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Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I Jahwe – der Jenseitige Jahwe ist der Schöpfer Schöpfung Jahwes Gegenwart - Name - Herrlichkeit Differenzierungen - Tempel - Weisheit Selbstmitteilungsweisen Folie 0/A

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Jahwe – der Jenseitige

Jahwe ist der Schöpfer Schöpfung

Jahwes Gegenwart

- Name

- Herrlichkeit

Differenzierungen - Tempel

- Weisheit

Selbstmitteilungsweisen

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Jahwe ( Jesu Abba)

Jesu Auftrag

Jesu Leben ( Lehre / Tun )

Jesu Auferstehung Jesus der Erhörte Jesus der Messias

Jesus der Christus

Jesus Christus

Geist

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0. Die Frage nach Gott als Hinweis auf die innere Einheit der „beiden Bünde“

a) Die Vateranrede Jesu

Der Gott, den Jesus Abba nennt, ist der Gott des Volkes Israel.

b) Die Kindschaft aller Menschen

Das, was bereits im Alten Testament beginnt, wird in Jesus in vollendeter Weise so realisiert,

daß alle Menschen daran Anteil haben dürfen: als Töchter und Söhne Gottes zu leben und darin

die Vollendung zu finden.

O f f e n b a r u n g / T r i n i t ä t

G e g e n w a r t

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c) Gottes Handeln in der Geschichte

Wer in der Theologie Aussagen über den christlichen Gott machen möchte, der kann dies

nur auf dem doppelten Fundament des Alten und des Neuen Testaments tätigen.

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Ein langwieriger Prozeß:

* da sind die vielen Vätergötter;

* da ist der bedeutsame Gott Jahwe, der die Mosegruppe aus der ägyptischen

Gefangenschaft befreite;

* da sind Verschmelzungspozesse, die den ugaristisch-kanaanäischen Schöpfergott El mit

dem Gott der Väter identifizierte, während umgekehrt Baal stets abgelehnt und

bekämpft wurde; die Religionsgeschichte insgesamt wird also zum Teil des

Erkenntnisprozesses, um zum wahren Gott Israels vorzustoßen;

* schließlich ist da die Erkenntnis im babylonischen Exil, daß der Gott Israels nur einer ist

und zudem für die ganze Welt Bedeutung besitzt.

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Der eine Gott wirkt in dieser Welt

Mit Jesu Geburt eröffnet sich eine unüberbietbare Offenbarung:

- Jesus realisiert Gottes Liebe

- Gott wollte durch Jesus die Menschen in die göttliche Gemeinschaft einbringen.

Wenn wir diesen langen Weg der Gotteserkenntnis nochmals getragen sein lassen von

Gottes Wirken in dieser Welt, damit die Welt Gott erkennen kann, dann beginnt im AT

ein Prozess, der in Jesus Christus zu einem unüberbietbaren Höhepunkt kommt: Gott

offenbart sich, damit einst am Ende der Zeit Gott, der liebende Vater, alle Menschen in

seiner Liebe vollenden kann.1

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1 Vgl. W. Pannenberg, Die Bedeutung des Alten Testamentes für den christlichen Glauben, in: ders., Beiträge zur systematischen Theologie Bd. 1, 263.

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1.1 Das Volk Israel und seine Gotteserfahrungen

• „Jahwe“ ist im 2. Jtd. v. Chr. der Name eines Schutzgottes der Wüsten- und Bergregion

zwischen dem Toten und dem Roten Meer, also dem Sinai (Dtn 33,2; Ex 19ff).

• Zu einer uns unbekannten Zeit ist ein Teil dieser Jahwe-Gruppe nach Ägypten eingedrungen:

Die Erfahrung der Befreiung aus der Versklavung wird prägend.

Jahwe tut sich in Verheißungen und in seinem Handeln kund.

• Im Prozeß der Volkwerdung erweist Jahwe sich als Staatsgott, der immer schon „der Gott

der Väter“ war (vgl. Gen 12-50).

• In der Sinaitradition offenbart sich Jahwe durch Gebote und Gesetze.

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Kirche / Dogmen Trinität

der Vater

Der eine Gott: der Sohn der Geist Kirche

der Auferstandene Sendungen Erscheinungen

NT der historische Jesus : sein Leben : sein Handeln : seine Verkündigung Jahwe – der Abba

AT: die Götter, der EINE Jahwe des Volkes

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Gott / Göttin / Verschmelzungsprozeß

El der Schöpfer

Elohim = Jahwe der Befreier (Ägypten )

Jahwe der EINE Gott des Volkes

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1.2.2 El

Die Gottesbezeichnung El kann

• appellativen Charakter haben - als Anrufungsname Gottes schlechthin oder

• Eigenname des Gottes par excellence sein - im Sinne des obersten Gottes - oder gar

• als Eigenname eines besonderen Gottes fungieren.

El olam - Gott der Ewigkeit (Gen 21,33): Beerscheba.

El Roì - Gott, der mich sieht (Gen 16,13): an einem im Süden gelegenen Brunnen.

El Bet -El - Gott von Bet El (Gen 35,7).

El Eljon - der höchste Gott (Gen 14,18ff): Jerusalem.

El Gott Israels (Gen 33,20)

El Schaddai

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Da aber nach Ex 3,13 - 15 und Ex 6,2 der Jahwe-Name erst in der mosaischen Zeit

offenbart wurde, müssen wir davon ausgehen, „daß die alte Religion [der Väter] und die

mosaische Religion historisch getrennte Größen oder jedenfalls zwei verschiedene Stufen

einer historischen Entwicklung waren.“2 Cross schreibt weiter: „Die weitgehende Über-

einstimmung in Attributen, Epitheta und Namen zwischen JHWH und El erweckt den

Eindruck, daß JHWH als eine El-Gestalt entstand, die sich vom alten Gott abtrennte, als

sich Israels Kult von seiner polytheistischen Umwelt losriß. Das Ausbleiben jeder Po lemik

gegen El und der freie Gebrauch seiner Gestalt als Urvater in der Götterversammlung

stützen diese Annahme.“3

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1.2.3 Elohim

Der Terminus Elohim wird benutzt:

• um Gott zu beschreiben, indem man Nicht -Göttliches beschreibt bzw. Götzen (z.B. Hos 8,6)

oder

• indem man positiv Gott mit einem Adjektiv belegt: heiliger Gott (vgl. Jos 24,19); gerechter

Gott (Ps 7,10).

