Quellschicht entsteht. Funktionsweise: Aus der äusseren Quellschicht werden in wässrigen Lösungen Kationen herausgelöst und dabei durch Na+-Ionen aus der Probe ersetzt. Hierdurch baut sich an der Grenzschicht zwischen Probenlösung und Membran eine von der Natriumaktivität abhängige Spannung auf. ISA-Lösungen: ISA ist die Abkürzung für Ionic Strength Adjustor, d.h. Ionenstärke-Einstell-Lösung. Es handelt sich um eine Lösung hoher Ionenstärke, mit der die Probenlösungen verdünnt und gleichzeitig in ihrer Ionenstärke «fixiert» werden. Aufgrund der nahezu konstanten Ionenstärke variiert auch der Aktivitätskoeffizient γ des Messions praktisch nicht mehr, selbst wenn in stark unterschiedlichen Probenlösungen gemessen wird. ISA-Lösungen können neben dieser Fixierung der Ionenstärke

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gleichzeitig auch noch den pH-Wert regulieren. Derartige Lösungen heissen TISAB: Total Ionic Strength Adjustment Buffer. Um Störionen zu entfernen, können diese Proben-Konditionierlösungen zusätzlich mit Komplexbildnern versetzt werden. So ist es möglich, selbst mit einer relativ wenig selektiven Elektrode hochselektive Messungen durchzuführen. Welche dieser Lösungen zum Einsatz kommt, hängt von der jeweiligen Applikation ab. Für Natriumbestimmungen mit der Glasmembran-ISE ist es erforderlich, eine TISAB-Lösung zu verwenden, die auch pH-Werte über 9 puffert. Direktmessung mit Kalibrierung: Die Ionenkonzentration der Probe wird anhand einer Kalibrierkurve interpoliert. Diese Kurve wird mit Hilfe von Standardlösungen erstellt. Die erwartete Ionenkonzentration sollte dabei im mittleren Konzentrationsbereich der Standardlösungen liegen. Standardaddition: Bei der Standardaddition wird ein bekanntes Probenvolumen mit einer definierten Menge des zu bestimmenden Ions versetzt (eventuell in mehreren Schritten). Aus den resultierenden Spannungsdifferenzen zwischen der reinen Probenlösung und den aufgestockten Lösungen wird dann die Ionenkonzentration der Probe berechnet. Das Volumen der zugesetzten Standardlösung sollte höchstens 25% des Probenvolumens betragen. Die Konzentration der Standardlösung sollte so hoch wie möglich gewählt werden (damit Verdünnungseffekte vernachlässigt werden können). Das Potential der Lösung vor der Zugabe der Standardlösung :

E1 = E 0 + slogc

Potential der Lösung nach der Zugabe der Standardlösung :

E2 = E 0 + slog(c + Δc)

Nach Berücksichtigung der Verdünnung verändert sich die Gleichung wie folgt :

E2 = E 0 + slog( c⋅ VV +VS

+cS ⋅ VSV +VS

)

Mit: s =

RTnF

c = Unbekannte Konzentration

cS = Konzentration des Standards

V = Originalvolumen

VS = Zugegebenes Standardvolumen

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Die Bestimmung der Konzentration auf Grund der Potentialdifferenz vor und nach der Zugabe des Standards berechnet sich wie folgt :

ΔE = slog(

c⋅ VV +VS

+cS ⋅ VSV +VS

c)

c =cS ⋅ VS

(V +VS )⋅ 10ΔEs −V

Es ist wichtig, dass die Konzentration der Standardlösung mit Sorgfalt ausgewählt wird.

Wahl der Standardkonzentration: Um die Auswertung der Standardaddition sicher zu gestalten, sollten die Standardkonzentrationen cStd für verschiedene Bürettenvolumina VBürette in Abhängigkeit von der Probenkonzentration cSmpl nach folgender Tabelle gewählt werden:

Tabelle: Bürettenvolumina vs. Verhältnis VBürette (mL) cStd: cSmpl

5 40 : 1

10 20 : 1

20 10 : 1

50 5 : 1

Bei starker Verdünnung der Probe mit ISA- bzw. TISAB-Lösung muss dieses Verhältnis berücksichtigt werden. Messungen mit der Glasmembran-ISE: Standardlösung β(Na+) = 2000 mg/L TISAB-Lösung c(Tris(hydroxymethyl)-aminomethan) = 1 mol/L; der pH-Wert wird mit c(HNO3) = 2 mol/L auf 8 ... 10 eingestellt. Konditionierlösung c(NaCl) = 1 mol/L Handhabung der Elektroden: Um optimale Ergebnisse zu erzielen, sind folgende Punkte zu beachten.

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Glasmembran-ISE: • Es empfiehlt sich, die Elektrode vor der ersten Messung wie ein Fieberthermometer zu schütteln. • Bei längerem Nichtgebrauch wird die Glasmembran-ISE trocken gelagert. Für die kurzzeitige Aufbewahrung eignet sich c(NaCl) = 0,1 mol/L. • Vor der ersten Inbetriebnahme sowie nach längerem Nichtgebrauch muss die Glasmembran durch Eintauchen über Nacht in c(NaCl) = 1 mol/L aktiviert/ konditioniert werden. • Bei der Bezugselektrode ist darauf zu achten, dass der Innenteil gut benetzt ist. Luftblasen, die sich beim Einfüllen des Elektrolyten bilden können, müssen entfernt werden. • Nach jeder Messung wird die Elektrode gut mit dest. Wasser abgespült und mit einem leicht feuchtem Tuch abgewischt. • Kalium stört ab einem 500fachen Überschuss gegenüber Natrium. • Da diese Na-ISE im sauren pH-Bereich wie eine pH-Glaselektrode auf H3O+-Ionen anspricht, muss im alkalischen Bereich (pH = 8 ... 10) gemessen werden. • Betreffend Störeinflüsse weiterer Ionen siehe Gebrauchsanweisung der Elektrode. Allgemeine Hinweise: • Sämtliche Lösungen müssen in Kunststoffgefässen aufbewahrt werden. • Während der Standardzugaben muss gerührt werden. Es ist darauf zu achten, dass der Rührer eingeschaltet ist und sich ein Rührstäbchen im Vorlagegefäss befindet. Zugaben ohne Rühren führen zu Fehlmessungen! • Methodenauswahl: Die Standardaddition ist speziell bei undefinierter Probenmatrix eine schnelle und zuverlässige Methode. Eine Direktmessung ist dann sinnvoll, wenn viele Bestimmungen in ähnlichen Lösungen mit definierter und unproblematischer Probenmatrix hintereinander durchgeführt werden müssen. • Die Zugabe von TISAB-Lösung vor Messungen mit der Glasmembran-ISE bewirkt, dass die Ionenstärke und der pH-Wert der Probenlösungen konstant gehalten werden. Beispiel: Probenkonzentration cSmpl 5 mg/L Bürettenvolumen VBürette 10 mL Probenvolumen 10 mL Volumen ISA/TISAB 10 mL Gesamtvolumen Vtotal 20 mL Faktor cStd : cSmpl aus der Tabelle Daraus ergibt sich eine Probenkonzentration in der Vorlage von 2,5 mg/L. Die optimale Konzentration des Standards beträgt somit 2,5 mg/L x 20 = 50 mg/L. Es ist zu beachten, dass es sich hierbei nur um eine grobe Richtlinie für die

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Standardkonzentration handelt. Auch bei Abweichungen von dieser Empfehlung sind genaue Messungen möglich. Geringe Natriumkonzentrationen: Hier ist die Einstellzeit deutlich länger. Blindwerte der verwendeten Reagenzien sind zu berücksichtigen. Experiment 19: Bestimmung des Natriumgehalts in Spinat

Aufgabenstellung: Es ist der Natriumgehalt eines Rahmspinats mittels der direkten Methode (mit Eichkurve) und mittels der Standardadditionsmethode zu bestimmen.

