Prof. Dr. Bernhard Schlag TU Dresden, Verkehrspsychologie · Neigung/ Steigung (Gradient)...

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Prof. Bernhard Schlag 1 Warum fahren Menschen gerne Auto? Warum schnell und zu dicht auf? Unangepasste und zu hohe Geschwindigkeiten sowie mangelnder Abstand aus Sicht der Psychologie Prof. Dr. Bernhard Schlag TU Dresden, Verkehrspsychologie DVR Presseseminar 27.10.2016

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Prof. Bernhard Schlag 1

Warum fahren Menschen gerne Auto?

Warum schnell und zu dicht auf? Unangepasste und zu hohe Geschwindigkeiten

sowie mangelnder Abstand aus Sicht der Psychologie

Prof. Dr. Bernhard Schlag

TU Dresden, Verkehrspsychologie

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GESCHWINDIGKEIT UND UNFÄLLE – EINE SYSTEMATISCHE BEZIEHUNG

(„Power-Modell“)

-60

-40

-20

0

20

40

60

-10 -5 0 5 10

Durchschnitts-

geschwindigkeit (km/h)

Un

fall

zah

len

(%

)

Verkehrstote

Schwerverletzte

insgesamt

5 % Verringerung der Durchschnittsgeschwindigkeit führt zu etwa 10 % weniger Unfällen mit

Verletzten und 20 % weniger tödlichen Unfällen (u.a.: Nilsson, 2004; OECD, 2006).

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Straße und Umfeld

Verkehr und Regeln Fahrzeug Mensch

Fahrbahnbreite Verkehrsdichte und

Verkehrsstärke

Typ Alter und Erfahrung

Spurenanzahl /-breite Mischung, u.a.

Schwerverkehrsanteil

Max. Geschwindigkeit,

Leistung

Geschlecht

Fahrbahnoberfläche Vorherrschende Geschwin-

digkeit (deskriptive Norm)

Komfort Wahrnehmung (bes. Sehen),

Gefahrenkognition und

Erwartungen

Neigung/

Steigung (Gradient)

Heterogenität der

Geschwindigkeiten

Rückmeldungen

(explizit/implizit),

(akust., vibrator.)

Einstellungen, Motive,

Wunschgeschwindigkeit,

Risikoakzeptanz

Linienführung und

Kurvigkeit

Geschwindigkeitslimits,

Zeichen (injunktive Norm)

Assistenzsysteme zur

Geschwindigkeitsregulation

(Tempomat, ISA)

Persönlichkeit (dark triad?)

(traits)

Umfeld: Anbauung,

Bepflanzung

Enforcement/ Überwachung

(E x W)

Assistenzsysteme zur

Abstandsregulation (ACC)

Handlungsfähigkeit,

Reaktion (Güte und Zeit)

Markierungen Wetter,

Fahrbahnbeschaffenheit

Informationssysteme,

Telefon, Entertainment

Fahrzeugbesatzung/

Mitfahrer, Ziel und

Umstände der Reise

Beleuchtung Natürliches Licht, Tag/Nacht Befindlichkeit (state), Eile,

Alkohol, Drogen

Einflussgrößen auf die Geschwindigkeitswahl

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Quelle: http://www.grossglockner.at/en/hochalpenstrasse/

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Straße und Umfeld: Welche Anforderungen und

welche „Aufforderungen“ sind mit

welcher Gestaltung verbunden?

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Prof. Bernhard Schlag 7 Prof. Bernhard Schlag

Je höher die

Geschwindigkeit,

desto ferner die

visuelle Orientierung.

…. und umgekehrt:

Je weiter voraus der

Blick, umso höher

tendenziell die

Geschwindigkeit!

Modifiziert nach Babkov, V.F., Road Conditions and Traffic Safety, Moskau: Mir Publishers,

1975, sowie Weise/Durth, 1997, 67.

Diskussion in: Weller, G., Schlag, B. et al. (2006). Human Factors in Road Design.

http://ripcord.bast.de/pdf/ri_tud_wp8_r1_v5_human_factors_final.pdf

Sichtweite und Geschwindigkeit

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OECD/ECMT (2006):

Speed Management.

Je ferner der Fokus, desto kleiner das Sichtfeld.

