Prof. Dr. Bernhard Wasmayr Aktuelle Probleme der Sozialpolitik - Vorlesung VWL IPO WS 2011/12 -

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Einführung (1)

Basisproblematik: Die deutschen Sozialversicherungssysteme stehen unter erheb-lichem Druck (Demographie, mangelnde Wachstumsdynamik). Konsequenzen: Die Wirtschaftssubjekte werden zukünftig gezwungen sein, einen höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für das Gut „Soziale Sicherheit“ aufzuwenden. Mögliche Ausweichmanöver:

Erhöhung der eigenen Sparquote (Altersabsicherung) Migration („Abstimmung mit den Füssen“) Wechsel in nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen (z.B. Selbstständigkeit). Erzielung hoher Zuwachsraten bzgl. des eigenen Einkommens

1.1.

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Einführung (2)

Vorgehensweise der Vorlesung

a) Analyse der Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten im Bereich Soziale Sicherheit

b) Darstellung der Sozialversicherungs(SV)-Systeme im Einzelnen

c) Analyse der volkswirtschaftlichen Aspekte der einzelnen SV-Systeme

d) Analyse der Probleme der SV-Systeme (generelle Probleme, spartenbezogene Probleme

e) Diskussion von Reformkonzepten sowie der Erfahrungen anderer Länder bei Gestaltung und Umbau Ihrer SV-Systeme (Gruppen-präsentationen)

1.1.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

a) Zum Gut Sicherheit (1)

Basisentscheidungen eines Haushalts (HH)

Arbeit versus Freizeit (Preis für Freizeit = entgangener Lohn) Einkommens(EK)-Verwendung: Konsum versus Ersparnisbildung

Wesentliches Motiv der Ersparnisbildung: Abdecken von Risiken

konkret: Aufrecherhaltung des EK-Niveaus im Schadensfall (z.B. Krankheit, Arbeitslosigkeit) Sicherheit: Bewusstsein, dass bestimmte Lebensrisiken abgedeckt sind Sicherheit: „Freiheit im Zeitablauf“

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

a) Zum Gut Sicherheit (2)

Umfang der Risikenabdeckung nur versicherungsfähige Risiken (keine Katastrophen)

Höhe der Risikoabsicherung i.d.R. keine absolute Absicherung ökonomisches Vorgehen: Absicherung bis die Grenznutzen der Zusatzabsicherung den Grenzkosten dieses Gutes entsprechen

Generell: Sicherheitsbedürfnis ist ein superiores Gut Gut Sicherheit wird mit steigendem EK verstärkt nachgefragt

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

b) Vorsorgemethoden

Grundsatz: Generell hat Schadensverhütung (Risikofall tritt nicht ein bzw. wird vermieden) Vorrang.Systematik:

Vorsorge kann auf zwei Ebenen betrieben werden:

private Vorsorgesoziale Sicherung (= über staatliche Interventionen.)

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

1. Private Vorsorge

Individuelle Vorsorge

Private Vermögensbildung Absicherung über privatwirtschaftliche Versicherungsprodukte

Absicherung über subsidiäre Institutionen

Familie Karitative Verbände Unternehmen (betriebliche Sozialleistungen, insbesondere betriebliche Altersversorgung.)

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

2. Soziale Sicherung (staatliches Sicherungsangebot)

Absicherung über Pflichtversicherungssyteme (alle umlagefinanzierten deutschen Sozialversicherungssysteme)

Sicherungsangebot über staatliche Budgets. Mögliche Prinzipien:

Fürsorge Versorgung

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssystem

c) Ist die Produktion des Gutes Sicherheit eine öffentliche Aufgabe?1. Ökonomische Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten: Theorie der öffentlichen Güter Aufgabe des Staates Produktion öffentlicher GüterKriterien:

a) Nicht-Ausschließbarkeit ( kein WS kann von Konsum dieses Gutes ausgeschlossen werden)

b) Nicht-Rivalität im Konsum (Konsum des Gutes X durch WS A mindert die Konsummöglichkeiten des WS B nicht)Konsequenzen: Wenn kein Wirtschaftssubjekt vom Konsum ausgeschlos-sen werden kann, können keine Preisforderungen durchgesetzt werden (WS verhalten sich als free rider) und es kommt kein privates Angebot zustande

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungsysteme

Zwischenfazit:

Bei solchen Gütern muss der Staat die Produktion übernehmen. Problematik:

Es gibt kaum „echte“ öffentliche Güter (innere und äußere Sicherheit, rechtliche Rahmenordnung)Soziale Sicherheit ist grundsätzlich kein öffentliches Gut (Ausschlussprinzip funktioniert).

2. Meritorische Güter: weiteres Begründungsmuster für staatliche Aktivitäten

Meritorische Güter werden privat angeboten, der Staat hält diese Güter für so wichtig/ verdienstvoll, dass er ein höheres Angebot wünscht als der private Sektor bereitstellt.

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

3. Soziale Sicherheit, ein meritorisches Gut?

Vordergründig nein, prosperierende Versicherungswirtschaft belegt, dass ein ausreichend hohes privates Angebot zustande kommt. Argumente, die für dennoch für eine Einstufung als meritorisches Gut sprechen bzw. sprechen könnten: a) Negativauslese von schlechten Risiken durch Versicherungen bei einer rein privatwirtschaftlichen Lösung (Beispiel: Arbeits- marktrisiko eines Ungelernten) b) Präferenzen der Wirtschaftssubjekte für das Gut Sicherheit sind angeblich vielfach zu gering (diese WS treffen keine Vorsorge und bergen das Riskiko späterer Sozialfälle)c) Einkomensschwache WS können sich ggf. keine adäquate Absicherung leisten.

