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Prof. Dr. Volker Peinelt Stellungnahme zu den Qualitätsstandards der DGE 2020 Prof. Dr. Jens Weerau Hochschule Niederrhein Fachbereich Oecotrophologie Erstpublikation: 6.2.2021, Aktueller Stand: 20.3.2022 Biografische Hinweise: Dipl.-Ernahrungswis- senschaftler Grp.-Leiter F&E in der LM-Industrie Ref.-Leiter GV der DGE Promotion in Gießen Prof. an der Hochschule Niederrhein, MG FB Oecotrophologie Fach: "Cateringservices und LM-Hygiene" Biografische Hinweise: Dipl.-O6 kotrophologe (Ernahr.O6 konom) Promotion in Gießen Berater von GG-Betrie- ben Prof. an der Hochschule Niederrhein, MG FB Oecotrophologie Fach: "Catering Manag. & Arbeitswissenschaft" Prof. Dr. Volker Peinelt Prof. Dr. Jens Wetterau Fachliche Bezüge Herr Peinelt hat schon bei der DGE maßgebliche Be- wertungsinstrumente entwickelt, mit denen Betrie- be in der BG bewertet werden konnten. Bei den Be- triebsprufungen wurden schon damals viele Aspek- te berucksichtigt, nicht nur der Nahrstoffgehalt. In dieser Zeit entstand auch seine Dissertation, die sich mit der Optimierung der Verpflegung in der GG befasste. Ü6ber 20 Jahre war Herr Peinelt als Professor an der Hochschule Niederrhein tatig. Dort entwickelte er weitere Bewertungskonzepte fur die GG. In enger Kooperation mit dem "Deutschen Institut fur Ge- meinschaftsgastronomie" (DIG) und dem "Deut- schen Studentenwerk" (DSW) wurde ein umfassen- des Zertifizierungssystem entwickelt, nach dem alle Betriebe der o.g. Verbande gepruft wurden. Es wird heute vom TÜ6V Rheinland angewendet. Eine spezielle Konzeption erfolgte fur eine optimale Schulverpflegung. Diese Arbeiten erhielten durch einen Japanaufenthalt wichtige Impulse. Viele Schu- len wurden mit dem Zert-System uberpruft. Hierzu- lande konnte eine Verpflegung auf hohem Niveau mit diesem Konzept -bei sehr geringen Mehrkosten- etabliert werden. Ferner wurde das "Gastronomische Ampelsys- tem" (GAS) entwickelt, mit dem sehr valide Bewer- tungen von Speisen und Gerichten moglich sind, ohne diese berechnen zu mussen. Dieses System ist mittlerweile in zahlreichen Betrieben im Einsatz. Zusammen mit Herrn Wetterau verantwortete er die wissenschaftliche Leitung des "Handbuchs der Gemeinschaftsgastronomie", in dem alle Bereiche der GG abgedeckt wurden. Viele Arbeiten wurden in Zusammenarbeit mit Herrn Wetterau umgesetzt. Fachliche Bezüge Herr Wetterau hat sich in seinem Studium schwer- punktmaßig mit QM-Systemen befasst und auch sei- ne Dissertation zu diesem Thema geschrieben. Seit 2008 hat er eine Professur an der Hochschule Niederrhein in MG inne. Seine Forschungs- und Lehrgebiete umfassen v.a. das betriebliche Verpfle- gungs- & Arbeitsschutzmanagement. Im Bereich des Arbeitsschutzes hat er sich zusatzlich zur Fachkraft Arbeitssicherheit qualifiziert. Er ist in verschiedenen Arbeitskreisen der REFA aktiv ein- gebunden, u.a. auch in der Branchenorganisation Nahrung und Genuss, wo er regelmaßig Vortrage halt. Wichtige Publikationen: 1. Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie 2. Erfolgsfaktor Qualitatsmanagement in Kuchen 3. Modernes Verpflegungsmanagement – Best Prac- tices fur die Individual-, Gemeinschafts- und Sys- temgastronomie Seit Jahren tritt er regelmaßig als Referent bei gut besuchten Fachveranstaltungen zu BGM oder Quali- tatssicherung auf, wo er u.a. das Zertifizierungs- konzept der Hochschule Niederrhein oder die Vor- teile des Einsatzes des Gastronomischen Ampel- systems vorgestellt hat. Seine Aktivitaten erstrecken sich auch auf die Ent- wicklung und Verbreitung eines Konzepts fur eine bessere Schulverpflegung, bei der das "richtige" Verpflegungssystem im Vordergrund stand. Auch an der Weiterentwicklung des Zertifizierungs- konzepts war Herr Wetterau uber all die Jahre betei- ligt, gemeinsam mit Herrn Peinelt und dem TÜ6 V Rheinland. 1

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Prof. Dr. Volker Peinelt Stellungnahme zu den

Qualitätsstandards der DGE 2020

Prof. Dr. Jens WetterauHochschule Niederrhein

Fachbereich Oecotrophologie

Erstpublikation: 6.2.2021, Aktueller Stand: 20.3.2022

Biografische Hinweise:✗ Dipl.-Erna�hrungswis-

senschaftler✗ Grp.-Leiter F&E in der

LM-Industrie ✗ Ref.-Leiter GV der DGE✗ Promotion in Gießen✗ Prof. an der Hochschule

Niederrhein, MG✗ FB Oecotrophologie✗ Fach: "Cateringservices

und LM-Hygiene"

Biografische Hinweise:✗ Dipl.-O6 kotrophologe

(Erna�hr.O6 konom)✗ Promotion in Gießen✗ Berater von GG-Betrie-

ben✗ Prof. an der Hochschule

Niederrhein, MG✗ FB Oecotrophologie✗ Fach: "Catering Manag.

& Arbeitswissenschaft"

Prof. Dr. Volker Peinelt Prof. Dr. Jens Wetterau

Fachliche BezügeHerr Peinelt hat schon bei der DGE maßgebliche Be-wertungsinstrumente entwickelt, mit denen Betrie-be in der BG bewertet werden konnten. Bei den Be-triebspru� fungen wurden schon damals viele Aspek-te beru� cksichtigt, nicht nur der Na�hrstoffgehalt. In dieser Zeit entstand auch seine Dissertation, die sich mit der Optimierung der Verpflegung in der GG befasste. Ü6 ber 20 Jahre war Herr Peinelt als Professor an derHochschule Niederrhein ta� tig. Dort entwickelte er weitere Bewertungskonzepte fu� r die GG. In enger Kooperation mit dem "Deutschen Institut fu� r Ge-meinschaftsgastronomie" (DIG) und dem "Deut-schen Studentenwerk" (DSW) wurde ein umfassen-des Zertifizierungssystem entwickelt, nach dem alle Betriebe der o.g. Verba�nde gepru� ft wurden. Es wird heute vom TÜ6 V Rheinland angewendet. Eine spezielle Konzeption erfolgte fu� r eine optimale Schulverpflegung. Diese Arbeiten erhielten durch einen Japanaufenthalt wichtige Impulse. Viele Schu-len wurden mit dem Zert-System u� berpru� ft. Hierzu-lande ko� nnte eine Verpflegung auf hohem Niveau mit diesem Konzept -bei sehr geringen Mehrkosten-etabliert werden. Ferner wurde das "Gastronomische Ampelsys-tem" (GAS) entwickelt, mit dem sehr valide Bewer-tungen von Speisen und Gerichten mo� glich sind, ohne diese berechnen zu mu� ssen. Dieses System ist mittlerweile in zahlreichen Betrieben im Einsatz. Zusammen mit Herrn Wetterau verantwortete er die wissenschaftliche Leitung des "Handbuchs der Gemeinschaftsgastronomie", in dem alle Bereiche der GG abgedeckt wurden. Viele Arbeiten wurden inZusammenarbeit mit Herrn Wetterau umgesetzt.

Fachliche BezügeHerr Wetterau hat sich in seinem Studium schwer-punktma�ßig mit QM-Systemen befasst und auch sei-ne Dissertation zu diesem Thema geschrieben. Seit 2008 hat er eine Professur an der Hochschule Niederrhein in MG inne. Seine Forschungs- und Lehrgebiete umfassen v.a. das betriebliche Verpfle-gungs- & Arbeitsschutzmanagement. Im Bereich des Arbeitsschutzes hat er sich zusa� tzlichzur Fachkraft Arbeitssicherheit qualifiziert. Er ist in verschiedenen Arbeitskreisen der REFA aktiv ein-gebunden, u.a. auch in der Branchenorganisation Nahrung und Genuss, wo er regelma�ßig Vortra�ge ha� lt. Wichtige Publikationen: 1. Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie2. Erfolgsfaktor Qualita� tsmanagement in Ku� chen3. Modernes Verpflegungsmanagement – Best Prac-

tices fu� r die Individual-, Gemeinschafts- und Sys-temgastronomie

Seit Jahren tritt er regelma�ßig als Referent bei gut besuchten Fachveranstaltungen zu BGM oder Quali-ta� tssicherung auf, wo er u.a. das Zertifizierungs-konzept der Hochschule Niederrhein oder die Vor-teile des Einsatzes des Gastronomischen Ampel-systems vorgestellt hat. Seine Aktivita� ten erstrecken sich auch auf die Ent-wicklung und Verbreitung eines Konzepts fu� r eine bessere Schulverpflegung, bei der das "richtige" Verpflegungssystem im Vordergrund stand.Auch an der Weiterentwicklung des Zertifizierungs-konzepts war Herr Wetterau u� ber all die Jahre betei-ligt, gemeinsam mit Herrn Peinelt und dem TÜ6 V Rheinland.

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Qualitätsstandards der DGE 2020

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I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Inhaltsverzeichnis....................................................................................................2

Abbildungsverzeichnis.............................................................................................4

Tabellenverzeichnis.................................................................................................4

Abkürzungsverzeichnis............................................................................................4

Vorwort...................................................................................................................5

1. Grundsätzliches zu den Q-Standards....................................................................71.1 Gestaltung und Mitwirkung....................................................................................................71.2 Begriffsdefinitionen und Hintergründe...................................................................................71.3 Historie und Zielbereiche......................................................................................................101.4 Zielsetzung...........................................................................................................................101.5 Zu behandelnde Themen......................................................................................................12

2. Qualität in der BG entwickeln............................................................................132.1 Wie misst und sichert man Qualität?....................................................................................132.2 Entwicklungsmodell für Qualität (PDCA-Modell)...................................................................142.3 Funktion der Partizipation....................................................................................................152.4 Verpflegungssystem und QS-Beauftragter.............................................................................162.5 Fragwürdige Qualitätsdifferenzierung...................................................................................162.6 Beschwerdemanagement.....................................................................................................172.7 Personalqualifikation............................................................................................................172.8 Externe Qualitätsprüfung.....................................................................................................192.9 Leistungsverzeichnis.............................................................................................................20

3. Nachhaltige und gesundheitsfördernde Ernährung............................................203.1 Nachhaltige Ernährung.........................................................................................................203.1.1 Einstellung der DGE zur Ökologie/Nachhaltigkeit..................................................................................203.1.2 Segmente einer nachhaltigen Ernährung...............................................................................................213.1.3 Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsziele der Politik.............................................................................233.1.4 Alternativen für die Betriebsleiter.........................................................................................................273.1.5 Nachhaltigkeitspotenzial der Technik.....................................................................................................283.1.6 Auswahl nachhaltiger Lebensmittel.......................................................................................................29

3.2 Gesundheitsfördernde Ernährung.........................................................................................313.2.1 Grundsätzliches.....................................................................................................................................313.2.2 Optimale Auswahl..................................................................................................................................333.2.3 Sinnhaftigkeit des Kapitels.....................................................................................................................333.2.4 LM-Gruppe: Getreide.............................................................................................................................343.2.5 LM-Gruppe: Gemüse/Hülsenfrüchte.....................................................................................................353.2.6 LM-Gruppe: Obst und Nüsse..................................................................................................................363.2.7 LM-Gruppe: Molkereiprodukte, Käse.....................................................................................................373.2.8 LM-Gruppe: Fleisch, Fleischwaren, Wurst, Fisch, Eier............................................................................373.2.9 LM-Gruppe: Getränke............................................................................................................................39

3.3 Ableitung von Kriterien........................................................................................................403.3.1 Beschreibung der Methode...................................................................................................................403.3.2 Viertelansatz vs Drittelansatz für das Mittagessen.................................................................................413.3.3 Menü-Bewertung mit der Nährwertberechnung...................................................................................423.3.4 Durchschnittsansatz und Nährstoffdichte..............................................................................................44

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3.3.5 Ampelbasierte Bewertungssysteme.......................................................................................................45

4. Gestaltung der Verpflegung...............................................................................454.1 Einführung............................................................................................................................454.2 Empfehlungen für das Mittagessen.......................................................................................464.2.1 Festlegungen von LM-Gruppen, Qualitäten und Mengen......................................................................464.2.2 Sinnhaftigkeit eines optimalen 5-Tage-Plans..........................................................................................47

4.3 Kommentare zu einzelnen Empfehlungen.............................................................................494.3.1 Mengenangaben....................................................................................................................................494.3.2 Fleisch....................................................................................................................................................494.3.3 Getreide/frittierte Produkte...................................................................................................................504.3.4 Fleischersatz..........................................................................................................................................504.3.5 High-Convenience-Produkte, Verarbeitungsschritte..............................................................................544.3.6 Menü-Zyklus..........................................................................................................................................554.3.7 Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL...................................................................554.3.8 Ökologische erzeugte LM einkaufen......................................................................................................564.3.9 Zubereitung...........................................................................................................................................564.3.10 Ausgabe, Entsorgung und Reinigung....................................................................................................57

5. Gästekommunikation, Nudging.........................................................................585.1 Grundsätzliches....................................................................................................................585.2 Nudging................................................................................................................................59

6. Fehlende Themen..............................................................................................606.1 Arbeits- und Gesundheitsschutz...........................................................................................606.2 BGM/BGF.............................................................................................................................616.3 Verpflegungssysteme............................................................................................................616.4 Nachvollziehbarkeit der Änderungen....................................................................................646.5 Zertifizierungsbedingungen und -prozess..............................................................................65

7. Vergleich mit früheren Q-Standards...................................................................687.1 Nachhaltigkeit......................................................................................................................687.2 Fehlende Aspekte.................................................................................................................687.3 Falscher Bewertungsansatz...................................................................................................697.4 Sonstiges..............................................................................................................................70

8. Das Gastronomische Ampelsystem (GAS)..........................................................718.1 Beschreibung von GAS..........................................................................................................718.2 Wie sicher bewertet GAS?....................................................................................................738.3 Erleichterte Umsetzung in der Praxis mit GAS.......................................................................73

9. "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie"...................................................759.1 Hintergründe der Zertifizierung............................................................................................759.2 Bestandteile und Ergebnisse der Zertifizierung.....................................................................759.3 Besonderheiten der Zertifizierung........................................................................................769.4 Kosten des Zertifizierungskonzepts.......................................................................................77

10. Bewertung in Kurzform....................................................................................79

11. Gesamtfazit......................................................................................................82

12. Zusammenfassung...........................................................................................83

Schlusswort...........................................................................................................85

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A b b i l d u n g s v e r z e i c h n i sAbb. 1: Nährstoffvergleich von Tofu vs Sojaeiweiß pro 100g.............................................................52

Abb. 2a: Nährstoffvergleich von Vk-Nudeln vs Soja-TVP pro 100 g...................................................53

Abb. 2b: Nährstoffvergleich von Vk-Nudeln vs Soja-TVP pro 1000 kJ................................................53

Abb. 3: Unterschiede der sensorischen Qualität bei verschiedenen Systemen.................................64

Abb. 4: Erhaltung hitzeempfindlicher Vitamine.................................................................................64

Abb. 5: Prüfetappen der Zertifizierung "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie"....................76

Abb. 6: Verbundzertifizierung.............................................................................................................77

Abb. 7: Reduzierung der Nachhaltigkeitsfragen.................................................................................77

Ta b e l l e n v e r z e i c h n i sTab. 1: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein schlechtes Gericht (ohne Heißhalteabzug)...................72

Tab. 2: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein optimiertes Gericht (ohne Heißhalteabzug).................72

A b k ü r z u n g s v e r z e i c h n i sBGF Betriebliche Gesundheitsfo� rderung BGM Betriebliches Gesundheitsmanage-

mentBLS Bundeslebensmittelschlu� sselBMEL Bundesministerium fu� r Erna�hrung

und Landwirtschaft CO2-A6 q Kohlendioxid-A6 quivalente/kgD_A_CH Deutschland, Austria und Schweiz

(fu� r gemeinsame Referenzwerte)

DGE Deutsche Gesellschaft fu� r Erna�h-rung e. V.

GAS Gastronomisches Ampelsystem GG Gemeinschaftsgastronomie LEH Lebensmittel-Einzelhandel NSD Na�hrstoffdichte NWB Na�hrwertberechnung NWR Na�hrwertrelation

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VorwortHistorie der Q-Standards

Die Autoren haben sich immer wieder zu den DGE-Standards fu� r die Gemeinschaftsgastrono-mie (GG) gea�ußert. Die letzte Stellungnahme bezogen sich auf die Q-Standards bis 20151 undwurde zuna� chst im "Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie" publiziert2 und spa� ter dannals u� berarbeiteter Artikel online. Diese alte Stellungnahme wurde mehrfach u� berarbeitet undist inzwischen auf der Homepage von Volker Peinelt fu� r jedermann verfu� gbar3. Daru� ber hin-aus wurde zu speziellen Themen, die mit den Q-Standards zusammenha�ngen, in Artikeln oderVortra� gen eingegangen. Auch diese Artikel sind auf der Homepage zu finden. In all diesen Pu-blikationen wurden die Q-Standards bewertet, in der Annahme, die gefundenen und vorge-stellten Schwachstellen werden beseitigt, um so die Standards zu optimieren. Dem war leidernicht so, wie den neuesten Q-Standards zu entnehmen ist.

Ende 2020, also fu� nf Jahre nach der letzten Auflage, sind die Q-Standards in einer grundlegen-den Ü6 berarbeitung von der DGE im Auftrag des Bundesministeriums fu� r Erna�hrung und Land-wirtschaft (BMEL) erneut vorgelegt worden4. Auch diese Publikation wird in der vorliegendenStellungnahme noch einmal gru� ndlich u� berpru� ft, wobei sich die Pru� fung nur auf den Q-Stan-dard fu� r die Betriebsgastronomie (BG) bezieht. Da viele Aussagen aller fu� nf Q-Standardsgleich oder a�hnlich sind, treffen die meisten Aussagen dieser Stellungnahme auch fu� r andereQ-Standards zu.

Zweck der Überprüfung

Mit dieser Stellungnahme ist beabsichtigt, wie bei allen fru� heren Stellungnahmen auch, einefaire und objektive Bewertung der Q-Standards dem interessierten Laien- und Fach-Publikumzur Verfu� gung zu stellen. Die Kritik wird auf jeden Fall gut begru� ndet, so dass sie nachvollzieh-bar ist. Hierfu� r werden die wesentlichen Quellen angegeben. Der Leser kann somit selbst pru� -fen, ob er die Kritik fu� r berechtigt ha� lt. In diesem Fall kann er sich an die Autoren der Q-Stan-dards wenden und um Erkla� rungen bitten. Von der DGE wa� re zu erwarten, dass fu� r die na� chs-te Auflage bei berechtigter Kritik entsprechende Korrekturen vorgenommen werden.

Vorgehensweise bei der Überprüfung

Die einzelnen Kapitel des neuen Q-Standards fu� r die Betriebsgastronomie werden bgzl. derkonzeptionellen Ansa� tze sowie Einzelaussagen analysiert und bewertet. Ferner wird ein Ver-gleich zu fru� heren Q-Standards und ein Gesamtfazit erstellt. Alle wichtigen Kritikpunkte wer-den zusammenfassend dargestellt. Die Stellungnahme zum Q-Standard endet mit einem Abs-tract und einem Schlusswort. Die Autoren stellen noch zwei alternative Konzepte vor, die seitJahren in der Praxis eingesetzt werden und sehr gute Ergebnisse erzielen konnten. Hierbeihandelt es sich um ein Bewertungsinstrument fu� r das gesamte Speisenangebot auf der Basis

1 DGE: Qualitätsstandards für Kitas, Ganztagsschulen, Betriebe, Unternehmen, stationäre Einrichtungen, Essen auf Rädern und Rehabilitationskli-niken, Bonn 2007-2015

2 Basierend auf: Wetterau J, Peinelt V: Kap. 14: Zertifizierungen und Gütesiegel, Band 1, S. 298-346, in: Peinelt V, Wetterau J: Handbuch der Ge-meinschaftsgastronomie. Anforderungen | Umsetzungsprobleme | Lösungkonzepte. Rhombos-Verlag, Berlin, 1. Aufl. 2015 und 2. Aufl. 2016

3 Peinelt V: Kritik an den Q-Standards der DGE. Stellungnahme 2015. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/kritik-an-dge-standards/4 DGE (Hrsg): Qualitätsstandards der DGE. Grundlegend überarbeitet, Bonn, 11/2020

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von Ampelfarben und um ein umfassendes Zertifizierungskonzept. Somit erscho� pft sich dieseStellungnahme nicht in der Kritik am Q-Standard, sondern macht auch konstruktive Vorschla� -ge fu� r alternative Instrumente.

Nachfolgend wird immer wieder auf Kapitel in dieser Stellungnahme und im Q-Standard ver-wiesen. Üm diese Verweise eindeutig zu kennzeichnen, wird der Bezug auf ein Kapitel in derStellungnahme mit dem Pra� fix "St-" versehen. Ohne dieses Pra� fix sind immer die Kapitel inden Q-Standards gemeint.

Erwartungen an die Q-Standards

Fu� r A6 nderungen im neuen Q-Standard sowie fu� r die Beibehaltung kritisierter Stellen fru� hererAuflagen werden stichhaltige Begru� ndungen der DGE erwartet. Interessierte Laien und Exper-ten mo� chten wissen, was die DGE zu ihren A6 nderungen bewogen hat. Ümfangreiche Begru� n-dungen mu� ssten nicht im Text der Standards, sondern ko� nnten problemlos online zur Verfu� -gung gestellt werden. Somit entfa� llt auch das Platz-Argument, was schon deshalb unzula� ssig,weil die DGE den Anspruch erhebt, die Q-Standards fu� r Deutschland zu definieren. Sie rekla-miert fu� r sich die Autorita� t, fu� r eine große Branche mit zahlreichen und unterschiedlichenVersorgungsbereichen sowie Aufgabenstellungen die Standards festzuschreiben.

Es ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, wenn eine fu� hrende Organisation auf dem Ge-biet der Erna�hrung ein solches Ünterfangen in Angriff nimmt, zumal sie die Ru� ckendeckungdurch ein Ministerium hat. Von jeder Organisation, die so etwas macht, muss aber erwartetwerden, dass sie alle definierten Qualita� tsmerkmale und aufgestellten Forderungen gut be-gru� ndet und die wesentlichen Quellen angibt. Auch etwaige A6 nderungen sollten klar heraus-gestellt und ebenfalls gut begru� ndet werden. Daher wird im Rahmen dieser Pru� fung daraufgeachtet, ob es A6 nderungen oder Streichungen gegeben hat und wie diese erla�utert werden.

Hinweise zum Lesen der Stellungnahme

Der Text dieser Stellungnahme ist sehr umfangreich. Dies liegt u.a. daran, dass auch Hinter-gru� nde beleuchtet und die Aussagen oft detailreich begru� ndet wurden, wodurch die Kritik amQ-Standard besser nachvollziehbar ist. Es ist aber nicht no� tig, um die Hauptaussagen dieserStellungnahme zu erfassen, den gesamten Artikel zu lesen. Aussagen, welche die Essenz dieserStellungnahme enthalten, findet der Leser insbesondere in den Kapiteln 10, 11 und 12. DerLeser kann sich ohne Versta�ndnisprobleme auch einzelne Kapitel vornehmen und nur diesestudieren. Die Hauptkapitel stehen weitgehend fu� r sich. Die Autoren empfehlen, mo� glichst vie-le Kapitel dieser Stellungnahme zu lesen, weil so am besten ein umfassendes Bild der Kritik anden Q-Standards zu erhalten ist.

In dieser Stellungnahme wird aus linguistischen und Lesbarkeitsgru� nden keine "genderge-rechte" Sprache verwendet. Dies soll hier nicht weiter ausgefu� hrt werden. Einzelheiten zu denGru� nden ko� nnen zwei Artikeln von Bayer in der NZZ5 und von Eisenberg in der SZ6 entnom-

5 Bayer J: Sprachen wandeln sich immer – aber nie in Richtung Unfug. Neue Zürcher Zeitung v. 14.4.2019. https://www.nzz.ch/feuilleton/die-ge-schlechtergerechte-sprache-macht-linguistische-denkfehler-ld.1472991

6 Eisenberg P: Das missbrauchte Geschlecht. Süddeutsche Zeitung v. 2.3.2017. https://www.sueddeutsche.de/kultur/essay-das-missbrauchte-ge-schlecht-1.3402438

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men werden, denen sich die Autoren vollinhaltlich anschließen. Selbstversta�ndlich sympathi-sieren die Autoren mit den Bemu� hungen fu� r mehr Geschlechtergerechtigkeit.

1. Grundsätzliches zu den Q-Standards

1.1 Gestaltung und MitwirkungWie alle fru� heren Q-Standards der DGE ist auch dieser neue ansprechend gestaltet. Er entha� lteine klare Gliederung, mit der Leser eine gute Ü6 bersicht des Inhalts bekommen. Zuna� chst wer-den einige Hintergru� nde und Zielvorstellungen beschrieben, um dann u� ber den Aufbau unddie immer wieder verwendeten Symbole zu informieren. Ferner wird darauf hingewiesen,dass weitere Texte im Internet zu finden sind, wodurch der Q-Standard einen noch gro� ßerenÜmfang erha� lt. Der lange Text des Q-Standards ist durch zahlreiche Fotos, Abbildungen undTabellen aufgelockert. Viele davon sind allerdings so großformatig, dass eine Menge Platz ge-opfert worden ist. Es wa�re sicher gut mo� glich gewesen, mit weniger platzgreifenden Mittelnden Text dennoch in einer ansprechenden Form darzustellen. Dann ha� tte der eingespartePlatz fu� r weitere Aussagen genutzt werden ko� nnen, die im Q-Standards zu kurz gekommensind oder sogar ganz fehlen.

Wie dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist, wird vom Q-Standard ein breites Themenspek-trum abgedeckt. Dies zeigt, dass es nicht nur um die Speisenqualita� t im engeren Sinne geht,sondern auch Randgebiete angesprochen werden. "Fachchinesisch" wurde konsequent ver-mieden. Somit kann der Q-Standard auch von interessierten Laien verstanden werden, alsonicht nur von einem Fachpublikum. Im Kap. 1 heißt es hierzu, dass alle irgendwie Betroffeneneines Betriebes mit Verpflegung an deren Gestaltung mitwirken sollten. Das sind auch alle Mit-arbeiter eines Betriebes, wovon sich erfahrungsgema�ß nur ein kleiner Teil aktiv beteiligt. ImFalle von Kitas und Schulen wa� ren hier auch die Eltern oder in Pflegeheimen die Angeho� rigenmit angesprochen. Aber auch fu� r Externe, wie Berater oder Planer, soll der Q-Standard eineGrundlage sein genauso wie fu� r andere Experten, wie z.B. Oecotrophologen.

1.2 Begriffsdefinitionen und HintergründeZu Beginn sollte einmal das Wesen eines Standards dargelegt werden. Was ein Standard istund was er bezweckt, wird nicht einheitlich gesehen. Er wird sowohl als "allgemein anerkann-te Zielsetzung" als auch als eine "allgemein anerkannte Realisierung" verwendet. Dann wiederwird er als "einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist angewandte Artund Weise" beschrieben, etwas "herzustellen oder durchzufu� hren, was sich gegenu� ber ande-ren Methoden durchgesetzt" hat7. Ein Q-Standard beschreibt, in Abgrenzung zum allgemeine-ren Begriff des Standards, Mindestanforderungen, um eine Produktion oder eine Dienstleis-tung einwandfrei ausfu� hren zu ko� nnen.

Womit ein Q-Standard nicht verwechselt werden sollte, ist die GMP (Good ManufacteringPractice) oder GHP (Gute Herstellungspraxis), also Produktionstechniken, die in Fachkreisenanerkannt sind, von Fachgremien festgeschrieben werden und sich in der einwandfreien Be-

7 Wikipedia: Standard. https://de.wikipedia.org/wiki/Standard

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handlung der LM zeigen. Er darf auch nicht verwechselt werden mit Leitlinien, die in einschla� -gigen Kreisen fu� r korrekte Verhaltensweisen oder Produktionsabla�ufe entwickelt wordensind. Auch ist eine Verwechslung mit den DIN-Normen zu vermeiden, die als "Quasi-Rechts-vorschrift" keine rechtliche Kategorie darstellen, also nicht rechtsverbindlich sind. Sie dru� -cken nur eine fachliche Meinung aus, die von den "beteiligten Kreisen" einvernehmlich formu-liert wurde. DIN-Normen sollen den Stand von "Technik und Wissenschaft" wiedergeben, sindaber nicht unumstritten. Zu nennen sind ferner die Verordnungen und Gesetze, die meist eu-ropaweit gu� ltig und natu� rlich rechtsverbindlich sind.

Was von all dem sind nun die Q-Standards der DGE? Sie sind weder rechtsverbindlich nochsind sie allgemein anerkannt. Sie beschreiben auch keine "allgemein anerkannte Realisie-rung", da hierfu� r ja zumindest die Grundzu� ge der ga�ngigen Verpflegungssysteme und Gru� ndefu� r ihre Anwendungen dargelegt werden mu� ssten. Doch dies geschieht erstaunlicherweisenicht. Somit besteht die paradoxe Situation, dass ein Standard u� ber die Produktion und Be-handlung von Speisen festgelegt wurde, ohne sich u� ber die verschiedenen Mo� glichkeiten so-wie die Vor- und Nachteile eben dieser Systeme na�her auszulassen. Darauf wird noch einzuge-hen sein.