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Green, M., Allen, M. J., Abrams, B. S., & Weintraub, L. (2008). Forensic Vision. With

Application to Highway Safety (3. Auflage): Lawyers & Judges.

http://www.visualexpert.com/Resources/rearendcollision.html

Abstand und seine Wahrnehmung:

1. Räumlicher Abstand („halber Tacho“) – wie erkennbar?

2. Zeitlicher Abstand (Zeitlücke: 2 sec – 1 sec – 0,8 sec?)

3. TTC – Time to Collision / Contact: Relativgeschwindigkeit

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In Bewegung:

Trajektorie: Bahnkurve, Pfad

Fahrschlauch: Wahrgenommene zukünftige Trajektorie des Ego-Fahrzeugs

Bild aus: J.J. Gibson & L.E.

Crooks, A theoretical field-

analysis of automobil driving.

The American Journal of

Psychology, 1938)

http://eagereyes.org/technique

s/affordances

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Fahrschlauch und Geschwindigkeit: Wie groß ist der beanspruchte Raum,

das erweiterte Ich in Bewegung? Beim Gehen, bei 50 km/h, bei 180 km/h?

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No need for words? - Kommunikation durch Abstandsverhalten

Annähern: schnell heranfahren, schnell und dicht auffahren:

Territoriumsverletzung, Bedrohung des beanspruchten „Ego“-Raums

(„Fahrschlauch“):

Ressourcenkonflikt bewirkt Frustrationen und ggf. Aggression.

Verbunden mit:

- Egozentrische Perspektive („Kontrahenten“)

- Mangelnde Perspektivenübernahme

- Anonymität: „Entmenschlichung“

- Kommunikationsrestriktionen. Fehlen beim Kraftfahren gerade die Kanäle,

über die Empathie und Kooperationsbereitschaft kommuniziert werden?

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Aggression im Straßenverkehr http://www1.wdr.de/fernsehen/quarks/sendungen/autobahn194.html

„Ein Verhalten im Straßenverkehr ist aggressiv, wenn es andere

Verkehrsteilnehmer zu schädigen beabsichtigt (affektive Aggression)

oder wenn es die Durchsetzung eigener Ziele intendiert, zu deren

Erreichung die Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf

genommen wird (instrumentelle Aggression).“ (Herzberg & Schlag, 2006)

Bild: Quarks & Co,

WDR, 8.11.2011

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R2

R3

R1>R2

R1=R3

R1

Erwartungskonformität verletzt: Entsprechung zwischen

erwarteter und realer Situation

Wesentlich: Prüfung auf Elemente(folgen), die zu ungünstigen

Wahrnehmungen führen, die wiederum u.U. fehlerhafte Erwartungen und

Verhaltensweisen generieren.

FGSV, 1995, RAS-L

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Paradoxe Sicherheitswirkungen Am Beispiel Fahrbahnbreite

Objektive

Fahrbahn-

breite:

Breit

Eng

An-

forderung

sinkt

steigt

sinkt

steigt

Aufmerk-

samkeit

Subjektive

Sicherheit

Subjektive

Unsicherheit

wird

erhöht

wird

gesenkt

Geschwin-

digkeit

Objektive

Unsicherheit

Objektive

Sicherheit

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Self-explaining + self-enforcing roads (SER) = Self-organizing roads:

Der Straßenbenutzer soll durch die Gestaltung der Umgebung

von selbst, intuitiv erkennen, wie er sich verhalten soll.

• Übereinstimmung von Funktion (“Soll”) und Gebrauch (“Ist”) - auch in

der Wahrnehmung der Verkehrsteilnehmer: zuverlässige (Wieder-)

Erkennbarkeit: trennscharfe Heterogenität der Entwurfsklassen,

stimmiges mentales Modell (Norman: gutes Design)

• Eindeutige Hinweisreize (proaktiv), klare Kommunikation der

Verhaltenserwartungen = self-explaining

• Wirksame Rückmeldungen (z.B.: Diskomfort bei zu schnellem

Fahren) = self-enforcing (z.B. durch rumble strips)

Beispiel NL; RAL 2012

Umgekehrt: Was kostet eine Straße, die so gebaut wird, dass dort „gefahrlos“,

ohne Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit, 180 km/h gefahren werden kann?

