Praxiserwerb und -nachfolge€¦ · Slogan „BeraterRat Kanzleiführung“ zu eigenverantwortlich,...

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    Schleswig-Holstein

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    Saarland

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    Baden-Württemberg

    bei steuerberatenden Berufen

    Praxiserwerb und -nachfolge

    StBdirekt-Nr. 13016

  • Impressum

    Verantwortlich für den Inhalt:

    Deutscher Steuerberaterverband e.V.

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    10179 Berlin

    Telefon: 030 27876-2

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    Stand: 15.05.2016

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  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

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    PRAXISERWERB UND -NACHFOLGEbei steuerberatenden Berufen

    Autor:

    Dipl.-Kfm. Wirt.-Ing. Wolfgang Wehmeier

    Geschäftsführer Verband der Freien Berufe Berlin e.V.

    ÜBER DEN DEUTSCHEN STEUERBERATERVERBAND e.V.Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) repräsentiert bundesweit rund 36.500 und damit über 60 % der

    selbstständig in eigener Kanzlei tätigen Berufsangehörigen. Er vertritt ihre Interessen im Berufsrecht, im Steuer-

    recht, der Rechnungslegung und dem Prüfungswesen. Die Berufsangehörigen sind als Steuerberater, Steuerbe-

    vollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Berufsgesellschaften, in den uns angehörenden 16

    regionalen Mitgliedsverbänden freiwillig zusammengeschlossen.

  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

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    VORWORT

    Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

    die Gründung einer eigenen Praxis nach dem Steuerberater-Examen ist sicher eine genauso wichtige und

    bedeutsame Entscheidung im Leben eines Berufsangehörigen wie die Beendigung der Berufstätigkeit mit dem

    Verkauf der Praxis. Viele der damit verbundenen Fragen gehören zum Fachwissen eines Beraters, so z.B. die

    steuerlichen Folgen der Veräußerung gemäß den §§ 16, 34 EStG oder die Abschreibung des Praxiswertes.

    Trotzdem verbleibt eine Reihe von Problemen, bei denen häufig keine eigenen Erfahrungen vorliegen, weil der

    Berater mit dieser Thematik im Regelfall nur einmal im Leben konfrontiert wird.

    Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) und seine Mitgliedsverbände wollen deshalb mit der vorliegenden

    Schrift eine erste Orientierung geben, wie beim Kauf oder Verkauf einer Steuerberaterpraxis vorgegangen

    werden kann. Das Schwergewicht der Darstellung liegt auf der Vermeidung von Fallstricken und Tücken bei

    der tatsächlichen Durchführung und im rechtlichen Bereich. Diese Einführung erhebt nicht den Anspruch, alle

    denkbaren Sachverhalte abzudecken, hier hilft nur der Blick in weiterführende Literatur, oder das individuelle

    Beratungsgespräch.

    Die Hinweise haben deshalb auch keinen verbindlichen Charakter. Sie sollen vielmehr gemäß dem DStV-

    Slogan „BeraterRat Kanzleiführung“ zu eigenverantwortlich, kreativen Lösungen anregen und die notwendigen

    Entscheidungen praktisch unterstützen.

    Unser Dank gilt dem für diese Schrift verantwortlichen Autor, Herrn Dipl.-Kfm. Wirt.-Ing. Wolfgang Wehmeier,

    Geschäftsführer des Verbandes der Freien Berufe Berlin e.V.

    StB/WP Harald Elster Prof. Dr. Axel Pestke

    Präsident Hauptgeschäftsführer

  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

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    INHALTSVERZEICHNIS

    1. Einführung

    2. Der „richtige“ Praxisnachfolger?

    3. Die „richtige“ Praxis?

    4. Kontaktmöglichkeiten für Käufer und Verkäufer

    5. Praxis-Übertragungsanlässe

    6. Der optimale Zeitpunkt für eine Praxisnachfolge?

    7. Erforderliche Verkaufsunterlagen

    8. Vorsicht bei Muster-Vorlagen!

    9. Mitarbeiter – wo bleiben sie?

    10. Praxiswert – wie ermitteln?

    10.1. Bewertung des ideellen Praxiswerts in Verkaufsfällen

    a. Umsatzverfahren

    b. Modifiziertes Ertragswertverfahren (IDW S1 KMU- BStBK)

    10.2. Erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche Bewertungsanlässe

    10.3. Der Praxiswert beim Zugewinnausgleichsanspruch

    11. Kaufpreis – wie setzt er sich zusammen?

    12. Nachträgliche Kaufpreisänderungen?

    13. Kaufpreiszahlung – wie abwickeln?

    14. Achtung Verschwiegenheitspflicht: Zustimmung der Mandanten!

    15. Praktische und vertragliche Fallstricke!

    15.1. Zurückbehaltung von Arbeitsunterlagen

    15.2. Überzogene Wettbewerbsverbote

    15.3. Nicht realisierbare Übernahmebedingungen

    16. Übergangsmodelle zu Nachfolgegestaltungen

    17. Übersicht Ablaufplan Praxisnachfolge

    Anhang: Regionale Ansprechpartner DStV-Mitgliedsverbände

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    PRAXISERWERB UND -NACHFOLGEbei steuerberatenden Berufen

    Auch wenn es schwer fällt, irgendwann muss es sein: Die Übergabe der Praxisschlüssel an den Nachfolger1! Auf was ist dabei vorher zu achten, was könnte wichtig sein, um einen reibungslosen Übergang sicherzustel-len? Nachfolgend werden in Kurzform praxisrelevante Aspekte der Praxisnachfolge bei Verkauf einer Einzel-praxis dargestellt2.

    Die Vielzahl der denkbaren Probleme und Lösungs-ansätze zur Praxisübertragung und der Nachfolgege-

    staltungen erfordern individuelle Beratungen, die nur persönlich möglich sind.

    Die Geschäftsführungen der Mitgliedsverbände sowie z.T. ehrenamtlich tätige Berufsangehörige des Deut-schen Steuerberaterverbandes stehen hierfür einzeln oder kooperativ zur Verfügung. Die regionalen An-sprechpartner sind im Anhang aufgeführt.

    2. DER „RICHTIGE“ PRAXISNACHFOLGER

    1. EINFÜHRUNG

    1 Nachfolgend wird nur aus Abkürzungs- und Vereinfachungsgründen die männliche Form verwendet.2 Auf weiterführende Literatur wird verwiesen. Hierzu und für Gestaltungen mit gesellschaftsrechtlichen Berufsausübungsformen, vgl. z.B. Wehmeier, Praxisübertra-gungen in wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufen, 6. Auflage 2013.

    Gibt es den idealen Praxisnachfolger und wie sähe er aus: Ein fachlich spezialisiertes Allround-Genie, ortsun-abhängig und jederzeit verfügbar, mit unbegrenzter Finanzkraft; ein persönlich-menschliches Vorbild mit überragend sozialer Teamfähigkeit und unbestrittenen Führungsqualitäten gepaart mit zukunftsorientierter Unternehmerkompetenz? Könnte sein, aber die Wahr-scheinlichkeit ihn kennenzulernen?

    Was ist das entscheidende Erfolgskonzept Ihrer Praxis, welche persönlichen Eigenschaften und/oder fach-lichen Fähigkeiten muss der Nachfolger mitbringen? Taxi-EÜR-Berechner, Mittelstandsberater oder global agierender Unternehmer-Coach?Fachlich ist selbstverständlich ein intensives Gespräch notwendig, dass die Anforderungen an den Nachfol-ger verdeutlicht. Maßgeblich sind die Erwartungen der Mandanten nicht des Veräußerers.

    Was sagt Ihr erstes „10-Sekunden-Gefühl“ beim per-sönlichen Kennenlernen. Passt oder passt nicht? Gilt

    das auch für dessen aktuellen Lebensabschnittspart-ner? Patentrezepte zur Auswahl gibt es nicht. Persön-liche Lebenseinstellungen können am einfachsten bei einem gemeinsamen Essen (ggfs. mit Lebenspartner) erkundet werden. Die (überlassene) Wahl des Res-taurants, des Essens und korrespondierender Geträn-ke gibt Anhaltspunkte über Vorlieben und Ansprüche. Die Entscheidung für Fassbrause oder 47’er Chateau PETRUS signalisiert finanzielle Erwartungen oder Ent-nahmeverhalten.

    Familiäre Planungen, Freizeiterwartungen oder beste-hende finanzielle Verpflichtungen sind höchst privater Natur. Es sind aber auch Themen, die zumindest bei Nachfolgegestaltungen bedacht und offen gelegt wer-den sollten. Insbesondere, wenn mehrmonatige/-jäh-rige Übergangszeiträume erforderlich oder gewünscht werden und privat widerstreitende Interessenlagen auf einander prallen könnten, die im Ergebnis eine zufrie-denstellende Übergabe in Frage stellen, oder sogar ver-hindern.

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    Wer kauft Praxen und warum? ` Nach StB-Examen zur Existenzgründung; ` Etablierte Einzelpraxen (5-10 Jahre am Markt) zur

    Umsatzerweiterung; ` Fach-/Anwälte zur Umsatzsteigerung; ` Gesellschaften (ca. 3-5 Gesellschafter) zur regionalen

    Erweiterung/strategischen Umsatzabsicherung; ` StB-Ketten/-Netzwerke strategische Erweiterung von

    Marktanteilen.

    Jeder vorstehende potentielle Nachfolger oder Inter-essentengruppe bringt unterschiedliche Voraussetzun-gen/Erfahrungen persönlicher, fachlicher und finanzi-eller Art mit sich. Daran geknüpft sind i.d.R. ebenso unterschiedliche Erwerbsmotive und entsprechende Anforderungen an die zu erwerbende Praxis(-struktur).

    Jeder Praxisveräußerer tut gut daran, alle möglichen Erwerberaspekte klar zu identifizieren und eindeutig

    beantworten zu lassen. Abzuschätzen ist, ob diese mit den eigenen Lebensplänen in Einklang zu bringen sind. Eine Chiffreantwort, dass „großes Interesse an der Übernahme der Praxis besteht, mit freundlichen Grü-ßen“ ist bei der Kontaktaufnahme nicht sehr hilfreich, weil wenig informativ. Wer als Interessent nicht we-nigstens ein paar Angaben macht, die ihn als Nachfol-ger attraktiv und aussichtsreich machen, fällt schon an dieser Stelle aus dem Bewerber-Pool.

    Erwerber müssen sich vor Augen führen, dass ver-kaufswillige Praxisinhaber i.d.R. keinen Beauty Contest zur Auslese machen, sondern auf die Daten angewie-sen sind: Begründung warum Erwerb, wann realisier-bar, Familienstand, (schulpflichtige) Kinder, regional variabel, (spezifische) Fachkenntnisse, Führungserfah-rung, Finanzierungsvolumen.

    3. DIE „RICHTIGE“ PRAXIS?

    Wie sähen die ideale Praxis und deren Strukturdaten aus Sicht eines Erwerbers aus? Welche Praxis würden Sie lieber erwerben:

    Fall A Fall B

    Lage Ländlich abgeschieden Schlechte Verkehrsanbindung

    Mittelstadt, öffentliche Verkehrsmittel, PKW-Parkplätze

    Praxisräume „Artgerechte Käfighaltung“ Nachhaltigkeit3, u.a. warme, freundliche Farben, vor max. 3 Jahren renoviert

    Umsatz 120.000,- oder 2,5 Mio € 500.000,- €

    Rendite 15 % Knapp 40 %

    Management Fachmann Unternehmer

    Organisation Zufallsprinzip ISO 9001:2015 zertifiziert

    EDV Lochstreifen-Verarbeitung, industrieller Geräuschpegel bei Betrieb

    E-Government-tauglich, Heimarbeitsplätze

    Mitarbeiter Durchschnittsalter 55 Jahre, Bildungsstand BilRUG (nicht BILMOG)

    StFachwirte, StFA, Hochschulabsolventen, AzuBI

    Mandanten-Akquisition Der „gute“ Ruf Strategisches Marketing

    Mandantenstruktur Mono-Branche Möbel,Durchschnittsalter 60 Plus

    High-Tech-, IT-/Gesundheitsmarkt-Branchen

    Leistungsangebot „Buchführungsfabrik“ Prospektive Beratung, Spezialisierung

    Arbeitszeiteinsatz 60 Std. plus 45 Std.

    Verträge Langfristige Bindungen Flexible Anpassung möglich

    3 Vgl. http://www.ccpmre.de/files/voe/discussionpaper_zapke-liese.pdf, Kriterien S. 10.

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    Zugegeben, vorstehende Schlagworte kennzeichnen schwarz-weiß Situationen. Sie kommen real vor, liegen aber häufiger in allen Schattierungen dazwischen.