Lediglich in Kitas und Schulen haben die Q-Standards einen ho� heren Stellenwert und ihre Ein-haltung wird hierfu� r in einigen Bundesla�ndern sogar verlangt. Aufgrund der Ünterstu� tzungdurch das BMEL und ihrer halbstaatlichen Stellung ist der Standardgeber, die DGE, mit fast70ja�hrigen Aktivita� ten v.a. in Fachkreisen bekannt und anerkannt. Die Anerkennung beziehtsich in erster Linie auf das Kerngescha� ft, wie z.B. die Entwicklung der D-A-CH-Referenzwerteoder die Herausgabe der alle vier Jahre erscheinenden Erna�hrungsberichte. Auch bestimmtegrundsa� tzliche Stellungnahmen, wie z.B. die Leitlinien fu� r Fett und Kohlenhydrate, geho� rendazu.

Außerhalb dieser Fachkreise, also in der O6 ffentlichkeit, ist sie weitaus weniger bekannt. Diegeringe Bekanntheit trifft besonders fu� r die Arbeit im Bereich der GG zu. In den Massenmedi-en, aber auch in Fachkreisen, wird immer wieder Kritik an bestimmten Empfehlungen geu� bt,die sich z.B. an der Na�hrwertrelation entzu� ndet8 (Stichwort: Low carb). Selbst das Fachperso-nal in den entsprechenden Einrichtungen weiß z.T. noch nicht einmal, dass die fu� r ihre Arbeitentwickelten Q-Standards der DGE existieren. So wird im Erna�hrungsbericht der DGE von2016 eingera�umt, dass etwa die Ha� lfte der Fachkra� fte in Kitas oder Altenheimen von den Q-Standards noch nichts geho� rt hat9, und da gab es die Standards bereits seit neun Jahren! Vondenen, die sie zumindest kennen, wissen nur wenige konkrete Einzelheiten. Ünd ein noch vielgeringerer Prozentsatz ha� lt sie ein.

Vertreter aus der Praxis haben Kritik an den Q-Standards geu� bt, weil sie fu� r praxisfremd odergar fu� r ineffizient gehalten werden. Der Anteil der zertifizierten Betriebe in der GG ist dahertrotz u� ber 13ja�hriger Existenz der Q-Standards immer noch bescheiden. Neben der Freiwillig-keit der Einhaltung der Q-Standards ist es gerade diese wahrgenommene Praxisferne, warumden Q-Standards die allgemeine Anerkennung bisher versagt blieb. Aber auch inhaltlich wurdeKritik an den Q-Standards geu� bt, z.B. wegen des Bewertungsansatzes von nur einer Menu� li-nie als Maßstab fu� r die Vollwertigkeit. Eine umfangreiche Stellungnahme zu den Q-Standards

8 Aerzteblatt. Empfehlungen der DGE in der Kritik. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/72608/Empfehlungen-der-Deutschen-Gesellschaft-fu-er-Ernaehrung-in-der-Kritik v. 23.1.17

9 DGE (Hrsg): 13. Ernährungsbericht 2016. Godesberger Allee 18, 53175 Bonn

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bis einschl. 2015 greift viele weitere Kritikpunkte auf10. Dies alles war der Verbreitung der Q-Standards sicher nicht fo� rderlich. Vor diesem Hintergrund fa� llt es schwer, von einer allgemei-nen Anerkennung der DGE-Standards oder auch der DGE als Q-Standardgeber zu sprechen.

Sicher wird man die "allgemein anerkannte Zielsetzung" in den Q-Standards, na�mlich eine ge-sunde und nachhaltige Erna�hrung zu fo� rdern, akzpetieren ko� nnen. Doch das sind in dieser all-gemeinen Formulierung nur Selbstversta�ndlichkeiten. Anders sieht es hingegen aus, wenn dieZielsetzung fu� r die Messung der Vollwertigkeit aufgrund einer einzigen Menu� linie gemeint ist.Hier sind erhebliche Zweifel anzumelden, ob dieser Ansatz wirklich zielfu� hrend ist, worauf imVerlaufe dieser Stellungnahme noch mehrmals und na�her eingegangen wird.

Daher ist die Frage, ob die Q-Standards die "allgemein anerkannten Realisierungen" oder die"anerkannte Art und Weise der Herstellung" beschreiben, insbesondere fu� r die BG, klar zuverneinen. Auf das Fehlen jeglicher Informationen u� ber die Produktionssysteme als ein we-sentlicher Teil der Verpflegungssysteme wurde bereits hingewiesen. Klar ist, dass die Prozessein der GG nicht einheitlich realisiert werden. Vielmehr ist in der Praxis eine große Vielfalt an-zutreffen, wo oft noch erhebliche Defizite bestehen. So ko� nnte man sagen, dass nicht die Reali-sierungen allgemein anerkannt sein mu� ssen, sondern die Zielvorgaben und Rahmenbedin-gungen für die Realisierungen sind es, die in Form der Q-Standards die Qualita� t nach untenbegrenzen sollen. Wie bestimmte Prozesse zu organisieren und welche technischen Voraus-setzungen zu schaffen sind, um ein Endprodukt mit einer Minimalqualita� t zu realisieren, ist inden bereits erwa�hnten Leitlinien, DIN-Normen oder Verordnungen festgelegt worden. DieseVorgaben einmal zusammenfassend und nachvollziehbar darzustellen, wa� re eine der wesentli-chen Aufgaben dieses Q-Standards.

Erstaunlicherweise teilt die DGE nur mit, dass jedes System die geforderte Minimalqualitäthervorbringen kann. Eine solche indifferente Haltung ist sehr kritisch zu sehen, weil damitignoriert wird, dass eine korrekte Einhaltung von Systemparametern offensichtlich in derPraxis nur sehr unterschiedlich gelingt. Große Ünterschiede bei der Einhaltung von System-vorgaben sollten in einem Q-Standard thematisiert werden, wobei Empfehlungen auszuspre-chen wa� ren. Nur dann kann ein Q-Standard zur Verbesserung der Situation beitragen. Das Ge-genteil ist der Fall, wenn beim Leser und den Entscheidern fu� r Systeme ein falscher Eindrucku� ber die Anwendbarkeit der Verpflegungssysteme in Deutschland entsteht. In anderen La�n-dern ko� nnen die hierzulande auftretenden Probleme bei den Systemen gelo� st sein oder wer-den vermieden, z.B. in Japan11.

Ferner wird nichts zur Personengruppe ausgesagt, die u� ber hinreichende Kompetenz verfu� -gen sollte, um fachgerechte Konzepte vorschlagen und ggf. die Planungen durchfu� hren zu ko� n-nen. Den betroffenen Personengruppe in Betrieben scheint dies zugetraut zu werden, da vonviel Partizipation die Rede ist, was auch die Erstellung von Verpflegungskonzepten einbe-zieht. Wichtig wa�re eine klare Abgrenzung bis wohin diese Partizipation gehen sollte.

Offen ist auch die bereits angesprochene Frage, mit welcher Methode die angestrebte Qualitätzu messen ist bzw. ob die angewandte Methode hierfu� r noch erga�nzt werden sollte. Sollenwirklich nur Menu� linien bewertet werden oder haben Aussagen u� ber das gesamte Speisen-

10 Peinelt V: Kritik an den Q-Standards der DGE. Stellungnahme 2015. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/kritik-an-dge-standards/11 Peinelt V: Kann Deutschland von der Schulverpflegung in Japan lernen? Empfehlungen für eine Neuorientierung. Stark überarbeitete 2. Aufl

2018, 418 S., Rhombos, Lehrbuchformat

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und Getra�nkeangebot nicht doch eine ho� here Aussagekraft? Gibt es alternative Methoden,die im Q-Standard zu beschreiben und zu beurteilen wa�ren? Hierauf Antworten zu geben,wa�re eine sehr sinnvolle und notwendige Aufgabe eines Q-Standards. Es wird sich zeigen, in-wieweit der Q-Standard diesen Anspru� chen gerecht wird. Auf viele der hier kurz angesproche-nen Aspekte wird im Laufe dieser Stellungnahme eingegangen.

1.3 Historie und ZielbereicheBevor der Begriff der Q-Standards geschaffen wurde, gab es auch schon Bewertungsmodellefu� r Speisenangebote in Einrichtungen der GG, gerade auch in der BG. Diese wurden schon seitden 1970er Jahren in der DGE fu� r Betriebsberatungen eingesetzt und sta�ndig verfeinert. EinBaustein der Bewertung war die NWB. Die Bewertungsbasis war allerdings schon damals we-sentlich breiter und hat im Grunde alle wichtigen Aspekte einbezogen, die fu� r eine umfassen-de Bewertung erforderlich waren. Aus diesem breiten Bewertungsansatz hat sich mit Hilfe derEDV die NWB als ein wichtiges Instrument weiterentwickelt, so dass in Verbindung mit GV-Re-ferenzwerten Ist-Soll-Vergleiche leichter mo� glich wurden.

Daraus sind die Q-Standards entstanden. Ünter einem anderen Namen wurde also schon dreiJahrzehnte vor dem ersten offiziellen Q-Standard eine standarda�hnliche Bewertungsmethodein einem Fachreferat der DGE entwickelt und angewandt. Die spa� ter publizierten Q-Standardswaren also prinzipiell nichts Neues, sondern eine Weiterentwicklung der bestehenden Metho-de, die nun auch ihren schriftlichen Niederschlag gefunden hat.

Die Q-Standards der DGE fu� r die GG in der heutigen Form gibt es seit dem Jahr 2007, als sieerstmals fu� r die Schulverpflegung publiziert wurden. Es folgten weitere Q-Standards, insge-samt fu� nf. Sie wurden im Auftrag des BMEL entwickelt, und zwar fu� r folgende Bereiche:

a) Kindertagesstätten b) Ganztagsschulen

c) Betriebe und Unternehmen d) Stat. Senioreneinricht. & Essen auf Rädern

e) Krankenhäuser und Reha-Kliniken

Mit der Publikation des neuesten Q-Standards fu� r die BG im Jahre 2020 liegt inzwischen die 5.Auflage vor. Dieser aktuelle Q-Standard hat einen Ümfang von u� ber 80 Seiten.

1.4 ZielsetzungZiel aller Q-Standards ist es, das Verpflegungs- und Getra�nkeangebot in der GG zu verbessern,was durch die Verhältnisprävention geschehen soll. Neben einem besseren Gesundheits-wert des Speisenangebots sollen auch die Anforderungen der Nachhaltigkeit fu� r alle Maß-nahmen erfu� llt werden. Der Q-Standard fu� r die BG richtet sich an diejenigen, die irgendwiemit dem Thema befasst sind. Zur Anwendung der Q-Standards sind jedoch bestimmte Qualifi-kationen erforderlich. So sollten z.B. Betriebsra� te, die fu� r dieses Thema zusta�ndig sind, dafu� rgeschult werden. Auch innerhalb der Ku� che sollte es Ansprechpartner fu� r die Q-Standards ge-ben. Daru� ber hinaus sollten alle Ku� chenmitarbeiter fu� r ihre Aufgabe qualifiziert sein und ge-schult werden, um dem Q-Standard Rechnung zu tragen.

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Die DGE setzt somit ganz auf die Zielsetzung von "Gesundheit und Nachhaltigkeit". Je elemen-tarer positive Zielsetzungen formuliert werden, desto leichter finden sie eine breite Akzep-tanz. Dass das Speisenangebot in der BG den Kriterien fu� r eine gesundheitsbewusste undnachhaltige Erna�hrung entsprechen sollte, ist im Grunde selbstversta�ndlich. Daher sind nichtdie Ziele eines Q-Standards das Entscheidende, sondern wie man die Ziele erreichen will undob sie auf diesem Weg auch erreichbar sind.

Grundsa� tzlich definiert eine Zielsetzung fu� r ein Projekt oder eine Aufgabenstellung den ge-wu� nschten Soll-Zustand. Die Definition fu� r eine Qualita� t sollte beru� cksichtigen, dass sie ausTeilqualita� ten besteht. In der Zielsetzung der Q-Standards ka�me es nun darauf an, alle wichti-gen Teilqualita� ten zu erfassen und zu definieren. Wichtig ist ferner, dass die Voraussetzungenfu� r das Erreichen dieser Teilziele genannt werden. Die Festlegung aller Erfolgsfaktoren wa� redie eigentliche Zielsetzung der Q-Standards.

Als Zielsetzung der Q-Standards fu� r die BG wird das Angebot von mind. einer gesundheitsfo� r-dernden Menu� linie genannt. Dabei sollte beru� cksichtigt werden, dass Komplettmenu� s im klas-sischen Sinn heutzutage (nahezu) nicht mehr im Angebot sind. Stattdessen gibt es Tellerge-richte mit zusa� tzlich zu wa�hlenden Salaten und Desserts oder nur Einzelspeisen im "Free-Flow"-Ausgabesystem. Zielsetzung mu� sste es daher vielmehr sein, diese Verha� ltnisse im Q-Standard abzubilden. Wenn Menu� s bewertet werden, wa� re die Frage zustellen, wie der Restdes Angebots zu bewerten ist. Soll er vo� llig unter den Tisch fallen?

Es besteht die Gefahr, die Menu� linie als Alibi-Angebote zu missbrauchen, mit denen man zwardie Zertifizierung erreicht, aber nur wenig fu� r die Gesamtqualita� t gewonnen hat. Mo� glicher-weise ist diese sogar als schlecht zu bezeichnen. Es wa�re sinnvoller, mit einem geeigneten In-strument das gesamte Angebot zu bewerten. Ü6 ber ein solches Instrument scheint die DGEaber nicht zu verfu� gen, oder sie will es aus unerkla� rten Gru� nden nicht anwenden. Jedenfallshat sich die DGE zu dieser wichtigen und naheliegenden Frage leider nicht im Q-Standard ge-a�ußert.

Fu� r die Bewertung des Gesamtangebots werden inzwischen in zahlreichen Betrieben Ampel-systeme verwendet, mit denen fu� r die Ga� ste in hilfreicher Weise die Qualita� t der Speisen be-wertet und gekennzeichnet wird12. Daher stellt sich die Frage, warum die DGE nicht einmal er-kla� rt, was gegen Ampelsysteme zur Bewertung einzuwenden ist. Ein offiziell anerkanntes Am-pelsystem ist der "Nutri-Score", der sogar vom BMEL seit Ende 2020 empfohlen wird. In ande-ren La�ndern existieren schon seit vielen Jahren Ampelsysteme zur Bewertung von Einzel-LMim LEH oder von Speisen.

Die DGE selbst hat die 3D-Lebensmittelpyramide (3D-LP) entwickelt, bei der die LM auchu� ber die Ampelfarben bewertet werden. Warum wird dieses System nicht sta� rker zur Bewer-tung herangezogen? Es wird lediglich als eine von mehreren Quellen fu� r die Bewertung vonLM genannt, aber offensichtlich nicht fu� r eine Gesamtbewertung genutzt. Der Grund ist ein-fach: Diese Nutzung wird ausdru� cklich von der DGE abgelehnt und wa� re auch gar nicht mo� g-lich, wie eine ausfu� hrliche Stellungnahme zur 3D-LP belegt hat13. Ferner sei auf das Gastrono-mische Ampelsystem (GAS) hingewiesen, das bereits seit Jahren sehr erfolgreich in u� ber 60Betrieben der BG in Deutschland eingesetzt wird, worauf noch einzugehen sein wird (s. St-

12 Beispiele für Betriebe mit einem funktionierenden Ampelsystem sind die Firmen Henkel, Bayer, DKV, Innogy, Hilti, Daimler oder SAP13 Peinelt V: Stellungnahme zur 3D-LM-Pyramide der DGE. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/3d-lm-pyramide-der-dge/

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Kap. 8). Im Q-Standard wurden die Ampelsysteme trotz u� berzeugender Eigenschaften und derBewa�hrung in der Praxis noch nicht einmal erwa�hnt.

Tellergerichte oder "Free-Flow"-Systeme ko� nnten auch auf anderen Wegen (ohne NWB) be-wertet werden. Es wa� re die Aufgabe der DGE gewesen, ein solches Bewertungssystem zu ent-wickeln, vorzustellen und letztlich auch anzuwenden. Dies ko� nnte auch eine Zielsetzung derQ-Standards sein.

Solche Ü6 berlegungen ha� tte man im Absatz zur Zielsetzung des Q-Standards erwartet, so dassin der Quintessenz ein Bewertungsmodell herausgekommen wa�re, das besser begru� ndet undsomit auch plausibler wa� re als die konservative Menu� bewertung. In den Kap. 2.1, 3.2 und 3.3wird auf diese Fragen erneut eingegangen.

1.5 Zu behandelnde ThemenWeitere Festlegungen fu� r die Qualita� t sind erforderlich, z.B. die Vorgaben entlang der Prozess-kette: Ausschreibung, Speisenplanung, Einkauf, Speisenherstellung, Ausgabe bis hin zurEntsorgung. Dies alles sind wichtige Bereiche, genauso wie die Beschreibung guter Rahmen-bedingungen, z.B. fu� r die Hygiene, und die Nachhaltigkeit. Die Vorgaben im Q-Standard umfas-sen neben dem Mittagessen auch das Fru� hstu� ck sowie die Zwischenverpflegung, also fast dasgesamte Mahlzeitenspektrum eines Tages.

Daru� ber hinaus wa� ren als weitere Angebotsbereiche fu� r die BG Sonderveranstaltungen fu� reine gro� ßere Personenzahl, wie z.B. ein Firmenjubila�um, und Premium-Gastronomie fu� rkleine Gruppen hochrangiger Ga� ste bei wichtigen Gescha� ftsangelegenheiten auf kulinarischsehr hohem Niveau zu nennen. Bei derartigen Mahlzeiten wird u� blicherweise weniger Wertauf die gesundheitliche Qualita� t gelegt. Dies la� sst sich damit begru� nden, dass solche Veranstal-tungen nicht so ha�ufig vorkommen bzw. die außergewo� hnliche Qualita� t der Speisen im Vor-dergrund steht. Natu� rlich handelt es sich nicht um die prima� re Zielgruppe des Q-Standards fu� rdie BG. Es wa� re jedoch wu� nschenswert, wenn der Gesundheits- und Nachhaltigkeitsanspruchauch auf die genannten Bereiche ausgeweitet wu� rde.

Fu� r die Versorgung der Premium-Ga�ste wa�ren schon deshalb einige Hinweise angebracht, weildie Ko� che auch fu� r diesen Ga� stebereich den Grundsa� tzen einer vollwertigen und nachhaltigenErna�hrung verpflichtet sein sollten. Außerdem ist zu bedenken, dass Fu� hrungskra� fte des Be-triebes schon relativ ha�ufig an derartigen Essen teilnehmen, so dass sie ein ganz perso� nlichesInteresse an einer gesunden Verpflegung haben sollten. Wenn diese Menu� s immer zu fettreichsind und eine geringe NSD aufweisen, ha� tte dies durchaus negative Auswirkungen auf die Ge-sundheit der Fu� hrungskra� fte. Ünd auch bei Sonder-Veranstaltungen fu� r eine gro� ßere Ga�ste-zahl wa�re es durchaus wu� nschenswert, wenn auf Elemente einer gesundheitsbewussten Er-na�hrung geachtet wu� rde. Dies ko� nnte marketingma�ßig herausgehoben werden und wu� rde so-mit das Image des Ünternehmens fo� rdern, gerade gegenu� ber Gescha� ftspartnern. Vielleichtwu� rde diese Erfahrung zur Nachahmung verleiten.

Das gleiche trifft natu� rlich auch fu� r die Nachhaltigkeit zu, die in einem gro� ßeren Rahmen vonSonderveranstaltungen immer eine wichtige Rolle spielen sollte (Stichwort: Einwegartikel).Gerade Veranstaltungen, bei denen auch Externe zugegen sind, stellen eine hervorragende Ge-legenheit dar, die Philosophie des Unternehmens zu kommunizieren, und zwar auf sehr

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praktische Weise. In Hochglanzbroschu� ren la� sst sich leicht behaupten, man sei fu� r O6 kologieund Nachhaltigkeit. In der BG ko� nnte dann der Beweis fu� r diese Behauptung angetreten wer-den. Daher sollte dies in einem Q-Standard wenigstens kurz dargestellt werden.

2. Qualität in der BG entwickeln

2.1 Wie misst und sichert man Qualität?Hier wa�re die Gelegenheit, sich einmal grundsa� tzlich u� ber die Qualita� t in der BG zu a�ußern,und zwar fu� r alle Qualita� tsbereiche. Es ist wenig effektiv fu� r die Bewertung eines Speisenan-gebots, die Kriterien fu� r die erna�hrungsphysiologische Qualita� t nur auf eine na�hrstoffopti-mierte Menu� linie zu beschra�nken, wie bereits in St-Kap. 1.4 ausgefu� hrt. Merkwu� rdigerweisewerden mit dem neuen Q-Standard keine Referenzwerte mehr fu� r das Mittagessen als Durch-schnittswerte von vier Wochen angegeben. Wie soll dann u� berpru� ft werden, ob die Na�hrstoff-vorgaben eingehalten werden? Es hat den Anschein, dass die DGE auf eine Berechnung dereingereichten Speisenpla�ne neuerdings verzichtet und sich stattdessen darauf beschra�nkt, dieEinhaltung von vorgegebenen LM-Qualita� ten und LM-Mengen zu pru� fen. Jedenfalls ist dies ei-nem spa� teren Kapitel des Q-Standards zu entnehmen, wo die Ableitung von Kriterien erla�utertwird (Kap. 3.3). Auf diese Bewertungsmethode wird im St-Kap. 3.2 und 3.3 eingegangen.

Es gibt verschiedene alternative Bewertungsmethoden, die sich nicht nur auf eine Menu� liniebeschra�nken, aber leider in den Q-Standards nicht erwa�hnt werden. Sie kommen ohne eineNWB aus und sind wegen der vielseitigen Anwendbarkeit geeigneter als die im Q-Standardverwendete Methode. Die DGE ha� tte also zuna� chst einmal darlegen sollen, warum sie eine Be-wertungsmethode fu� r die Vollwertigkeit des Angebots anwendet, die mit der Realita� t so gutwie nichts zu tun hat. In der BG gibt es heutzutage eine Auswahl von Komponenten und Teller-gerichten, die vom Gast selbst zusammengestellt bzw. erga�nzt werden. Üm ein Zertifikat vonder DGE fu� r das Speisenangebot zu erhalten, wird ein Angebot von Komplettmenu� s erzwun-gen, die i.d.R. sonst gar nicht in einem Betrieb angeboten werden. Einziger Grund hierfu� r istdie Mo� glichkeit, ein solches Angebot bewerten zu ko� nnen. Fru� her wurden die Na�hrwerte er-mittelt und mit den Referenzwerten verglichen, die aber diesmal gar nicht mitgeteilt werden.Im aktuellen Q-Standard erfolgt die Bewertung anscheinend u� ber die bereits erwa�hnte Pru� -fung von LM-Qualita� ten und LM-Mengen. Ob und inwieweit dies zielfu� hrend ist, wird noch zuero� rtern sein (St-Kap. 3.3).

Bedauerlicherweise geht die DGE im Q-Standard nicht darauf ein, ob es die Mo� glichkeit ga�be,das Gesamtangebot statt nur zwei Menu� linien zu bewerten. Wenn dies bejaht wu� rde, wa� re zuerwarten gewesen, dass ein solches Bewertungskonzept vorgestellt worden wa� re und auchangeendet wird. Andernfall wa� re zu begru� nden, warum die DGE bestehende Konzepte ab-lehnt. Denn immerhin wird auf der Basis der Menu� linien im Erfolgsfalle von der DGE ein Zerti-fikat vergeben, das mit einer Bewertung des Gesamtangebots verwechselt werden kann. Wenndie Verwechslungsgefahr nicht klar und deutlich ausgeschlossen wird, ko� nnte man von einerIrrefu� hrung des Gastes sprechen, der das gesamte Angebot fu� r ausgezeichnet ha� lt. Ohne dieo.g. Erla�uterungen bleibt es einfach nur bei dem uralten Bewertungsansatz von Komplett-menu� s, der in den 1970er und 1980er Jahren einmal seine Berechtigung hatte.

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Neben der Frage der erna�hrungsphysiologischen Bewertung mu� ssten auch Anforderungen fu� rdie Nachhaltigkeit festgelegt werden, dem zweiten großen Bereich der Q-Standard. WelcheBereiche der Nachhaltigkeit sind zu betrachten und welche Einzelanforderungen innerhalbdieser Bereiche sollten gestellt werden? Inwieweit ist es mo� glich, den Grad der Nachhaltigkeiteines Betriebes u� ber einzelne Kriterien u� berpru� fbar zu machen? Ferner ist die Frage wichtig,ob es mo� glich ist, die Ergebnisse verschiedener Bereiche fu� r die Bewertung der Nachhaltigkeitheranzuziehen? Diese Fragen wa� ren zuna� chst einmal grundsa� tzlich zu beantworten und dannin spa� teren Kapiteln durch konkrete Einzelkriterien festzulegen.

Neben diesen beiden großen Bereichen sind noch viele weitere Aspekte zur Sicherung einerhohen Qualität der gesamten Versorgung zu beachten. Einige davon werden am Ende vonKap. 1 kurz angesprochen. So erfa�hrt der Leser etwas u� ber Bereiche der BG, die fu� r die Pro-duktion eine Rolle spielen. Die einzelnen Positionen dieser angesprochenen Themen mu� sstendann bzgl. der Kriterien in den jeweiligen Spezialkapiteln des Q-Standards vertieft werden.

Festzuhalten ist, dass wieder ein Qualitätsansatz im Vordergrund steht, der sich auf dieZusammenstellung von Speisen einer Menülinie beschränkt. Ob die Anforderungen derDGE im Q-Standard qualitativ und quantitativ ausreichen, wird im weiteren Verlauf die-ser Untersuchung zu prüfen sein.

2.2 Entwicklungsmodell für Qualität (PDCA-Modell)Im Kap. 2 soll dargelegt werden, wie die Qualita� t in der BG zu entwickeln ist. Da es sich um ei-nen Q-Standard handelt, geht es darum, Kriterien festzulegen und Maßnahmen zu beschrei-ben, wie die qualitativen Eigenschaften aller Bereiche sichergestellt werden ko� nnen. DiesesKapitel sollte daher den gesamten Q-Standard umfassen.

Zuna� chst beginnt es allgemein mit dem PDCA-Modell, das in allen Bereichen eingesetzt wer-den sollte, wenn es darum geht, Qualita� tskriterien zu entwickeln und umzusetzen. Es be-schreibt das Vorgehen, wie u� ber die einzelnen Phasen ("Plan, Do, Check und Act") ein Ziel zuerreichen ist. Dabei darf man es aber nicht belassen, denn dieses Modell beschreibt lediglichsehr allgemein und rein formal einzelne Phasen eines Vorgehens, das im Grunde selbstver-sta�ndlich und logisch ist. Wird auch nur eine dieser Prozessphasen unterlassen oder mangel-haft durchlaufen, z.B. die Kontrolle, so handelt es sich hier um einen gravierenden Fehler,bedingt durch Inkompetenz, Verantwortungslosigkeit oder Leichtsinn. In diesem Fall mussvon mangelnder Professionalita� t gesprochen werden.

Weil das PDCA-Modell im Grunde trivial ist, bietet es fu� r die Festlegung von Qualita� tskriterienkeinen Erkenntnisgewinn. Zwar wird man in der Praxis Beispiele finden, bei denen gegen die-se Vorgehensweise verstoßen wird, aber es erscheint u� berzogen, diesen Selbstversta�ndlich-keiten volle zwei Seiten im Q-Standard zu widmen. Es ha� tte gereicht, den Kern des Modells miteinigen Sa� tzen zusammenzufassen.

Die Frage ist doch vielmehr, wie ein solches theoretisches Modell auf die BG u� bertragen wer-den kann. Im Text finden sich Hinweise auf Arbeitskreise oder Gesundheitszirkel, die zu gru� n-den sind und an denen alle mo� glichen Akteure beteiligt werden sollten. Es ist sicher richtig,dass ein partizipatives Konzept in einem Betrieb eingefu� hrt wird, das mo� glichst viele Gruppeneinbindet. Dies setzt aber voraus, dass alle diese Gruppen u� ber eine ausreichende Kompetenz

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und Einsatzbereitschaft verfu� gen, um zur Problemlo� sung bei der Entwicklung eines Gesamt-konzepts im Rahmen der BG beizutragen.

In gro� ßeren Betrieben gibt es Betriebsra� te, die fu� r Fragen der Verpflegung zusta�ndig sind. Die-se sollen die Kritik und Wu� nsche der Ga� ste bu� ndeln und sie in entsprechenden Gremien ein-bringen. Die Beitra� ge von Laien kann ein professionelles Konzept nicht ersetzen. Wie sollteeine Partizipation daher aussehen? Auch hierzu gibt es im Q-Standard einige Aussagen.

2.3 Funktion der PartizipationVon den Ga� sten und Betriebsra� ten sollten in erster Linie Wu� nsche u� ber das Speisenangebotoder die Ess-Atmospha� re gea�ußert werden. Dies alles ko� nnte zu einer "Wunschliste" zusam-mengefasst werden, was zu priorisieren wa� re, wobei rechtliche Vorgaben zu beachten sind. Obund in welchem Ümfang diese Wu� nsche dann erfu� llt werden ko� nnen, la� sst sich nur anhandvon professionellen Planungskonzepten erkennen, die von Fachleuten ("Fachplaner") zu er-stellen sind. In solche Konzepte fließen zahlreiche Faktoren ein, nicht nur die genannten, son-dern auch ra�umliche und finanzielle. Letztere werden von der Gescha� ftsleitung vorgegeben.

