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VDI-Buch Praxiswissen der chemischen Verfahrenstechnik Handbuch für Chemiker und Verfahrensingenieure Bearbeitet von Daniel S Christen 2., bearb. u. erg. Aufl. 2009. Buch. xx, 619 S. Hardcover ISBN 978 3 540 88974 8 Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm Gewicht: 1110 g Weitere Fachgebiete > Technik > Verfahrenstechnik, Chemieingenieurwesen, Lebensmitteltechnik > Chemische Verfahrenstechnik schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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VDI-Buch

Praxiswissen der chemischen Verfahrenstechnik

Handbuch für Chemiker und Verfahrensingenieure

Bearbeitet vonDaniel S Christen

2., bearb. u. erg. Aufl. 2009. Buch. xx, 619 S. HardcoverISBN 978 3 540 88974 8

Format (B x L): 15,5 x 23,5 cmGewicht: 1110 g

Weitere Fachgebiete > Technik > Verfahrenstechnik, Chemieingenieurwesen,Lebensmitteltechnik > Chemische Verfahrenstechnik

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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Kapitel 2Projektierung

2.1 Maßstabsvergroßerung

Eine Hauptaufgabe der chemischen Verfahrenstechnik besteht darin, Ergebnisseaus dem Labor in den industriellen Maßstab zu ubertragen. Die Laborexperimenteermoglichen das Studium von verfahrenstechnischen Vorgangen auf eine einfa-che, schnelle, sichere und kostengunstige Art. Wesentliche Vorgange konnen ohneviel Aufwand untersucht werden. Auch Extrembedingungen lassen sich in Labor-apparaturen vereinfacht einstellen und beherrschen. Die Laborapparatur stellt dasModell des großtechnischen Apparats, d. h. der Hauptausfuhrung dar. Damit dieExtrapolation der Resultate von einem kleinen auf einen großen Maßstab gelingt,mussen zwischen der Laborapparatur und dem großtechnischen Apparat gewisseAhnlichkeiten vorhanden sein und der Vergroßerungsfaktor darf ein vernunftigesMaß nicht uberschreiten. In der chemischen Verfahrenstechnik hat sich eine Ver-großerung eines Prozesses uber drei Stufen durchgesetzt, wobei die verarbeiteteStoffmenge schrittweise um etwa den Faktor 1 000 gesteigert wird (Tabelle 2.1).

Ahnlichkeiten

Zwischen Modell und Hauptausfuhrung konnen folgende Ahnlichkeiten vorliegen:

1. Geometrische AhnlichkeitEine geometrische Ahnlichkeit liegt vor, wenn ein Modell durch lineare Ver-großerung all seiner Abmessungen in eine raumliche Ubereinstimmung mit derHauptausfuhrung gebracht werden kann (s. Abb. 2.1). Die Abmessungen vonModell und Hauptausfuhrung unterscheiden sich in jeder Raumkoordinate nur

Tabelle 2.1 Entwicklung eines verfahrenstechnischen Prozesses vom Labor zum industriellenMaßstab

Vergroßerungsschritt Anlagentyp/Bezeichnung Produktemengen

1 Labormaßstab Gramm/Milliliter2 Pilotmaßstab Kilogramm/Liter3 Produktionsmaßstab Tonnen/Kubikmeter

D.S. Christen, Praxiswissen der chemischen Verfahrenstechnik, 21

DOI 10.1007/978-3-540-88975-5 2, c© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010

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Abb. 2.1 GeometrischeAhnlichkeit

A

B

z

durch den Vergroßerungsfaktor z. Punkte auf dem Modell und auf der Haupt-ausfuhrung, die sich geometrisch entsprechen, nenntmanhomolog. GeometrischeAhnlichkeit zwischenModell und Hauptausfuhrung ist eine Grundvoraussetzungfur die meisten verfahrenstechnischen Maßstabsvergroßerungen.

�1

�′1

= �2

�′2

= AB

A′B′ = z = const (2.1)

2. Physikalische AhnlichkeitEine physikalische Ahnlichkeit zwischenModell undHauptausfuhrung liegt dannvor, wenn physikalische Großen wie z. B. Temperatur, Geschwindigkeit oderViskositat an homologen Punkten des Modells und der Hauptausfuhrung ganzallgemein in einem konstanten Verhaltnis zu einander stehen.

y1y′1

= y2y′2

= const (2.2)

In der Praxis zeigt sich leider oft, dass nicht alle maßgebenden physikalischenGroßen in Modell und Hauptausfuhrung konstant gehalten werden konnen. Manversucht dann, wenigstens diejenigen physikalischen Großen ahnlich zu halten,die fur den Prozess am wichtigsten sind, und uberpruft die Vergroßerungsergeb-nisse kritisch. EineAuswahl von haufig verwendeten physikalischen Ahnlichkei-ten ist im Folgenden vorgestellt.

3. Kinematische AhnlichkeitDie Geschwindigkeiten an homologen Punkten des Modells und der Haupt-ausfuhrung stehen in einem konstanten Verhaltnis zu einander. Die Richtungender Geschwindigkeitsvektoren stimmen inModell und Hauptausfuhrung uberein.

�v1�v′1

= �v2�v′2

= const (2.3)

4. Dynamische AhnlichkeitDie Krafte an homologen Punkten des Modells und der Hauptausfuhrung stehenin einem konstanten Verhaltnis zu einander. Die Richtungen der Kraftvektorenstimmen in Modell und Hauptausfuhrung uberein.

�F1�F′1

= �F2�F′2

= const (2.4)

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2.1 Maßstabsvergroßerung 23

5. Thermische AhnlichkeitDie Temperaturen an homologen Punkten des Modells und der Hauptausfuhrungstehen in einem konstanten Verhaltnis zu einander. Als Maßeinheit fur dieTemperaturen ist hier Kelvin zu verwenden.

T1

T′1

= T2

T′2

= const (2.5)

6. Chemische AhnlichkeitDie chemischen Konzentrationen an homologen Punkten des Modells und derHauptausfuhrung stehen in einem konstanten Verhaltnis zu einander.

c1c′1

= c2c′2

= const (2.6)

Die Abb. 2.2 veranschaulicht die besprochenen Ahnlichkeiten von Modell undHauptausfuhrung anhand eines Ruhrkessels.

Abb. 2.2 PhysikalischeAhnlichkeit in einemRuhrkessel

hT

c

v

FM

M

Scale-Up Methoden

Bei der Ubertragung von Ergebnissen vom Kleinen zum Großen mussen einige Ge-setzmaßigkeiten beachtet werden.Wird z. B. ein Modell um den Faktor z vergroßert,so vergroßert sich seine Oberflache um z2 und sein Volumen gar um z3. Daraus er-geben sich einige erstaunliche Konsequenzen, die anhand von Beispielen diskutiertwerden sollen.

1. Sprungkraft von TierenWarum springt ein Floh 80-mal so hoch wie seine Korpergroße und ein Frosch4-mal so hoch, wahrend sich ein Elefant in der Regel nur im Schritttempofortbewegen kann? Die maßgebende Große fur die Sprungkraft ist der Muskel-querschnitt. Der Sprungkraft wirkt die Schwerkraft des Tieres entgegen. DerMuskelquerschnitt nimmt mit einer linearen Vergroßerung des Tierkorpers umz2 zu. Die Schwerkraft ist aber eine Funktion des Korpervolumens und steigtum z3. Insgesamt sinkt also das Verhaltnis von Sprungkraft zur Schwerkraft bei

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einer Maßstabsvergroßerung um den Faktor z−1. Es ist also nur logisch, dassgroße Tiere keine großen Sprunge vollfuhren konnen. Dies bleibt den kleinenvorbehalten!

2. Festigkeit von ApparatenBei geometrisch ahnlicher Vergroßerung wachsen die tragenden Querschnitte ei-ner Apparatur mit z2, das Gewicht und das Volumen mit z3 und das durch dieSchwerkraft und den Hebelarm bedingte Drehmoment gar mit z4. Das Drehmo-ment ist z. B. von zentraler Bedeutung, wenn dieWindlast eines Turms oder einerim Freien stehenden Rektifikationskolonne berechnet werden soll. Ein linear 100-mal vergroßerter Grashalm wird unter seinem Gewicht abknicken, selbst wennWerkstoffe der hochsten Festigkeit zum Einsatz kamen.

3. Kuhlung eines RuhrkesselsSteht fur die Kuhlung eines Ruhrkessels nur die Außenwand zur Verfugung,so nimmt die Austauschflache fur den Warmetransport mit z2 zu und das Re-aktionsvolumen mit z3. Die Kuhlflache pro Reaktionsvolumen sinkt folglichbei einer Maßstabsvergroßerung um den Faktor z−1. Zudem wird der Weg desWarmetransports vom Reaktorinneren zur Außenwand um den Faktor z langer,d. h. die Kuhlung einer Reaktion in einem Ruhrkessel gestaltet sich bedeutendschwieriger als in einer kleineren Apparatur, z. B. in einem Reagenzglas. Dieskann bei stark exothermen Reaktionen zu kritischen Zustanden fuhren. Es istdann entweder der Warmeubergang zu verbessern z. B. mit leistungsfahigerenRuhrwerken, oder es sind zusatzliche Kuhlflachen anzubringen z. B. mit einemaußenliegenden separaten Kuhler mit Zwangszirkulation (s. Abb. 2.3), oder derReaktionsumsatz pro Zeit ist zu verkleinern z. B. durch Verdunnung der Edukte,was selbstverstandlich nicht gern gemacht wird.

V ~ z 3 A ~ z 2

VK

M

VK

VK

VK

Abb. 2.3 Ruhrreaktor mit einem externen Kuhler (Rohrbundelwarmeubertrager)

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2.1 Maßstabsvergroßerung 25

Um die Probleme einer Maßstabsvergroßerung in den Griff zu kriegen und umsinnvolle Resultate zu erhalten, hat sich in der chemischen Verfahrenstechnik dieDenkweise bewahrt, die relevanten dimensionslosen Kenngroßen bei Modell undHauptausfuhrung konstant zu halten.

