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Kritisches zur geplanten Erbschaftsteuerreform Prof. Dr. Joachim Wieland Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

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  • Kritisches zur geplanten Erbschaftsteuerreform

    Prof. Dr. Joachim WielandJohann Wolfgang Goethe-Universität

    Frankfurt am Main

  • Erbschaftsteuerreform

    1. Problemaufriss2. Rechtslage3. Verfassungsrecht4. Gesetzentwurf5. Bewertung6. Perspektiven

  • 1. Problemaufriss

    • Koalitionsvertrag 11.11. 2005:- Erbschaftsteuerreform zum Erhalt von

    Arbeitsplätzen- jährliche Reduzierung der Steuerschuld- nach 10 Jahren Erlass

  • 1. Problemaufriss

    • Steuerliche Privilegierung des Generationswechsels in Unternehmengegenüber anderen Erbfällen

    • Problem der Steuergleichheit:- verfassungswidriger Verstoß gegen den

    allgemeinen Gleichheitssatz? oder: - gerechtfertigte Ungleichbehandlung?

  • 2. Rechtslage

    • Betriebsvermögen mehrfach begünstigt:- Freibetrag 225.000 €, § 13a I ErbStG- Bewertungsabschlag 35%, § 13a II

    ErbStG- Steuerbilanzwerte, § 12 V ErbStG- 10 Jahre Stundung, § 28 I ErbStG- Tarifbegrenzung, § 19a III u. VI ErbStG

  • 3. Verfassungsrecht

    • Vorlagebeschluss Bundesfinanzhof vom 22.5.2002:

    - Gleichheitswidrige Ermittlung der Bemessungsgrundlage

    gleichheitswidriger Steuertarif- Steuerbilanzwerte Privilegierung- verletzt Leistungsfähigkeitsprinzip,

    zufällige u. willkürliche Begünstigung

  • 3. Verfassungsrecht- stille Reserven bei ertragsstarken

    Unternehmen, Bilanzierungswahlrechteund Sonderabschreibungen umfassend genutzt

    kleinere und mittlere Betriebsvermögen verschont, größere nur zum Teil belastet

  • 3. Verfassungsrecht

    • kein konkreter Anhaltspunkt, dass Steuerlast Betriebsfortführung gefährde(Stundung!)

    • Begünstigungen zu weitgehend für Differenzierungsgrund „Schutz der Betriebe“

  • 3. Verfassungsrecht

    • Bundesverfassungsgericht v. 7.11.2006:- ErbStG gleichheitswidrig wegen

    Privilegien bei Bewertung- Bewertung muss gemeinen Wert zu

    Grunde legen (Verkehrswert)- Lenkungszwecke nur mit zielgenauen

    und normenklaren Verschonungsregeln

  • 3. Verfassungsrecht

    • Begründung folgt Bundesfinanzhof:• steuerliche Lenkungsziele erst nach

    Bewertung mit Verkehrswert• zwingende Voraussetzung:

    ausreichende Rechtfertigungsgründe• nicht entschieden: Vereinbarkeit der

    geltenden Privilegierung mit Art. 3 I GG

  • 3. Verfassungsrecht

    Hinweis: zulässig auch sehr weitgehendeBegünstigung des Erwerbs bestimmter Vermögensgegenstände „bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe“

    - gesetzgeberische Entscheidung erkennbar

    - Begünstigte sachgerecht abgegrenzt

  • 3. Verfassungsrecht

    - Lenkungszwecke gleichheitsgerechtausgestaltet

    - - Begünstigungswirkungen ausreichend zielgenau

    - - gleichmäßiger Eintritt innerhalb des Kreises der Begünstigten

  • 3. Verfassungsrecht

    • Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit:- Weiteranwendung geltenden Rechts bis

    zur Neuregelung (Rechtssicherheit)- Pflicht zur Neuregelung bis 31.12.2008- nicht: Befristung weiterer Anwendung- Folge: Weiteranwendung auch nach

    31.12.2008, wenn Pflicht zur Neuregelung verletzt

  • 4. Gesetzentwurf

    • Gesetzentwurf am 25.10.2006 von Bundeskabinett beschlossen

    • Ziele: - Erhaltung der Unternehmen „als Garanten

    von Arbeitsplätzen, als Stätten des produktiven Wachstums und in ihrer gesellschaftlichen Funktion als Ort beruflicher und sozialer Qualifikation“