• Im Plural werden vielfach die Götter der anderen Völker so benannt (vgl. Ex 12,12).

Demgegenüber ist allein Jahwe der einzige Gott Israels (Dtn 4).

• Die Frage nach dem, wer oder was Gott (Elohim) ist, findet sich in Ex 15,11: „Wer ist wie du

unter den Göttern?“

• Als Bezeichnung Jahwes selbst.

Folie 4 2 Cross, Art. El, in: ThWAT I, 274.

3 Cross, Art. El, in: ThWAT I, 278.

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„Einerseits liegt im Gebrauch von cyhla als Ersatz des Gottesnamens eine Abstraktion: Der

konkret persönliche, anthropomorph aufgefaßte JHWH wird mit der Gottheit schlechthin

gleichgesetzt, was eine abstraktere Gottesauffassung nahelegt. Andererseits liegt diese

Identifikation in einer Linie mit der monotheistischen Auffassung: Nur wenn es nur einen Gott

gibt und geben kann, wird es völlig sinnvoll, den eigenen Gott als Gott schlechthin (cyhla) zu

bezeichnen.“

(H. Ringgren, Art. Elohim, in: ThWAT I, 305.)

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1.2.4 Jahwe

a) Die Nutzung des Namens „Jahwe“ im Alten Testament

1. Stadium: 12. Jahrhundert - Name Jahwe vorherrschend (vgl. Ex 15; Ps 29; Ri 5).

2. Stadium: Im 11. Jahrhundert war die Verschmelzung des südlichen Jahwe mit dem levantinischen El im Gange (El Schaddai, El Olam etc.) (vgl. Gen 49; Num 23-24; Dt 33).

3. Stadium: während des 10. bis 9. Jahrhunderts -synkretistische Tendenz (vgl. 1 Sam 2; 2 Sam 1, 2 [= PS 18], Dtn 32; Ps 78, 68, 72): Jahwe deutlich als Eigenname.

b) Inhaltliche Aspekte des Gottesnamens Jahwe

1. Indem Gott seinen Namen kundtut, offenbart er zugleich sein Wesen. Sein Sein zeigt sich als Sein „für euch“ - es ist Ausdruck der Liebe Gottes zu den Menschen (vgl. Hos 2,21f; Jer 31,3).

2. Auf diese Weise bindet sich Gott an die Geschichte seines Volkes.

3. Gott ist zwar immer derselbe, aber zugleich ist er ein geschichtsmächtiger Faktor.

4. Gottes Da-Sein geht aus seinem Leben hervor.

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JHWH hwhy Verbform: h w j / h j j

„existieren“ bzw. „da sein“

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1.3 „Gegengötter“: Aschera und Baal

• Aschera: bezeichnet selten die Göttin selbst, sondern einen beschnittenen Baum als Kultobjekt

- mit Altar und Massebe (kultische Steinstelen): 1 Kön 15,13; 16,33; 2 Kön 13,6; 21,7; 2 Chr

33,7.

• Baal: drängt im 2. Jhtd. in Ugarit den Lokalgott El zurück, ohne ihn beseitigen zu können. Es

kommt zur Konvergenz der Götter El und Baal im gemeinsamen Gottesnamen Baalsamem.

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1.4.1 Auf dem Weg zum Monotheismus

Thesen:

• Der Jahwe-Glaube ist zunächst polytheistisch: In den politischen und sozialen Kämpfen des 8. Jh. bildet sich eine von Propheten geführte kleine Jahwe-Allein- Gruppe, die im 7. Jahrhundert unter König Joschija zur Staats- und Kultgrundlage wird.

• Der Jahwe-Glaube ist eine Monolatrie, in der ein Gott verehrt wird, ohne daß die Existenz anderer Götter geleugnet wird; diese werden bei- bzw. untergeordnet. Allerdings besitzt die Vielfalt der Götterwelt im biblischen Bereich bereits keine allzu große Kraft mehr.

Ursachen der Entwicklung:

• Viele orientalische Gottheiten verblaßten in einer immer mehr zunehmenden Monolatrie.

• Bestimmte Eigenschaften des Jahwe-Glaubens wenden sich durch die starke Bindung an ein Volk kritisch gegen die Verehrung anderer Götter und bewirken, daß der Jahwekult für das Volk sinn- und identitätsstiftend wird.

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1.4.2 Theologische Implikationen dieser Entwicklung

Die klassischen Propheten hingegen sehen Jahwe gerade durch die Feinde an Israel wirken (z. B.

Jes 5,26-30).

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Nach Deuterojesaja lenkt Jahwe die Weltgeschichte auf ein Ziel hin: Befreiung des Volkes aus

dem babylonischen Exil (Jes 45,1-7).

Dies ist möglich, weil der Schöpfer die Welt neu zu schaffen vermag (Jes 51,9-16).

Alles außer Jahwe ist Kreatur.

Alle Bereiche der Welt sind entgöttert, die gesamte Schöpfung steht vor Gott als dem Schöpfer.

Gott ist das Kriterium schlechthin, an dem das Verhalten der einzelnen, der Herrscher, der

Staatsoberen sich messen zu lassen hat.

Jahwe ist der Souveräne, er fordert uneingeschränkte Anerkennung und Verehrung (vgl. Ex

20,5).

Wir würden heute sagen: Auf diese Weise wird die Transzendenz Gottes unterstrichen. Er, der

in dieser Welt handelt, ist dennoch der vollkommen Überlegene.

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2. Systematische Aspekte des Jahwe-Glaubens

2.1 Jahwe: Schöpfer und König

Der Glaube an den Schöpfer ist vielleicht das Haupterbe des Alten Testamentes. Allerdings sind

dies Aussagen aus exilisch- nachexilischer Zeit (Gen 1; Ps 8; 33; Jes 40,12ff).

Dies war das Fundament für die Aussagen über Jahwe als Schöpfer. So wird von den

Glaubenserfahrungen aus der Geschichte her die Welt als Schöpfung Jahwes gedeutet. Diese

Schöpfungsaussagen betreffen aber nicht eine graue Vorzeit, sondern beziehen sich auf jenen

Gott, der in der Gegenwart hilft (vgl. Ps 121,1f) und der dem Volk im Exil eine neue Hoffnung

erschließt (vgl. Jes 40,12ff; 43,1f.) - bis hin zu einer Hoffnung auf eine eschatologische

Neuschöpfung (vgl. Jes 65,17).