    Was ist Ihnen wichtig: hohe Rendite oder hoher Frei-zeitanspruch? Auch beides zugleich schließt sich nicht aus. Aber was wäre Ihnen wichtiger? Stellen Sie (zu-sammen mit ihrem Lebenspartner) bitte Ihre eigene Prioritätenliste auf. Welche Kriterien soll die Idealkanz-lei erfüllen, welche stellt dem ersten Anschein nach schon ein „NO-GO-Area“ dar, wo sind Kompromisse möglich?

    Hilfreich kann die Unterscheidung sein, was können Sie beeinflussen/verändern? Grundsätzlich und in wel-chem zeitlichen Rahmen. Mit der Standortwahl der Re-gion ist die erste Entscheidung gefallen, mit dem Ab-schluss des Mietvertrages die örtliche Priorität gesetzt. Zwar auch änderbar, aber eher langfristig korrigierbar.

    Unter diesen Aspekten können diese und ggfs. weitere persönlichen Anforderungen geprüft und entschieden werden.

    Der Kauf einer Steuerberater-Praxis ist eine Zukunfts-entscheidung. Wo wollen Sie in fünf oder 10 Jahren stehen und inwieweit bieten die angebotenen Praxen dazu die Voraussetzungen? Abschließend sei die These vertreten, dass ALLES ver-änderbar ist, man muss es nur tun! Bei Seminaren, die sich thematisch mit dem Kanzleimanagement be-schäftigen, ist immer wieder die Teilnehmer-Reaktion zu beobachten, „Alles schön und gut, aber bei mir …“ NEIN! SIE wollen nicht tatsächlich, sonst würden SIE ES TUN! Alle Beispiele prallen immer wieder ab, obwohl es zahlreich LEBENDE Beweise gibt, dass die Vorschlä-ge funktionieren. Es geht, auch bei Ihnen….

    4. KONTAKTMÖGLICHKEITEN FÜR KÄUFER UND VERKÄUFER

    Übliche Methoden und Wege einen Nachfolger zu su-chen sind:

    ` Chiffre-Inserate in Fachzeitschriften (Pro: Ansprache überregionalen Potentials – Contra: Streuverluste);

    ` Chiffre-Inserate in Medien der Berufsorganisationen (Mitteilungsblätter, Zeitschriften) (Pro: regionale Kon-zentration – Contra: gestreckter Veröffentlichungs-rythmus, eher zufällige Kenntnisnahme);

    ` (Internet-)Praxisbörse auf den Homepages der Mit-gliedsverbände des Deutschen Steuerberaterver-bandes e.V. (DStV); (Pro: Zeitnah, aktuell, Kennt-nis regionaler Bedingungen, vertraulich, kostenfrei, unabhängig - Contra: Serviceleistung nicht lückenlos bekannt);

    ` Gewerbliche Praxisvermittler (Pro: bundesweite Ver-breitung - Contra: Kosten (je 3% vom Verkaufspreis von Käufer und Verkäufer), Vertraulichkeitszweifel);

    ` Gewerbliche Personalvermittler (Headhunter) (Pro: Fachkenntnisse Personalauswahl – Contra: hohe Kosten).

    Zu beobachten ist, dass Scheinangebote in Praxenbör-sen eingestellt werden: Zum einen von gewerblichen Maklern, um Adressmaterial von interessierten Erwer-bern zu erhalten, zum anderen aber auch von Berufs-angehörigen, die den eigenen „Marktwert“ bzw. das lokale Interesse erkunden wollen. Kommentare zum ersteren erübrigen sich. Ältere Kollegen fragen übri-gens häufig an, woher diese Makler ihre Adresse ha-ben und ein latentes Verkaufsinteresse vermuten. Das Internet macht es leicht, die beliebtesten Vornamen des Jahrgangs 19514: Wolfgang und Monika. Sophie-Marie und Ben Luka sind dort noch nicht zu finden… Aufschluss bzw. die Grundlagen für Adressenrecher-chen bieten auch die Gratulationen in den Zeitschrif-ten der Berufsorganisationen zu Berufsjubiläen u.ä.

    Zu bedenken ist bei „Testangeboten“, dass potentiel-le Erwerber bei ihren Hausbanken/KfW in Misskredit geraten könnten, wenn ernsthafte Finanzierungszusa-gen eingeholt werden. Mehrfach unrealisierte Anfra-gen dürften Zweifel an der Seriosität/Fachkompetenz hervorrufen und die dauerhaft vertrauensvolle Zusam-menarbeit mit diesen Banken ggfs. belasten/in Frage stellen.

    4 http://www.beliebte-vornamen.de/3770-1950er-jahre.htm

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    5. PRAXIS-ÜBERTRAGUNGSANLÄSSE

    Anlässe zur Übertragung einer Praxis sind vielfältig denkbar. Zu unterscheiden sind freiwillige und un-freiwillige Entscheidungen über eine Praxisnachfolge. Anzustreben ist die Vorbereitung der Nachfolge zu Lebzeiten des Praxisinhabers: Plan- und organisierbare Abläufe zwischen den Vertragspartnern sind möglich.

    Bei der Praxis-Übergabe aus Krankheitsgründen ist je nach Krankheitsbild dem Praxisinhaber das Heft des Handelns ggfs. schon aus der Hand genommen. Der Leser mag sich fragen, wie viele Beispiele er persönlich oder aus Gesprächen kennt, dass Personen im Kran-kenhaus erwachen, Stimmen wahrnehmen, sehen können, aber nicht mehr sprechen und sich nicht mehr bewegen können. Ob Hoffnung oder ignorante Arro-ganz berechtigen, ein solches Schicksal für sich per-sönlich auszuschließen, soll offen bleiben. Was wäre aber wenn? Was ist in diesem Fall zu tun und wie ist die Praxisfortführung geregelt/gesichert?

    Aus vielen Seminaren mit spontanen Feedbackfragen hierzu ist bekannt, dass das Gros der teilnehmenden Steuerberater keine oder nur rudimentäre Regelungen getroffen hat. Periodisch zu aktualisierende Unterneh-mertestamente werden zwar den Mandanten anemp-fohlen, aber im eigenen Bereich…

    Zu regeln sind die Aspekte: Wer kann und darf Sie ver-treten, wenn Sie kurzfristig für vier Wochen ausfallen? Hat Ihre Vertretung alle notwendigen Informationen und Zugriff darauf, um die Praxis in der Zeit Ihres Aus-falls in Ihrem Sinne oder gemäß den Anforderungen der Mandanten weiter zu führen? Wie lange können Sie von Ihrem Ersparten leben, wenn Ihnen etwas zu-stößt? Ist Ihre Familie finanziell abgesichert, wenn Ihre Arbeitskraft dauerhaft entfällt?

    Grob-Übersicht der Risiken nach Dauer:

    kurz-/mittelfristiger Ausfall Geschäftsunfähigkeit/Betreuungsnotwendigkeit

    Tod

    A. Vertretung A. Vertretung A. Vertretung

    Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kammer, Verband)

    Vertretungsregelung (§ 69 StBerG)

    Vollmachten

    Zugang zu spezifischen Passwörtern

    Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kam-mer, Verband)

    Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG)

    Vollmachten (Generalvollmacht)

    Zugang zu Passwörtern

    Zugang zu Konten

    Verfügungen (Patienten-/Betreuungsverfügung)

    Information (z.B. Angehörige, Mandanten, Kammer, Verband)

    Vertretungsregelung (§§ 70, 71 StBerG)

    Zugang zu Passwörtern

    Zugang zu Konten

    Testament

    B. Risiko-Absicherung B. Risiko-Absicherung B. Risiko-Absicherung

    Versicherungsübersicht

    Übersicht private Vermögen/Schulden

    Übersicht private Finanzen/

    Kapitalbedarf

    Versicherungsübersicht

    Übersicht private Vermögen/Schulden

    Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf

    Absicherung bestehender Kredite

    Versicherungsübersicht

    Übersicht private Vermögen/Schulden

    Übersicht private Finanzen/Kapitalbedarf

    Absicherung bestehender Kredite

    C. Betriebswirtschaftliche/steuerliche Fragen

    Organigramm/Stellenplan Praxis

    Bestellung Kammer

    Checklisten (Mandanten/Lieferanten, Auftragsübersicht, Verträge, Zahlungsübersichten, Schlüsselverzeichnis Mitgliedschaften)

    Kündigungfristen Mitarbeiter/Lieferanten

    Vermögens-/Schuldenübersicht

    Übersicht Praxisplanung

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    Detaillierte Hinweise und Checklisten5 zu Notfallplä-nen („Notfallkoffer“) gibt es in der Literatur6, oder z.T. bei Banken und Versicherungen.

    Verwiesen wird explizit auf das Kapitel „5.2.3.5 Hin-weise der Bundessteuerberaterkammer zu notwendi-gen Maßnahmen im Todesfall von Steuerberatern“ in dem von der Bundessteuerberaterkammer herausge-gebenen „Berufsrechtlichen Handbuch“.

    Für eine Übergangszeit hält auch das Berufsrecht im Steuerberatungsgesetz alternative Lösungen parat, vgl. hierzu im Einzelnen:

    § 69 Bestellung eines allgemeinen Vertreters7

    Steuerberater und Steuerbevollmächtigte müssen ei-nen allgemeinen Vertreter bestellen, wenn sie länger als einen Monat daran gehindert sind, ihren Beruf aus-

    zuüben; die Bestellung ist der zuständigen Steuerbe-raterkammer unverzüglich anzuzeigen. Auf Antrag des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten bestellt die zuständige Steuerberaterkammer den Vertreter. Der Vertreter muss ein Steuerberater oder Steuerbe-vollmächtigter (§§ 40, 42) sein.

    Sicher ist jedem Leser der Abs. 1 des § 69 StBerG be-kannt (oder erinnerlich). Aber wie viel Prozent der rd. 55.000 selbstständigen Praxisinhaber können von sich behaupten, sie hätten eine diesbezügliche Regelung getroffen? Statistisch nicht valide abgesichert, aber gemäß zitierten Seminarumfragen: Unter 5 Prozent. Warum? Brauche ich nicht, ich mache nicht länger als vier Wochen Urlaub, so lang krank werden kann ich mir gar nicht erlauben usw. Die Liste der Ausreden ließ sich noch um einen ehrlicheren Grund erweitern, man möchte sich nicht ohne Not gern in die (Praxis-)Karten sehen lassen.

    5 http://www.lfi-muenchen.de/publikationen/Notfallplan.pdf - http://www.hwk-trier.de/101/klimax3.0/html/hwktrier/download/beratung/notfallplanung.pdf?oid=3&e173=1- http://www.liv-fehr.de/themen-von-a-z/notfallplan.html - http://www.rausch-steuerberater.de/oesbilder/Erste-Hilfe-Handbuch.pdf -

    6 Bayerisches Staatsministeriums der Justiz (Hg.) - Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter, C. H. Beck, ISBN 3-406-54052-X; Vorsorge für den Erbfall, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-55972-3.

    7 Vgl. auch 5.2.3.1 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines allgemeinen Vertreters, in Berufsrechtliches Handbuch 2009; Wehmeier, Amtlicher Vertreter und Teilnichtigkeitsklausel, DSWR 1997, S. 94; Gilgan/Wehmeier: Neue Berufspflicht: Bestellung eines allgemeinen Vertreters (§ 69 StBerG), Stbg 1995, S. 107.

    8 Vgl. 5.2.3.4 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Tätigkeit des Steuerberaters als Praxisabwickler (§ 70 StBerG), in Berufsrechtliches Handbuch 2009.9 Vgl. auch 5.2.3.2 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Bestellung eines Praxistreuhänders, in Berufsrechtliches Handbuch 2009.

    Empfehlung: Unter dem Aspekt der Praxisnachfolge vielleicht einmal einen Berufsangehörigen (vielleicht die sympathische junge Kollegin die immer im XY-Seminar neben Ihnen sitzt) auf das Thema unverfänglich ansprechen, auf die Praxisvertretung, nicht auf die - geplante – Nachfolgeregelung.

    § 70 Bestellung eines Praxisabwicklers8

    Bei Tod eines Steuerberaters kann die zuständige Steu-erberaterkammer einen anderen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten in der Regel für die Dauer eines Jahres zum Abwickler der Praxis bestellen. Ab-wickeln bedeutet, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln, d.h. die laufenden Aufträge fortzuführen. Auch wenn der Abwickler berechtigt ist, innerhalb der ersten sechs Monate neue Aufträge anzunehmen, stellt die Abwicklung den worst case einer - eben nicht gere-gelten - Praxisnachfolge dar.

    Allein zum Erkennen der Hinterbliebenen, dass und wie die weitere Praxisführung zu regeln ist, vergeht wertvol-le Zeit, weil die Mandanten – nach einer sehr kurzen Schamfrist – das Mandat selbst regeln. Die Umsetzung mit Hilfe der Berufskammern benötigt weiteren Zeitbe-

    darf, und die Klarstellung der Abwickler, dass es eben keine dauerhafte Perspektive gibt, wirkt - und soll auch - nicht mandatsstabilisierend wirken.

