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Praktische Philosophie IIEinführung in die politische Philosophie

Internationale Gerechtigkeit

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Übersicht:

1. Arten und Kriterien der Gerechtigkeit

2. Globale Gerechtigkeit

3. Gerechtigkeit zwischen Individuen und Völkern

4. Ressourcen, Klima, Gewalt

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1. Arten und Kriterien der Gerechtigkeit

1. Gerechtigkeit als Tugend

A. Tugend: Lobenswerte Verhaltensdisposition

B. Allgemein: Einer Sache bzw. Person gerecht werden, das ihr Zustehende, Förderliche geben

C. G. als Tugend ist die „Ausübung aller Tugenden im sozialen Verkehr“ (Aristoteles)

2. Gerechtigkeit als erzwingbare Rechtsordnung

A. Allgemein: Gesetzliche Ordnung für die Vereinbarkeit von Freiheit u. Verteilung von Gütern

B. Arten: Verteilungs-, Tausch-, Strafgerechtigkeit

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1. Arten und Kriterien von Gerechtigkeit (2)

3. Kriterien der Gerechtigkeit

A. Bedürfnisse: „jedem nach seinen Bedürfnissen“ Hilfe, Solidarität

B. Verdienst und Schuld: „jedem nach seinen Leistungen“, Beiträge für gemeinsame Güter, Tauschleistung, Korrektur von Schaden

C. Lasten: Faire Verteilung der Lasten und Vorteile bei Kooperationen

D. Gleichheit: gleiche Rechte der Menschen, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit

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2. Globale Gerechtigkeit

1. Gerechtigkeit gegenüber der Natur, den Lebewesen, Arten und Individuen („artgerecht“, Lebensräume gerecht teilen)

2. Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen A. Generationengerechtigkeit (Umgang mit Ressourcen,

Lebensbedingungen) B. Gegenüber den Bedürfnissen aller derzeit Lebenden:

Ernährung, Gesundheit, Umwelt, Lebensstandard C. Gegenüber Verdienst und Schuld: Belohnung der

„Fleißigen“? Recht der „ersten Besitznahme“ und der Gewohnheit? Kompensation für Nachteile und vergangene Schuld?

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2. Globale Gerechtigkeit (2)

3. Kriterien des Ausgleichs bzw. der Kompensation: A. Rawls: Lage der Schlechtestgestellten verbessern

(Anreiz und Maximin)B. Nozick: Historische Unrechtshandlungen ausgleichen

C. Folgen von Sklavenhandel und Kolonisation: Entvölkerung (Afrika), Verarmung (Ressourcen),

Destabilisierung (Stämme und „Nationen“), Rechte (Abbaurechte und „know how“, Lizenzen, Patente)

D. Motive: Gattungssympathie, Menschensolidarität, Vernunftrecht, Religion, Interessen

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2. Globale Gerechtigkeit (3)

4. Ist Solidarität mit den Armen anderer Völker moralisch geboten oder (auch) rechtlich erzwingbar?

5. Verhältnis Moral, Recht, Politik in modernen Gesellschaften:

A. Recht ist erzwingbar, Moral nicht („Gesinnungszwang“)

B. Staat muss auch mit egoistischen Motiven funktionieren

C. Zwangsrecht auf Rechtsverletzungen begrenzt D. Staatliche Finanz- und Steuergesetze können Zwang

auch für politische Ziele einsetzen

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2. Globale Gerechtigkeit (4)

6. Gründe gegen Rechtszwang:

A. Keine globale Zwangsgewalt, Völkerrecht ist Vertragsrecht (interessengebunden)

B. Kein Recht einer globalen Verteilungsinstanz, in Rechte souveräner Staaten und Individuen einzugreifen (auch: Destabilisierung des innerstaatlichen Rechtsfriedens)

C. Freier Handel, Markt, liberale Wirtschaftsordnung sind effektiver und konfliktärmer

D. Altruismus nicht erzwingbar, Staat muss Interessen verfolgen (ideologiefrei, „ehrlich“)

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2. Globale Gerechtigkeit (5)

7. Gründe für Rechtszwang:A. Vergangene und gegenwärtige Schädigungen (z.B.

Kolonialisierung, Klimaveränderungen) müssen wieder gutgemacht bzw. verhindert werden

B. Wachsende Schere zwischen Arm und Reich führt zu Migrationen und gewaltsamen Konflikten (Terrorismus, Neue Kriege etc.)

