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Praktikum Materialwissenschaft I - Strukturforschung - ontgendiffraktometrie mit der Debye-Scherrer-Kamera Betreuer: Andr´ e Weidner Raum 205 Tel.: 06151-16 2697 Jean-Christophe Jaud Raum 212 Tel.: 06151-16 4398 email: [email protected] [email protected]

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Praktikum Materialwissenschaft I

- Strukturforschung -Rontgendiffraktometrie mit der Debye-Scherrer-Kamera

Betreuer: Andre Weidner Raum 205 Tel.: 06151-16 2697Jean-Christophe Jaud Raum 212 Tel.: 06151-16 4398

email: [email protected]@tu-darmstadt.de

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Lernziel:Zusammenhang zwischen Kristallstruktur und Rontgenbeugung als Methode zur Strukturaufklarung.

Aufgabenstellung:Ein Metallpulver soll in der Debye-Scherrer-Kamera durch Rontgenbeugung untersucht werden. Dabei sind Zentrierung

und Gitterkonstante des Metalls zu bestimmen.

Stichworte zur Vorbereitung:Kristallgitter, Gitterparameter, Kristallstrukturen, Zentrierungen, Netzebenen, Miller’sche Indices, Beugungsphano-

mene, Bragg’sche Gleichung, Rontgenstrahlung (Erzeugung, Quellen), Debye-Scherrer-Kamera, Debye-Scherrer-Ringe,

Ausloschungsregeln

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1 Theoretische Grundlagen

1.1 Kristalle

Kristalline Festkorper sind in regelmaßiger Weise aus Atomen aufgebaut. Die Orte der Atome (die sogenannten

Gitterpositionen) wiederholen sich periodisch in festen Abstanden, weshalb man auch von einem Raumgitter spricht.

Man kann sich ein solches Raumgitter aus gleichartigen Baueinheiten zusammengesetzt denken, die in alle drei Raum-

richtungen periodisch aneinandergefugt sind. Diese kleinste Baueinheit bezeichnet man als Elementarzelle.

Die einfachste denkbare Elementarzelle ist das kubisch primitive Gitter (cp, cubic primitive, oder kp, kubisch primitiv).

Darin besetzen die Atome die Ecken (und nur die Ecken) eines Wurfels. Die Kantenlange dieses Wurfels bezeichnet

man als Gitterkonstante a.

Neben dem einfachen Wurfel als Grundbaustein des Gitters konnen noch sechs weitere Polyeder als Elementarzelle

fungieren. Diese Polyeder sind jeweils durch drei Gitterkonstanten a1, a2 und a3 (beim Wurfel also a1 = a2 = a3)

entlang der drei Raumrichtungen eines gedachten Koordinatensystems sowie durch drei Winkel α, β und γ, die von

jeweils zwei Achsen eingeschlossen werden (beim Wurfel also α= β = γ= 90◦), charakterisiert. Diese insgesamt sieben

kristallographisch moglichen Zellgeometrien bezeichnet man als Kristallsysteme.

Außer an den Ecken der Elementarzelle konnen weitere Atome die Flachenmitten oder das Zentrum der Elementarzelle

besetzen. Beim innenzentrierten Gitter befindet sich zusatzlich zu den Atomen auf den Ecken ein weiteres Atom im

Mittelpunkt der Zelle, wobei beim flachenzentrierten Gitter in der Mitte jeder der Seitenflachen ein Atom positioniert

ist (basiszentriert - je ein Atom in den 2 Basisflachen). Daraus entstehen dann insgesamt 14 verschiedene sogenannte

Bravais-Gitter, die in Abb. 1.1 abgebildet sind.

Auf das kubische Kristallsystem beschrankt gibt es damit außer dem primitiven Gitter noch das kubisch innenzentrierte

Gitter (bcc, body centered cubic, oder krz, kubisch raumzentriert), sowie das kubisch flachenzentrierte Gitter (fcc, face

centered cubic, oder kfz, kubisch flachenzentriert), das auch als kubisch dichtestes Gitter (ccp, cubic closed package)

bezeichnet wird, da es von allen kubischen Gittern die hochste Packungsdichte1 aufweist.