Dimensionslose Kenngroßen

Die Maßstabsvergroßerung bei konstant gehaltenen dimensionslosen Kenngroßensoll als erstes anhand eines Beispiels aus der Musik illustriert werden. In der Familieder Streichinstrumente gibt es eine Reihe vonKlangkorpern, die geometrisch ahnlichaufgebaut sind und ein ahnliches Klangbild zeigen, sich aber durch eine unterschied-liche Tonhohe auszeichnen. Es sind dies z. B. die Geige, die Bratsche, das Cello undder Kontrabass (Abb. 2.4).

Maßgebende physikalisch Großen fur die Schwingungsfrequenz f dieser Instru-mente sind die Lange der Saiten λ, die Saitenspannung σ und die Dichte desSaitenmaterials ρ. Aus diesen physikalischen Großen kann eine dimensionsloseKennzahl gebildet werden, die sogenannte Stradivarizahl (Gl. (2.7)). Es stellt sichheraus, dass fur die Familie der 4-saitigen Streichinstrumente die Stradivarizahl stetsden Wert 0,2 annimmt.

Sv = �2 · ρ · f2σ

= 0,2 (2.7)

2,0

2,81,0

0,9

Abb. 2.4 Familie der Streichinstrumente als Beispiel der Maßstabsvergroßerung mit konstanterdimensionsloser Kennzahl. Kastenlange und Frequenz der hochsten Saite: Geige 35,5 cm 660Hz,Bratsche 40 cm 440 Hz, Cello 79 cm 220Hz, Kontrabass 110 cm 98Hz

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Die Problemstellung der Maßstabsvergroßerung wird durch die Einfuhrung vondimensionslosen Kenngroßen massiv vereinfacht.

1. Bei der Maßstabvergroßerung mussen nicht einzelne Parameter konstant gehal-ten werden (wie z. B. Saitenspannung oder -dichte). Vielmehr mussen nur die ausden relevanten Parametern zusammengesetzten dimensionslosenKenngroßen un-verandert bleiben. Dadurch gewinntman eine gewisse Freiheit bei der Einstellungder einzelnen Parameter. Die einzelnen Parameter durfen variieren. Hauptsacheist, dass die aus den Parametern gebildeten dimensionslosen Kenngroßen desModells und der Hauptausfuhrung ubereinstimmen.

2. Jede physikalische Funktion und damit auch jeder Vorgang in der chemischenVerfahrenstechnik lasst sich durch eine mathematische Beziehung mit lauterdimensionslosen Kenngroßen darstellen. Dies ist auch logisch. Physikalische Ge-setze wiederspiegeln die Gesetze der Natur und Naturgesetze gelten unabhangigvon den verwendeten Maßeinheiten. Naturgesetze sind dimensionslos.

3. Durch Anwendung von dimensionslosen Kenngroßen lasst sich die Anzahl dernotwendigen Versuchsparameter reduzieren. Damit sinkt der Arbeitsaufwand furdie experimentelle Untersuchung eines Vorgangs und fur die Interpretation derResultate.

4. Die Darstellung eines Vorgangs in Diagrammen wird vereinfacht. Ein Problemmit vielen physikalischen Parametern reduziert sich auf wenige dimensionsloseKenngroßen. Mit der Stradivari-Zahl werden vier Parameter in nur einer einzigenGroße zusammengefasst. Das Problem kann so in einem einzigen Diagrammdargestellt werden.

5. Computerberechnungen laufen rein numerisch ab. Berechnungsfehler, weil denZahlenwerten nach der Berechnung falsche Maßeinheiten hinzugefugt werden,entfallen.

6. Beziehungenmit dimensionslosenKenngroßen gelten sowohl fur angelsachsischeals auch fur SI-Einheiten. Eine Umrechnung der unterschiedlichen Maßeinheitenist nicht notwendig.

Dimensionslose Kenngroßen leiten sich in der Regel aus demVerhaltnis verschie-dener am Prozess beteiligter physikalischer Großen ab. Haufig wird ein Verhaltnisaus den maßgebenden Kraften gebildet, z. B.

Reynoldszahl

Re = Tragheitskraft

Reibungskraft= Fρ

Fη= ρ · �2 · v2

η · � · v = ρ · � · vη

(2.8)

Froudezahl

Fr = Tragheitskraft

Schwerkraft= Fρ

FG= ρ · �2 · v2

ρ · �3 · g = v2

� · g (2.9)

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2.1 Maßstabsvergroßerung 27

Weberzahl

We = Tragheitskraft

Oberflachenspannungskraft= Fρ

Fσ= ρ · �2 · v2

σ · �= ρ · � · v2

σ(2.10)

Eulerzahl

Eu = Druckkraft

Tragheitskraft= Fp

Fρ= �p · �2

ρ · �2 · v2 = �p

ρ · v2 (2.11)

Wenn bei einer Maßstabsvergroßerung empfohlen wird, die dimensionslosenKenngroßen Re, Fr, We oder Eu von Modell und Hauptausfuhrung konstant zuhalten, bedeutet dies, dass das Verhaltnis der maßgebenden Krafte im Modell undin der Hauptausfuhrung gleich bleiben sollen. Nebst dimensionslosen Kenngroßen,die als Verhaltnis von Kraften gebildet werden, gibt es auch dimensionslose Kenn-großen, die aus dem Verhaltnis anderer physikalischer Großen hergeleitet werden,wie z. B.

Nusseltzahl

Nu = konvektiver Warmetransport

konduktiver Warmetransport= Qkonv

Qkond= α · �2 · �T

λ · � · �T= α · �

λ(2.12)

Sherwoodzahl

Sh = konvektiver Stofftransport

diffusiver Stofftransport= nkonv

ndiff= β · �2 · �c

D · � · �c= β · �

D(2.13)

Es gibt auch reine Stoffkenngroßen, d. h. dimensionslose Kenngroßen, die nurStoffwerte enthalten, wie z. B. die Prandtl- (Pr), die Schmidt- (Sc) und die Lewiszahl(Le). Mit den Homochronitatszahlen (Ho I bzw. Ho II) kann die Zeit dimensionslosdargestellt werden. Einen Uberblick uber die in der chemischen Verfahrenstechnikam haufigsten verwendeten dimensionslosen Kenngroßen liefert die Tabelle 2.2.Weitere Kenngroßen werden in den entsprechenden Kapiteln vorgestellt.

Buckingham �-Theorem

Mit dem Buckingham�-Theorem konnen die dimensionslosen Kenngroßen, die furdie Problemlosung relevant sind, direkt aus derAufgabenstellung hergeleitet werden.Das Buckingham�-Theorem besagt, dass sich ein physikalisches Problemmit n ver-schiedenenEinflussparametern, die aus p verschiedenenSI-Basiseinheiten aufgebautsind, auf (n–p) dimensionslose Kenngroßen reduzieren lasst. Die so hergeleitetendimensionslosen Kenngroßen nennt man auch �-Großen (Pi-Großen). Durch dieReduktion derAnzahl maßgebender Einflussgroßen vereinfacht sich die Losung des

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Tabelle 2.2 Dimensionslose Kenngroßen der chemischen Verfahrenstechnik

Name Definition Anwendungsgebiet Bemerkungen

ARCHIMEDES Arg · �3 · �ρ

ν2 · ρSedimentation g = Erdbeschleunigung

ν = kinematischeViskositat

DAMKOHLER I Da I kr · cn−1 · τ Chemische Reaktionen τ = mittlere Verweilzeitkr = Reakt.gschw.kst.

DAMKOHLER II Da II�2 · kr · cn−1

DStofftransport kontrollierte,chemische Reaktion

n = ReaktionsordnungD = Diffusionskoeffizient

DAMKOHLER III Da III� · kr · cn · �hr

α · TWarmetransport kontrollierte,chemische Reaktion

α = Warmeubergangskoeff.�hr = Reaktionsenthalpie

EULER Eu�p

ρ · v2Stromungslehre(Rohrstromung)

v = mittlere Stromungs-geschwindigkeit

FROUDE Frv2

g · �

Stromungslehre(Gravitation)

g = Erdbeschleunigung

GAY-LUSSAC Gay1

β · �TWarmeausdehnung β = Warmeaus-

dehungskoeffizient

GRASHOF Grg · �3 · γ · �T

ν2Stromungslehre(freie Konvektion)

γ = kubischer Ausdeh-nungskoeffizient

HATTA Ha2D · kr · cn−1

β2Stofftransportkontrolliertechemische Reaktion

β = Stoffubergangskoeff.D = Diffusionskoeffizient

HOMOCHRON I Ho Iv · t�

instationare Vorgange bei Rohr gilt

(z. B. Rohrleitung) � = Rohrlange

HOMOCHRON II Ho II f · t instationare Vorgange(Ruhrkessel)

f = Frequenz, Drehzahl

LEWIS Lea

DWarme- und Stofftransport a = Temperaturleitzahl

D = Diffusionskoeffizient

NEWTON Nep

ρ · v2 Stromungslehre(Ruhrkessel)

v = �·f� = Ruhrerdurchmesser

NUSSELT Nuα · �

λWarmeubertragung α = Warmeubergangskoeff.

λ = Warmeleitkoeffizient

PRANDTL Prη · cp

λ= ν

aWarmeubertragung a = Temperaturleitzahl

cp = spez. Warmekapazitat

REYNOLDS Reρ · � · v

η= � · v

νStromungslehre η = dynamische Viskositat

ν = kinematische Viskositat

SCHMIDT Scη

ρ · D = νD

Stofftransport ν = kinematische ViskositatD = Diffusionskoeffizient

SHERWOOD Shβ · �

DStofftransport β = Stoffubergangskoeff.