C. Grobes „materiales Unrecht“ macht Rechtsordnungen (hier: Internationales Recht) hinfällig („Radbruchprinzip“).

D. Globale Wirtschaftsverflechtung folgt dem Modell gesellschaftlicher Kooperation (Fairness, Kompensation, „Rawlsprinzip“)

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3. Gerechtigkeit zwischen Individuen und Völkern

Gerechtigkeitspflichten für Individuen:

1. Gegen alle gleich, nur nach Mangel und Leid gewichten (P. Singer). Medizin und Nahrung für anonyme Ferne wichtiger als Bildung etc. für eigene Kinder. Problem: Heroismus, Auflösung der Nahpflichten

2. Pflicht zur Veränderung von Institutionen (z.B. WTO) und Politik, die Mangel und Unterdrückung verursachen (z.B. Abschaffung von Agrarsubventionen und Patentrechten) mit Einbußen für die reichen Länder und ihre Bürger. Politische Pflicht als Ermöglichung globaler sozialer Menschenrechte (Th. Pogge).

Problem: globale Spezialisierung (Agrar- vs. Industrie) und extreme Interdependenz (vgl. Erdgas).

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3. Gerechtigkeit zwischen Individuen und Völkern

Gerechtigkeitspflichten für Individuen (2):

3. Pflicht zur Förderung und Unterstützung von Rechtsstaaten mit „achtbarer“ Verfassung: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Geregelter Machtwechsel etc. (Rawls). Diese sind in der Regel (Ausnahme: Katastrophen) zur Selbsthilfe in der Lage. Lasten und Pflichten zur Unterstützung solcher Staaten sollen nicht zu tief in die innerstaatliche Verteilung eingreifen (Primat der Fairness im „Nahbereich“).

Problem: Konfliktpotentiale des innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Mangels

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3. Gerechtigkeit zwischen Individuen und Völkern

Behandelte Autoren:

Singer, Peter: „Hunger, Wohlstand und Moral.“ In: Bleisch, Barbara/Schaber, Peter (Hg.): Weltarmut und Ethik Paderborn: mentis, 2007, 37-51.

Pogge, Thomas: „Anerkannt und doch verletzt durch internationales Recht: Die Menschenrechte der Armen.“ In: Bleisch/Schaber 2007, 95-138

Rawls, John (2002): Das Recht der Völker. Berlin: de Gruyter

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3. Gerechtigkeit zwischen den Völkern

1. Gegenstände: Territoriale Integrität, Selbstbestimmung, Gewaltverzicht, Zugang zu gemeinsamen Gütern (Meere, Handelswege, Luft etc.), Rechte der jeweiligen Bürger („Weltbürgerrecht“, internationales Privatrecht, Einwanderung, Marktzugang und Niederlassung)

2. Mittel zwischenstaatlicher Gerechtigkeit:

A. Völkerrecht als Vertragsrecht, diplomatischer Verkehr, Instanzen der wechselseitigen Hilfe (Bündnisse) und der globalen Konfliktreglung (UNO, Int. Strafgerichtshof), internationales Recht gegen staatliche Gewalt nach innen

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3. Gerechtigkeit zwischen den Völkern

B. Solidaritätsaktionen Hilfsmaßnahmen gegen Katastrophen (Ernährung,

Gesundheit, Natur-), Einsätze gegen gewaltsame Minderheiten (auch: regierende)

C. „Politik“: weltweite „Sozialpolitik“ (Entschuldung, Entwicklungshilfe), Wirtschaftspolitik, Macht- und Sicherheitspolitik

3. Träger: Staaten und Staatenbünde (G 8, OECD)

überstaatliche (Rotes Kreuz etc.) und nicht-staatliche Organisationen, private globale Initiativen („Künstler gegen Aids“, „Oxfam“ etc.), „Weltöffentlichkeit“.

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4. Ressourcen, Klima, Gewalt

1. Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum

Problem: Freier Welthandel und einzelstaatliche Interessen vs. historische Ungerechtigkeit und fehlende Chancengleichheit,

liberale Reproduktionsfreiheit, Angewiesenheit auf familiäre Arbeitskräfte vs. Ressourcenverbrauch

2. Klima: Unproportionale Schäden durch Erderwärmung („Treibhauseffekt“), Unfairness gegen „Nachholbedarf“ und Schwellenländer vs. Belastungsanfälligkeit der wirtschaftlichen „Lokomotiven“, Prognoseprobleme

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4. Gegenstände: Ressourcen, Klima, Gewalt

3. Gewalt

Geregelter Gewaltverzicht als Voraussetzung aller Rechtsbeziehungen

Staatliches Gewaltmonopol als Voraussetzung des inneren Rechtsfriedens setzt staatliche Selbstverteidigung voraus

Gefährdung staatlicher Selbstbestimmung durch überstaatliche Zwangsgewalt

Resultat: Problem des gerechten Krieges als Grundproblem internationaler Gerechtigkeit, Verrechtlichung des Krieges als Anfang des Völkerrechts, Staatserosion und „neue Kriege“