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Verkehr und Regeln

Verhaltensbeeinflussung über

Eintrittswahrscheinlichkeit und

Strafhärte: E x W

Subjektive Eintritts-

wahrscheinlichkeit:

Überwachung und Publicity

Empfundene Strafhärte:

- Geldbuße

- Eintragungen Fahreignungsregister („Punkte“ in Flensburg)

- Fahrverbot

- Fahrerlaubnisentzug (mit MPU)

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Geschwindigkeit und Abstand:

Was tun bei Gesetzgebung und Überwachung?

Strafhärte und Überwachung

Deskriptive vs. injunktive Norm

Geschwindigkeitsdämpfung politisch und medial

nicht im Verlustrahmen, sondern als Gewinn diskutieren:

Gewinn durch Tempo 130 auf Autobahnen,

Tempo 80 auf Landstraßen

(bzw. dem Ausbaustandard angepasste Begrenzung),

Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten

(Regel-Ausnahme-Umkehr)

Sicheres Verhalten vorteilhaft machen – unsicherem Verhalten seine Vorteile

entziehen: Was hält unerwünschtes Verhalten aufrecht? yes&no.swf

Heute haben Geschwindigkeitsdelikte (noch) eine weit höhere Akzeptanz als

Fahren unter Alkohol: Änderung der sozialen Normen („no go“).

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Neue Zeichen und Markierungen?

Anamorphic graphics / 3D arts

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Fahrzeug: Information – Warnung – Eingriff - Automation? http://bester-beifahrer.de/

Spurwechselassistent: LCA Lane Change Assistent

Intelligent speed adaptation: ISA Vorausschauender Notbremsassistent;

Intelligent speed adaptation: I automatische Notbremse

Nachtsichtassistent / VES und Innovative Lichtsysteme

Abstandsregler mit Tempomat: ACC

ESP; ABS

Verkehrszeichenbeobachter

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Mensch als Verkehrsteilnehmer

... Mobilität als Spinnweb, das unsere Alltagsaktivitäten verknüpft –

räumlich und zeitlich:

Die Verknüpfung von Orten und dafür eingesetzte Zeitbudgets haben

zentrale Bedeutung im Alltag: das Verhalten ist änderungsresistent.

- Verhalten habituiert sich: Gewohnheiten machen das Leben leichter;

- Kraftfahrzeuge bringen Zusatznutzen, befriedigen Extra-Motive.

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Kraftfahrzeug und Fahren als

- Mittel zum Zweck: Transportfunktion:

Funktionelle/instrumentelle Bedeutung: extrinsisch motiviert;

rationalem Kalkül zugänglich,

meist habituiert

- Symbolische Bedeutung: „Extra-Motive“:

Zusatznutzen oder psychosozialer Mehrwert

(Selbst-Inszenierung, soziales statement, „instant identity“)

- Selbstzweck: Spaß an der Tätigkeit:

intrinsisch motiviert: nachhaltiger aufgesucht,

weniger anfällig für Frustrationen,

besonders änderungsresistent

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Zusatznutzen – anderes Verhalten – andere Konsequenzen:

Motive des Fahrzeugkaufs – Verhaltensangebot – realisiertes Verhalten

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"Die Tür zum Paradies bleibt

versiegelt

durch das Wort Risiko."

(Niklas Luhmann)

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Persönlichkeit: überdauernde Dispositionen:

Immer wieder ähnliches Verhalten

auch in unterschiedlichen Situationen

„Dunkle Triade“ und

Übertretungen, Risikonahme, Gefährdung:

- Narzissmus

- Machiavellismus

- Psychopathie

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Straße und Umfeld

Verkehr und Regeln Fahrzeug Mensch

Fahrbahnbreite Verkehrsdichte und

Verkehrsstärke

Typ Alter und Erfahrung

Spurenanzahl /-breite Mischung, u.a.

Schwerverkehrsanteil

Max. Geschwindigkeit,

Leistung

Geschlecht

Fahrbahnoberfläche Vorherrschende Geschwin-

digkeit (deskriptive Norm)

Komfort Wahrnehmung (bes. Sehen),

Gefahrenkognition und

Erwartungen

Neigung/

Steigung (Gradient)

Heterogenität der

Geschwindigkeiten

Rückmeldungen

(explizit/implizit),

(akust., vibrator.)

Einstellungen, Motive,

Wunschgeschwindigkeit,

Risikoakzeptanz

Linienführung und

Kurvigkeit

Geschwindigkeitslimits,

Zeichen (injunktive Norm)

Assistenzsysteme zur

Geschwindigkeitsregulation

(Tempomat, ISA)

Persönlichkeit (dark triad?)