D = Diffusionskoeffizient

WEBER Weρ · � · v2

σStromungslehre(Zerstaubung)

σ = Oberflachenspannung

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2.1 Maßstabsvergroßerung 29

Problems, wie dies eingangs des Kapitels dargestellt wurde. Die Vorgehensweisezur Bestimmung der �-Großen sei anhand des Beispiels einer Druckzerstaubungdiskutiert. Bei der Druckzerstaubung einer Flussigkeit spielen folgende Parametereine wichtige Rolle:

1. Druck p,2. Dichte ρ,3. Viskositat η,4. Oberflachenspannung σ,5. Dusendurchmesser (= charakteristische Abmessung) d,6. Geschwindigkeit v.

Zur Beschreibung der sechs Einflussparameter braucht es die drei SI-Basiseinheiten:

1. Kilogramm (kg),2. Meter (m),3. Sekunde (s).

Aus der Anzahl der Einflussparameter (n = 6) und der Anzahl der Basiseinheiten(p = 3) folgt, dass drei dimensionslose Kenngroßen (�-Großen) zur vollstandigenBeschreibung einer Druckzerstaubung genugen (s. Tabelle 2.3). Die Funktionsweiseeines Zerstaubers lasst sich also vereinfacht wiedergeben mit der mathematischenBeziehung �1 = f (�2, �3). Wie konnen nun aber die dimensionslosen �-Großenhergeleitet werden? Und wie wird die Funktion �1 = f (�2, �3) gebildet? Esempfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

1. Auflistung der maßgebenden Einflussgroßen mit SI-Einheiten; Bestimmung vonn und p

Als Beispiel sei weiterhin die Druckzerstaubung angefuhrt (s.Tabelle 2.3).

Tabelle 2.3 Beispiel von Einflussparametern und SI-Einheiten fur die Druckzerstaubung

Einflussparameter Symbol Maßeinheit

Druck p kg·m−1·s−2

Dichte ρ kg·m−3 ⇒ n = 6Viskositat η kg·m−1·s−1 p = 3Oberflachenspannung σ kg·s−2 (n–p) = 3Geschwindigkeit v m·s−1

Dusendurchmesser d m

2. Wahl von p primaren Einflussgroßen

Primare Einflussgroßen werden spater in den hergeleiteten �-Großen auftre-ten. Die primaren Einflussgroßen sollten deshalb z. B. durch Messungen leichtzuganglich sein, einfach aufgebaut sein und insgesamt alle auftretenden Maß-einheiten umfassen. Als primare Einflussgroßen bei der Zerstaubung wahlt manbeispielsweise denDruck p, die Geschwindigkeit v und denDusendurchmesser d.

3. Beschreibung der n–p sekundaren Einflussgroßen als exponentielle Funktionender p primaren Einflussgroßen

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In unserem Fallbeispiel der Zerstaubung sind die Dichte ρ, die Viskositat η unddie Oberflachenspannung σ sekundare Einflussgroßen. Wir schreiben nun diesekundaren Großen als exponentielle Funktionen f der primaren Großen.

ρ = f1(p,v,d) ∼ pa1 · vb1 · dc1 (2.14)

η = f2(p,v,d) ∼ pa2 · vb2 · dc2 (2.15)

σ = f3(p,v,d) ∼ pa3 · vb3 · dc3 (2.16)

4. Vergleich der Exponenten, fur jede sekundareGroße und jedeBasiseinheit einzeln

Statt der Symbole fur die primaren und sekundaren Einflussgroßen werdennun die korrespondierenden SI-Basiseinheiten in die obigen Beziehungen (Gl.(2.14)–(2.16)) eingesetzt. Die Exponenten werden fur jede Basiseinheit in jederGleichung einzeln bestimmt, sodass gesamthaft gesehen links und rechts desGleichheitszeichens fur jede Basiseinheit die gleiche Potenz steht. Daraus folgendie numerischen Werte fur die Exponenten a1, a2, a3, b1, b2, b3, c1, c2, c3.

Fur die Dichte ρ (Gl. (2.14)) gilt:

Basiseinheiten:

kg · m−3 = (kg · m−1 · s−2)a1 · (m · s−1)b1 · mc1 (2.17)

kg · m−3 = kga1 · s−2a1−b1 · m−a1+b1+c1 (2.18)

Vergleich der Exponenten:

kg: 1 = a1 → a1 = 1 (2.19)

s : 0 = −2a1 − b1 = −2 − b1 → b1 = −2 (2.20)

m : −3 = −a1 + b1 + c1 = −1 − 2 + c1 → c1 = 0 (2.21)

Fur die Viskositat η (Gl. (2.15)) gilt:

kg · m−1 · s−1 = kga2 · s−2a2−b2 · m−a2+b2+c2 → a2 = 1; b2 = −1; c2 = 1(2.22)

Fur die Oberflachenspannung σ (Gl. (2.16)) gilt:

kg · s−2 = kga3 · s−2a3−b3 · m−a3+b3+c3 → a3 = 1; b3 = 0; c3 = 1 (2.23)

5. Bildung der n–p �-Großen

In die Beziehungen des Punkts 3 werden jetzt die in Punkt 4 hergeleitetennumerischen Exponenten eingesetzt. Die n–p �-Großen werden durch Divisionder primaren Großen durch die jeweilige sekundare Große gebildet. Eventuellbesitzen die �-Großen bereits einen Namen, wie sich mit Hilfe der Tabelle 2.2

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2.2 Planung von Chemieanlagen 31

herausfinden lasst (z. B. Gl. (2.24)). Manchmal sind die �-Großen auch ausbekannten Zahlen zusammengesetzt (z. B. Gl. (2.25), (2.26)).

ρ = p · v−2 → �1 = p

ρ · v2 = Ne (2.24)

η = p · d · v−1 → �2 = p · dv · η

= Ne · Re (2.25)

σ = p · d → �3 = p · dσ

= Ne ·We (2.26)

6. Verknupfung der n–p �-Großen zu einer physikalisch sinnvollen Beziehung

Die Abhangigkeiten der �-Großen von einander kann aus Modellvorstellungenoder aus Experimenten hergeleitet werden. In der Praxis uberwiegt die Herleitungaus Experimenten. Im vorliegenden Fall ergibt sich folgende Abhangigkeit

�1 = f(�2, �3) → Ne = f(Re, We) (2.27)

Somit ist es gelungen, die Problemstellung mit ursprunglich 6 Parametern (p, v,d, ρ, η, σ) auf nur 3 Einflussgroßen (Ne, Re, We) zu reduzieren.

2.2 Planung von Chemieanlagen

Produktionsverfahren werden bei der Planung in einzelne Prozessschritte unterteilt.EinProzessschritt stellt einen in sichgeschlossenenTeilprozess dar undumfasst einenfur den Prozessfortschritt wesentlichen Vorgang wie z. B. das Mischen, Reagieren,Destillieren, Trocknen, Verpacken und andere mehr. Diese Vorgange werden auchals Grundoperationen der Verfahrenstechnik bezeichnet. Ein Produktionsverfahrenbesteht somit aus einerKombinationmodular aufgebauter Produktionsbausteine, denGrundoperationen (auch Einheitsoperationen genannt).

Je nach Projektphase und gewunschtem Detaillierungsgrad verwendet manzur Darstellung des Prozesses und zur Veranschaulichung der Produktionsanlagefolgende Hilfsmittel:

1. Blockschemata,2. Verfahrensfließbilder,3. RI-Schemata,4. Anlagen-Modelle,5. Rohrleitungsmodelle,6. CAD-3D-Grafiken,7. Isometrische Zeichnungen.

Blockschema

Andere Bezeichnungen sind Blockfließbild, Grundfließbild oder schematischesFließbild (engl. Block Diagram). Das Blockschema ist eine stark vereinfachte

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Darstellung des Verfahrens anhand von rechteckigen Kastchen, die die verwende-ten Grundoperationen wiedergeben (Abb. 2.5). Folgende Informationen sollten imBlockschema enthalten sein:

– Bezeichnung der Verfahrensschritte (Rechtecke),– Hauptstoffstrom (von links nach rechts oder von oben nach unten),– Zugefuhrte Rohstoffe (von oben oder von links),– Abgefuhrte Ruckstande,– Bezeichnung der Stoffe zwischen den Verfahrensschritten,– Charakteristische Betriebsbedingungen der einzelnen Verfahrensschritte,– ev. Mengenangaben und Zusammensetzung der Stoffstrome.

Mischen

B

A1 bar25 °C

E

C

Polymerisieren Destillieren Formen

0.1 bar160 °C

5 bar200 °C

Flüssigkeit viskoseSchmelze

viskoseSchmelze

Granulat

D10 bar120 °C

Abb. 2.5 Blockschema einer Polymerisationsanlage; A, B = Monomere, C = Initiator, D =Copolymer, E = Monomere und Oligomere

Verfahrensfließbild

Das Verfahrensfließbild wird auch Verfahrensschema, Fließschema oder Pro-zessschema genannt (engl. Process Diagram). Das Verfahrensfließbild soll dasVerfahren in ausfuhrlicher Art darstellen. Es enthalt alle Informationen uber Stoff-strome, Energien, Hilfsstoffe usw. Die wichtigenApparate werden in schematischerForm festgehalten (s. Abb. 2.6). Das Verfahrensfließbild umfasst:

– Alle fur das Verfahren erforderlichen Hauptapparate und Maschinen (Symbolegemaß DIN 28 004),

– Hauptprozessstrome (Hauptrohrleitungen, Haupttransportwege),– Angabe der Energietrager und Benennung der Energiestrome,– Nummerierung der Rohstoff-, Zwischenprodukt- und Produktstrome innerhalbdes Verfahrens und eingehende Energiestrome; Angabe der Mengenstrome undBetriebsbedingungen in einer erganzenden Tabelle,

– Wesentlichste Aufgaben der Mess-, Steuer- und Regeltechnik (Regelkreise),– Ungefahre Hohenlage der Hauptapparate,– Bezeichnung derApparate, Maschinen und Regelkreise mit Kennbuchstaben undlaufenden Nummern (s. Tabellen 2.4–2.6).