Ob ein Betriebsrestaurant ero� ffnet wird, welcher Finanzrahmen hierfu� r gewa�hrt wird und obes wieder geschlossen wird, kann allein laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Ge-scha� ftsleitung entscheiden. Den genannten Akteuren kommt daher lediglich die Aufgabe zu,die im Rahmen des BetrVG ausgewiesenen Freira�ume zu gestalten. Derartige Voraussetzungenund damit verbundene Einschra�nkungen ha� tten in diesem Kapitel einmal erwa�hnt werdenmu� ssen. Auf Basis der "Wunschliste" sowie der Vorgaben ha� tte sich ein Betrieb mehrere Kon-zepte erarbeiten lassen, deren Vor- und Nachteile von den Fachplanern dann zu erla�utern undmit den Beteiligten zu diskutieren wa� ren.

Das wa�re eine gute Grundlage fu� r die Meinungsbildung der verschiedenen Personengruppen.Letztlich ist die Entscheidung dann von der Gescha� ftsleitung zu treffen, die jedoch gut beratenist, die Mehrheitsmeinung zu beru� cksichtigen. Letztlich sollte sie ein Interesse daran haben,eine Verpflegung anzubieten, die auf maximale Zustimmung sto� ßt und auch gesundheitlichesowie nachhaltige Aspekte beru� cksichtigt.

Die Qualita� tsentwicklung ist in verschiedene Ebenen zu unterteilen, da die einzelnen Zielset-zungen nicht gleichwertig oder aufgrund fehlender Voraussetzungen zuna� chst gar nicht um-setzbar sind. Im Vordergrund sollte das Verpflegungssystem stehen, das alle wesentlichen Tei-le der gesamten BG festlegt und steuert. Die Auswahl eines geeigneten Verpflegungssystemssollte von Planungsfachleuten erfolgen -selbstversta�ndlich unter Einbeziehung der Wu� nscheder Ga�ste und des Finanzrahmens- da dies viel Fachwissen und Erfahrung erfordert. Von ihmha�ngt es ab, welche Wu� nsche in welcher Qualita� t realisiert werden ko� nnen. Beispielsweisela� sst sich mit einem Warmverpflegungssystem meist keine gute Speisenqualita� t erzielen.

Auch die Angebotsvielfalt, die Gestaltung der Ausgabe sowie die Mo� glichkeiten des Nudgingsha�ngen vom Verpflegungssystem ab. Die Vielfalt und das gesundheitliche Konzept der Verpfle-gung sind nur zwei von vielen Fragestellungen, die es bei der Qualita� tsentwicklung zu beden-ken gilt. Die vielfa� ltigen Aspekte der Partizipation sind durch die Ausfu� hrungen im Q-Standardnicht hinreichend dargestellt worden.

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2.4 Verpflegungssystem und QS-BeauftragterErstaunlich ist, dass in diesem Kapitel zu der wichtigen Frage des Verpflegungssystems, wieu� berhaupt im gesamten Q-Standard, so gut wie keine Aussagen gemacht werden. Es hat denAnschein, als ob diesem qualita� tsrelevanten Aspekt keine bedeutende Rolle beigemessenwird. Das Fehlen dieses Themenkomplexes ist vo� llig unversta�ndlich und kann auch nicht da-mit entschuldigt werden, dass man anscheinend davon ausgeht bzw. empfiehlt, dass "alle Ak-teure gemeinsam und schrittweise die Verpflegungssituation im Betrieb verbessern". Wennein ungeeignetes Verpflegungssystem gewa�hlt wurde, la� sst sich mo� glicherweise gar nichtsmehr "verbessern". Auch ist die Vorstellung, dass man einfach mal anfa�ngt und dann stufen-weise weitermacht, sehr fragwu� rdig und im Grunde falsch. Wenn die ra�umlichen Vorausset-zungen nicht gegeben sind, ko� nnen bestimmte Ziele gar nicht oder nur mit hohem finanziellenAufwand erreicht werden. Auf das Thema "Verpflegungssystem" wird noch eingegangen.

Im Q-Standard wird ferner darauf hingewiesen, dass es eine interne Qualita� tssicherung gebensollte. Dieser Forderung ist zuzustimmen. Es fehlt aber der wichtige Hinweis, dass auch eineexterne QS sehr wu� nschenswert, sogar noch wichtiger ist. Der Grund ist, dass QS-BeauftragteFehler oder Schwachstellen nur intern melden ko� nnen, meist an den Vorgesetzten. Ob dieseMeldung dann in gebu� hrender Weise behandelt wird, ha�ngt von der Organisation der internenQS ab. Bei einer externen Kontrolle, z.B. im Rahmen einer Zertifizierung, kann dies hingegennicht passieren, weshalb sie entschieden zu bevorzugen ist. Diese zusa� tzliche externe Kontrol-le wird jedoch im Q-Standard nicht gefordert. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass es siegibt. Hierzu spa� ter mehr (s. St-Kap. 2.9 und 6.5).

2.5 Fragwürdige QualitätsdifferenzierungWenn die DGE zum Ausdruck bringen wollte, dass die Qualita� t fu� r alle Bereiche von den Ver-antwortlichen in den Betrieben auf mo� glichst hohem Niveau entwickelt werden soll, so ha� ttezuna� chst die Beschreibung des allgemeinen Vorgehens sowie eine Ü6 bersicht u� ber diese Berei-che mit einigen grundlegenden Aussagen ausgereicht. In weiteren Kapiteln ha� tten dann dieKriterien fu� r alle Bereiche beschrieben werden ko� nnen. Dies geschieht aber nicht. Stattdessenwird in diesem Kapitel auf das wenig aussagefa�hige PDCA-Modell und zusa� tzlich auf fu� nf wei-tere Themen eingegangen. Doch diese Themen decken bei weitem nicht alle Bereiche ab.

Warum beschra�nkt man sich auf diese fu� nf? Hierbei geht es um das Schnittstellenmanage-ment, die Personalqualifikation, das Lob- und Beschwerdemanagement, die externe Überprüfungsowie das Leistungsverzeichnis. Diese Themen haben natu� rlich einen Einfluss auf die Qualita� t.Es stellt sich aber die Frage, warum nur sie ausgewa�hlt wurden und viele andere, gleichfallsqualita� tsrelevante Themen unerwa�hnt bleiben. Die behandelten Teilbereiche weisen auch kei-nen Zusammenhang auf. Es fehlt also der rote Faden. Andere Bereiche, wie das bereits ge-nannte Verpflegungssystem, die LM-Qualita� t, die Hygiene-Qualita� t oder die Qualita� t des Nach-haltigkeitskonzepts werden in diesem Kapitel jedenfalls nicht angesprochen, obwohl ihre Be-deutung fu� r die Qualita� t nicht geringer veranschlagt werden kann.

In spa� teren Kapiteln wird auf die nicht genannten Einzel-Themen zwar noch eingegangen. Al-lerdings bleibt die Aufteilung der Qualita� tsbereiche unklar. Fu� r diese Aufteilung ha� tte mansich ein systematischeres Vorgehen gewu� nscht. Beispielsweise ha� tte das Kap. 2.4 "Lob- und

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Beschwerdemanagement" auch im Kap. 5 abgehandelt werden ko� nnen, wo u.a. die Ga� stekom-munikation, Informationsaufbereitung oder das Nudging eine Rolle spielen. In allen diesenThemen geht es um die Kontakte zu den Ga�sten. Nachfolgend noch einige Anmerkungen zuden angesprochenen Einzelthemen.

2.6 BeschwerdemanagementDas Lob- und Beschwerdemanagement wird angemessen behandelt, was in fru� heren Q-Stan-dards noch nicht der Fall war. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen einer Akzeptanz- und ei-ner Zufriedenheitsanalyse, die unterschiedliche Bereiche abdecken sollen. Ein entsprechenderHinweis fehlt leider. Bei einer Akzeptanzanalyse geht es um die Qualita� t der Speisen. Darun-ter versteht fast jeder etwas anderes. Die meisten meinen nur den Geschmack damit. Das istnatu� rlich zu wenig. Damit klar ist, welche Faktoren von den Ga�sten bewertet werden sollen,am besten u� ber einen kleinen Fragebogen, wa� re es hilfreich gewesen, diese Faktoren einmalaufzulisten. Derartige Befragungen -wenn sie u� berhaupt gemacht werden- sind sehr unter-schiedlich, wie die Erfahrung zeigt. Daher wa� ren weitere Hinweise wichtig, allein schon umvergleichbare Ergebnisse zu erhalten.

Bei der Zufriedenheitsanalyse geht es um die Dienstleistung rund ums Essen, wobei hier ins-besondere das Service-Personal gemeint ist. Mit diesem Tool wu� rde man z.B. die Freundlich-keit des Personals bewerten oder wie flexibel man auf Sonderwu� nsche der Ga� ste eingeht. Mitder Qualita� t des Essens selbst hat diese Analyse nichts zu tun.

Natu� rlich ist es auch wichtig, wer solche Befragungen durchfu� hrt und wer sie auswertet undwie dies geschieht. Es wa� re daher sinnvoll, wenn bei der Gestaltung der Fragen und auch beider Auswertung externe Expertise hinzugezogen wu� rde, weil auch bei einer sta� rkeren Be-handlung dieses Themas im Q-Standard nicht alle Fragen erscho� pfend zu kla� ren sind. Mankann bei dieser vermeintlich einfachen Fragestellung eine Menge Fehler machen und imschlimmsten Fall wenig aussagefa�hige Ergebnisse erhalten.

Auf jeden Fall mu� ssen die Fragebo� gen und die Auswertungen transparent sein, so dass bei ei-nem Audit im Rahmen einer Zertifizierung durch den Auditor nachvollzogen werden kann,wie die Ergebnisse zustande kamen. Dies alles wa�re im Rahmen eines QM-Systems schriftlichzu fixieren.

2.7 PersonalqualifikationBei der Personalqualifikation wird auf einige der u� blichen Ausbildungsberufe sowie akademi-sche Qualifikationen hingewiesen. Der Aussagewert ist jedoch gering. Vielleicht wa� re hier einLink angebracht, wo z.B. u� ber die Berufsverbände weitere Hinweise oder andere Qualifikati-onen genannt werden, wobei auch auf die Ünterschiede einzugehen wa�re. Es ist wenig hilf-reich, diese nur in alphabetischer Reihenfolge aufzulisten. Hier ha� tte noch etwas u� ber die ge-stiegenen Anforderungen von Fachkra� ften im Bereich der GG gesagt werden mu� ssen, insbe-sondere in Bezug auf die Anforderungen in der BG, das eigentliche Thema dieses Q-Standards.

Seit Jahren bieten diverse Hochschulen Studiengänge fu� r diese Branche an, und das aus gu-tem Grund. In einem eigenen Kapitel wird im bereits erwa�hnten "Handbuch der Gemein-schaftsgastronomie" auf die gestiegenen Qualifikationsanforderungen und die Konsequenzen

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in Form einer sta� rkeren Akademisierung eingegangen14. Die dort gemachten Ausfu� hrungensind eher allgemein zu verstehen, die am Beispiel des betreffenden Studiengangs am Fachbe-reich Oecotrophologie der Hochschule Niederrhein veranschaulicht wurden. Sie treffen fu� rviele andere Hochschulen in a�hnlicher Weise zu.

Andererseits ist die Qualifikation des Personals stark vom Verpflegungssystem abha�ngig.Wenn ein Mischkostsystem betrieben wird, muss eine wesentlich ho� here Qualifikation ver-langt werden als bei einem Warmverpflegungssystem. An diesem Beispiel zeigt sich erneut,wie wichtig es gewesen wa�re, dem Thema Verpflegungssystem im Q-Standard ausreichendRaum zu geben.

Seltsam muten die Bewertungen fu� r die einzelnen Stufen der Convenience-Produkte bzgl.der Personalkapazita� t an. Im Q-Standard heißt es, dass bei "genügend zeitlichen und personel-len Kapazitäten" umfangreiche Ku� chenta� tigkeiten erfolgen sollten. Die DGE weiß, dass in denletzten Jahrzehnten die Anzahl der Fachkra� fte gerade in der GG massiv zuru� ck gegangen ist.Immer weniger junge Menschen beginnen eine Kochausbildung, wobei die Abbrecherquotemit u� ber 50% (!) zu den ho� chsten aller Branchen za�hlt! Diese weiter sinkenden Zahlen sindden ja�hrlichen Berichten der IHK zu entnehmen.

Der starke Fachkräftemangel wird aufgrund der pandemiebedingten Pleitewelle in der Gas-tronomie noch weiter zunehmen, da das Personal entlassen werden muss und dann spa� ternicht so ohne Weiteres wieder zuru� ckgeholt werden kann. Üm dieses Defizit einigermaßen zukompensieren, wurden in den Betrieben versta� rkt Convenience-Produkte verwendet, wobeider Anteil der High-Convenience-Produkte immer mehr stieg. Der Einsatz dieser Produktesetzt eine gute technische Ausstattung voraus, die in der BG meist auch vorhanden ist. MitHigh-Convenience-Produkten ko� nnen also viele manuelle Ta� tigkeiten eingespart werden. Siewerden von den Herstellern an die Mo� glichkeiten der Gera� te angepasst, insbesondere an dieHeißluftda�mpfer bzw. deren Weiterentwicklungen. Es handelt sich hierbei um Gera� te, die esv.a. in Großku� chen der BG gibt. Die Mo� glichkeiten dieser Gera� te sind außergewo� hnlich undtragen nicht nur zu einer Lo� sung des Personalproblems bei, sondern erlauben auch sehr hoheQualita� ten, die oft auf traditionellem Wege gar nicht erreichbar sind. Dabei mu� ssen die Spei-sen meist nur noch regeneriert werden. Die Qualita� t dieser Produkte ist in den meisten Fa� llenals gut bis sehr gut zu bezeichnen.

Welcher Verpflegungsdienstleister kann es sich erlauben, das Rad wieder zuru� ckzudrehenund den Mitarbeitern mehr Produktionstiefe abzuverlangen und mehr qualifiziertes Personalzu bescha� ftigen, das er kaum noch bekommen kann? Wenn solche personellen Kapazita� tenwirklich vorhanden wa�ren, mu� ssten sie vom Kunden auch bezahlt werden. Da immer noch vielu� ber den Preis beauftragt wird, kann man davon ausgehen, dass ein solcher Dienstleister inden Ausschreibungen das Nachsehen hat.

Insofern ist diese Forderung im Q-Standard realitätsfremd. Ünd hier ist sie wieder, diefehlende Praxisna�he der Q-Standards, die so ha�ufig kritisiert wurde! Dieser Fall wird nur danneintreten, wenn der Auftraggeber dies ausdru� cklich wu� nscht und bereit ist, entsprechendmehr zu bezahlen, was vielleicht in ausgewa�hlten Privatschulen oder in Betrieben mit einersehr guten Ertragslage geschehen ko� nnte. Es wa� re jedenfalls die Ausnahme, wobei selbst dann

14 Wetterau J et al.: Kap. 4: Akademiker für die Außerhausverpflegung, Band 1, S. 114-122, in: Peinelt V, Wetterau J: Handbuch der Gemeinschafts-gastronomie. Anforderungen | Umsetzungsprobleme | Lösungkonzepte. Rhombos-Verlag, Berlin, 2. Auflage, 2016, 1642 S.

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zu fragen wa�re, ob die Verwendung von High-Convenience-Produkten qualitativ immerschlechter wa� re als die besser bezahlte "Handarbeit". Es sei hier nur auf die Spitzengastrono-mie verwiesen, die zumindest partiell diese Produkte verwendet, allerdings auf einem ho� he-ren Preisniveau. Das beweist jedenfalls, dass High-Convenience-Produkte nicht schlecht seinmu� ssen.

2.8 Externe QualitätsprüfungDie externe Qualita� tspru� fung wird im Q-Standard selbst nur sehr kurz behandelt. Es gibt abereinen Hinweis auf das Internet, wo man mehr Informationen erhalten kann. Dort werden dreiÜ6 berpru� fungen angegeben. Neben der Zertifizierung durch die DGE auch die "AusgezeichneteGemeinschaftsgastronomie" des TÜ6 V Rheinland und der Hochschule Niederrhein sowie eineAuszeichnung der RAL-Gu� tegemeinschaft "Erna�hrungs-Kompetenz zum zielgruppenorientier-ten Qualita� tsmanagement".

Ü6 ber das Zertifizierungsangebot der DGE findet man nur sehr wenige Informationen. Noch imletzten Q-Standard fu� r die BG gab es ein eigenes Kapitel daru� ber, in dem ausfu� hrlich u� ber dieverschiedenen Mo� glichkeiten der Zertifizierung informiert wurde. Im Internet wird in einerKurzfassung im Wesentlichen nur das wiederholt, was im Q-Standard selbst schon steht, na�m-lich die Anforderungen zu den drei Komplexen "Lebensmitteln", "Speisenplanung & -herstel-lung" sowie den "Lebenswelten". Im Text der Q-Standards wird zwar von "Weiteren Informati-onen" gesprochen, die man im Internet finde ko� nne. Zu finden sind aber lediglich rudimenta� reAussagen zu den Zertifizierungsanforderungen fu� r Caterer, ohne Details zu nennen. Angege-ben werden noch diverse Logos, die man erha� lt, wenn man die Ü6 berpru� fung bestanden hat.Der Hinweis zu diesem Thema verspricht also viel mehr als er halten kann.

Klickt man auf den Link der beiden genannten Anbieter von Zertifikaten, so gelangt man aufderen Homepage, wo die Zertifikate beschrieben werden. Eine Aussage der DGE, inwieweitdiese Zertifikate mit den DGE-Zertifikaten vergleichbar sind, wird leider nicht gemacht. Esliegt doch nahe, dass diese Zertifikate mit denen der DGE vergleichbar sind, weil man sich dieLinks sonst ha� tte sparen ko� nnen. Der Platz im Internet wird also nicht genutzt, um Gemein-samkeiten oder Ünterschiede der drei Zertifikate ein wenig herauszustellen. Dies wa� re fu� r denLeser sicher eine große Hilfe gewesen, v.a. fu� r diejenigen, die sich noch nicht entschieden ha-ben, welche Zertifizierung sie wa�hlen. Wie ein Vergleich aussehen ko� nnte, wurde im "Hand-buch der Gemeinschaftsgastronomie" demonstriert15. Leider hat die DGE weder auf diese Lite-raturstelle hingewiesen, noch ihr eigenes Zertifikat fu� r den DGE-Standard na�her erla�utert (s.auch St-Kap. 6.5).

Dieser Link im Q-Standard ist also in der unkommentierten Form von geringem Wert. Mo� gli-cherweise gehen die beiden Fremdzertifikate u� ber den Ümfang und die Anforderungen derDGE-Standards hinaus. Desweiteren fragt sich, ob die DGE-Standards fu� r die Anbieter der an-deren Zertifikate maßgeblich sind oder ob ein eigener Q-Standard gesetzt wurde. Da dies vonder DGE nicht kommentiert wird, muss der Leser sich alles selbst erarbeiten. Dies ist ein mu� h-sames Ünterfangen. Eine solche Kommentierung ha� tte doch sehr gut im Internet erfolgen ko� n-

15 Wetterau J, Peinelt V: K14. Zertifizierungen und Gütesiegel, Band 1, S. 328-376, in: Peinelt V, Wetterau J: Handbuch der Gemeinschaftsgastrono-mie. Anforderungen-Umsetzungsprobleme-Lösungkonzepte, 2. Aufl., 2016, Rhombos-Verlag, Berlin, 1642 S. https://ewd-gastro.jimdo.com/zerti-fizierung/zertifikate-guetesiegel/

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nen. Dies ist doch der eigentliche Sinn einer Auslagerung von Informationen aus den Q-Stan-dards in das Internet. Warum wird es dann so ungenu� gend genutzt? Wie bereits erwa�hnt, wirddie Bedeutung einer externen Zertifizierung im Q-Standard nicht betont. Mit der regelma�ßi-gen Ü6 berpru� fung der Verha� ltnisse durch Externe ko� nnten Schwachstellen sehr viel besseridentifiziert und abgestellt werden als mit der Eigenkontrolle.

2.9 LeistungsverzeichnisEin Leistungsverzeichnis ist fu� r o� ffentliche Ausschreibungen vorgeschrieben. Auch wenn eineReihe von Kriterien des Q-Standards in ein solches Leistungsverzeichnis aufgenommen wer-den, so bleiben doch noch viele weitere Leistungsvorgaben offen. Wenn das (erweiterte) Leis-tungsverzeichnis dann schließlich fertig ist und die Angebote eingegangen sind, mu� ssen diesemit den Vorgaben verglichen werden, was meist ein aufwendiges Ünterfangen ist. Aus diesemGrund wurde von der Hochschule Niederrhein ein Zertifizierungskonzept entwickelt, das auchfu� r eine solche Bewertung der Bewerber geeignet ist16.

Mit diesem Tool ko� nnen alle Bewerber auf einer gleichen Basis bewertet werden, wobei dieAuswertung in ku� rzester Zeit mit sehr geringem Aufwand vorliegt. Dabei kann festgestelltwerden, ob der Bewerber alle essentiellen Anforderungen erfu� llt. Falls das nicht der Fall ist,wu� rde er direkt aus dem Verfahren ausscheiden oder mu� sste sein Angebot nachbessern. Dieverbleibenden Bewerber werden in Leistungsklassen eingeteilt. Diese Kategorisierung ist einehervorragende Basis fu� r eine Auswahl des Dienstleisters, die noch um betriebsspezifische Kri-terien erga�nzt werden kann. Auf weitere Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht eingegangenwerden (s. St-Kap. 9). Leider hat die DGE auf diese sehr einfache, schnell auswertbare, umfas-sende und alle Bewerber gleich behandelnde Ü6 berpru� fung auf der Basis einer erprobten undpraxisnahen Anforderungsliste nicht hingewiesen. Die Anforderungen der DGE werden mitdieser Ü6 berpru� fung mindestens erfu� llt, meist jedoch u� bertroffen17.

3. Nachhaltige und gesundheitsfördernde Ernährung

3.1 Nachhaltige Ernährung3.1.1 Einstellung der DGE zur Ökologie/Nachhaltigkeit Die DGE hat sich zu den o� kologischen Aspekten der Erna�hrung und zur O6 ko-Landwirtschaftlange Zeit nicht gea�ußert. Auch nachdem es u� ber die Qualita� t von Bio-LM bereits zahlreichewissenschaftliche Publikationen gab und die Ümweltprobleme ein nicht mehr zu u� bersehen-des Ausmaß angenommen hatten, wies die DGE immer nur darauf hin, dass die Belastungssi-tuation in der konventionellen Landwirtschaft kaum schlechter zu beurteilen ist.

Auch beim Na�hrwert konnte festgestellt werden, dass Bio-LM gegenu� ber konventionell herge-stellten LM i.D. nicht besser abschneiden. Wegen dieser geringen Ünterschiede sah die DGEkeinen Anlass, den O6 ko-Landbau besser einzustufen. Andere Bewertungskriterien, die sich

16 Peinelt V: "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie". Zertifizierungskonzept der Hochschule Niederrhein in Kooperation mit dem TÜV Rhein-land. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/ausgezeichnete-gg, s. Kap. 10

17 Peinelt V: Umsetzung der DGE-Standards mit Hilfe der Zertifizierung des TÜV Rheinland. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/umsetzg-dge-standards, s. Kap. 6

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insbesondere auf die o� kologischen Auswirkungen verschiedener Landwirtschaftsformen oderden Klimawandel beziehen, wurden von der DGE nicht herangezogen.

Im letzten Q-Standard von 2014 wurde die O6 ko-Landwirtschaft der Sa�ule "Gesundheit" zuge-ordnet18, was insofern erstaunte, als ein gesundheitlicher Vorteil von O6 ko-Produkten von derDGE ja immer bestritten wurde. Bei der Sa�ule "O6 kologie" wurde gefordert, dass O6 ko-LM in dieSpeisenplanung einbezogen werden sollten, weil der O6 ko-Landbau "besonders nachhaltig" sei(S. 32). Ein solches Bekenntnis war u� berfa� llig, auch wenn es zuna� chst nur in einer Fußnote er-schien. Jedenfalls wurde der Zusammenhang von Erna�hrung und Landwirtschaft von der DGEnun thematisiert. Es sei angemerkt, dass der IPCC schon 2007 seinen weltweit beachteten Be-richt19 u� ber den drohenden Klimawandel vero� ffentlichte. Die Treiber fu� r den Klimawandel wa-ren also schon lange bekannt, und dazu geho� ren zweifellos die Erna�hrung und die Landwirt-schaft - mit einem hohen Anteil an den Treibhausgasemissionen. Der Bericht erschien siebenJahre vor der Publikation des letzten Q-Standards.

Im neuen Q-Standard von 2020 fehlt die Zuordnung zum Segment "Gesundheit", ohne dieseA6 nderung gegenu� ber 2014 zu erla�utern. Es wird nun viel u� ber die Ürspru� nge der Nachhaltig-keit, verschiedene Definitionen dieses Begriffs sowie u� ber die Treibhausgasemissionen vonLM informiert. Auch werden einige Nachteile der konventionellen Landwirtschaft deutlich an-gesprochen. Dieser Q-Standard hebt somit die Vorteile des Öko-Landbaus zum erstenMal sehr deutlich hervor, und zwar auf der Basis ökologischer Auswirkungen. Insofernweist er eine neue Qualita� t auf.

3.1.2 Segmente einer nachhaltigen ErnährungIn diesem Kapitel wird viel Grundlagenwissen ausgebreitet. Begonnen wird mit Erla�uterungenzur Nachhaltigkeit. Es ist seit langem bekannt, dass die Erna�hrung einen erheblichen Anteil ander gesamten CO2-Emission hat. Er wird im Q-Standard mit dem hohen Wert von 25-30% be-ziffert. Es folgt eine Aufteilung der Segmente oder Sa�ulen von nachhaltiger Erna�hrung, wobeidiese erstaunlicherweise nicht mit den ga�ngigen Begriffen u� bereinstimmt. Im letzten Q-Stan-dard der DGE (2014) fu� r die BG wurden die Sa�ulen oder Segmente einer nachhaltigen Erna�h-rung noch folgendermaßen definiert:

Gesundheit - Ökologie - Gesellschaft - Wirtschaft

Dies stimmte mit Vorstellungen und Definitionen einschla� giger Fachgesellschaften u� berein. Imneuen Q-Standard werden die Segmente nun folgendermaßen definiert:

Gesundheit - Soziales - Umwelt - Tierwohl

Es wurden also drei Begriffe ausgetauscht. Die "Ümwelt" ko� nnte man als ein Synonym fu� r dieO6 kologie und "Soziales" fu� r die Gesellschaft auffassen. Die Begriffspaare sind zwar nicht ganzkongruent, dennoch kann man das so stehen lassen.

Neu ist hingegen die Einfu� hrung des Begriffs "Tierwohl". Bisher war dieser Begriff in der"O6 kologie" integriert. Durch eine o� kologische Wirtschaftsweise werden die Lebensbedingun-gen aller Lebewesen beru� cksichtigt, also Tiere und Pflanzen sowie die Mikrofauna (Bodenle-

18 DGE: Qualitätsstandards der DGE. hier: Nachhaltigkeit in der Praxis. Job & Fit. 4. Auflage von 11/201419 IPCC 2007: Climate Change 2007. https://www.ipcc.ch/2007/

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bewesen). Bei richtiger Anwendung der Vorgaben dieser Wirtschaftsweise wird dafu� r gesorgt,dass insbesondere fu� r Tiere artgerechte Verha� ltnisse herrschen und insgesamt die O6 kospha� reso wenig wie mo� glich gesto� rt wird.

Üm dies zu fo� rdern, wurde bekanntlich vor u� ber einem Jahrzehnt eine europaweit gu� ltige O6 ko-VO ins Leben gerufen, die - mehrfach angepasst - genau definiert, wie Tiere zu halten sindoder welches Futter sie bekommen sollen20. Warum die DGE in ihrem Q-Standard die Tiere ausdiesem o� kologischen Gesamtkomplex "herausschneidet" und hierfu� r eine eigene Kategorie in-nerhalb der nachhaltigen Erna�hrung bildet, ist auch dann noch unversta�ndlich, wenn auf denWissenschaftlichen Beirat fu� r Agrarpolitik21 verwiesen wird, der dies so definiert hat. Es fehlteine Erkla� rung, warum die alte Definition nicht mehr reicht bzw. die neue besser ist.

Schauen wir uns dieses Gutachten einmal etwas na�her an. Es behandelt die Frage, wie die Poli-tik sich fu� r eine nachhaltige Erna�hrung einsetzen sollte und welche Defizite zzt. bestehen. Indiesem Zusammenhang hat das Thema "Tierwohl" durchaus einen wichtigen Stellenwert, weildie Behandlung der Tiere, v.a. durch die u� berwiegend betriebene Massentierhaltung, die auchdurch die EÜ maßgeblich gefo� rdert wird, mit dem Tierschutz und einer o� kologischen Verhal-tensweise wohl kaum zu vereinbaren ist. Hierbei spielt Deutschland eine bescha�mende Rolle,da die Regelungen im europa� ischen Vergleich unterdurchschnittlich sind22. Elementare Grenz-werte, wie insbesondere der Nitratgehalt des Wassers, ko� nnen vielerorts - eben bedingt durchdie Massentierhaltung - nicht mehr eingehalten werden. Dies ist der O6 ffentlichkeit schon langebekannt, weshalb von Ümweltverba�nden immer wieder massive Kritik vorgetragen wurde.