Auch der auf Jahwe angewandte Königstitel erfährt eine Wandlung. Von ihrem Ursprung her

setzt diese Redeweise einen umfangreichen Götterkreis voraus, dem Jahwe als König

voransteht.

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Ps 95,3 sagt: „Ein großer Gott ist Jahwe und König über alle Götter“. Jedoch wird aus dieser

Überlegenheit im Laufe der Zeit der eine König Israels im Sinne des ersten Gebotes (vgl. Jes

44,6), so daß dieser Titel den Herrschafts- und Gemeinschaftswillen Jahwes betont (vgl. Jes

33,22: „Jahwe, unser König, wird uns helfen“).

Jes 52,7-10 kündigt den Anbruch der Königsherrschaft Gottes für die nächste Zukunft an, und

Sach 14,9 sagt: „Jahwe wird König werden über die ganze Erde. An jenem Tag wird Jahwe

einzig sein und sein Name einzig.“

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2.3 Jahwe in seiner Huld und Treue als Bundesstifter

2.3.1 Zum Terminus „Bund“ (berit)

Bund (berit) in seiner ursprünglichen Bedeutung ist nicht ein Vertrag oder eine Vereinbarung

zwischen zwei Parteien, sondern enthält vor allem die Idee des Auferlegens bzw. der

Verpflichtung, oftmals verbunden mit Gesetz und Gebot (z. B. Dtn 4,13).

Darüber hinaus ist jedoch die Tatsache interessant, daß im Alten Orient der Terminus „Bund“

auf zwei Wortfelder bezogen wurde:

- einerseits auf den damit verbundenen Eid und die eingegangene Verpflichtung,

- andererseits aber auch auf den Bereich von Liebe und Freundschaft. Von daher kann ein

Bund, bei aller Rechtsverpflichtung dennoch auch Bruderschaft, Friede, Liebe und

Freundschaft implizieren.

Das Bekräftigen eines Bundes geschieht durch Eid, durch eine Zeremonie oder das

Zerschneiden von Tieren und Hindurchschreiten (vgl. Jer 34). Diese Symbolhandlung soll die

Strafe verdeutlichen, die den Verletzer des Bundes treffen soll (vgl. bes. Jer 34,18-20). Folie 8 D

2.2. Eigenschaften Gottes

• Heiligkeit

Jes 6,3; Hos 11,9; 1 Sam 2,2; Lev 19,2

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• Herrlichkeit

Ps 29

• Schönheit

Ex 33,19; Ps 96,6; 50,2

• Eifer

Jos 24,19; Jes 9,6; Sach 1,14; Jes 1,4

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2.3.2 Jahwes Bund mit Israel

• Sinai-Bund: Ex 19-34

1) Ex 24,8

2) Ex 34,10a

3) Ex 24,3-8

• Moab-Bund: Dtn 26,16; Dtn 5

• Der Bund mit Abraham (Gen 15,17) und der Bund mit David (2 Sam 7)

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2.3.2 Jahwes Bund mit Israel

Jahwe selbst war der König Israels, der sein Volk beschützte, ihm Land gewährte und es in

Dienst nahm. Ein solches Verhältnis mußte natürlich auch vertraglich geregelt sein, weshalb die

Bundestafeln in Israel entscheidende Bedeutung besaßen.

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Bundestheologie: im Pentateuch im Bereich des Jerusalemer Geschichtswerkes

- aus der Hand des Jehowisten4 (Anfang 7. Jh. v. Chr.)

- sowie bei den frühdeuteronomistischen Geschichtsschreibern (Anfang 6. Jh.).

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a) Zum Sinai-Bund: Die komplexe Sinaiperikope von Exodus 19-34 berichtet von

drei Bundesschlüssen:

1. Bundesschluß: Exodus 24,8

2. Bundesschluß: Ex 34,10a

- mit absolutem Charakter, ohne bestimmten Adressaten

- Jahwe bindet an bestimmte Verheißungen

- Privatheit zwischen Jahwe und Mose

- ein Rechtsakt nach performativer Natur.

Die wohl jehowistischen Stellen Ex 34,10b; 34,11-27 biegen diese Szene zu einem

Verpflichtungsbund zwischen Jahwe und Mose.

Die Bundesurkunde wird schriftlich niedergelegt (Ex 34,27).

3. Bundesschluß: Ex 24,3-8 nach deuteronomistischer Bearbeitung.

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b) Zum Moab-Bund im Deuteronomium.

Zentrale theologische Bundesvorstellung:

4

Jahwist: Geschichtswerk von der Schöpfung bis zur Landnahme; entstanden im Süden z. Zt. des davidisch-salomonischen Großreiches (oder 9./8. Jh. v. Chr.). Jehowist: Am Ende der Königszeit redaktionell mit den Texten des Elohisten verbunden. Jehowist - älteste redaktionell annäherbare Stufe; vgl. Georg Steins, Art. Jahwist in: LThK3 5, 713f.

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Grundlagen:

- Vasallenverträge

- der Bund, den Joschija 622 im Tempel zu Jerusalem schließt,

Das System von zwei Bünden:

- der Bund zwischen Mose und Jahwe im Lande Moab (Dtn 26,16) (Mose vermittelt

hier zwischen Jahwe und dem Volke) wird zurückgeblendet

- vom Horeb-Bund (Horeb = Ersatz für Sinai; Sin: der Mondgott) zum Horeb-Sinai

(Dtn 5; siehe der Bund am Sinai Ex 19,19-20). Dieser Bund wird von Jahwe direkt

mit Israel geschlossen (Dtn5,2).

Der Moab-Bund enthält klassischen Muster eines Vertrages.

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c) Der Bund mit Abraham (Gen 15,17) und der Bund mit David (2 Sam 7).

Ein verheißenden Typus an:

- Abraham Nachkommenschaft und Land zu geben,

- David verspricht er eine Dynastie.

Die Propheten kleideten den Bundesgedanken unter anderem in das Bild der ehelichen Liebe (vgl.

insbesondere Hos 1,2-9, aber auch Jer 3,1-13; Ez 16,1-63).

Jer 31,31-34 verheißt einen neuen Bund.

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2.3.3 Jahwes Huld und Treue

1 Kön 8,23: „Herr, Gott Israels, im Himmel oben und auf der Erde unten gibt es keinen Gott, der so

wie du Bund und Huld seinen Knechten bewahrt, die mit ungeteiltem Herzen vor ihm leben.“

Jahwes treuer Bundeschuld - Bundeserfüllung durch die Menschen: Gesetze achten (vgl. Dtn 7,9!