(traits)

Umfeld: Anbauung,

Bepflanzung

Enforcement/ Überwachung

(E x W)

Assistenzsysteme zur

Abstandsregulation (ACC)

Handlungsfähigkeit,

Reaktion (Güte und Zeit)

Markierungen Wetter,

Fahrbahnbeschaffenheit

Informationssysteme,

Telefon, Entertainment

Fahrzeugbesatzung/

Mitfahrer, Ziel und

Umstände der Reise

Beleuchtung Natürliches Licht, Tag/Nacht Befindlichkeit (state), Eile,

Alkohol, Drogen

Einflussgrößen auf die Geschwindigkeitswahl

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Das Peloton – Soziale Integration und Verhaltensanpassung:

weil es Vorteile bringt und Spaß macht.

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Kriterien für SER:

-Roads should consist of unique road elements: Homogenität innerhalb – Heterogenität

(trennscharf) zwischen Kategorien.

- Roads should require unique behaviour for a specific category (homogeneous within one

category and different from all other categories).

- Unique behaviour displayed on roads should be linked to unique road elements (e.g.,

woonerfs: obstacles - slow driving, freeway: smooth concrete - fast driving).

- The layout of crossings, road sections, and curves should be linked uniquely with the

particular road category (e.g., a crossing on a highway should physically and behaviourally

be completely different from a crossing on a rural road).

- One should choose road categories that are behaviourally relevant.

- There should be no fast transitions going from one road category to the next.

- When there is a transition in road category, the change should be marked clearly (e.g.,

with rumble strips).

- When teaching the different road categories, one should not only teach the name of, but

also the behaviour required for that type of road.

- Category-defining properties should be visible at night as well as in the day-time.

- The road design should reduce speed differences and differences in direction of

movement.

- Road elements, marking, and signing should fulfil the standard visibility criteria.

(nach Theeuwes, 2000)

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Oben: Empfohlene Markierungsvarianten für signalisierte und nicht-signalisierte Knotenpunkte;

Unten: Heutige Standardsituation

Bilder: TU Dresden und Frauenhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme) aus Maier

u. a. (2015) (Schlag u.a., 2016)

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AUSGEWÄHLTE WAHRNEHMUNGSPROBLEME BEI DER FAHRZEUGFÜHRUNG:

Informationsmenge (Reize erkennen/aufnehmen, verarbeiten; Sättigung bzw. Beanspru-

chung in Richtung overload, eventuell auch underload durch Reizarmut/ Monotonie, insge-

samt Fehlbeanspruchung);

Visuelle Wahrnehmung zu stark gefordert (vs. akustische, haptische W., Propriozeption);

Probleme des Kontextes und des Bezugssystems (Verankerung); damit zusammenhängend

Differenzierungsprobleme: Kontrastprobleme (besonders bei Nebel) und Figur-Grund-

Probleme;

Physio- und psychologische Probleme der Entfernungs- und Geschwindigkeits-, insgesamt

der Bewegungswahrnehmung;

Gestalt psychologischer Organisationstendenzen: Konstanzphänome, Gruppierung und op-

tische Täuschungen (u. a. bei Entfernungs- und Geschwindigkeitsschätzungen);

Probleme der Orientierung und der Antizipation (Situationsentwicklungen);

Probleme im Zusammenspiel von fovealer Fixierung und peripherem Scannen;

Anpassungsprobleme: u. a. Hell-Dunkel-Adaptation (bei Wechsel der Lichtverhältnisse) und

Nah-Fern-Akkomodation (bei Blickwechseln);

Aufmerksamkeitsprobleme (Vigilanz, Aktivierung und Monotonie);

Situational awareness

die Einstellung in der Wahrnehmung: Fixierung und Selektion;

„looked but failed to see“

Umfang und Zentrierung des useful field of view (UFOV), des beim Fahren nutzbaren und

weiterhin des praktisch genutzten Sehfelds, das zusätzlich visual attention skills and visual

processing speed einschließt.

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Ist das heute noch so? Oder gilt für die jüngere Generation:

- Flexibler („nutzen statt besitzen“)?

- Spätere Autoanschaffung (Lebensphase oder Alter entscheidend?)