Vor diesem Hintergrund ist das Gutachten des WBAE zu sehen. Es ist der Versuch, unteragrar-, aber auch unter klimapolitischen Aspekten Warnsignale und Appelle zu senden, dassdie Agrarpolitik so nicht mehr weitermachen darf. Dies ist mit einer Aufforderung an die Poli-tik verbunden, sta� rker in das Marktgeschehen einzugreifen und Steuerungselemente einzuset-zen, was bisher weitgehend vermieden wurde. Die Aufteilung der nachhaltigen Erna�hrung indie vier Segmente unter ausdru� cklicher Hervorhebung des Tierwohls ist also diesem agrarpo-litischen Bezug geschuldet23. Fu� r die Agrarpolitik mag diese Aufteilung ihre Berechtigung ha-ben, aber nicht fu� r die BG. Das Gutachten des WBAE formuliert Forderungen fu� r die Agrarpoli-tik, die aber fu� r die Nachhaltigkeit eines Betriebes nur eine indirekte Rolle spielen.

Natu� rlich sind die Betreiber von BG-Einrichtungen daran interessiert, dass eine nachhaltigeLandwirtschaft existiert. Der Forderung von nachhaltig erzeugten LM wird durch die Verwen-dung o� kologischer LM auch Genu� ge getan. Bekanntlich wird in der BG ein breites Spektrumauch an tierischen Bio-LM verarbeitet, was mit dem schmalen Budget dieser Branche durch-aus zu vereinbaren ist. Es gibt sogar Betriebe, die zu 100% O6 ko-LM verwenden, viele errei-chen 50%. Wiederum andere beziehen Produkte aus der Landwirtschaft, fu� r die sie hohe o� ko-logische Anforderungen mit den Landwirten vereinbaren, die denen in der O6 ko-VO sehr nahekommen, allerdings nicht so gekennzeichnet werden du� rfen, weil sie nicht zertifiziert sind. Essei noch einmal betont, dass Tiere gema�ß den Vorgaben der O6 ko-VO so behandelt werden,

20 VERORDNUNG (EU) 2018/848 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES v. 30.5.2018. 21 BMEL: Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten -

WBAE-Gutachten vom 8/2020. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhal-tige-ernaehrung.html

22 Ebda: s. Kap. 7.723 Ebda: s. Kap. 2.5

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dass ein Ho� chstmaß an Tierwohl realisiert wird. Was im Gutachten des WBAE gefordert wird,richtet sich ja nicht an die O6 ko-Landwirtschaft, sondern an die konventionelle.

Eine andere Frage ist, wie eine gute Behandlung von Tieren aus der konventionellen Land-wirtschaft sichergestellt werden kann und v.a. welchen Beitrag die BG zu leisten in der Lageist. Dies ist deshalb wichtig, weil der Großteil der tierischen LM in der BG nach wie vor aus derkonventionellen Landwirtschaft kommt. Eine Mo� glichkeit wa� re, solche Produkte zu kaufen, fu� rdie ein "Tierwohl-Label" vergeben worden ist. Doch die vom BMEL eingefu� hrten Tierwohl-La-bel ernten viel Kritik24,25,26,27, weil die Anforderungen als zu gering eingestuft werden und dieKennzeichnung freiwillig ist, was ein entscheidender Punkt fu� r die Kritik ist. Somit ist derNachhaltigkeitsgrad des Fleisches im konventionellen Bereich nicht erkennbar.

Beispielsweise wird das Flächenangebot fu� r ein 110 kg schweres Schwein in den beiden ers-ten Tierwohl-Stufen nur minimal vergro� ßert, so dass man von einer Verbesserung im Sinne ei-nes "Tierwohls" u� berhaupt erst ab der 3. und letzten Stufe dieses Labels sprechen kann. DieO6 ko-VO fordert allerdings ein noch gro� ßeres Fla� chenangebot als die 3. Stufe des Tierwohls.Ein anderes Beispiel ist der Kastenstand, der das Tier in seiner Beweglichkeit u� ber das ge-samte Leben massiv einschra�nkt, was ohne Ü6 bertreibung als Tierqua� lerei bezeichnet werdenkann. Dieser Kastenstand ist bei allen Tierwohl-Stufen zula� ssig, also auch noch in der letzten28.Nur nach der O6 ko-VO wa� re die Haltungsbedingung mit einem Kastenstand nicht erlaubt. Dieszeigt erneut die Kritikwu� rdigkeit am Tierwohl-Label, selbst dann, wenn es verpflichtend wa� re.

3.1.3 Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsziele der PolitikAn dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs erlaubt. Es geht darum, wie glaubwu� rdig die Aussagender Politik zur Nachhaltigkeit sind. Auch wenn in dieser Stellungnahme der Inhalt der Q-Stan-dards der DGE auf dem Pru� fstand steht, so sollte doch auch das Handeln der Politik mit ihrenForderungen zur Nachhaltigkeit im Einklang stehen. Deshalb werden hier die Maßnahmenoder Ünterlassungen des zusta�ndigen Ministeriums (BMEL) anhand einiger Beispiele unterdie Lupe genommen. Dieser Exkurs ist no� tig, weil es nicht reichen wu� rde, wenn das BMEL nurvon den Akteuren der GG verlangt, sich nachhaltig zu verhalten, an sich selbst aber keinerleiAnforderungen diesbzgl. stellt. Das heißt, wu� rden die Nachhaltigkeitsziele durch falsche oderunterlassene Maßnahmen der Politik konterkariert, wa� re erstens ein nachhaltiges Handelnder GG-Betriebe erschwert und zweitens die Glaubwu� rdigkeit der Q-Standards erschu� ttert, dieja von der Politik (BMEL) in Auftrag gegeben wurden. Anders ausgedru� ckt: die Politik musssich an ihren eigenen Forderungen zur Nachhaltigkeit messen lassen. Die aktuell zusta�ndigeMinisterin, Frau Julia Klo� ckner, erscheint in jedem Q-Standard mit einem Grußwort und for-dert die Aktiven zur Nachhaltigkeit auf. So schreibt sie an die Betriebsleiter gewandt: "In Zei-ten des Klimawandels unterstu� tzen Sie mit der Ümsetzung des Standards außerdem Verpfle-gungsangebote, die durch nachhaltige Zubereitung knapper werdende Ressourcen scho-

24 Wintermantel B: Heftige Kritik an Klöckners geplantem staatlichen Tierwohl-Label. 2.8.2019. https://utopia.de/staatliches-tierwohl-label-kein-gewinn-fuer-die-schweine-126909/

25 Jahberg H: Wie Julia Klöckner das Leben der Schweine verbessern will. Der Tagesspiegel 6.2.2019. https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/staat-liches-tierwohllabel-wie-julia-kloeckner-das-leben-der-schweine-verbessern-will/23956188.html

26 Anonymus: Kritik am geplanten Tierwohl-Label. Die Welt. 10.7.2018. https://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article179085164/Kritik-am-geplanten-Tierwohl-Label.html

27 Abele J: Schwein und Sein. greenpeace magazin 1.21, S. 82-8628 Ebda, s. S. 85

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nen." Mit der "Zubereitung" von Speisen sind u� brigens die Maßnahmen fu� r mehr Nachhaltig-keit bei weitem nicht erscho� pfend beschrieben.

Noch deutlicher wurde die Nachhaltigkeit der Q-Standards in einem "Special" des BMEL in derfu� hrenden Zeitschrift fu� r GG hervorgehoben29. Mit dieser 12seitigen Sonderpublikation wurdedie Nachhaltigkeit mit der Titelzeile "Ein Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit" in den Mit-telpunkt gestellt, so als ob die gesundheitlichen Aspekte in den Q-Standards keine Rolle spie-len wu� rden. Wenn die Nachhaltigkeit so stark ins Rampenlicht geru� ckt wird, dra�ngt sich derEindruck auf, dass dieses Thema fu� r das Ministerium einen hohen Stellenwert hat. Das wa�rebei den dra�ngenden o� kologischen und klimatischen Problemen natu� rlich sehr zu begru� ßen.

Angesichts des Verhaltens der Minister fu� r Landwirtschaft, nicht nur von Frau Klo� ckner, son-dern auch von vielen ihrer Vorga�nger sowie den dahinter stehenden Kanzlern, v.a. Frau AngelaMerkel, sind aber starke Zweifel angebracht, dass mehr Ökologie in der Landwirtschafttatsächlich gewollt ist! Dass bei der O6 kologie und der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaftvieles im Argen liegt, hat u.a. das Gutachten des WBAE aufgedeckt. Bekenntnisse zu mehr Üm-weltschutz und Nachhaltigkeit sind das eine, eine konsequente Ümwelt-Politik ist etwas vo� lliganderes. Daher ist weniger Wert auf die A6 ußerungen von Politikern zu legen, auch dann nicht,wenn sie in Q-Standards eingebettet sind, als auf die konkreten Ergebnisse politischen Han-delns. Es wu� rde zu weit fu� hren, die Chronik der deutschen Landwirtschaftspolitik mit ihrenfehlenden nachhaltigen Elementen und Widerspru� chen erscho� pfend darzustellen. Daher sol-len nur ein paar Aspekte herausgegriffen werden, die schlaglichtartig beleuchten, wie es umden Ümweltcharakter deutscher Politik, v.a. in der Landwirtschaft, bestellt ist.

a. Minister Schmidt hat sich 2017 entgegen der Koalitionsvereinbarung fu� r das Ünkrautver-nichtungsmittel Glyphosat ausgesprochen, wodurch dieses Pestizid fu� r weitere fu� nf Jahrein Europa eingesetzt werden darf30. Die Zustimmung von Schmidt widerspricht dem Be-kenntnis der CDÜ/CSÜ, die Pestizidbelastung wegen zunehmender negativer Anzeichen zureduzieren (Stichwort: Insektensterben). Der Deutsche Bauernverband und die Agrarin-dustrie haben die Weiterverwendung dieses Pestizids hingegen gefordert, was fu� r die Poli-tik offensichtlich wichtiger war als die Beru� cksichtigung von Ümweltaspekten. Das Mittelkann laut WHO Krebs hervorrufen31 und wird vom Naturschutzbund Deutschland (NABÜ)folgendermaßen charakterisiert: "Glyphosat ist ein hochriskantes Mittel, dessen Folgen fürNatur und Umwelt jahrelang unterschätzt wurden. Die Chemikalie vernichtet die Nahrungs-grundlagen und Schutzräume für zahlreiche Tiere, darunter Vögel und Insekten, und trägtzum Rückgang der biologischen Vielfalt bei."32 Es geht also nicht nur um die Krebsgefahr.

b. Die geringe Priorita� t o� kologischen Handelns beim BMEL zeigte sich auch nach dem sog.To� nnies-Skandal33,34, der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie 2020 aufgedecktwurde. Bei den inakzeptablen Hygiene-Verha� ltnissen in vielen deutschen Schlachtho� fenkann man nicht mehr von Einzelfa� llen sprechen. Es ist unverantwortlich, dass diese Zu-

29 gv-praxis 11/2020, Deutscher Fachverlag, Ffm, 12 S.30 Glyphosat: Schmidts Ministerium hat Glyphosat-Alleingang monatelang vorbereitet. Süddeutsche Zeitung vom 28.22.2017. https://www.sued-

deutsche.de/politik/streit-um-unkrautvernichter-minister-schmidt-hat-glyphosat-alleingang-monatelang-geplant-1.376994731 IARC Monograph on Glyphosate. March 2015. https://www.iarc.who.int/featured-news/media-centre-iarc-news-glyphosate/32 NABU: Torschlusspanik bei Agrarminister Schmidt? News. November 2017. https://www.nabu.de/news/2017/11/23527.html33 Lambrecht M: Schluss mit der Klöckner-Show. Greenpeace Online v. 26.6.20. https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/schluss-mit-

der-kloeckner-show34 Greenpeace: Offener Brief an J. Klöckner. Konsequenzen aus Tönnis-Skandal v. 30.6.20. https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/offe-

ner-brief-landwirtschaftsministerin-julia-kloeckner-konsequenzen-aus

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sta�nde u� ber Jahrzehnte von der Politik geduldet wurden, was nicht nur auf das Konto derLandwirtschaft geht. Julia Klo� ckner gab zwar zu, dass die Misssta�nde in den Schlachtho� fenfla� chendeckend bestehen, ließ aber dann keine konsequenten Taten folgen, obwohl sichdie Verbraucher mehrheitlich fu� r einschneidende Korrekturmaßnahmen ausgesprochenhaben. Die Regierungskoalition war sich zwar einig, dass das ganze System der Billig-Fleischproduktion dringend von Grund auf gea�ndert werden mu� sste, und dennoch blo-ckierte die Ünion das ausgehandelte Konzept mit fadenscheinigen Gru� nden35. Deutlicherkann das Desinteresse an mehr Tierwohl und besseren Arbeitsverha� ltnissen nicht zumAusdruck kommen, wenn selbst in einer solchen Situation wirkungsvolle Minimal-Maß-nahmen verweigert werden. Genauso sah das Drehbuch fru� herer Fleischskandale immeraus: erst lautstarke Entru� stung, dann Folgenlosigkeit. Greenpeace schreibt dazu: "Das gan-ze System Billigfleisch ist krank. Tiere leiden in viel zu engen Ställen Qualen, damit Fleisch-barone und Handelskonzerne ein Überangebot von Fleisch zu Dumpingpreisen in den Marktdrücken bzw. in großem Stil exportieren können. Waldzerstörung, Artensterben und das An-heizen der Klimakrise sind Folgen dieses rücksichtslosen Geschäfts mit dem Billigfleisch ."36

Einer breiten O6 ffentlichkeit und allen zusta�ndigen Politikern sind die unsa�glichen Zusta�n-de seit langem bekannt - und trotzdem wurde nichts dagegen unternommen.

c. Dieses weitgehende Desinteresse an einer nachhaltigen Landwirtschaftspolitik wurdeauch bei den Verhandlungen u� ber die regelma�ßig neu zu vereinbarende "GemeinsameAgrarpolitik" (GAP) deutlich. Hierbei soll fu� r die EÜ eine Strategie fu� r die na� chsten siebenJahre festgelegt werden, insbesondere wie die Landwirtschaft ku� nftig zu subventionierenist. Erkla� rtes Ziel ist die Kopplung der Hilfen fu� r die Landwirte an Umweltauflagen. Inder von der Bundesregierung hierfu� r eingesetzten "Zukunftskommission" arbeiten 30 Ver-treter aus der Agrarbranche sowie Wissenschaft, Ümwelt-, Verbraucher- und Tierschutz.Wie sich ku� rzlich herausgestellt hat, sollen die Vorschla� ge dieser Kommission eben nicht"geho� rt und beru� cksichtigt werden", wie Angela Merkel ho� chstperso� nlich in der ersten Sit-zung betonte. Die Empfehlungen der Kommission, die auf mehr Ümweltschutz und Tier-wohl setzen, sollen also keinen Einfluss auf die nationale Ümsetzung der Agrarfo� rderunghaben. Stattdessen gehen die Positionen des Deutschen Bauernverbandes und der Agrar-industrie in den deutschen Entwurf ein, wonach der weitaus gro� ßte Anteil der Subventio-nen "wie gehabt" vergeben wird. Das Geld wu� rde dann weiterhin prima� r nach der Fla� -chengro� ße verteilt. O6 kologische Leistungen spielen in diesem Entwurf fu� r die Fo� rderungkaum eine Rolle, was ja gerade korrigiert werden sollte. Die wertvolle Arbeit der Zu-kunftskommission ist somit durch die Politik zu einer Farce verkommen, einer Pos-se oder einem unwürdigen Schauspiel. Die Kommissionsmitglieder dieser Naturschutz-verba�nde wurden also als Alibi fu� r eine vermeintlich o� kologische Politik missbraucht. Ausdiesem Grund hat der Vorsitzende von Greenpeace die Kommission auch verlassen37. An-

35 Hofmann K: CSU blockiert Konzept für Schlachthöfe. zdf.de vom 18.5.2020. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-schlachthoefe-kabinett-heil-fleisch-100.html

36 Greenpeace: Offener Brief an J. Klöckner. Konsequenzen aus Tönnis-Skandal v. 30.6.20. https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/offe-ner-brief-landwirtschaftsministerin-julia-kloeckner-konsequenzen-aus

37 Lambrecht M: Weckruf gegen Ignoranz. Greenpeace v. 24.3.21. https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/weckruf-gegen-ignoranz

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dere Organisationen zeigten sich ebenfalls sehr unzufrieden mit den Ergebnissen der Be-ratungen zur EÜ-Agrarreform38,39,40.

d. Erwa�hnt seien schließlich noch zwei gravierende Folgen einer verfehlten deutschen Land-wirtschafts- und Verbraucherpolitik, die ebenfalls verdeutlichen, wie wenig die Nachhal-tigkeit im Denken und Handeln des zusta�ndigen Ministeriums, im Grunde in der ganzenRegierung, verankert ist. Da wa� re zum einen die hohe Nitratbelastung des Grundwassers,bedingt durch die Massentierhaltung. Fast 30% aller Messstellen in Deutschland weisenu� berho� hte Messwerte auf41. Da dies trotz mehrfacher Aufforderungen durch die EÜ nichtgea�ndert wurde, hat die Europa� ische Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverlet-zungsverfahren ero� ffnet42. Wenn es so weit kommen musste, ist das mehr als eine schal-lende Ohrfeige des einstigen Musterknaben in Sachen Ümweltschutz.

e. Zum anderen sei auf den starken Einsatz von Antibiotika in den Sta� llen hingewiesen. Auf-grund der sehr beengten ra�umlichen Verha� ltnisse in der Massentierhaltung werden Tiereleicht infiziert, weshalb prophylaktisch Antibiotika ins Futter gegeben werden muss. Ei-gentlich sind Antibiotika nur zu therapeutischen Zwecken zugelassen. Aber ohne Antibio-tika wa� re die Massentierhaltung gar nicht mo� glich, weshalb diese Anwendungsbeschra�nk-gung großfla� chig ignoriert wird. So ist beispielsweise Putenfleisch fast zu 90% mit Antibi-otika belastet43. Bei Schweinen sieht es a�hnlich aus. Besonders problematisch ist die Ver-wendung von Reserve-Antibiotika in der Tierfu� tterung, die nur fu� r die Human-Therapiegedacht sind. Die Politik hat es aber zugelassen, dass dieses letzte Bollwerk gegen patho-gene Bakterien beim Menschen an Nutztiere verfu� ttert werden darf! Das Robert-Koch-In-stitut (RKI) stellt hierzu fest, dass durch die entstandenen Multiresistenzen von Bakterienja�hrlich 33.000 Tote in der EÜ und 2.400 Tote allein in Deutschland zu beklagen sind44.Diese verantwortungslose Praxis wird seit vielen Jahren von der Politik geduldet, was dasGegenteil eines nachhaltigen Handelns ist.

Es wa� ren noch viele weitere Beispiele hier anzufu� hren. Allein die wenigen genannten zeigen:Die Aussagen zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und insbesondere zum Tierwohlsind nur Lippenbekenntnisse der Politiker, ohne ernsthafte Absichten, sie zu realisie-ren. Die wenigen, medienwirksam verpackten Vorschla� ge zum Tierwohl, wie die Tierwohl-La-bel, mu� ssen als ineffektiv abgelehnt werden (s. St-Kap. 3.1.2).

Somit hat sich gezeigt, dass die Grußworte von Frau Klo� ckner in den Q-Standards und die A6 u-ßerungen anderer Verantwortlicher in der Politik (bis hinauf zur Kanzlerin) zu mehr O6 kologieund Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft in einem krassen Widerspruch zur politischen Reali-ta� t stehen. Dieser Widerspruch zeigt sich u� brigens auch auf anderen Politikfeldern, wobei nur

38 Wissenschaftl. Artikel zur EU-Agrarpolitik. https://scholar.google.de/scholar?q=EU-Agrarpolitik+Kritik&hl=de&as_sdt=0&as_vis=1&oi=scholart39 Waitz (Grüne): Nur Landwirtschaft subventioneren, die keinen Schaden anrichtet. Deutschlandfunk am 3.4.21. https://www.deutschlandfunk.-

de/kritik-an-eu-agrarreform-waitz-gruene-nur-landwirtschaft.694.de.html?dram:article_id=48618140 Zeit Online: EU-Agrarreform nimmt große Hürde - Aufbruch oder weiter so? vom 21.10.20. https://www.zeit.de/news/2020-10/21/eu-staaten-

einigen-sich-auf-agrarreform?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F41 UBA: FAQs zu Nitrat im Grund- und Trinkwasser vom 21.7.2020. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/grundwasser/nutzung-be-

lastungen/faqs-zu-nitrat-im-grund-trinkwasser#welche-messstellennetze-werden-zur-uberwachung-der-nitratgehalte-des-grundwassers-in-deutschland-herangezogen-und-sind-diese-reprasentativ-

42 Europäische Kommission: Vertragsverletzungsverfahren: Kommission leitet in 17 Fällen rechtliche Schritte gegen Deutschland ein. https://ec.eu-ropa.eu/germany/news/20190725-vertragsverletzungsverfahren_de, Stand: 25.7.2019

43 Nehls A: BUND-Studie: Massentierhaltung fördert antibiotikaresistente Keime. 12.1.2015. https://www.deutschlandfunk.de/bund-studie-mas-sentierhaltung-foerdert.697.de.html?dram:article_id=308456

44 RKI: Neue Zahlen zu Krankheitslast und Todesfällen durch antibiotikaresistente Erreger in Europa. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibi-otikaresistenz/Uebersichtsbeitraege/AMR_Europa.html

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der Dieselskandal als Stichwort genannt sei. Jedenfalls wurde die Glaubwu� rdigkeit der Q-Stan-dards und in der Konsequenz auch die Handlungsmotivation der angesprochenen Personen-gruppen bei der Nachhaltigkeit stark geschwa� cht. Die Politik verlangt von den Aktiven etwas,wozu sie selbst in keiner Weise bereit ist: nachhaltig zu handeln. Insofern wa� re es besser ge-wesen, wenn sich Frau Klo� ckner ihre Grußworte gespart ha� tte. Soviel zur Glaubwu� rdigkeit inder Politik.

3.1.4 Alternativen für die BetriebsleiterFu� r die Verantwortlichen in der BG stellt sich daher die Frage, wie dem Tierwohl bei Produk-ten der konventionellen Landwirtschaft am besten gedient werden kann. Da die Tierwohl-La-bel hierfu� r, wenn u� berhaupt, nur bedingt geeignet sind, bieten sich beim Fleisch Produkte aussog. Qualita� tsfleischprogrammen an, die es u� berall hierzulande gibt, deren Qualita� t aber oftmangels Vergleichbarkeit und staatlicher Kontrolle nur schwer eingescha� tzt werden kann.

Will ein Betreiber einer BG-Einrichtung bei der Fleischqualita� t sicher sein, muss er auf O6 ko-Fleisch setzen. Bei anderen Angeboten erha� lt er vielleicht eine gute sensorische Qualita� t (z.B.argentinisches Rindfleisch), kann aber nicht unbedingt den Forderungen der Nachhaltigkeitgerecht werden (z.B. keine Regionalita� t). Ünd darauf ka�me es hierbei maßgeblich an.

Was u� ber den Einkauf von Fleisch aus konventioneller Haltung gesagt wurde, kann auch aufandere Bereiche u� bertragen werden, z.B. auf den Fisch. Fu� r diese LM-Gruppe gibt es kein O6 ko-Label fu� r den Frischfisch, aber einen O6 ko-Standard fu� r Aquakultur, das sog. ASC-Siegel oderfu� r nachhaltige Fischerei das MSC-Siegel. Allerdings sind Appelle, diese Label in der BG zubeachten, weitgehend u� berflu� ssig, da die Betriebe der BG meist gut aufgestellt sind und ent-sprechend hohe Q-Standards freiwillig eingefu� hrt haben. Hier sei beispielsweise auf die Zu-sammenschlu� sse des Deutschen Instituts fu� r Gemeinschaftsgastronomie (DIG) oder das Deut-sche Studentenwerk (DSW) hingewiesen, die jeweils 50-100 Großbetriebe unter ihrem Dachvereinen. Die im DGE-Standard gemachten Vorgaben fu� r den Einkauf von Fisch werden vondiesen Betrieben schon seit langem praktiziert, oft weit u� bertroffen. Sie ko� nnen als Vorbild fu� rden gesamten Bereich der BG dienen.

Wa�hrend im WBAE-Gutachten die Frage der Wirtschaftlichkeit keine Rolle spielt und fu� r dieho� heren Kosten einer nachhaltigen Produktion in der Landwirtschaft eine sta� rkere finanzielleÜnterstu� tzung durch staatliche Stellen gefordert wurde, ist das Thema der Wirtschaftlichkeitin der BG natu� rlich sehr wichtig. Nachhaltigkeit in der BG kann nur im Zusammenspiel mit zu-sa� tzlichen moneta� ren Mitteln (deren Quelle unsicher ist) umgesetzt werden. Daher sind Maxi-malforderungen bei der Nachhaltigkeit wenig realistisch, wenn die Mittelfrage nicht gelo� st ist.

Was nutzt ein gesundes und nachhaltiges Essen, wenn der Betrieb seine Kosten nicht deckenkann? Die wirtschaftliche Tragfa�higkeit fu� r alle Maßnahmen ist also unabdingbar. Daher mussals eine Sa�ule fu� r die Nachhaltigkeit eines Betriebes in der BG die Wirtschaftlichkeit erhaltenbleiben. Fu� r die Pru� fung der Nachhaltigkeit von Betrieben der GG sind daher folgende Sa�ulenzu beru� cksichtigen:

Gesundheit - Ökologie - Gesellschaft - Wirtschaft

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Dies ist eine andere Aufteilung als im neuen Q-Standard der DGE, wenngleich man drei Berei-che als identisch ansehen kann. Hierbei ist es nebensa� chlich, ob fu� r die O6 kologie der Begriff"Ümwelt" und fu� r Gesellschaft der Begriff "Soziales" verwendet wird.

3.1.5 Nachhaltigkeitspotenzial der Technik Die Kriterien fu� r dieses Thema mu� ssen natu� rlich bezogen auf die Situation der Betriebe sein.Schaut man sich die Anforderungen des Q-Standards zu diesem Thema an, so stellt man leiderfest, dass wenig Konkretes zu den vier Sa�ulen genannt wird. Es wird zwar einiges ausgefu� hrtu� ber die Ümweltbelastung entlang der Wertscho� pfungskette, und es werden ein paar Zahlengenannt, z.B. die Anteile der Treibhausgasemissionen. Der Leser wird ferner daru� ber infor-miert, dass die Erna�hrungsweise nicht zu viele Ressourcen verbrauchen sollte. Alles scho� nund gut, aber doch reichlich theoretisch. Praxisrelevante Hinweise fu� r die Nachhaltigkeit inder BG sind rar gesa� t. So wird der Leser daru� ber aufgekla� rt, dass Einsparpotenziale in Schul-ku� chen von 40% bestehen. Welchen Aussagewert hat diese Zahl fu� r die BG?

Üm das auf den eigenen Betrieb u� bersetzen zu ko� nnen, mu� sste man Na�heres u� ber die Schulku� -chen wissen, die oftmals nicht besonders gut ausgestattet sind. In aller Regel haben Großku� -chen in der BG erheblich bessere Voraussetzungen als Ganztagsschulen, sodass diese 40% zu-meist schon ohne zusa� tzliche Maßnahmen eingespart werden ko� nnen. Derartige "herausge-griffene" Zahlen, dazu noch aus einem anderen Segment, na�mlich den Ganztagsschulen, helfendem Leiter in der BG nicht weiter. Auch der Hinweis, dass der Ku� chentechnik und dem Verhal-ten der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle fu� r den Klimaschutz zukommt, ist zweifellosrichtig, allerdings auch trivial. Jeder Insider weiß, dass es oft zu Fehlverhalten bei den Ko� chenkommt, da ein o� kologisches Verhalten in der Kochausbildung kaum thematisiert wird.

Ferner sind Ku� chenfachkra� fte oft nicht besonders technik- und IT-affin. Sie haben mit der EDVund mit komplexen Gera� ten, die multifunktional einsetzbar sind, in ihrer Ausbildung und inihrem Berufsleben meist nicht viel Beru� hrung gehabt. In den Großku� chen stehen diese hoch-komplexen und effizienten Gera� te zwar in aller Regel, doch sind ihre vielfa� ltigen Funktionennur zu einem kleinen Teil bekannt und werden daher auch kaum genutzt. Dank Smartphone &Co. sind auch junge Ko� che inzwischen mit den technischen Gera� ten des Alltags sta� rker ver-traut. Dies hat dann sicher auch Auswirkungen auf die Anwendung der Technik in ihren Ku� -chen. Insofern mag sich die Abneigung von Ko� chen gegenu� ber der EDV langsam a�ndern. Aberes wird auch heute noch gro� ßtenteils zutreffen, dass die Mo� glichkeiten der modernen Gera� tebei weitem nicht ausgescho� pft werden. Das bedeutet, dass Einsparpotenziale bzgl. Energieund Ressourcen zu wenig genutzt werden. Zwar wird von den Gera� te-Firmen versucht, durchkostenlose Seminare ein wenig Know-how zu verschaffen. Doch oft ist der Lerneffekt schnellwieder verpufft. Auf diese Hintergru� nde geht der Q-Standard nicht ein, geschweige denn, dassLo� sungsvorschla� ge unterbreitet werden.