    Im Ergebnis verflüchtigt sich der Praxiswert kurzfristig, die erzielten Einnahmen unter Abzug der Abwicklungs-kosten bleiben weit hinter dem Ertrag aus einer Veräu-ßerung zurück.

    § 71 Bestellung eines Praxistreuhänders9

    Über die Regelung eines eingesetzten Praxistreuhän-ders wird ein Zeitpolster für eine mittelfristige Lösung geschaffen. Soll die Praxis eines verstorbenen Steu-erberaters oder Steuerbevollmächtigten auf eine be-stimmte Person übertragen werden, die im Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Berufsangehörigen noch nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, kann

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    Empfehlung: Eine in der Praxis hinterlegte und für eine(n) vertraute(n) Mitarbeiter/in zugängliche/auffindbare (!) Notiz, im Fall X Herrn oder Frau... anzurufen, kann als Erstmaßnahme genügen. Für Mandanten ist bei Geschäftsun-fähigkeit und Todesfällen das Wissen entscheidend, dass eine Lösung für die Kanzleifortführung gefunden wurde. Für den Fall der offenkundigen andauernden Unsicherheit ohne ein Lösungsangebot wird die These vertreten, dass sich nach ca. 6 bis 8 Wochen Gedanken über eine entgeltliche Praxisübertragung erübrigen, da sich die Mandanten in alle Winde zerstreut haben.

    6. DER OPTIMALE ZEITPUNKT FÜR EINE PRAXISNACHFOLGE?

    Mit 65 „fit for fun“ in die Rente oder noch Weiterma-chen in der Praxis? Gibt es einen optimalen Zeitpunkt oder –raum für eine Praxisnachfolge?

    Gegenfrage: Sind alle Steuerberater gleich alt, gesund, in familiär gleicher Situation, haben gleiche Vor- und Be-rufsqualifikationen, persönliche Wochenarbeitszeit mit identischen Praxen hinsichtlich Rechtsform, Dienst-leistungsangebot, Umsatzaufkommen, Ertragskraft, Mandantenstruktur, Mitarbeiterqualifikation, Aufbau- und Ablauforganisation, Vertragsbindungen, in regional vergleichbarer Lage? Nein? Dann muss wohl auch die Antwort individuell ausfallen.

    1. Gesundheit: heute ja, aber auch noch in einem Jahr?

    2. Finanzielles Muss? Wer auf die Realisierung des Praxiswertes als die (!) Altersvorsorge gesetzt hat, hat wenig Alternativen.

    3. Fachlich auf der Höhe? Ja sicher, wenn schon die Mandanten das Gegenteil bemerken, ist es allerdings sehr spät für eine erfolgversprechende Nachfolge.

    Je ausgeprägter die genannten Umstände/Merkmale einzeln oder in Kombination real vorhanden sind, je länger wird es dauern, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Literaturhinweise, dass bereits mit dem Erwerb

    einer Praxis die eigene Nachfolgersuche beginnen soll-te, sind m.E. irreal. Aus persönlicher Erfahrung kann folgender Zeitbedarf für Normalfälle zur Realisierung einer Praxisveräusse-rung geschätzt werden:

    ` 12 Monate Nachfolger aus Markt; ` 24 Monate interne Nachfolger (Angestellte in Vorbe-

    reitung auf das StB-Examen, einmal durchgefallen); ` 60 Monate (Familiennachfolge: Abitur, Bachelor-

    Studium, 2 Jahre berufsvorbereitende praktische Tätigkeit).

    Häufiges Argument, „Ich würde ja gern aufhören, aber ich habe so viele Mandanten. die so an mir hängen.“ Wirklich? Lohnt es sich wirklich, ohne Mitarbeiter monatlich noch ein paar Lohnabrechnungen zu ma-chen und pünktlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben? Bekanntlich können bis zu 10 % des Umsatzdurchschnitts der letzten drei Jahre steuerlich begünstigt fortgeführt werden. Lohnt sich dafür der Kammer- und Verbandsbeitrag, die Versicherungsprä-mie, die Update-Kosten für EDV usw. unter Berück-sichtigung der alternativ gewonnen zeitlichen Freiheit? Lebenszeit kommt nie wieder zurück.

    auf Antrag der Erben die zuständige Steuerberaterkam-mer für einen Zeitraum bis zu drei Jahren einen Steuer-berater oder Steuerbevollmächtigten zum Treuhänder bestellen. In Ausnahmefällen kann der Zeitraum um ein weiteres Jahr verlängert werden.

    Der Treuhänder führt sein Amt unter eigener Verant-wortung jedoch für Rechnung und auf Kosten der Er-

    ben des verstorbenen Steuerberaters oder Steuerbe-vollmächtigten. Er hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung.

    Welche Lösung zweckmäßig ist, hängt von den realen Umständen im Einzelfall ab. Wichtig ist, dass eine ande-re Person als der Praxisinhaber informiert ist, die weiß was zu tun ist.

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    Könnte so ein „Traum-Ausstieg“ aussehen?

    Praxisinhaber 57 Jahre, geplantes Ausstiegsalter 63-65 Jahre. Zur Optimierung des potentiellen Verkaufsprei-ses wird die Praxis in den letzten 5-7 Jahren umstruk-turiert (auf Vordermann gebracht):

    ` Es werden nur noch Mitarbeiter unterschiedlichen Alters mit hoher Berufsqualifikation und besonderen Interesse an betriebswirtschaftlichen Fragestellungen eingestellt, diese werden erfolgsorientiert vergütet und unternehmerisch motiviert.

    ` Strategisches Marketing statt Zufallsfunde: Die sich bisher zufällig (?!) ergebene Mandantenstruktur wird nach dem ABC-Prinzip korrigiert. B-Mandanten werden auf dem Weg zum A-Mandanten gebracht, C-Mandate ggfs. aussortiert. Neue Mandanten wer-den nur nach Vorkalkulation und zu erwartenden Deckungsbeiträge angenommen (Ausnahmen: nach-weislich zu erwartende Multiplikatoreffekte).

    ` Statt persönlicher Spezialisierung wird in Wissens-datenbanken hinterlegtes Know-How/Expertise für zukunftsträchtige Geschäftsfelder erarbeitet (z.B. Gesundheitsmarkt, Altersvorsorge etc.).

    ` Die EDV-/Kommunikations-Hard- und Software wird auf das begonnene Anforderungsprofil des steuer-lichen E-Government und dem Erwartungshorizont der Internet-Mandanten-Generation angepasst.

    ` Die Aufbau- und Prozessorganisation erfüllt die ISO 9001:2015 Norm und den Anforderungen an Quali-täts- und Risikomanagement.

    ` Die Rendite steigt auf…. Prozent ` Ihre persönliche Arbeitszeit pro Woche sinkt dauer-

    haft auf …. Stunden.

    Einzige Voraussetzung: Haben Sie noch die Kraft, vom Steuerberater zum Unternehmer zu werden?

    Zum „Weitermachen bis zum ...“ vgl. auch die Hinweise im Kapitel Übergangsmodelle.

    7. ERFORDERLICHE VERKAUFSUNTERLAGEN

    Was müssen für die Verkaufsverhandlungen mindes-tens an Unterlagen vorbereitet/beigebracht werden:

    ` EÜR/Bilanzen min. drei, besser fünf, ggf. bis zu 10 Jahre

    ` Letzte Monats-BWA (vor Vertragsschluss)

    ` Übersicht laufender Verträge (Miete, Leasing, Liefe-rungen etc.)

    ` Aufstellung Mitarbeiterdaten (u.a. Qualifikation, Gehaltsdaten, Vereinbarungen)

    ` Mandantenliste (Excel: u.a. Rechtsform, Mandant seit, Honorarangaben)

    8. VORSICHT BEI MUSTER-VORLAGEN!

    Schon die im vorstehenden Abschnitt zum optima-len Übertragungszeitpunkt aufgezählten Fallumstände dürften deutlich gemacht haben, dass es keinen alle Individualitäten umfassenden und abschließend for-mulierten Muster-Verkaufsvertrag geben kann.

    Mitgliedern der DStV-Landesverbände zugängliche Muster für einen Verkaufsvertrag finden sich im Ser-vicebereich auf deren Homepages unter: stbdirekt – Musterverträge:

    ` DStI-Mustervertrag (StBdirekt-Nr. 004267, PDF - 0,09MB) Praxisübertragungsvertrag mit Erläuterungen ` DStI-Mustervertrag (StBdirekt-Nr. 004268, PDF - 0,08MB) Praxisübertragungsvertrag ohne Erläuterungen

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    14

    Grundsätzlich sollte jede Vertragspartei äußerste Vor-sicht walten lassen, wenn ein Vertragspartner auf von Berufsorganisationen herausgegebene Mustervorlagen verweist, die damit scheinbar quasi geprüft und neu-tral sein sollen. Beispiel für eine solche Vertragsfalle: Der Kaufpreis soll mit dem Umsatzverfahren ermittelt

    werden. Bemessungsgrundlage soll der (ggfs. gewich-tete) Durchschnittsumsatz der letzten drei (oder fünf) Jahre sein. Diese Formel mag wirtschaftlich gerechtfer-tigt und vertretbar sein. Ist sie es aber auch, wenn der Umsatz in den letzten drei (fünf) Jahren kontinuierlich gesunken ist? In Zahlen (nur beispielhaft):

    Jahr € Umsatz Gewichtet gew. Umsatz

    2006 600.000 1 600.000

    2007 550.000 2 1.100.000

    2008 500.000 3 1.500.000

    2009 500.000 4 2.000.000

    2010 450.000 5 2.250.000

    Ø 520.000 15 496.667

    überhöht % 115,6 110,4

    Wird also ein als Musterformulierung vorgegebener Durchschnittsumsatz akzeptiert, stellt sich die Bemes-sungsgrundlage mit rd. 15 bzw. 10 % überhöht dar,

    deren rechnerische Fehlwirkung bzw. wirtschaftliche Fehlwirkung sich durch den Multiplikator wesentlich erhöhen kann.

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    15

    9. MITARBEITER – WO BLEIBEN SIE?

    Eine häufig gestellte Frage: „Was wird aus meinen Mit-arbeitern? Ich möchte, dass sie ihre Arbeitsplätze be-halten.“

    § 613 a BGB schreibt bei Betriebsübergängen die Übernahme des Personals vor, Kündigungen wegen des Inhaberwechsels sind nicht zulässig. Die Erhaltung des Mitarbeiterteams ist aber nicht nur rein rechtlich notwendig, sondern liegt im ureigensten Interesse des Erwerbers. Praxisinhaber sind alleinige vertragliche Partner ihrer Mandanten. Zu den Mitarbeitern besteht aber durch den häufigeren Kontakt bei der laufenden Mandatsbearbeitung vielfach ein genauso intensives (Vertrauens-)Verhältnis, das nicht unnötig unterbro-chen werden sollte. Mandantenbefragungen haben bestätigt, dass ein häufiger persönlicher Zuständig-keitswechsel ein Kündigungsgrund sein kann.

    Wenn der Wechsel des Praxisinhabers allein schon ein Kündigungsgrund sein kann, bedeutet ein gleichzeiti-ger Wechsel des zuständigen Sachbearbeiters ein er-höhtes Risiko, dem sich kein Erwerber aussetzen sollte.

    Sicher werden sich auch die Mitarbeiter ab einem be-stimmten erreichten Lebensalter des Praxisinhabers Gedanken über den Fortbestand der Praxis und ihrer Arbeitsplätze machen. Wann sollte man die Mitarbeiter über die Nachfolge informieren? Wenn der Übertragungsvertrag „in tro-ckenen Tüchern“ ist. Soweit mit dem Nachfolger noch über einzelne Modalitäten verhandelt wird und der Übergang daran noch scheitern kann, ruft die Bekannt-gabe eines vorläufigen „Zwischenstandes“ eher Ver-unsicherung hervor, als den gegenteilig gewünschten Effekt. Im Gegenteil, tendenziell unsichere Mitarbeiter werden vielleicht bei sich hinziehenden Verhandlun-gen ihrerseits aktiv werden und sich um einen neuen Arbeitsplatz bemühen, schlimmstenfalls unter Mitnah-me ihrer Mandanten. Dadurch könnte sogar vor Ab-schluss der Vertragsverhandlungen deren wirtschaft-lich relevanteste Substanz, der Mandantenstamm, gefährdet werden.

