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Fachartikel „Predictive Forecasting und die Digitalisierung der UnternehmenssteuerungErschienen in: IM+io - Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management Seite 28-32 Ausgabe 4/2015 www.horvath-partners.com Florian Müller Competence Center Controlling & Finance FMuelle[email protected] Can Tunco Competence Center Controlling & Finance [email protected] Walid Mehanna Competence Center Controlling & Finance [email protected]

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Fachartikel

„Predictive Forecasting und die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung“Erschienen in: IM+io - Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und ManagementSeite 28-32Ausgabe 4/2015

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Florian Müller Competence Center Controlling & Finance

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Can Tunco Competence Center Controlling & Finance

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Walid Mehanna Competence CenterControlling & Finance

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management28 Heft 4 I Dezember 2015IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management28 Heft 4 I Dezember 2015

Predictive Forecasting und die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung Walid Mehanna, Florian Müller, Can Tunco, Horváth & Partners Management Consultants

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Schwerpunkte 2929

Kein Thema wird derzeit so intensiv diskutiert wie die Digitalisierung. Die Veränderungen beschränken sich nicht nur auf einzelne Prozesse, sondern umfassen ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsstufen. Dies hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Unternehmens-steuerung, die an den neuen Anforderungen ausgerichtet, aber auch mit den neuen Möglichkeiten entsprechend wei-terentwickelt werden muss.

Die Digitalisierung wird einen Paradigmen-wechsel in der Unternehmenssteuerung herbei-führen. In dessen Mittelpunkt stehen auf der fachlichen Seite das Forecasting und Treibermo-delle sowie auf der technologischen Seite Big Data und Predictive Analytics. Deren Kombina-tion ermöglicht neue Steuerungsansätze, mit de-nen bisher bestehende Einschränkungen über-wunden werden können.

Der genannte Paradigmenwechsel wurde in der Unternehmenssteuerung schon seit län-gerem antizipiert beziehungsweise gefordert. An Stelle der reaktiv-analytischen Auswertung von Vergangenheitsdaten treten proaktiv-prognosti-zierende Ansätze. Durch Big Data und Predic-tive Analytics werden aus granularen Daten au-tomatisiert Prognosen generiert, die eine höhere Treffsicherheit als traditionell erstellte Vorhersa-gen haben. Auf Grundlage dieser, mit hoher Wahrscheinlichkeit, zutreffenden Prognosen können Unternehmen nach vorne gerichtete Maßnahmen erarbeiten, um die erwartete Ent-wicklung positiv zu beeinflussen. Der Faktor Mensch spielt weiterhin eine wichtige Rolle als Korrektiv bei disruptiven oder irregulären Ent-wicklungen sowie bei der Validierung der Er-gebnisse aus den Prognose modellen. Abbildung 1 verdeutlicht die Zusammen hänge.

Predictive Forecasting als Symbiose

Im Zentrum dieses Paradigmenwechsels steht der Forecast als klassisches Steuerungsinstrument, mit dem Prognosen über die zu erwartende Zielerrei-chung zu einem bestimmten Zeitpunkt bereitge-stellt werden. Wurde der Forecastingprozess in der Vergangenheit oftmals als aufwändig und teils auch als „politisch“ motiviert kritisiert, so ergeben sich aus der aktuellen technologischen Entwick-lung neue Möglichkeiten. Unter Anwendung von stochastischen Modellen, maschinellem Lernen und Data Mining-Ansätzen lässt sich die Progno-seerstellung effizienter gestalten, bei zeitgleich bes-seren Ergebnissen.

Die Anwendung von Predictive Analytics im Forecasting ist keine vollständig neue Entwick-lung. In spezifischen operativen Anwendungsfäl-len hat sich die Kombination bereits bewährt. Neu ist allerdings die zunehmende Veränderung der Rahmenbedingungen in Form interner und exter-ner Datenverfügbarkeiten, ausreichender Rechen-kapazität zur Speicherung und Auswertung sowie der zunehmenden stochastischen Analysefähig-keiten im Personalstamm.