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2.2 Planung von Chemieanlagen 33

W1

K1

W2

TRC

FRC

TRC

TRC

1

5

6

7

2

43

Stelle Bezeichnung Massenstrom/

[kg/h] Temperatur/

[°C] Druck/[bar]

Zusammensetzung/[w-%]

Zustand

1 Feed kalt 400 25 2 55% A, 45% B flüssig2 Dampf 50 180 10 100% Dampf gasförmig 3 Kondensat 50 170 9 100% Wasser flüssig4 Feed heiß 400 140 1.1 55% A, 45% B 2-phasig 5 Sumpf 220 145 1.0 20% A, 80% B flüssig6 Destillat 600 135 1.0 98% A, 2% B gasförmig7 Produkt 180 120 1.0 98% A, 2% B flüssig

Abb. 2.6 Verfahrensfließbild einer Destillationsstufe inklusive dazugehoriger Wertetabelle

Tabelle 2.4 Kennbuchstaben fur Apparate

A: Apparat, Maschine allgemein P: PumpeB: Behalter, Tank, Silo R: Ruhrwerk, RuhrkesselC: Chemischer Reaktor S: Schleuder, ZentrifugeD: Dampfgenerator, Ofen T: TrocknerF: Filterapparat V: VerdichterG: Getriebe W: WarmeubertragerH: Hebe- oder Fordervorrichtung X: Zuteilapparat, sonstige ApparateK: Kolonne, Saule Y: nicht elektrische AntriebeM: Motor Z: Zerkleinerungsmaschine

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34 2 Projektierung

Tabelle 2.5 Kennbuchstaben fur Armaturen

A: Ableiter R: RuckschlagarmaturF: Filter, Sieb, Abscheider S: SchieberG: Schauglas V: Ventil, dosierende SchließvorrichtungH: Hahn, Schließvorrichtung allgemein X: sonstige ArmaturK: Klappe Y: Armatur mit Sicherheitsfunktion

Tabelle 2.6 Kennbuchstaben fur Mess-, Steuer- und Regeltechnik

Erstbuchstabe Erganzungsbuchstabe Folgebuchstabe

D: Dichte D: Differenz A: AlarmE: Elektrizitat Q: Summe, Integral C: RegelungF: Durchfluss V: Verhaltnis I: AnzeigeG: Abstand, Lange R: RegistrierungK: Zeit S: SchaltungL: Fullstand Z: Schaltung im NotfallM: FeuchtigkeitP: Druck +: oberer GrenzwertQ: Qualitat, Konzentration −: unterer GrenzwertR: StrahlungS: GeschwindigkeitT: TemperaturU: zusammengesetzte GroßeV: ViskositatW: Masse, Gewicht

RI-Schema

Das RI-Schema wird auch Rohrleitungs- und Instrumenten-Fließbild, Betriebssche-ma, Apparateschema oder konstruktives Fließbild genannt (engl. P&I-Diagram).Aufgrund der Festlegungen im Verfahrensfließbild lasst sich das RI-Schema erstel-len (s. Abb. 2.7). Es dient der ausfuhrlichen Darstellung der technischenAusrustungeiner Anlage. Dazu sind folgende Informationen notwendig:

– Alle Apparate und Maschinen, Antriebsmaschinen, Rohrleitungen, Armaturen,usw. sind darzustellen (z. T. auch durch vereinheitlichte Symbole). Die Appa-rate und Maschinen sind in ihrer richtigen Hohenlage zueinander einzutragen.Die außere Form und die Hauptabmessung der Apparate konnen maßstablichwiedergegeben werden.

– Nennweiten, Druckstufen (Nenndruck), Werkstoffe und Ausfuhrungen der Rohr-leitungen sind vollstandig anzugeben. Rohrleitungen, Armaturen und Instrumen-tierung sind im Hinblick auf ihre Funktion Lage gerecht einzuzeichnen.

– Isolierungen sind anzudeuten und zu beschriften.– Mess-, Steuer- und Regelungeinrichtungen sind schematisch einzuzeichnen.– Alle Apparate, Armaturen, Rohrleitungen usw. sind mittels Kennbuchstaben undfortlaufenden Nummern zu benennen.

– RI-Schemata sind durch Spezifikationsblatter der Hauptapparate zu erganzen.

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2.2 Planung von Chemieanlagen 35

FRC

W1

P2A

LRCAi

TRC

Pl

MM

V40

1V

401

V40

1

V40

1

V40

1

V40

1

V40

1

V40

1

P2B

PM2B

8 9Pl

PM2A

1

Abb. 2.7 Ausschnitt aus einem RI-Schema (Sumpf einer Bodenkolonne)

– Um die Ubersichtlichkeit zu erleichtern, werden die Kreislaufe der Hilfsmedienoft getrennt zum RI-Schema erstellt.

Anlagenmodell

Dreidimensionale Modelle erleichtern das raumliche Vorstellungsvermogen. Trotzmoderner Planungshilfen, z. B. Raumberechnungen mittels EDV, konnen bei kom-plexenAnlagen Planungsfehler entstehen, die mit Hilfe einesAnlagenmodells (engl.LayoutModel) erkannt und vermieden werden konnen. DasAnlagenmodell beinhal-tet Gebaudeform, Unterteilung der Stockwerke und die wichtigsten Hauptapparate.Die Hauptapparate werden dabei symbolisiert durch einfache Quader, Zylinder, Ke-gel etc. Das Modell wird meist im Maßstab 1:25, 1:33,3 oder 1:50 erstellt. Anhanddes Anlagenmodells werden Aspekte beurteilt wie

– Bedienbarkeit der Apparate,– Massenfluss im Gebaude (horizontal oder vertikal durch Schwerkraft),– Zuganglichkeit der Apparate fur Wartungsarbeiten,– Einfachheit der Montage,– Sicherheit, Fluchtwege etc.

Rohrleitungsmodell

Ein Rohrleitungsmodell (engl. Piping Model) dient dazu, den Leitungsverlaufzweckmaßig zu gestalten und kritisch zu uberprufen. Durchdringungen und Lei-tungszusammenstoße werden rasch erkannt. Bedienungselemente wie z. B. Hand-ventile lassen sich raumlich sinnvoll anordnen. Das Rohrleitungsmodell enthalt

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36 2 Projektierung

nebst den Rohrleitungen und Apparaten samtliche Rohrleitungsarmaturen und dieEinrichtungen der Mess-, Steuer- und Regeltechnik. Das vollendete Modell liefertanschauliche Informationen fur die Fertigung der Rohrleitungen und die Mon-tage. Es kann helfen, isometrische Zeichnungen zu uberprufen, sofern keineCAD-3D-Grafiken vorliegen. Rohrleitungsmodelle eignen sich gut zur Ausbildungvon Bedienpersonal oder zur Orientierung von verschiedenen Personenkreisen.Die Kosten fur ein vollstandig verrohrtes Anlagenmodell betragen ca. 1–2% derInvestitionskosten einer Anlage.

Je nach Ausfuhrung des Rohrleitungsmodells unterscheidet man zwischenVollrohr- und Drahtmodellen. Im Vollrohrmodell werden die Leitungen im richti-gen Maßstab bezuglich des Durchmessers eingebaut. Im Drahtmodell wird nur dieLeitungsachsemit einem dunnenDraht markiert. Der Leitungsdurchmesser kannmitHilfe von aufgesteckten Scheiben angedeutet werden.Auch ist es moglich, die Rohr-leitungen farblich zu kennzeichnen (auch im Betrieb). Gemaß Norm gilt folgenderFarbencode:Wasser: grunWasserdampf: rotLuft: blauGase: gelbSauren: orangeLaugen: violettbrennbare Flussigkeiten: braunVakuum: grau

CAD-3D-Grafik

Anstelle vonAnlagen- oder Rohrleitungsmodellen werden immer haufiger 3-dimen-sionale CAD-Grafiken erstellt. CAD-3D-Grafiken veranschaulichen die Apparate,Innenraume und Verkehrswege in einer realitatsnahen Form (s. Abb. 2.8). Mit Hilfevon CAD-3D-Grafiken kann die Zuganglichkeit und die Bedienungsfreundlichkeitder Apparate am Computer uberpruft werden. CAD-3D-Grafiken stellen auch einHilfsmittel fur die Fertigung der Rohrleitungen und derenMontage dar (isometrischeZeichnungen).

Es darf nicht vergessen werden, dass die Darstellung der CAD-Grafiken aufBildschirmen oder Papierausdrucken nur scheinbar dreidimensional erfolgt. Inder bildlichen Ausgabe ist die CAD-Grafik immer nur zweidimensional. DieMoglichkeiten der 3-dimensionalen Verarbeitung im Computer kommen erst dannrichtig zum Vorschein, wenn man interaktiv am Bildschirm arbeitet und die Anlageunter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Die Vorteile von CAD-Grafiken sind die individuelle Ansicht aus verschiede-nen Perspektiven bei verschiedenen Vergroßerungsmaßstaben, die Moglichkeit dergleichzeitigen Ansicht auf mehreren Bildschirmen an verschiedenen Orten, dieKopierbarkeit und Ubermittlung der Daten uber moderne elektronische Datenlei-tungen sowie eventuell die Entwicklung der Programme im billigeren Ausland.Die Nachteile von CAD-Grafiken sind der hohe Kommunikationsaufwand zwischen

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2.2 Planung von Chemieanlagen 37

dem Auftraggeber und den Programmierern, die gegenuber Kunststoff-Modellenbeschrankte zweidimensionaleVeranschaulichung amBildschirmunddie erschwerteBedienbarkeit des Programms, welche einige Kenntnisse voraussetzt.

Zu den neueren Entwicklungen gehort das sogenannte CAVE (Cave AutomaticV irtual Environment). Dabei werfen Projektoren polarisierte Stereobilder an dieWande, dieDecke und denBoden eines dreimal dreiMeter großen kubischenRaums.Mit Hilfe von Polaroidbrillen konnen Benutzer dreidimensional sehen, wie sich dievirtuelle Bilderwelt um sie herum in Echtzeit andert, je nachdem wie sie sich imRaum bewegen.