Versuchdurchführung Elektrode: Glasmembran-ISE Probenvorbereitung: Ca. 10 g Probe (Packungsangabe: 1% NaCl) werden 15 min mit 100 mL dest. Wasser gerührt. Die Lösung wird filtriert und das Filtrat auf 200 mL aufgefüllt. Analyse: 10 mL der Probenlösung (→ Faktor = 20), 10 mL dest. Wasser sowie 20 mL TISAB-Lösung werden in das Vorlagegefäss pipettiert. Standard: β(Na+) = 2000 mg/L; dies entspricht w(NaCl) = 0,508% Anzahl Zugaben: 4 Ergebnis einer Vierfachbestimmung Mittelwert: ±0.952% NaCl Sabs: ±0.049% NaCl Srel: ±4.9%

Literatur E. Florence Determination of sodium salted foods using an ion-selective electrode Analyst 111 (1988) 571-573. Ref.: Fresenius Z. Anal. Chem. 326 (1987) 480. G. Schwedt Analytische Chemie: Grundlagen, Methoden und Praxis Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1995. M. Otto

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Analytische Chemie VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, New York, Basel, Cambridge, Tokio, 1995. Gebrauchsanweisung Ionenselektive Elektroden Metrohm AG, Herisau, 2000.

6.  Komplexometrie  

Unter Komplexometrie versteht man Komplexbildungstitrationen, wobei eine chemische Reaktion unter Ausbildung von Komplexen zwischen einer Lewis-Säure (dem Metallion) und einer oder mehrerer Lewis-Basen (Liganden) erfolgt.

Die massanalytische Verwendung der Komplex-bildenden Reaktionen blieb lange Zeit auf die von J. v. Liebig (1851) eingeführte Cyanidbestimmung mit Lösungen von Silbersalzen beschränkt, bis es endlich gelungen ist, geeignete organische Verbindungen zu finden, die mit Metallionen Komplexsalze (Chelate) bilden.

Eine genaue Betrachtung zeigt, dass eine unter Komplexbildung verlaufende Reaktion nur dann als Grundlage einer massanalytischen Bestimmungsmethode geeignet ist, wenn es gelingt, die mögliche Bildung von Zwischenstufen bei der Komplexbildung auszuschalten. Dies ist möglich, wenn als Ligand eine Verbindung verwendet wird, deren Molekül bzw. Ion mehrere zur Koordination befähigte Heteroatome (z.B. Sauerstoff- und Stickstoffatome) enthält, die gleichzeitig nur ein Metallion binden. Geeignet hierfür sind grössere organische Verbindungen mit Heteroatomen, die freie Elektronenpaare zur Verfügung stellen können.

Die hierbei gebildeten Komplexsalze werden auch als Chelate (χηλωσ = Krebsschere) bezeichnet, da das Metallion von mehreren zur Koordination befähigten Atomen des Liganden wie von einer Krebsschere umfasst und unter Ringschluss koordinativ gebunden wird.

Ganz allgemein ist eine organische Verbindung für die Anwendung als chelatometrisches Titrationsmittel geeignet, wenn sie folgende Punkte erfüllt:

• gut löslich ist • mit genügend grosser Geschwindigkeit mit dem zu bestimmenden Ion reagiert • als mehrzähniger Ligand auf das Zentralion unter Bildung eines leicht

löslichen stabilen inneren Komplexsalzes wirkt

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Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Ethylendiammintetraacetat (abgekürzt H4EDTA) mit sechs möglichen Koordinationsstellen (zwei Stickstoffatome und die einbindigen Sauerstoffatome der vier Carboxylgruppen). Mit Hilfe dieser sechs Heteroatome kann das EDTA das Metallion komplett umschliessen und bildet einen oktaedrischen Komplex aus. In der Praxis wird meistens das Natriumsalz des EDTA verwendet, da dieses eine bessere Löslichkeit aufweist.

Die Komplexbildung tritt mit den meisten mehrwertigen Kationen ohne Rücksicht auf die Wertigkeit im Verhältnis 1:1 ein.

Die Erkennung des Äquivalenzpunktes erfolgt bei einer Säure-Basen-Titration durch Indikatoren, die auf eine Änderung des pH-Wertes mit einem Farbwechsel reagieren. Ganz analog gibt es für die komplexometrische Titration metallspezifische Indikatoren, wie z.B. Eriochromschwarz T, Murexid, Brenzcatechinviolett usw., die auf eine Änderung der pMetall-Werte ansprechen. Diese Indikatoren bilden mit den Metallionen ebenfalls Chelat-Komplexe, welche eine andere Farbe aufweisen als die metallfreien Indikatoren. Der Farbumschlag am Äquivalenzpunkt erfolgt durch den Zerfall des Metallindikatorkomplexes und wird durch das Auftreten der Farbe des freien Indikators angezeigt. Die Stabilität des Indikatorkomplexes darf nicht grösser sein als die des gebildeten Komplexsalzes, muss aber wiederum gross genug sein, um einen scharfen Farbumschlag anzuzeigen.

6.1  Bestimmung  der  Wasserhärte  mittels  Komplexometrie  

Natürliches Wasser enthält eine Menge verschiedener Kationen und Anionen. Die im Wasser gelösten Calcium- und Magnesiumsalze bezeichnet man als dessen Härte. Im Alltag zeigen sich die Auswirkungen der Wasserhärte z. B. an der Verkalkung von Wasserleitungen. Dabei werden die gelösten Hydrogencarbonate bei höheren Temperaturen (z.B. durch Kochen) in Carbonate überführt. Die Carbonate fallen aus und in der Überführungsreaktion wird auch Kohlenstoffdioxid freigesetzt (siehe Reaktionsgleichung unten). Man spricht hierbei von der Carbonat- oder auch temporären Härte.

Die anderen Salze des Calciums und Magnesiums, wie Silicate, Nitrate, Sulfate und Chloride bleiben in Lösung und bilden die permanente Härte des Wassers (Nichtcarbonathärte).

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Es existieren verschiedene Einheiten um die Härte anzugeben. Die in der Schweiz am häufigsten verwendete Einheit ist der französische Härtegrad (°f). Ein französischer Härtegrad entspricht 10 mg Calciumcarbonat (Kalk) pro Liter Wasser (0,1 mmol Calciumcarbonat pro Liter Wasser). Eine weitere, in den kantonalen Laboratorien offiziell anerkannte und oft verwendete Einheit, ist Millimol Calciumcarbonat pro Liter Wasser (mmol/L oder mM).

Die Wasserhärte kann folgendermassen eingeteilt werden:

Tabelle: Einteilung von Wasserhärten.