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherunssysteme

4. Denkbare meritorisch-motivierte Staatseingriffe

Grundidee: meritorisch motivierte Ziele können über eine Reihe von unterschiedlich intensiven Eingriffen verfolgt werden:

a) Aufklärung (über Risiken, Vorsorge etc., durch Staat betrieben)b) Schutz der Versicherten Bundesaufsichtsamt für

Versicherungenc) Förderung privater Vorsorge z.B. im Rahmen der EK-Steuerd) Gesetzliche Auflagen Sicherungszwang / Pflichtversicherung

für jedes WS (ähnlich Kfz-Haftpflicht)e) Ultima ratio: Staatliches Sicherungsangebot

Über Pflichtversicherungsgemeinschaft ( Sozialversicherung)Über Staatsverband (Fürsorge / Versorgung)

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

d) Staatliche Vorsorgetechnik I: Fürsorge

Kriterium: Notlage eines Gesellschaftsmitgliedes ( unabhängig, ob verschuldet oder nicht)

Gewährung: nach Bedürftigkeitsprüfung

Höhe: subsidiär Hilfe zur Selbsthilfe

Träger: Gemeinden (Sozialämter)

Finanzierung: Steuermittel (der Kommunen, problematisch bei Brennpunkten)

Beispiel: Sozialhilfe

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

d) Staatliche Vorsorgetechnik II: Versorgung

Definition: Bei Eintritt des Risikofalls erhält jeder Staatsbürger eine Leistung

Höhe: Identisch Leistung für jedes WS („König und Bettler“)

Finanzierung: Über Staatsbudget tendenziell Grundsicherung

Aktualität: Derzeit existiert kein System auf dem VersorgungsprinzipAber: Reihe von Reformkonzepten gehen in diese Richtung, insbesondere Überlegungen zur steuerfinanzierten Grundrente

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

d) Staatliche Vorsorgetechnik III: Sozialversicherung

Kernelemente (1):

a) Beitragsbelastung richtet sich nicht nach dem individuellen Risiko, sondern allein nach EK-Höhe

sozialpolitisch erwünschte Konsequenzen: Bezieher niedriger EK werden bevorzugt

(geringere Beitragsbelastung für identische Leistungen)

Träger schlechte Risiken werden bevorzugt Konsequenz: ein solches System setzt eine Zwangsmitgliedschaft zwingend

voraus.

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

d) Staatliche Vorsorgetechnik III: Sozialversicherung

Kernelemente (2):

b) Es findet keine Kapitaldeckung ( wie bei einem privaten Versicherungsunternehmen) statt.

Finanzierung über Pflichtmitgliedschaft der nächsten Generation („Generationenvertrag“)c) Versicherungslösung Leistungsbezug ist keine Sozial- leistung, sondern basiert auf einem Rechtsanspruchd) Höhe gemildertes Äquivalenzprinzip (höhere Beiträge bedingen höhere Leistungsbezüge)e) Staatlicher Zwang ist nicht gleichbedeutend mit staatlicher Organisation (Selbstverwaltungsprinzip)

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

e) Risikoarten

Gemeinsamer Nenner aller Risikoarten: Risiko, dass der wirtschaftliche Status nicht aufrecht erhalten werden kann

Risiken

Marktrisiken Verlust des laufenden EK Altersbedingte Arbeitsunfähigkeit Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit

EK reicht nicht aus, um den Lebensunterhalt abzudecken Marktpassive Risiken

Sonderbelastungen (Kinder, Ausbildung) Familienlastenausgleich

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

f) Personenkreis / Begünstigtenkreis

Versorgung alle WS innerhalb der geographischen Grenzen Fürsorge Bedürftige Sozialversicherung Gestaltungsmöglichkeiten

Mögliche Stellschrauben Versicherungspflichtgrenze

Versicherungsszwang nur bis zu gewisser EK-Höhe Beitragsbemessungsgrenze bis zu welcher Höhe

wird das Einkommen mit Beiträgen belastet Verhältnis beider Grenzen:

Versicherungspflichtgrenze kann oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen (Regelfall), umgekehrt nicht.

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

g) Leistungsarten

Reihe möglicher Varianten:

Geldleistungen zweckfrei, Empfänger entscheidet über Verwendung Naturalleistungen Zweckbindung Erstattungsverfahren bspw. Private Krankenversicherung prophylaktische Dienstleistungen Kur

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

h) Leistungsumfang

Grundentscheidung: Vollabsicherung <-> Teilabsicherung

Aktuell: klare Tendenz in Richtung Teilabsicherunga) Rente:

Sockelrente (=Teilabsicherung) + private Vorsorge = Vollabsicherungb) Krankenversicherung:

Einführung von Selbstbeteiligungen, Reduktion des Leistungskatalogs etc.

2.2.

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Begründungsmuster und Gestaltungsprinzipien für soziale Sicherungssysteme

i) Moral HazardSoziale Sicherungssysteme beruhen auf dem Solidarprinzip

Es finden verschiedene Transfers statt: Gesunde Kranke Beschäftigte Arbeitslose Beschäftigte Rentner

Grundsatz: Systeme funktionieren nur, wenn die Inanspruchnahme möglichst niedrig gehalten werden kann.Problem: Vielfach Künstliches Herbeiführung des Schadensfalls („Krankfeiern“) zu Lasten der Allgemeinheit (= „Moral Hazard“)

2.2.

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Sozialversicherungssysteme im Einzelnen - Rentenversicherung

a) Ziel:

Absicherung des altersbedingten Ausfalls des laufenden MarkteinkommensMögliche Zielformulierungen

Lebensstandardsicherung „Eckwerterentner“ (typ. Rentner) Zielgruppe soll über Altersruhegeld ihr früheres Lebenshaltungsniveau aufrecht erhalten

können Verhinderung von Altersarmut

untere Grenze = Existenzminimum ( Sozialhilfeniveau)

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

Aktuelle Tendenz:

Politik betreibt klar erkennbar eine Zielverschiebung von der Zielformulierung Lebensstandardsicherung Verhinderung Altersarmut

Indikatoren

a) Einführung / Förderung / Diskussion privater Vorsorgeelemente unter dem Oberbegriff „Rentenlücke“b) Intensive Diskussion von Konzepten zur steuerfinanzierten Grundrente

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

Systeme der Altersversorgung: Überblick

Private Alterversorgung ( Kapitaldeckung) Betriebliche Altersversorgung ( Kapitaldeckung) Gesetzliche Rentenversicherung ( Umlagefinanzierung) Beamtenversorgung ( Finanzierung über öffentliche HH)Definitionen:

„Erste Schicht“ der Altersversorgung: GRV (68%) + Beamtenversorgung (12%)„Zweite Schicht“ der Altersversogung:Betriebliche Altersversorgung (10%)„Dritte Schicht“ der Altersversorgung:Private Altersversorgung (10%)

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

b) Überblick gesetzliche Rentenversicherung

Grundaussage:

Unter dem Dach der GRV existieren eine Reihe von Zweigen, in denen neben abhängig Beschäftigen auch Selbsständige versichert sind bzw. sein können.