Die o.g. theoretischen Hinweise werden allerdings unterfu� ttert mit einigen Literaturstellen,wo man z.B. auf einen "Leitfaden fu� r klimaschonende Schulku� chen" oder einen sog. "NahgastRechner" verwiesen wird, die mo� glicherweise weitere Informationen geben ko� nnen, ob undggf. wo noch Optimierungspotenziale bestehen. Auf die Pru� fung dieser Stellen bzgl. ihrer Pra-xisrelevanz wird hier verzichtet, zumal sie auch im Q-Standard nicht weiter erla�utert werden.Dies wa� re aber no� tig, wenn sie fu� r die Pru� fung auf Konformita� t mit den Q-Standards herange-

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zogen wu� rden. Die Quellenhinweise sind daher eine zusa� tzliche Orientierung, die nicht als Kri-terium des Q-Standards zu sehen sind.

Der Q-Standard ha� tte deutlich darauf hinweisen und auch fordern ko� nnen, dass die Aus- undWeiterbildung von Ku� chenfachkra� ften gera� te- und energietechnisch wesentlich verbessertwerden muss, damit die jetzt schon vorhandenen Nachhaltigkeitspotenziale optimal genutztwerden. Seit Jahrzehnten schwelt in der Welt der Ko� che die Diskussion, ob es eine Differenzie-rung in der Ausbildung geben sollte, wobei zwischen der Individual-Gastronomie und der GGunterschieden wird. Es spricht einiges fu� r eine solche Differenzierung, so dass nach einer ge-meinsamen Grundausbildung eine Spezialisierung erfolgen wu� rde, bei der die GG-Ko� che sehrviel besser als das heute der Fall ist auf ihre Aufgaben in der GG vorbereitet wu� rden. Es wa�redaher sicher wu� nschenswert, wenn im Q-Standard eine entsprechende Empfehlung ausge-sprochen worden wa� re.

Sicher werden schon in naher Zukunft weitere Gera� te oder Systeme entwickelt, die noch mehrEffekte haben, so dass diese umgehend in der Branche bekannt gemacht und umgesetzt wer-den sollten. Es reicht nicht, wenn pauschal auf eine wu� nschenswerte Weiterbildung hingewie-sen wird. Im Q-Standard werden einige Beispiele fu� r die Weiterbildung genannt, wobei Fragender Energie-, Ku� hl- und Gar-Technik so gut wie nicht vertreten sind (S. 20). Auch ko� nnten imInternet beispielhaft gute Angebote genannt werden, die mo� glichst auch finanziell gefo� rdertwerden sollten. Der Q-Standard ko� nnte auf diesem Wege Subventionen fordern und so einebessere Weiterbildung voranbringen.

Der Q-Standard ha� tte also die Aufgabe, sowohl zur Ausbildung, als auch zur Weiterbildung ei-nige kla� rende Worte zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen wurden nur ga�ngige Berufsbilderaufgelistet.

3.1.6 Auswahl nachhaltiger Lebensmittel Neben den bisherigen Aspekten einer nachhaltigen Erna�hrung geht es natu� rlich auch um dieWahl der LM. So erfa�hrt man etwas u� ber die Treibhausgasemissionen unterschiedlicher LM-Gruppen in zwei kleinen Tabellen fu� r pflanzliche und tierische LM, in denen die CO2-A6 quiva-lente pro kg (CO2-A6 q) dargestellt werden. Es wird deutlich, dass pflanzliche LM wesentlich we-niger CO2 emittieren als die tierischen. Sie liegen meist unter 1 kg CO2-A6 q, wa�hrend die tieri-schen LM bis zu u� ber 12 kg CO2-A6 q (Rindfleisch) erreichen.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? In der Speisenplanung sollten solche LM wenigerha�ufig eingesetzt werden, die besonders hohe CO2-A6 q aufweisen. Das wa� re in erster Linie beipflanzlichen LM der Reis, bei tierischen das Rindfleisch. Hier ließen sich wahrscheinlich einigeVera�nderungen im Speisenplan bewirken, wenngleich Reis bei den Sta� rkebeilagen und Rind-fleisch unter den Fleischsorten nicht zu den Topsellern geho� ren, also unterdurchschnittlichha�ufig angeboten werden. Allerdings la� sst sich hier die Frage stellen, in welchem Ümfang eineReduzierung dieser LM mo� glich ist. Bei asiatischen Gerichten geho� rt Reis als Beilage norma-lerweise dazu. Der "Charakter" dieser Gerichte ko� nnte durch das Weglassen von Reis starkvera�ndert werden, was der Gast dann evtl. nicht mehr akzeptieren wu� rde.

Nicht nur wegen der Essgewohnheiten und der CO2-A6 q kann es zu Konflikten bei der LM-Aus-wahl kommen, sondern auch aus gesundheitlichen Gru� nden. Im Q-Standard selbst wird ein

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entsprechender Hinweis hierzu gegeben, dass Fisch oder Molkereiprodukte als wertvolle LMgewa�hlt und in den empfohlenen Mengen verwendet werden sollten, obwohl die CO2-A6 q un-gu� nstig sind. Starke CO2-A6 q-Emittenten ko� nnen durchaus unberu� cksichtigt bleiben, wenn ge-sundheitliche Vorzu� ge vorliegen. Dies ist eine Priorisierung der erna�hrungsphysiologischenEigenschaften gegenu� ber den nachhaltigen. Es wa� re hilfreich gewesen, wenn einmal Na�heresu� ber diese Priorisierung gesagt worden wa� re. Der Fall du� rfte des o� fteren eintreten, dass gu� ns-tige erna�hrungsphysiologische Eigenschaften mit ungu� nstigen Eigenschaften bei der Nachhal-tigkeit gekoppelt sind. Wie sollten sich dann die Ku� chenfachkra� fte verhalten? Der Q-Standardgibt keinerlei Anhaltspunkte, wie die Entscheidungen zu treffen sind. Sind die Vorgaben abersehr schwammig, bleibt es den Ku� chenfachkra� fte u� berlassen, wie sie handeln. Etwas mehr Ori-entierung wa� re schon ganz hilfreich und auch zu erwarten gewesen. Beispielsweise ko� nntenspezifische Tabellen angegeben oder auf weitere Infos im Internet verwiesen werden, in de-nen vergleichbare LM mit ihren erna�hrungsphysiologischen und o� kologischen Eigenschaftenaufgefu� hrt wa� ren. Somit ko� nnte man beide Eigenschaften sehen und sich dann fu� r das LM ent-scheiden, das in beiden Kategorien die besten Werte aufweist. Leider verzichtet der Q-Stan-dard auf jegliche Orientierungshilfe fu� r die Verantwortlichen der BG.

Es wird lediglich auf Kap. 4 verwiesen, wo weitere Einzelheiten zu finden sind. Einen Hinweisoder Leitfaden fu� r die Speisenplanung findet man hierzu im Q-Standard jedoch nicht. Es sei indiesem Kontext auf eine la�ngere Ausarbeitung hingewiesen, wo der Versuch unternommenwurde, genau diese Abwa�gung einigermaßen vorzunehmen45. Es wurden Speisenpla�ne entwi-ckelt, die bzgl. mehrerer Kriterien ein Optimum erreichen sollen.

Im Grunde sind die beiden Tabellen zu den CO2-A6 q der LM-Gruppen zwar knapp gehalten,aber dennoch grundsa� tzlich hilfreich, um die Speisenplanung danach auszurichten. Im Textwird aber auf weitere Faktoren hingewiesen, die sich auf die CO2-A6 q-Bilanz auswirken. Dawa�re zuna� chst der Anbau im Gewa� chshaus, das mit fossilem Brennstoff beheizt wird. Im Ver-gleich zu einem unbeheizten Gewa� chshaus, zu einem mit Solarenergie beheizten oder zumFreilandanbau gibt es bzgl. der Nachhaltigkeitsaspekte erhebliche Ünterschiede.

Weitere Ünterschiede sind in der Landwirtschaft zu sehen. Es ist bekannt, dass der Bio-Anbauwesentlich weniger CO2-A6 q produziert als der konventionelle. Wenn dies dann noch mit denFaktoren fu� r fossile Beheizung von Gewa� chsha�usern und mit dem Transport der LM kombi-niert wird, wobei der Flugtransport besonders ungu� nstig ist, ko� nnen sich sehr starke Ünter-schiede zeigen, die mit den wenigen Angaben der beiden Tabellen im Q-Standard nicht mehrausreichend beru� cksichtigt werden ko� nnen.

Zusa� tzliche Faktoren ko� nnen die Art der Lagerung sein, wenn z.B. A6 pfel in Ku� hlha�usern gela-gert werden, damit diese mo� glichst das ganze Jahr u� ber verfu� gbar sind. Hier stellt sich dannanalog zu den Gewa� chsha�usern die Frage, wie diese geku� hlt werden, mit oder ohne fossileEnergie bzw. mit welchem Energiebedarf? Entsprechend mu� ssen derartige Produkte bzgl. derNachhaltigkeit bewertet werden. Auch spielt die Frage eine Rolle, wie hoch der Wasserbedarfder LM ist. Diesbezu� glich gibt es bereits bei pflanzlichen LM große Ünterschiede, die sich beiEinbeziehung tierischen LM noch erheblich ausweiten. Auch hierzu wa�re eine Tabelle interes-sant gewesen.

45 Peinelt V: Empfehlenswerte Angebote in der GG. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/angebotsgestaltung/

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Daher fragt sich, was die DGE mit den wenigen Angaben dieser beiden Tabellen eigentlich be-zweckt. Es ist offensichtlich, dass die Angaben bei weitem nicht ausreichen, um einesinnvolle und vollständige Bewertung der Nachhaltigkeit von LM zu ermöglichen. Es feh-len nicht nur zahlreiche Faktoren außerhalb der Ku� che, die zu einem Gesamtwert zusammen-gefasst werden mu� ssten, um die betreffenden LM richtig einordnen zu ko� nnen. Es fehlen auchnoch Daten fu� r den Ümgang mit den LM in der Ku� che bzw. den angeschlossenen Ra�umen (z.B.Ku� hl- und TK-Ha�user), die den Nachhaltigkeitswert noch weiter beeinflussen. In diesem Zu-sammenhang sei auf einige Quellen hingewiesen, wo gerade die technischen Aspekte vonGroßku� chen na�her behandelt werden, woru� ber man im Q-Standard leider nichts erfa�hrt46,47,48.Es ha� tte von der DGE ein kleines Berechnungsmodul zur Verfu� gung gestellt werden ko� nnen, indem alle wesentlichen Aspekte der Behandlung von LM einbezogen sind.

Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass es zu einfach ist, die energieverbrauchenden Pro-zesse Ku� hlen und Regenerieren von Speisen negativ zu bewerten, wenn nicht das Gesamtsys-tem betrachtet wird. Bei einer entsprechenden Konzeption lassen sich diese Prozesse im Sin-ne einer Synergie gegenseitig nutzen, so dass ein erheblich geringerer Netto-Energiebedarfbesteht. Dies wurde bereits vor Jahren in diversen Betrieben der BG erprobt49 und war auchschon im praktischen Einsatz. Diese Systeme sollten heute noch weiter fortgeschritten undverbreitet sein. Auch auf ein solches Gesamtsystem und den mo� glicherweise vorhandenenSynergie-Effekten geht der Q-Standard nicht ein. Die Wahl eines LM mit einem geringen CO2-A6 q/kg ist nur ein kleiner Teil der Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die in einer Großku� che der BGmo� glich sind.

Viele Aspekte der Nachhaltigkeit werden im Q-Standard nicht vorgestellt, weder direktnoch indirekt. Bedauerlich ist, dass das Internet ungenutzt bleibt. Die DGE hilft einemBetriebsleiter nicht, eine sinnvolle Nachhaltigkeitsabwägung vorzunehmen. Es werdenlediglich wenige Hinweise gegeben, die meist nur LM-bezogen sind.

3.2 Gesundheitsfördernde Ernährung3.2.1 GrundsätzlichesSpa� testens an dieser Stelle im Q-Standard wa�re es an der Zeit gewesen, einmal den grundsa� tz-lichen Ansatz der DGE zur Bewertung eines Speisenangebots zu erla�utern. Dieser besteht dar-in, eine Menülinie u� ber die Qualita� t der LM und deren Portionsmengen zu bewerten und soauszutarieren, dass u� ber einen bestimmten Zeitraum eine Vollwertigkeit i.D. besteht. Da dievorgegebenen LM-Qualita� t und Mengen zuvor in einem 4-Wochenspeiseplan rechnerisch alsvollwertig ermittelt wurden, meint man, sich auf diese beiden Kriterien beschra�nken zu ko� n-nen. Dabei sollen auch LM-Gruppen empfohlen werden, die bzgl. der Nachhaltigkeit gu� nstig zubewerten sind. Das bedeutet, dass eine Durchschnittsperson in einem definierten Zeitraumalle Na�hrstoffe gema�ß der Referenzwerte im Durchschnitt aufnimmt. An der Sinnhaftigkeitdieses Ansatzes wurden schon mehrfach Zweifel gea�ußert.

46 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (Hrsg.): Erdgas in der Gastronomie. Reinhardtstraße 32, 10117 Berlin, 2008, 28 S., www.bdew.de

47 Peinelt V, Wentzlaff G, Wittich G: Cook and Chill. Untersuchung und Bewertung eines Verpflegungssystems. Shaker 2004, 177 S., s. S. 15648 Jenny U (ENAK): Energiekennwerte. Gewerbliche Küchen. Merkblatt für eine energetisch optimierte Planung. Stadt Zürich, Amt für Hochbauten

(Auftraggeber), 11/2011, 38 S., s. S. 10f49 Peinelt V, Gemüth P: Speisenproduktion in der GG. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme, s. Kap. 3.4.2.1

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Wie bereits mehrfach betont, ist dieser Ansatz sehr fragwu� rdig in seiner Effektivita� t, da unbe-ru� cksichtigt bleibt, dass gerade in der BG ein ausschließliches Angebot von Menu� linien zu-gunsten der Komponentenwahl schon vor Jahrzehnten abgeschafft wurde. Jeder Gast kannsich heutzutage sein eigenes Menu� aus den einzelnen Komponenten zusammenstellen oderein Tellergericht erga�nzen. Es kommt hinzu, dass viele Ga� ste nicht jeden Tag ein komplettesMenu� essen wollen. Mit einem "Gesundheitsmenu� " wa� re ein Gast aber gezwungen, auch sol-che Speisen zu essen, die er nicht besonders mag, vielleicht auch nur in der jeweiligen Kombi-nation. Er mu� sste das Menu� aber wa�hlen, weil die rechnerisch ermittelte, gu� nstige Na�hrstoff-zufuhr sonst nicht mo� glich bzw. nicht kontrollierbar wa� re. Eine solche gesundheitsbewussteDisziplin beim Essen ist nur bei sehr wenigen Ga� sten anzutreffen. Essen soll ja auch Spaß ma-chen, was bei der Einhaltung strikter Vorgaben kaum gelingen kann.

Wer aber nur hin und wieder eines der empfohlenen Menu� s isst, kann seine wu� nschenswerteNa�hrstoffzufuhr nicht gewa�hrleisten. Es kann sogar sein, dass er genau dann ein "Gesund-heitsmenu� " wa�hlt, wenn es weniger gu� nstig zusammengesetzt ist, da solche "Ausrutscher" ausGru� nden der Akzeptanz ja auch hin und wieder im Rahmen eines 4-Wochenspeiseplans ange-boten werden du� rfen. Es ist zu vermuten, dass die DGE zur Sicherstellung einer hohen Essens-qualita� t nur deshalb Menu� angebote bewertet, weil eine freie Komponentenwahl nicht kontrol-lierbar ist. Die Frage der Angebotsgestaltung in der Praxis wird hierbei einfach ignoriert. DieDGE geht wie selbstversta�ndlich davon aus, dass die Bewertung von auf NWB basierendenKomplettmenu� s die einzig richtige Methode ist. Doch die Essgewohnheiten und die Angebotehaben sich in der BG im Laufe von Jahrzehnten gea�ndert, was auch in einer A6 nderung der Be-wertung zum Ausdruck kommen sollte.

Es wa�re zu erwarten gewesen, dass die DGE eine Bewertung des umfangreichen Angebots inder heutigen BG entwickelt und diese dann im Q-Standard als Bewertungsinstrument verwen-det ha� tte. Dabei ist zu bedenken, dass es ja schon seit geraumer Zeit einige sinnvolle und aus-gereifte Ansa� tze der Bewertung gibt, v.a. auf Basis von Ampelbewertungen. Diese bestehendenKonzepte ha� tten vorgestellt und die Vor- und Nachteile ero� rtert werden ko� nnen, was eben lei-der nicht geschah. Klar ist, dass ein Angebot auf Basis einzelner Komponenten anders bewer-tet werden muss als Menu� s. Im Q-Standard finden sich aber keinerlei Hinweise auf andere Me-thoden der Bewertung und der Kennzeichnung der Speisen, weil eine solche Bewertung vonvornherein ausgeschlossen wurde.

Fu� r den Fall, dass in einem Betrieb noch Komplett-Menu� s angeboten werden, so handelt essich doch zumindest um eine Auswahl von mehreren Menu� -Linien, so dass ein Menu� -Hoppingunvermeidlich ist. Durch diesen vorgenommenen Wechsel kann die gewu� nschte hohe Erna�h-rungsqualita� t kaum sichergestellt werden, da andernfalls alle Menu� s eines Tages "na�hrstoffa� -quivalent" gestaltet werden mu� ssten, was nur mit sehr hohem Aufwand mo� glich wa�re. Im Ü6 b-rigen wird es sich bei den wenigen Betrieben, die noch "Menu� linien" anbieten, in aller Regelnicht um Komplettmenu� s handeln, sondern um Linien von "Tellergerichten", die dann vomGast noch durch Vorspeisen, Salate oder Desserts oder auch Beilagen erga�nzt werden. Bei derVielfalt der Kombinationsmo� glichkeiten ist eine hohe Na�hrstoffzufuhr wiederum nicht zu ge-wa�hrleisten und eine NWB wu� rde wenig Sinn ergeben.

An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es in dieser Stellungnahme um dieVerha� ltnisse in Betrieben geht, also die Betriebsgastronomie. Die Bewertung bezieht sich also

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nur auf diesen Q-Standard. Anders sieht es hingegen in Kitas oder in Grundschulen aus. Dortist die Auswahl an Speisen natu� rlich wesentlich geringer als in der BG, so dass eine Vorgabefu� r das Angebot in Form von Menu� s sinnvoll erscheint und auch leichter umsetzbar ist.

3.2.2 Optimale AuswahlDieses Ünterkapitel entha� lt einen la�ngeren Informationsteil u� ber alle relevanten LM-Gruppen.Die Ausfu� hrungen sollen die Basis fu� r eine "optimale Auswahl" darstellen. Sie haben ein ziem-lich großes Gewicht, da immerhin acht Spalten des Q-Standards damit gefu� llt werden.

Als Grundlage fu� r diese Basis-Ausfu� hrungen werden der "Erna�hrungskreis", die "3D-Lebens-mittelpyramide" sowie die "10 Regeln der DGE" genannt, die alle auf den D-A-CH-Referenz-werten basieren. Diese Quellen sollen auch als Basis fu� r eine gesundheitsfo� rdernde und nach-haltige Erna�hrung dienen. Merkwu� rdig ist diese Aussage deshalb, weil die Nachhaltigkeit in al-len vier Quellen kaum eine Rolle spielt. Eine kleine Ausnahme stellt die 3D-Lebensmittelpyra-mide dar, bei der immerhin auch o� kologische Aspekte einfließen "sollen", wobei allerdingsnicht erkennbar ist, wo dies der Fall ist und wie das bei der Anordnung der 3D-Lebensmittel-pyramide zum Ausdruck kommt50.

Nun ko� nnte man natu� rlich sagen, dass eine Erna�hrung, die u� berwiegend aus pflanzlichen LMbesteht, per se o� kologisch gu� nstig einzustufen ist. Das zeigt die Tab. 1 des Q-Standards, auchwenn dort viele Detailinformationen fehlen (s. St-Kap. 3.1). Ein hoher Pflanzenanteil in derNahrung wird von der DGE im Q-Standard ausdru� cklich gefordert. Allerdings ist das eigentlichnichts Besonderes, wenn man sich die u� bliche Zusammensetzung von Mahlzeiten einmal an-sieht. So besteht das klassische Mittagessen mindestens aus drei Komponenten, dem Protein-,dem Kohlenhydrat- und dem Gemu� setra� ger. Zwei bis drei dieser Komponenten sind vegetari-scher Herkunft. Hinzu kommen noch Beilagen, Vor- und Nachspeisen, wie Salate oder Des-serts, die meist auch vegetarischer Natur sind. Daran erkennt man, ohne viel kalkulieren zumu� ssen, dass die pflanzlichen LM mit Abstand den gro� ßten Teil eines Mittagessens ausma-chen. Auch bei den anderen Mahlzeiten ist dieser Anteil meist hoch.

Insofern ko� nnte die Erna�hrung von "Otto-Normalverbraucher" allein aufgrund der u� berwie-genden Verwendung von pflanzlichen LM als o� kologisch eingestuft werden, was der Sache al-lerdings nicht gerecht wird. Natu� rlich macht es einen Ünterschied, ob z.B. Bio-LM verwendet,ob mit viel oder wenig Fett gearbeitet wird oder wie groß die Portionsmengen der einzelnenLM-Gruppen sind, und zwar bzgl. der erna�hrungsphysiologischen und nachhaltigen Eigen-schaften. Insofern sind die anfa�nglichen Aussagen der DGE zu diesem Ünterkapitel, dass mitden genannten Quellen eine "optimale Auswahl" in erna�hrungsphysiologischer und o� kologi-scher Sicht mo� glich sei, nicht nachvollziehbar. Aus erna�hrungsphysiologischer Sicht mo� gen dieQuellen geeignet sein. Doch wo bleibt die Begru� ndung der Nachhaltigkeit aufgrund dieserQuellen? Die Aussagen von Kap. 3.1 u� ber die Nachhaltigkeit reichen nicht aus.

3.2.3 Sinnhaftigkeit des KapitelsDaher dra�ngt sich zuna� chst die Frage auf, was heißt eigentlich "optimale Auswahl" unter Be-ru� cksichtigung der Nachhaltigkeit? Die Antworten hierauf ha� tten in Kap. 3.1 gegeben werden

50 Peinelt V: Stellungnahme zur 3D-LM-Pyramide der DGE, s. Kap. 2.3.6. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/3d-lm-pyramide-der-dge/

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mu� ssen, wo sie aber nur Rudimenta� res zu finden ist. In diesem Ünterkapitel werden siebenLM-Gruppen beschrieben, auf die gro� ßtenteils weiter unten eingegangen wird.

Zuna� chst ein paar grundsa� tzliche Bemerkungen zu diesem Ünterkapitel. Was soll mit diesenLM-bezogenen Ausfu� hrungen eigentlich bezweckt werden? Der Q-Standard vermittelt an die-ser Stelle den Eindruck, Basiswissen auszubreiten, das man doch eher in einem Curriculumfu� r Erna�hrungslehre in Schulen erwartet ha� tte. Ein Q-Standard ist etwas anderes als ein Lehr-buch und soll dieses auch nicht ersetzen. Hier sind die Kriterien fu� r alle wichtigen Bereichedarzulegen und zu begru� nden, um die Qualita� t zu definieren und das Angebot dann damit zuu� berpru� fen. Doch diese Funktion kann dieses Ünterkapitel nicht erfu� llen.

Es fragt sich, warum die DGE fu� r elementare Informationen in einem Q-Standard so viel Platzbereitstellt. Muss man die Leiter eines Betriebes der BG wirklich u� ber den "hohen Vitaminge-halt von Gemu� se" oder den "Wert von Vollkornprodukten" aufkla� ren? Wir haben es hierschließlich mit Fachkra� ften zu tun. Daru� ber hinaus sind viele Aussagen schon la�ngst in Groß-ku� chen bekannt. Es kommt doch prima� r auf die Ümsetzung des Wissens an, wofu� r jeder Ver-antwortliche in seinem Betrieb spezifische Lo� sungen finden muss. Diese Ümsetzung kann ineinem Q-Standard nur eingeschra�nkt vorgegeben werden, wenn u� berhaupt, dann nur beispiel-haft. Forderungen des Q-Standards ko� nnen nur regional-, betriebs- und mitarbeiterspezifischrealisiert werden. Daher sind viele Informationen in diesem Ünterkapitel nicht hilfreich. Diessoll zum besseren Versta�ndnis nachfolgend durch einige Kommentare zu einzelnen LM-Grup-pen veranschaulicht werden.

3.2.4 LM-Gruppe: GetreideHier erfa�hrt man, dass Vollkornprodukte besser sind als weniger ausgemahlene Getreidepro-dukte und dass Reis nach dem Parboiled-Verfahren einen ho� heren Na�hrstoffgehalt hat. Das istkeineswegs das einzige Mal, dass der Leser hieru� ber belehrt wird. Diese "Vollkorn-Aufkla� -rung" wird im Laufe dieses Q-Standards 25x vorgenommen. Weshalb diese zweifellos richtigeForderungen nicht schon u� berall umgesetzt wurden, hat nichts mit Ünwissen oder mangeln-dem Engagement zu tun, sondern mit den Schwierigkeiten, z.B. Vollkornprodukte erfolgreichanzubieten. In der Praxis sto� ßt auch der gesundheitsbewusste und engagierte Gastronom aufschwer zu a�ndernde Erna�hrungsgewohnheiten bei seinen Ga�sten. Mit Aufkla� rung u� ber denNa�hrwert bestimmter LM hat man meist keinen Erfolg.

Je nach Ga� stegruppe sollte man als Betriebsleiter unterschiedlich vorgehen, um besondershochwertige LM versta� rkt abzusetzen. Mancher hat es schon mehrfach und mit unterschiedli-chen Ansa� tzen u� ber la�ngere Zeit versucht, bis er dann aufgrund wiederholter Ablehnungender Ga� ste schließlich aufgegeben hat. Die BG ist schließlich keine Erziehungsanstalt. Die meis-ten Ga� ste wollen nicht erzogen oder belehrt werden, was sie zu essen haben. Daher sollten dieQ-Standards auch auf die Hinderungsgru� nde eingehen und versuchen, hier Lo� sungsvorschla� gezu machen. Neuerdings ist viel von "Nudging" die Rede. Richtig angewendet, wa� re dieser An-satz sicher hilfreich, was auch im Q-Standard behandelt wird. Hierzu spa� ter mehr.

Im Sinne einer eher lehrbuchhaften Wissensvermittlung ist wohl auch der Hinweis zu verste-hen, dass Getreide- und Hu� lsenfrucht-Proteine sich gegenseitig erga�nzen und somit die biolo-gische Wertigkeit des Gesamt-Proteins erho� hen. Ist das wirklich eine wichtige und hilfreicheInformation fu� r die Praxis der BG? Wohl eher nicht. Wir haben hierzulande kein Proteinpro-

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blem, im Gegenteil. Es wird mit 15en%51 im Tagesdurchschnitt weit mehr Protein gegessen alsempfohlen (ca. 10en%). Im Mittagessen geht die Empfehlung sogar von max. 20en% aus, weilha�ufig proteinreiche Hauptkomponenten wie Fleisch oder Fisch gegessen werden, worauf imQ-Standard Ru� cksicht genommen wurde. Der explizite Hinweis auf die Proteinwertigkeit istdaher in diesem Kontext deplatziert. Es geht doch eher darum, die hohen Proteinmengen zudeckeln, also nicht ta� glich und in großer Menge proteinreiche Komponenten zu essen, was ei-ner der Gru� nde ist, den Fleischkonsum zu drosseln. Dass Reis fu� rs Klima ungu� nstiger ist alsandere Getreidesorten, wurde bereits mitgeteilt.

3.2.5 LM-Gruppe: Gemüse/HülsenfrüchteWie wertvoll die LM-Gruppe "Gemu� se" ist, hat sich inzwischen auch bis zu den Ku� chenfach-kra� ften in der BG herumgesprochen. Dies muss auch nicht sta�ndig betont werden.

Es ist zweifellos richtig, dass der Stellenwert von Hu� lsenfru� chten erho� ht werden sollte. Derbesondere Wert wird aber erstaunlicherweise wieder am Protein festgemacht. Es muss dahernoch einmal darauf hingewiesen werden, dass wir nicht in einem Entwicklungsland sind, woProtein Mangelware ist. Hierzulande essen wir, wie bereits erwa�hnt, meist zu viel Protein. Mitdem Protein-Argument wird man den Vorzu� gen von Hu� lsenfru� chten nicht gerecht. Wichtigerwa�re es, den "Ersatz" von Fleisch hier anzusprechen. Allerdings sollte na�her auf die großeVielfalt von verarbeiteten Produkten eingegangen werden, die es inzwischen auf dem Marktgibt, in der BG schon la�nger. Natu� rlich kann man als Ersatz fu� r Fleisch und Wurst auch nur aufunverarbeitete Hu� lsenfru� chte zuru� ckgreifen. Die Akzeptanz fu� r solche LM ist jedoch geringerals bspw. fu� r die vielen verarbeiteten Produkte wie z.B. Burger auf Basis von Hu� lsenfruchten.

Was spricht dagegen, auf die vielen hochattraktiven Ersatzprodukte hinzuweisen, insbesonde-re aus der Sojabohne? Es gibt hervorragende Rezepturen mit Tofu und Tempeh, die sehrschmackhaft sein ko� nnen. Daru� ber hinaus wurden Produkte mit Weizen-, Lupinen- oder Erb-senprotein entwickelt, die eine ausgezeichnete Konsistenz und auch einen vo� llig akzeptablenGeschmack haben und sich somit gut als "Ersatz" eignen. Meist ko� nnen diese Produkte nochvon den Ku� chenfachkra� ften verfeinert werden, d.h. angepasst auf die Wu� nsche der Ga� ste. DaFleischspeisen im Speisenplan nach wie vor gut nachgefragt sind, sollte eine A6 nderung desAngebots aufgrund der Essgewohnheiten nur vorsichtig erfolgen, weshalb Fleischersatz hier-bei eine wichtige Funktion erfu� llen kann - zumindest als Zwischenlo� sung.