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Gottes Huld = Gnade = Inhalt des Bundes!

Huld oder Gnade ist keine Gabe Gottes, sondern es ist Jahwe selbst:

- der sich mitteilt in seinem Bund

- der sorgender Gott für sein Volk.

- Gott schenkt seinem Volk Gemeinschaft

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2.4 Die Person-Wirklichkeit Jahwes

• „Ich bin der Herr, der Gott deiner Väter ...“

Gen 28,13

• „Du Gott meiner Väter ...“

Gen 32,10

• Das „Herz Gottes“

vgl. Gen 6,6; 1 Sam 13,14; Hos 11,8 u.ö.

vgl. Dtn 4,37; 10,15; Hos 11,1

vgl. Jer 31,3

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2.5 Gottes Selbstvermittlung in Wort, Geist und Weisheit sowie durch Engel

Jahwe ist und bleibt er der Transzendente (vgl. 1 Kön 8,27, Ex 20,4f).

Vermittlung durch Repräsentanten, ohne damit zwischen Gott und seinem Volk zu treten - denn

Gott ist er Absolute.

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Gottes Vermittlung:

- muß sich seiner Welt vermitteln

- und muß seinem Innern (immante) entsprechen

- Gottes Einheit muß gewahrt werden.

Gottes Vermittlung konkret:

das Wort,

der Geist,

die Weisheit,

-- ohne selbst Hypostasen (persönliche Eigenständigkeit) zu sein

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2.5.1 Das Wort Gottes

• kann schöpferisch wirksam sein

Gen 1; Jes 48,13; Ps 107,20; 119,81; Weish 16,12

• kann Heil schaffen

vgl. Jes 55,11

• kann direkt ergehen

vgl. Jes 5,9

• kann durch Menschen vermittelt werden

Mose (Dtn 18,18)

Propheten (1 Kön 11,29ff; Jes 20,1ff; Ez 4-5)

• kann durch Ereignisse ausgedrückt werden

• kann seine Wirksamkeit im Herzen der Menschen entfalten

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2.5.2 Der Geist Jahwes

Geist Jahwes (ruah = Wind, Atem) ist das unverfügbare, wirkmächtige Handeln Gottes.

Der Geist ergreift besondere Menschen:

- Gideon (vgl. Ri 6,34).

- Die Königen erhalten einen dauerhaften Geistbesitz: Nähe zu Jahwe

(1 Sam 16,13).

- Der messianische Heilskönig (Jes 11,2; 42,1) und der Gottesknecht (Jes

42,1) sind Geistbegabte

- Nachexilszeit: Jahwes erneutes Wirken (Ez 36,26f)

- Geist = Jahwes (vgl. Ps 139,7; vgl. Jes 63,10)

- Personifizierung in Weisheit 1,7.

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2.5.3 Die Weisheit

- Jahwe hat Weisheit „geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit“ (Spr

8,22).

-Weisheit dient ihm als Schöpfungsmittler, sie ist die „Meisterin aller Dinge“ (Weish 7,21);

- Weisheit ist die von Gott gestiftete heilsame Ordnung in der Welt (Spr 8).

- Gerade in Spr 8 ist die Weisheit wie eine Person aufgefaßt

2.5.4 Engel

- Engel Jahwes mit genau umschriebenen Heilsauftrag (Ex 14,19: Wüstenwanderung; Gen 24,7:

Beschützer der Propheten; 2 Sam 14,7: Richter).

- Engel sind Brücke zwischen der Transzendenz und der Immanenz.

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2.6 Jahwe als Vater Israels

• Gott wird im AT nur sehr selten „Vater“ genannt

⇒ z. B. Ps 103,13; Spr 3,12.

• Es gibt in Israel ein ausgeprägtes Bewußtsein für Gottes Fürsorge

⇒ Der König ist Sohn Gottes (vgl. 2 Sam 7,14).

⇒ Das Volk ist der „erstgeborene Sohn“ (Ex 4,22).

• Das Vaterbild wird im Hoseabuch intensiv aufgegriffen

⇒ Hos 11,1.2a.3.4.

• Die Vaterbezeichnung findet sich in Fürbittrufen

⇒ z. B. Jes 63,15f; Jer 3,4.19.

• Im Gottesbild Israels finden sich mütterliche Aspekte

⇒ z. B. Jes 49,14-16; 42,14.

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B) Jesus Christus - Sohn des Vaters

1. Eine trinitätstheologische Vorbemerkung

⇒ Das ganze Ringen der Autoren neutestamentlicher Schriften geht dahin, die Einheit des Glaubens an den einen und einzigen Gott Israels mit der Person und Botschaft Jesu Christi sowie mit dem Wirken seines Geistes aufzuzeigen.

⇒ Der Glaube an Jesus als den Christus und Sohn Gottes ist in den nachösterlichen Erscheinungen und dem dadurch initiierten Auferweckungsglauben begründet, der als der eigentliche Impuls für das sich entfaltende Trinitätsbekenntnis zu gelten hat: Das Handeln Gottes am Gekreuzigten konstituiert allererst die christologische Identität Jesu von Nazaret und begründet die soteriologische Bedeutsamkeit seiner Person für uns.

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⇒ Das Handeln Gottes am Gekreuzigten ist eine Aussage darüber, wer Gott ist und wie Gott unser Heil will: nämlich in einer ewigen Gemeinschaft des Lebens und der Liebe.

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Gott hat den Ge- kreuzigten auferweckt Kreuz / Ostern Jesus Leben Jesus = Messias (Christus) (relecture) Gottes Sohn Die Erscheinungen - Bezug zum Abba [Bekenntnis] - Handeln - Verkündigung

Jesus ist der Erlöser für die Menschen

Geist

• Jesus hat sich für die Menschen am Kreuz hingegeben (Soteriologie) • Jesus war immer schon der Erlöser – der Sohn Gottes (Christologie)

• Der Geist hat Jesus innerlich geprägt • Nach seiner Auferstehung hat der Erhöhte der Welt seinen Geist vermacht.

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⇒ Wer oder was Jesus vor oder nach Ostern war, ist nur vom Handeln des Vaters her zu erkennen. Und umgekehrt: Jahwe, der Gott der Väter, ist nach der Verkündigung Jesu dadurch bestimmt, daß er der Vater unseres Herrn Jesus Christus genannt wird (vgl. Röm 15,6; 2 Kor 11,31; Eph 1,3; Kol 1,3; 1 Petr 1,3).