BfA + Landesversicherungsanstalten Arbeiter + Angestellte

Knappschaften Bergleute ( abhängig Beschäftigte)

Freiwillig Versicherte sonstige Selbständige Künstler-SV Künstler Handwerkerversicherung Selbständige

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

b) Überblick gesetzliche Rentenversicherung (Fortsetzung)

Es existieren eine Reihe weiterer Einrichtungen im Bereich Alterssicherung. Beispiele (Auswahl) sind: Berufsständische Versorgungswerke insbesondere im Bereich der freien Berufe Alterssicherungseinrichtungen im Agrarsektor (Landwirte)

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

c) Einzelaspekte(1) Ermittlung der individuellen Rente: zwei

Kernelemente Punktwert

durchschnittliches EK und effektive Beitragszahlungen des WS nicht letztes (höchstes) EK, sondern Durchschnitt maßgeblich

Steigerungssatz Idee: längere Beitragszeit höhere Rente Steigerungssatz von 1,5% * 45 Richtjahre = 67,5%Berücksichtigt werden bzgl. der Beitragslänge:

Ersatzzeiten Kinder + WehrdienstAusfallzeiten Krankheit + Arbeitslosigkeit

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

(2) Dynamische Rente Idee: Inflationsschutz für Bezieher von Renten Technik: Lohnindexverfahren Rentensteigerung wird an die

Steigerung der Nettolöhne gekoppelt Aber: „Nullrunden“ bis 2008, auch danach kein Ausgleich der

Inflationsrate(3) Besteuerung der Renten Grundsansatz der EK-Steuer: Jeder Einkommenszufluss soll

besteuert werden ( auch Rente) Gestaltungsalternativen

Abführung der Rentenbeiträge aus versteuertem EK Stellung der Rentenzahlung = steuerfrei Rentenbeiträge vollständig steuerfrei stellen vollständige Besteuerung der Rentenbezüge

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

(3) Besteuerung der Renten (Fortsetzung)

Generelles Ziel beider Verfahren: Vermeidung von Doppelbesteuerung

Praxis: Mischform Überwiegend Bildung aus versteuertem EK ( Bezug überwiegend steuerfrei)Aber: Urteil Bundesverfassungsgericht erzwingt komplette Umstellung auf nachgelagertes Verfahren (Gleichbehandlung)

Aktueller Status der Rentenbesteuerung

Renten werden mit „Ertragsanteil“ besteuert (ca. 25%) Beamtenpensionen voll besteuertSonst. Alterseinkünfte voll besteuert

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

(4) Sozialversicherungspflicht für Rentner

Arbeitslosenversicherung kein Regelungsbedarf, Rentner ist im Ruhestand

Rentenversicherung kein Regelungsbedarf, Rentner erhält Bezüge

Kranken- und Pflegeversicherung hoher Regelungsbedarf durch steigendes Krankheits- und Pflegefallrisiko

Praxis: ermäßigte Krankenversicherungsbeiträge politisch gewollte Umverteilung

Beiträge sind im Regelfall niedriger als im Erwerbsleben

Arbeitgeberanteil entfällt / Übernahme BfA - LfA

3.1.3.1.

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Rentenversicherung

(5) Sicherung von Hinterbliebenen

Grundidee: über die Rentenversicherung sollen die Hinterbliebenen abgesichert werden

Berechtigtenkreis:

Witwen/ Witwer 60% der Altersbezüge Halbwaisen 10% (Altersgrenzen) Vollwaisen 20% (Altersgrenzen)

Scheidungsfall: Splitting der während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche (Absicherung des erwerbslosen Partners im Scheidungsfall)

3.1.3.1.

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Krankenversicherung

a) Zum Gut Gesundheit

Gesundheit ist wesentlicher Bestandteil von Humankapital ist Voraussetzung für Wahrung von Einkommenschancen

Gesundheit ist ein gefährdetes Gut ( Krankheiten, Alterung) Mögliche Gegenmaßnahmen:

Information Prävention Heilbehandlung RehabilitationMaßnahmen benötigen Ressourcen (= kosten Geld)

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

b) Überblick Gesundheitssektor (1)

Private Haushalte

Sind Träger des Gesundheitsrisikos Einflussfaktoren: Lebensweise, Selbstmedikation

Krankenversicherungen

Versichern das Gesundheitsrisiko Unterscheidung gesetzliche und private Krankenversicherungen

Gesundheitsbetriebe

Produzieren das Gut Gesundheit Vielzahl von Akteuren, bspw. Arztpraxen, Apotheken etc.

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

b) Überblick Gesundheitssektor (2)

Vorgelagerte Produktion

Pharmaindustrie, Medizintechnik, zahntechnische Labors etc.

Öffentliche Hand

Setzt Rahmenbedingungen (= Gesetzgebung) Regelungen und Einrichtungen bzgl. Hygiene, Seuchen, etc.

Unternehmen

Finanzierungsanteil im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Werksarzt, Einstellungsuntersuchungen, etc.