  • 4. Gesetzentwurf

    • „Generationenbrücke“ auch bei großenUnternehmen erleichtert

    • Anreiz zur Fortführung für Erwerber• kein Verkauf an Finanzinvestoren• Verhinderung von missbräuchlichen

    Steuergestaltungen u. Mitnahmeeffekten

  • 4. Gesetzentwurf

    • Weg: Generationenfolge in Unternehmen von Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten (§§ 28, 28a ErbStG-E)

    - 10 Jahre zinslose Stundung- Erlöschen in 10 Jahresraten- Beschränkung auf produktives Vermögen- Freigrenze 100.000 Euro

  • 4. Gesetzentwurf

    • Bedingungen:- Nachfolger führt Unternehmen 10 Jahre

    fort- Umfang muss nach Gesamtbild der

    Verhältnisse vergleichbar sein- Kriterien: Umsatz, Auftragsvolumen,

    Betriebsvermögen, Anzahl der Arbeitnehmer

  • 4. Gesetzentwurf

    • Rechtfertigung für Erweiterung der „Schere“ zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen

    • Begünstigtes Vermögen (§ 28a ErbStG-E):- inländisches land- u. forstwirtschaftl.

    Vermögen- inländisches Betriebsvermögen- Kapitalgesellschaftsanteil über 25%

  • 5. Bewertung

    • kritische Literaturstimmen:- P. Kirchhof:

    „verfassungsrechtliche Finsternis“, „Verkomplizierung ohne rechtfertigenden Gedanken“geltendes Recht darf nicht in anderer Verpackung wiederhergestellt werden

  • 5. Bewertung

    • Birk/Pöllath:Lenkungsnorm nicht verhältnismäßig:Dritter als Unternehmer oft geeigneter als Erbe „lock-in-Effekt“Abbau von Arbeitsplätzen vor Erbfall25%-Grenze problematischSteuerstundung ausreichend

  • 5. Bewertung

    • Neuregelung durch Fiskalzwecke nichtzu rechtfertigen, weil Leistungsfähigkeitder Erwerber von Betriebsvermögen nicht vermindert

    • als Lenkungsnorm nicht erforderlich, weil Steuerstundung milderes Mittel

    • weit reichende Mitnahmeeffekte, da Betriebsfortführung praktisch Regelfall

  • 5. Bewertung

    • also Kreis der Begünstigten nichtsachgerecht (lenkungsbezogen) abgegrenzt

    • umgekehrt 25%-Grenze problematischzur Lenkung, da unternehmerische Betätigung auch bei geringerem Anteil

    • zielgenaue Lenkung äußerst schwierig

  • 5. Bewertung

    • Beschränkung auf inländischesBetriebsvermögen europarechtlichwegen Kapitalverkehrsfreiheitproblematisch

  • 6. Perspektiven

    • Erbschaftsteuerreform nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts schwierig verfassungskonform realisierbar

    • Beschränkung auf Beseitigung der Verfassungswidrigkeit wegen höherer Steuerbelastung politisch umstritten, verfassungsrechtlich unproblematisch

  • 6. Perspektiven

    • Was passiert, wenn nichts passiert?Gesetzgeber verletzt Korrekturpflicht, Gesetz bleibt aber anwendbar, bis Bundesverfassungsgericht Anwendbarkeit in neuem Verfahren beendet

  • 6. Perspektiven

    • Erbschaftsteuer im sozialen Rechtsstaat sachgerecht

    - Erbfall erhöht wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Erben

    - weniger Steuerwettbewerb als bei anderen direkten Steuern

    - bildet Gegengewicht zur regressivenWirkung indirekter Steuern

    Kritisches zur geplanten ErbschaftsteuerreformErbschaftsteuerreform1. Problemaufriss1. Problemaufriss2. Rechtslage3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht3. Verfassungsrecht4. Gesetzentwurf4. Gesetzentwurf4. Gesetzentwurf4. Gesetzentwurf4. Gesetzentwurf5. Bewertung5. Bewertung5. Bewertung5. Bewertung5. Bewertung6. Perspektiven6. Perspektiven6. Perspektiven