Totale Härte in mmol/L

Einteilung Totale Härte in °f

Zugabe von Weichspüler

nötig

0-0.7 sehr weich 0-7 - - -

0.7-1.5 weich 7-15 - -

1.5-2.5 mittel hart 15-25 -

2.5-3.2 recht hart 25-32 +

3.2-4.2 hart 32-42 + +

über 4.2 sehr hart über 42 + + +

Im Kanton Fribourg variiert die Wasserhärte des Quellwassers in den Voralpen zwischen 16 bis 25 of und mehr als 32 of im Saane-, Broye- und Seebezirk. In Demineralisationsinstallationen zur Weichmachung von Wasser muss die minimale totale Härte in Trinkwasser aus physiologischen Gründen und zur Vermeidung von Korrosionsschäden 10 of betragen. Einen Überblick über die Wasserhärten in der Schweiz gibt die unten abgebildete Grafik.

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Grafik: Wasserhärten in der Schweiz

Andere Einheiten sind:

1° deutsche Härte = 1,78 °f oder 17,8 mg CaCO3 pro L

1° englische Härte = 1,43 °f oder 14,3 mg CaCO3 pro L

1° amerikanische Härte = 0,1 °f oder 1 mg CaCO3 pro L

Es werden verschiedene Härtearten unterschieden:

• Totale Härte (TH) oder Hydrometrische Härte (HH) Die totale Härte ist die Gesamtkonzentration der Calcium- und Magnesiumionen in Lösung.

• Permanente Härte (PH) Die permanente Härte setzt sich aus den Calcium- und Magnesiumsalzen mit Ausnahme der Hydrogencarbonate zusammen. Um diese Härte zu bestimmen, müssen zuerst die Hydrogencarbonate durch z.B. Kochen und anschliessender Filtration entfernt werden.

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• Temporäre Härte (TempH) Die temporäre Härte entspricht der Konzentration der Calcium- und Magnesiumhydrogencarbonate. (TempH = TH–PH)

Die komplexometrische Titration nutzt eine Reaktion zwischen den Calcium- bzw. Magnesiumionen und einem Komplexierungsmittel, in diesem Fall wird das Di-Natriumsalz von Ethylendiammintetraessigsäure (abgekürzt EDTA; kommerzieller Name: Titriplex oder Komplexon) verwendet.

Diese Methode ermöglicht eine Unterscheidung des Gehaltes an Calcium- und Magnesiumionen. Hierfür werden Eriochromschwarz T und 3-Hydroxy-4-(2-hydroxy-4-sulfo-1-naphthylazo)-2-naphthalencarboxylsäure (HHSNN) als Indikatoren eingesetzt. Beide zeigen eine unterschiedliche Farbe wenn Calcium- (oder) Magnesiumionen komplexiert sind oder als Aqua-Ion vorliegen.

Tabelle: verwendete Substanzen zur Bestimmung der Wasserhärte.

EDTA Eriochromschwarz T HHSNN

Experiment 20: Messung der Gesamt-Wasserhärte (TH) (Calcium und Magnesium)

In einem Messkolben werden 100 mL des zu analysierenden Wassers abgemessen. Diese Lösung wird quantitativ in ein Becherglas überführt und mit einem Magnetrührfisch versehen. Es werden 5 mL einer Ammoniak-Pufferlösung (Herstellung: 5,4 g Ammoniumchlorid werden in 20 mL Wasser gelöst, mit 35 mL konzentriertem Ammoniak versetzt und mit Wasser auf 100 mL aufgefüllt) hinzugefügt. Der pH-Wert wird auf einen Wert von 10-11 eingestellt. Anschliessend wird wenig Eriochromschwarz T als Indikator zugegeben. Nun wird mit einer 0,01 M EDTA-Lösung titriert. Der Umschlagspunkt wird erreicht, wenn die Farbe von rot-

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violett nach blau umschlägt. Die Blaufärbung muss für mindestens zwei Minuten erhalten bleiben und darf in dieser Zeit nicht wieder verschwinden.

Messung der Kalkhärte (Calcium)

Hierfür werden wiederum 100 mL des zu analysierenden Wassers abgemessen und in ein Becherglas mit Magnetrührfisch überführt. Dann werden etwa 2 mL einer 2 M NaOH-Lösung zugegeben, so dass der pH-Wert mindestens 12 beträgt. Es wird wenig HHSNN als Indikator zugefügt und sofort mit einer 0,01 M EDTA-Lösung titriert, um das Ausfällen von Calciumcarbonat zu verhindern.

Berechnung der Magnesiahärte

Die Magnesiahärte kann nun aus der Differenz der beiden vorhergegangenen Titrationen berechnet werden.

Messung der permanenten Härte (PH)

Es werden 100 mL des zu analysierenden Wassers durch Kochen auf die Hälfte ihres Volumens eingeengt. Nach dem Abkühlen wird das Wasser mit Hilfe eines Faltenfilters filtriert, mit deionisiertem Wasser (warum?) gewaschen und in einem Messkolben auf 100 mL aufgefüllt. Danach kann hier die gleiche Methode wie bei der Bestimmung der Gesamt-Wasserhärte angewendet werden um die permanente Härte von Calcium und Magnesium zu berechnen.

Berechnung der temporären Härte (TempH)

Die temporäre Härte kann jetzt aus der Differenz von Gesamt-Wasserhärte und permanenter Härte bestimmt werden.

7.  Spektroskopische  Methoden  

7.1  Einleitung   Optische Methoden beruhen auf der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung und Materie. Sie werden zur qualitativen und quantitativen Analyse, zur Konstitutionsermittlung und Untersuchung von Atom- und Moleküleigenschaften angewandt. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen unelastischer und elastischer Wechselwirkung (siehe nachfolgende Tabelle). Alle photometrischen und spektoskopischen Verfahren, die in Absorption und Emission durchgeführt werden können, verlaufen unter Energiekonversion. Nach dem Kirchhoff`schen Gesetz sind Absorption und Emission äquivalent, da jeder Stoff nur Licht der gleichen Frequenz (Energie) absorbieren kann, die er selbst durch optische, thermische oder elektrische Anregung emittieren kann (Resonanzabsorption).

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Optische Methoden: Elektromagnetische Wechselwirkung mit Materie

unelastisch (Energiekonversion) elastisch (Energieerhalt)

Photometrische und spektroskopische Methoden Beugungs- und Brechungsmethoden

Absorptionsmethoden Brechung (Refraktometrie)

Kolorimetrie Beugung (Diffraktometrie)

Photometrie Röntgenbeugung (Kristall)

Turbidimetrie Elektronenbeugung

Atomabsorption (Pulver, Schicht, Gas)

Neutronenbeugung (Gas, Flüssigkeit)

Molekülspektroskopie

MW, IR, UV-Vis, NMR, ESR u.a. Rotation (Polarimetrie)

Emissionsmethoden Streuung

Fluorimetrie

Nephelometrie partielle Absorption keine Absorption

Flammenphotometrie Raman-Streuung Rayleigh-Streuung

Emissionsspektralanalyse photoelektrischer Effekt

Siehe auch französisches Skript. Bei den Beugungs- und Brechungsmethoden bleibt die Energie des Lichtes erhalten; es findet nur eine Änderung der Ausbreitungsrichtung, Phase oder Amplitude statt. Die diffraktometrischen Methoden (Röntgen-, Elektronen-, Neutronenbeugung) dienen zur Strukturbestimmung von Festkörpern, flüssigen Phasen und gasförmigen Molekülen. Lichtstreuung an Materie kann sowohl elastisch (Rayleigh-Streuung) als auch unter partieller Konversion (Raman-Effekt) verlaufen und damit zur indirekten

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Anregung von Atomen und Molekülen beitragen. Auch der Photoeffekt, die Freisetzung von Elektronen aus Materie, wird zur Spektroskopie herangezogen (Photo- und Auger-Elektronenspektroskopie, ESCA = Elektronenspektroskopie für die chemische Analyse). Das elektromagnetische Spektrum

Abbildung: elektromagnetisches Spektrum von Licht

Entsprechend dem grossen Umfang des elektromagnetischen Spektrums, das sich von den Radiowellen (ca. 106 Hz) bis hin zu energiereichen γ-Strahlen (ca. 1021 Hz) erstreckt, wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren entwickelt. In den nachfolgenden Experimenten soll nur die klassische UV-Vis-Spektroskopie behandelt werden.

