Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing Belastungsinkontinenz ... · Thema 2 02/2011 Wie wir bei...

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Thema 1 02/2011 Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing Belastungsinkontinenz (Stress-Inkontinenz) Extrakorporale Magnetfeldtherapie als unterstützende Behandlungsoption kann zusammen mit hormoneller Behandlung und gezieltem Beckenbodentraining helfen Die extrakorporale Magnetfeldtherapie eignet sich gut zur unterstützenden Thera- pie der leichten und mittelgradigen Belastungsinkontinenz (BIK), vor allem bei post- menopausalen Frauen. Die Methode wird noch effizienter durch die kombinierte va- ginale Östriol- und Vitamin-D-(Hochdosis-)Behandlung. Dies zeigt die Auswertung einer Praxisstudie von 30 postmenopausalen Patientinnen mit leichter und mittel- gradiger BIK, die über sechs Wochen zweimal wöchentlich extrakorporale Magnet- feldtherapie (insgesamt zwölf Anwendungen) und gleichzeitig dreimal wöchentlich ei- ne kombinierte vaginale Östriol- und Vitamin-D-(Hochdosis-)Behandlung erhielten. 33,3 % der Patientinnen gaben nach der Therapie an, wieder kontinent zu sein. Weitere 40 % der Patientinnen gaben eine um mindestens 25 % geringere durchschnittliche Urinverlustmenge an. Somit haben mehr als zwei Drittel der Patientinnen von der The- rapie profitiert. Beckenbodenschwäche und Belastungsinkontinenz Die Belastungsinkontinenz (BIK) ist sehr häu- fig. Wir haben in unserer gynäkologischen Praxis tagtäglich damit zu tun, sehr oft in Ver- bindung mit Beckenbodenschwäche (BBS). Ab dem 55. Lebensjahr leidet etwa jede drit- te Frau daran. Das sind allein in Deutschland mehrere Millionen Frauen. Es kann somit von einer Volkskrankheit gesprochen werden. Die Ursachen können vielfältig sein, u. a. familiä- re Veranlagung, Bindegewebsschwäche, kör- perliche Überbelastung, Stoffwechseldefizite etc. Da der Beckenboden eine wichtige Stütze für die inneren Organe im kleinen Becken ist, kommt es bei einer Schwächung zu stati- schen und dynamischen Problemen vor allem zwischen kleinem Becken, Damm und Vagina. Als Folge kann ein Prolaps von Blase, Vagina, Rektum oder Dünndarmschlingen resultieren. Besonders der Blasenprolaps kann proble- matisch sein, weil der willkürliche Blasenver- schluss nur über die intakte Beckenboden- muskulatur gewährleistet wird. Durch eine Senkung kann sich der Austrittswinkel der Harnröhre ändern. Die „Verschluss-Strecke“ kann sich verkürzen und sich eine BIK entwi- ckeln. Ursachen Häufige Ursache für eine BIK ist die allgemeine Bindegewebsschwäche, welche familiär ge- häuft auftritt. Durch Gewebe-Hypothrophie bzw. -Atrophie können die Symptome der BIK oft verstärkt werden, die vor allem in Klimak- terium und Menopause im Rahmen zuneh- mender Stoffwechselstörungen auftritt. Co- Faktoren sind dann vor allem schwere kör- perliche Arbeit, schweres Heben, rasch auf- einanderfolgende Geburten, Schwanger- schaften mit schweren Kindern etc. Die BIK und BBS werden gefördert durch ungünstige Durchblutungs- und Stoffwechselfaktoren: Dia- betes Typ II, Adipositas (Druckerhöhung), chro- nisch gestörter Fett-, Zucker- und Protein- stoffwechsel etc. Kommt es zusätzlich zu me- chanischer Überbelastung mit Überdehnung des Bindegewebes, der Sehnen, Bänder und Muskeln, so sind die BIK und BBS besonders ausgeprägt. Symptome Die Symptome der BIK hängen vom Schweregrad der Erkrankung ab: Grad 1: Nur beim Husten, Niesen, Lachen In- kontinenz. Grad 2: Nicht nur beim Husten, Niesen, La- chen Inkontinenz. Auch bei abrupten Körper- bewegungen, beim Aufstehen und / oder Hin- setzen, nicht im Liegen. Grad 3: Auch im Liegen, bei Bewegungen oh- ne Belastung Inkontinenz Diagnostik Die Diagnostik der BIK erfolgt primär an- amnestisch (siehe Symptome) und durch all- gemeine und gynäkologische Untersuchung: Beurteilung des Beckenbodens, Pelvimetrie mittels Ultraschall-CT (Beckenboden-Status, elektronische Zystoskopie), Miktionsprotokoll (mindestens zwei Tage), Urin-Labor (Schnell- test, Kultur, Sediment), Pad-Test (= standardi- sierter Vorlagen- / Windeltest über 24 Stun- den), Ausscheidungs-Urographie, Urethrozys- toskopie und urodynamische Untersuchung. In Abhängigkeit von der Anamnese führen wir auch individuelle Labor-Analysen (u. a. Mine- ralstoffe, Vitamine und Hormone) durch. Aus unserer Sicht können für den Bindegewebe- stoffwechsel auch folgende Hormone von be- sonderer Bedeutung sein: Östradiol, Östron, Östriol, Progesteron, Testosteron, Cortisol, DHEA, Serotonin, Homocystein, T3, T4, TSH, TBG. DHEA hat für Bindegewebe und Blasenkontrollfunktionen eine wichtige Bedeutung (13). Bei Verdacht auf BIK in Verbindung mit BBS analysieren wir die Bindegewebestrukturen mit Kollagenoson ® . Mit unserem Ultraschall- CT können wir sonographisch diverse uro- dynamische Parameter zur Beurteilung der Kontinenzfunktionen in Ruhe und Belastung (Vermessung des Beckenbodens in Entspan- nung und unter Maximalkontraktion) quantita- tiv ermitteln. Falls eine genauere quantitative Analyse der Urinverlustmengen nötig ist, bit- ten wir die Patientinnen, ein Miktionsprotokoll zu führen und einen Pad-Test zu machen. Therapiemöglichkeiten Auch die Therapie der BIK hängt ab von der Schwere und Art der Erkrankung ab. Eine mo- nokausale Therapie gibt es nicht. Allgemeine Maßnahmen sind Lebens- und Ernährungs- umstellung, bei Übergewicht Gewichtsreduk- tion, Beckenboden-Training und -Gymnastik, Sport, Biofeedback-Methoden, Applikation von Inkontinenz-Hilfen, vaginale oder rektale Elek- trostimulationstherapie, Pessare, Scheiden- gewichte etc. Es gibt auch diverse medika- mentöse und operative Ansätze, z. B. TVT, Im- placement-Therapie oder der künstliche Schließmuskel. Wie wir in der nachfolgend näher beschrie- benen Praxisstudie zeigen können, scheinen vor allem auch die Östrogen- und Vitamin-D- Substitution wichtig zu sein (s. u.).