    Soweit Erwerber aus Kostengründen eine Reduzie-rung des Mitarbeiterbestandes und Kündigungen einfordern, sollten diese durch den Veräußerer aus-gesprochen werden. In der Regel werden dazu Ab-findungszahlungen notwendig, die aber im Kaufpreis erhöhend berücksichtigt werden können. Der zu er-wartende Unmut der gekündigten (und die Verunsi-cherung der verbleibenden) Mitarbeiter würde sich aber gegen den Veräußerer wenden und nicht das erst aufzubauende Vertrauensverhältnis zum Erwer-ber schon vorab belasten.

    Aus den gleichen Gründen erscheint es auch nicht opportun, soweit mit dem Arbeitsrecht vereinbar, zeit-nah mit der Praxisübertragung Veränderungen im Ge-haltssystem vorzunehmen, also z.B. ein Wechsel von einem Umsatz-/Gewinn-Beteiligungsmodell zurück zu einem monatlichen Festgehalt. Die so variabel bezahl-ten Mitarbeiter würden es als geminderte Akzeptanz ihrer individuellen Leistungsstärke empfinden.

    Eine Excel-Tabelle mit den Mitarbeiter-Daten gehört zu den bereit zu stellenden Verkaufsunterlagen, z.B. mit folgenden Angaben:

    Alter, Eintrittsdatum, Berufsqualifikation, Gehalt, sozi-ale Nebenleistungen, Urlaubsanspruch, Wettbewerbs-verbot, arbeitsrechtliche Besonderheiten.

    Grundsätzlich ist der Schutz persönlicher Daten zu be-achten, aber ohne Kenntnis der vorgenannten Kriterien kann nach persönlicher Auffassung eine sachgerechte Entscheidung über den Praxiserwerb nicht getroffen werden. Gegebenenfalls kann auch eine Vertraulich-keitsabrede mit potentiellen Erwerbern getroffen wer-den, die diese verpflichtet, im Falle des Nichterwerbs diese Tabelle bzw. übergebene Unterlagen (z.B. ver-wendete Arbeitsverträge) zu vernichten. Die Namen der Mitarbeiter müssen dazu nicht aufgeführt wer-den10.

    10 Es sind aber auch Situationen denkbar, dass Erwerber mit zu übernehmenden Mitarbeitern in arbeitsrechtliche Streitigkeiten aus vorangegangenen Arbeitsverhält-nissen involviert waren und auf Konsensfähigkeit zu prüfen sind,

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    16

    10. PRAXISWERT - WIE ERMITTELN?

    10.1. BEWERTUNG DES IDEELLEN PRAXISWERTS IN VERKAUFSFÄLLEN

    a) UmsatzverfahrenZum Pro und Contra der relevanten Bewertungsmetho-den, insbesondere den brancheneinschlägigen Bewer-tungshinweisen der Bundessteuerberaterkammer, ist alles Wesentliche gesagt und geschrieben11. Das Um-satzverfahren wird als vereinfachte Preisfindungen12 in der theoretischen Bewertungsliteratur überwiegend abgelehnt, ist real unter den anwendenden Vertrags-partnern (keine Gutachter) aber weiterhin Nr. 1.

    Die typische Alltagsfrage aus dem Kollegenkreis lautet deshalb: „Zu wie viel % kann ich die Praxis verkaufen?“

    Antwort: Mit Stand Frühjahr 2016 liegt der realisierte Bewertungsrahmen für rd. 95 Prozent aller Fälle zwi-schen 80-120 %. Der verhandelte Preisrahmen kann darüber oder darunter liegen. Aus der Frage, wie hoch der Verkaufs-Prozentsatz sein könnte, ergibt sich so-wohl der Bewertungsanlass als auch die Bewertungs-methode, das sog. Umsatzverfahren. Nach dem Verfahren wird ein Prozentsatz (Multiplika-tor) mit einer Bemessungsgrundlage (dem um Son-dereinflüsse bereinigte fortführbare Nettoumsatz) multipliziert, Detailinteressierte werden auf die Literatur verwiesen13.

    Korrekturschritt Fallumstände 2013 2014 2015

    Netto-Umsatz € 300.000 310.000 305.000

    - persönliche Umsätze Testamentsvollstreckung -2.000

    Beirat, Autor -500

    - einmalige Umsätze Schenkungsfälle -4.500

    Gutachten -3.000

    Erbschaftssteuerfälle -5.000

    Außenprüfungen -2.500

    - entfallende Umsätze gekündigt -1.500

    Betriebsaufgabe

    Insolvenz -6.500

    abgerechnete 2-Jahresumsätze -1.000

    - durchlaufende Posten weiterberechnete EDV-FiBU-Kosten -1.200 -1.200 -1.200

    + - Korrekturposten besond. Krankheitsstand Mitarbeiter 7.800

    = Zwischensumme -8.200 -16.200 2.100

    bereinigte Umsätze 291.800 293.800 307.100

    Durchschnittsumsatz 297.567

    x individueller Multiplikator 105%

    = ideeller Praxiswert 312.445

    Sofern andere Anlässe als der Verkaufsfall vorliegen, wird auf gesetzliche bzw. höchstrichterliche Hinweise bzw. Vorgaben zur Bewertungsmethodik verwiesen.

    11 Vgl. Wehmeier, Praxisbewertung: Ertragswertmethode - und sonst nichts?, Stbg 1996, 486; ders. Veräußerung einer Steuerberater-Praxis, DSWR 1997, 230; ders. Bewertung einer Steuerberater-Praxis - Ergänzung und Erwiderung zu Platz, INF 2000, S. 310 ff. -, INF 2000, 598; ders. Planung der Kanzleinachfolge, DSWR 2003, 2; ders. Nachfolgeplanung bei freiberuflichen Praxen im Familienbesitz, DSWR 2005, 361; ders. Praxisveräußerung: Ein filmreifes Fallbeispiel - Bespre-chung des OLG Naumburg-Urteils v. 19.07.2005 - 1 U 83/04 -, Stbg 2006, 80; ders. Praxisverkauf und Vertragsfalle „Kaufpreisreduzierung, INF 2006, 678; Unternehmensbewertung: Das „angelehnte“ Ertragswertverfahren, Stbg 2007, 436; ders. Praxisbewertung: Wert- und Preistreiber, Stbg 2008, 19; Praxisbe-wertung – Anmerkungen zu den Hinweisen der Bundessteuerberaterkammer v. 30.6.2010, StBg 2010, 465; ders. Bewertung von Steuerberater-Praxen, NWB 9/2011, 726; ders. Praxisbewertung: Praxiswert entwertet?, StBg 2011, 453; ders. Praxisbewertung: Praxiswert durch Klonen verdoppelt?, Stbg 2012, 26; ders. In 9 Schritten zum richtigen Wert einer Kanzlei, Kanzleiführung professionell, Sonderausgabe Mai 2012; Umsatzverfahren ablehnend: Peemöller/Meyer/Pries, Bewertung von Steuerberatungskanzleien, DSWR 1998, 78; Peemöller/Bömelburg/Hoferer, Ansätze zur Ertragswertermittlung von Steuerberatungs- und Wirt-schaftsprüfungskanzleien, DStR 1994, S. 914.

    12 IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i.d.F. 2008), FN-IDW 2008, S. 271, Rz 164 f.13 Vgl. Wehmeier, Praxisübertragungen, Rz 216.

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    17

    b) Modifiziertes Ertragswertverfahren (IDW S1 KMU - BStBK)Im April 2014 haben IDW und Bundessteuerberater-kammer gemeinsam einen Beitrag zur Bewertung von „KMU“ veröffentlicht14, der grundlegend an den IDW-Standard von 2008 (IDW S1) anknüpft. Die Hinweise betonen, dass „sogenannte kleine und mittelgroße Unternehmen sich nicht eindeutig von anderen Un-ternehmen definitorisch abgrenzen (lassen)“. Erfasst werden kleine, auch Kleinstunternehmen (90,0% aller Unternehmen bis 9 Beschäftigte, Umsatz/Bilanzsum-me bis 2 Mio €), insbesondere aber auch Freiberufler-Kanzleien.

    In den IDW S1 KMU-Hinweisen wird der Kapitalisie-rungszeitraum der sog. Fortführungsphase („ewige Rente“) durch die Annahme ersetzt einer nur „Partiell oder temporär übertragbaren Ertragskraft: KMU zeichnen sich häufig durch das Vorhandensein bestimmter immaterieller Faktoren aus, die durch die prägende Tätigkeit eines oder mehrerer Eigentümer bedingt sind. Der Eigentümer wirkt oft insbesondere · als (Haupt-)Leistungserbringer (z. B. Anwalt, Archi-tekt, Arzt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer), dessen Leistung entscheidend für die Kundenzufriedenheit ist, auch wenn er sich dabei Erfüllungsgehilfen be-dient...“.

    Deshalb sind „die nur temporär übertragbaren finanziellen Über-schüsse während der Detailplanungsphase abzu-schmelzen. Gegebenenfalls kann es erforderlich sein, den Detailplanungszeitraum soweit zu verlängern, bis der Abschmelzungsprozess vollständig abgebildet ist.“

    Ein Kanzleiverkäufer stünde also in der Situation dem Käufer prophezeien zu müssen, dass sich gemäß The-orie die Umsätze in ca. 3. bis 7 Jahren ab der Kanzlei-übertragung stetig bis auf Null reduzieren. Deshalb sei der ermittelte Praxiswert zwar auch negativ, an einen (positiven - hohen) Kaufpreis müsse man aber trotz-dem festhalten, weil alles doch nur Theorie sei.

    Zur Nachfrage des potentiellen Käufers mit welchem „Abschmelzungszeitraum“ zu rechnen ist, wird auf die vielsagende Rz 30 Verlautbarung von BStBK/IDW S1 (KMU) verwiesen: „Der jeweilige Abschmelzungszeit-raum hängt von den Verhältnissen des zu bewerten-den Unternehmens sowie unter Umständen auch von seinem Branchenumfeld ab“. Aha! Indikatoren dazu: ` Vertragslaufzeiten und erwartete Vertragsverlänge-

    rungen, ` typische Produktlebenszyklen, ` voraussichtliche Handlungen von Wettbewerbern und

    potenziellen Konkurrenten, ` Zeitraum der Abhängigkeit des Kunden (wirtschaft-

    lich, rechtlich, technisch), ` demografische/biometrische Aspekte hinsichtlich der

    bestehenden Kundenstruktur.“

    Rz 31 bietet ein weiteres Angebot: „Auch die steuerli-chen Abschreibungsregeln können Anhaltspunkte zur Ermittlung der Abschmelzungsdauer bieten. So liegen z. B. die steuerlichen Abschreibungszeiträume für Kun-denbeziehungen in einer Bandbreite von drei bis sie-ben Jahren.15“ Nachfolgend ein Rechenbeispiel dem ein 10-jähriger Abschmelzungszeitraum zu Grunde ge-legt wurde. Warum? Gemäß einer Umfrage einer be-rufsgenossenschaftlichen Organisation in Bayern soll die durchschnittliche Dauer der Mandantenbeziehung zu ihrem StB 10,8 Jahre betragen.16

    14 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unter-nehmen, IDW-FN 4/2014, 282.

    15 Die Dauer von 7 Jahren ist dem Verfasser aus keiner finanzgerichtlichen Entscheidung bekannt. Gemäß BMF-Schreiben v. 15.1.1995, IV B 2 - S 2172 - 15/94, BStBl 1995 I, 14 wird die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Praxiswerts mit 3-5 Jahre und anlässlich der Gründung einer Sozietät mit 6 bis 10 Jahren angenommen.

    16 §§ 246, 253 HGB lassen auch grüßen.