1 Die Packungsdichte bezeichnet das Verhaltnis des von den N Atomen der Elementarzelle belegten Volumens N · V0 zum

Gesamtvolumen VEZ der Elementarzelle, wobei V0 das Volumen eines einzelnen Atoms ist.

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Abbildung 1.1: Die 14 Translations- bzw. Bravais-Gitter, die durch unterschiedliche Zentrierungen (P (primitiv), C (basis-

zentriert), I (innenzentriert), F (flachenzentiert)) der 7 Kristallsysteme zustande kommen (aus [7]).

1.2 Netzebenen

Durch die Positionen der Atome im Kristall werden verschiedene Ebenen (zur Erinnerung: Eine Ebene ist durch drei

Punkte im Raum eindeutig definiert) im Kristall festgelegt. Diese gedachten Ebenen werden als Netzebenen bezeichnet.

Da ein Kristall durch eine dreidimensional periodische Anordnung von Atomen aufgebaut ist, gilt auch, daß eine

bestimmte Ebene ebenfalls in periodischer Weise im Kristall zu finden ist. Man spricht daher auch von einer Net-

zebenenschar, in der jeweils benachbarte Ebenen der gleichen Schar immer auch den gleichen Netzebenenabstand dhaben.

Um eine Netzebene eindeutig zu bezeichnen, werden die sogenannten Miller’schen Indices (hkl) verwendet. Die Mil-

ler’schen Indices sind das kleinste ganzzahlige Vielfache der reziproken Achsenabschnitte der Netzebenen auf den drei

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Abbildung 1.2: Beschreibungsgroßen fur die 7 Kristallsysteme; beim monoklinen System werden zwei Aufstellungsvarianten

verwendet

Achsen des durch die Elementarzelle aufgespannten Koordinatensystems (hier also der Wurfelkanten). Die Achsenab-

schnitte werden dabei relativ zu den Kristallachsen (Gitterkonstanten) betrachtet. Abb. 1.3 zeigt verschiedene solcher

Netzebenen.

Abbildung 1.3: Beispiele fur Netzebenen (die Papierebene ist die x-z-Ebene)

Die Miller’schen Indices der einzelnen in Abb. 1.3 gezeigten Netzebenen errechnen sich aus den relativen Achsenab-

schnitten m= x/a, n= y/b und p = z/c, die auch als Weiß’sche Indices bezeichnet werden, wie folgt (nachvollziehen!):

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m n p (hkl)

(a) 1 1 1 =⇒ (111)

(b) 1 ∞ ∞ =⇒ (100)

(c) 1 ∞ 1 =⇒ (101)

(d) 1 ∞ 2 =⇒ (201)

Da das Zahlentripel (hkl) eine ganz bestimmte Netzebenenschar definiert, wird der Netzebenenabstand einer solchen

Schar in der Regel auch mit dhkl bezeichnet. Der Netzebenenabstand kann aus den Gitterkonstanten berechnet werden.

Im Praktikumsversuch ist nur das kubische System von Interesse, also der Zusammenhang zwischen dhkl und dem hier

einzigen Gitterparameter a.

Wie sich leicht anhand von geometrischen Uberlegungen zeigen laßt (zur genauen Ableitung sei auf Lehrbucher der

Kristallographie verwiesen), gilt fur das kubische Kristallsystem:

dhkl =a

p

h2 + k2 + l2(1.1)

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2 Beugung

Trifft Rontgenstrahlung auf einen Kristall, so kann die Rontgenstrahlung an den Netzebenen des Kristalls gebeugt

werden. In einem einfachen Bild kann man sich vorstellen, daß die Rontgenstrahlen quasi an den Netzebenen”reflek-

tiert“ werden. Daher spricht man auch davon, daß diese quasi”reflektierte“ Strahlung einen Reflex erzeugt, der mit

einem Film oder einem elektronischen Detektor registriert werden kann. Die Gesamtheit der Reflexe erzeugt dann das

Beugungsbild der Probe, das man auch als Diffraktogramm bezeichnet.

Die Ableitung der Beugungsbeziehung fuhrt auf die grundlegende Bragg’sche Gleichung (vgl. Abb. 2.1):

Abbildung 2.1: Beugungsschema zur Ableitung der Bragg’schen Gleichung

Zwei parallele Rontgenstrahlen der Wellenlange λ treffen in den Punkten A und B auf zwei Netzebenen und werden

dort quasi”reflektiert“ (also θein = θaus). Der Winkel θ (Theta) wird als Beugungswinkel bezeichnet.