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Thema

102/2011

Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing

Belastungsinkontinenz (Stress-Inkontinenz)Extrakorporale Magnetfeldtherapie als unterstützende Behandlungsoption kannzusammen mit hormoneller Behandlung und gezieltem Beckenbodentraining helfen

Die extrakorporale Magnetfeldtherapie eignet sich gut zur unterstützenden Thera-pie der leichten und mittelgradigen Belastungsinkontinenz (BIK), vor allem bei post-menopausalen Frauen. Die Methode wird noch effizienter durch die kombinierte va-ginale Östriol- und Vitamin-D-(Hochdosis-)Behandlung. Dies zeigt die Auswertung einer Praxisstudie von 30 postmenopausalen Patientinnen mit leichter und mittel-gradiger BIK, die über sechs Wochen zweimal wöchentlich extrakorporale Magnet-feldtherapie (insgesamt zwölf Anwendungen) und gleichzeitig dreimal wöchentlich ei-ne kombinierte vaginale Östriol- und Vitamin-D-(Hochdosis-)Behandlung erhielten. 33,3% der Patientinnen gaben nach der Therapie an, wieder kontinent zu sein. Weitere40 % der Patientinnen gaben eine um mindestens 25 % geringere durchschnittlicheUrinverlustmenge an. Somit haben mehr als zwei Drittel der Patientinnen von der The-rapie profitiert.