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

c) Überblick / Systematik Krankenkassensektor

Aktuelle Struktur in Deutschland: Unterscheidung gesetzliche und private Krankenkassen Gesetzliche Krankenversicherungen

Umlagefinanzierung über generelle einkommensabhängige Prämien

Marktabdeckung rund 90% Private Krankenversicherung

Kapitaldeckung über risikoäquivalente Prämien Marktabdeckung rund 10%

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (1)

Versichertenkreis

Arbeiter und Angestellte mit einem Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze Interpretation: mit Krankenversicherungsbeiträgen wird ausschließlich das Lohn-EK belastet. Der Versicherungspflicht im Rahmen der GKV unterliegen nicht:

Selbständige Beamte Bezieher von Kapitaleinkünften

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (2)

AnbieterEs existiert eine Vielzahl von Gesetzlichen Krankenversicherungen (Wettbewerb über Leistungsspektrum)

Finanzierung

Finanzierung erfolgt über generelle Beiträge, d.h. alle Mitglieder einer Krankenkasse zahlen nach Maßgabe ihres EK einen identischen Betragssatz Effekt: erhebliche Umverteilungseffekte

Gesunde Kranke Besserverdienende EK-Schwache

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (3)

Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung

Grundprinzip: unentgeltliche Übernahme aller Krankheitskosten(Praxis: erhebliche Aufweichung des

Grundprinzips) Leistungsblöcke:

a) Ambulante ärztliche Behandlungb) Krankenhausaufenthaltec) Medikamente und Hilfsmittel

Besonderheit GKVFamilienangehörigen werden ohne zusätzliche Prämiemitversichert

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (4)Beziehungsnetz der Gesetzlichen KrankenversicherungHH AN-BeitragBehandlungU AG-Beitrag

Apotheken Preis- KK Honorierung Kassenärzte entgelte

Pharmaindustrie Fallpauschalen stationäre BehandlungKH

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (5)

Kostenblöcke der GKV I: Ärztehonorierung

Ökonomisch Interpretation: es liegt eine monopolähnliche Situation mit erheblichen Spielräumen für die Anbieter (Ärzte) vor. Wirtschaftssubjekte können die Leistungen der Ärzte inhaltlich i.d.R. nicht einschätzen Preiselastizität der Nachfrage ist extrem starr (hohe Wertschätzung des Gutes Gesundheit) Zusätzlich: Kostenübernahme durch Krankenversicherung

Ausweg: staatliche Gebührenordnung ( Höchstpreisregelung) Technische Umsetzung: Punktesystem und Budgetierungen

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (6)

Anpassung der Gebührenstrukturen (Höhe, Leistungskatalog): Wird in Verhandlungsprozessen zwischen den jeweiligen Interessensvertretern geregelt.

Kassenärztliche Vereinigungen Interessenvertretung der Ärzte

Krankenversicherungen Solidargemeinschaft der Versicherten

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (7)

Kostenblöcke der GKV II: Krankenhauskosten / Pflegesätze

Früher: Vollpauschalierung, d.h. vollständige

Kostenübernahme auf Basis Bettenbelegtag Reform:

Differenzierte Abrechnung nach Fallpauschalen (Bsp: Blinddarm-OP wird mit x T€ vergütet) Leistung Idee: Fallpauschalen sollen Anreize für wirtschaftliches Handeln setzen (Vollpauschalierung führte zu unnötig langen Behandlungszeiten) Kritik: auch hier negative Anpassungsreaktionen

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (8)

Kostenblöcke der GKV III: Medikamente

Reihe von Problemen

Apothekenmarkt vermachtete, wenig wettbewerbsfähige Strukturen

Pharmaindustrie Problematik von „Scheininnovationen“Fazit: Keine Gruppe hat Interesse an Kostendämpfung

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

d) Gesetzliche Krankenversicherung (9)

Krankengeld

„Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“ Problem: unerwünschte Anpassungen (Moral Hazard = Anreiz zum „Krankfeiern“) Stellschrauben

- Prozentuale Abschläge vom Einkommen- Karenztage

Aktuelle Regelung: Krankengeld wird nach 6 Wochen Lohnfortzahlung

durch den Arbeitgeber für maximal 72 Wochen gezahlt.

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

e) Private Krankenversicherung (1)

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur GKV:

Ausgabenseite kein Unterschied zu GKV Beitragsbelastung erhebliche Unterschiede

Beitragssätze beruhen auf einer risikoadäquaten Kalkulation (Beiträge junger Menschen < Beiträge älterer Menschen) Für den jeweils Versicherten sollen die Beiträge konstant gehalten werden: Technisch: Rückstellungen in jungen Jahren (Beiträge > Gesundheitskosten) werden in späteren Jahren aufgelöst (Gesundheitskosten dann > Beiträge). Beitragskonstanz setzt allerdings Ausgabenkonstanz voraus. Da dies nicht vorliegt steigen auch die Beiträge der PKV.

3.2.3.2.

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Krankenversicherung

e) Private Krankenversicherung (2)

Umverteilungswirkungen in GKV und PKV:

In beiden Systemen zahlen junge Versicherte höhere Beiträge als ihre individuellen Gesundheitskosten.

Gesetzliche Krankenversicherung:

Mitfinanzierung d. höheren Kosten anderer WS im gleichen Jahrgang

= interpersonelle Umverteilung

Private Krankenversicherung:

Aufbau eines Kapitalstocks für die eigenen Krankheitsrisiken

= intrapersonelle Umverteilung

3.2.3.2.

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Pflegeversicherung

a) Historie: jüngste Zweig des deutschen Sozialversicherungssystems Gesetzliche Grundlagen: 1994 (N. Blüm)

b) Ziele: Absicherung des PflegerisikosHintergründe

Demographische Entwicklung (zunehmendes Pflegefallrisiko im Alter)

Veränderung der Familienstrukturen ( derzeit Pflege durch Familie 75% sinkend)

Derzeit rund 1,9 Mio. Leistungsempfänger in der PV. Projektionen: Anstieg auf 5 Mio. (2040)

3.3.3.3.

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Pflegeversicherung

Ziele im Detail

Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege finanzielle Unterstützung der Familien

Vermeidung pflegebedingter Sozialhilfeabhängigkeit Aufbau eines leistungsfähigen Pflegesektors

(leistungsfähig, quantitativ ausreichend, wirtschaftlich).

Abgrenzung PV vs. KV enges Verhältnis Leistungen der KV i.d.R. zeitlich der PV vorgelagert

Krankheit Therapie keine Gesundheit Pflegefall Qualität der medizinischen Versorgung steigt

Schwerkranke leben als Pflegefälle weiter

3.3.3.3.

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Pflegeversicherung

c) AusgestaltungDefinition Pflegefall

Lebensbewältigung dauerhaft nur mittels Versorgungsleistun- gen Dritter

Krankheitsfall reversibel Pflegefall irreversibel

sog. Verrichtungsorientierte DefinitionFähigkeit, selbstbestimmte Verrichtungen zu erfüllen, entfällt

An-/ Ausziehen, Hygiene Einkaufen

Dauer > 6 MonateKritik: ursprünglich Reihe von Krankheiten nicht erfasst (Demenz), seit Reform 2008 aber berücksichtigt

3.3.3.3.