Abb. 2.8 CAD-3D-Ansicht eines katalytischen Erdolcrackers; Zeichnung Firma Triplan, BadSoden/D

Isometrische Zeichnung

Eine isometrische Zeichnung (engl. Isometric Drawing) zeigt den 3-dimensionalenVerlauf der Rohrleitungen auf quasi perspektivischeArt in einer zweidimensionalenEbene (s.Abb. 2.9). Die Darstellung der Rohrleitungen erfolgen in einem normiertenaxonometrischen 120 ◦ Netz. Isometrische Zeichnungen bilden dieGrundlage fur dieVorfertigung der Rohrleitung in der Werkstatt und enthalten Angaben uber

– Langenmaße,– Winkelmaße bei Rohrbiegungen,– Raumliche Anordnung,– Art der Rohrunterstutzungen,– Ort und Einbaulage von Armaturen, Messstellen, Regelorganen,– Werkstoffe, Isolierungen,– Stucklisten.

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38 2 Projektierung

600P01

–1333

+200

+2150

315605

X

X

016P01

11GC001–150–016P01EXZ100/50

-1333

5500

500

2EN

D3E

ND

1533

3483

2S-1

3BS

12W

P-1

3EN

D

447

44

4

1150 21

622

025

5

1946

4

2WP

-13E

ND

600P01600B01

+100060000

315605 66000

Y

Y

Abb. 2.9 Isometrische Zeichnung

2.3 Projektmanagement

DasWort „Projekt“ stammt aus demLateinischen und bedeutet im ubertragenen Sinn„Plan“ oder „Entwurf“. Heutzutage versteht man unter einem Projekt ein komplexesVorhaben mit definierter Zielvorgabe, das fur begrenzte Zeit die Zusammenarbeitmehrerer Funktionen oder Personen erfordert. Ein Projekt lauft zielgerichtet in meh-rerenPhasen ab undwird auf einenTermin hin abgeschlossen (Abb. 2.10). EinProjektbenotigt Ressourcen personeller, materieller, apparativer und finanzieller Art.

zielgerichtet

neuartig

einmalig

komplex

terminiertProjekt

interdisziplinär

Abb. 2.10 Eigenschaften eines Projekts

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2.3 Projektmanagement 39

Projektphasen

Im Verlauf eines Projekts stehen verschiedene Aufgaben im Vordergrund wie z. B.die Problemanalyse, die Losungssuche, die Ausarbeitung von Losungsvorschlagen,die Realisierung der Problemlosungen und die Nutzung der neuen Losung. Ent-sprechend den verschiedenen Aufgaben gliedert sich der Ablauf eines Projekts inunterschiedliche Projektphasen (s. Abb. 2.11). Nach jeder Phase stellt sich die Fra-ge, ob ein Projekt weiterhin Erfolg verspricht und weiterverfolgt werden soll. EinProjekt kann auch zeitweilig zuruckgestellt oder ganzlich abgebrochen werden.

Bedarfsanalyse (Projektphase 0)

In der Bedarfsanalysewerden Projektideen gesammelt, Probleme analysiert,Abwei-chungen zu Zielen und Sollfunktionen untersucht und erste Losungsmoglichkeitengrob skizziert. Aus der Bedarfsanalyse resultiert der eigentliche Vorschlag zu einemProjekt. Da die Bedarfsanalyse noch ohne direkten Auftrag durchgefuhrt wird undohne Zuteilung von finanziellen Mitteln oder personellen Ressourcen erfolgt, tragtsie als Projektphase die Nummer 0.

1. Projektdefinition

2. Projektstudie

3. Vorprojekt

4. Detailprojekt

5. Realisierung

6. Inbetriebnahme

7. Erfolgskontrolle

0

1

2

3

4

5

6

0. Bedarfsanalyse

Projektauslösung

Projektstart,Kreditbewilligung für Projektstudie

Kreditbewilligung fürVorprojekt

Investitionsabsicht,Kreditbewilligung für Detailprojekt

Kreditbewilligung fürAusführung

Freigabe für Inbetriebnahme

Genehmigung derSchlussabrechnung

Projektidee,Projektvorschlag

Ziele, Abgrenzungen,Organisation

Problemanalyse,Vorgehenskonzept,Lösungsideen

Lösungskonzepte mitZeit- und Kostenschätzung

ausgearbeitete Lösung mitZeit- und Investitionsplanung

Ausführung, Montage

Testläufe, Validierung,Übergabe an Betrieb

Rechenschaftsbericht,Verbesserungsvorschläge

Abb. 2.11 Projektphasen und ihr Ablauf beim Bau einer chemischen Anlage

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40 2 Projektierung

Projektdefinition (Projektphase 1)

Wird der Projektvorschlag positiv beurteilt, so wird das eigentliche Projekt mit derProjektdefinition gestartet. In der Projektdefinition wird ein Projektteam zusammen-gestellt und ein Projektleiter gewahlt. VorhandenesWissen wird zusammengetragenund Grobziele werden definiert (Produkte, Apparate, Mengen, Qualitat, Zeitrahmen,Kosten). Es wird zwischen Musszielen undWunschzielen unterschieden. Musszielesind fur den Erfolg des Projekts unabdingbar, wahrendWunschziele moglichst erfulltsein sollten, um das Projekt erfolgreich zu gestalten. Randbedingungen und Schnitt-stellen zum Umfeld (betroffene Bereiche, Verantwortlichkeiten, Hilfsmittel; engl.Scope) mussen unmissverstandlich definiert werden.

Die Zielformulierung muss losungsneutral sein. Die Zielformulierung darf dieWahl der Problemlosung keinesfalls vorwegnehmen, sondern soll sich daraufbeschranken, die gewunschten Wirkungen der gesuchten Problemlosung zubeschreiben. Die Zielformulierung darf nicht nur eine Liste mit erwunschtenWirkungen enthalten, sondern soll auch unerwunschte Wirkungen aufzeigen,die zu vermeiden sind. Die Liste der Projektziele kann bei Bedarf hierarchischunterteilt werden in Gesamtziele, Teilziele und Detailziele. Bedarfsanalyse undProjektdefinition gehoren zur Vorphase eines Projekts.

Projektstudie (Projektphase 2)

Sofern das Projekt weiterhin Erfolg verspricht, folgt die Projektstudie. Der Ziel-katalog wird nochmals kritisch uberarbeitet. Vorhandenes Wissen wird analysiertund fehlendes Wissen erganzt (Stoffdaten, Sicherheitsdaten, Verfahrensdaten, Be-willigungen, Gesetze, Verordnungen). Aufgrund der Problemanalyse und der ver-langten Ziele werden Losungsideen kreiert und bewertet (Kosten, Risiken, Termine,Zielerfullung).

Eventuell werden kritische Verfahren im Labor uberpruft oder weiterentwickelt.Am Ende der Projektstudie liegen drei Dokumente vor, eine vollstandige Problem-analyse, ein uberarbeiteter Zielkatalog und mehrere Losungsideen inklusive erstertechnischer und finanzieller Bewertung.

Vorprojekt (Projektphase 3)

Im Vorprojekt werden aus den in der Projektstudie vorgeschlagenen Projektideendie erfolgversprechendsten ausgewahlt und hinsichtlich potenzieller Probleme beiihrer Realisierung durchleuchtet. Der Zielkatalog wird in ein Lastenheft eingear-beitet. Das Lastenheft definiert die Anforderungen des Auftraggebers (Betreibers,Kunden) an die Anlage bzw. den Prozess. Losungskonzepte werden hinsichtlich ih-rer Machbarkeit auf dem Papier oder im Labor uberpruft (engl. Feasibility Study).Ziel des Vorprojekts sind zwei bis drei gangbare Losungskonzepte mit Bewertungund Vorschlag der bevorzugten Variante.

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2.3 Projektmanagement 41

Die Kosten fur die Realisierung des Projekts sollten auf 20% genau abgeschatztwerden. Dazu werden Anbieter, Ersteller bzw. Lieferanten angefragt. Der Anbie-ter leitet aus dem Lastenheft ein Pflichtenheft ab. Im Pflichtenheft spezifiziert derAnbieter, wie dieAnforderungen zu erfullen sind. Rentabilitatsrechnungen und Sen-sitivitatsanalysen (Risikoanalysen) bieten eine solide Entscheidungsgrundlage furdas weitere Vorgehen. Die folgenden Phasen sind namlich bedeutend kostspieligerals die vorhergegangenen.

Detailprojekt (Projektphase 4)

Soll eine der Projektvarianten zur Ausfuhrung gelangen, folgt das Detailprojekt.Das Detailprojekt entspricht einer Feinplanung. Apparate werden technisch spe-zifiziert, Gebaude werden ausgelegt, Montageplane werden erstellt, eventuell wirdeine Umweltvertraglichkeitsprufung erarbeitet, Bewilligungen bei Behorden werdeneingeholt, eventuell wird Land gekauft. Ziele der Detailplanung sind exakt ausge-arbeitete Projektierungsunterlagen mit technischen Spezifikationen und Zeitplaneninklusive Angaben uber die Zeitpunkte von finanziellen Ausgaben und die Dauervon gebundenen personellen und materiellen Ressourcen. Die Kostenschatzung furdie Realisation des Projekts soll jetzt eine Genauigkeit von 10% erreichen. Darauswird der Kreditantrag fur die Realisierung des Projekts abgeleitet. Projektstudie,Vorprojekt und Detailprojekt gehoren zur Entwicklungsphase eines Projekts.

Realisierung (Projektphase 5)

Falls der Kredit fur die Ausfuhrung des Projekts gesprochen wird, folgt die Reali-sierung. Auftrage werden vergeben und laufend hinsichtlich Kosten, Terminen undZielerfullung uberwacht. Meilensteine, d. h. Ereignisse mit besonderer Bedeutungfur den Erfolg des Projekts, ermoglichen die kritische Uberprufung des Projektfort-schritts und allenfalls den Entscheid uber eine Anderung der Zielsetzung oder dieZuteilung neuer Mittel. Im Extremfall ist auch ein Abbruch oder ein Aufschub desProjekts denkbar. Vollzogene Auftrage mussen abgenommen werden. Betriebs- undWerkstattpersonal werden im Hinblick auf die neuen Aufgaben eingeschult. Zuhan-den des Auftraggebers werden Fortschrittsberichte erstellt. Ziel der Realisierung istdie fertig installierte und mechanisch geprufte Anlage.