Der im Punkt B auftreffende zweite Strahl legt dabei jedoch gegenuber dem ersten Strahl eine großere Weglange

zuruck – der Gangunterschied ∆L betragt gerade CB+BD= 2CB. Es folgt damit:

sinθ =CB

AB=

CB

dhkl

und daraus

∆L = 2 dhkl sinθ

Man beobachtet genau dann eine konstruktive Interferenz der beiden gebeugten Strahlen, wenn der Gangunterschied

gerade ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlange ist, also ∆L = nλ. Unter Berucksichtigung dieser Beugungsbedin-

gung resultiert die wichtige Bragg’sche Gleichung:

nλ= 2 dhkl sinθ (2.1)

Die Bragg’sche Gleichung stellt einen Zusammenhang her zwischen dem Beugungswinkel θ (also der Meßgroße) und

dem Netzebenenabstand dhkl (also einer Materialeigenschaft der Probe). Die Wellenlange λ ist durch das Experiment

vorgegeben. n wird als Beugungsordnung bezeichnet und kann fur das vorliegende Experiment n= 1 gesetzt werden.

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2.1 Ausloschungsregeln

Nicht alle Netzebenenscharen (hkl) eines bestimmten Raumgitters fuhren jedoch tatsachlich zur Beugung, bestimmte

Kombinationen von h, k und l bewirken eine destruktive Interferenz. Die genaue Ableitung dieser Ausloschungsregeln

ist kompliziert und soll hier nicht von Bedeutung sein – fur Interessierte sei auf die weiterfuhrende Literatur verwiesen.

Fur das kubische System gilt:

• kubisch primitiv: Alle Reflexe sind erlaubt.

• kubisch raumzentriert: Nur Reflexe sind erlaubt, bei denen h+ k+ l gerade ist.

• kubisch flachenzentriert: Nur Reflexe sind erlaubt, bei denen h, k und l entweder alle gerade oder alle ungerade

sind.

Die Ausloschungsregeln ermoglichen eine Entscheidung uber die Zentrierung der Elementarzelle.

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3 Versuchsaufbau und Durchfuhrung

Peter Debye (Abb. 3.1) entwickelte 1916 in Gottingen zusammen mit dem Schweizer Paul Scherrer das nach beiden

benannte Verfahren zur Bestimmung der Struktur von Kristallen durch Rontgenbeugung am Pulver. 1936 erhielt

er den Nobelpreis fur Chemie”in Anerkennung seines Beitrags zur Kenntnis der Molekularstruktur, dank seinen

Forschungsarbeiten uber die Dipolmomente, die Rontgendiffraktion und die Spektroskopie von Gasen“.

Abbildung 3.1: Peter Joseph Wilhelm Debye

3.1 Rontgenstrahlung

Rontgenstrahlung wird im Laborexperiment mittels einer Rontgenrohre erzeugt. Dabei werden Elektronen uber eine

Potentialdifferenz von circa 40 kV auf eine metallische Anode (im Praktikumsexperiment aus Kupfer) beschleunigt,

wodurch beim Auftreffen Rontgenstrahlung entsteht (man informiere sich in gangigen Lehrbuchern der Physik uber

die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse!).

Die Energie der Rontgenstrahlung liegt im Bereich einiger keV (1 eV = 1, 6022 · 10−19 J), entsprechend einer Wellen-

lange in der Großenordnung eines Angstrom (1 A = 0,1nm = 1 · 10−10 m – das Angstrom ist aufgrund der gunstigen

Zahlenwerte eine haufig verwendete (Nicht-SI)-Einheit in der Kristallographie).

Das von der Rontgenrohre emittierte Spektrum ist fur das Beispiel einer Molybdan-Anode in Abb. 3.2 gezeigt.

Man erkennt am Spektrum die Uberlagerung der kontinuierlichen Bremsstrahlung mit der diskreten charakteristischen

Strahlung, deren einzelne Peaks je nach zugrundeliegendem elektronischen Ubergang mit Kα1, Kα2, Kβ etc. bezeichnet

werden.