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Pflegeversicherung

Ausgestaltung (Fortsetzung)

Technik

Zwangsversicherung über generelle Beiträge nach dem UmlageprinzipHöhe der Beiträge: 1,95 des Brutto-EK bis Beitragsbemessungsgrenze, Aufschlag für Kinderlose i.H.v. 0,25% (nach Reform 2008, vorher 1,7%) Mitversicherung Familienmitglieder Vergangenheit: Beitragssatz in der Startphase der PV zu hoch Reserve von rund 5 Mrd.€ Beitragsdynamik: mittelfristig Beiträge von 3-4% ( 2040)

3.3.3.3.

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Pflegeversicherung

Ausgestaltung (Fortsetzung)

Leistungen der PV

pauschalierte Beträge nach sog. Pflegestufen für:

Häusliche Pflege Stationäre Pflege

aber: Pauschalen sind nicht kostendeckend Ökonomische Interpretation: PV = Teilkasko mit Selbstbeteiligung

Differenz Pflegesatz zu tatsächlichen Pflegekosten?

eigene Mittel (z.B. Rente, Vermögen), danach Mittel der Angehörigen, ultima ratio Sozialhilfe

3.3.3.3.

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Arbeitslosenversicherung

a) Problematik

Ziel: Absicherung des EK-Verlustes infolge unfreiwilliger Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit = typisches exogenes Risiko (Marktrisiko)

Ziele der Instrumente der Arbeitsmarktsparte:

Verhinderung und Abkürzung von Arbeitslosigkeit (Qualifizierungsmaßnahmen)Vermittlung von ArbeitsstellenKompensation des EK-Verlustes

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

b) Arten von Arbeitslosigkeit

Freiwillige AL

Lohnersatzleistungen ausreichendSuch-Arbeitslosigkeit

Unfreiwillige AL

Fluktuations-/ Friktions-ArbeitslosigkeitKonjunkturelle ALStrukturelle ALSaisonale ALArbeitslosigkeit von Problemgruppen

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

(1) Fluktuations-Arbeitslosigkeit

Typische Anpassungseffekte einer dynamischen Volkswirtschaft

- neue Produktionstechniken und –abläufe kosten Arbeitsplätze- Nachfrageschwankungen - Anforderungen an Qualifikationsprofile ändern sich

Technik: Versicherung ideale Lösung.Friktionsarbeitslosigkeit weist Zufallscharakter auf (kann jeden treffen) typisches versicherbares Risiko

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

(2) strukturelle Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit durch:

Sektorale Krisen Regionale Krisen (neue Bundesländer) Aber auch: Fehlinvestitionen in Humankapital (falsche

Berufsbilder)

Strukturelle Arbeitslosigkeit: in der Vergangenheit vielfach Ursache für WanderungenLohnersatzleistungen tendenziell strukturkonservierend

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

(3) Saisonale Arbeitslosigkeit

Tritt periodisch in bestimmten Branchen auf: Bau, Tourismus, Landwirtschaft, Gastronomie

Problem: es handelt sich um permanente Risiken. Die jeweilige Branche weist jedes Jahr identische Risiken auf, wird aber nicht mit höheren Beiträgen zur ALV belastet

Fazit: de facto sind Lohnersatzleistungen Verdeckte Subvention bestimmter Branchen

Alternative: Branchenumlagen

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

(4) Konjunkturelle Arbeitslosigkeit

Konjunktur = zyklische Schwankung der wirtschaftlichen AktivitätRezessionsphasen führen zur Freisetzung von Arbeitskräften

Absicherung konjunktureller Arbeitslosigkeit?

Versicherung adäquates Instrumentzufallsbedingtes = versicherbares RisikoNebeneffekt: günstigstes Instrument der Konjunkturpolitik über antizyklische Wirkungen

Nachfrageausfall durch Arbeitslosigkeit (Markt-EK entfällt) wird durch Lohnersatzleistungen teilweise aufgefangen

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

(5) Problemgruppen-Arbeitslosigkeit

Definition:

verfestigte Dauer-Arbeitslosigkeit von Problemgruppen( AL personenbegründet)

Beispiele: Alte, Ausländer, Ungelernte; Junge (Frauen)

Derzeit größtes Problem der Arbeitsmarktpolitik. Gruppe wächst permanent - Rückkehr in den Arbeitsmarkt ist nach längerer Arbeitslosigkeit sehr unwahrscheinlich.

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

c) Versorgungstechnik – Arbeitslosengeld

1. Kernelemente

Versicherungsleistung Ausgestaltung: generelle Prämie im Umlageverfahren

(Prozentsatz des Brutto-EK; derzeit 2,8 %) Leistungen im Risikofall (=Arbeitslosigkeit)

%-Satz des letzten Netto-EK ohne Bedürftigkeitsprüfung ( Rechtsanspruch) Leistungen

- Lohnersatz (= Hauptleistung) + Reihe von Nebenleistungen

- Weiterzahlung SV RV, KV, Wohn-/ Kindergeld etc.

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

2. Kurzarbeits-Geld

Idee: Kompensationsmaßnahme bei kurzfristigem Arbeitsausfall Kurzarbeits-Geld greift in identischer Höhe wie AL-

Geld Ziel: Arbeitsplatzerhaltung Regeln: > 10% der Arbeitszeit reduzieren

> 1/3 der Belegschaft Idee: gleichmäßige Verteilung der Minderarbeit auf ganze Belegschaft ( keine Entlassungen) Befristung: aktuell: 18 – 24 Monate, weitgehende Flexibilisierung in der Wirtschaftskrise 2008 ff.

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

3. Arbeitslosengeld: Dauer und Höhe der Zahlungen

Bezug setzt Anwartschaft voraus ( Nachweis beitragspflichtige Beschäftigung > 4 Jahre) Bezugsdauer: max. 12 Monate, Sonderregelungen für altere Arbeitslose Höhe: 67 % eines korrigierten Netto-EK (Übernahme der Beiträgszahlungen für die anderen SV-Zweige wird

berücksichtigt).