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⇒ Daß Gott an Jesus von Nazaret handelt, begründet:

a) die soteriologische Einzigartigkeit Jesu Christi

b) die Selbstoffenbarung und Selbstbestimmung Gottes

c) die Endgültigkeit des Heils und der Offenbarung des göttlichen Wesens (immanente Trinität) durch das heilsökonomische Handeln Jesu Christi.

⇒ Die Verhältnisbestimmung zwischen Vater und Sohn schließt bereits neutestamentlich den Heiligen Geist ein (vgl. Röm 8,1;1 Kor 12,3; Gal 4,6).

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2. Jahwe, der Vater Jesu und der Menschen

• „Abba“ findet sich dreimal im Neuen Testament:

Mk 14,36; Gal 4,6; Röm 8,15

• Die Wortform „Abba“ ist mehrdeutig:

1. Anrede: Vater

2. Determination: der Vater

3. mit Suffix versehene Form: mein Vater

• „Abba“ gilt - wegen der Unüblichkeit dieser Gebetsanrede im Frühjudentum - als ipsissima

vox Jesu und bringt die herzliche Vertrautheit Jesu mit seinem Gott zur Sprache.

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Zum Verständnis von Mt 11,25-27

• Jesus formuliert in jüdischer Gebetssprache und weiß sich mit der Abba-Anrede auf der

Linie jüdischer Gebetstradition.

• Jesus ist Initiator der Offenbarung und Heilsmitte.

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• Es ist der göttliche Ratschluß, sich dem einfachen Volk, nicht der jüdischen Elite zu

offenbaren.

• Die Offenbarung des Vaters ereignet sich über die Mittlerstellung Jesu, der dazu exklusiv

beauftragt ist.

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2.2 Die Abba-Anrede und die Botschaft vom Reich Gottes

Mk 1,10: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das

Evangelium“

? Jahwes Herr- und Königsein (vgl. Ps 47,6-9; 93,1 u.ö.), das

? Gottes Offenbarung seine: Herrlichkeit und Gottseins.

? Jesus wagt, an Gottes Stelle zu handeln (vgl. Mt 12,28 oder Lk 11,20).

Helmut Merklein: „Jesu Gottesanrede setzt ... ein neues, veränderndes Handeln Gottes am

Menschen voraus. Wer sich von diesem Handeln Gottes erfassen läßt, steht in einem neuen,

intimen Verhältnis zu Gott.“5

1. Gott ist keine allgemeine Wahrheit

2. Gott ist der Grund der Schöpfung, des Lebens

3. Durch Jesu Worte und Taten sche int die väterliche Liebe durch.

4. In Jesus hat Gott sich der Welt offenbart

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2.3 Die neue Gotteskindschaft der Menschen in der Gemeinschaft mit dem Vater

Lk 15,11, Mt 7,9-11 Lk 11,11-13): kindlich-vertrauensvollen Hinwendung zum Vater.

Zielpunkt des gesamten Gotteshandelns:

5 Vgl. Helmut Merklein, Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft . Eine Skizze (SBS 111), Stuttgart 31989, 85.

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? die Verantwortung des Menschen abzielt,

? die eschatologische Gemeinschaft aller erlösten Menschen mit Gott.

Eph 1,5f: „er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus

Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen (V. 6) zum Lob seiner herrlichen

Gnade".

„… denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet

sein in der Einheit ...“ (Joh 17,22b-23).

Paulus: „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist, als

wir noch Sünder waren“ (vgl. Röm 5,8).

Mit diesem Geist ist Gottes Liebe in unsere Herzen ausgegossen (vgl. Röm 5,5).

Folie 17 C

Gott = Quell und Ziel unseres Heiles:

? der Erlösungsweg Jesu ausgerichtet

? die Wirksamkeit des Heiligen Geistes.

Johannes. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit

jeder der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (vgl. Joh 3,16).

In Joh 5,26: „Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das

Leben in sich zu haben.“

Der Hl. Geist soll nach Joh 16,13 in die ganze Wahrheit der Liebe einführen soll.

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„... Jesus [hat] die Gottesanrede ‘Abba’ ... nicht für sich reserviert, sondern auch seine Jünger gelehrt (Vaterunser!), so daß über ‘Abba’ kaum ein spezifisches Sohnesbewußtsein Jesu zu erschließen ist“.

„Nun wird man kaum daran zweifeln können, daß Jesu Rede vom ‘Vater’ und besonders seine

Gottesanrede ‘Abba’ die Folge einer Erfahrung gewesen sein muß, die man theologisch als

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Gotteserfahrung zu werten hat. Nur muß man sofort hinzufügen, daß es sich hierbei nicht um

eine Offenbarung über das an sich bestehende Wesen Gottes als des Vaters gehandelt haben

kann. Wenn es richtig ist, daß die Gottesanrede ‘Abba’ ein neues Gottesverhältnis und damit ein

neues Erwählungshandeln Gottes voraussetzt, muß Jesu Gottesoffenbarung ihm den ‘Vater‘ als

den eschatologisch handelnden Gott enthüllt haben. ... Sachlich hindert nichts, im

Zusammenhang mit Lk 10,18 zugleich eine, die Gottesanrede 'Abba' begründende Erfahrung

oder Offenbarung anzunehmen, zumal die Gottesanrede sachlich mit dem Wissen Jesu um das

gegenwärtige eschatologische Erwählungshandeln Gottes zusammenhängt.“

H. Merklein, Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft. Eine Skizze (SBS 111), Stuttgart 31989, 90.

Folie 17 E

2.4 Der Gebrauch des Vaternamens bei Pl und Joh

These:

Die neutestamentlichen Schriften sind ein getreues Echo der Vater-Botschaft Jesu:

• Paulus verknüpft „Gott“ und „Vater“ unlösbar miteinander: vgl. 1 Thess 1,1; Gal 1,3; 1 Kor

1,3; 2 Kor 1,2; Röm 1,7; Phil 1,2 u.ö.

• Johannes führt den Sprachgebrauch Jesu theologisch fort, indem er in absoluter Weise von

„dem/meinem Vater“ spricht, erklärt dadurch den Vater zum Ursprung und Inhalt der

Offenbarung sowie den Sohn zum Offenbarenden (vgl. Joh 1,18; 5,43; 14,7-10) und kann das

Lebenswerk Jesu in der Offenbarung des Vaternamens zusammenfassen (Joh 17,5.26; vgl.

Joh 5,18; 8,54; vgl. auch 1 Joh 4,8.16).