Von Relevanz fur Beugungsexperimente ist jedoch nur monochromatische Rontgenstrahlung (warum?). Um daher aus

dem gesamten Spektrum eine (im Idealfall) einzige Wellenlange zu isolieren, werden sogenannte Monochromatoren

oder Filter eingesetzt. Im Praktikumsexperiment wird ein Filter benutzt, der die Kβ-Strahlung effektiv abschirmt,

allerdings nicht wie ein Monochromator zwischen der energetisch sehr dicht beieinander liegenden Kα1 und Kα2-

Strahlung auftrennen kann. Zur Auswertung wird daher eine gewichtet gemittelte Wellenlange λ eingesetzt (siehe

Kapitel 4).

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Abbildung 3.2: Rontgenspektrum einer Molybdan-Rohre, ∆U = 35 kV (aus [2])

3.2 Meßprinzip und Aufbau

Das Prinzip der Messung ist in Abb. 3.3 gezeigt. Das Probenpulver befindet sich in einer feinen Glaskapillare (warum

stort das Glas nicht die Messung, obwohl es doch ebenso wie die Probe auch von der Rontgenstrahlung getroffen

wird?) genau im Zentrum einer zylindrischen Kamera, an deren Innenwand eine Speicherfolie (oder Image Plate) als

Streifen anliegt.

Abbildung 3.3: Schema des Debye-Scherrer-Verfahrens (aus [2])

Der monochromatische Rontgenstrahl wird an einem Punkt in die Kamera eingelassen, trifft auf die Probe und wird

dort unter den gemaß der Bragg’schen Gleichung gegebenen Winkeln θ gebeugt. Die gebeugten Strahlen liegen, wie

in Abb. 3.4 gezeigt, auf einem Beugungskegel mit dem Offnungswinkel 4θ .

Abbildung 3.4: Entstehung der Beugungskegel in der Debye-Scherrer-Kamera (Ro: eintretender Rontgenstrahl; F: Filter; B:

Blendensystem; P: Probe; D: Beugungskegel im Durchstrahlbereich; R: Beugungskegel im Ruckstrahlbereich)

(aus [2])

Den genaueren Aufbau der Kamera zeigt Abb. 3.5. Die Rontgenstrahlen treten durch ein Blendensystem (E) in

die Kamera ein und treffen dort auf die Probe (P). Die in einer Glaskapillare befindliche Probe wird im Zentrum

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des Zylinders mit einem Motor (M) rotiert, um eine moglichst gute Mittelung uber alle denkbaren Netzebenen in

Unabhangigkeit von der Orientierung eines einzelnen Kristalls in der Kapillare zu erreichen. Die gebeugten Strahlen

werden auf dem an der Kamerawandung angelegten Image Plate (I) aufgenommen. Der die Probe durchdringende

Primarstrahl kann mit einer Austrittsblende (A) auf einem Leuchtschirm (L) projiziert werden, was eine Justage

der Probe in der Kamera ermoglicht. Um eine Gefahrdung durch die Rontgenstrahlung ausschließen zu konnen, ist

die Kamera mit einem strahlensicheren Deckel (D) verschlossen. Eine Fotografie einer Debye-Scherrer-Kamera zeigt

Abb. 3.6.

Abbildung 3.5: Schemazeichnung einer Debye-Scherrer-Kamera (E: Eintrittsblende; I: Image Plate; P: Probe; A: Austritts-

blende; L: Leuchtschirm; D: Deckel; M: Motor) (aus [2])

Abbildung 3.6: Debye-Scherrer-Kamera (aus [2])

Der Kamera-Radius ist mit R = 28.65mm so gewahlt, daß der Umfang genau 180mm betragt, was eine einfache

Umrechung der aus dem entwickelten Film abgemessenen Abstande S der Beugungsringe in die zugehorigen Winkel

θ erlaubt (siehe Kap. 4).

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3.3 Rontgenfilm

Ein Beispiel fur das Resultat einer Debye-Scherrer-Aufnahme zeigt das in Abb. 3.7 dargestellte Negativ eines Ront-

genfilms nach der Beugung. Man erkennt deutlich Strahleintritt und Strahlaustritt sowie die durch die Beugungskegel

entstehenden jeweils paarweise zusammengehorenden Beugungsringe, die ihren konzentrischen Mittelpunkt im Zen-

trum von Strahlein- bzw. -austritt haben. Durch den Abstand von Strahleintritt und Strahlaustritt (entsprechend

dem halben Filmumfang U/2= πR) ist auch nochmals der genaue Film- bzw. Kameraradius gegeben.