Beckenbodenschwäche undBelastungsinkontinenzDie Belastungsinkontinenz (BIK) ist sehr häu-fig. Wir haben in unserer gynäkologischenPraxis tagtäglich damit zu tun, sehr oft in Ver-bindung mit Beckenbodenschwäche (BBS).Ab dem 55. Lebensjahr leidet etwa jede drit-te Frau daran. Das sind allein in Deutschlandmehrere Millionen Frauen. Es kann somit voneiner Volkskrankheit gesprochen werden. DieUrsachen können vielfältig sein, u. a. familiä-re Veranlagung, Bindegewebsschwäche, kör-perliche Überbelastung, Stoffwechseldefiziteetc.

Da der Beckenboden eine wichtige Stütze fürdie inneren Organe im kleinen Becken ist,kommt es bei einer Schwächung zu stati-schen und dynamischen Problemen vor allemzwischen kleinem Becken, Damm und Vagina.Als Folge kann ein Prolaps von Blase, Vagina,Rektum oder Dünndarmschlingen resultieren.Besonders der Blasenprolaps kann proble-matisch sein, weil der willkürliche Blasenver-schluss nur über die intakte Beckenboden-muskulatur gewährleistet wird. Durch eineSenkung kann sich der Austrittswinkel derHarnröhre ändern. Die „Verschluss-Strecke“kann sich verkürzen und sich eine BIK entwi-ckeln.

Ursachen

Häufige Ursache für eine BIK ist die allgemeineBindegewebsschwäche, welche familiär ge-häuft auftritt. Durch Gewebe-Hypothrophiebzw. -Atrophie können die Symptome der BIKoft verstärkt werden, die vor allem in Klimak-terium und Menopause im Rahmen zuneh-

mender Stoffwechselstörungen auftritt. Co-Faktoren sind dann vor allem schwere kör-perliche Arbeit, schweres Heben, rasch auf-einanderfolgende Geburten, Schwanger-schaften mit schweren Kindern etc. Die BIKund BBS werden gefördert durch ungünstigeDurchblutungs- und Stoffwechselfaktoren: Dia-betes Typ II, Adipositas (Druckerhöhung), chro-nisch gestörter Fett-, Zucker- und Protein-stoffwechsel etc. Kommt es zusätzlich zu me-chanischer Überbelastung mit Überdehnungdes Bindegewebes, der Sehnen, Bänder undMuskeln, so sind die BIK und BBS besondersausgeprägt.

Symptome

Die Symptome der BIK hängen vomSchweregrad der Erkrankung ab:

Grad 1: Nur beim Husten, Niesen, Lachen In-kontinenz.

Grad 2: Nicht nur beim Husten, Niesen, La-chen Inkontinenz. Auch bei abrupten Körper-bewegungen, beim Aufstehen und / oder Hin-setzen, nicht im Liegen.

Grad 3: Auch im Liegen, bei Bewegungen oh-ne Belastung Inkontinenz

Diagnostik

Die Diagnostik der BIK erfolgt primär an-amnestisch (siehe Symptome) und durch all-gemeine und gynäkologische Untersuchung:Beurteilung des Beckenbodens, Pelvimetriemittels Ultraschall-CT (Beckenboden-Status,

elektronische Zystoskopie), Miktionsprotokoll(mindestens zwei Tage), Urin-Labor (Schnell-test, Kultur, Sediment), Pad-Test (= standardi-sierter Vorlagen- / Windeltest über 24 Stun-den), Ausscheidungs-Urographie, Urethrozys-toskopie und urodynamische Untersuchung.