7.2  UV-­‐Vis-­‐Spektroskopie   Die UV-Vis-Spektroskopie basiert auf der Interaktion zwischen Messprobe und Licht. Diese Wechselwirkung liegt im Spektralbereich von 200 – 800 nm (Spektrum des Lichtes). Eigenschaften des Lichts Licht kann mittels zwei verschiedener Ansätze/Konzepte beschrieben werden:

• als elektromagnetische Welle • als Teilchen (Photonen)

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Dieses Phänomen wird als Welle-Teilchen Dualismus beschrieben. Die unterschiedlichen Eigenschaften können auf zwei Arten erläutert werden. Im Allgemeinen wird zur Erklärung der jeweiligen Eigenschaften das besser passende Konzept benutzt. Bei der UV-Vis-Spektroskopie werden die Welleneigenschaften des Lichts verwendet. Die Merkmale einer Welle sind:

• seine Wellenlänge λ [m] • seine Frequenz ν [s-1] • seine Wellenzahl [m-1]

• seine Energie E [J]

Diese Eigenschaften werden durch die folgenden Beziehungen verknüpft.

wobei c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist: c = 3 108 m/s

wobei h die Planck-Konstante bedeutet: h = 6.626 10-34 Js]

Das elektromagnetische Spektrum gliedert sich in verschiedene Regionen. Jede Region hat eine Energie, die einer Art des Übergangs in Atome und Moleküle entspricht. Z. B. wird die IR-Spektroskopie durch die Schwingungen der Moleküle angeregt, während bei der UV-Vis-Spektroskopie elektronische Übergänge beobachtet werden.

Tabelle: Strahlung, ihr Wellenlängenbereich und ihre Übergänge

Region Wellenlänge Übergang

X- und γ-Strahlen <100 nm Kernübergänge und Elektronen nahe dem Kern

Vakuum Ultraviolett Ultraviolett

100-200 nm 200-420 nm

Elektronische Übergänge

Sichtbares Licht 420 (violett) - 700 Elektronische Übergänge

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(VIS) (rot) nm

Nah und fern Infrarot

∼1 µm-1 mm Vibrationelle Übergänge

Mikowellen 1 mm-10 cm Rotations Übergänge

Radiowellen >10 cm Kernmagnetismus (NMR)

Prinzip der UV-Vis-Spektroskopie Wenn ein Molekül einer Strahlung ausgesetzt wird, kann es mit diesem Licht reagieren. Im Falle des UV-Vis-Lichts wird die Strahlung absorbiert und das Molekül elektronisch angeregt. Die Lichtabsorption unterliegt der Bedingung, dass seine Frequenz genau der Energiedifferenz zwischen zwei elektronischen Zuständen des Moleküls entspricht. Dies ist die sogenannte Bohr-Frequenz:

=

Ohne Wechselwirkung mit Licht ist ein Molekül in seinem Grundzustand. Dementsprechend ist ein Energiebetrag ΔE Energie erforderlich, um das Molekül in seinen angeregten Zustand zu bringen. Diese Energie wird durch Licht ( ) geliefert. Wenn die Wellenlänge des Lichts nicht mit derjenigen der Resonanzbedingung übereinstimmt, wird es durch das Molekül nicht absorbiert. Anmerkung: Eine Absorption einer geringfügig höheren Energie kann durch Vibrationen des Moleküls erklärt werden.

Abbildung: Molekülanregung

Funktionsweise des UV-Vis-Spektrometers: Die Aufgabe eines UV-Vis-Spektrometers besteht in der Messung des Anteils des Lichtes (Menge und Wellenlänge), das von der Probe absorbiert wird.

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Abbildung: Aufbau eines UV-Vis-Spektrometers

Im UV-Vis-Spektrometer wird der Eingangslichtstrahl in zwei Strahlen gleicher Intensität aufgeteilt. Der Referenzstrahl wird durch die Küvette mit der Standardlösung (Lösungsmittel) geleitet. Der zweite Strahl durchquert die Küvette mit der Probelösung. Der Unterschied der beiden Lichtintensitäten nach dem Durchgang entspricht der Intensität des von der Probe absorbierten Lichtes. Die Wellenlänge des Lichts variiert zwischen 200-800 nm. Das Lösungsmittel muss rein sein und die Konzentration der Probelösungen muss 10-4 -10-5 mol /L betragen. Es ist wichtig darauf zu achten, dass das Lösungsmittel, bzw. die Messprobe und die Art der Küvette (normales Glas oder Quarzglas) kompatibel sind. Normales Glas absorbiert UV-Licht. Aus diesem Grund müssen für eine Messung von Proben, welche im UV-Bereich absorbieren, Quarz-Küvetten verwendet werden (Quarzküvetten sind für UV-Licht durchlässig).

Abbildung: Absorption verschiedener Materialien

Das UV-Vis-Spektrum ist ein Graph mit der Absorption des Lichtes (A) in Abhängigkeit der Wellenlänge des Lichtes (nm).

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Das Lambert-Beer`sche Gesetz: Das Lambert-Beer`sche Gesetz beschreibt die Abhängigkeit zwischen der Absorption des Lichtes und der Konzentration der Lösung.

Mit : A : Absorption ε : Molarer Extinktionskoeffizient [cm2/mol] (Charakteristisch für das Molekül) c : Konzentration [mol/L] l : Länge der Küvette [cm] (im Allgemeinen = 1 cm)

Experiment 21: Stabilität eines Eisen-Rhodanid-Komplexes In sauren Lösungen, die viel Fe(III) und wenig NCS- enthalten, bildet sich nur der 1:1-Komplex [Fe(SCN)]2+, dessen Absorptionsmaximum bei 460 nm liegt.