Auf die Qualita� t und Einsatzmo� glichkeiten solcher Ersatzprodukte na�her einzugehen, wa� reninteressante Informationen gewesen. Der vegetarische Bereich im Angebot soll ja laut DGEkra� ftig erweitert werden und viele Ko� che tun sich aktuell noch schwer, entsprechende Alter-nativen zum Fleisch anzubieten. Diese Produkte werden von kleineren Fachbetrieben odervon der Industrie gefertigt, geku� hlt oder als TK-Ware angeliefert und erfordern nur noch ei-nen geringen Aufwand bis zur Ausgabe. Man kann es gar nicht genug betonen: die Qualita� tund Vielfalt derartiger Produkte hat erheblich zugenommen. Dies ermo� glicht es den Betriebender BG trotz einer geringen Anzahl an Fachkra� ften ein vielfa� ltiges, schmackhaftes, gesundesund letzlich attraktives Angebot fu� r vegetarische Speisen zu machen. Leider ist im Rahmendes Standards die Chance vertan worden, Kriterien zu formulieren, um bzgl. dieser Produkte

51 en%=Energieprozent=Anteil des jeweiligen Hauptnährstoffes an der zugeführten Gesamtenergie

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"die Spreu vom Weizen zu trennen", denn nicht alle Produkte auf diesem Gebiet sind positiv zubewerten.

Bekanntlich bevorzugt die DGE grundsa� tzlich frische LM und TK-Ware. Es sei erwa�hnt, dassbereits nach relativ kurzer Zeit frisches Gemu� se auch bei Ku� hltemperaturen (und natu� rlicherst recht bei Zimmertemperaturen) erhebliche Vitaminverluste erleidet, die deutlich u� ber de-nen von Konservierungsgemu� se liegen ko� nnen52. Dies spricht gegen eine strikte Ablehnungdieser Produkte. Im Ü6 brigen ha� tten auch im Kontext der Nachhaltigkeit etwas u� ber die kon-servierten Produkte gesagt werden ko� nnen, da frische Ware mit langen Transportwegen, mo� g-licherweise als Flugtransporte, in dieser Hinsicht schlechter einzustufen sind als Dosenkon-serveren (s. auch St-Kap. 3.2.6).

Ein wenig merkwu� rdig mutet es in diesem Kontext an, wenn den Ku� chenfachkra� ften erkla� rtwird, wie man Hu� lsenfru� chte zubereitet. Dies ist weder praxisbezogen noch praxisnah, da Hu� l-senfru� chte in der BG prinzipiell als Dosenware eingesetzt werden. Kaum jemand in Großku� -chen kocht am Vortag eingeweichte Hu� lsenfru� chte. Dies ist allenfalls in Kitas noch der Fall.

3.2.6 LM-Gruppe: Obst und NüsseHier erfa�hrt man, dass Nu� sse zur Gruppe "Obst" geho� ren und eine bestimmte Menge eine Por-tion Obst ersetzen kann. Obst und Nu� sse sind zweifellos wertvolle LM. Allerdings wird auf denmeist sehr hohen Fett- und Energiegehalt von Nu� ssen nicht eingegangen. In kleinen Mengenko� nnen Nu� sse vielfach eingesetzt werden. Dies betrifft nicht nur das Fru� hstu� ck und die Zwi-schenverpflegung, sondern auch das Mittagessen, hier insbesondere den Salat. Auch aus dertu� rkischen Ku� che kennt man viele attraktive Speisen mit Nu� ssen fu� r das Mittagessen. All dasdu� rfte den Ku� chenfachkra� ften in der BG hinreichend bekannt sein.

Man ha� tte im Q-Standard allerdings noch auf die industriell hergestellten Müslis eingehenko� nnen, die meist gro� ßere Mengen an Nu� ssen oder Trockenobst enthalten, leider aber ha�ufigauch viel Zucker. Zur Vielfalt der Industrieprodukte, die auch als Großpackungen fu� r die BGangeboten werden, wa� ren sicher einige Hinweise fu� r den optimalen Einkauf sinnvoll gewesen.Ansonsten sollten die Aktiven motiviert werden, die Mu� slis selbst herzustellen. Dies wird be-reits in vielen Einrichtungen mit großem Erfolg praktiziert, z.B. in Mensen. Diese Eigenpro-dukte sind zudem kostengu� nstiger als Handelsware und schmecken oft auch besser. Sie ko� n-nen neben dem Fru� hstu� ck und der Zwischenverpflegung sehr gut auch als Dessert beim Mit-tagessen angeboten werden. Selbst hergestellte Produkte werden bereits als Eigenmarke ver-marktet, womit im Ü6 brigen auch das Image des Betriebes gesteigert werden kann. Die Wert-scho� pfung ist hiermit erheblich ho� her als bei Handelsware. Dies wa� ren wertvolle Hinweise ge-wesen, die leider fehlen.

Beim Obst wa�re noch ein Hinweis zur Nachhaltigkeit interessant, da z.B. A6 pfel in Kühlhäu-sern gelagert werden mu� ssen, sollen sie das ganze Jahr u� ber verfu� gbar sein. Diese Lagerhal-tung ist mit einem erheblichen Energiebedarf verbunden, der als o� kologisches Problem zu se-hen ist. Ü6 berhaupt ist die Saisonalita� t und Regionalita� t von Obst und Gemu� se eine wichtigeThematik. Leider ist immer noch zu beobachten, dass Betriebe das ganze Jahr u� ber das gleichevielfa� ltige LM-Angebot mit frischen Zutaten machen, was aber bedeutet, dass bestimmte LM

52 Loh S, Schlich E: Nährstoffveränderungen bei der Lebensmittelzubereitung im Haushalt. aid special, 3048/2004

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von weit her transportiert werden mu� ssen. Die Frage wa�re, welche Konsequenzen eine Ein-schra�nkung des Angebots gerade im Winter ha� tte. Welche Gemu� se- und Obstsorten kann mandann u� berhaupt noch frisch anbieten? Hierzu wa�ren entsprechende Tabellen fu� r Obst und Ge-mu� se im Q-Standard wu� nschenswert gewesen, aus denen die Verfu� gbarkeit dieser LM-Grup-pen im ganzen Jahr zu ersehen ist. Dies ha� tte dann durch gute Rezepte im Internet erga�nztwerden ko� nnen, was leider nicht geschieht.

Üm die Versorgungsengpa� sse in den Wintermonaten zu reduzieren, wird ha�ufig auf konser-vierte Ware zuru� ckgegriffen. Die DGE weist darauf hin, dass neben der Frischware nur dieTK-Ware akzeptabel wa�re. Ist diese starke Einschra�nkung wirklich vertretbar? Vermutlichnicht immer. Daher wa� ren einmal Daten fu� r unterschiedliche Konservierungsverfahren inter-essant, z.B. getrocknete Ware oder Dosenware. In Üntersuchungen hat sich herausgestellt,dass die Ünterschiede im Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen bei bestimmten LM auch beiDosenware oft gar nicht so groß sind53, so dass die Verwendung anderer LM als Frisch- undTK-Ware durchaus akzeptabel wa� re. Leider erfa�hrt der Leser nichts u� ber diese interessantenFragen.

3.2.7 LM-Gruppe: Molkereiprodukte, KäseHier wird zuna� chst wieder Allgemeinwissen ausgebreitet, dass na�mlich Ka� se viel Calcium ent-ha� lt. Allerdings wird auch auf den meist hohen Fettgehalt hingewiesen, der mo� glichst gede-ckelt werden sollte. Im Q-Standard wird ein absoluter Fettgehalt von <30% genannt (S. 30).Dieser Wert ist allerdings zu hoch, weil es kaum Ka�sesorten gibt, die mehr Fett enthalten. In-sofern hat diese Obergrenze kaum Filterwirkung. Sollte dies aber ein Druckfehler sein undman meinte <30% i.Tr., so fallen viele Ka�sesorten heraus. Parmesan u.a. Hartka� se du� rftendann nicht mehr verwendet werden. Eine sinnvolle Deckelung sieht anders aus. Es ha� tte nocherga�nzt werden mu� ssen, dass Ka� se auch viel Salz entha� lt. Daher wa�re es gut, wenn man beimEinkauf darauf achten wu� rde. Hierfu� r wa� re ein Orientierungswert sinnvoll gewesen, denn derSalzgehalt beim Ka� se schwankt erheblich, zwischen 1 g bis 4 g NaCl/100 g.

Die DGE verweist ausdru� cklich auf die "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie desBMEL" (s. St-Kap. 4.3.7), womit der Fett- und Salzgehalt der LM reduziert werden soll. Inso-fern ha� tte man erwarten ko� nnen, dass auch der Salzgehalt bei der Charakterisierung der LM-Gruppen angesprochen worden wa�re. Stattdessen erhalten die Ku� chenfachkra� fte den erhellen-den Hinweis, dass man Mu� slis mit frischem Obst und Joghurt erweitern kann.

3.2.8 LM-Gruppe: Fleisch, Fleischwaren, Wurst, Fisch, EierVon besonderem Interesse und großer gesundheitlicher und o� kologischer Bedeutung sind dieHinweise fu� r diese LM-Gruppen. Bei Wurst und Fleischwaren wird mitgeteilt, dass sie vieleungu� nstige Inhaltsstoffe enthalten, weshalb sie negativ bewertet werden. Hervorzuheben sindhohe Gehalte an Salz und Fett, v.a. bei Wurst. Die Salzgehalte bewegen sich in der gleichen Gro� -ßenordnung wie bei Ka� se, wobei einige Produkte sogar u� ber 6 g NaCl/100 g liegen. Doch auchhierfu� r gibt es keinen Orientierungswert im Q-Standard, noch nicht einmal fu� r den Fettgehalt,

53 Initiative Lebensmitteldose (Auftraggeber): Nährwertuntersuchung "Gemüse aus der Dose im Vergleich zu frischem, verzehrfertigem Gemüse", Februar 2015. http://initiative-lebensmitteldose.de/fileadmin/user_upload/pdf/ILD_Naehrwertuntersuchung2015_Ergebnisse.pdf

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was beim Ka�se noch gemacht wurde. Doch gerade diese Daten, verwendbar als Kriterien fu� rden Einkauf, wa� ren fu� r die Praxis hilfreich gewesen. Aus der Sicht der bereits erwa�hnten "Na-tionalen Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL" wa� ren Hinweise auch bei dieserLM-Gruppe wichtig (s. auch Ka�se in St-Kap. 3.2.7).

Beim Fleisch wird die Ha�ufigkeit des Verzehrs limitiert, und zwar auf maximal zwei Gerichtepro Woche. Dies ist wieder nur auf die ausgezeichnete Menu� linie bezogen, da im gesamtenSpeisenangebot mind. zwei Veggietage (zzgl. 1x Fisch) von den Ga�sten nicht akzeptiert wu� r-den. Schon bei einem Veggietag pro Woche in den Kantinen hat es ja vor einigen Jahren inDeutschland erhebliche Proteste gegeben. Dies zeigt, wie schwer es ist, Erna�hrungsgewohn-heiten zu a�ndern. Aber auch wenn nur eine Menu� linie betrachtet wird, muss schon ein hohesErna�hrungsbewusstsein bei den Ga� sten vorhanden sein, wenn sie diese Einschra�nkung desFleischangebots akzeptieren. Zu bedenken ist, dass die DGE auch ta� glich ein vegetarisches Ge-richt fordert. Somit kann jeder auf Fleischgerichte komplett verzichten, wenn er mo� chte. Au-ßer dieser vegetarischen Linie gibt es normalerweise in der BG noch viele vegetarische Einzel-speisen, so dass jeder Vegetarier - und auch Veganer - auf seine Kosten kommt.

Da die vegetarischen Gerichte auch in einer na�hrwertoptimierten Linie angeboten werden sol-len, wa� re auch hier eine hohe erna�hrungsphysiologische Qualita� t gewa�hrleistet. Es fragt sich,ob der Gast zwischen diesen beiden Menu� -Linien wechseln kann. Dies wu� rde bedeuten, dassdie beiden Menu� s an einem Tag na�hrstoffa�quivalent sein mu� ssten. Der Durchschnitt u� ber eineWoche wu� rde als Kriterium nicht ausreichen, da es an einzelnen Tagen deutliche Ünterschiedebzgl. des Na�hrstoffgehalts der Menu� s geben kann. Der Aufwand fu� r die Entwicklung na�hrstoff-a�quivalenter Gerichte wa� re zu groß. Das bedeutet, dass ein Wechsel nicht befu� rwortet werdenkann.

Daher ist die Fleischmenge zu begrenzen. Andernfalls wu� rden unerwu� nschte Vera�nderungeneintreten. Auch wegen der schlechten CO2-A6 q von Fleisch ist dies notwendig. Wenn jedoch nurdie Gesamtmenge beschra�nkt wu� rde, und darauf ka�me es ja an, so wa�re es nicht no� tig, wennmaximale Häufigkeiten festgelegt werden. Es gibt genu� gend Rezepturen, die mit deutlich we-niger als 150 g Fleisch auskommen. Wenn die Fleischmenge pro Mahlzeiten nur 50 g betragenwu� rde, ko� nnte ta� glich Fleisch angeboten werden, ohne die Gesamtmenge zu u� berschreiten.Warum wird die Empfehlung daher nicht auf die Gesamtmenge bezogen?

Ferner werden magere Fleischsorten empfohlen. Eine Empfehlung sollte mo� glichst realistischund realisierbar sein. Nicht ausreichend beru� cksichtigt wird anscheinend, dass wir von der BGreden und nicht von der gehobenen Gastronomie mit entsprechender Preisgestaltung. Mage-res Fleisch ist fu� r die BG als Standardfleisch zu teuer, so dass eher mittelfette Sorten eingesetztwerden, die zudem geschmacklich Vorteile haben. Teueres mageres Fleisch wird in der Regelnur an Sondertheken und entsprechend hochpreisig angeboten.

Desweiteren weist die DGE darauf hin, dass weißes Fleisch dem roten Fleisch und verarbeite-ten Fleischwaren vorzuziehen sei, wobei auf das erho� hte Darmkrebsrisiko verwiesen wird. ImGrunde wird von rotem Fleisch nahezu komplett abgeraten. Das hieße, dass bis auf Geflu� gelkein Fleisch mehr im Speisenplan auftauchen du� rfte, also kein Schweinefleisch, kein Rind-fleisch. Wieviel Praxisrelevanz steckt in einem solchen Hinweis? Maßnahmen gegen den Main-stream haben nur geringe Ümsetzungschancen. Sinnvoller wa� re es, ein Verha� ltnis von rotemzu weißem Fleisch anzugeben, wobei die Dominanz des rotes Fleisches umzukehren wa� re. In

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einem weiteren Schritt ko� nnten die u� blichen Portionsmengen fu� r rotes Fleisch reduziert wer-den, z.B. auf max. 100 g. Diese beiden Schritte sollten in Abha�ngigkeit von den Wu� nschen derGa� ste u� ber einen la�ngeren Zeitraum von mehreren Jahren angestrebt werden. Das sind nurBeispiele fu� r Maßnahmen, die ein sanftes Gleiten in eine erwu� nschte Richtung ermo� glichenko� nnen. Solche Vorgaben ha� tte man vom Q-Standard erwartet.

Widmen wir uns nun noch dem Fisch und den Fischwaren, woru� ber nur wenig ausgesagtwird. Die DGE beschra�nkt sich bei ihren Hinweisen auf den Proteingehalt sowie den Gehalt ann-3-Fettsa�uren und Jod. Es wa�re aber zu erwarten gewesen, dass zu Fischwaren wegen des ho-hen Salzgehaltes einiges gesagt wird. Der beliebte Salzhering kann bis zu 12 g NaCl/100 g ent-halten. Daher ist hier ein entsprechender Hinweis auszusprechen. Da es in diesem Kapitel umdie "optimale Auswahl" geht, bei der auch Aspekte der Nachhaltigkeit beru� cksichtigt werdensollen, wa� ren gerade beim Fisch auch einige Hinweise zur Belastung mit diversen Substanzenangebracht. Bekanntlich wird der beliebte Lachs mit dem Pestizid Ethoxyquin behandelt undhierfu� r wurde europaweit keine Ho� chstmenge festgelegt. Das bedeutet, dass trotz sehr hoherGehalte diese LM nicht aus dem Verkehr gezogen werden ko� nnen. Die meisten Lachse sind be-troffen54.

Welche Empfehlung sollte fu� r die BG gegeben werden, wenn keine Schadstoff-Gehalte bekanntsind? Ein weiteres Beispiel fu� r Ümweltbelastungen von Fischen sind die Nanopartikel von ubi-quita� r im Meer vorkommenden Plastikteilen, die von den Fischen aufgenommen werden undsomit letztlich auf dem Teller landen. Hierzu ha� tte zumindest ein Wort im Q-Standard verlorenwerden mu� ssen, nicht zuletzt schon deshalb, weil die Ga� ste daru� ber meist gut informiert sindund Bedenken haben, aus diesen und anderen Gru� nden noch Fisch zu essen. Der Fischkonsumwird aber nach wie vor empfohlen. Die Gru� nde dafu� r sind dem Gast immer weniger klar. Fu� rmehr Klarheit ha� tte der Q-Standard sorgen ko� nnen.

Die DGE empfiehlt, Fische mit dem Siegel MSC oder ASC zu verwenden. Im Fall von MSC kannein Gehalt von Pestiziden aber nicht ausgeschlossen werden, weil es hierbei nur um die Fang-methoden geht. Ü6 berhaupt gibt es starke Kritik am MSC-Siegel55, weshalb die DGE diese Emp-fehlung etwas ha� tte erla�utern mu� ssen und nicht einfach nur darauf hinweisen du� rfen. Die aus-schließliche Verwendung von Zuchtlachsen mit dem ASC-Siegel (Bio-Aquakultur) wa� re sichereine gute Maßnahme, um die Behandlung mit Pestiziden auszuschließen. Allerdings ist dieASC-Ware relativ teuer, was sie fu� r den Bereich der BG vermutlich nur als Nischenprodukt ein-setzbar macht. Aussagen zur Verwendung von Eiern wurden nicht gemacht.

3.2.9 LM-Gruppe: GetränkeDie empfohlenen Getra�nke im Q-Standard sollten im Angebot sein. Wasser und zucker- sowiekoffeinfreie Getra�nke mu� ssen jedoch in einer BG durch ein gutes Kaffee- und Teesortiment er-ga�nzt werden. Koffeinhaltige Getra�nke werden von der DGE nicht zu einer "optimalen Aus-wahl" gerechnet.

Der Genuss von Kaffee oder Tee kann, in Maßen getrunken, die Leistungsfa�higkeit erho� henund ist somit ein wertvoller Beitrag fu� r die Leistungsfa�higkeit der Mitarbeiter durch eine er-

54 Wikipedia: Ethoxyquin im Lachs. https://de.wikipedia.org/wiki/Ethoxyquin55 WDR5: Quarks. Es gibt heftige Kritik am blauen MSC-Siegel. Sendung vom 28.8.20. https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/quarks/hinter-

grund/audio-es-gibt-heftige-kritik-am-blauen-msc-siegel-100.html

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ho� hte Konzentration und ein besseres Wohlbefinden. Dies kommt letztlich auch dem Betriebzugute. Kaffee in einer Pause genossen, kombiniert mit sozialen Kontakten in angenehmer Ca-feQhaus-Atmospha� re, hat eine wichtige psychische Funktion. Dies tra� gt zur Entspannung undzu einem guten Betriebsklima bei und kann helfen, erlebte A6 rgernisse besser zu verarbeiten.

Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass die DGE diese Getra�nkegruppe im Q-Standard nur ineinem Nebensatz erwa�hnt. Es geht ja bei Getra�nken nicht nur um die Erzielung einer ausgegli-chenen Wasserbilanz, also um rein physiologische Aspekte. Die Psychologie ist auch wichtigund eine "gute Tasse Kaffee" (oder auch Tee) ist bezu� glich der psychologischen Effekte dabeinicht so leicht ersetzbar. Im Ü6 brigen ist auch aus gesundheitlicher Sicht gegen einen maßvol-len Konsum von Kaffee und schwarzem Tee nichts einzuwenden.

Auch aus Sicht der Nachhaltigkeit kann zum Kaffee einiges gesagt werden. So sollte darauf ge-achtet werden, dass Fairtrade- und O6 ko-Vorgaben eingehalten werden, wofu� r entsprechendeSiegel vergeben werden. Es gibt weitere Aspekte, die zumindest ha� tten erwa�hnt werden ko� n-nen, wenn nicht sogar Kriterien hierfu� r aufgestellt werden sollten. Dies betrifft z.B. die Kaffee-sorte, den Ro� stgrad, die Ro� sttemperatur das Gera� t fu� r die Herstellung von Kaffee oder die Zu-gabe von Milch versus alternativen Milchsorten, um nur einige zu nennen. Fu� r den Tee mit sei-nem noch vielseitigeren Sortiment gilt Analoges.

Fazit LM-Gruppen: Insgesamt zeigen die Ausführungen dieses Unterkapitels, dass dieernährungsphysiologischen Aspekte zu stark im Vordergrund stehen.

3.3 Ableitung von Kriterien3.3.1 Beschreibung der MethodeIn diesem Ünterkapitel wird dargelegt, wie die Kriterien fu� r ein gesundheitsfo� rderliches undnachhaltiges Erna�hrungsangebot in der BG abgeleitet werden. Hierfu� r werden zuna� chst wie-der die Quellen genannt, die schon im Kap. 3.2 zu finden sind. In der "theoretischen Ableitung"wird auf die Problematik von Referenzwerten fu� r die BG eingegangen, weil in einem BetriebMenschen einer breiten Altersspanne (i.d.R. 19-65 Jahre) mit unterschiedlichem Geschlechtund mit unterschiedlichen ko� rperlichen Aktivita� ten arbeiten. Sie alle mu� ssen mit einem ein-heitlichen Angebot versorgt werden. Diese Aussage trifft aber nur zu, wenn man von Einheits-menu� s ausgeht. In der Praxis ist diese Aussage la�ngst widerlegt, weil durch das Angebotskon-zept der Komponentenwahl ("Free-Flow"-System) jedem Gast eine individuelle Auswahl ge-stattet wird. Es wa� re darauf angekommen, diese Auswahl gu� nstig zu beeinflussen, indem diehochwertigen Speisen z.B. mit einer gru� nen Ampel gekennzeichnet werden. Die Vorgaben be-ziehen sich auf die D-A-CH-Referenzwerte, wobei ein durchschnittliches Alter und ma�ßige ko� r-perliche Aktivita� t unterstellt wird. Fu� r die jeweiligen Mahlzeiten werden Prozentsa� tze des Ta-ges festgelegt, wobei fu� r alle Hauptspeisen, also auch das Mittagessen, 25% festgelegt werden.Aufgrund dieser Daten kann das Gesamtangebot von Speisen kalkuliert werden, also die Ein-kaufsmenge. Desweiteren wird auf die LM-Qualita� ten verwiesen, wie sie in Kap. 3.2 beschrie-ben sind. In einem na�hrstoffoptimierten 4-Wochen-Speisenplan werden LM-Qualita� ten und -ha�ufigkeiten abgeleitet. Hierbei sollten in 90% der Gesamtenergie 100% der Referenzwer-te fu� r Mikrona�hrstoffe erreicht werden, um LM geringer NSD einbeziehen zu ko� nnen.

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Leider wird keine Quelle im Q-Standard angegeben, wo der 4-Wochenspeiseplan nachvollzo-gen werden ko� nnte. Die Nachvollziehbarkeit von Aussagen ist aber ein ganz wesentliches Ele-ment einer wissenschaftlichen Vorgehensweise, worauf die DGE bekanntlich immer wiederhinweist. Fu� r die Festlegung von Referenzwerten fu� r die einzelnen Mahlzeiten in der BG wirdvon Durchschnittswerten fu� r den jeweiligen Anteil pro Tag ausgegangen. Diese Durchschnitts-werte fu� r das Mittagessen wa�ren fu� r jeden Na�hrstoff ein Viertel der Tageswerte.

3.3.2 Viertelansatz vs Drittelansatz für das Mittagessen Noch in der letzten Auflage wurde von der DGE vom sog. Drittelansatz beim Mittagessen aus-gegangen56. Das heißt, dass von allen Na�hrstoffen ein Drittel der Tagesreferenzwerte im Mit-tagessen enthalten sein soll. In den neuen Q-Standards gibt sich die DGE beim Mittagessen nurnoch mit 25% zufrieden. Dieser neue Ansatz (Viertelansatz) wird nicht begru� ndet. Auch diesist wissenschaftlich gesehen unbefriedigend. Wenn ein Paradigmenwechsel vorgenommenwird, und der Wechsel vom Drittel- zum Viertelansatz kann so bezeichnet werden, dann darfman doch erwarten, dass die Hintergru� nde fu� r diese A6 nderung erla�utert werden. NWB von gutzusammengesetzten 4-Wochenspeisepla�nen zeigen, dass gerade beim Mittagessen eine hoheNSD erreichbar ist, weil in dieser Mahlzeit viele na�hrstoffreiche LM verwendet werden ko� n-nen, wie insbesondere Gemu� se, Kartoffeln, Hu� lsenfru� chte, Vollkornprodukte oder Fisch57. So-mit ist mit dem Mittagessen ein sehr guter Beitrag zur Erna�hrung zu leisten. Daher sollte derAnteil des Mittagessens hoch sein, zumal bei vielen Menschen das Fru� hstu� ck oft nur aus einerTasse Kaffee besteht, komplett ausfa� llt oder minderwertig ist (Weißmehlbro� tchen mit Konfitu� -re). Große Portionsmengen hochwertiger LM beim Mittagessen ko� nnten diese Ünterversor-gung kompensieren helfen. Die geringen Anforderungen des Viertelansatzes beim Mittagessenwirken somit hemmend auf die Ümsetzung einer vollwertigen Erna�hrung.

Im Kap. 3.3 wird definiert, was unter einer Erfu� llung der Anforderungen zu verstehen ist. Mit90% des Energieangebots sollen bereits 100% der Mikrona�hrstoffe enthalten sein. Die NSDwird somit um 11% erho� ht. Der Anteil der Mikrona�hrstoffe im Mittagessen bezogen auf dieTagesreferenzwerte bleibt bei 25%. Dieser Prozentsatz stellt eine geringe Anforderung dar.Mit dem bisherigen Drittelansatz wurden 33% fu� r alle Mikrona�hrstoffe verlangt, was meistleicht erreichbar war. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sowohl der Vier-tel-, als auch der Drittelansatz nach der "Rasenma�hermethode" funktionieren. Das bedeutet,dass fu� r alle Mikrona�hrstoffe der gleiche Anteil gefordert wird, obwohl die mo� glichen Erfu� l-lungsgrade von Na�hrstoff zu Na�hrstoff stark variieren und im Mittagessen meist hoch sind. Beimanchen Na�hrstoffen ist ein wesentlich ho� herer Anteil als ein Drittel realisierbar, z.B. beimVitamin C. Hier ko� nnte sogar oft ohne Schwierigkeiten 100% des Referenzwertes mit dem Mit-tagessen erzielt werden. Eine Anforderung von ≥ 75% wa�re in diesem Fall angemessen. Beivielen Mikrona�hrstoffen ko� nnen mind. 50% erreicht werden. Ünter 33% sollte die Anforde-rung bei keinem Na�hrstoff fallen. Selbst beim Calcium gelingt das bei einem gut zusammenge-stellten 4-Wochenspeiseplan problemlos. Leider verzichtet die DGE darauf, die Na�hrstoffan-forderungen an die Realisierungsmo� glichkeiten anzupassen und unterschiedliche Anteile derverschiedenen Na�hrstoffe zu definieren. Der Bewertungsaufwand wa�re der gleiche. Diese Vor-

56 DGE: Job und Fit, Q-Standard für die Betriebsgastronomie. 4. Aufl. von 2014, S. 2157 Peinelt V: Empfehlungen für die Speisenplangestaltung des Mittagessens in Betriebsrestaurants unter Berücksichtigung anderer Mahlzeiten. Dis-

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gehensweise wird nicht begru� ndet, obwohl der variable Ansatz bei der DGE schon seit langembekannt ist58. Statt einen einheitlichen Viertelansatz zugrunde zu legen, wa� re es besser, dasPotenzial des Mittagessens fu� r eine hohe Na�hrstoffzufuhr durch die Forderung eines Drittel-ansatzes mit differenzierten Erfu� llungsgraden zu nutzen.

Die Anforderungen beim Mittagessen durch den Viertelansatz sind so niedrig, dass sie leichtzu erfu� llen sind. Doch welchen Sinn macht es, sehr niedrige Anforderungen zu stellen, so dassselbst ein ma�ßiger Speisenplan sie noch erfu� llen kann und hierfu� r mit einem Zertifikat be-lohnt wird? Dies kommt ja fast schon einem Gefa� lligkeitszertifikat gleich. Wann kann ein Spei-senplan die Anforderungen gerade noch erfu� llen und wann nicht mehr? Das la� sst sich serio� snur mit einer NWB beantworten. Insofern gibt es im Q-Standard einen Widerspruch, weil eineAnforderung beschrieben wird, die ohne NWB nicht funktioniert, obwohl genau das sugge-riert wird59, denn im Q-Standard werden nur Kriterien fu� r LM-Qualita� ten und -ha�ufigkeiten alsKriterien sowie Orientierungsmengen genannt. Eine NWB ist wegen fehlender Referenzwertefu� r das Mittagessen aber gar nicht mo� glich.