Folie 18

2.2.5 Fazit

• Wenn das Neue Testament „Gott“ sagt, meint es in den allermeisten Fällen „Vater“: Auf

persönlichste Weise offenbart Jesus Gott als den personal liebenden Vater.

• „Abba“ ist in hervorragender Weise geeignet, die Aspekte Erwählung, Liebe, Fürsorge und

Gemeinschaft auszudrücken.

Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I

• Die Abba-Anrede Jesu entspricht seiner Verkündigung der Gottesherrschaft (vgl. das Vater-

unser).

Folie 19

3 Jesu Wirken in Wort und Tat

3.1 Die Gleichnisse

“Im Gleichnis spitzt sich die Sprache so zu, daß das, wovon die Rede ist, in der Sprache selber

konkret wird und eben dadurch die Angesprochenen in ihrer eigenen Existenz neu bestimmt... Im

Gleichnis ereignet sich etwas, und zwar so, daß sich dann auch durch das Gleichnis etwas

ereignet.“

(E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im

Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 51986, 400.)

Folie 20

3.2 Mahlgemeinschaft als Aufnahme in die Gottesherrschaft

• Alttestamentlich: Jes 25,6; vgl. Ps 132,15; 146,7; 147.

• Jesu Gastmähler sind Ereignisse der ankommenden Gottesherrschaft selbst: Mt 11,18f = Lk 7,33f; Lk 10,7 = Mt 10,11; Lk 14,15-24 = Mt 22,1-10; Mk 1,31; 2,15ff; 2,18ff; 3,20; 7,1ff; 14,3ff; Lk 8,1-3; 10,8.38ff; 13,26; 14,1ff; 15,1f.

• Besondere Charakteristika:

1. Sie stehen im eschatologischen Horizont der angebrochenen Gottesherrschaft.

2. Sie integrieren Ausgestoßene und Sünder (vgl. Mt 5,3 par; 11,5 par; vgl. Lk 14,21 par; vgl. Mt 11,19 par).

3. Sie werden mehrfach gefeiert.

• Kritik gesetzestreuer Juden: Mk 2,15-17 parr; Mk 7,1-23 parr; Lk 15,1ff (vgl. Mt 11,19 par; Mt 22,9f par).

Folie 21

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3.3 Wundertaten a) sie sind Zeichen des anbrechenden Gottesreiches mitten in der Welt; b) sie sind Zeichen für die Sendung und Vollmacht Jesu, der sich in der Sendung des Vaters weiß; c) verweisen auf das ganzheitliche Heil, Magische Wunder Charismatische Wunder Sie setzen keine personale Beziehung zwischen dem Magier und dem Adressaten der Magie voraus. Oft geschehen sie ohne Wissen und Willen dessen, dem sie „angetan“ werden!

Sie geschehen im Rahmen einer personalen Zuwendung von Wundertäter und Hilfesuchenden: Ohne „Glauben“, Vertrauen und positive Erwartungen sind sie unmöglich (vgl. Mk 6,5f).

Sie dienen individuellen Zwecken – unabhängig von der Gemeinschaft und oft auch (als schwarze Magie und Schadenszauber) gegen die Gemeinschaft.

Sie ermöglichen Gemeinschaft: Wunderheilung geben Menschen dem normalen Leben zurück. Wundercharismatiker rufen oft eine neue Gemeinschaft ins Leben.

Sie werden durch ritualisierte Praktiken (Beschwörungen, festgelegte Zauberformeln, magische Mittel) vollzogen. Im Grenzfall sollen sie ex opere operato wirksam sein.

Sie geschehen aufgrund der Autorität einzelner Wundertäter, oft allein durch ihr Wort und mit einem Minimum an ritualisierten Praktiken.

Folie 22

Jesus wirkt primär durch ihr Gebet, vertraut auf seinen Vater, und möchte das Reich Gottes errichten.

Wunderberichten und deutenden Logien (ein Argument für historische Wunde).

Historisch:

- Exorzismen (z.B. Lk 13,10-17) sollen Menschen vom Reich des Bösen in das Reich

Gottes führen und eine neue Freiheit begründen.6

- Therapien (Mk 6,21ff) sollen einen kranken Menschen ganzheitlich heilen: das

Glaubensmotiv (Mk 9,14; vgl. auch Mk 11,22-24).

- Da sind die so genannten Normenwunder: Jesus möchte die scharfen Sabbat-

Gesetze entschärfen und durch sein heilsamen Handeln auf Gottes Liebe verweisen,

indem er auch am Sabbat Menschen heilt (Mk 2,23ff; 3,1ff).

Folie 22 B

6 Vgl. Theißen, Merz, Der historische Jesus, Göttingen 21997, 265ff.

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Nachösterlich:

- Die Geschenkwunder: österliche, christologische Bekenntnisse zu verdeutlichen

„und er nahm

die sieben Brote,

danke

und brach sie

und gab sie seinen Jüngern“ (Mk 8,6)

„er nahm

das Brot

dankte

und brach́ s

und gab es ihnen“ (Mk 14,22)

Folie: Theißen, Merz, Der historische Jesus. Göttingen 21997, S 274.

- Rettungswunder (die Stillung des Seesturms, der Seewandel: Mk 4,35ff; Mk 6,45ff) sind christologische Epiphanien, um die Oster- bzw. Erscheinungen zu verdeutlichen. Das gleiche betrifft die Totenerweckungen (Mk 5,21; Lk 7,11).

Folie 22 C

„Und da sie ihn sahen

auf dem See gehen,

meinten sie,

es sei ein Gespenst

„Sie erschraken aber

und fürchteten sich

und meinten

sie sähen einen Geist.

Denn sie sahen in alle und erschraken.

Aber sogleich redete er mit ihnen

und sprach zu ihnen:

Seid getrost,

ich bin´s:

fürchtet euch nicht!“ (Mk6,49-50)

Und er sprach zu ihnen:

Was seid ihr so erschrocken,…

ich bin´s selber.“

(Lk 24,37-39)

Folie: Gerd Theißen, Der historische Jesus. Göttingen 21997, 274.

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- Epiphanien: Die Jesu-Epiphanie auf dem Berg (9,2ff) wird von Ostern her interpretiert, um

Jesus immer schon als Gottes Sohn zu verdeutlichen.

Folie 22 D

Wortüberlieferung:

Mt 17,20 = Lk 17,6: Gottesglauben, der dann die Macht freisetzt, Unglaubliches zu bewirken.