In Abhängigkeit von der Anamnese führen wirauch individuelle Labor-Analysen (u. a. Mine-ralstoffe, Vitamine und Hormone) durch. Ausunserer Sicht können für den Bindegewebe-stoffwechsel auch folgende Hormone von be-sonderer Bedeutung sein: Östradiol, Östron,Östriol, Progesteron, Testosteron, Cortisol,DHEA, Serotonin, Homocystein, T3, T4, TSH,TBG.

DHEA hat für Bindegewebe undBlasenkontrollfunktionen eine

wichtige Bedeutung (13).

Bei Verdacht auf BIK in Verbindung mit BBSanalysieren wir die Bindegewebestrukturenmit Kollagenoson®. Mit unserem Ultraschall-CT können wir sonographisch diverse uro -dynamische Parameter zur Beurteilung derKontinenzfunktionen in Ruhe und Belastung(Vermessung des Beckenbodens in Entspan-nung und unter Maximalkontraktion) quantita-tiv ermitteln. Falls eine genauere quantitativeAnalyse der Urinverlustmengen nötig ist, bit-ten wir die Patientinnen, ein Miktionsprotokollzu führen und einen Pad-Test zu machen.

Therapiemöglichkeiten

Auch die Therapie der BIK hängt ab von derSchwere und Art der Erkrankung ab. Eine mo-nokausale Therapie gibt es nicht. AllgemeineMaßnahmen sind Lebens- und Ernährungs-umstellung, bei Übergewicht Gewichtsreduk-tion, Beckenboden-Training und -Gymnastik,Sport, Biofeedback-Methoden, Applikation vonInkontinenz-Hilfen, vaginale oder rektale Elek-trostimulationstherapie, Pessare, Scheiden-gewichte etc. Es gibt auch diverse medika-mentöse und operative Ansätze, z. B. TVT, Im-placement-Therapie oder der künstlicheSchließmuskel.

Wie wir in der nachfolgend näher beschrie-benen Praxisstudie zeigen können, scheinenvor allem auch die Östrogen- und Vitamin-D-Substitution wichtig zu sein (s. u.).

Thema

2 02/2011

Wie wir bei unserer 3D-Beckenbodenmessungimmer wieder feststellen können, sind be-stimmte Muskelgruppen, welche für die Bla-senkontrolle wichtig sind, hypotroph und inaktiv.Diese können mit der extrakorporalen Mag-netfeldtherapie aktiviert werden.

ExtrakorporaleMagnetfeldtherapie

Seit vier Jahren setzen wir in unserer Praxisdie extrakorporale Magnetfeldtherapie ein. Da-bei handelt es sich um ein von der FDA ge-

nehmigtes Verfahren, welches von amerikani-schen Urologen und Physikern entwickelt wur-de, um die Beckenbodenmuskulatur zu kräf-tigen und zu aktivieren. Die Methode beruht aufder Erzeugung fokussierter pulsierender Mag-netfelder, die therapeutisch genutzt werden.Hierbei werden weder endovaginale oder en-dorektale Sonden noch elektrische Ströme ap-pliziert. Die Patientinnen sitzen bekleidet aufeinem speziellen Sessel und spüren, wie dieBeckenbodenmuskeln veranlasst werden zukontrahieren. Dies geht mit einem leichten Vi-brieren und Klopfen einher. Eine Therapiesit-zung dauert 20 bis 30 Minuten. Unmittelbarnach der Therapie geben viele Patientinnen an,sie hätten einen leichten Muskelkater und wür-

den vor allem Muskeln und Muskelgruppenspüren, die sie vorher nicht oder nicht in die-sem Maße gespürt hätten. Ein effektiver The-rapiezyklus, wie wir ihn in der Studie belegenkönnen, umfasst zwölf Sitzungen zu je 25 Mi-nuten, die zweimal wöchentlich über einenZeitraum von sechs Wochen durchgeführt wer-den.