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

d) Arbeitslosenhilfe

durch die Hartz-Gesetze mit Sozialhilfe verschmolzen (Hartz IV). Einzelregelungen siehe Vorträge

3.4.3.4.

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Arbeitslosenversicherung

e) Moral Hazard-Problematik

Zentrales Problem der Arbeitsmarktsparte.

mutwilliges Herbeiführen des Schadensfalles (Moral Hazard) Unterstützung Anreiz, Arbeitsangebot herunterzufahren Unterstützung schafft damit das Risiko, das sie auffangen soll

Gegenmaßnahmen

1. Höhe Lohnersatzleistung: deutlich kleiner als Markt-EK2. Zeitachse: zeitliche Befristung der Leistungen3. Karenzzeiten bei Eigenkündigung4. Kürzungen bei Ablehnung zumutbarer Arbeiten

3.4.3.4.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

a) Sozialhilfe

Neuregelung im Rahmen der Hartz-Gesetze (s. Vorträge).

Zentrale Überlegungen:

1. Stellung nachrangig/ subsidiär Andere Systeme sind ausgereizt, es liegen keine persönlichen Vermögenswerte vor2. Ziel und Leistungen: Sicherstellung eines sozio-kulturelles Existenzminimum3. Vorkehrungen gegen Moral Hazard: Bedürftigkeitsprüfungen, unattraktive Höhe, Kürzungen bei Verweigerungen gemeinnütziger Arbeiten

3.5.3.5.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

b) Interventionen im Wohnungsbereich

1. Grundüberlegung:

Wohnen = ökonomisches Basisgut ( lebensnotwendiges Gut). Wahrung von Einkommenschancen setzt die Verfügbarkeit einer Wohnung zwingend vorausAber: Wohnungsmarkt weist Reihe von Besonderheit auf. Zentral: Wohnraum ist nicht beliebig produzierbar, weil

Lange Produktionszeit Bauland ist knapp Fülle von gesetzlichen Regelungen

3.5.3.5.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

2. Mögliche staatliche Eingriffe im Wohnungsbereich (Überblick)

Objektförderung

Sozialer Wohnungsbau Subjektförderung

Wohngeld Mieterschutz

Eigentumsförderung

3.5.3.5.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

3. Objektförderung sozialer Wohnungsbau

Staatliche Subventionierung des Wohnungsbaus. Förderung von Wohnbaugesellschaften gegen Sozialbindung. Instrumente

Zuschüsse Zinsverbilligte Darlehen

Probleme SWB Fehlbelegung EK der Mieter > Grenzen Überbelegung ( Einzel-HH in gr. Sozialwohnung) Kein Instrument für Problemgruppen

Fazit: SWB extrem zielungenaues Instrument

3.5.3.5.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

4. Subjektförderung WohngeldKonzeption: zweckgebundene Transfers an bedürftige Wirtschaftssubjekte (Nebeneffekt: Entlastung Sozialhilfe) Subjektbezug: Leistung geht unmittelbar an Wohnungsnachfrager Bedürftigkeitsprüfung: über EK-Grenzen

Technik Reihe von Regelungsbedarfen: Festlegung und periodische Anpassung der EK-Grenze Zumutbarer Eigenanteil? Größe je Familienmitglied Festlegung einer Obergrenze für geförderten Wohnraum Kappung

3.5.3.5.

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Sonstige sozialpolitisch motivierte Sicherungssysteme

4. Subjektförderung Wohngeld (Fortsetzung)

Vorteil Wohngeld:

Relativ zielgenaues Instrument

Nachteil Wohngeld:

Prüfung der Verwendung (tw. Auszahlung über die Sozialämter notwendig) Kein adäquates Instrument für Problemgruppen (diese finden vielfach trotz via Wohngeld verfügbarer Mittel keinen Wohn- raum)

3.5.3.5.

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Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum

a) Wirkungen der SV-Systeme auf die Konjunktur

Konjunktur: zyklisches Auf und Ab der Wirtschaftsleistung (Rezession – Boom)SV-Systeme: sind langfristig angelegt und dienen dem Abfedern von Risiken unabhängig von KonjunkturschwankungenZwischenfazit:

Soziale SS kein Instrument der KonjunkturpolitikAber:

Reihe von antizyklischen Effekten der SV-Systeme ( Dämpfung von Konjunkturzyklen)

4.1.4.1.

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Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum

Antizyklische Effekte im Einzelnen

Generell: Mindereinnahmen in Rezession werden nicht über Beitragserhöhungen aufgefangen

Reserven sinken Kreditfinanzierung

Arbeitslosenversicherung

Wirkung als „Automatischer Stabilisator“ Bei konjunkturell bedingten Beschäftigungsverlusten steigen die Zahlungen aus AL-Versicherung

Nachfrageausfall wird begrenzt

4.1.4.1.

Page 72: Prof. Dr. Bernhard Wasmayr Aktuelle Probleme der Sozialpolitik - Vorlesung VWL IPO WS 2011/12 -

© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7272

Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum

b) Wachstumseffekte

1. Faktor Arbeit (Arbeitsangebot)

Krankheitssparte positiv (Gesundheit = Arbeitsfähigkeit) Rente u. Bildung negativ

Ausbildungszeit verlängert sich Renteneintrittsalter verkürzt sichLebensarbeitszeit (= Erwerbsperiode) verringert sich

AL- u. Sozialhilfe-Sparte negativ wenn Abstand zum Markt-EK gering Arbeitsangebot sinkt

Transfers kein Verzicht auf Freizeit und Konsum Fazit: insgesamt negative Wirkung auf Arbeitsangebot

4.1.4.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7373

Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum

b) Wachstumseffekte (Fortsetzung)

2. Auswirkung auf Kapitalbildung

These: Sozialversicherungen üben kapitalbildungshemmende Wirkungen aus wesentliche Sparmotive (AL, Krankheit) entfallen Effekte des Umlageverfahrens

Beitragszahlende Generation finanziert die Bezüge der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Personen

Es findet kein Kapitalaufbau statt; die Beiträge dienen der Deckung laufender Ausgaben