Inbetriebnahme (Projektphase 6)

Wahrend der Inbetriebnahme geht die Verantwortung fur die Anlage vomAnlagen-bauer zum Benutzer der Anlage uber. An der Inbetriebnahme sind folglich sowohlder Anlagenbauer als auch der zukunftige Benutzer beteiligt. Großere Anlagen wer-den in der Regel zuerst in Anlagenbereiche unterteilt, die fur sich allein in Betriebgenommen werden. Bei Anlagen mit kritischen Inhaltsstoffen (toxisch, okotoxisch,

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42 2 Projektierung

feuergefahrlich, explosiv) wird die Funktionsweise der Anlage zuerst mit einem un-gefahrlichenMedium, z. B.Wasser uberpruft (Fachjargon:Wasserspiele). Dannwirddas im Betrieb verwendete Losungsmittel ohne chemische Reaktion eingesetzt.

Die technische Uberprufung der Apparate und ihrer Funktion nennt man Qua-lifizierung. In der Entwurfsqualifizierung (DQ, Design Qualification) uberpruft derAuftraggeber, ob die vom Ersteller gelieferten Dokumente (Spezifikationen, Pla-nungsunterlagen etc.) die im Lastenheft festgelegten Anforderungen erfullen. Inder Installationsqualifizierung (IQ) werden die physische Existenz der spezifiziertenAusrustung und die ordnungsgemaße Installation gepruft. In der Funktionsquali-fizierung (OQ, Operational Qualification) wird getestet, ob die Apparate und dasGesamtsystem in der Lage sind, die im Prozess verlangten Funktionen auszuuben.

Verlauft die Inbetriebnahme in qualitativer und quantitativer Hinsicht erfolgreich,somussen die verfahrenstechnischenAblaufe eventuell validiert werden. DieValidie-rung uberpruft, ob einVerfahren reproduzierbar zum gewunschten Ergebnis fuhrt. Inder Leistungsqualifizierung (PQ, Performance Qualification), die sich uber mehrereWochen erstrecken kann, wird untersucht, mit welcher Menge und Qualitat ein Pro-dukt erzeugt werden kann. Ein speziellesAugenmerk richtet sich auf die Einhaltungvon Grenzwerten. Betriebs- undWartungsanweisungen werden letztmals angepasst.

Qualifizierung und Validierung sind schriftlich zu dokumentieren. Bei Abwei-chungen mussen Garantiearbeiten ausgefuhrt werden. Die Benutzer der Anlagewerden fertig eingeschult. Schließlich wird die Schlussrechnung erstellt und dieAnlage mitsamt Dokumentation an den Auftraggeber ubergeben. Realisierung undInbetriebnahme gehoren zur Ausfuhrungsphase eines Projekts.

Erfolgskontrolle (Projektphase 7)

Nach erfolgter Inbetriebnahme legen die Verantwortlichen in einer ErfolgskontrolleRechenschaft ab uber den Verlauf des Projekts:

– Wurden Kosten und Termine eingehalten?– Stimmen die Betriebsdaten mit den Auslegungsdaten uberein?– Wurden die vereinbarten Ziele erreicht?– Wo und warum gab es Probleme?– Wo und warum lief es gut?

Ziel der Erfolgskontrolle ist die Entlastung der Projektverantwortlichen. Zudemsoll aus den Erfahrungen im Hinblick auf weitere Projekte gelernt werden. Am Endeder Erfolgskontrolle wird die Projektorganisation aufgelost. Die Erfolgskontrollegehort zur Nutzungsphase eines Projekts, welche auch ans eigentliche Projektanschließt.

Projektorganisation

Der Zweck der Projektorganisation ist die reibungslose Projektabwicklung durchsystematische Einbindung aller relevanten Funktionen. Eine Projektorganisation

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2.3 Projektmanagement 43

Managementteam

Projektteamphasenspezifisch

Projektleiter

Steuerungs-ausschuss

Abb. 2.12 Projektorganisation – Unterteilung in Managementteam und Projektteam

besteht aus den beiden Elementen Managementteam und Projektteam. Ersteresvertritt die Ziele, die mit dem Projekt verfolgt werden. Letzteres ist fur die Um-setzung der Ziele verantwortlich. Als Brucke zwischen den beiden Elementenwirkt der Projektleiter. Er ist als einziges Mitglied in beiden Teams vertreten(Abb. 2.12).

Die verschiedenen Projektphasen stellen unterschiedliche Anspruche an dieProjektorganisation. Je nach Große und Komplexitat des Projekts sowie Art derProjektphase ist die Projektorganisation anders zusammengesetzt. Projektvorgesetz-te sollen eine ausgewogene Anzahl direkt unterstellter Mitarbeiter fuhren (ca. 4–6Unterstellte).

Bei der Gliederung und Aufteilung der Verantwortungsbereiche sollen sinn-volle und ubersichtliche Schnittstellen entstehen. Die Abb. 2.13–2.15 zeigenmogliche Organisationsformen des Projektteams, wie sie wahrend verschiedenerProjektphasen ihre Gultigkeit haben konnten.

Die wichtigsten Funktionen der Projektorganisation seien im Folgenden kurzbeschrieben.

ProjektleiterPhase 1 und 2:Projektdefinition undProjektstudie

Controlling

Anlagen-betreuung

BetriebLeiter PlanungGeb./ Infrastr.

Leiter PlanungAnlage

Abb. 2.13 Vorschlag fur das Projektteam wahrend der Projektphasen 1 und 2

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44 2 Projektierung

Phase 3: VorprojektProjektleiter

Administrationund Controlling

Ökologie und Sicherheit

LeiterAusführung Einkauf

Anlagen-betreuungBetrieb Leiter Planung

Geb./ Infrastr. Leiter Planung

Anlage

HLK

Sanitär

Elektro

Bau undStatik

Automation

MSRE

Anlagenbau

Verfahrens-technik

Phase 4: Detailprojekt

Projektleiter

Administrationund Controlling

Ökologie undSicherheit

Rechtswesen

Anlagen-betreuungBetrieb Leiter Planung

Geb./ Infrastr. Leiter

AusführungLeiter Planung

Anlage

Verfahrens-technik

Anlagenbau

MSRE

HLK

Sanitär

Elektro

Bau undStatik Instandhaltung

Behörden-kontakte

Einkauf

Automation

Abb. 2.14 Vorschlag fur das Projektteam wahrend der Projektphasen 3 und 4

Steuerungsausschuss

Der Steuerungsausschuss vertritt den Auftraggeber bzw. Geldgeber und tragt ihmgegenuber die oberste Verantwortung. Er bestimmt die Muss- und Wunschziele.Er ubt Kontroll- und Entscheidungsfunktionen im Rahmen des bewilligten Kreditsaus. Er uberwacht den Projektfortschritt, weist Ressourcen zu und entscheidet uber

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2.3 Projektmanagement 45

Phase 5: Realisierung

Projektleiter

Administrationund Controlling

Ökologie undSicherheit

LeiterInbetriebsetzung

Rechtswesen

Anlagen-betreuung

Betrieb Leiter PlanungGeb./ Infrastr.

LeiterAusführung

Leiter PlanungAnlage

Verfahrens-technik

Anlagenbau

MSRE

HLK

Sanitär

Elektro

Bau undStatik

Instandhaltung

Baustellen-sicherheit

Bau- undMontageleitung

Bau- undAblaufplanung

Einkauf

Schulung

Validierung

Automation

Phase 6: Inbetriebnahme

Projektleiter

Anlagen-betreuung

Betrieb LeiterInbetriebsetzung

Instandhaltung

Team 3

Team 2

Team 1Betriebspersonal

Abb. 2.15 Vorschlag fur das Projektteam wahrend der Projektphasen 5 und 6

Varianten. Er erstellt die Rechenschaftsberichte zuhanden des Auftraggebers bzw.Geldgebers.

Projektleiter

Der Projektleiter ist verantwortlich fur die ordnungsgemaße Durchfuhrung des Pro-jekts. Er fuhrt und strukturiert das Projekt und weist Verantwortlichkeiten den Funk-tionen zu. Er stellt das Einhalten der erforderlichen Qualitat, Kosten und Terminesicher. Der Projektleiter ist ein Generalist mit Geschick in Organisation und Men-schenfuhrung. Sachleiter unterstutzen den Projektleiter in der Projektabwicklung.

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46 2 Projektierung

Leiter Planung

Der Leiter Planung ist fur samtliche Planungs- und Projektierungsarbeiten tech-nischer Art zustandig. Er stellt die Konsistenz aller Schnittstellen zwischen denFunktionen sicher. Er ist verantwortlich fur das Erstellen und Einhalten der Budgetsund teilt Ressourcen zu.

Leiter Ausfuhrung

Der Leiter Ausfuhrung realisiert das Projekt. Er erteilt Auftrage und tragt Verant-wortung dafur, dass die vereinbarten Projektziele termin- und kostengerecht erreichtwerden. Er stellt Behordenkontakte sicher und ist fur Bewilligungen zustandig.

Administration & Controlling

Der Projektadministrator bzw. Controller ist fur alle Planungs- und Kontrollarbei-ten nichttechnischer Natur verantwortlich. Er erstellt Termin- und Kostenplane unduberwacht periodisch den Projektfortschritt.