3.3.3 Menü-Bewertung mit der Nährwertberechnung Wie oben ausgefu� hrt, ist eine NWB beim Bewertungsansatz der DGE nach wie vor erforder-lich, obwohl die Daten als Kriterien hierfu� r nicht geliefert werden. Es du� rfte zu wenig bekanntsein, dass die NWB aus verschiedenen Gru� nden zu fehlerhaften Ergebnissen in der BG fu� hrenkann. Üm diese zu vermeiden, sind gute Kenntnisse u� ber den BLS und das NW-Berechnungs-programm erforderlich. Bei der Vielzahl a�hnlicher LM, gerade bzgl. des Verarbeitungsgrades,kann es leicht zu einer "falschen Auswahl" kommen - mit der Folge von fehlerhaften Ergebnis-sen. In einer Stellungnahme wurden die Probleme der NWB na�her erla�utert60, worauf verwie-sen wird. Mit diesen Problemen ist der na�hrstoffbezogene Bewertungsansatz belastet. Wenndie DGE nur eine bestimmte Menu� -Linie u� ber einen bestimmten Zeitraum bewertet, sind zu-na� chst einmal diese Probleme zu meistern.

Wie bereits in St-Kap. 3.3.2 ausgefu� hrt, wird eine Ü6 berdeckung von 11% bei den Mikrona�hr-stoffen gefordert. Mit einer erho� hten NSD des Mittagessens kann ein Puffer geschaffen wer-den, der die meist schlechtere NSD der anderen Mahlzeiten zumindest teilweise ausgleichenkann. Insofern ist dieser Ansatz im Rahmen des menu� basierten Ansatzes richtig. An dieserStelle sei ein kleiner Ru� ckblick erlaubt. Dieser heute von der DGE wieder vertretene Ansatz ei-ner erho� hten NSD fu� r das Mittagessen wurde bereits Anfang der 1990er Jahre in der DGE auf-grund intensiver Berechnungen eingefu� hrt61. Er war also gut begru� ndet. Erstaunlicherweiseist er dann aber, Mitte der 1990er Jahre, wieder abgeschafft worden - zugunsten des reinenDrittelansatzes. Die Ru� ckkehr zum einfachen Drittelansatz wurde seinerzeit nicht begru� ndet,genauso wenig wie der neuerdings verwendete Viertelansatz. Fehlende Begru� ndungen sindmit dem wissenschaftlichen Anspruch der DGE nicht zu vereinbaren.

Wie dargelegt, ist der menu� basierte Ansatz ungeeignet. Dies trifft auch fu� r den durchschnitts-basierten zu, um ein vollwertiges Angebot sicherzustellen. Hierbei wird davon ausgegangen,

58 Ebda59 DGE: Q-Standards für die Betriebsgastronomie, s. S. 33. https://www.dge.de/gv/dge-qualitaetsstandards/60 Peinelt V: Probleme mit Nährwertberechnungen. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/probleme-nw-berechnung/61 Peinelt V: Empfehlungen für die Speisenplangestaltung des Mittagessens in Betriebsrestaurants unter Berücksichtigung anderer Mahlzeiten. Dis-

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dass ein Menu� so zusammengesetzt wird, dass die Na�hrstoff-Bedu� rfnisse einer durchschnittli-chen Person gedeckt werden. Na�heres hierzu im nachfolgenden Kapitel. Fu� r die wirtschaftli-che Kalkulation ist dieser Ansatz hingegen notwendig.

Wie wird bei der Bewertung von Komplettmenu� s vorgegangen? Da sie nicht mehr angebotenwerden, muss von Tellergerichten ausgegangen werden. Hierbei werden Salate und Dessertsfiktiv erga�nzt und kalkuliert. Aber auch die Tellergerichte mu� ssen vermutlich auch schon fiktivzusammengestellt werden, weil diese nicht alle drei u� blichen Komponenten enthalten. Es han-delt sich bei diese fiktiven Kombinationen um ziemlich vage Kalkulationen. Ein Dienstleisterin einer BG, der von der DGE ein Zertifikat erhalten mo� chte, wird bei einer solchen fiktiven Zu-sammenstellung natu� rlich nur seine besten Beilagen beru� cksichtigen. Selbst wenn die zuGrunde gelegten Beilagen und Desserts an den jeweiligen Tagen angeboten wurden (was zupru� fen wa� re), so stellt sich doch die Frage, wie viele der Ga� ste zum berechneten Tellergerichtauch den angenommenen Salat und das unterstellte Dessert wa�hlen. Vermutlich ist der Pro-zentsatz der Ga� ste nur gering. Die fiktiven Zusammenstellungen stellen also den "best case"dar, der mit der Realita� t nur wenig zu tun hat.

Daher muss gefragt werden du� rfen, was man mit diesen Berechnungen und den damit verbun-denen Auszeichnungen eines Betriebes eigentlich bezweckt? Zuna� chst gibt es eine win-win-Si-tuation, weil der betreffende Betrieb das DGE-Zertifikat erha� lt und die DGE mit dem Betriebeinen weiteren Nachweis fu� r ihre gesundheitspolitische Rolle in der Gesellschaft erbringenkann. Nur der Gast, das eigentliche Ziel aller Bemu� hungen, hat wenig davon. Daher ist der aufNa�hrwerten beruhende Bewertungsansatz der DGE u� berholt, gleich ob Komplettmenu� s oderKomponentenwahl.

Im Ü6 brigen mu� sste ein solcher Betrieb wegen der NWB noch viel selbst produzieren, wenn erauf High-Convenience-Produkte ganz oder teilweise verzichtet. Eine Ablehnung von High-Con-venience-Produkten ist heutzutage immer seltener mo� glich, da es einen massiven Mangel anKu� chenfachkra� ften gibt62, die ja fu� r die Eigenproduktion erforderlich sind. Betriebe mit einemvielfa� ltigen Angebot, und das wird nun mal vom Gast verlangt, mu� ssen daher diese personal-sparenden Produkte einsetzen. Die Verwendung von High-Convenience-Produkten mussaber kein Nachteil sein, wie die DGE meint! Es kann sogar das Gegenteil der Fall sein. Dankimmer besser werdender Marktangebote, die optimal an die Gera� te in Großku� chen angepasstsind, kann man heutzutage derartige Speisen in sehr guter Qualita� t erhalten, wo sie mit mo-dernen Gera� ten schonend gefinisht werden.

Im Ergebnis ist die Bewertung des Speisenangebots u� ber die Berechnung einer einzelnen Li-nie nicht geeignet, um die erna�hrungsphysiologische Qualita� t zu erfassen. Dies soll nachfol-gend einmal an einem Beispiel abgescha� tzt werden: Bei einem normalen Angebot eines mitt-leren bis großen Betriebes in der BG wird eine Vielzahl von Speisen angeboten. Diese kannschnell in eine Gro� ßenordnung von 100 Speisen und mehr ta� glich kommen. Wu� rde man nuneine Linie fu� r die Bewertung herausgreifen, so vernachla� ssigt man den ganzen Rest des Ange-bots. Somit wu� rde der Großteil des Angebots nicht in die Bewertung einfließen. Menu� liniensuggerieren daher eine Qualita� t, die nicht durchga�ngig besteht. Im Extremfall haben diesedurchgerechneten Linien eine reine Alibifunktion.

62 Peinelt V, Gemüth P: Produktionssysteme in der GG. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme/

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3.3.4 Durchschnittsansatz und Nährstoffdichte Die DGE hat bei der Bewertung der Mahlzeiten einen Durchschnittsansatz bezu� glich der Na�hr-stoffanforderungen fu� r eine Person mittleren Alters gewa�hlt. Das bedeutet, dass ein Teil derGa� ste mit dem Mittagessen zu wenig und der andere Teil zu viel "bekommt". Der erste mu� sstesein Menu� irgendwie erga�nzen, der zweite ha� tte Speisereste auf dem Teller. In beiden Fa� llenstimmt die berechnete Na�hrstoffaufnahme nicht mehr. Bei den wenigsten ist dieser Mengen-ansatz also genau passend. Diese Festlegung der Menu� menge hat noch weitere als rein statis-tische Schwachstellen.

Denn abgesehen von unterschiedlichen physiologischen Bedu� rfnissen der Ga� ste gibt es bei je-dem Gast spezifische Schwankungen. Die Ürsachen hierfu� r sind zahlreich. Manche Ga� ste ha-ben nicht gefru� hstu� ckt und verspu� ren daher mittags besonders viel Appetit, so dass die nor-male Portion nicht reicht. Andere fu� hlen sich nicht wohl, so dass der Appetit geda�mpft ist. DasEssverhalten der Ga� ste weicht daher oft vom exakten Durchschnitt ab. Wichtig wa� re, dass diegewa�hlten Speisen eine hohe NSD aufweisen. Es ka�me darauf an, dass die Ga� ste erkennen ko� n-nen, welche Speisen eine hohe NSD haben.

Wa� re hierfu� r eine NW-Kennzeichnung hilfreich? Die Antwort lautet: nein! Sie ist es schon des-halb nicht, da die Ga� ste mit den Zahlenangaben nicht viel anfangen ko� nnen. Es handelt sichlaut LMIV63 um sieben Angaben, die zu bewerten wa�ren. Die erste Stufe der Information wa� re,dass die Na�hrstoffe gema�ß Menu� zusammensetzung summiert werden mu� ssen. Doch schondiese erste Stufe wird sehr wahrscheinlich niemand erreichen, weil die Summierung viel zuumsta�ndlich ist. Ünd selbst, wenn der Gast dies geschafft ha� tte, mu� sste er die ermittelten Zah-lenwerte noch bewerten. Fu� r einen Laien ist dies normalerweise nicht mo� glich. Die Zahlen wa� -ren also weitgehend wertlos.

Wie wichtig ist die exakte Kenntnis der Na�hrwerte u� berhaupt? Bei einer hohen NSD der Spei-sen ist die exakte Na�hrstoffmenge sekunda� r, da u� ber das Sa� ttigungsgefu� hl i.d.R. ein Ausgleichstattfindet. Wer also etwas mehr beim gut zusammengestellten Mittagessen zu sich nimmt, er-reicht eine ho� here Sa� ttigung und kann auf den Kuchen am Nachmittag verzichten. Er trinktnur eine Tasse Kaffee. Seine Na�hrstoffversorgung ist dann auf jeden Fall besser als mit einemStu� ck Kuchen und einer kleineren Portionsmenge beim Mittagessen. Der Gast mu� sste ebennur wissen, wie er die NSD der verschiedenen Speisen unterscheiden kann (s. na� chstes Kap.).

In der LMIV ist festgelegt, wie gekennzeichnet werden muss. Eine Kennzeichnung bezogen aufdie NSD, also auf 1000 kJ, ist gar nicht zula� ssig, sondern nur auf 100 g oder zusa� tzlich auf einePortion bezogen. Somit ist es auf dem Wege der NW-Kennzeichnung gar nicht mo� glich, dieNSD anzugeben. Der Gast mu� sste sie selbst ermitteln, indem er die angegebenen Na�hrstoffge-halte pro 1000 kJ berechnet, was niemand machen wird. Die NW-Kennzeichnung ist also we-nig hilfreich, um eine gesundheitsfo� rdernde Auswahl zu treffen.

63 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25.10.2011 (LIV): Informationen der Verbraucher über Lebensmittel. Amtsblatt der Europäischen Union, L 304/18-63 vom 22.11.2011. www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Kennzeich-nung/VO_EU_1169_2011_lebensmittelinformation_nurAmtsblatt.html?nn=406624

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3.3.5 Ampelbasierte BewertungssystemeSeit la�ngerem gibt es Ampelsysteme, mit denen LM zu bewerten sind. Sie werden zzt. prima�rim LEH64 fu� r einzelne LM eingesetzt, ko� nnen aber auch fu� r Speisen und Gerichte genutzt wer-den, was auch schon geschieht, z.B. mit Nutri-Score. Beispiele sind TK-Pizzen oder Einto� pfe.Mit einem Ampelsystem ließen sich die einzelnen Speisen mit Farbsymbolen kennzeichnen, sodass der Gast bei einer gesundheitsbewussten Einstellung nur darauf achten mu� sste, gru� neund gelbe Speisen zu wa�hlen. Das ließe sich leicht auch beim "Free-Flow"-System realisieren.Noch ist allerdings der Nutri-Score fu� r die GG nicht freigegeben. Auf Basis der aktuellen Be-wertungsalgorithmen wa�re der Nutri-Score hierfu� r noch ungeeignet, wie eine umfangreicheStudie gezeigt hat65.

Allerdings sind auch andere Ampelsysteme fu� r die Bewertung von Speisen und Gerichtennicht gut geeignet. Ein anderes Konzept erzielt hingegen sehr gut validierte Ergebnisse, exis-tiert schon la�nger und wird seit Jahren in Deutschland in zahlreichen Kantinen erfolgreich ein-gesetzt. Es handelt sich um das Gastronomische Ampelsystem (GAS), das von der HochschuleNiederrhein entwickelt wurde. Bei diesem System werden die Speisen und Gerichte mit denbekannten Ampelfarben prima� r nach der NSD bewertet, wobei auch noch andere Aspekte ein-fließen. Weitere Einzelheiten hierzu spa� ter (s. St-Kap. 8).

Die DGE ha� tte einige Ampelsysteme beschreiben und bzgl. ihrer Bewertungseignung beurtei-len ko� nnen. Damit wa� ren zahlreiche Probleme bei der Anwendung der NWB beseitigt. Eventu-ell ha� tte die Anwendung eines solchen Systems geholfen, die Bewertung von Speisenangebo-ten in der BG auf eine breite Basis zu stellen.

4. Gestaltung der Verpflegung

4.1 EinführungNach den kritischen Ausfu� hrungen zum Bewertungsansatz der DGE sollen nun die Vorschla� gefu� r die Gestaltung der Verpflegung unter Beru� cksichtigung der gesundheitsfo� rdernden undnachhaltigen Aspekte bewertet werden. Das Kapitel ist in fu� nf Bereiche untergliedert, undzwar Planung, Einkauf, Zubereitung, Ausgabe und Entsorgung/Reinigung.

Die Ausfu� hrungen beginnen mit einigen Selbstversta�ndlichkeiten, indem der Leser erfa�hrt,dass man fu� r die Planung die Zahl der Essen wissen sollte oder dass die Menge an Speiseres-ten dadurch beeinflusst wird. Auch ein Bestellsystem sei von Vorteil, erfa�hrt man weiter. Wirreden hier von der BG, in der sogar ein Warenwirtschaftssystem gang und ga�be ist. Es ist da-her zu empfehlen, den Text der Q-Standards fu� r den jeweiligen GG-Bereich sta� rker anzupas-sen. In einem Nachhaltigkeitskasten erfa�hrt man dann erneut, dass pflanzliche LM wenigerTreibhausgase abgeben als tierische. Es kommt somit auch an dieser Stelle zu einigen Wieder-holungen (s. Ausfu� hrungen zur Thematik Vollkorn).

Danach wird auf Tabellen Bezug genommen, in denen LM-Gruppen sowie Qualita� ten fu� r eineoptimale Auswahl angegeben werden. Außerdem erha� lt man noch Hinweise fu� r die Ha�ufigkei-

64 LEH=Lebensmittel-Einzel-Handel65 Peinelt V: Nutri-Score - Ergebnisse einer Untersuchung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/nutri-score-vs-gas/

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ten und Mengen in einem bestimmten Zeitraum, hier allerdings nur 5 Tage, also eine Arbeits-woche. Ferner werden noch Minimal- und Maximalforderungen fu� r bestimmte LM genannt. Esfolgen einige Hinweise zur ovo-lakto-vegetarischen Erna�hrung, da auch solche Angebote ta� g-lich gemacht werden sollen. So erfa�hrt man etwas u� ber den kritischen Na�hrstoff Eisen und wieman einem Mangel vorbeugen kann, z.B. durch eine gute Zufuhr an Vit. C, was i.d.R. gut mo� g-lich ist. Der Hinweis, mehr Hu� lsenfru� chte zu essen, hat generelle Gu� ltigkeit und sollte aus vie-len anderen Gru� nden beru� cksichtigt werden, u.a. auch wegen des Eisens. Als weiterer kriti-scher Na�hrstoff werden langkettige n-3-Fettsa�uren genannt, die bei der Meidung von Fischmo� glicherweise nicht ausreichend aufgenommen werden ko� nnen. Angesichts der geringenÜmwandlungsrate (~5%) der n3-Linolensa�ure pflanzlicher O6 le zu langkettigen n-3-Fettsa�uren(DHA & EPA), ist es schwierig, eine ausreichende Ümwandlung im Ko� rper zu erzielen.

Man ko� nnte sich die Frage stellen, warum die DGE angesichts der genannten Schwachstellendann u� berhaupt eine vegetarische Linie fordert. Liest man den kurzen Abschnitt auf S. 42 imQ-Standard u� ber das ovo-lakto-vegetarische Angebot, so wird die "Bereicherung im Speisen-plan" als Begru� ndung genannt, nicht aber eine erna�hrungsphysiologische. Es gibt aber auchzahlreiche erna�hrungsphysiologische Gru� nde fu� r eine ovo-lakto-vegetarische Erna�hrung, dieder Leser erfahren sollte. Hier wird vielleicht etwas zuviel vorausgesetzt. Wenn es nur um ei-nen Modetrend ginge, so wa� ren noch viele andere Kostformen zu nennen. Neben dem Eisenund den n-3-Fettsa�uren wa�ren noch weitere Na�hrstoffe zu nennen, die bei einer vegetarischenErna�hrung problematisch sein ko� nnen. Allerdings gibt es auch einige Vorteile einer solchenKostform, was auch einmal klar gesagt werden sollte. Am ehesten ko� nnen bei einer veganenKostform Probleme einer mangelhaften Versorgung auftreten. Daher sollte sich die DGE nichtnur zur liberalsten Form der vegetarischen Erna�hrung, sondern auch zur veganen Erna�hrunga�ußern, um den Betriebsleitern gerade hier eine Orientierung zu geben. Es ko� nnte auf eineDGE-Stellungnahme verwiesen werden.

Die vegane Erna�hrung ist inzwischen in der gastronomischen Welt u� berall pra� sent. Kaum einRestaurant kann es sich erlauben, auf entsprechende Angebote zu verzichten. Auch in der BGwerden zunehmend solche Angebote verlangt. Außerdem ist es unbestritten, dass die veganeErna�hrung die nachhaltigste aller Kostformen ist. Schon allein deshalb ha� tte sie ein Statementder DGE verdient, zumal die Nachhaltigkeit bei diesen Q-Standards mehr als fru� her eine Rollespielt.

4.2 Empfehlungen für das Mittagessen 4.2.1 Festlegungen von LM-Gruppen, Qualitäten und MengenEs wird darauf verzichtet, die Ausfu� hrungen fu� r das Fru� hstu� ck und die Zwischenverpflegungzu kommentieren, sondern es soll hier nur auf die Empfehlungen fu� r das Mittagessen einge-gangen werden. Zu dieser Mahlzeit wird ausgefu� hrt, dass es einen wesentlichen Beitrag zurta� glichen Erna�hrung leisten kann". Das ist zweifellos richtig. Dieser Beitrag ist sogar u� berpro-portional hoch, d.h. die NSD dieser Mahlzeit ist bei guter Zusammenstellung meist ho� her alsbei den anderen Mahlzeiten66. Nur ha� tte diese Erkenntnis dazu fu� hren mu� ssen, dass die DGE

66 Peinelt V: Empfehlungen für die Speisenplangestaltung des Mittagessens in Betriebsrestaurants unter Berücksichtigung anderer Mahlzeiten. Dis-sertationsschrift. Wissenschaftlicher Fachverlag, Gießen 1992, 273 S.

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den Anteil des Mittagessens nicht auf 25%, sondern mind. auf 33% festlegt. Diese Abkehr vomalten Drittelansatz des Mittagessens ist daher aus Autorensicht nicht nachvollziehbar.

In der Tab. 3 im Q-Standard werden LM-Gruppen und Qualita� ten genannt. Auf der na� chstenSeite findet man Angaben fu� r die Ha�ufigkeiten und Mengen. Zuna� chst eine formale Anmer-kung: Da die LM-Gruppen und Qualita� ten auf der rechten Seite angegeben werden, die Ha�ufig-keiten- und Mengenangaben aber ohne erneute Angabe der LM-Gruppen auf der nachfolgen-den linken Seite, muss umgebla� ttert werden, wenn man wissen will, worauf sich die Ha�ufigkei-ten und Mengen beziehen. Das ist sehr umsta�ndlich im Handling.

Dann fa� llt auf, dass auf der Seite der Ha�ufigkeiten in der zweiten Spalte Angaben fu� r die vege-tarische Kost gemacht werden, die sich aber von der Mischkost (mit Ausnahme von Fleisch/Fisch) nur durch leicht erho� hte Mengen unterscheiden. Die fehlenden Mengen fu� r Fleisch undFisch mu� ssten auf die vegetarischen LM-Gruppen verteilt werden, um die gleiche Gesamtmen-ge zu erreichen. Hierfu� r sind diese Mengen um 10-15% zu erho� hen. Wie diese Mengendiffe-renzen u� ber die LM-Gruppen ausgeglichen werden, ist eigentlich nachrangig. Dennoch werdendie Mengen bei den einzelnen vegetarischen LM-Gruppen genau angegeben, was aber eine un-no� tige Vorgabe ist.

Allerdings sind die Mengen fu� r Fleisch und Fisch (450 g) nicht komplett bei den vegetarischenLM-Gruppen untergebracht worden. Der Sinn dieser Aufteilung war doch, dass die Gesamt-mengen gleich sind. Wozu wird die vegetarische Linie mit den Mengen in einer separatenSpalte aufgefu� hrt, wenn die fehlenden Fleisch- und Fischmengen dann doch nicht ausgegli-chen werden? Die vierte Spalte fu� r die vegetarische Kost ist somit entbehrlich. Sinnvoller wa� rees gewesen, die drei Spalten "LM-Gruppen", "Qualita� ten" und "Ha�ufigkeiten" auf eine Seite zubekommen, wobei sich der Hinweis, dass man in einer vegetarischen Linie kein Fleisch undkeinen Fisch anbietet, eru� brigt ha� tte.

4.2.2 Sinnhaftigkeit eines optimalen 5-Tage-PlansDie DGE hat in Tab. 3 einen Speisenplan fu� r das Mittagessen auf der Basis von fu� nf Tagen vor-gelegt, ohne diesen Wochenansatz zu begru� nden, denn u� blicherweise wird ein la�ngerer Zeit-raum zugrunde gelegt. Im Kap. 3.3 u� ber die Ableitung der Kriterien wird von einem 20-Tage-Plan gesprochen, von dem der 5-Tage-Plan abgeleitet wurde. Aber warum bleibt die DGE nichtbei diesen vier Wochen? Fu� r einen mehrwo� chigen Plan spricht, dass man viel mehr Freiheitenhat bei der Kombination von Speisen. So ko� nnte man auch eher selten angebotene Speiseneinbeziehen, z.B. Innereien. Ferner ließen sich erna�hrungsphysiologisch weniger gu� nstigeSpeisen integrieren, wie z.B. Hackfleischprodukte. Ein 4-Wochenplan ist viel variabler, vielfa� l-tiger und im Grunde auch realistischer als ein Plan fu� r eine Woche. Ümgekehrt ko� nnte manfragen, warum denn u� berhaupt ein 4-Wochenplan erstellt und berechnet wurde, wenn dieAussagen und Darstellungen sich dann doch nur auf einen 5-Tage-Plan beziehen? Dann ha� tteman direkt nur fu� nf Tage berechnen ko� nnen. Leider fehlt die Begru� ndung fu� r den DGE-Ansatz.

Fu� r die kalkulierten 4-Wochenpla�ne wird zwar eine Quelle genannt, die aber nicht verfu� gbarist. Im Internet wa� re es kein Problem gewesen, den gesamten Plan und die Berechnungsergeb-nisse anzugeben, so dass alles nachvollzogen werden ko� nnte.

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Mit einem 5-Tage-Plan ist das Problem verbunden, dass nur noch optimale Wahlmo� glichkeitengenannt werden ko� nnen, wie die Tab. 3 anschaulich zeigt. Auf Dauer mo� chte kein Mensch im-mer nur "gesund" essen, sondern hin und wieder besteht das Bedu� rfnis, einmal "zu su� ndigen".Mit einem 4-Wochen-Plan ha� tte die Mo� glichkeit bestanden, derartige "Ausrutscher" in derSpeisenauswahl quantitativ und qualitativ anzugeben, zumindest beispielhaft. Damit ha� tte ge-zeigt werden ko� nnen, in welchem Ümfang solche Ausrutscher mo� glich sind, ohne den Gesamt-plan in seiner guten Bewertung aufs Spiel zu setzen. Ein vollwertiger 4-Wochenplan ist so rea-lisierbar, dass auch "ungu� nstige Gerichte" noch kompensiert werden ko� nnen. Dies wird in Tab.3 u� ber Minimal- und Maximal-Angaben der 3. Spalte versucht.

Allerdings ist es allein auf dem Wege der NWB schwierig, solche Grenzen sichtbar zu machen,und zwar deshalb, weil die Berechnungen sich auf eine Durchschnittsperson bei normalenVerha� ltnissen beziehen, so dass Abweichungen bei der Auswahl in qualitativer oder quantita-tiver Hinsicht normalerweise abgewertet werden, was aber nicht immer gerechtfertigt ist.Entscheidend wa� re die NSD, die aber nicht ermittelt und zur Bewertung herangezogen wird.

Die bezweifelte Sinnhaftigkeit dieser Speisenplanung bezieht sich aber nicht nur auf die Dauerdes Plans. Die Frage ist doch, was mit dieser Festlegung eigentlich erreicht werden soll? Esliegt auf der Hand, dass die Angaben danach ausgelegt sind, einen Gast vollwertig zu erna�hren.Es wird nur die optimale Auswahl angesprochen. Die Tab. 3 gibt die LM-Wahl aus der Sicht ei-nes sehr gesundheitsbewussten Gastes wieder.

Wie bereits mehrfach erwa�hnt, kann ein Angebot in der BG nicht nur auf der Basis von opti-malen Speisen, als "Healthy Choices", gestaltet werden. Letztlich muss der Betriebsleiter aufalle seine Ga� ste Ru� cksicht nehmen. Realistisch betrachtet, ist davon auszugehen, dass die we-nigsten an einem perfekten Speisenangebot auf Dauer interessiert sind. Vielmehr verlangt einGast auch erna�hrungsphysiologisch weniger gu� nstige Speisen, wovon es bekanntlich vielegibt. Diesen Wu� nschen ist in moderatem Ümfang Rechnung zu tragen, will ein Gastronom aufDauer Erfolg haben. Erwachsene Ga�ste lassen sich nicht "erziehen" und reagieren sehr emp-findlich, wenn man das versucht.

Was heißt das jetzt fu� r den Anteil an gu� nstigen und weniger gu� nstigen Speisen? Ünd wie ko� n-nen diese voneinander unterschieden werden? Ist das Instrument der NWB hierfu� r u� berhauptgeeignet? Auf diese Fragen in Verbindung mit den gewu� nschten, aber weniger gu� nstigen Spei-sen mu� sste der Q-Standard auch Antworten geben. Leider tut er es nicht. Es ist klar, dass Voll-kornprodukte besser sind als Weißmehlprodukte. Ein gewisser Teil der "minderwertigerenProdukte" ist aber durchaus mit einem gesunden Erna�hrungsstil kompatibel.

Wie wird entschieden, ab wann das Angebot nicht mehr akzeptabel ist? Die Tab. 3 reicht mitihren Minimal- und Maximal-Angaben hierfu� r nicht aus. Dies wa� re mit einer konventionellenBewertung nur mo� glich, wenn komplette Menu� s berechnet werden, wobei man dann erken-nen ko� nnte, dass z.B. zu wenig Ballaststoffe in einem durchschnittlichen Mittagessen enthaltensind. Dann ko� nnten Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden, die z.B. im Ersatz der nor-malen Nudeln durch Vollkornnudeln bestehen ko� nnten.

Natu� rlich kann man eine einzelne Menu� linie durchrechnen und von der DGE ausgezeichnenlassen. Aber was passiert dann mit dem restlichen Angebot, das meist als "Free-Flow"-Systemvorliegt? Bleibt dies unberu� cksichtigt und wird nur diese eine Menu� linie bewertet? Das wa� renur ein Bruchteil des Gesamtangebots, was vielleicht 5-10% ausmacht, also so wenig, dass

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sich der ganze Aufwand der Zertifizierung mit den dafu� r notwendigen NWB nicht wirklichlohnen wu� rde. Oder glaubt die DGE, glauben die Betriebsleiter, dass dieser Prozentsatz nen-nenswert in die Ho� he gebracht werden kann? Das wa�ren Wunschtra�ume, die schon so man-cher engagierter Betriebsleiter realisieren wollte, der dann aber an den Ga�sten scheiterte. Die-se stimmen mit den Fu� ßen ab, wenn man die von ihnen gewu� nschten Speisen "verweigert".

Es ist doch vielmehr so, dass wir eben nicht davon ausgehen ko� nnen, dass die Ga� ste immerdas Optimalangebot wa�hlen und nur ganz "gesund" essen wollen. Sie werden nur hin und wie-der das gesunde Menu� wa�hlen. Doch sich hin und wieder fu� r ein DGE-Menu� zu entscheiden,wu� rde den Ga� sten nicht viel bringen.

Hier kommt nun der Begriff des "Nudging" ins Spiel, was in der BG nichts anderes als eine Mo-tivation zur Wahl gesunder Gerichte ist. Es gibt durchaus einige Mo� glichkeiten, um den Gastentsprechend zu beeinflussen, z.B. indem die gesundheitlich gu� nstigen Speisen an besonderenStellen sehr gut pra� sentiert werden, sicher auch indem man sie preisgu� nstiger macht. Esbleibt aber die Problematik, dass niemand weiß, welche Wahl in welchem Ümfang aus demSortiment des "Free-Flow"-Systems gesundheitsfo� rdernd ist und wann sie es nicht mehr ist.Sicherheit ha� tte man nur bei einem Angebot von ausschließlich gesunden Speisen, was abernicht realistisch ist. Der Versuch, die Ga� ste positiv zu beeinflussen, ist prinzipiell richtig, mussaber mit einer erfolgreichen Methode umgesetzt werden. Hierauf wird noch eingegangen. Eineeinzelne, na�hrstoffoptimierte Menu� linie ist es jedenfalls nicht.