Versuchsdurchführung: 0,02 mol Eisen(III)nitrat werden in 10 mL 1 M HNO3 gelöst und die Lösung wird in einem Messkolben mit 1 M HNO3 auf 100 mL verdünnt. Durch Einwaage von NH4SCN werden 100 mL einer Stammlösung genau bekannten Gehalts (z.B. 0.05 M) hergestellt, aus der durch Verdünnen kurz vor dem Experiment

die benötigte 2.5 • 10-4 M SCN- -Lösung hergestellt wird. Eine Reihe von Standards wird hergestellt, indem jeweils eine kleine, bekannte Menge an Thiocyanat-Ionen mit einem grossen Überschuss an Eisen-III-Ionen versetzt wird. Unter diesen Bedingungen wird das gesamte Thiocyanat entsprechend dem Prinzip von Le Chatelier in den Metallkomplex [Fe(SCN)]2+ umgewandelt. Die Konzentration an [Fe(SCN)]2+ entspricht im Wesentlichen der Thiocyanat-Ionen-Konzentration. Bestimmung von (ε.l), dem Produkt der molaren Absorbanz mal der Weglänge, bei 460 nm: Fünf Lösungen werden für die aktuelle Messreihe hergestellt. Die Lösungen können entweder in einem Becherglas oder einem Erlenmeyer-Kolben gemischt werden. Es wird hierbei eine Pipette verwendet, um die Volumina exakt abzumessen. Achtung: Die hergestellten Mischungen sollten nicht länger als eine Stunde aufbewahrt werden. Obwohl die Lösungen im Allgemeinen recht stabil sind, zersetzen sie sich langsam unter Lichteinwirkung. Das Totalvolumen jeder Lösung beträgt jeweils 20 mL. Die Lösungen werden wie folgt hergestellt:

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mL 0.02 M mL 2.5 10-4 M mL H2O

Lösung Fe3+ in 1 M HNO3 SCN-

A B C D E

10.0 10.0 10.0 10.0 10.0

10.00 8.00 6.00 4.00 2.00

-- 2.00 4.00 6.00 8.00

Bestimmen Sie das Produkt der molaren Absorptivität (εl) von [Fe(SCN)]2+ bei 460 nm mit Hilfe einer graphischen Darstellung, bei der die gemessenen Absorptionen (A) (y-Achse) als Funktion der Konzentration des Metallkomplexes (x-Achse) aufgetragen wird. Bei 460 nm sollten die Werte für (εl) zwischen 3000 und 5500 M-1 liegen. Eine alternative Möglichkeit zur Berechnung von (εl) beinhaltet eine Punkt zu Punkt Bestimmung der Gleichung 1:

Abbildung: Linearer Graph der Absorption in Funktion der Konzentration. Bestimmung der Gleichgewichtskonstante: Es werden folgende fünf Proben in Bechergläsern vorbereitet. Achten Sie auf die Beständigkeit (max. 1 Stunde) der hergestellten Metallkomplexe. Vor dem Zubereiten der Lösungen, verdünnen Sie genau 15 mL 0,2 M Fe3+ mit 1 M HNO3 in einem Messkolben auf 50 mL. Dies ergibt eine neue Stammlösung mit der Konzentration von 0,06 M Fe3+. Stellen Sie damit die folgenden Lösungen her:

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Lösung 0.06 M Fe3+ in 1 M HNO3 / mL

2.5 10-4 M SCN- / mL

H2O / mL

F G H I J

10.0 8.00 6.00 4.00 2.00

10.00 10.00 10.00 10.00 10.00

-- 2.00 4.00 6.00 8.00

Mischen Sie jede Lösung sorgfältig durch und spülen Sie die Küvetten für die spektroskopischen Messungen mit der jeweilig zu messenden Lösung bevor Sie mittels des Spektrometers die Absorption jeder Probe bestimmen. Berechnen Sie die Konzentration von [Fe(SCN)]2+ in jeder Probe. Zur Bestimmung der Gleichgewichtskonzentrationen von [Fe(SCN)]2+ verwenden Sie die gemessenen Extinktionswerte und die in Teil 1 berechneten (ε•l)-Wert e. Die Gleichgewichts-konzentrationen von Fe3+ und SCN- sind dann durch Subtraktion der [FeSCN]2+-Konzentration von den ursprünglichen [Fe3+] und [SCN-] Konzentrationen zu erhalten. Dies wird mit jeder Lösung F bis J durchgeführt.

Bestimmen Sie so alle Gleichgewichtskonzentrationen von [Fe(SCN)]2+, [Fe3+] und [SCN-]. Berechnen Sie die Gleichgewichtskonstante für Gleichung (2) von jeder der fünf Lösungen. Ermitteln Sie den Mittelwert für K und die Standardabweichung. Experiment 22: Bestimmung des pKs-Werts eines Indikators Es werden je 500 mL folgender Lösungen hergestellt: 0,1 M NaOAc, 0,1 M HOAc und 0,1 M KNO3. Dann werden in 100 mL-Messkolben folgende 5 Lösungen hergestellt:

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Tabelle: anzusetzende Lösungen

1 2 3 4 5

mL 0.1 M NaOAc mL 0.1 M HOAc mL 0.1 M KNO

3

2 20 9.8

5 15 9.5

10 10 9

15 5

8.5

20 2 8

In je einen weiteren Messkolben gibt man 1 mL 1 M HCl und 9 mL 1 M KNO3 (Kolben 6) resp. 1 mL 1 M NaOH und 9 mL 1 M KNO3 (Kolben 7). In jeden Messkolben wird nun so viel von einer Bromcresolgrün-Stammlösung pipettiert, dass nach Auffüllen des Kolbens bis zur 100 mL-Marke eine ca. 10-5 M Indikatorlösung vorliegt. Aus der Absorption A der Lösungen 6 und 7 wird dann der Extinktionskoeffizienten ε der Indikator-Säure, resp. der Indikator-Base im jeweiligen Absorptionsmaximum (Lambert-Beer’sches Gesetz: A = ε • c • l) berechnet. Aus den Spektren der Lösungen 1 – 5 können anschliessend die jeweiligen Konzentrationen von HInd und Ind- berechnen werden. In diesen Lösungen wird zusätzlich der pH-Wert (pH-Meter oder Glaselektrode) bestimmt und der pKS-Wert der Indikator-Säure mit der folgenden Gleichung berechnet:

Die Spektren sollten sich alle in einem Punkt (bei etwa 470 nm) schneiden. Die Absorption in diesem, sog. isosbestischen Punkt, ist nicht vom pH-Wert abhängig und kann darum in allen Lösungen zur Konzentrationsbestimmung des Indikators benutzt werden. Berechnen Sie ε im isosbestischen Punkt. Was ist der Nachteil der Konzentrationsbestimmung bei dieser Wellenlänge? Experiment 23: Bestimmung der Koffeinkonzentration In diesem Versuch soll der Koffeingehalt dreier kommerziell erhältlicher Getränke bestimmt werden.

Theorie: Koffein und das Theophyllin sind Stoffe, die zur Familie der Methylxanthine gehören. Koffein ist vor allem für seine aufweckende Eigenschaft bekannt, die durch eine Blockade von Adenosin-Rezeptor hemmenden Neurotransmittern bewirkt wird. Es wird weltweit in Form von Kaffee, Tee, Schokolade, Cola oder Getränken konsumiert.

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Eigenschaften: C8H10N4O2 MG = 194.19 g/mol Weisses, kristallines Pulver ohne Geruch, mit einem bitteren Geschmack. Tf =235-238 °C In der UV-Spektroskopie zeigt Koffein eine charakteristische Bande (Wellenlänge mit der maximalen Absorption: λmax = 272 nm), welche ein Konzentrationsbestimmung ermöglicht. Versuchsdurchführung: a) Eichkurve: Es wird eine Stammlösung hergestellt, die 0.1 g/L Koffein und 0.5 M H2SO4 enthält. Aus dieser Stammlösung werden verschiedene Lösungen (siehe Tabelle) für eine Kalibration hergestellt. Mit Hilfe einer Pipette wird das angegebene Volumen entnommen, in einen 100 mL-Messkolben transferiert und mit einer 0.5 M H2SO4-Lösung bis zur Markierung aufgefüllt.