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    18

    Abschmelz-

    zeitraum Jahre(n)10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

    Umsatz 400.000 360.000 320.000 280.000 240.000 200.000 160.000 120.000 80.000 40.000

    Abschmelzung linear 10,00% 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000 40.000

    360.000 320.000 280.000 240.000 200.000 160.000 120.000 80.000 40.000 0

    - Kosten 65,00% 260.000 234.000 208.000 182.000 156.000 130.000 104.000 78.000 52.000 26.000

    = Betriebsergebnis 140.000 126.000 112.000 98.000 84.000 70.000 56.000 42.000 28.000 14.000

    - kalkulat Beraterlohn 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750

    = Ertrag 39.250 25.250 11.250 -2.750 -16.750 -30.750 -44.750 -58.750 -72.750 -86.750

    - typisierte ESt 35,00% 13.738 8.838 3.938 0 0 0 0 0 0 0

    = ausschüttbarer Netto-Ertrag

    25.513 16.413 7.313 -2.750 -16.750 -30.750 -44.750 -58.750 -72.750 -86.750

    Zins %/ Barwertfaktoren

    6,55 0,9386 0,8809 0,8268 0,7760 0,7283 0,6836 0,6416 0,6022 0,5652 0,5305

    Barwert 23.945 14.458 6.046 -2.134 -12.199 -21.020 -28.711 -35.378 -41.117 -46.017

    Ertragswert (ideeller Praxiswert) €

    -142.128

    Marktwertfaktor -135,53%

    Ein Abschmelzungszeitraum von sechs Jahren ergibt das Ergebnis:

    Abschmelz-

    zeitraum Jahre(n)6 1 2 3 4 5 6

    Umsatz 400.000 333.333 266.667 200.000 133.333 66.667

    Abschmelzung linear 16,67% 66.667 66.667 66.667 66.667 66.667 66.667

    333.333 266.667 200.000 133.333 66.667 0

    - Kosten 65,00% 260.000 216.667 173.333 130.000 86.667 43.333

    = Betriebsergebnis 140.000 116.667 93.333 70.000 46.667 23.333

    - kalkulat Beraterlohn 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750 100.750

    = Ertrag 39.250 15.917 -7.417 -30.750 -54.083 -77.417

    - typisierte ESt 35,00% 13.738 5.571 0 0 0 0

    = ausschüttbarer Netto-Ertrag

    25.513 10.346 -7.417 -30.750 -54.083 -77.417

    Zins %/ Barwertfaktoren

    6,55 0,9386 0,8809 0,8268 0,7760 0,7283 0,6836

    Barwert 23.945 9.114 -6.132 -23.862 -39.390 -52.921

    Ertragswert (ideeller Praxiswert) €

    -89.246

    Marktwertfaktor -122,31%

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    19

    Der doch sicher gewünschte positive Praxiswert liegt offenkundig nicht in einer Variation der Abschmelzdau-er. Welche „Korrekturmöglichkeiten“ bleiben?

    Der Kalkulationszins? Vorstehend wurde bei der Ermitt-lung des Kalkulationszinsfußes der so genannte „Beta-Faktor“ mit 1,0 angesetzt. Dazu findet sich in den BStBK/IDW (KMU) ausdrücklich der Hinweis in den Rz 49/50: „In einigen Branchen gewerblicher Unternehmen so-wie bei Freiberuflern kommt eine Börsennotierung entweder aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht in Betracht oder es existieren keine börsenno-tierten Vergleichsunternehmen. Gegebenenfalls vor-handene branchengleiche Unternehmen bedienen andere Marktsegmente oder weisen ein deutlich anderes Geschäftsmodell auf. Sofern das Risikoprofil des Bewertungsobjekts mittels der Betafaktoren von Peer Group-Unternehmen nicht angemessen erfasst werden kann, können gutachterliche Anpassungen des unternehmensspezifischen Risikozuschlags er-forderlich sein. Diese sind jeweils zu begründen. Die konkrete Höhe des Risikozuschlags wird in der Praxis zumeist nur mithilfe von vereinfachenden Annahmen festzulegen sein. Jeder Bewertungsfall verlangt seine eigene sachgerechte Problemlösung. Die pauschale Annahme eines Betafaktors für ein verschuldetes Un-ternehmen in Höhe von 1,0, wie es bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i. S. d. BewG unterstellt wird, ist in der Vielzahl der Bewertungen von KMU nicht sachgerecht. Vielmehr hat der Bewer-ter einen Betafaktor sachgerecht zu schätzen.“

    Eine Absenkung beispielsweise (keine empirische begründbare Annahme!) von 1,0 auf 0,8 hätte eine Senkung des Zinses von 6,55 % auf 5,45% und damit eine Erhöhung des Praxiswerts um 115.684 € (im rei-

    nen IDW S1-Modell) zur Folge (es lohnt sich ggfs. also, solche geistigen Klimmzüge zu unternehmen!)17. Noch erfolgversprechender ist die „Variation“ des kal-kulatorischen Beraterlohns.18 Der Beraterlohn muss so weit gesenkt werden, bis sich ein positiver Praxiswert ergibt. Bei 78.000 € Beraterlohn ergibt sich bei 10 Jah-ren genau ein „Null-Ergebnis“ (79.487 bzw. 88.300 € bei sechs- bzw. dreijähriger Dauer). Eine solche Vorge-hensweise hätte natürlich mit Bewertung nichts mehr zu tun, sondern wäre Manipulation oder Selbstbetrug.

    Was tun, wenn alle Bemühungen einen positiven Pra-xiswert zu errechnen, nicht genützt haben. Der Aus-weg findet sich in der Literatur: „Aufgrund des allgemeingültigen Bewertungsansat-zes des IDWS1 i.d.F. 2008 kann auch die Bewertung von freiberuflichen Praxen nach diesen Grundsätzen der Unternehmensbewertung erfolgen, d.h. der Wert dieser Unternehmen ergibt sich grundsätzlich aus dem Zukunftserfolgswert bzw. einem höheren Liqui-dationswert. Insbesondere die Anpassungen der Er-tragsplanung im Zusammenhang mit dem Unterneh-merlohn (siehe Frage 4.4.2.4..I.) können dazu führen, dass der Liquidationswert den Zukunftserfolgswert übersteigt, sodass dieser maßgeblich ist. Die Marktpreise von freiberuflichen Praxen werden oftmals durch die Werte des übertragbaren Mandan-tenstammes geprägt. Wenn für die Bewertung einer freiberuflichen Praxis der Liquidationswert maßgeblich ist und neben dem Wert des verkehrsfähigen Kunden-stamms kein sonstiges Vermögen und keine sonsti-gen Schulden in nennenswertem Umfang zu berück-sichtigen sind, führt die Anwendung des relevanten Umsatzmultiplikators demnach näherungsweise zum Unternehmenswert.“19

    17 Der Verfasser hat sich zur Problematik der Ableitung eines Betafaktors für eine StB-Kanzlei mehrfach skeptisch geäußert, weil es weder Börsendaten für Freiberuflerpraxen gibt und ebenso wenig vergleichbare Peer-Group-Unternehmen, vgl. z.B. Wehmeier, Praxisbewertung: Wert- und Preistreiber, Stbg 2008, 19; ders. Praxisbewertung – Anmerkungen zu den Hinweisen der Bundessteuerberaterkammer v. 30.6.2010, Stbg 2010, 465; ders. Bewertung von Steuerberater-Praxen, NWB 9/2011, 726.

    18 Absenkungen oder deutlich höhere Beraterlöhne als der hier beispielhaft bezifferte lassen sich mit Hinweis auf Literatur leicht finden, vgl. z.B. Knief, Kalkulato-rische Steuerberaterlöhne 2009 in Abhängigkeit zur Betriebsgröße, DB 2011, 2277.

    19 Fragen und Antworten zur praktischen Anwendung des IDW-Standards: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1 i.F.2008), IDW FN 5-2012, S. 323 (326), II.

    Fazit: Wer eine Kanzleibewertung gemäß BStBK/IDW S1 (KMU) vornehmen möchte, sollte anhand eines einfachen Excel-Tools ermitteln, ob sich aufgrund der konkreten Daten überhaupt die Aussicht auf einen positiven Praxiswert (Kauf-preis) ergibt, bevor die Arbeiten zur Erstellung der mehrjährigen integrierten Planrechnungen begonnen werden.

  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

    20

    Maßgeblich ist seit dem 1.1.2009 das vereinfachte Ertragswertverfahren21 gem. §§ 199 ff BewG. „Die Bewertung kann nach dem vereinfachten Ertrags-wertverfahren erfolgen. Sind branchentypisch ertrags-wertorientierte Verfahren ausgeschlossen (weil z.B. Multiplikatorenverfahren oder Substanzwertverfahren zur Anwendung kommen), ist das vereinfachte Er-tragswertverfahren nicht anzuwenden. Sind branchen-typisch auch ertragswertorientierte Verfahren anzu-

    wenden, ist eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren möglich.“22 Außerdem „Anhalts-punkte dafür, dass ein Erwerber neben den Ertrags-wert- oder zahlungsstromorientierten Verfahren bei der Bemessung des Kaufpreises eine andere übliche Methode zugrunde legen würde, können sich insbe-sondere auch aus branchenspezifischen Verlautbarun-gen ergeben, z.B. bei Kammerberufen aus Veröffentli-chungen der Kammern23.“

    10.2. ERBSCHAFTSTEUERLICHE UND ERTRAGSTEUERLICHE20 BEWERTUNGSANLÄSSE

    Fazit: Da die Bewertungshinweise der BStBK auch das Multiplikatorverfahren vorsehen und dies tatsächlich in praxi überwiegend angewendet wird, ergibt sich nicht die ausschließliche Anwendung des vereinfachten Ertragswert-verfahrens. Es ist möglich, aber nicht zwingend.

    10.3. DER PRAXISWERT BEIM ZUGEWINNAUSGLEICHSANSPRUCH

    „Eine Bemessung dieses Wertes allein nach dem Um-satz verbietet sich schon deswegen, weil der Umsatz keine sicheren Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung und somit auch nicht auf den am Stichtag realisier-baren Wert zulässt. …Ein reines Umsatzwertverfahren eignet sich deswegen auch nicht als Vergleichsmaßstab für eine andere Bewertungsmethode. … Stattdessen hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtspre-chung eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt,

    die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon einen individuellen Unternehmerlohn des Inhabers absetzt“24. „Die Bewertung einer freiberufli-chen Praxis erfolgt grundsätzlich auch nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren, weil sich eine Ertragspro-gnose kaum von der Person des derzeitigen Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unterneh-merische Entscheidungen beeinflusst werden kann.“25

    20 BMF v. 22.9.2011, Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften; Anwendung der bewertungsrechtlichen Regelungen für ertragsteuer-liche Zwecke, IV C 6 – S 2180/10/10001, BStBl 2011 I, S. 606.

    21 Vgl. z.B. Knief/Weippert, Erste praktische Erfahrungen mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren gemäß §§ 199 ff. Bewertungsgesetz, Stbg 2010,1; Gerber/König: Die Konsequenzen des vom BMF festgelegten Basiszinssatzes, BB 2010, S. 348; Flöter/Matern, Erbschaftsteuerreform: Fehlbewertung von Betriebsver-mögen - Vereinfachtes Ertragswertverfahren ist keine geeignete Methode, NWB 2008, S. 1727; Stamm/Blum, Erbschaftsteuerliche Bewertung von Betriebs-vermögen: Vereinfachtes Ertragswertverfahren und Paketzuschlag - Der neue Erlass der Finanzverwaltung zur Bewertung nach der Erbschaftsteuerreform, StuB 2009, 806.

    22 Abschn. 19 Abs. 1: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsgesetz v. 17.5.2011, BStBl I 2011, S. 606, ergänzend zu Sonderfällen v. 5.6.2014, BStBl 2014 I, 882.

    23 H 3 (1) Abschnitt 3. Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften Abs. 2 Satz 3, Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG, Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 25.6.2009, BStBl I 2009, 698.

    24 BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, 1683.25 BGH vom 9.2.2011, XII ZR 40/09, HFR 2011, 914.

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    Fazit: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein modifiziertes Ertragswertverfahren anzuwenden. Fraglich könnte sein, worin die „Modifizierung“ des Ertragswertverfahrens liegt? Wenig erhellend ist die BGH-Begrün-dung, „…der Sachverständige habe den immateriellen Wert der Zahnarztpraxis zu Recht nach einer bewer-tenden und deshalb als „modifiziert“ bezeichneten Ertragswertmethode bestimmt…“. Aufklärend dagegen der BGH-Hinweis, „ein zusätzlich zu bewertender Goodwill der freiberuflichen Kanzlei oder Praxis darf aber nicht darauf hinauslaufen, künftig zu erzielende Gewinne zu kapitalisieren und güterrechtlich auszugleichen. Vielmehr ist auch insoweit nur der am Stichtag nachhaltig vorhandene Wert der Praxis oder des Praxisanteils zu erfassen, der sich in der bis dahin aufgebauten und zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Nutzungs-möglichkeit niederschlägt…“26

    Entgegen dem IDW S1 Ansatz einer zukunftsorientierten Barwertberechnung künftiger Überschüsse endet bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Zukunft am Bewertungsstichtag (dem Zustellungstag der Scheidungsklage).

    Der Sachverständige hat den Anspruch im BGH-Fall vom 9.2.2011 wie folgt ermittelt:

    26 BGH vom 9.2.2011 a.a.O.

    DM

    durchschnittliche Praxiseinnahmen 1996-1998 3.116.476,17

    90 % davon als nachhaltig realisierbar 90% 2.804.828,55

    abzgl. Kosten, Ausgaben, AfA pp 1.859.314,00

    durchschnittl. Praxisrohgewinn 1996-1998 945.514,55

    abzgl. Ertragsteuern darauf 35% 330.930,09

    abzgl. Unternehmerlohn (2 Inhaber) 180.000,00

    Ertragswert 434.584,46

    multipl. mit nachschüssigen Rentenbarwertfaktor 2,7620

    Goodwill 1.200.322,28

    zzgl. Substanzwert 189.985,00

    Praxiswert mod. Ertragswertmethode 1.390.307,28

    davon 1/2 = Anteil Antragsteller 50% 695.153,64

    abzgl. latente ESt (Fünftelregelung) 373.996,00

    Ausgleichsanspruch aus Praxis 321,157,64

    Aus vorstehender Berechnung ergeben sich weitere Fragen:

    ` Wie wird der kalkulatorische Unternehmerlohn ermittelt?