Beide Ansätze, Predictive Analytics und Forecasting, haben die Prognose der Zukunft als Ziel. Die Kombination in einem Begriff

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management30 Heft 4 I Dezember 2015

über unternehmerische Zusammenhänge, eine objektive Entscheidungsbasis und die nahtlose Integration mit klassischen Steuerungsinstru-menten, wie zum Beispiel der Balanced Score-card, Werttreiberbäumen oder der Gewinn- und Verlustrechnung.

Steuerungszyklen und Optimierungen

Automatisierte Analysen verkürzen die Reakti-onszeiten, ermöglichen „Hochfrequenzentschei-dungen“ und führen laufend zur ad- hoc-Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen. Die ex-post- und abweichungsorientierte Steuerungs-logik wird durch eine explorative real-time-Op-timierungslogik ergänzt: Daten werden unab-hängig von Plan/Ist- oder Plan/Forecast-Abwei-chungen nach Optimierungspotenzialen durch-sucht. Die kontinuierliche Optimierung der Werttreiber führt zu Produktivitäts- und Effizi-enzgewinnen unabhängig vom Planungs- und Reportingzyklus. Die Modelle zur Identifikation neuer Ursache-Wirkungszusammenhänge wer-den kontinuierlich weiterentwickelt.

Automatisierungen steigern die Effizienz, während Qualität und Geschwindigkeit von Ent-scheidungen durch das Predictive Forecasting verbessert werden.

Automatisierte und funktionsübergreifende Steuerung

Predictive Forecasting-Ansätze auf Grundlage von maschinellem Lernen etablieren sich als Standard, da sie im operativen Volumenge-schäft ohne Sondereffekte die Qualität manuell erstellter Forecasts übertreffen. In der

„Predictive Forecasting“, den wir im Folgenden verwenden, ist eine bewusste Tautologie, die zum einen zum Ziel hat, die Kombination der Ansätze zu dokumentieren sowie zum anderen die Verstärkung der kombinierten Bedeutung hervorzuheben. Predictive Forecasting als Be-griff beschreibt die konzeptionelle und techni-sche Integration von Predictive Analytics und Forecasting.

Quantifizierte Business- und Treibermodelle

Im Rahmen des Predictive Forecasting werden qualitativ-theoretische Ursache-Wirkungsketten sukzessive durch datenbasierte, quantitativ-sta-tistische Zusammenhänge ersetzt und kontinu-ierlich auf ihre Validität hin überprüft. Die neuen Treibermodelle werden zum Dreh- und Angelpunkt der Steuerung: Robuste dynamische Businessmodelle dienen als Grundlage für Sze-narioplanungen, zur Quantifizierung von strate-gischen Optionen sowie zur Bewertung von Business Cases. Durch Mustererkennung in den Modellen können Optimierungsansätze identifi-ziert und laufend neue Erkenntnisse über Verän-derungen gewonnen werden. Die langfristige Perspektive ist ein Unternehmensmodell der Steuerung, das die vollständige Wertschöpfungs-kette des Gesamtunternehmens abbildet. Diese Entwicklung vollzieht sich aber „Bottom-up“, das heißt beginnend mit operativen Detailmo-dellen, die sukzessive in ein Gesamtmodell der Unternehmenssteuerung und einen vollständi-gen finanziellen Forecast integriert werden. Ab-bildung 2 illustriert den Zusammenhang.

Wichtige Nutzen der quantifizierten Busi-ness- und Treibermodelle sind eine Transparenz

Abbildung 1: Bedeutung des Forecasts im Rahmen der Digitalisierung.