2.4 Zeit- und Ressourcenplanung

Zur Ausfuhrung von Projekten mit vielen, von einander teilweise abhangigenTatigkeiten oder Arbeiten, wurden spezielle Methoden entwickelt, die heute einegroße Verbreitung gefunden haben. Der Zweck dieser Planungsmethoden ist es, dieFertigstellung von Projekten innerhalb einer annehmbaren Zeit und zu annehmbarenKosten zu ermoglichen. Die Planung soll Informationen liefern uber:

– Welches ist die minimale Zeit zur Fertigstellung?– Welche Arbeiten sind empfindlich oder kritisch in dem Sinn, dass eine Verlan-gerung oder Verkurzung der Dauer dieser Arbeiten die Dauer des gesamtenProjektes beeinflussen?

Das Vorgehen bei einer Zeit- und Ressourcenplanung besteht aus 3 Schritten:

1. Analyse: Aufteilen des Projektes in einzelne Tatigkeiten bzw. Arbeiten. Bestim-men der logischen Verknupfung zwischen den einzelnen Arbeiten.

2. Fertigungsplanung: Abschatzen der Dauer und der benotigten Mittel fur jedeArbeit. Erstellen des Zeitplans mit logischen Verknupfungen.

3. Uberwachung: Neuzuordnung von Mitteln oder Modifikation von Arbeiten, umden ursprunglichen Zeitplan zu verbessern oder Abweichungen vom vorgesehe-nen Plan auszukorrigieren.

Zwei Planungsmethoden sollen diskutiert werden:

1. Verwendung von Balkendiagrammen,2. Methode des kritischen Weges, auch Netzplantechnik (NPT) genannt.

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2.4 Zeit- und Ressourcenplanung 47

Arbeiten Woche 817 18 19 20 21

Woche 924 25 26 27 28

Woche 103 4 5 6 7

Woche 63 4 5 6 7

Woche 710 11 12 13 14

Bau Abluftwäscher

Bestellung der Chemikalien

Inbetriebnahme Abluftwäscher

Wasserversuch, Dichtungskontrolle

Erstellen Anlagendokumentation

Betriebsversuche, Parameter BD

Betriebsversuche, Parameter Gasgeschw.

Analytik der Versuche

Auswertung Betriebsversuche

Diverse Abklärungsarbeiten

Verfassung Praktikumsanleitung

Verfassung Diplombericht

Abb. 2.16 Zeitliche Planung der Endphase einer Diplomarbeit mittels Balkendiagramm (Beispiel)

Balkendiagramme

Ein Balkendiagramm, auch Gantt-Diagramm genannt, zeigt den Beginn und diezulassige Zeit fur jede Tatigkeit bzw. Arbeit bezuglich einer Gesamt-Zeitskala (s.Abb. 2.16).

Durch Eintragen des Fortschrittes jeder Arbeit kann das Projekt uberwacht unddurchVergleich mit der Zeitskala aufVerspatung oder Uberpunktlichkeit kontrolliertwerden. Korrekturen konnen dann entsprechend vorgenommenwerden. Die Schwie-rigkeit der Verwendung von Balkendiagrammen zur Uberwachung des Fortschrittesbesteht darin, dass logische Verbindungen zwischen den Arbeiten im Diagrammkaum darstellbar sind. Bei einer Anderung einer Tatigkeit muss die ganze Listeder Tatigkeiten uberpruft werden, um die daraus resultierenden Konsequenzen ab-zuschatzen. Die Schwierigkeit, logische Beziehungen in einem Balkendiagrammmit z. B. uber dreißig Arbeiten zu uberwachen, ist offensichtlich. Dieser Nachteilder Balkendiagramme fuhrte zur Entwicklung der Netzplandiagramme, welche so-wohl die logischen Verknupfungen zwischen den Arbeiten als auch ihre zeitlicheAbfolge veranschaulichen.

Netzplandiagramme

Das Vorgehen zur Erstellung eines Netzplandiagramms besteht aus den folgendenSchritten:

1. Definieren der notwendigen Arbeiten mit Abschatzung ihrer Dauer,2. Bestimmen der gegenseitigen Abhangigkeiten der Arbeiten,3. Zeichnerisches Darstellen der Arbeiten und ihrer Abhangigkeiten in einem

Netzplan.

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48 2 Projektierung

Abb. 2.17 Einfaches Netz-plandiagramm mit5 Arbeiten A-E und4 Ereignis-Knoten 1-4

1

2

4

3

AD

B E

C

Wurden die notwendigen Arbeiten definiert, sollte man sich vergewissern, obeinerseits wirklich alle notwendig sind und andrerseits auch keine vergessen wurden.Gelegentlich kann es sinnvoll sein, eine Arbeit weiter in sich zu unterteilen, sodasseine nachfolgende Arbeit bereits beginnen kann, wenn ein Teil der vorhergehendenfertig ist. In einem Netzplandiagramm gemaß der Methode des kritischen Weges(engl. Critical Path Method; CPM) werden Arbeiten bzw. Tatigkeiten durch Pfeiledargestellt. Kreise, auch Knoten genannt, zeigen Ereignisse an, so z. B. den Zustandeiner abgeschlossenen Arbeit (s. Abb. 2.17).

Der Netzplan in Abb. 2.17 zeigt folgende Informationen:

1. Arbeiten A und B konnen parallel ausgefuhrt werden.2. Ereignis 2 muss vor Ereignis 3 auftreten, weil das letztere verlangt, dass Arbeit C

erledigt ist.3. Ist Ereignis 2 eingetreten, konnen C und D parallel erledigt werden.4. Sobald die spatere der Arbeiten B und C abgeschlossen ist, ist Ereignis 3 einge-

treten und Arbeit E kann beginnen.5. Sobald die spatere derArbeiten D und E erledigt ist, ist Ereignis 4 eingetreten und

das Projekt ist abgeschlossen.

Netzplandiagramme, in denen ein Vorgang als Pfeil dargestellt wird, nennt manauchVorgangspfeil-Darstellungen. Der Schaft des Pfeils stellt den Beginn derArbeitdar, die Spitze des Pfeils die Beendigung der Arbeit. Die Pfeillangen sind nichtmaßstablich zur Dauer der Tatigkeit. Die Ereignisse (Knoten) brauchen keine Zeit.Sie zeigen denAugenblick an, bei dem alle vorhergehendenArbeiten abgeschlossensind, worauf alle direkt folgenden Arbeiten beginnen konnen.

Beim Zeichnen eines Netzplanes sollte man sich fur jede Arbeit folgende Fragenstellen:

– Welche Arbeit oder Arbeiten gehen voraus?– Welche Arbeiten verlaufen parallel?– Welche Arbeit oder Arbeiten konnen direkt danach ausgefuhrt werden?

Die anschließendeAnalyse lasst sich durch systematische Nummerierung der Er-eignisse im Netzplan vereinfachen. Dabei sollte die Nummer eines folgenden Ereig-nisses stets großer sein wie die großte Nummer eines vorangegangenen Ereignisses.Der Projektstart wird als Ereignis mit Nummer 1 gekennzeichnet. Die minimaleZeitdauer eines Projektes erhalt man durch Berechnung des fruhesten Zeitpunktes,

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2.4 Zeit- und Ressourcenplanung 49

Abb. 2.18 Netzplandia-gramm mit Arbeitszeitenund fruhesten Anfangs-zeiten

1

2

4

3

6 5

8 1

3

6

0 11

9

zu dem jedes Ereignis auftreten kann. Wird die Startzeit als Null angenommen, istdie minimale Dauer die fruheste Zeit, zu der das Endereignis auftreten kann.

Um den fruhstmoglichen Zeitpunkt des Eintritts eines Ereignisses zu finden, un-tersuchtman alle unmittelbar vorhergehendenArbeiten undEreignisse. Zur fruhestenStartzeit jeder vorhergehendenArbeit addiert man die Dauer jener Arbeit. Hangt einEreignis unmittelbar vonmehrerenArbeiten ab, wahlt man den großtenWert, der ausdiesen Berechnungen hervorgeht. Das Resultat entspricht dem fruhesten Zeitpunkt,zu dem die Arbeiten beginnen konnen, die auf den Ereignis-Knoten folgen.

Auf dieseWeisewird auch der fruhstmogliche Zeitpunkt fur das Ende des Projektsberechnet, was der Gesamtdauer des Projekts entspricht (s. Abb. 2.18).

Der spateste Zeitpunkt, zu dem eine Tatigkeit gestartet werden kann, ohnedass sich die Gesamtdauer des Projektes erhoht, erhalt man durch eine Ruck-wartsberechnung. Dabei beginnt man beim Endpunkt im Netzplan und subtrahiertdie Dauer der vorhergehendenArbeiten vom Endzeitpunkt. Dies ergibt den spatestenStartpunkt fur diese Arbeiten.

Zur Berechnung der spatesten Anfangszeit von noch weiter zuruckliegendenVorgangen subtrahiert man die Dauer dieser Vorgange vom spatesten Zeitpunkt derdarauf folgenden Ereignisse. Existieren mehrere Vorgange, die vom selben Ereignisausgehen, so wahlt man den kleinsten nach diesem Verfahren gewonnenen Wert.Das Resultat entspricht dem spatesten Zeitpunkt, an dem die folgenden Arbeitenbeginnen mussen, damit sie nicht die Gesamtdauer des Projektes erhohen. Zugleichentspricht das Resultat dem spatesten Zeitpunkt, zu dem die dem Ereignis-Knotenvorhergehenden Arbeiten beendet sein mussen (s. Abb. 2.19).

Abb. 2.19 Netzplandia-gramm mit Arbeitszeiten,fruhesten und spatestenAnfangszeiten (fruhesteAnfangszeit in Quadraten,spateste Anfangszeit inRauten)

1

2

4

3

6 5

8 1

3

6

0 11

9

0

6

11

10

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50 2 Projektierung

Abb. 2.20 Netzplandia-gramm mit Arbeitszeiten,fruhesten und spatestenAnfangszeiten sowie Puffer-zeiten

0 0 01

6 6 02

9 10 13

1111 04C

8

D

1

6 5

B E

A

3

Ereignisse, fur die die fruhesten und spatesten Anfangszeiten ubereinstimmen,liegen auf dem so genannten kritischen Weg. Die Vorgange, die diese Ereignisseverknupfen, sind fur die Gesamtdauer des Projektes direkt maßgebend und stellenkritischeVorgange dar. Eine zeitlicheVerlangerung oderVerkurzung eines kritischenVorganges verlangert oder verkurzt die Gesamtdauer des Projektes unmittelbar undin direktemAusmaß.