Wirkprinzip

Die extrakorporale Magnetfeldtherapie stimu-liert die Nerven des Beckenbodens mit Mag-netfeldern im physiologischen (natürlichen)Frequenzbereich, wodurch die Beckenboden-Muskulatur trainiert und gestärkt wird. Die Me-thode nutzt somit das so genannte Prinzip derExtrakorporalen Magnetischen Innervation (Ex-MI) und führt dazu, dass sich alle angespro-chenen Muskeln und Muskelgruppen bei jedemmagnetischen Impuls kontrahieren und ent-spannen.

Nach und nach wird die Kontrolledes Beckenbodens verbessert.

Bevorzugt werden die Muskelgruppen der dreiMuskelschichten stimuliert, die im Beckenbo-den die Kontinenz kontrollieren und im sehnigverdickten Centrum perinei zusammenlaufen:Diese sind von kranial nach kaudal das Dia-phragma pelvis, das Diaphragma urogenitaleund die Sphinkterschicht.

Das Diaphragma pelvis ist eine Muskelplatte,die als Trennschicht zwischen dem kranialenSubperitonealraum und der kaudalen Fossaischioanalis (subfaszialer Raum) dient, sichvom einen unteren Schambeinast zum ande-ren erstreckt und den ventralen Anteil derDammregion (Urogenitalregion) bedeckt. Esdient der Beckenboden-Stabilität und gleichteinem U-förmigen Trichter. Der Bogen dieses„U“ liegt dorsal und besteht aus den Musculilevator ani und (ischio-)coccygeus; die ventraleÖffnung des „U“ dient als Durchtritt für Rek-tum, Urethra und Vagina („Levatortor“) – auchdiese Muskeln werden angesprochen.

Besonders effektiv scheint die Therapie für zweiwichtige Muskeln zu sein: Den Musculus trans-versus perinei profundus und den Musculustransversus perinei superficialis (oftmals zurSphinkterschicht gerechnet).

Aktiviert und gestärkt werden nicht zuletztauch die Musculi spongiosus und sphincter aniexternus, die gemeinsam eine „8“ um Vaginaund Anus bilden und für die Beckenboden-Sta-bilität ebenfalls sehr wichtig sind.

Indikationen

Die Haupt-Indikationen für die extrakorporaleMagnetfeldtherapie sind in unserer Praxis:Harn- und Stuhlinkontinenz (Vorbeugung undTherapie, Frau und Mann), Beckenboden-

Abb. 1: Extracorporale Magnetfeld-Therapie in der Praxis Schulte-Uebbing

Abb. 2: Becken-Anatomie (aus: Frick, Anatomie- Atlas, Thieme Verlag, 1982)

Thema

302/2011

Schwäche, Zellulitis, Hämorrhoiden, Orgas-mus-Probleme (Vorbeugung und Therapie, Frauund Mann), schwacher Vaginaltonus, z. B. nachGeburten (Frau), Potenz- und Erektionsproble-me, chronische Prostatitis (Mann).

Nebenwirkungen

Langfristig auftretende Nebenwirkungen elek-tromagnetischer Muskelstimulationen im phy-siologischen Bereich sind nicht bekannt.

Synergismus mit Beckenboden-Gymnastik

Die extrakorporale Magnetfeldtherapie schafftdie Voraussetzungen, die für ein eigenes akti-ves Training der Beckenboden-Muskeln nötigsind. Umgekehrt macht ein aktives Becken-boden-Training die Magnetfeldtherapie nochwirksamer. Somit erzielt die parallele Anwen-dung beider Methoden synergistische Effekte.

Ergebnisse einer Praxisstudie

In einer kleinen Praxisstudie haben wir die Da-ten von 30 postmenopausalen Patientinnenausgewertet, um die Effektivität der extrakor-poralen Magnetfeldtherapie in Verbindung miteiner kombinierten Östriol- und Vitamin-D-(Hoch-dosis-)-Behandlung auszuloten.

Studiendesign

Indikationen waren Patientinnen mit leichter undmittelgradiger Belastungsinkontinenz (BIK Grad1 und 2). Die BIK Grad 3, also die so genann-te schwere BIK (Urinverlustmenge >50 g / 24Std) war ein Ausschlusskriterium.