Jesu -Vaterbeziehung

Die Wunder sind nicht auf die Person Jesu ausgerichtet, sondern sie sind auf die

Gottesherrschaft hingeordnet.

Die Heilungen sind im Kontext der Reich-Gottes-Botschaft zu verstehen. Sie sind Belege dafür,

daß die Herrschaft Gottes schon begonnen hat. Diese Herrschaft will das Heil und die Befreiung

des ganzen Menschen.

Nie im NT: terata/Mirakel, sondern –-dynamis / semeion.

Folie 23

Fazit:

Die Wundertätigkeit Jesu hat für das Wirken Jesu als konstitutiv zu gelten, und zwar als Vermittlungsweise der Gottesherrschaft.

Diese Herrschaft will das Heil und die Befreiung des ganzen Menschen. Dies realisiert Jesus durch sein therapeutisches Tun in proleptischer Weise.

Folie 24

3.4 Die Sendungsautorität Jesu

3.4.1 Der Anspruch Jesu und sein Wissen

Daß Jesus sich selbst einen hohen autoritativen Anspruch gegeben hat, können wir aus folgenden neutestamentlichen Fakten ersehen:

a) Er übt Tischgemeinschaft und realisiert so eine umfassende, befreiende Schöpfungsgemeinschaft mit allen Menschen. Er handelt an Gottes Stelle (als Finger Gottes).

Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I

b) Er verkündigt mit einer Autorität, die sich sogar über die Tora stellt. Diese Vollmacht gründet in ihm selbst (vgl. Mk 1,22.27).

c) Er ruft Jünger in seine Nachfolge; an ihm entscheidet sich die Stellungnahme des Menschen dem Reich Gottes gegenüber. Die Berufung (vgl. Mk 1,17) geschieht frei und souverän (vgl. Mk 3,13).

Folie 25

3.4.2 Die Hoheitstitel

3.4.2.1 Jesus als Messias

AT/NT

- man erwartet einen königlichen (PsSal 17,21.32.42) und von Gott erwählter Gesalbten

(PsSal 17,42; 17,32);

- die genannte Erwartung wird mit der der Natansverheißung an David verbunden (PsSal

17,4f; 2 Sam 7);

- dieser Endzeitdavid (vgl. Ps 2 und PsSal 17,22-24,30; Jes 11 und PsSal 17,37) wird mit

einem besonderen Segen Gottes ausgestattet (Geist Rat, Stärke und Gerechtigkeit) (PsSal

17,37f).

- der Messias wird das Regiment der zwölf Stämme regieren (verbunden mit dem Gesetz)

(PsSal 17,26-28.32f).

Folie 26

Paulus (Röm 15,7-12) erklärt den Christustitel mit Jes 11,10:

„An jenem Tag wird es der Sproß aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen in auf sein Wohnsit z ist prächtig“

Die Frage, ob Jesus selbst diesen Titel für sich verwandt hat, läßt sich an dieser Stellen (Beispiel) entscheiden:

Petrusbekenntnis in Mk 8,27-33 ⇒ Kunstprodukt

Resümee:

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Erst von der nachösterlichen Bekenntnisbildung her wird der Messiastitel auf Jesus übertragen. Die verschiedenen Konzepte, die dabei angewandt werden, verweisen darauf, daß Jesus selbst hier keine Vorgaben gemacht hat. Die ältesten Spuren solcher Bekenntnisbildung in Röm 10,9; 1 Thess 1,10 zeigen darüber hinaus, daß diese Traditionen die christologische Hoheit Jesu erst mit Ostern beginnen lassen.

Folie 26 B

3.4.2.2 Jesus und der Menschensohn

• Der Begriff Menschensohn begegnet exklusiv nur in Jesus -Logien. Keine andere Person spricht vom Menschensohn. Allerdings spricht Jesus vom Menschensohn nie in Ich-Form, sondern nur in Er-Form. Diese Distanzierung, wie sie z. B. in Lk 12,8 vorliegt, läßt den Eindruck entstehen, als handle es sich um zwei verschiedene Personen.

• Nach den Synoptikern nimmt Jesus keine andere Bezeichnung für eine endzeitliche Hoffnungsgestalt in den Mund.

• Die nachösterliche christologische Konzeption umschreibt Jesus sehr kräftig in der Funktion des Menschensohnes, der an Ostern erhöht wurde, aber bald wiederkommen wird, um Gericht zu halten. Dabei wird der Titel „Menschensohn“ jedoch nicht direkt auf Jesus über-tragen (1 Kor 16,22; 1 Thess 1,9f; 4,13ff).

Fazit:

Einige Menschensohnworte werden wohl auf Jesus selbst zurückgehen. Aufgrund dieser Vorgabe hat sich dann nachösterlich die Christologie zunächst als Menschensohn-christologie entfaltet. Dennoch liegt es nahe, daß Jesus mit dem Menschensohn jemand anderes als sich selbst gemeint hat (vgl. Lk 12,8).

Folie 27

Die Menschensohnchristologie der Synoptiker beschreibt die Hoheit Jesu auf dreifache Weise:

1. Der Menschensohn muß leiden und auferweckt werden (vgl. Mk 8,31 parr; 9,31 parr; 10,33f

parr; Mk 9,9 = Mt 17,9; Mk 10,45 = Mt 20,28; Mk 14,21 parr; Mk 14,41 = Mt 26,45).

2. Darüber hinaus gibt es Aussagen vom gegenwärtig wirkenden Menschensohn. Sie sind an der

Vollmacht Jesu als Menschensohn interessiert (vgl. z. B. Mk 2,10 parr; 2,28 parr; für die

Logienquelle: Mt 8,20 = Lk 9,58; Mt 11,19 = Lk 7,34).

3. Schließlich gibt es Aussagen über den kommenden Menschensohn, in denen die frühjüdischen

Elemente am deutlichsten spürbar sind. Jesu Autorenschaft ist hier wahrscheinlich (vgl. Lk

17,26-30 = Mt 24,37-41).

Folie 28

Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I

3.4.2.3 Jesus, der Sohn Gottes

Die sich ausfaltende Rede vom Gottessohn bot der frühesten Christologie mehrere Möglichkeiten:

• Das innerste Persongeheimnis, die Sendungsautorität Jesu konnte anschaulich zur Sprache gebracht werden: Als menschgewordener Gottessohn ist er das Bild des unsichtbaren Gottes (vgl. Joh 1,14).