Die Kennzeichnung des kritischen Weges im Netzplandiagramm kann durcheine dicke Umrandung der Ereignis-Knoten und die Verwendung von dickerenVorgangs-Pfeilen erfolgen (s. Abb. 2.19). Ereignisse, deren fruheste und spatesteAnfangszeiten von einander abweichen, liegen auf so genannt subkritischen Wegen.Subkritische Wege konnen zu kritischen Wegen werden, wenn ihre Pufferkapazitaterschopft ist. Die zeitliche Differenz zwischen spatester und fruhester Anfangszeitentspricht einem Zeitspielraum, um die sich das Ereignis verzogern darf, ohnedie Gesamtdauer des Projektes zu gefahrden. Dieser Zeitspielraum wird als Puf-ferzeit des Ereignisses bezeichnet. In Netzplan-Diagrammen konnen die fruhesteAnfangszeit, die spateste Anfangszeit und die Pufferzeit des Ereignisses in dieserReihenfolge in einem rechteckigen Ereignis-Knoten unterhalb der Ereignis-Nummerdargestellt werden (s. Abb. 2.20).

Die Zeitdauer, um die einVorgang verlangert werden kann, ohne dass die fruhesteAnfangszeit irgendeines nachfolgenden Vorgangs vergroßert oder die spateste An-fangszeit irgendeines vorhergehenden Vorgangs verkleinert wird, nennt man freiePufferzeit. Die freie Pufferzeit kann verbraucht werden, ohne dass sich irgendeineingetragener Zeitpunkt im Netzplan andert.

Die Zeitdauer, um die einVorgang verlangert werden kann, ohne dass die spatesteAnfangszeit irgendeines nachfolgenden Vorgangs vergroßert oder die spateste An-fangszeit irgendeines vorhergehenden Vorgangs verkleinert wird, nennt man Ge-samt-Pufferzeit. Wird die Gesamt-Pufferzeit eines Vorgangs verbraucht, so wird derbetreffende Vorgang zu einem Teil des kritischenWegs. Der Verbrauch der Gesamt-Pufferzeit fuhrt zuVerschiebungen der fruhesten Startzeiten der folgendenVorgange,hat aber keine Konsequenzen auf die Gesamtdauer des Projekts. In der Abb. 2.20besitzt der Vorgang B eine freie Pufferzeit von 1 und eine Gesamt-Pufferzeit von 2.

Manchmal setzt ein Ereignis das vorgangige Erreichen eines anderen Ereignissesvoraus, ohne dass zwischen diesenEreignissen eineArbeit oderTatigkeit ablauft. DielogischeVerknupfung zwischen diesen Ereignissen wird durch einen Scheinvorgangdargestellt. Im Netzplan-Diagramm wird hierzu eine gestrichelte Linie verwendet.

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2.4 Zeit- und Ressourcenplanung 51

Abb. 2.21 Netzplan-diagramm mit einemScheinvorgang zwischenden Ereignissen 2 und 3

1

2

4

3

A C

2 4

3

0

3

0

3

3

3

B D

3 7

7

Scheinvorgange sind rein logischeVerknupfungen. Da sie keineArbeit oderTatigkeitdarstellen, besitzen sie keine Zeitdauer (s. Abb. 2.21).

Aus der Abb. 2.21 ist ersichtlich, dass der Vorgang C erst beginnen kann, wennder Vorgang A beendet ist. Der Vorgang D muss warten, bis beide Vorgange A undB abgeschlossen sind. Weil der Vorgang D langer dauert als der Vorgang C, verlauftder kritische Weg uber den Scheinvorgang.

Zuordnung von Ressourcen

Bei den bisherigen Uberlegungen haben wir stets angenommen, dass zu jeder Zeitgenugend Hilfsmittel zur Ausfuhrung einer Arbeit zur Verfugung stehen. Dies ist je-doch nicht immer der Fall. In der Praxis sind die fur ein Projekt zurVerfugung stehen-den Mittel meist begrenzt. Es obliegt dem Projektleiter festzulegen, wie er die Hilfs-mittel (z. B.Arbeitskrafte undMaschinen) bei einerKnappheit derRessourcen auf dieverschiedenenArbeiten aufzuteilen gedenkt. Manche der betrachtetenArbeiten kannder Projektleiter durch Zuteilung vonmehr Hilfsmitteln verkurzen. Dies hat aber fastzwangslaufig hohere Kosten zur Folge, die der Projektleiter zu verantworten hat.

Bei strategischen Problemen, die das Projekt wesentlich gefahrden, kann derSteuerungsausschuss daruber befinden, welche Hilfsmittel er dem Projektleiterzusatzlich gewahren will. Die Zuteilung von Ressourcen erfolgt auch heute nochvielfach mit heuristischen Methoden, d. h. durch Anwendung einer Reihe vonRegeln, welche erfahrungsgemaß recht gute Resultate ergeben. Haufig angewandteRegeln sind:

1. Beginne alle Arbeiten zum fruhest moglichen Zeitpunkt, bis die Grenzen derHilfsmittel erreicht sind.

2. Sind Hilfsmittel, um alle Arbeiten zum fruhest moglichen Zeitpunkt zu starten,nicht mehr verfugbar, so wahle man zuerst die kritischste Arbeit, d. h. jene mitder kleinsten Gesamt-Pufferzeit.

3. Sind die Gesamt-Pufferzeiten gleich groß, so wahlt man zuerst die Arbeit mit derkleinsten Zeitdauer, weil dies die fruheste Gelegenheit zur Revision der Entschei-dung ergibt und die Ressourcen auch am schnellsten wieder freisetzt. Man nimmtan, dass eine einmal begonnene Arbeit nicht vor der Vollendung unterbrochenwird und zwar wegen der Zeit und demAufwand, den es braucht, um Hilfsmittelwegzubringen und spater wieder hinzubringen.

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52 2 Projektierung

Im Allgemeinen ergeben sich mit heuristischen Regeln vernunftige Losungen,wenn auch nicht zwingend das Optimum. Es gibt auch mathematische Metho-den, die auf theoretischen Grundlagen beruhen und das Optimum gut treffen. IhrBerechnungsaufwand ist allerdings enorm.

2.5 Fragen aus der Praxis

�-Theorem

Bei einem Stofftransportvorgang durch Diffusion spielen folgende Einflussgroßeneine maßgebende Rolle:

1. Stoffubergangskoeffizient β [m·s−1]2. Diffusionskoeffizient D [m2·s−1]3. Kinematische Zahigkeit ν [m2·s−1]4. Dichte ρ [kg·m−3]5. Stromungsgeschwindigkeit v [m·s−1]6. Charakteristische Lange � [m]7. Erdbeschleunigung g [m·s−2]8. Oberflachenspannung σ [kg·s−2]

Wie viele von einander unabhangige dimensionslose Kennzahlen konnen gebildetwerden? Wie sind die dimensionslosen Kennzahlen am einfachsten herzuleiten?Unter welchen Namen sind die Kennzahlen bekannt?

Verfahrensfließbild

Ein Ruhrkessel mit Wendelruhrer und Uberlaufsicherung soll gemaß DIN 28 004gezeichnet und beschriftet werden. Der Ruhrkessel ist außen mit 40 mm Glaswolleisoliert.

Netzplantechnik

Wie lassen sich die Abhangigkeiten der folgenden Tatigkeiten in einem Netzplandarstellen?

a) Arbeit K hangt von den Arbeiten A und B ab.b) Arbeit K und Arbeit L hangen von den Arbeiten A und B ab.c) Arbeit K hangt nur von derArbeitA ab,Arbeit L dagegen von den beidenArbeiten

A und B.d) Arbeit K hangt von denArbeiten A und C ab, wahrendArbeit L von denArbeiten

B und C abhangt.

Die Losungen finden sich im Kap. 5 am Ende des ersten Buchteils.

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2.6 Literatur 53

2.6 Literatur

Maßstabsvergroßerung

[1] Zlokarnik M (2000) Scale-up. Wiley-VCH, Weinheim[2] Bockhardt H (1997) Grundlagen der Verfahrenstechnik fur Ingenieure. 4. Aufl. Deutscher

Verlag fur Grundstoffindustrie, Stuttgart, S. 26–32[3] Wetzler H (1985) Kennzahlen der Verfahrenstechnik. Huthig, Heidelberg

Planung von Chemieanlagen

[4] Philipp H (1980) Einfuhrung in die Verfahrenstechnik. Sauerlander, Aarau, S. 34–47[5] Hemming W (1993) Verfahrenstechnik. 7. Aufl., Vogel, Wurzburg, S. 180–187[6] Reichert O (1979) Systematische Planung von Anlagen der Verfahrenstechnik. Hanser,

Munchen[7] Bernecker G (1977) Planung und Bau verfahrenstechnischer Anlagen. VDI, Dusseldorf[8] Titze H (1967) Elemente des Apparatebaus. Springer, Berlin, Heidelberg, NewYork[9] VSM (1983) Normen-Auszug fur Technische Schulen. Normenburo des Vereins Schweizeri-

scher Maschinen-Industrieller (VSM), Zurich[10] Sattler K, Kasper W (2000) Verfahrenstechnische Anlagen. Wiley-VCH, NewYork

Projektmanagement

[11] Schmidt J (1969) Methodik der praktischen Verfahrenstechnik. Krausskopf, Mainz[12] Burghardt M (1999) Einfuhrung in Projektmanagement. Publicitis MCD, Erlangen[13] Burghardt M (1999) Projektmanagement. Publicitis MCD, Erlangen

Zeit- und Ressourcenplanung

[14] Heigenhauser B (1976) Netzplantechnik. Vogel, Wurzburg[15] Gotzke H (1972) Netzplantechnik. Fikentscher, Darmstadt