Tabelle: anzusetzende Lösungen

Pipette Konzentration der Lösung in g/L

10 mL 0.01

9 mL 0.009

8 mL 0.008

7 mL 0.007

6 mL 0.006

4 mL 0.004

3 mL 0.003

Anschliessend werden die Lösungen im UV-Vis-Spektrometer vermessen und die Absorption am Absorptionsmaximum als Funktion der Koffeinkonzentration

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aufgetragen. Eine lineare Ausgleichsgerade gibt die Geradengleichung der Eichkurve.

b) Herstellung der Probelösungen:

Drei verschiedene Getränke, wie Coca-Cola oder Energiedrinks, die Koffein enthalten, müssen mitgebracht werden. Der Inhalt dieser Dosen wird jeweils in ein Becherglas gegeben und durch entgast. Welches Gas wird hierbei frei? Anschliessend werden 5 mL entnommen und tropfenweise verdünnter Ammoniak hinzugefügt bis der pH-Wert etwa 7 beträgt. Da ausser Koffein noch viele andere Substanzen in diesen Getränken enthalten sind, wird das Koffein mit Chloroform extrahiert, da es in diesem sehr gut löslich ist. Danach wird das Chloroform mit Hilfe eines Rotationsverdampfers (bitte an den Saalassistenten wenden) entfernt. Der Rückstand wird mit 0.5 M H2SO4 aufgenommen, in einen 250 mL-Messkolben (für Koffein-reiche Getränke: Red Bull, schwarz Booster, Clubber, Isostar,…) oder einen 100 mL-Messkolben (für Coca-Cola, Pepsi-Cola, Dr. Pepper,…) transferiert und mit 0,5 M H2SO4 bis zur Markierung aufgefüllt.

Zusätzlich erhalten Sie von Ihrem Assistenten noch eine aus Ihrer Stammlösung hergestellte unbekannte Probe, die Sie auf ihren Koffeingehalt hin prüfen müssen.

c) Vermessung und Auswertung der Probelösungen:

Die Absorption der verschiedenen Probelösungen wird gemessen und mit Hilfe der Eichkurve die Koffeinkonzentration bestimmt. Vergleichen Sie die gemessene Koffeinkonzentration mit den Angaben auf dem Etikett des jeweiligen Getränks (Beispiel siehe folgende Tabelle).

Tabelle: Beispieltabelle für die Auswertung

Probe Absorption Konzentration(g/L) (Beispiel)

Wirkliche Konzentration (g/L)

Red Bull 0.286 0.0061 0.305

Black Booster

0.239 0.0051 0.255

Clubber 0.271 0.0058 0.289

Isostar 0.112 0.0024 0.119

Dr Pepper 0.251 0.0054 0.107

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Coca-Cola 0.192 0.0041 0.082

Pepsi-Cola 0.217 0.0046 0.093

8.  Optische  Aktivität  

8.1  Theoretischer  Teil  

Die Polarimetrie ist eine Methode, die eingesetzt wird um optisch aktive Substanzen nachzuweisen und deren Konzentration zu bestimmen. Einsatzgebiete sind z.B. die medizinische Laboranalytik (Bestimmung von Blutzucker), die Lebensmittelindustrie (Messung des Zuckergehalts) und die Pharmaindustrie (Bestimmung der Reinheit und Konzentration von Medikamentenkomponenten).

Die optische Aktivität ist die Eigenschaft einiger durchsichtiger Materialien, die Polarisationsrichtung von polarisiertem Licht zu drehen. Dabei wird die Polarisationsebene des Lichts an jedem Molekül des Materials ein wenig gedreht. Bei chiralen Molekülen mittelt sich dieser auftretende Effekt nicht zu Null heraus, so dass sich die Einzeldrehungen akkumulieren und zu einem messbaren Netto-Drehbetrag führen. Optische Aktivität setzt Chiralität des Moleküls, bzw. Kristalls voraus, also das Fehlen einer Drehspiegelachse, bzw. Drehinversionsachse. Optisch aktive Stoffe mit asymmetrischer (unsymmetischer) Molekül- bzw. Kristallstruktur drehen also die Ebene von linear polarisiertem Licht um einen gewissen Winkel α (Drehwert, Drehwinkel). In chiralen Medien sind die Brechzahl n und der Extinktionskoeffizient ε für links- und rechts-zirkular-polarisiertes Licht verschieden, so dass eine Richtungsänderung des resultierenden elektrischen Vektors und damit eine Drehung der Polarisationsebene beobachtet werden kann. Die Abhängigkeit des Drehwinkels von der Wellenlänge des Lichtes dα/dλ heisst optische Rotationsdispersion(ORD).

Die ORD-Kurven von Enantiomeren verlaufen spiegelbildlich und dienen zur Konfigurationsbestimmung chiraler Verbindungen.

Der Drehwinkel α hängt von der Temperatur, der Wellenlänge, der Konzentration und Schichtdicke, sowie dem verwendeten Lösungsmittel an und wird meistens bei 20 °C und der Standard-Wellenlänge dα/dλ = 589,3 nm (Na-D-Linie) gemessen; diese Werte sowie das Lösungsmittel sind stets anzugeben. Der Proportionalitätsfaktor wird dann als spezifischer Drehwinkel bezeichnet.

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Für Lösungen ist dieser wie folgt definiert:

und für Flüssigkeiten:

Mit: α: Messwert

l: Länge der Küvette (Schichtdicke)

c: Konzentration der Lösung

: Dichte bei 20 °C

Bei einem bekannten spezifischen Drehwinkel kann die Konzentration eines optisch aktiven Stoffes bzw. deren Enantiomeren-Überschuss (ee = enantiomeric excess) bestimmt werden.

Praktisch gemessen wird der Drehwinkel mit einem Polarimeter. Das Polarimeter besteht aus einem Nicol-Prisma als Polarisator (P) und einem zweiten, drehbaren graduierten Prisma als Analysator (A) (siehe spätere Abbildung). Bei paralleler Einstellung von P und A wird eine maximale und bei Drehung um 90 ° eine minimale Lichtintensität gemessen. Beim Passieren eines chiralen Mediums wird die Lichtintensität geschwächt und erreicht erst nach Drehen des Analysators um den Winkel α im (+) oder gegen (-) den Uhrzeigersinn wieder den ursprünglichen Wert.

Stereoisomere:

Isomere sind Moleküle, die aus den gleichen Atomen bestehen (gleiche stöchiometrische Zusammensetzung), aber anders aufgebaut sind, bzw. deren Atome unterschiedlich miteinander verknüpft sind (verschiedene Strukturen). Ein prominentes Beispiel sind die in der Natur vorkommenden Verbindungen R-(+)-Limonen und S-(-)-Limonen; sie haben die gleiche Summenformel, sind aber nicht identisch (siehe Abbildung unten). Sie sind Spiegelbilder des jeweils anderen Isomers (=Enantiomere). Dieser kleine, aber signifikante Unterschied führt zu einer grossen Abweichung in ihren jeweiligen Gerüchen. Das S-Isomer kommt in der Frucht von Nadelbäumen vor und bewirkt den typischen Terpentin-Geruch. Sein Spiegelbild, das R-Isomer, verleiht den Orangen ihren charakteristischen Duft.