Gegeneffekt über Staatliche Sparförderung: quantitativ (noch) unbedeutend

4.1.4.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7474

Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Wirkung auf Konjunktur und Wachstum

b) Wachstumseffekte (Fortsetzung)

3. Wirkung der Sozialversicherungssysteme auf die Produktivität

Negative Auswirkungen Negative Anreize, insbesondere auf die Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit

Absicherung über ALV Mobilität der WS sinkt Negativeffekte einer ineffizienten Sozialbürokratie

4.1.4.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 7575

Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte

Generell: SV-Systeme Reihe von Verteilungseffekten

a) Intertemporale EK-Umverteilung

Gegenwarts-EK Zukunfts-EK (Alter) gleichmäßige Verteilung des Lebens-EK EK-Ausgleich zwischen Generationen

b) Risikoausgleich innerhalb einer Versicherung

Jeder Versicherungsnehmer erwirbt Gut Sicherheit nicht alle werden von Risiken betroffen Beispiel: WS nie krank, nie arbeitslos, Tod am 1.Rententag

Versicherungsimmanente Umverteilung (gilt für jede Versicherung)

4.2.4.2.

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Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte

c) Interpersonelle Umverteilung innerhalb der SV-Systeme (Pflichtmitglieder)

Funktionsweise: generelle Prämien (%-Satz des EK)Risikoträger zahlen nicht mehr als Nicht-RisikoträgerBesserverdienende zahlen mehr für identische Leistungen

ökonomisch: Gut Sicherheit wird zu unterschiedlichen Preisen angeboten

Weitere Umverteilungskomponenten

Mitversicherung Familienmitglieder (KV) Existenz von Anrechnungszeiten

4.2.4.2.

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Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte

d) Umverteilung der Steuerfinanzierung Manche Leistungen sind steuerfinanziert (Sozialhilfe,

Wohngeld), in andere Systeme fließen hohe Zuschüsse aus Steuermitteln (Rente)

Verteilungswirkungen

1. Steuerzahler Versicherte (Beispiel Unternehmer)2. Besserverdienende sozial Schwächere progressive

EK-Steuer

Vorsicht: Gegeneffekte

a) Regressionseffekt der Mehrwertsteuer / Verbrauchssteuernb) Besserverdienende profitieren als Kreditgeber von der

Staatsverschuldung

4.2.4.2.

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Gesamtwirtschaftliche Aspekte der SV-Systeme Verteilungseffekte

e) Umverteilungswirkungen der SV-Systeme: Fazit

Gesamteffekt der Verteilungswirkungen ist methodisch kaum ernsthaft zu beurteilen

Fragen:

- überwiegt die vertikale Umverteilung (reich – arm)?- oder eher horizontale Umverteilungen (innerhalb einer Gruppe)?Tendenz: Vertikale Umverteilungskomponenten überwiegen (Umverteilungseffekte innerhalb der beitragsfinanzierten Systeme, Effekte der steuerfinanzierten / bedürftigkeitsorientierten Systeme)Aber: Ausgabeninzidenz (= Wo landen die Ausgaben) wird bei dieser Betrachtung vernachlässigt

4.2.4.2.

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Generelle Probleme

Generelle Probleme - Überblick

Demographische Entwicklung ( 5.1.1.) Mangelnde Wachstumsdynamik ( 5.1.2.)

5.1.5.1.

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

a) Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung

1998 82 Mio. Einwohner

20 Jahre 22%26-60 Jahre 56%> 60 Jahre 22%

2010 81,5 Mio. Einwohner

< 20 Jahre 18%20-60 Jahre 55%> 60 Jahre 27%

5.1.1.5.1.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8181

Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

a) Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung

2020 80 Mio. Einwohner

20 Jahre 16%26-60 Jahre 52%> 60 Jahre 32%

2050 65 Mio. Einwohner

< 20 Jahre 14%20-60 Jahre 42%> 60 Jahre 44%

5.1.1.5.1.1.

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

Entwicklung des Durchschnittsalters

2003 41 Jahre 2020 48 JahreEntwicklung der Beschäftigungsstruktur

2006

Produktion ca. 30% der WirtschaftsleistungDienstleistung ca. 70% der Wirtschaftsleistung

2010

Produktion 25% der WirtschaftsleistungDienstleistung 75% der Wirtschaftsleistung

5.1.1.5.1.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8383

Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

Ist die demographische Entwicklung irreversibel? Grundsätzlich nein, Stellschrauben

a) Geburtenpolitik zur Steigerung der Fertilitätsraten. Steigerung auf > 2 Kinder / Frau zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahlen notwendig (derzeit rund 1,3). b) Zuwanderungspolitik: intensive Zuwanderung notwendig, damit die Bevölkerungszahlen gehalten werden können. Der Alterungsprozess wird dadurch nicht verhindert – das Geburtenverhalten von Zuwanderern passt sich innerhalb einer Generation an.

5.1.1.5.1.1.

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

b) Generelle ökonomische Auswirkungen der Demographie auf umlagefinanzierte Systeme

Umlagefinanzierte Systems auf der Basis genereller Prämien geraten bei Bevölkerungsdruck in existenzielle Problem

Zahl der Leistungsempfänger steigt Pro-Kopf-Ausgaben steigenZahl der Beitragszahler sinkt Einnahmen sinkenKonsequenz:

Grundsätzliche Sanierungsalternativen für alle Systeme:1. Ausgabenseite: Kürzungen2. Einnahmenseite: Erhöhungen, neue Quellen

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

1. Ausgabenseite

Leistungskürzungen Sachleistungen kürzen (keine Kuren, Weiterbildungsmaßnahmen etc.) Geldleistungen kürzen (AL-Geld, Rente)

2. Einnahmenseite

Arbeitszeit/ Beitragszeit verlängern Beitragssätze erhöhen Beitragsbemessungsgrenzen erhöhen Versicherungspflichtgrenzen erhöhen Personenkreis erweitern

5.1.1.5.1.1.