    ` Woraus ergibt sich der Rentenbarwertfaktor? ` Welche Steuerlast kann vom Praxiswert abgezogen

    werden?

    Zu 1) und 3): Mit Urteil vom 2.2.2011 hat der BGH entschieden, dass bei der Bewertung des Goodwills ein Unternehmerlohn abzusetzen ist, der den individu-ellen Verhältnissen des Praxisinhabers entspricht. Der Unternehmerlohn hat insbesondere der beruflichen

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    Erfahrung und der unternehmerischen Verantwortung Rechnung zu tragen sowie die Kosten einer ange-messenen sozialen Absicherung zu berücksichtigen. Von dem ermittelten Wert der Praxis sind unabhängig von einer Veräußerungsabsicht latente Ertragsteuern in Abzug zu bringen. Diese sind nach den tatsächli-chen und rechtlichen Verhältnissen zu bemessen, die am Stichtag vorlagen.27

    Zu 2) Der Kapitalisierungszins bildet zusammen mit der Kapitalisierungsdauer rechnerisch wichtige Ein-flussfaktoren in jeder Ertragswertberechnung und von entscheidender Bedeutung. Den Rentenbarwert-faktor „hat das sachverständig beratene Oberlandes-gericht mit einem Rentenbarwertfaktor multipliziert und für das Ende der Ehezeit mit 2,7624 bemessen. Dabei hat es den im Rahmen seiner Bewertungsme-thode um die Ertragssteuer reduzierten Basiszinssatz, einen Zuschlag für das allgemeine Unternehmensri-siko, eine Abzinsung der Zukunftsgewinne und eine dreijährige Nachhaltigkeitsdauer berücksichtigt.“28 Dies ergibt einen Kapitalisierungszins von 4,25 %. Höhe des Basiszinses, sowie Höhe des Risikozuschla-ges können wie folgt für den relevanten Zeitraum geschätzt werden: 4,5 % abzgl. 35 % ESt = Netto-Basiszins zzgl. rd. 45 % Risikozuschlag (4,5–1,58 = 2,93+1,33 =4,24).

    Offen bleiben die Bestimmungsgründe des mit drei Jahren bemessenen Kapitalisierungszeitraums, hier

    als „Nachhaltigkeitsdauer“ bezeichnet. Warum beträgt sie hier bei einer Gemeinschaftspraxis nur drei Jahre und im zitierten BGH-Fall v. 9.2.2011 für eine StB-Einzelpraxis sechs Jahre? Die Begrifflichkeit und zeitli-che Begrenzung der Nachhaltigkeitsdauer ist mit der Methode der modifizierten Übergewinnverrentung verbunden und primär der Literatur29 und Rechtspre-chung30 zur Bewertung von medizinischen Praxen zu entnehmen. Sie wird z.T. mit zwei bis fünf Jahren an-genommen, weil der Erwerber nach dieser Zeit den Wert des Patientenstammes durch das gewonnene Vertrauen seiner Patienten auf sich übertragen ha-ben soll. Andere Autoren beziffern die Nachhaltig-keitsdauer der Gewinnerzielung je nach objekt- oder subjektbedingter Unterscheidung des Goodwills mit einer Dauer zwischen drei und acht Jahren31.

    Der Begründungsvielfalt zur Bestimmung der Nach-haltigkeits- oder Goodwillverflüchtigungsdauer32 sind damit kaum Grenzen gesetzt. In der wissenschaftli-chen Literatur werden Übergewinnverfahren über-wiegend abgelehnt.33 Eine Verdoppelung der Nach-haltigkeitsdauer auf „unverdächtige“ sechs Jahre hätte im Fall der Gemeinschaftspraxis (BGH vom 2.2.2011) den Goodwillanteil um rd. 530.000 DM bzw. 56 % erhöht. Ob es sich lohnt, für diesen Betrag ein paar Überlegungen anzustellen, mag der Leser entschei-den…

    27 BGH vom 2.2.2011, XII ZR 185/08, DStR 2011, 1683.28 BGH v. 2.2.2011, Rz 42.29 Vgl. z.B. Boos, der den Zeitraum der Nachhaltigkeit als zentrale Fragestellung beim modifizierten Ertragswertverfahren bezeichnet, Bewertung von Arztpraxen

    im Rahmen des Zugewinnausgleichs“, MedR 2005, 203; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer ärztlichen Praxis, Band 5 Beratungsservice für Ärzte, 5. Aufl. 2005, S.80 f. Für StB vgl. Hübner/Hübner, Abenteuer Steuerberatung, S. 32.

    30 Schlesw.-Holst. OLG vom 29.1.2004, 5 U 46/97, MedR 2004, 215.31 Kralicek/Kralicek/Böhmdorfer, Kennzahlen für Geschäftsführer, 425.32 Knief, Praxisbewertungstool für Steuerberaterpraxen, Rz 1827, www.peter-knief.de.33 Schmitz, Unternehmensbewertungstheorie und –praxis – Validität praxisrelevanter Unternehmensbewertungsverfahren, Diss. 2010, Berg. Universität Wuppertal,

    S. 61 mit Verweis auf Moxter, Die Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, ZfbF 1980, 454.

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    11. KAUFPREIS – WIE SETZT ER SICH ZUSAMMEN?

    Was bestimmt den Kaufpreis? Ein vorstehend nach dem Umsatzverfahren ermittelter Praxiswert bezieht sich nur auf den ideellen Praxiswert, verstanden als Wert des Mandantenstammes. Der Kaufpreis insge-samt ergibt sich überschlägig wie folgt:

    „bereinigter“ €-Umsatz (BMG)x Multiplikator (%)= ideeller Praxiswert (€)+ Substanzwert (Inventar)+ ao Erträge (z.B. Mietkaution, DATEV-Rückvergütung, Bankbürgschaft)= Verkaufspreis (€ Netto o. USt)

    Bei der Bewertung des Substanzwertes, hier primär des Inventars, hat sich in der Praxis statt einer Einzel-bewertung oder Übernahme der Buchwerte, häufig eine Pauschalierung bzw. Schätzung als vorteilhaft erwiesen. Vor der Praxisübertragung entstandene For-

    derungen und Verbindlichkeiten werden üblicherweise nicht vom Käufer übernommen, sondern vom (Alt-)Praxisinhaber realisiert.

    Achtung Fallstrick: Bewertung des Literaturbestandes! Jahr(zehnt)elang z.T. persönlich eingeordnete Ergän-zungslieferungen in Loseblattsammlungen führen gelegentlich zu einer überhöhten Wertschätzung der vorhandenen Bibliothek, die zu Fehlentscheidungen führen können: „Wer meine Bibliothek nicht achtet, wird auch meine Mandanten nicht achten!“ Pauscha-langebote können hier aus einer emotionalen Ver-handlungssackgasse führen.

    Beim Ertragswertverfahren gem. IDW S1 kommt zum Er-tragswert (Barwert der finanziellen Überschüsse) noch der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens (Tz 59 ff). Vereinfacht kann dies dem vor-stehend genannten Substanzwert gleichgesetzt werden.

    12. NACHTRÄGLICHE KAUFPREISÄNDERUNGEN?

    Häufig gewünscht und ggfs. zur Mandantenüberlei-tung sinnvoll kann sein, dass der Verkäufer für einen bestimmten Zeitraum als Freier Mitarbeiter für den Er-werber tätig wird. Das kann kostenfrei z.B. 5 Stunden pro Woche im Zeitraum von 1-3 Monaten erfolgen, darüber hinaus ein zu vergütender Stundensatz von x vereinbart werden. Kaufpreiserhöhend kann aber gere-gelt werden, wenn der Verkäufer nach der Praxisüber-tragung neue Mandate für den Erwerber akquirieren kann. Solche nachträglich gewollten Erhöhungen des Verkaufspreises sind zulässig und eher einvernehm-lich, aber explizit im Verkaufsvertrag, zu vereinbaren.

    Kontrovers wird dagegen die Frage nachträglicher Kaufpreissenkungen diskutiert, wenn Mandanten nach dem Übertragungsstichtag kündigen34. Der bis-her erzielte Umsatz kann auch sinken, weil sich die Honorar-Bemessungsgrundlagen bei den Mandanten verändert haben. Diese vertraglichen Regelungen wer-den z.T. als Minderungs-, Umsatzrückrechnungs- oder Springerklausel bezeichnet. Geltend gemacht werden sie gern mit dem Hinweis, man wisse ja nicht ob die

    Mandanten bleiben, oder wie sich die Umsätze nach der Übergabe entwickeln würden. Häufige Frage, ob das Ausscheiden bzw. Verlustrisiko vom Erwerber oder noch vom Verkäufer zu tragen ist: „Was machen denn die Anderen, was ist üblich?“ Es kann unterschiedlich geregelt werden:

    1. Endgültiger Preisabschlag (in % vom Gesamtpreis oder pauschal in €)

    2. Minderungsklausel (nach tatsächlicher Entwick-lung)

    3. Kompromiss-Auffüll-Klausel (nachträgliche Minde-rungen und Zuwächse werden berücksichtigt)

    4. Endgültiger Kaufpreis (ohne nachträgliche Variatio-nen)

    Persönliche Auffassung des Verfassers: Vor der Praxisübergabe sind die Mandanten zu befra-gen, ob sie das Auftragsverhältnis mit dem Erwerber fortsetzen. Nur die zustimmenden Mandanten wer-den auch bezahlt, nicht Zustimmende scheiden aus der Bemessungsgrundlage aus. Gekaufte Mandate

    34 Synonym zu verstehen für Fälle der Betriebsaufgabe, Insolvenz usw.

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    sind für den Erwerber wie selbst extern vom Markt ge-wonnene Mandate zu behandeln. Zu beiden kann zu Beginn kein Vertrauensverhältnis bestehen, sondern muss durch gemachte Erfahrungen aufgebaut werden. Damit liegt es allein im Einflussbereich, Geschick und (Wohl-)Wollen des Erwerbers wie intensiv und zufrie-

    denstellend er das Auftragsverhältnis zum Mandanten gestaltet, darauf hat und soll i.d.R. der Verkäufer kei-nen Einfluss mehr (haben). An diesem laufenden Ge-schäftsrisiko würde sich der Verfasser nicht beteiligen wollen.

    Achtung Vertragsfalle: „Der Kaufpreis bestimmt sich nach dem Umsatz, der nach einem Jahr ab der Praxisübergabe erzielt wird.“ Mit einer solchen unbegrenzten Klausel lassen sich sehr wirksam wirtschaftlich unattraktive Mandanten aussondern (sog. B- und C-Mandate). Die Klauseln finden sich in verschiedensten Varianten in fast allen Musterverträgen! Im Ergebnis kann der Erwerber den endgültigen Kaufpreis bestimmen. Auch der Hinweis auf Korrektur-Formulierungen „…soweit sie nicht vom Erwerber zu vertreten sind…“ bringt keine Rechtssi-cherheit.35 Persönliches Fazit: keine Klausel, keine Preisabschläge!

    13. KAUFPREISZAHLUNG – WIE ABWICKELN ?

    Entgeltlich (Barzahlung, Raten, Renten, Mischformen, Umsatz-/Gewinnbeteiligungen, Sachwerte) oder un-entgeltlich (Schenkung, vorweggenommene Erbfol-ge)? Jede Tilgungsform hat steuerliche Konsequen-zen für Verkäufer und Erwerber (für letzteren auch betriebswirtschaftliche). Wann und wie sollte/könnte der Kaufpreis gezahlt werden? Entscheidend sind m.E. die Lebenspläne des Verkäufers.

    Überwiegend (nicht als „berufsüblich“ zu werten!) wird vereinbart: ` Anzahlung bei Vertragsschluss: Dokumentiert bei-

    derseitig die Ernsthaftigkeit der Vertragsdurchführung ` 2. Teilzahlung bei Praxisübergabe ` Restzahlung(en) je nach Wunsch und Einzelumstän-

    den bis zu 1-2 Jahren nach Übergabestichtag.

    Rentenzahlungen: Nein danke, wenn sie nicht durch sofort vollstreckungsfähige Titel abgesichert sind/wer-den können.

    Abzahlungen durch Beteiligung an Umsätzen oder Ge-winnen, z.B. fünf Jahre 20 % vom Umsatz? Kann man machen, bedeutet aber fünf Jahre Unsicherheit und Beteiligung in/an der künftigen Entwicklung. Außer-dem zu kontrollieren bzw. Einsichtnahme in Unterla-gen, die den erworbenen Mandantenstamm von neu und selbst gewonnenen Mandanten unterscheidet.