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Isomere werden in zwei Klassen eingeteilt:

• Konstitutions- (oder Struktur-)Isomere: Sie unterscheiden sich in der unterschiedlichen Abfolge der Atome (verschiedene Konnektivitäten). Beispiele aus der organischen und anorganischen Chemie sind unten gegeben.

• Stereoisomere (oder Konfigurationsisomere): Sie haben einen identischen Aufbau, aber eine unterschiedliche Anordnung der Atome im Raum. Stereoisomere unterscheidet man in Diastereomere und Enantiomere. Enantiomere verhalten sich zueinander wie Bild und Spiegelbild, und lassen sich nicht übereinander legen (sie sind nicht deckungsgleich). Beispiele hierfür sind das R- und S- Limonen wie oben beschrieben. Alle anderen Stereoisomere, die kein enantiomeres Verhalten zeigen, sind Diastereomere.

8.1.1 Diastereomere

Diastereomere sind wie gesagt alle Stereoisomere, die keine Enantiomere (nicht das Spiegelbild des anderen) sind. Im ihrem Verhalten unterscheiden sich Diastereomere in Bezug auf ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften. Infolgedessen sind sie eindeutig unterschiedliche chemische Verbindungen. Sie können durch fraktionierte Destillation, durch Kristallisation oder durch Chromatographie getrennt werden.

Beispiel: 1-Brom-3-chlor-butan

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Bei Komplexen sehen Diastereomere wie folgt aus:

M

fac mer cistrans

M M M

oder

Links: Diastereomere von oktaedrischen Komplexen mit 2 unterschiedlichen Liganden im Verhältnis 1:1; Rechts: Diastereomere von oktaedrischen Komplexen mit 2 unterschiedlichen Liganden im Verhältnis 1:2 (im Fall von einzähnigen Liganden)

8.1.2  Enantiomere  

Ein chirales Molekül ist nicht deckungsgleich mit seinem Spiegelbild, es enthält keine Spiegelebene. Jedes Isomer des Paares "Bild-Spiegelbild" ist ein Enantiomer. Eine 1:1-Mischung beider Enantiomere wird racemisches Gemisch genannt. Das anschaulichste Enantiomerenpaar sind die linke und die rechte Hand. Jeweils ein Beispiel aus der organischen und anorganischen Chemie ist unten abgebildet.

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Zwei Enantiomere haben identische physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkt, Siedepunkt, Dichte, Absorptionsspektren, etc.), mit einer Ausnahme: ihr Reaktion auf polarisiertes Licht.

8.2  Optische  Aktivität  

Wenn linear polarisiertes Licht eine Probe mit einem Enantiomer passiert, wird die Polarisationsebene des einfallenden Strahles um einen bestimmten Winkel α gedreht. Wenn dasselbe Experiment mit dem Spiegelbild des ersten Enantiomers durchgeführt wird, wird die Polarisationsebene des polarisierten Lichtes um den genau gleichen Winkel in die entgegengesetzte Richtung gedreht.

Rechtsdrehendes Enantiomer (d- oder (+)): induziert eine Drehung der Polarisationsebene nach rechts.

Linksdrehendes Enantiomer (l- oder (-)): induziert eine Drehung der Polarisationsebene nach links.

(Nicht verwechseln: von d- und l-(Drehung der Ebene des linear polarisierten Lichts) mit D- und L-(Nomenklatur der Zucker und Aminosäuren)!!!)

Die Enantiomere werden häufig als optische Isomere bezeichnet und das Phänomen entspricht dem der optischen Aktivität. Chemisch sind sie völlig identisch, außer der Reaktion mit weiteren chiralen Verbindung. Im Bereich des Lebens und der biochemischen Reaktionen besitzt die Chiralität eine sehr große Bedeutung. Ein Enantiomer einer Verbindung (z.B. ein Medikament) kann positiv auf ein Organ wirken, wo hingegen das andere Enantiomer schädlich ist. Zum Beispiel das S-Thalidomid: teratogen; R-Thalidomid: Beruhigungsmittel).

Messung des Drehwinkels:

Gewöhnliches Licht kann als elektromagnetische Strahlung, zusammengesetzt aus den oszillierenden Vektoren eines elektrischen und magnetischen Feldes, angesehen werden. Sie sind rechtwinklig und senkrecht zur Richtung des Lichtstrahls ausgerichtet, und können in Richtung des Lichtstrahls jede Orientierung einnehmen.

Beim linear polarisierten Licht ist der Vektor des elektrischen Feldes in einer Ebene ausgerichtet. Normales Licht kann linear polarisiert werden, wenn es durch ein Nicol-Prisma geleitet wird. Dabei kann nur eine der vielen Lichtebenen das Prisma verlassen. Der Lichtstrahl wird so linear polarisiert.

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Wenn Licht durch ein Molekül wandert, werden die Elektronen durch das elektrische Feld des Lichtstrahls beeinflusst (und umgekehrt). Wenn das Licht linear polarisiert ist, kann der elektrische Vektor abhängig von der Art der Probe abgelenkt werden. Die daraus resultierende Rotation kann als makroskopische Eigenschaft beobachtet werden, d. h. es ist die Summe der zahlreichen molekularen Beiträge. Dieser Effekt wird optische Drehung genannt und die Verbindung, die diese Drehung verursacht, wird als optisch aktiv bezeichnet.

Enthält eine Probe nur achirale Moleküle, bleibt in der Summe die Orientierung des Vektors unverändert und die Verbindung ist optisch inaktiv. Aus der Symmetrielehre folgt, dass solche optisch inaktive Moleküle eine Spiegelebene oder ein Symmetriezentrum besitzen.

Optische Rotationen werden, wie bereits erwähnt, mit einem Polarimeter gemessen. Die Lichtquelle ist oft eine Natriumlampe, welche die Natrium D-Linie (Λ = 589 nm) als monochromatisches Licht benutzt. Das Licht wird zunächst mit Hilfe eines Nicol-Prismas linear polarisiert. Es durchquert die Zelle, die die Probe enthält. Die Drehung der Ebene wird durch ein weiteres Nicol-Prisma (Analysator-Prisma) gemessen. In der Praxis wird dies durch eine einfache Drehung des Prismas erreicht, so dass der Lichtstrahl in Richtung des Betrachter-Auges eine maximale Lichtintensität erreicht. Ein Gesamtüberblick darüber ist in der unteren Abbildung gegeben.

Abbildung: Aufbauprinzip eines Polarimeters

Die beobachtete Drehdifferenz (in °) wird als optische Drehung α der Probe bezeichnet. Ihr Wert hängt von der Konzentration (c [g/ml]), der Struktur des optisch aktiven Moleküls, der Länge der Zelle ([dm]; oft entspricht es dem Wert von 1 (d. h. 10 cm Schichtdicke), der Wellenlänge λ des Lichts, dem Lösungsmittel sowie der Temperatur T [°C]. Um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, definiert man einen Standardwert von α, nämlich die sogenannte spezifische Drehung [α], einer chiralen Verbindung. Diese spezifische Drehung, die abhängig von der Art des Lösungsmittels ist, ist wie folgt definiert:

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Diese spezifische Drehung ist eine Stoffkonstante, wie der Schmelzpunkt, Siedepunkt oder die Dichte.