- Geringere symbolische Bedeutung des Kfz? Andere Symbole wichtiger?

- Bessere Alternativen? Nur in Großstädten?

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Quelle: H. Winner et al. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassistenzsysteme, Springer, 2015

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Ist die Linienführung erwartungskonform?

Woher kommen die Erwartungen?

Foto: Dr. Gert Weller

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Eigenschaften guter Designs, angewandt auf self-explaining roads (nach Norman,

2007, 1988):

Sichtbarkeit und eindeutige Wiedererkennbarkeit (visibility & consistency)

Affordance: Wie kann ich es benutzen?

Mapping: eindeutiges mentales Modell (Unterscheidbarkeit),

Erwartungskonformität (Beispiel Anordnung der Schalter an einer Herdplatte)

Einschränkung der Verhaltensoptionen (constraints) (+frühzeitige eindeutige

Kommunikation) (Beispiel: Toaster, Schere)

Feedback: um zu zeigen, ob aktuelles Verhalten angemessen ist & als

Lernhilfe (dies v.a. bei Fehlnutzung) (Feedback auch haptisch, kinästhetisch,

vibratorisch & akustisch: rumble strips)

Standardisierung: damit ALLE IMMER das gleiche Verhalten zeigen

4 EKL (RAL 2012)

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Prof. Bernhard Schlag 35

Autofahren: Anforderungen der Fahraufgabe

Entscheidungstyp: routinisiert stereotyp reflektiert konstruktiv

Aufgabenebenen

zeitlicher Horizont

Bewusstheit

Frequenz; Vorstrukturierth.

Tiefe der Verarbeitung

Kognitive Anforderungen:

Gedächtnis, Aufmerksamkeit

Reiz- Reaktion Schemata Abwägen Problemlösen

Stabilisieren

Manövrieren

Planen

Bremslicht!!!

Spurwechsel Überholen bei

schwer einsehbarer

Fahrbahn

Planung der

Urlaubsfahrt mit

Fährennutzung

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Entfernung [m]

Grün: guter Fahrer / gute Straße: antizipativ

Rot: schlechter Fahrer / schlechte Straße: reaktiv

Kurvigkeit

Beanspruchung (Workload)

[1/ R]

Geschwindigkeit

36 Prof. Bernhard Schlag

Antizipative oder reaktive Kontrolle? Meidung oder Bewältigung?

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Prof. Bernhard Schlag 37 Fuller, 2005

Kompensatorische Regelung

(auf Stabilisierungsebene)

Antizipative Steuerung

(auf Bahnführungsebene)

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Prof. Bernhard Schlag 38

Technische

Maßnahmen

(Engineering)

1. Planung, Bau

und Betrieb der

Infrastruktur

2. Fahrzeuge

3. Kommunika-

tionsstechnik

4. Schnittstellen

Information, Aus-

bildung

(Education)

1. Aus- und Weiter-

bildung

2. Aufklärung und

Erziehung

3. Marketing und

Öffentlichkeits-

arbeit

Gesetze, Über-

wachung, Ahndung

(Enforcement)

1. Gesetzgebung

2. Überwachung

3. Ahndung

Ökonomische

Maßnahmen

(Economy)

1. Steuerliche

Maßnahmen

2. Preispolitische

Maßnahmen

3. Incentives,

Subventionen

Welche Maßnahmen sind wirksam?

Technische

Maßnahmen

(Engineering)

1. Planung, Bau

und Betrieb der

Infrastruktur

2. Fahrzeuge

3. Kommunika-

tionsstechnik;

Schnittstellen

Information, Aus-

bildung, Erziehung

(Education)

1. Aus- und Weiter-

bildung

2. Aufklärung und

Erziehung

3. Marketing und

Öffentlichkeits-

arbeit

Gesetze, Überwa-

chung, Ahndung

(Enforcement)

1. Gesetzgebung

2. Überwachung

3. Ahndung

Wirtschaftliche

Anreize

(Economy)

1. Steuerliche

Maßnahmen

2. Preispolitische

Maßnahmen

3. Incentives,

Subventionen

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Im Einzelnen siehe:

Wissenschaftlicher Beirat beim BMVBS (Ahrens, Schlag u.a.): Sicherheit zuerst – Möglichkeiten zur

Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland. Z f Verkehrssicherheit 56, 4, 2010, 171-194.