Jeweils die Hälfte der Patientinnen (15 Perso-nen) litt vor der Therapie unter einer leichtenoder einer mittelgradigen BIK

Methodik

Die Patientinnen erhielten über sechs Wochenzweimal wöchentlich extrakorporale Magnet-feldanwendungen (insgesamt zwölf Sitzungen).

zwölf Therapie-Sitzungen gaben die meistenan, vorher inaktive Beckenbodenmuskeln sei-en wieder aktiviert, trainiert und einsatzfähig.

BIK Grad 1:

Nach der Therapie gaben die Patientinnen mitleichter BIK (Grad 1) folgendes an:

• 7 Frauen (= 46,7 %): beim Husten und Nie-sen keine Inkontinenz mehr

• 5 Frauen (= 33,3 %): beim Husten und / oderNiesen weniger Inkontinenz-Probleme, Urin-verlustmenge 30 bis 50 % weniger (Pad-Test)

• 3 Frauen (= 20 %): kein Unterschied, Urin-verlustmenge in etwa gleich (Pad-Test)

Nach eigenen Angaben haben 12 von 15 (= 80 %) Grad-1-Patientinnen von der Thera-pie profitiert.

BIK Grad 2:

Nach der Therapie gaben die Patientinnen mitmittelgradiger BIK (Grad 2) folgendes an:

• 3 Frauen (= 20 %): keine Inkontinenz mehr

• 3 Frauen (= 20 %): keine Inkontinenz mehrbei abrupten Körperbewegungen, beim Auf-stehen und / oder Hinsetzen

• 4 Frauen (= 26,7 %): weniger Inkontinenz-Probleme bei abrupten Körperbewegungen,beim Aufstehen und / oder Hinsetzen, ge-ringere durchschnittliche Urinverlustmenge(etwa 25 bis 30 % weniger im Pad-Test)

Außerdem wurden sie angewiesen, jeweilsmorgens und abends zehn Minuten lang im Sit-zen und im Liegen Beckenboden-Übungen(nach Protokoll) durchzuführen. StandardisierteÜbungen im Sitzen waren: a) Richtig Sitzen, b)Auf Reis sitzen, c) Bauch-Übung. Standardi-sierte Übungen im Liegen waren: a) Zur Deckestrecken, b) Entspannung, c) Brücke.

Zusätzlich erfolgte im selben Zeitraum dreimalpro Woche eine kombinierte vaginale Be-handlung mit Östriol und hochdosiertem Vita-min D. Über die guten Effekte einer Kombina-tion aus vaginal angewandtem Vitamin D (Hoch-dosis) und Östriol bei Beckenbodenschwächehaben wir unlängst berichtet (CO‘MED 3-2010,DZO 8-2010, zaenmagazin 9-2010).

Die folgende Rezeptur wurde angewendet:

Vaginal-Ovula mit Vitamin D und Estriol (z. B. OVID E)Rp. 0,5 mg Estriol25 gtt Vigantol-Öl® (entspr. 12500 Vit D)Neutralöl, Adeps solidus q.s.XII/XXIV Ovula , ad 2 g

Die Vaginal-Zäpfchen wurden dreimal pro Wo-che vor dem Schlafengehen eingeführt und wa-ren morgens komplett resorbiert.

Im Bedarfsfall erhielten die Patientinnen auch eine laborkontrollierte systemische Östrogen-, Progesteron- und 7-keto-DHEA-Applikation. Letztere kann bei DHEA- Mangelfür Bindegewebe und Blasenkontrollfunktionensehr effektiv sein (13).

Miktionsprotokoll und Pad-Test

Alle Patientinnen wurden gebeten, währendder sechs Wochen ein Miktionsprotokoll zuführen und einen Pad-Test (= standardisierterVorlagen- / Windeltest über 24 Stunden) zu ma-chen: Die benutzten Vorlagen / Windeln wur-den gewogen, das Leergewicht abgezogen undso die Urinverlustmengen berechnet. Darausleitet sich dann der Schweregrad der BIK ab:

• Grad 1 (leicht) < max. bis 10 g / 24 Std.• Grad 2 (mäßig): 11 bis 50 g / 24 Std.