    Von welchen Käufern sind sichere Finanzierungen zu erwarten? Jüngere Erwerber (Existenzgründer) finan-zieren i.d.R. durch KfW-Mittel (15-20 % Eigenkapital wird erwartet). Etablierte Berufsangehörige verfü-gen i.d.R. über höheres Eigenkapital, erwarten aber auch belastbare Renditedaten der Praxen. Berufs-Gesellschaften/-Netzwerke/-Ketten versprechen z.T. großzügige Finanzlösungen. Fraglich ist, was zum Zeit-punkt x tatsächlich auf dem Konto des Verkäufers ein-gegangen ist/bleibt.

    35 Zur Nichtigkeit einer solchen Klausel vgl. OLG Naumburg vom 19.7.2005, 1 U 83/04, Stbg 2006, S. 80; Zu deren Wirksamkeit bei Kenntnis des Käufers von ihrer Bedeutung, OLG Naumburg vom 29.3.2006, 1 U 48/05, INF 2006, S. 484.

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    14. ACHTUNG VERSCHWIEGENHEITSPFLICHT: ZUSTIMMUNG DER MANDANTEN ERFORDERLICH!

    Der BGH hat mehrfach entschieden, dass aufgrund des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die Man-danten schriftlich der Übergabe ihrer edv-gespeicher-ten Daten an den Praxisnachfolger zustimmen müssen. Ein Verstoß tatsächlicher oder rechtlicher Art (im Ver-trag) hätte die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge.

    Rechtlich nicht tragfähig sind Literaturhinweise, die durch „Scheinsozietäten“ das Problem zu umgehen versuchen. Der vom BGH entschiedene Fall war nur auf Grund der besonderen tatsächlichen Umstände ge-rechtfertigt, weil die Erwerber seit Jahren die Mandan-ten kannten und deren RA-Fälle bearbeitet hatten36. Keinesfalls genügt eine Fallgestaltung, in der sich Pra-xisinhaber A und Käufer B einfach mit einem gemeinsa-men Briefkopf (Schein- oder Außensozietät, wenn sie nicht gesellschaftsrechtlich verbunden sind) sozusagen stillschweigend an die Mandanten wenden, ohne auf die beabsichtigte Übertragung hinzuweisen.

    Wer klagt oder ficht den Vertrag an? Nicht die Man-danten, deren Rechte verletzt sind, sondern der (unzu-friedene) Käufer. Die Konsequenz: Keine langwierigen Wandlungs- oder Minderungsansprüche gem. BGB, sondern grundsätzlich Nichtigkeit. Dies bedeutet Her-ausgabe des Kaufpreises und Herausgabe der Mandan-ten. Letzterer Anspruch richtet sich auf eine faktische und rechtliche Unmöglichkeit, so dass ein Wertersatz gem. § 812 BGB zu leisten wäre. Andauernde und kostspielige Rechtstreitigkeiten und Mandantenverlus-te sind absehbar, deshalb seien Verkäufer eindringlich vor einer „großzügigen“ Vorgehensweise oder Einschät-zung gewarnt.

    Wie holt man die schriftliche Zustimmung der Mandan-ten ein? Nicht zu empfehlen ist die Durchführung eines Mandantenabends, bei dem der Nachfolger vorgestellt wird und darauf zu hoffen, das das Erscheinen als kon-kludentes Handeln der Mandanten zu werten wäre. Befriedigte Neugier ja, aber rechtlich nicht ausreichend.

    Fazit: Ein Schreiben an die Mandanten, in dem man die Absicht zur Übertragung bekannt gibt, aus Altersgründen oder auf Rat des Arztes, den Nachfolger als vertrauenswürdige Person vorstellt (weil seit x Jahren beruflich schon erfolgreich zusammengearbeitet/fortgebildet etc.), auf die Notwendigkeit der Rückäußerung verweist, deshalb um eine Unterschrift auf dem anhängenden Talon und um Rückfax bis zum ... bittet. Diese zur aktiven Umsetzung auffordernde Weise hat sich praktisch gewährt. Ein Schreiben mit der bloßen Information und lediglich beigefügter Rückantwort animiert zur passiven Kenntnisnahme.

    36 BGH v. 13.6.2001, VIII ZR 176/00, NJW 2001, 2462.

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    15. PRAKTISCHE UND VERTRAGLICHE FALLSTRICKE

    Selbstverständlich erscheint es Erwerbern nett, hilf-reich, unterstützend usw. wenn die Verkäufer anbieten, noch nicht abgeschlossene Arbeit nach der Praxisüber-gabe zu Ende zu führen, weil „man den Mandanten und seine Falltücken ja besser kennt“. Richtig, proble-matisch nur, wenn dieses Angebot nicht nur aus bes-ten altruistischen Absichten erfolgt, sondern um ein Druckmittel zu behalten, wenn z.B. vereinbarte Kauf-preisraten nicht oder nicht pünktlich eingehen. Ebenso selbstverständlich ist es, das in erster Linie die Erwer-ber dafür zu sorgen haben, dass der Eingang des Kauf-preises oder Teilen davon fristgerecht erfolgt. Dass die Bank „ganz überraschend jetzt doch nicht mitspielt“, ist i.d.R. nicht vom Verkäufer zu vertreten.

    Wo liegt das Problem außer dem Ärger zwischen den beiden Vertragspartnern? Macht der Verkäufer in solchen Fällen ein „stillschweigendes Zurückbehal-tungsrecht“ geltend (natürlich weil noch Belege und Unterlagen fehlen, der Mandant nicht für Rückfragen erreichbar ist/war, die EDV verrückt spielt usw.), tritt der Ärger beim Mandanten ein. Hat er die Zusage vom

    Erwerber, dass sein Jahresabschluss für ein Bankge-spräch bis zum Freitag vorliegt, nützt der darauf folgen-de Mittwoch gar nichts mehr. Termintreue/Pünktlich-keit sind Kriterien, die jeder Mandant beurteilen kann. Ob der Ansatz der latenten Steuern bei seiner kleinen GmbH zu Recht oder Unrecht vorgenommen wurde, kann er nicht beurteilen, dafür hat er ja seinen Berater, dem er vertraut. Soweit sich Streitigkeiten zwischen dem alten und neuen Berater in einer für ihn wahr-nehmbaren Einbuße an Leistungsqualität auswirken, wird er dafür kein Verständnis haben. Zu Recht! Im Er-gebnis wird er die mangelhafte Leistung dem neuen Berater zurechnen, das erst beginnende Vertrauens-verhältnis ist von Beginn an gestört/beeinträchtigt.

    Lösung 1: Pünktlich zahlen. Lösung 2: Grundsätzlich keine Abschluss-/Nacharbeiten mehr vom Verkäufer. Lösung 3: Nachträgliche Arbeiten ja, aber mit strikter Kontrolle einzuhaltender Termine und Fristen inkl. Puf-ferzeiten für eigene Nacharbeiten. Problematisch bleibt hier das Restrisiko der real leicht zu unterlaufende Über-gabe bzw. Herausgabe von Daten und Unterlagen!

    15.1. ZURÜCKBEHALTUNG ARBEITSUNTERLAGEN

    15.2. ÜBERZOGENE WETTBEWERBSVERBOTE

    Wer aus Altersgründen seine Praxis veräußert, wird i.d.R. nicht darüber nachdenken, nach zwei oder mehr Jahren wieder seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Trotzdem, um den Erwerbern rechtlich die Chance ab-zusichern, das Vertrauensverhältnis zu nunmehr „sei-nen“ Mandanten in Ruhe und ungestört aufzubauen, sind in fast allen Verträgen Wettbewerbsverbote und/oder Mandantenschutzklauseln vereinbart. Wettbewerbsverbote sind nicht unbegrenzt zulässig, sondern für die Beschränkung muss ein anzuerken-nendes Interesse bestehen.

    ` Sachliche (auf die bestehenden Mandatsbeziehungen und erbrachten Tätigkeitsgebiete),

    ` örtliche (regionaler Wirkungskreis ca. 50 km Radius um Praxisstandort) und

    ` zeitliche (zwei bis drei 3 Jahre) Grenzen sind zu beachten.

    Wird nur gegen die zeitliche Grenze verstoßen, also z.B. ein 10-jähriges Verbot ausgesprochen, billigt die Rechtsprechung eine Reduzierung der Regelung im Wege der so genannten geltungserhaltenden Redukti-on auf das vertretbare Maß. So hat der BGH für Sozie-täten entschieden, dass Mandantenschutzklauseln, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Freiberufler-Sozietät vereinbart werden, ent-halten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das räumlich und gegenständlich hinreichend bestimmt ist. Soweit eine solche Klausel das zeitlich tolerable Maß von zwei Jahren überschreitet, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Abrede, sondern hat lediglich die zeit-liche Begrenzung des Mandantenschutzes auf längs-tens zwei Jahre zur Folge.37

    Wird eine Vereinbarung getroffen, die gegen zwei oder alle drei genannte Kriterien verstößt, wird das

    37 BGH vom 8.5.2000, II ZR 308/98, BB 2000, 1420.

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    Verbot insgesamt unwirksam. Anders ausgedrückt, der Veräußerer müsste sich nicht an das Verbot halten und könnte wieder konkurrierend tätig werden. Zum Wettbewerbsverbot bzw. Mandantenschutzklauseln ist zahlreiche Rechtsprechung ergangen. Erhellende Klarheit bringt ein Urteil des OLG Düsseldorf, in dem dieses zwei Fallgruppen unterscheidet:1. Ausscheidende Gesellschafter, hier bleibt es bei

    der zeitlichen Wirksamkeitsgrenze von 2 Jahren38.2. Unternehmens-(Praxisverkäufe): Hier wird eine

    Grenze von fünf Jahren als vereinbar angesehen. Zwar bleibt es immer bei der Berücksichtigung der Einzelumstände, die aber im Vertrag explizit ausge-drückt werden können39.

    Auf Literatur40, besser noch auf anwaltliche Beratung, wird verwiesen.

    Bewusste Kenntnisse des Steuerberatungsgesetzes sind erforderlich, wenn ein Veräußerer darauf verweist, dass man sich wegen einer nachträglichen Konkur-renz keine Gedanken machen müsse, weil man auf die Bestellung als StB verzichtet (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG), quasi dauerhaft nicht mehr tätig sein darf. Ein Blick ins Gesetz verrät aber, dass gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ehemalige Steuerberater wiederbestellt werden können (ohne erneutes StB-Examen!).

    Auch eine mehrjährige Pause kann eben nur eine trü-gerische Ruhe sein: Ein Steuerberater hatte in einem entschiedenen Fall nach Ablauf eines dreijährigen ver-traglichen Wettbewerbsverbots, das er im Rahmen des Verkaufs seiner Praxis eingegangen war, mit einem persönlichen gehaltenen Schreiben an Mandanten, die zu dem verkauften Mandantenstamm gehörten, auf seine erneut aufgenommene Steuerberatertätigkeit hingewiesen. Dies verstößt selbst dann gegen § 32 II BOStB, wenn in dem Schreiben nicht ausdrücklich zur Erteilung eines Mandanten aufgefordert wird.41

    Bei Nachfolgegestaltungen in denen der Erwerber vor der Praxisübergabe einführend mitarbeiten soll (als angestellter Steuerberater oder als Freier Mitarbeiter) sind vereinbarte Wettbewerbsverbote ebenfalls nur in Grenzen und mit Auflagen verbunden. Die für kauf-männische Angestellte geltenden Wettbewerbsrege-lungen der §§ 74 ff HGB sind wegen des vergleich-baren Schutzbedürfnisses auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter anzuwenden.42 Sie sind z.B. dann unwirksam, wenn keine Karenzentschädi-gung vorgesehen sind, die mindestens 50 % des letz-ten durchschnittlichen Honorars umfasst und während der Dauer des Wettbewerbsverbots gezahlt wird.

    15.3. NICHT REALISIERBARE ÜBERNAHMEBEDINGUNGEN

    Zum Teil ist zu beobachten, dass die Praxis nicht zu einem definierten Stichtag 2.1.201..… übernommen werden kann, sondern vom Eintritt bestimmter Bedin-gungen abhängig gemacht wird.Das können Bedingungen bezogen auf die wirtschaft-liche Entwicklung der Praxis sein, z.B. wenn der Um-satz/Gewinn einen bestimmten Betrag oder in Pro-zentwert erreicht oder überschreitet. Dies wird z.B. in Fällen vereinbart, wenn der Erwerber vorbereitend in der Praxis mitarbeitet (gem. § 58 StBerG).