Walid Mehanna

Walid Mehanna ist Principal

bei Horváth & Partners und

leitet das Business Segment

Digital Solutions. Von Haus

aus Diplom-Kaufmann, be-

schäftigt er sich seit fast

zwanzig Jahren leidenschaft-

lich mit digitalen Technologi-

en und berät namhafte Un-

ternehmen bei der

Konzeption und Implemen-

tierung von Business Intelli-

gence und Big Data. Neben

seinen Projektaktivitäten ist

Walid Mehanna (Co-) Autor

und teilt sein Wissen in Vor-

lesungen an der Universität

Stuttgart.

Kontakt

wmehanna@horvath-

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Tel.: +49 711 669190

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Schwerpunkte 31

Konsequenz werden Entscheidungen innerhalb festgelegter Wert- und Risikogrenzen auf Grundlage der Wahrscheinlichkeiten von Pro-gnoseergebnissen automatisiert, wie zum Bei-spiel bei der Warendisposition im Einzelhan-del, Investitionen oder Preisanpassungen. Ab-bildung 3 illustriert ein Beispiel.

Grundsätzlich werden Entscheidungen auf Grundlage quantitativer, differenzierter Erkenntnisse und Empfehlungen schneller ge-troffen, während Chancen und Risiken unter Berücksichtigung funktionsübergreifender In-terdependenzen in die Analysemodelle integ-riert sind. In der Konsequenz geht der Einfluss reiner Expertenschätzungen drastisch zurück.

In der Nutzenbetrachtung lässt sich fest-halten, dass weniger Aufwand für nicht wert-haltige Tätigkeiten aufgebracht werden muss, bei gleichzeitig präziseren Ergebnissen und optimierten Geschäftsprozessen. Die Integra-tion von Chancen und Risiken führt zu einer größeren Transparenz über deren potenzielle Auswirkungen.

Qualität von Datengenerierung, -modellierung und -analyse

Die Qualität der Daten und der Methoden be-stimmen maßgeblich die Qualität der

Ergebnisse. Eine besondere Aufgabe besteht vor allem darin, die Qualität der externen „Big Data“ sicherzustellen. Aber auch der Einsatz der richtigen Algorithmen sowie deren ständige Optimierung sind entscheidend: Die Entwick-lung und Pflege der komplexen Modelle wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor.

Der entscheidende Vorteil neuer digitaler Steuerungsinstrumente entsteht aber aus der Kombination von Fach- und Branchenwissen, Methodenkompetenz und Unternehmergeist der interdisziplinären Experten und Manager. Um die Potenziale voll zu erschließen, ist eine übergreifende Zusammenarbeit notwendig. Während der Data Scientist die Daten nach steuerungsrelevanten Zusammenhängen ana-lysiert, obliegt die Interpretation und Verar-beitung der Ergebnisse dem Controlling und dem Management. Die Ergebnisse der Modelle und Analysen zeigen Wahrscheinlichkeiten auf, nach denen die Fachbereiche steuern und entscheiden.

Datenverfügbarkeit: interne und externe Daten

Die Grundlage von Predictive Forecasting sind maximal granulare Rohdaten, die zum Zeit-punkt des Informationsbedarfs bis zur

Abbildung 2: Kombination von operativen Predictive Forecasts zu einem finanziellen Forecast.

Florian Müller

Florian Müller ist Senior Pro-

ject Manager und Prokurist

im Competence Center Cont-

rolling und Finanzen bei Hor-

váth & Partners. Von Haus

aus Diplom-Kaufmann, be-

schäftigt er sich mit den

Themen Unternehmenssteu-

erung, Planung, Reporting

und Kostenrechnung. In den

letzten Jahren hat er Unter-

nehmen unterschiedlicher

Größen und Branchen gehol-

fen, moderne Planungs- und

Forecastingansätze zu konzi-

pieren und in der Organisati-

on zu verankern.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management32 Heft 4 I Dezember 2015

Spitzenkennzahl verdichtet werden können. Aggregationen und Transformationen der Da-ten sind nicht mehr im bisherigen Maße erfor-derlich, wodurch der Informationsgehalt für die Analyse vollständig bleibt und somit eine Nach-vollziehbarkeit der Daten uneingeschränkt möglich ist.