Abbildung 3.7: Negativ einer Debye-Scherrer-Aufnahme

Das Experiment selbst wird unter Anleitung des zustandigen Assistenten durchgefuhrt.

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4 Auswertung

Nach der Belichtung der Image Plate mussen die Beugungsringe ausgemessen werden. Dazu wird das Image Plate in

einem Scanner digital ausgelesen und der Abstand S zweier zusammengehorender Debye-Scherrer-Ringe kann nun am

Computer mit hilfe eines beliebigen Bildbearbeitungsprogramms (z.B. Gimp) ausgemessen werden.

Da man den Kameraradius R = 28.65mm kennt (Uberprufung durch den Abstand von Strahleintritt und Strahl-

austritt!) und der Offnungswinkel der Beugungskegel wie in Kap. 3 gezeigt 4θ betragt, gilt in einem einfachen

DreisatzS

2πR=

360◦(4.1)

Damit konnen die Abstande S in die Winkel θ umgerechnet werden.

Die Bragg’sche Gleichung (Gl. 2.1) stellt einen Zusammenhang her zwischen dem Beugungswinkel θ und dem Netze-

benenabstand dhkl . Von Bedeutung ist aber nicht der Netzebenenabstand, sondern die Gitterkonstante a. Setzt man

daher Gl. 1.1 in die Bragg’sche Gleichung ein, so erhalt man die quadratische Form der Bragg’schen Gleichung:

sin2 θ =λ2

4 a2 (h2 + k2 + l2) (4.2)

Anhand der Reflexabfolge kann nun die Zentrierung der Elementarzelle und damit auch Werte von h, k und l fur

jeden Reflex bestimmt werden. Hierzu erstellt man zunachst eine Tabelle, in der gemaß den Ausloschungsregeln die

Abfolge erlaubter bzw. ausgeloschter Reflexe fur die einzelnen Zentrierungen aufgetragen ist:

Nr. (hkl) h2 + k2 + l2 cp bcc fcc

1 (100) 1 3 7 7

2 (110) 2 3 3 7

3 . . .

Wie aus der (entsprechend bis mindestens zum 8. Reflex erganzten!) Tabelle ersichtlich ist, fuhren die unterschiedlichen

Ausloschungsregeln fur die drei Zentrierungen (primitiv, innenzentriert und flachenzentriert) zu charakteristischen

Abfolgen der Reflexe im Beugungsbild. Daraus ist dann der Ruckschluß auf die Zentrierung, und damit auch auf die

Werte von (hkl) fur jeden Reflex moglich.

Zur Bestimmung der Gitterkonstante a wird am besten eine weitere Tabelle angelegt:

Nr. (hkl) h2 + k2 + l2 S / mm θ / Grad sin2 θ dhkl / A a / A

1 . . .

2 . . .

. . .

Um dhkl und a berechnen zu konnen, wird eine gewichtet gemittelte Wellenlange von λ = 1.54178 A benutzt, da im

Experiment die Kα1- und Kα2-Linien der charakteristischen Rontgenstrahlung nicht voneinander getrennt werden

konnen.

Durch Mittelwertbildung ergibt sich schließlich ein finaler Wert fur a.

4.1 Fehlerrechnung

Im Rahmen der Auswertung ist auch der relative Fehler ∆a/a der Gitterkonstante a zu berechnen. Hierzu wird

als einzige fehlerbehaftete Große der Ablesefehler ∆S des Abstands S der Debye-Scherrer-Ringe in der Aufnahme

angenommen. (Welche Fehler gibt es noch? Sind diese großer oder kleiner als der Ablesefehler?)

Bekanntlich gilt damit fur den relativen Fehler:

∆a

a=

1

a

∂ a

∂ S

��

∆S (4.3)

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Drucken Sie zunachst a in Abhangigkeit von S aus – hierzu ist Gleichung 4.2 entsprechend nach a umzustellen und der

Winkel θ als Funktion von S aus Gleichung 4.1 einzusetzen (zur Vereinfachung sollten die Winkel hierbei durchweg

in rad umgerechnet werden).