    Noch vager wird es, wenn die Praxisübertragung von der Einschätzung des Praxisinhabers abhängig wird, also z.B. wenn er/oder die Mandanten mit der Arbeits-

    leistung des Erwerbers zufrieden ist, oder „die Ver-tragsparten die Übertragung noch im gegenseitigen Einvernehmen noch vereinbaren werden“

    Wirtschaftliche Daten und persönliches „Wollen“ kön-nen auch kombiniert werden. Worin liegt das Problem? Reale Fälle zeigen, dass die Bedingungen nie erfüllt wurden, der geplante Praxiserwerb also nicht realisiert wurde. „Sie haben wohl ihr unternehmerisches Po-tential in Bezug auf Umsatzsteigerungen/Mandanten-gewinnung überschätzt“. Es dürfte wohl deutlich ge-worden sein, dass solche Vereinbarungen mehr oder weniger nur dazu dienen, die Praxisdaten zu verbes-sern, Arbeitsrückstände aufzuholen u.a.m.

    38 BGH vom 20.01.2015, II ZR 369/13, DB 2015, 484.39 OLG Düsseldorf vom 23.10.2015, I-22-U-37/15, MDR 2015,1285 mit Anmerkungen von Wehmeier in, StBg 5/2016 i.V.40 Vgl. z.B. Wehmeier, Praxisübertragungen, S. 30 ff. 41 OLG Frankfurt vom 25.9.2009, 6 U 112/08 rkr., DStR 2009, 1331. 42 BGH vom 10.4.2003, III ZR 196/02, NJW 2003, 1864.

    Empfehlung: Die Praxis wird zum Stichtag xy übergeben.

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    16. ÜBERGANGSMODELLE ZU NACHFOLGEGESTALTUNGEN

    Nachfolgend in Stichworten alternative Nachfolgegestaltungen beim Verkauf einer Einzelpraxis:

    1. Herausgabe Praxisschlüssel – Herausgabe Kaufpreis2. Praxisübergabe – Weitere Mitarbeit des Veräußerers 2.1. Unentgeltlich, z.B.: 3 Monate bis 5 Std. /Woche 2.2. Entgeltlich, wie vor ab 4. Monat oder über 5. Std./Woche oder insgesamt ab 1. Std. für

    Stundensatz x maximal y Std./Woche (nur auf Anforderung des Erwerbers) 2.3. Angestellter StB nach § 58 StBerG (ggfs. befristet) 2.4. Freier Mitarbeiter (auf Anforderung) 3. Vorbereitung der Nachfolge/Übergabe 3.1. Interner Mitarbeiter in Vorbereitung auf StB-Examen 3.2. Externer StB wird angestellt oder als Freier Mitarbeiter beschäftigt (ohne / mit Information über

    beabsichtigte Nachfolge) 3.3. Vereinbarung einer Praxisvertretung (verdeckte oder offene Annäherung als Nachfolger)4. Vereinbarung einer Bürogemeinschaft (Informationsumfang wie vor)5. Vereinbarung einer Sozietät/Partnerschaft/PartGmbB 5.1. zeitlich befristet (Übergangsgesellschaften) 5.2. dauerhaft (langfristig) angelegt6. Gründung einer StB-GmbH (Einbringung Einzelpraxis)7. Gründung/Umwandlung in StB-GmbH & CoKG

    Allgemein sollte Alternative 1. angestrebt werden. Die Praxis wird übergeben, der Kaufpreis in Gänze so-fort bezahlt. Nachträgliche Einwendungen gehen real häufig ins Leere, weil einer der Vertragspartner z.B. nicht mehr zu erreichen ist, oder Korrekturen nur nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten (ggfs.) zu realisieren wären.

    Alternativen 2: Die weitere Mitarbeit des Veräußerers ist häufig noch deren verständlicher Wunsch („Ich fühle mich noch fit genug“), widerspricht aber fast im-mer den Intentionen der Nachfolger. Deren unkom-mentiertes Werkeln und Entscheiden in den eigenen Räumen, steht an oberster Stelle ihrer Wunschliste. Eine klare Regelung wann endgültig Schluss ist, ist Mi-nimum solcher Lösungen.

    Alternativen 3: Risikobehaftet! Was ist wenn sich die potentiellen Erwerber nicht als geeignet herausstellen, sie die Mandanten aber im Grunde alle schon kennen. Mit der eigenen Kündigung oder seitens des Praxisin-habers stellt sich die Frage des Mandantenverbleibs. Bleiben sie beim Senior oder folgen sie den Verlo-ckungen der Jugend?

    Ausgleichspflichtige Mandantenschutzklauseln usw. sind bedingt wirksam, führen möglicherweise trotz-dem zur wirtschaftlichen Minderung des Mandanten-stammes und gefährden zudem den Verbleib der Mit-arbeiter, die sich ebenfalls an der Zukunftstauglichkeit orientieren werden.

    Alternative 4: Für mittelfristige Lösungen, da ange-strebte Kosteneinsparungen zwar ein Zweck sind, für eine schnelle/direkte Übergabe aber ein unnötiger Zwischenschritt wären.

    Alternative 5 - 5.1.: Häufig gewünscht, aber risiko-reich. Warum? In der Regel werden wegen der meist auf zwei bis vier Jahre befristeten Zusammenarbeit keine schriftlichen Sozietätsverträge geschlossen. Real wollen die Veräußerer an den Abläufen der Vergan-genheit festhalten, „schließlich haben sie sich 30 Jah-re lang bewährt!“ Die Jugend drängt aber zu Neuem: Veränderung ist das einzig Dauerhafte. Die Frage ist, wer hat die besseren Nerven (wenn Argumente nichts gelten). Konsequenzen wie unter Alternativen 2. Minimalvoraussetzung: Exakter Sozietätsvertrag mit deutlichen Vertragsstrafen und finanziellen Aus-

  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

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    gleichszahlungen für vorfristiges Ausscheiden, Man-dantenmitnahme usw.

    Alternative 6: Aus haftungsrechtlichen Gründen die bessere Alternative als eine Sozietätsgründung (Belas-tungsvergleiche der laufenden steuerlichen Besteue-rung und wg. Rechtsformwechsels, u.a. Vermeidung Aufdeckung stiller Reserven usw., können nur unter Beachtung aktuell gültiger Normen angestellt wer-den). Die StB-GmbH bietet auch die für aufstiegswil-lige Mitarbeiter wichtigen Karrierestufen: Büroleiter – angestellter StB - Prokurist - Fremd-Geschäftsführer - Gesellschafter-Geschäftsführer. Aber zu bedenken ist das Ende, der Verkauf der GmbH-Anteile. Deren mangelnde Abschreibungsfähigkeit führt i.d.R. zum erwerberseitigen Anspruch eines Kaufpreisnachlasses.

    Der alleinige Erwerb des Mandantenstammes ist alter-nativ möglich, führt aber u.a. zur Konsequenz, dass die Mandanten wiederum schriftlich ihre Zustimmung zur Datenübertragung geben müssen.

    Alternative 7: Nach dem klarstellenden Beschluss des BGH, dass eine Steuerberatungsgesellschaft in der Form einer KG mit dem Gesellschaftszweck geschäfts-mäßige Hilfeleistung in Steuersachen einschließlich der Treuhandtätigkeit im Handelsregister eingetragen werden kann, steht der Umwandlung für Steuerbera-ter zulässiger Rechtsformen in die CoKG nichts mehr im Weg. Die mit den vorgenannten Alternativen ver-bundenen Nachteile: Haftung, keine AfA lassen sich hiermit vermeiden. Der Formalaufwand und –kosten sollten dem m.E. nicht im Wege stehen.

    17. ÜBERSICHT ABLAUFPLAN PRAXISNACHFOLGE

    Konkrete Lösungsvorschläge können aufgrund der Vielzahl kombinierbarer Details nur in der Kenntnis der Umstände im Einzelfall gemacht werden. Bei allen Alternativen müssen Vor- und Nachteile in betriebs-

    wirtschaftlicher, berufs-, zivil-, haftungs- und steuer-rechtlicher Hinsicht bedacht werden. Die nachfolgend genannten Ansprechpartner in den DStV-Mitgliedsver-bänden stehen für eine solche Beratung zur Verfügung.

    Zeitraum 2016 TO-DO-Liste Praxisübertragung Individuelle Anmerkungen

    Februar - März Entscheidung Verkauf per 2. Januar 2017…

    AprilZusammenstellung Unterlagen (Mandantenliste, EÜR usw.)Erst-Bewertung Praxis (Kaufpreiswunsch oder -Schätzung)

    April - Juli Kontaktsuche/AngebotsangabeKontaktaufnahme mit potenziellen InteressentenKlärung: Interessen/Voraussetzungen/BedingungenUnterzeichnung Vertraulichkeitserklärung

    Juni Entwurf Kaufvertrag (Grob-Ziele Vertragspartner)

    Juli - August Ergänzung Unterlagen (BWA) Vertragsverhandlungen Preisfestsetzung (Konditionen, Nebenabreden)

    August Nachweis Finanzierungs-Zusicherung

    September Vertragsunterzeichnung (notariell?)Anzahlung KaufpreisInformation der Mitarbeiter

    Oktober Einholen schriftliche Zustimmungen MandantenInformation sonst. Vertragspartner (Vermieter, Versiche-rungen, Lieferanten, StBK etc.)

    Mitte November Nachfassen fehlende Zustimmungserklärungen

    2. Januar 2017 Praxisübergabe (Zweite/Rest-Kaufpreiszahlung)

    Januar - März unentgeltliche - überleitende Tätigkeit

    April - Juni entgeltliche - überleitende Tätigkeit

    Oktober Restzahlung (wenn Umsatzklausel o. wg. Jahresmandate)

  • PRAXISERWERB UND -NACHFOLGE BEI STEUERBERATENDEN BERUFEN

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    ANHANG: REGIONALE ANSPRECHPARTNER

    DStV-BWLandesverband der steuerberatenden und wirtschafts-prüfenden Berufe Baden-Württemberg e.V.www.dstv-bw.de

    Landesverband der steuerberatenden und wirtschafts-prüfenden Berufe in Bayern e.V.www.lswb.bayern

    Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg - Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe e.V.www.stbverband.de

    Steuerberaterverband im Lande Bremen e.V.www.stbv-bremen.de

    Steuerberaterverband Düsseldorf e.V.Verband der steuerberatenden und prüfenden Berufewww.stbverband-duesseldorf.de

    Steuerberaterverband Hamburg e.V.www.steuerberaterverband-hamburg.de

    Steuerberaterverband Hessen e.V.Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfen-den Berufewww.steuerberaterverband-hessen.de

    Steuerberater-Verband e.V. KölnVerband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfen-den Berufewww.stbverband-koeln.de

    SteuerberaterverbandMecklenburg-Vorpommern e.V.www.stb-verband-mv.de

    SteuerberaterverbandNiedersachsen Sachsen-Anhalt e.V.www.steuerberater-verband.de

    Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz e.V.www.stb-verband-rlp.de

    Verband der steuerberatenden Berufe im Saarland e.V.E-Mail: [email protected]

    Steuerberaterverband Sachsen e.V.Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfen-den Berufewww.stbverband-sachsen.de

    Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V. www.stbvsh.de

    Steuerberaterverband Thüringen e.V.www.stbverband-thueringen.de

    Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V.www.stbv.de

  • Weitere Informationen finden Sie auf WWW.DSTV-PRAXENBÖRSE.DE

    In der Praxenbörse können Sie Ihre indivi-duellen Wünsche und Daten eintragen. Die Daten (Name und Anschrift) werden nur dem Verband bekannt und nur dieser ver-mittelt zwischen den Berufsangehörigen.

    Ihr Inserat wird vollständig anonym behan-delt, weder Name noch Adresse werden veröffentlicht. Interessenten können nur über ein Online-Kontaktformular mit Ihnen Kontakt aufnehmen.

    Ihre Anzeige wird ausschließlich auf den Internetseiten des DStV und seiner Mit-

    gliedsverbände veröffentlicht. Unmittelbar erreichen Sie damit 36.500 Steuerberate-rinnen und Steuerberater, die Mitglieder der regionalen Steuerberaterverbände sind. Außerdem erreichen Sie auch weitere Inte-ressenten im ganzen Bundesgebiet, so dass Ihre Anzeige einem sehr breiten Publikum bekannt wird.

    Im Gegensatz zu anderen Plattformen kom-merzieller Anbieter ist der Eintrag in der DStV-Praxenbörse für Verbandsmitglieder kostenfrei. Auch die Recherche nach Ange-boten ist kostenlos möglich.

    Ihre Vorteile

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    In guten Händen: Die DStV-Praxen-und Kooperationsbörse für Steuerberater

    Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe

  • Deutscher Steuerberaterverband e.V.

    Littenstraße 10 · 10179 Berlin

    Telefon: 030 278