Um die Potenziale von „Big Data“ auszu-schöpfen, wird der Zugriff auf vielfältige in-terne und externe Daten benötigt. Erfolgsent-scheidend ist eine schnelle Verfügbarkeit, noch vor einer vollständigen Integration in einer zen-tralen Datenbasis. Dies umfasst sowohl interne und externe, als auch strukturierte und un-strukturierte Datenquellen wie zum Beispiel Markt- und Kundendaten.

Im Rechnungswesen etabliert sich zuneh-mend das Einkreissystem als Standard. Für die Steuerung hat dies signifikante Vorteile, da eine zentrale Datenhaltung in einer integrierten Business Suite wie beispielsweise SAP S/4 HANA Simple Finance stark vereinheitlicht und weniger fragmentiert ist. Aufwendige Ab-gleiche zwischen Finanzen und Controlling sind nicht mehr notwendig, die integrierte Da-tenbasis steht auch für Analysen in Echtzeit performant zur Verfügung.

Blick nach vorne

In den Augen vieler Verantwortlicher mögen Pre-dictive Forecasting und die digitale Steuerung noch wie eine Black-box wirken: Eingabe und Ver-arbeitung sind intransparent, beziehungsweise die Domäne ausgewiesener Technologie- und Statisti-kexperten. Wie sollen auf Grundlage solcher Er-gebnisse nachvollziehbare Entscheidungen getrof-fen, beziehungsweise Empfehlungen ausgespro-chen werden? Wichtig ist es daher, sukzessive und kontinuierlich das Vertrauen in die neuen Ansätze und die daraus resultierenden Ergebnisse zu ent-wickeln. Dafür werden entsprechende Kompeten-zen benötigt, die konsequent aufgebaut werden müssen. Des Weiteren gilt es, durchgängig den Nutzen zu verdeutlichen und Datensicherheit, Da-tenkonsistenz und Governance zu gewährleisten.

Die Digitalisierung ist ein Megatrend mit dem Potenzial, einen echten Paradigmenwechsel in der Unternehmenssteuerung anzustoßen. Die Veränderungen haben Auswirkungen auf Sender und Empfänger der Steuerungsinformationen und bedingen in der Summe ein vollständig neues Ver-ständnis der heute etablierten Steuerungsinstru-mente. In Zukunft können alle betriebswirtschaft-lich relevanten Steuerungsdimensionen wie etwa Kunden, Märkte oder Ressourcen vom Mehrwert profitieren, den Big Data und Predictive Analytics ermöglichen.

Auf dem Weg hin zu einer digitalen Steue-rung mit Predictive Forecasting sind noch einige Hürden zu nehmen. Zwar sind erste isolierte und durchaus erfolgreiche Anwendungsfälle mit Pilot-charakter im Einsatz, aber tragfähige Gesamtkon-strukte eines integrierten Steuerungsansatzes sind noch in einer frühen Phase. Erfolgsentscheidend werden die strategische Ausrichtung sowie das er-folgreiche Zusammenwirken von Konzept, Daten, Methoden und Technologien sein.

Abbildung 3: Beispiel automatisierte und funktionsübergreifende Steu-erung.

Die Digitalisierung der Geschäftswelt hat das Poten-zial, einen echten Paradigmenwechsel in der Unter-nehmenssteuerung anzustoßen. Alle betriebswirt-schaftlich relevanten Steuerungsdimensionen wie etwa Kunden, Märkte oder Ressourcen können vom Mehrwert profitieren, den Big Data und Predictive Analytics ermöglichen. Voraussetzung dafür sind grundlegende konzeptionelle, methodische und technische Veränderungen in den Steuerungssyste-men. Eine zentrale Rolle im Rahmen dieser Digitali-sierung fällt dem Forecast zu.

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