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Probleme der Sozialversicherungssysteme Demographische Entwicklung

Fazit Demographie insgesamt

Verfügbares Einkommen breiter Schichten für Konsumzwecke wird sinken, weil größere EK-Teile zur Absicherung der Lebensrisiken in gewohntem Umfang benötigt werden

Anders: der Preis für das Gut Sicherheit steigt

Ausweichmanöver

Aufstockung Privatvorsorge / private Vermögensbildung Selbständigkeit, Ausweichen in nicht

sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten Auswanderung Beruflicher Erfolg (EK-Dynamik > Beitragsdynamik)

5.1.1.5.1.1.

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© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8787

Probleme der SozialversicherungssystemeMangelnde Wachstumsdynamik

Grundproblematik: Wirtschaftswachstum seit Jahren nicht ausreichend für Vollbeschäftigung

Bei positiver Produktivitätsentwicklung ist Wachstum existenziell, um die Beschäftigung zumindest aufrecht zu erhalten

Hohe Arbeitslosigkeit hat extrem ungünstige Auswirkungen auf die SV-Systeme:

Beitragszahlungen der Arbeitslosen fehlen Leistungsbezug von Wirtschaftssubjekten im erwerbsfähigen Alter

5.1.2.5.1.2.

Page 88: Prof. Dr. Bernhard Wasmayr Aktuelle Probleme der Sozialpolitik - Vorlesung VWL IPO WS 2011/12 -

© Prof. Dr. Bernhard Wasmayr, University of Applied Sciences - FH Ludwigshafen Seite Seite 8888

Probleme der SozialversicherungssystemeMangelnde Wachstumsdynamik

Problematik:

Infolge hoher Arbeitslosigkeit wird die ohnehin nicht ausreichende Beschäftigungsbasis weiter verknappt

Beitragsfinanzierte Systeme (hälftige Finanzierung durch Arbeitnehmer / Arbeitgeber) entwickeln eine negative Eigendynamik:

Bei steigender Arbeitslosigkeit sind Beitragserhöhungen notwendig, da zu wenig Beitragszahler für Finanzierung der Leistung vorhanden

Mehrbelastung des Produktionsfaktors Arbeit über steigende steigende Lohnnebenkosten Weitere Beschäftigungsverluste (Grenzanbieter scheiden aus) Fortsetzung des Teufelskreises

5.1.2.5.1.2.

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Einzelprobleme - Rentenversicherung

a) Grundproblematik:

Demographische Entwicklung schlägt bei der RV am stärksten durch

Folge:

stark steigende Beitragssätze trotz scharfer Korrekturen (steigende Lebensarbeitszeit, Kürzungen des Leistungsniveaus) Prognosen: Beitragssätze 2025 > 35%

Tendenz:

Erhebliche Notwendigkeit Privatvorsorge Nicht länger funktionsfähiges Umlagesystem erzwingt mittelfristig eine steuerfinanzierte Grundrente auf Sozialhilfe- Niveau

5.2.1.5.2.1.

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Einzelprobleme - Rentenversicherung

b) Alternative Kapitaldeckung?

Umlageverfahren weist keine Verzinsungskomponente eines gebildeten Kapitalstocks auf Konsequenz: Leistungen aus einem umlagebasierten Rentensystem sind erheblich kleiner, als bei der Alternative Kapitaldeckung (bspw. Versicherungszwang mit identischen Beträgen). Systemumstellung auf Kapitaldeckung würde zu Doppelbe-lastungen für die derzeitigen Beitragszahler führen:

a) Aufbau Kapitalstock durch Privatvorsorgeb) Zusätzliche Einzahlung in Rentenversicherung zur Finanzierung der heutigen Rentner

Aber: Modelle mit Teilkapitaldeckung ggf. eine Alternative

5.2.1.5.2.1.

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Einzelprobleme - Krankenversicherung

Gesundheitssparte ist ebenfalls von der demographischen Entwicklung betroffen

Höhere Lebenserwartung hat auf Einnahmen und Ausgabenseite Konsequenzen für das Gesundheitswesen

Einzeleffekte:

1. Medizinisch-technischer Fortschritt

Wirkung: Lebensverlängerung durch Produktinnovationen

Kosten steigen Gegeneffekt: Prozessinnovationen Kosten sinken Nettoeffekt: Kostensteigerungen

5.2.2.5.2.2.

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Einzelprobleme - Krankenversicherung

2. Medikalisierungsthese

Wirkung: steigende Zahl älterer Menschen + technischer Fortschritt steigende Zahl chronisch Kranker

Kosten steigen Gegenwirkung:

Bevölkerungsabnahme sinkende Krankheitszahlen Kosten sinken

Nettoeffekt: tendenziell steigende Pro-Kopf-Kosten und auch Gesamtkosten im Gesundheitswesen

5.2.2.5.2.2.

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Einzelprobleme - Krankenversicherung

3. Einnahmenseite:

Zahl der Erwerbstätigen geht zurück – Zahl der Rentner steigt.Quersubventionierung zugunsten Rentner, da dies nur noch geringe KV-Beiträge zahlen

4. Versicherungsfremde Leistungen:

Krankenkassen übernehmen Leistungen, die mit Versicherungsfall Krankheit nichts zu tun haben (Mutterschaftsgeld, Krankengeld etc.)

5.2.2.5.2.2.

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Einzelprobleme - Pflegeversicherung

Pflegebereich weist identische Probleme wie die Gesundheitssparte auf

Medizinisch technischer Fortschritt zwar kein unmittelbarer Kostenfaktor des Pflegebereichs.

Aber: mehr Kranke überleben infolge des technischen Fortschritts als langjährige Pflegefälle

Fazit: Steigende Ausgaben im Pflegebereich

5.2.3.5.2.3.

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Einzelprobleme - Arbeitslosenversicherung

Arbeitsmarktsparte ist relativ unabhängig von der demographischen Entwicklung

Risikoabsicherung innerhalb der Gruppe der Beschäftigten keine ähnliche Dramatik wir bei Rentenversicherung, aber

Mangelnde Wachstumsdynamik schlägt voll durch

Fazit:

Arbeitsmarktsparte hat andere Probleme. Reformansätze zielen daher nicht auf grundlegend neue Systeme ab, sondern auf:

1. Beseitigung von Fehlanreizen innerhalb des Systems2. Effizienzsteigerung innerhalb der Arbeitsverwaltung

5.2.4.5.2.4.