Die optische Reinheit einer Verbindung, welche in Bezug auf ihre Enatiomerenzusammensetzung nicht rein ist (d. h. die nicht 100% eines der beiden Enantiomere enthält) kann wie folgt berechnet werden:

Kinetik einer Racemisierungsreaktion:

Bei einer Racemisierungsreaktion geht das eine Enantiomer in das andere Enantiomer mit einer gewissen Reaktionsgeschwindigkeit über.

Im später folgenden Experiment wird dieses anhand der beiden unten abgebildeten Nickelkomplex-Enantiomere verfolgt.

Es handelt sich um eine Reaktion erster Ordnung. Die Geschwindigkeit der Reaktion hängt nur von der Konzentration eines Reaktanden ab. Es gilt das Geschwindigkeitsgesetz:

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Nach der Integration ergibt sich:

Wird ein Diagramm des ln(c) als Funktion der Zeit gezeichnet, kann aus diesem die Geschwindigkeitskonstante k (Steigung) bei einer gegebenen Temperatur bestimmt werden. Die Konzentration wird durch die Messung der spezifischen Drehung [α] der Lösung berechnet.

Die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante bei verschiedenen Temperaturen erlaubt es, die Aktivierungsenergie und den präexponentiellen Faktor der Reaktion über die Arrhenius-Gleichung zu bestimmen. Diese beiden Faktoren sind wichtige Parameter, die die Racemisierungsreaktionen charakterisieren. Bei einer hohen Aktivierungsenergie verläuft die Reaktion langsam, bei einer kleinen Aktivierungsenergie ist die Reaktion sehr schnell.

oder

Mit : Ea : Aktivationsenergie

k : Geschwindigkeitskonstante

T : Temperatur [K]

A : präexponentieller Faktor

R : ideale Gaskonstante [8,314 J/mol·K]

Experiment 24: Optische Aktivität einer Kalium-Antimonyltartrat-Lösung

In diesem Versuch soll die optische Aktivität einer Kaliumantimonyltartrat Lösung bestimmt werden.

Kaliumantimonyltartrat wird auch Brechweinstein genannt, K2Sb2(d-C4H2O6)2. Der Antimonkomplex der deprotonierten D-Weinsäure (des D-Tartrats) ist eines von zwei Enantiomeren.

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Versuchsdurchführung:

In einem 100 mL Erlenmeyer werden 0,32 g K2Sb2(D-C4H2O6)2 in 50 mL Wasser gelöst. Falls sich nicht alles Antimonyltartrat löst, wird leicht erhitzt bis sich der Bodenkörper gelöst hat und dann wieder auf Raumtemperatur abgekühlt. Die Lösung wird vorsichtig in das Messrohr gefüllt. Mit dem Polarimeter (Bedienungsanleitung liegt bei) wird anschliessend die optische Aktivität dieser Lösung gemessen. Nach dem Versuch wird die Lösung zurückgefüllt und für das nächste Experiment aufbewahrt.

Experiment 25: Kinetik einer Racemisierungsreaktion

Bestimmung der Racemisierungskinetik des Komplexes [Ni(phen)3]2+ durch Messung der optischen Aktivität

K2Sb2(d-C4H2O6)2 bildet mit Δ-[Ni(phen)3]2+ einen schwerlöslichen Niederschlag von Δ-[Ni(phen)3]-Sb2(d-C4H2O6)2. Dieser kann durch Filtration entfernt werden und man bekommt eine optisch aktive Lösung, die Λ-[Ni(phen)3]2+ im Überschuss enthält. Die Racemisierung (Λ Δ) dieses Ni2+-Komplexes läuft mit Geschwindigkeit ab, welche die Messung einer Kinetik ermöglicht. Die Abnahme des Überschusses an Λ-[Ni(phen)3]2+ kann leicht über die Abnahme der optischen Aktivität der Lösung verfolgt werden. Im Gleichgewichtszustand muss die Lösung wieder gleichviel Λ-[Ni(phen)3]2+ wie Δ-[Ni(phen)3]2+ enthalten; sie zeigt dort keine optische Aktivität mehr.

Trägt man ln(Λ-[Ni(phen)3]2+) gegen die Zeit auf, erhält man eine Gerade. Dies führt zu der Annahme, dass es sich bei der Racemisierung um eine Reaktion 1. Ordnung

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handelt. Aus der Messung der Reaktionsgeschwindigkeit bei verschiedenen Temperaturen kann die Aktivierungsenergie und den Stosszahlfaktor dieser Reaktion bestimmt werden (siehe Theorie).

Versuchsdurchführung:

In einem 100 mL Erlenmeyer werden 0,24 g Nickelchlorid NiCl2 • 6 H2O in 30 ml Wasser gelöst. Man gibt 0,6 g Phenanthrolin (giftig) zu dieser Lösung und erwärmt leicht bis alles gelöst ist. Die purpurne Lösung von [Ni(phen)3]Cl2 wird mit kaltem Wasser auf Raumtemperatur abgekühlt. Langsam wird unter ständigem Rühren die in Experiment 1 zubereitete K2Sb2(d-C4H2O6)2-Lösung zugegeben. Anschliessend wird 5 min gewartet, bevor die Lösung auf 5 °C abkühlt wird. Den Niederschlag von Δ-[Ni(phen)3]-Sb2(D-C4H2O6)2 wird nach etwa 10 min abgenutscht und fachgerecht entsorgt. Die verbleibende Lösung ist optisch aktiv und enthält jetzt nur noch Λ-[Ni(phen)3]Cl2.

Die optisch aktive Lösung wird nacheinander auf drei Messküvetten verteilt, die anschliessend je in ein Bad (mit Thermostat) von 30 °C, resp. 45 °C und 60 °C gehängt werden. Nach ca. 5 Min. wird mit den Messungen begonnen. Dazu werden die Küvetten aus dem Thermostatbad genommen, mit einem Papiertuch sauber abtrocknet und dann ins Polarimeter legt. Die optische Aktivität der 30 °C warmen Lösung wird alle 20 Minuten, die der 45 °C warmen Lösung alle 10 Minuten und die der 60 °C warmen Lösung alle 3 Minuten gemessen. Nach jeder Messung werden die Küvetten sofort ins Thermostatbad zurückgegeben. Den Zeitpunkt der ersten Messung jeder Lösung bezeichnet man für die Berechnungen mit t = 0 min.

Mit dem Umrechnungsfaktor 1 ° = 0,465•10-3 M berechnet man für jede Messung die Λ-[Ni(phen)3]2+-Konzentration.

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Datenblatt

1. Drehung der d-K2Sb2(d-C4H2O6)2-Lösung ist .............Grad

2. Probe 1: T = 60 °C

Zeit (min) Rot. (Grad) Λ-[Ni(phen)3]2+ ln (Λ-[Ni(phen)3]2+)

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Steigung =

k60° = (-(Steigung)) =

ln(k60°) =

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3. Probe 2: T = 45 °C

Zeit (min) Rot. (Grad) Λ-[Ni(phen)3]2+ ln (Λ-[Ni(phen)3]2+)

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Steigung =

k45° = (-(Steigung)) =

ln(k45°) =

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4. Probe 3: T = 30 °C

Zeit (min) Rot. (Grad) Λ-[Ni(phen)3]2+ ln (Λ-[Ni(phen)3]2+)

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Steigung =

k30° = (-(Steigung)) =

ln(k30°) =

5. Auswertung der Geraden

Steigung =

EA = (J/mol)

ln A =

A =