Ergebnisse

Nach sechs Wochen wurden die Angaben derPatientinnen ausgewertet (Parameter: BIK-Symptomatik, Miktionsprotokoll, Pad-Test, Vi-tamin D im Serum).

Die Compliance war sehr gut. Alle Patientinnen gaben an,

mit der Methode gut zurechtgekommen zu sein.

Die meisten von ihnen haben bereits nachsechs bis acht Behandlungen eine deutlicheBesserung ihrer Beschwerden verspürt. Nach

Abb. 3: Schematische Darstellung der mus-

kelstimulierenden Effekte: Die Beckenboden-

Muskeln werden bis etwa 8 cm tief selektiv sti-

muliert.

Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbingist Frauenarzt (Immunolo-gie, Endokrinologie, Onko-

logie), Leiter des Umweltmedizinischen The-rapiezentrums am Dom in München und Au-tor diverser Lehrbücher.

Kontakt:www.prof-schulte-uebbing.de

Männer können auch trainierenAuch bei Männern kann die extrakorporaleMagnetfeldtherapie gute Effekte erzielen.Unter Umständen kann eine Stress- / Be-lastungsinkontinenz günstig beeinflusstwerden. Sehr effektiv scheint das Ver-fahren auch zur integrativen Therapie derStuhlinkontinenz, der chronischen Pro-statitis und der erektilen Dysfunktion zusein. Über urologische Indikationen wer-den wir gesondert berichten.

Thema

4 02/2011

12. Schulte-Uebbing C, Schlett, S: Vitamin Din der gynäkologischen Praxis, Ergebnisse ei-ner Anwendungsbeobachtung, CO MED, 03-10, 01 - 03 13. Schulte-Uebbing C: 7-keto-DHEA – ein kur-zer Überblick, CO MED, 2010, Juni14. Schulte-Uebbing C: Umweltbedingte Frau-enkrankheiten, Sonntag, Stuttgart 199515. Zahn V, Schulte-Uebbing C: Lehrbuch derAngewandten Umweltmedizin (590 Seiten),München 1991

L i t e r a t u r h i n w e i s e

1. Bayer W, Schmidt K: Besteht in Mitteleu-ropa ein endemischer Vitamn-D-Mangel? Er-fahrungsheilkunde 2004, 53, 609-6132. Beutel ME, Hessel A, Schwarz R, BrählerE: Prävalenz der Urininkontinenz in der deut-schen Bevölkerung., in: Urologe A 2005;44(3): 232-238 (IF 0,558)3. Holick MF: Vitamin D deficiency,N.Engl.J.Med 2007; 357: 266 – 814. Ingraham BA et al.: Molecular basis of thepotential of vitamin D to prevent cancer. CurrMed Res Opin , 2008, 24: 139 – 149), 5. Lappe JM et al.: Vitamin D and Calcium sup-plementation reduces cancer risk.: results ofa randomized trial. Am J Clin Nutr 2007, 85:1586 – 1591)6. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fürGeriatrie: Harninkontinenz. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 084/001 (Stand: Mai 2005/Mai2008)7. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für All-gemein- und Familienmedizin (DEGAM): Har-ninkontinenz. Internet-Fassung der DEGAM-Leitlinie Nr.5 (Stand: 2004)8. Pilz S, Tomaschitz A, Grammer TB, MärzW: Vitamin D Supplementation. ZukünftigeStandardtherapie in der Gynäkologie ? Gynä-kologie und Geburtshilfe, 6- 2010, 28 – 309. Robert Koch Institut - Statistisches Bun-desamt: Heft 39 Harninkontinenz. Gesund-heitsberichterstattung des Bundes, SchweizMed Forum, Nr. 48, 28. Nov. 200110. Schulte-Uebbing C, Schlett S: Vitamin Dbei PAP III D und Zervizitis DZO, 201011. Schulte-Uebbing C, Schlett S.: Kolpitis undCo. – vaginale Vitamin-D-Applikation hilft, Gy-näkologie und Geburtshilfe 3-2010, 02 – 03

L i t e r a t u r h i n w e i s e

• 5 Frauen (= 33,3 %): kein Unterschied, Urin-verlustmenge in etwa gleich (Pad-Test)

Nach eigenen Angaben haben 10 von 15 (=66,7 %) Grad-2-Patientinnen von der Therapieprofitiert.