Setzen Sie die erhaltene Gleichung a = a(S) nun in Gleichung 4.3 ein. Nach Differentiation und vereinfachender

Umformung ergibt sich fur ∆a/a ein Ausdruck, der nur noch von S, ∆S und dem Kamera-Radius R abhangt. Der

Kamera-Radius ist mit R= 28.65mm gegeben, und den Abstand S bestimmen Sie fur jeden Reflex an der von Ihnen

gemessenen Filmaufnahme. Machen Sie daruberhinaus eine sinnvolle Annahme fur die Abweichung ∆S.

4.2 Aufgaben

Erstellen Sie zu dem Versuch mit Ihrer Gruppe ein kurzes gemeinsames Protokoll. Bitte vermerken Sie auf der Titel-

seite neben der Gruppennummer auch samtliche Namen, Matrikelnummern und eMail-Adressen Ihrer Gruppe.

Das Protokoll sollte neben einer kurzen Einleitung, in der nochmals die Aufgabenstellung des Versuchs knapp umris-

sen wird, vor allem eine detaillierte Beschreibung des Experimentes und der vollstandigen Auswertung umfassen. Ein

ausfuhrlicher Theorie-Teil wird nicht verlangt. (Jedoch kann ein kurzer Theorieteil - sofern selbst geschrieben - das

Verstandnis fur den Versuch vertiefen und kann freiwillig in das Protokoll aufgenommen werden.)

Anhand der Auswertung soll eindeutig nachvollziehbar sein, wie welche Resultate gewonnen wurden. Moglicherweise

vergleichend herangezogene Literatur ist zu zitieren. Formeln und Gesetzmaßigkeiten, die im vorliegenden Script ange-

geben sind, konnen zur Auswertung ohne weitere Herleitung ubernommen werden. Jedoch wird bei der Fehlerrechnung

Wert auf eine transparente Ableitung der verwendeten Gleichungen etc. gelegt.

4.3 Die Aufgaben im Einzelnen:

1. Berechnen Sie die Packungsdichte (Raumerfullung) des kubisch primitiven, kubisch raumzentrierten und kubisch

flachenzentrierten Gitters unter der Annahme, daß die Atome gleichartige, harte, aneinanderstoßende Kugeln

sind.

2. Bestimmen Sie aus dem Beugungsbild der Probe die Zentrierung des Metalls.

3. Wie groß ist die Gitterkonstante a des Materials? Hinsichtlich einer Fehlerrechnung vgl. Kapitel 4.1.

4. Um welches metallische Element konnte es sich handeln (Vergleich mit Literaturwerten)?

5. Berechnen Sie den Atomradius r und die Dichte ρ des Elementes.

Weiterfuhrende Literatur

[1] W. Borchardt-Ott: Kristallographie. Eine Einfuhrung fur Naturwissenschaftler. Springer-Verlag, 3. Auflage,

Berlin 1993

[2] H. Krischner, B. Koppelhuber-Bitschnau: Rontgenstrukturanalyse und Rietveldmethode. Eine Einfuhrung.

Vieweg-Verlag, 5. Auflage, Braunschweig 1994

[3] D. Schwarzenbach: Kristallographie. Springer-Verlag, 1. Auflage, Berlin 2001

[4] W. Massa: Kristallstrukturbestimmung. Teubner-Verlag, 2. Auflage, Stuttgart 1996

[5] C. Giacovazzo (Hrsg.), H. L. Monaco, D. Viterbo, F. Scordari, G. Gilli, G. Zanotti, M. Catti: Fundamentals of

Crystallography. International Union of Crystallography / Oxford University Press, 1. Auflage, New York 1992

[6] H. Neff: Grundlagen und Anwendungen der Rontgenfeinstrukturanalyse. Oldenbourg-Verlag, 1. Auflage, Mun-

chen 1962

[7] L. Spieß, G. Teichert, R. Schwarzer, H. Behnken, C. Genzel: Moderne Rontgenbeugung. Vieweg+Teubner, 2.

Auflage, Wiesbaden 2009

[8] Allgemeine Informationen zur Kristallographie findet man auf der Homepage der International Union of Cry-

stallography, http://www.iucr.org/

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