• Den Titel konnte man im Rekurs auf das Natansorakel in 2 Sam 7,12-14 bzw. Ps 2,7 mit den Messiasaussagen sowohl auf den leidenden Gerechten wie auch auf den erhöhten Messias Jesus übertragen.

• Schließlich konnte man vom Titel des „Gottessohnes“ aus die Linien zur Schöpfungsmittlerschaft und zur Präexistenz ziehen.

Folie 29 3.4.2.4 Fazit

Jesu Deutung:

¦ keine personalisierte prophetische Endzeiterwartung

¦ versteht er sich als Bewirker der endzeitlichen Vollendung: angebrochenen Herrschaft Gottes

- durch sein Wirken

- durch seine Person

o ? besonderes Sendungsbewußtsein und

o ? besondere Beziehung zu seinem Vater

Das Messiasprädikat

? Sendung

? Sendungsanspruch

? Jesus erringt seinen Sieg durch das Kreuz;

Gottes Sohn:

? einmaligen Beziehung zum sendenden Vater; spätere

? Christologie: einmaliger Sohnschaft: Vater-Sohn: gemeinsames Wesen (Liebe – Hl. Geist)

Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I

Folie 29 B

4.1 Jesu Abschiedsmahl

Ritus Gebete 1. Becher: Eingießen von Wein u. Wasser

Auftragen der Vorspeise 2 Segensgebete (Hausvater od. vor-nehmster Gast)

2. Becher: Auftragen des Haupt -gerichtes (Passahlamm, ungesäuertes Brot, grüne Bitterkräuter)

Dankgebet (Hausvater), Händewaschung Verkosten und Austeilen der Speisen Frage eines Kindes (Gastes): "Warum ist diese Nacht verschieden von allen Nächten?" Verlesung der Passah-Haggada (Auszug aus Ägypten) - Rezitation des großen Hallel I (Pss 113; 114,1-8)

Leerung des 2. Bechers Essen der Hauptmahlzeit

Händewaschung, Lobgebet

3. Becher: Mischung des Bechers, der nun

herumgere icht wird 4. Becher: Mischen und Trinken

Dankgebet (daher: Kelch des Segens) Rezitation des großen Hallel II (Pss 115-118

[G. Koch, Sakramentenlehre - Das Heil aus den Sakramenten, in: W. Beinert (Hrsg.), Glaubenszugänge. Bd. 3, 426f (Schaubild erstellt von W. Beinert).]

Folie 30

4.2 Das historische Faktum des Todes

• Die Kreuzigung Jesu gehört zu den sichersten Fakten des Lebens Jesu.

• Die Kreuzigung war eine besonders diskriminierende römische Form der Hinrichtung. Sie war vor allem politischen Aufrührern vorbehalten, worauf auch die Kreuzesinschrift: „König der Juden“ (Mk 15,26 par) hinweist.

• Diese Weise der Bestrafung Jesu war Ergebnis eines Zusammenspiels zwischen den

Jesu Brot-Handlung

Jesu Wein-Handlung

Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik I

jüdischen Gegnern und der römischen Besatzungsmacht mit unterschiedlichen Interessen

• Zunächst einmal wurde bei der Verhandlung vor Pilatus (Mk 14,53-65 par) die Messiasfrage virulent und zudem Jesu Wort von der Zerstörung des Tempels. Damit sollte er als Aufrührer und Gotteslästerer überführt werden. Darauf stand schon nach jüdischem Gesetz die Todesstrafe (Lev 24,16; Dtn 13,5 u. ö.).

• Für die Freunde hat dieser Tod am Kreuz aufgrund des Lebens Jesu, das unter dem Gebot der Liebe stand, und aufgrund des Abschiedsmahles, einen ganz anderen Stellenwert: Jesu Selbsthingabe aus Liebe ist für sie eine göttliche Heilstat zur Errettung der Welt.

Folie 30 A

4.3 Das Geheimnis des Todes Jesu

4.3.1 Wie hat Jesus seinen Tod verstanden?

Eine Antwort ist nur implizit möglich:

• Leidensansage der Verkündigung Jesu

• Hinweis auf eschatologische Drangsale als Element seiner Predigt (Mt 10,34).

• Kenntnis Jesus der Verwerfung vieler alttestamentlicher Propheten sowie vom Ende Johannes des Täufers. Annahme einer Vorzeichnung seines eigenen Schicksals.

• Jesus erwartet noch in seinem Leben, verbunden mit seinem Handeln, einen Wandel der Äonen: den Übergang vom alten Weltäon zum neuen Gotteszeitalter.

Diese eschatologischen Strukturmomente klingen auch im Letzten Abendmahl an:

• „Amen, ich sage Euch, ich werde nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken, bis zu dem Tag, wo ich es neu im Reich Gottes trinke“ (Mk 14,25).

• Verbindung seines Todes neuen Gottesherrschaft

• Symbolische Vorwegnahme und Deutung im Abendmahl.

Folie 30 B

Annahme einer verborgenen Sinngebung Jesu durch Jesus:

• Der Schrei am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Ps 22)

bringt zunächst und vor allem die Dunkelheit des Sterbens ohne jede Glorie zum Ausdruck.

• Der Hinweis nicht mehr von der Frucht des Weinstocks zu trinken und der Schrei am Kreuz verweisen nochmals auf die Beziehung des Dahingehenden zu Gott.

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Für die innerste Personalität Jesu bedeutet dies ein Mehrfaches:

• Auch im Angesicht von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Tod offenbart sich nochmals Jesu relationales Selbstverständnis, das sich vom Vater her und auf ihn hin vollzieht.

• Hatte sich von daher schon seine Proexistenz während seines gesamten Lebens entfaltet, so bewährt sich dieses relationale Selbstverständnis auch in der letzten Phase seiner Existenz.

• Soteriologisch liegt letzter Heilssinn dieses Sterbens nicht in einem darzubringenden Opfer, sondern in der Hingabe aus Liebe - für die Menschen, nach dem Willen des Vaters.

Folie 30 C

Fazit:

Wie der Vater es zulässt, dass dieser Jesus durch seinen Tod die radikale Ablehnung der

Menschen von innen einholt, so geht Jesus seine letzen Schritte im Gehorsam gegenüber der

Sendung durch den Vater.

Durch die Selbsthingabe des Menschen Jesus in den Heilswillen Gottes für die Verlorenen

vollendet sich die Liebe Gottes zu den Menschen und die Liebe des Menschen zu Gott und den

Nächsten.

So trägt am Kreuz die Liebe den Sieg davon und ist die Mitte des Neuen Bundes.

Folie 30 D