Gesamt:

Insgesamt gaben nach der Therapie 33,3 %der Patientinnen (7 von 15 Grad 1 und 3 von15 Grad 2) an, wieder kontinent zu sein.

Weitere 40 % der Patientinnen (5 von 15 Grad1 und 7 von 15 Grad 2) gaben eine um min-destens 25 % geringere durchschnittliche Urin-verlustmenge an.

Insgesamt haben 22 von 30 untersuchten BIK-Patientinnen

(= 73,3 %) hinsichtlich der BIKvon der Therapie profitiert.

FazitDie in der vorgestellten kleinen Studie unter-suchte Methodik (kombinierte Anwendung vonextrakorporaler Magnetfeldtherapie, Östriol, Vi-tamin D und Beckenboden-Gymnastik) war er-folgreich. Nach Angaben der Patientinnen konn-ten mehr als zwei Drittel von ihnen von der The-rapie profitieren. Somit wird mit der hier vor-gestellten Methodenkombination bei BIK Grad1 und Grad 2 offenbar tatsächlich eine bes-sere Kontrolle über Beckenboden und Bla-senfunktionen möglich. Den Patientinnen wirddabei geholfen, ihre Beckenbodenmuskelnnach und nach wieder kontrollierter einzuset-zen.

Warum Östriol?Eine wichtige ergänzende Maßnahme zurMagnetfeldanwendung scheint die ge-zielte, individuelle und laborkontrollierte lo-kale vaginale Hormonanwendung zu sein.Da schon lange bekannt ist, dass Östriolvaginal gut resorbiert wird, haben wir un-sere meno- und postmenopausalen Pa-tientinnen früher neben der systemischenÖstrogengabe lokal mit Östriol-Vaginal-zäpfchen (z. B. Ökolp®) v. s. therapiert.Seit etwa zwei Jahren wenden wir die indieser Praxisstudie vorgestellte kombi-nierte vaginale Behandlung mit Östriolund hochdosiertem Vitamin D (dreimalwöchentlich über sechs Wochen) an.

Warum Vitamin D?Vitamin D ist sehr bedeutend für den ge-samten Knochen- und Bindegewebe-stoffwechsel. Auch de Kalzium-Aufnahmeim Darm ist abhängig von Vitamin D, unddie Balance zwischen Osteoblasten undOsteoklasten, zwischen Calcitonin undParathormon wird ebenfalls vitamin-D-ab-hängig reguliert.

Offenbar nehmen die Vitamin-D-Spiegelab der Menopause kontinuierlich ab: So-wohl die UV-abhängige dermale Vitamin-D-Bildung als auch die gastrointestinaleNahrungsverwertung fallen mit zuneh-mendem Alter drastisch, während gleich-zeitig metabolische, endokrine und in-testinale Defizite zunehmen.

Hierzu passt, dass viele BIK-Patientinnen unter einem

Vitamin-D-Mangel leiden.

Wir konnten unlängst nachweisen, dassauch Vitamin D vaginal und rektal resor-biert wird (10) und somit die BIK-Symp-tomatik günstig beeinflussen kann.

Da Vitamin D auch antiinflammatorische,immunmodulierende und antioxidative Ei-genschaften hat (10, 11, 12), eignet sichdie vaginale Vitamin-D-Applikation auchsehr gut zur Behandlung und Prophylaxechronisch rezidivierender therapieresis-tenter Kolpitiden, Zervizitiden und Dys-plasien, PAP II W und PAP III D.