4.3 Kommentare zu einzelnen EmpfehlungenIn der Tab. 3 fa� llt bei den LM-Gruppen und Qualita� ten auf, dass fu� r die Gruppe Fleisch etc. nurmageres Muskelfleisch genannt wird. Keinerlei Angaben u� ber rotes oder weißes Fleisch,nichts u� ber Fisch, auch das Tierwohl und Bio-Produkte werden nicht thematisiert. Das istrecht knapp und la� sst auch nicht erkennen, wie der Nachhaltigkeit Genu� ge getan wird, die beider optimalen Wahl ausdru� cklich mit genannt werden sollte. Bei den Ha�ufigkeiten werdendann allerdings noch einige Daten nachgereicht (s.u.).

4.3.1 MengenangabenDie Mengenangaben sind z.T. unklar. So wird bei Getreide "ca. 600 g" angegeben, wobei 5x infu� nf Tagen diese LM gegessen werden sollten. Geht man von einer Portionsmenge von 150-200 g der verzehrsfertigen Speise aus, so landet man bei 750-1000 g dieser Gruppe. Die 600 gwa�ren also erkla� rungsbedu� rftig. Bei Gemüse/Hu� lsenfru� chte sind die Angaben eher nachvoll-ziehbar. Wenn eine Ha�ufigkeit genannt wird und dann eine Menge, so weiß man nicht, ob da-mit die Gesamtmenge oder die Portionsmenge gemeint ist. Bei den Molkereiprodukten (Mo-pro) sollten mind. 2 Portionen in fu� nf Tagen gegessen werden. Sind das nun 150 g insgesamtoder vielmehr 300 g?

4.3.2 FleischFleisch soll max. 2x pro Woche gegessen werden, wobei wieder unklar ist, ob die Mengenan-gabe sich auf die Gesamtmenge oder eine Portion bezieht. Wu� rde sich die Angabe von 150 gauf eine Portion beziehen, so wa�re das relativ viel. Ü6 blicherweise geht man in der GG von 100-

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125 g Fleisch aus. Diese hohe Portionsmenge fu� r Fleisch ha� tte erla�utert werden mu� ssen undwiderspricht im Ü6 brigen dem Bestreben, die Fleischmenge in der GG zu begrenzen. Anderer-seits wa�re eine Portionsmenge von nur 75 g unu� blich wenig. Man ko� nnte aber auch ganz aufeine Portionsmengenangabe verzichten und somit auch auf die Ha�ufigkeit. Dann wa�re es denKo� chen u� berlassen, mit welchen Mengen in einem Gericht gearbeitet wird, also welche Rezep-turen entwickelt werden.

Es gibt ja bekanntlich auch Gerichte, bei denen nur sehr wenig Fleisch oder Fleischwaren ein-gesetzt werden, z.B. bei Schinkennudeln oder Gerichten mit etwas Hackfleischsoße. Hier kannman nur bedingt von einem Portionsgewicht sprechen. Ferner findet man in der Tabelle, dassdie Mengen und Ha�ufigkeiten statt fu� r fu� nf Tage fu� r 20 Tage angegeben werden. Hier war alsoeine Differenzierung no� tig. Warum hat man dann nicht direkt eine Tabelle fu� r vier Wochenvorgelegt? Dann ha� tte man sich diese Zusatzangaben erspart.

4.3.3 Getreide/frittierte ProdukteFu� r Getreide und Kartoffeln wird darauf hingewiesen, dass sie abwechslungsreich (und viel-fa� ltig) anzubieten sind. Man fragt sich, warum diese zweifellos richtige Aufforderung nur beidieser LM-Gruppe gegeben wird. Sie gilt natu� rlich fu� r alle anderen LM-Gruppen gleicherma-ßen und sollte daher als u� bergeordnete Regel formuliert werden. Bei frittierten Produkten,wie z.B. Pommes frites, ist der Fettgehalt i.d.R. hoch, abha�ngig vom Garverfahren. Daher soll-ten sie in ihrer Angebotsha�ufigkeit beschra�nkt werden, es sei denn, dass solche Produkte an-geboten werden, deren Fettgehalt durch eine spezielle Gartechnik deutlich gesenkt worden ist.Dies trifft z.B. fu� r Pommes frites zu, die in einem Heißluftda�mpfer zubereitet werden ko� nnenund nur weniger als ein Drittel an Fett gegenu� ber Pommes frites aus der Fritteuse enthalten.Genau diese Gera� te sind in der BG standardma�ßig vorhanden. Derartige Fettreduktionen tref-fen fu� r viele weitere Produkte zu. Die Technik muss allerdings von den Ku� chenfachkra� ften be-herrscht werden. Jedenfalls ist die Einschra�nkung der Ha�ufigkeit in Kombination mit der An-gabe von Portionsmengen nicht mehr erforderlich, so dass der Hinweis zu modifizieren wa� re.

4.3.4 FleischersatzErstaunlich ist die Deckelung des Angebots von sog. Fleischersatzprodukten auf 4x in vierWochen. Als Argument wird der hohe Verarbeitungsgrad genannt. Diese Argumentation istaber nicht nachvollziehbar, da der Begriff des Verarbeitungsgrades zu vage ist. Wird z.B. einBurger auf der Basis von Soja oder Lupinen hergestellt, so sind die Zutaten und Zubereitungs-schritte einer industriellen Herstellung mit der in einer Großku� che weitgehend identisch. Beider industriellen Herstellung sind aufgrund der Konservierung, z.B. durch Tiefgefrieren oderKu� hlen, und durch das spa� tere Regenerieren zwei weitere Schritte erforderlich. Doch diese ha-ben nur einen geringen Einfluss auf die Qualita� t. Derartige "High-Convenience-Produkte" sindjedenfalls nur etwas mehr verarbeitet als solche, die in der Ku� che direkt zubereitet werden.

Zu bedenken ist hierbei, dass die Schritte fu� r das Tiefgefrieren und Ku� hlen viel schonender fu� rein Gericht sind als das Warmhalten, was in der sog. Frischku� che in Großku� chen der GG mehroder weniger praktiziert werden muss. Daher sind die Vitamin- und Geschmacksverluste derkonventionell hergestellten Produkte tendenziell ho� her. Selbst die Kritik an einem ho� heren

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Energieverbrauch bei der Temperaturentkopplung ist kaum haltbar, weil ja auch das Warm-halten Energie verbraucht, so dass die Ünterschiede beider Verfahren nur gering sind. Na�he-res hierzu ist einem umfangreichen Artikel zu Produktionssystemen zu entnehmen67.

Beim Tofu macht die DGE allerdings eine Ausnahme bei ihrer Kritik. Wenn Tofu nicht weiter-verarbeitet wird, heißt es dort, "za�hlt er nicht als industriell hergestelltes Fleischersatzpro-dukt". Es geht also um die industrielle Herstellung und nicht um die letztlich erzeugte Quali-ta� t. Wie im na� chsten St-Kap. 4.3.5 na�her ausgefu� hrt, ko� nnen industrielle Prozesse sogar fetta� r-mer sein und somit gu� nstiger zu bewerten sein als konventionelle. Die negative Betonung desIndustriellen bei der Herstellung von Speisen in den DGE-Standards tra� gt ohne na�here Be-gru� ndung der Nachteile ideologische Zu� ge. Pauschale Verurteilungen von LM, die industrielleund somit angeblich sta� rker verarbeitet wurden, sind in dieser Pauschalita� t ebenso haltlos wieeine gegenteilige Aussage. Schauen wir uns zuna� chst einmal die Herstellung von Tofu an, dieweitgehend gleich ist, egal ob er in handwerklichen Manufakturen oder im industriellen Maß-stab produziert wird.

Die Sojabohne wird nach dem Einweichen gekocht und dann mit einem Mixerstark zerkleinert. Die so entstandene Masse wird mit einem Tuch gefiltert, sodass die groben Schalenteile abgetrennt werden. Ü6 brig bleiben somit die gelo� stenund suspendierten Teile, die nicht herausgefiltert wurden. Diese werden nun ei-nem Koagulationsprozess unterworfen, traditionellerweise mit Nigari, einemMg-Salz. Dadurch flockt das Protein aus und wird nun gepresst, so dass das u� ber-schu� ssige Wasser entfernt wird (Auslaugung). Je nach Druck erha� lt man unter-schiedlich feste Tofumassen, die in Blo� cke geschnitten werden. Diese Blo� cke wer-den dann pasteurisiert und normalerweise in Plastikfolie verschweißt, damit sieeine ausreichende Haltbarkeit haben. Sie werden dann gekühlt gelagert.

Wie zu sehen ist, muss das Produkt "Tofu" angesichts der zahlreichen Verarbeitungsschritteals "hochverarbeitet" bezeichnet werden. Eine Definition dieses Begriffs wird von der DGE inihren Standards nicht mitgeteilt. Wieso wird dieses Produkt anders bewertet als Soja-, Wei-zeneiweiß- oder Lupinenprodukte, die zu TVP68 (s.u.) verarbeitet werden, z.B. zur Herstellungvon Frikadellen? Tofu wird also von der DGE akzeptiert, obwohl es ein stark verarbeitetes LMist, wa�hrend Soja-TVP abgelehnt wird, was eher weniger verarbeitet ist. In Abb. 1 wird einNa�hrstoffvergleich von Tofu und texturiertem Sojaeiweiß aus dem BLS 3.02 dargestellt. Wie zusehen ist, hat das "hoch verarbeitete" Sojatexturat eine wesentlich bessere NSD.

67 Peinelt, Gemüth: Produktionssysteme in der GG. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme/68 TVP=Textured vegetable Product=texturiertes vegetarisches LM

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Abb. 1: Nährstoffvergleich von Tofu vs Sojaeiweiß pro 100g

Was ist TVP? Es bedeutet "Textured Vegetable Product", also ein texturiertes Produkt. Mit dererzeugten Textur werden bestimmte andere LM, v.a. Fleisch, imitiert. Dies sind Produkte, dieaus Sojamehl oder Sojakonzentrat hergestellt und z.B. zu Wu� rfeln ("Gulasch") oder Streifen("Geschnetzeltes") verarbeitet werden. Hierzu ein paar Hintergrundinfos:

Ausgangsware ist die getrocknete Sojabohne, aus der Sojamehl/Sojakonzentratdurch Vermahlen hergestellt wird. In der Regel wird noch das Öl entfernt, so dasses sich um ein entfettetes, sehr mageres Produkt handelt. Dieses Mehl wird mitWasser angeteigt, a�hnlich der Herstellung von Teigwaren. Dieser Sojateig wird er-hitzt und dann durch eine Lochscheibe gedru� ckt, wobei Stränge entsteht, derenDicke durch die Lochscheibe festgelegt wird. Diese Stra�nge werden dann durch einrotierendes Messer in der gewu� nschten La�nge abgeschnitten und schließlich ge-trocknet. In diesem Zustand sind sie lange haltbar. Fu� r die Zubereitung mu� ssensie lediglich in heißem Wasser 10-20 min. eingeweicht werden und ko� nnen danngekocht oder angebraten und nach Belieben gewu� rzt werden.

Abgesehen vom Entfettungsvorgang unterscheidet sich die Herstellung von Soja-TVP prinzipi-ell nicht von der Herstellung von trockenen Teigwaren. Gegen diese LM-Gruppen werden kei-nerlei Einwa�nde gea�ußert. Warum dann gegen Soja-TVP? Dabei hat Soja-TVP eine ho� here NSDals Vollkornnudeln. Daher erscheinen die Einschra�nkungen der Angebotsha�ufigkeit wider-spru� chlich, willku� rlich und somit u� berflu� ssig. Es wird auch gar nicht gefragt, wie wertvoll dasangeblich so stark verarbeitete Produkt noch ist, was ein gutes Kriterium fu� r die Beurteilungwa�re. Nachfolgend zwei weitere Na�hrwert-Vergleiche, diesmal mit Vk-Nudeln und Sojaeiweiß(Abb. 2a und 2b). Es zeigt sich erneut, dass das angeblich so stark verarbeitete LM, hier dasSoja-TVP, bei fast allen Mikrona�hrstoffen sowohl pro 100 g, als auch pro 1000 kJ deutlich ho� -here Gehalte aufweist. Die Forderung der DGE nach einer Angebotsbeschra�nkung von "starkverarbeiteten" LM steht daher auf sehr schwachen Fu� ßen.

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Abb. 2a: Nährstoffvergleich von Vk-Nudeln vs Soja-TVP pro 100 g

Selbst wenn die Ho� he des Verarbeitungsgrades eindeutig definieren worden wa� re und auf-grund dieser Definition die Verarbeitung der hier genannten LM tatsa� chlich als hoch bezeich-net werden mu� sste, stellt sich doch immer noch die Frage, wie hoch der Na�hrstoffverlust in ei-nem solchen Produkt ist. Wenn die NSD u� berdurchschnittlich hoch ist, was grundsa� tzlich beitexturierten Sojaprodukten aufgrund des sehr geringen Fettgehalts und des hohen Na�hrstoff-gehalts von Sojabohnen der Fall ist, wa� re das noch lange kein Grund, die Ha�ufigkeit der Ver-wendung dieser Produkte zu limitieren. Welche Gegengru� nde wa� ren zu benennen, wenn nichtdie NSD? Vielleicht entstandene toxische Substanzen bei der Herstellung? Dies ist aber wederbekannt noch hat die DGE dieses Argument verwendet, geschweige denn eine solche Aussagebelegt. Es wa�re im Ü6 brigen auch unplausibel, weil die Prozesse in der Großku� che oft die glei-chen sind wie unter industriellen Produktionsbedingungen.

Abb. 2b: Nährstoffvergleich von Vk-Nudeln vs Soja-TVP pro 1000 kJ

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Somit stellt sich heraus, dass der Grad der Verarbeitung nicht klar definiert ist und dass keinKriterium besteht, ob ein Produkt auch nach einer Verarbeitung noch akzeptiert werden kannoder nicht. Die Bewertung der DGE ist somit unbegründet und nicht nachvollziehbar.

4.3.5 High-Convenience-Produkte, VerarbeitungsschritteWie in St-Kap. 4.3.4 ausgefu� hrt, mu� sste zuna� chst einmal definiert werden, was genau unterdem Begriff hochverarbeitete Speisen verstanden wird. Wie am Beispiel der Fleischersatz-produkte gezeigt wurde, ist zwischen der Selbstherstellung und der industriellen Produktionin der Regel kein gravierender Ünterschied zu sehen. Desweiteren mu� sste belegt werden, dassdie Nachteile einer sta� rkeren Verarbeitung im Sinne der Sensorik, der Erna�hrungsphysiologie,der Hygiene und der Nachhaltigkeit schlechter zu bewerten sind. Diese Abwa�gung muss imEinzelfall erfolgen. Eine pauschale Kritik an High-Convenience-Produkten ist ungerechtfertigt.

Im Kap. 4.1.2 wird erneut auf das Thema Convenience-Produkte eingegangen. Neben denverschiedenen Convenience-Graden werden die "hoch verarbeiteten Produkte" angesprochen.Es entsteht der Eindruck, dass diese oft einen hohen Gehalt an Zucker, Fett und Salz haben.Dies ist mo� glich, darf aber nicht pauschal angenommen werden. Die Bewertung der Produkteha�ngt von ihrer Rezeptur und von der Verarbeitung ab. Eine schlechte Rezeptur und eine un-gu� nstige Verarbeitung sind auch bei Produkten zu finden, die frisch in einer Ku� che zubereitetwerden. Oft sind die Produkte aus der Industrie mit deren spezifischen Gera� ten sogar als et-was besser zu bewerten, was nachfolgend veranschaulicht werden soll.

Eine Frikadelle wird in einer normalen Großku� che in einer Kippbratpfanne herge-stellt, und zwar mit viel Fett. In einer Industrieku� che wird hingegen eine Brat-straße eingesetzt, die mit einem teflonbeschichteten Band arbeitet. Hierbei ist derFettgehalt der Frikadellen wesentlich niedriger. Derartige Gera� te sind fu� r normaleGroßku� chen zu teuer und zu groß, weshalb sie dort nicht eingesetzt werden. Wiedie Produktionsbedingungen zeigen, werden die Speisen in einer Industrie- oderZentralküche mit schonenderen und fettsparenderen Verfahren hergestellt alsin einer normalen Großku� che. Deshalb wa�ren solche Produkte als höherwertigeinzustufen. Es gibt natu� rlich auch negative Beispiele. Deshalb kommt es auf denEinzelfall an.

In diesem Zusammenhang wird wieder der Begriff der zahlreichen Verarbeitungsschritteverwendet, wozu bereits oben schon einiges gesagt wurde. Allein die Zahl der Verfahrens-schritte ist noch kein Maß fu� r ein gutes oder schlechtes Produkt, eine niedrige oder hohe NSD.Es ist daher verwunderlich, dass die DGE mehrmals und dabei eher undifferenziert und ohnehinreichende Begru� ndungen negativ u� ber zahlreiche Verarbeitungsschritte schreibt. DieserThematik wird sogar ein eigenes Ünterkapitel gewidmet (Kap. 4.1.2), wo erneut Nachteile an-gefu� hrt werden. Die Aussagen der DGE zu hochverarbeiteten LM und zahlreichen Verar-beitungsschritten sind unbefriedigend, da pauschalierend statt differenzierend.

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4.3.6 Menü-ZyklusEs wird verlangt, dass der sog. Menü-Zyklus des Mittagessens sich fru� hestens nach vier Wo-chen wiederholen sollte. Die Menu� s sind in der BG aber schon la�ngst durch das Komponenten-wahlsystem bzw. das "Free-Flow"-System abgelo� st worden. Das bedeutet, dass eine gro� ßereZahl von einzelnen Gemu� sespeisen oder Salatsorten ta� glich angeboten wird. A6 hnliches trifftfu� r andere Speisegruppen zu. Dieses Komponentensystem zeichnet sich dadurch aus, dass vonverschiedenen Angebotsinseln Speisen derselben LM-Gruppe in Selbstbedienung zu entneh-men sind. Das ko� nnen in großen Betrieben weit mehr als ein Dutzend verschiedener Speisen"pro Insel" sein.

Wie darf man nun die Forderung nach einem rollierenden Menu� -Zyklus verstehen, wenn keineKomplett-Menu� s angeboten werden? Sollen die verschiedenen Einzelspeisen so zu Menu� s zu-sammengestellt werden ko� nnen, dass sie sich im Monatsrhythmus nicht wiederholen? Ange-sichts der großen Zahl unterschiedlicher Einzelspeisen lassen sich rein theoretisch innerhalbeines Monats Hunderte, ja Tausende verschiedener Menu� s zusammenstellen. Das wa� re mit derKombinatorik leicht zu ermitteln. Insofern wa� re die Forderung der DGE spielend zu erfu� llen.Dennoch bleibt selbst eine große Zahl von Gemu� sesorten nicht konstant, weil aus saisonalenGru� nden oder wegen Sonderaktionen der Lieferanten ein Austausch erfolgt.

Offensichtlich ist damit wieder nur die eine, durchgerechnete Menu� linie gemeint, so dass mansich laut Q-Standard um die Erfu� llung dieser Forderung bemu� hen muss. Diese Menu� linie wa�reaber nicht das einzige Angebot, da es mit einer Komponentenwahl konkurriert. Wenn tatsa� ch-lich diese eine Menu� linie angeboten wird, ist natu� rlich nichts gegen einen Menu� -Zyklus vonvier Wochen einzuwenden. Viel sinnvoller wa�re aber die Frage, wie das Gesamtangebot imLaufe eines bestimmten Zeitraums gea�ndert werden sollte. Die Effektivita� t des Ein-Menu� -An-gebots fu� r die Gesundheit wurde bereits mehrfach kritisch hinterfragt. Demgegenu� ber ist dieEinhaltung eines Zyklus nachrangig.

4.3.7 Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie des BMELFerner geht die DGE auf die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL69

ein, mit der die Gehalte an Zucker, Fett und Salz in LM reduziert werden sollen. Diese Strategieist allerdings kritisch zu sehen. Hierzu wurde eine ausfu� hrliche Stellungnahme erarbeitet70,worauf verwiesen wird. Mit der BG hat diese Strategie im Ü6 brigen nicht viel zu tun, weil es ak-tuell nur um Produkte des LEH und des Handwerks geht. Die GG soll evtl. zu einem spa� terenZeitpunkt in diese Strategie einbezogen werden. Verschiedene Institutionen und Fachverba�n-de sehen ebenfalls Schwachstellen in der Strategie des BMEL und haben diese auch kommuni-ziert71.

Eine gravierende Schwachstelle ist, dass wieder nur das Prinzip der Freiwilligkeit besteht. Esbleibt somit den jeweiligen Betrieben selbst u� berlassen, an dieser Strategie mitzuwirken unddie positiven Ergebnisse fu� r ihre Produktpalette zu u� bernehmen. Das Gleiche gilt u� brigensauch fu� r die Anwendung des Nutri-Score, der seit November 2020 in Deutschland im LEH ge-

69 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Fett, Zucker und Salz in Fertigprodukten. www.bmel.de/DE/Ernaehrung/_Texte/ReduktionsstrategieZuckerSalzFette.html;nn=310342

70 Peinelt V: Stellungnahme zur Reduktions- und Innovationsstrategie des BMEL. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/bmel-redukt-strategie/71 Ebenda, S. Kap. 3.9

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nutzt werden darf. Niemand ist verpflichtet, dieses Instrument anzuwenden. Daher ist davonauszugehen, dass ein Kunde nichts u� ber gesundheitlich nachteilige Produkte ("E"=rot) erfa�hrt,wenn der Anbieter nicht bereit ist, seine Produkte mit Nutri-Score zu kennzeichnen.

4.3.8 Ökologische erzeugte LM einkaufenDie DGE empfiehlt den bevorzugten Einkauf von o� kologisch erzeugten LM und nennt die Gru� n-de dafu� r. Dies ist erfreulich. Es sei darauf hingewiesen, dass das Thema Nachhaltigkeit undo� kologische LM u� berhaupt erst seit dem Jahr 2014 in den Q-Standards der DGE auftauchte.Lange Zeit wurde hier die Meinung vertreten, dass zwischen den LM der konventionellen undder o� kologischen Landwirtschaft kein qualitativer Ünterschied besteht. Zu agrarischen undo� kologischen Aspekten a�ußerte sich die DGE damals nicht. Zum Glu� ck wurde diese Sichtweisegea�ndert.

Nun sieht auch die DGE im O6 ko-Landbau deutliche Vorteile, wie z.B. weniger Schadstoffe undRu� cksta�nde in LM sowie Ressourcenschutz, geringere Pestizid- und Nitratbelastungen sowieweniger Antibiotika im Fleisch etc. Heute verlangt die DGE in ihren Q-Standards mind. 20%Bio-LM in der BG und verdoppelt damit den fru� heren Wert (Slogan: "10% kann jeder").

Diese Forderung ist zu unterstu� tzen. Der Wert ko� nnte aber noch deutlich ho� her sein, wenn dieBundesregierung den O6 ko-Landbau fru� her und sta� rker unterstu� tzt ha� tte und die Verschmut-zungen und sonstigen Belastungen der Ümwelt konsequent nach dem Verursacherprinzip zu-gerechnet worden wa� ren. Die Preise der konventionell erzeugten Produkte wa�ren dann gestie-gen und die der O6 ko-Landwirtschaft gesunken, auch aufgrund des gro� ßeren Angebots. ImEndeffekt ha� tten die O6 ko-Bauern gut davon leben ko� nnen. Dies bedeutet, dass der Anteil derBio-LM mit einer anderen Politik ho� her liegen ko� nnte, um somit das Ziel der Nachhaltigkeitnoch besser zu erreichen.

Die Befu� rwortung von Bio-LM wird noch erga�nzt durch die Forderung nach Produkten aus fai-rem Handel. Dies betrifft aber in erster Linie in der BG den Kaffee, der aber gar nicht erwa�hntwird. Hier ha� tte also die Forderung ganz konkret lauten mu� ssen, dass Kaffee als O6 ko-Produktund aus dem fairen Handel kommen sollte. Warum Kaffee als ein wichtiges Getra�nk in den Q-Standards fu� r die BG erscheinen sollte, wurde bereits in St-Kap. 3.2.9 behandelt. Im Einkaufs-kapitel wird erneut auf verschiedene Siegel beim Fisch und beim Fleisch eingegangen. Hierzusei auf die Ausfu� hrungen in St-Kap. 3.2.8 verwiesen.

Insgesamt werden zum Thema "Einkauf" sechs Aspekte angesprochen, die z.T. auch schon fru� -her behandelt wurden. Ein solcher Aspekt ist das First-in-First-out-Prinzip, was eigentlichschon Teil der Lagerhaltung ist. Auf die Lagerhaltung selbst wird sonst nicht weiter eingegan-gen. Im Vergleich hierzu sei auf die Behandlung dieses Themas (Wareneingang und Lagerung)in der Zertifizierung "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie" der Hochschule Nieder-rhein in Kooperation mit dem TÜ6 V Rheinland verwiesen (s. Kap. 8.2). Hierfu� r werden allein 24Anforderungen gestellt. Demgegenu� ber nur eine einzige im Q-Standard der DGE.

4.3.9 ZubereitungIm Vorspann zu diesem Kapitel wird auf den Einfluss der Warmhaltung und der Ku� chengera� teeingegangen, ohne das in irgendeiner Form inhaltlich na�her auszufu� hren. Lediglich am Ende

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des Kapitels findet man noch ein paar Sa� tze zur Ressourceneffizienz und zu mo� glichst kurzenBetriebszeiten. Die Aussagen sind sehr allgemein und oft auch wenig aussagefa�hig, wie z.B. "zugroß gewa�hlte Gera� te verbrauchen zu viel Energie und Wasser". Das sind Selbstversta�ndlich-keiten, die keinen Erkenntnisgewinn bringen. Hier wa� re auch der richtige Zeitpunkt, um aufdas Thema "Verpflegungssysteme" einzugehen. Leider geschieht das, wie mehrfach kritisiert,im gesamten Q-Standard nicht. Lediglich im Internet sind ein paar kurze Absa� tze zu den vierga�ngigen Systemen zu finden, allerdings ohne jede weitere Erla�uterung. Es wird lediglich be-hauptet, dass mit allen Systemen qualitativ gute Speisen herzustellen sind. Das ist fu� r eine Ori-entierung zu wenig. In fru� heren Q-Standards war das einmal anders, weil etwas mehr dazuausgesagt wurde, wenngleich die Aussagen auch damals recht allgemein gehalten waren. Zuden Verpflegungssystemen wird in St-Kap. 6.3 noch etwas na�her eingegangen. Ansonsten er-scho� pft sich Kap. 4.3.9 in einigen LM-bezogenen Aussagen, wovon nachfolgend auf einige ein-gegangen wird.

Eine sparsame Verwendung von Zucker ist zu unterstu� tzen. Es werden dann noch diverse Al-ternativen des Zuckers genannt, die auch nicht eingesetzt werden sollten. Wenn schon ver-schiedene Aspekte des Su� ßens angesprochen werden, warum wird dann auf das Thema "Su� ß-stoffe" nicht eingegangen? Ansonsten finden sich nur einige wenige Hinweise zu einem mo� g-lichst sparsamen Ümgang mit Fett sowie der Verwendung von Jodsalz und Kra�utern.

Ferner werden Garmethoden erwa�hnt, indem darauf hingewiesen wird, mo� glichst fettarmund kurz zu garen. Der Text ha� tte auch vor 50 Jahren so geschrieben werden ko� nnen. Deshalbist diese Empfehlung nicht falsch. Aber es wurde viel zu wenig u� ber die hochmodernen Garge-ra� te gesagt, die heutzutage in den Großku� chen der BG standardma�ßig zum Einsatz kommen.Diese Gera� te verfu� gen u� ber eine ausgeklu� gelte Technik und eine hochentwickelte und relativleicht bedienbare Software, damit all das, was die DGE fordert, weitgehend automatisiert ab-laufen kann. Aufgrund von Feuchtigkeits- und Temperaturmessungen mittels leistungsfa�higerSensoren und den damit verbundenen Steuerungsmaßnahmen werden die Speisen schonendhergestellt, schonender als das selbst die besten Fachkra� fte ko� nnten. Allerdings braucht mannoch immer Ku� chenfachkra� fte, die in Schulungen u� ber die vielen Mo� glichkeiten der Gera� teaufgekla� rt werden mu� ssten, dann aber ohne großen Aufwand das volle Potenzial der Gera� teausscho� pfen ko� nnten. Welche Mo� glichkeiten in den klassischen Gera� ten stecken, wurde im"Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie" na�her beschrieben72.

Man hat den Eindruck beim Lesen dieser Ausfu� hrungen, dass diese Hochleistungsgera� te nochgar nicht entwickelt oder im Einsatz sind. Dieser Q-Standard richtet sich doch nicht an Fach-kra� fte in Kitas, wo die Gera� teausstattung meist recht mager ist, sondern an Fachkra� fte in derBG. Das sollte Beru� cksichtigung finden, falls die DGE die Q-Standards u� berarbeitet.

4.3.10 Ausgabe, Entsorgung und ReinigungDie Aussagen zu diesem Kapitel sind nicht zu kritisieren. Die Zahl der Kriterien zu diesem Be-reich ist jedoch mit gerade einmal vier Anforderungen sehr gering. Im Vergleich dazu wurdenfu� r die Zertifizierung des TÜ6 V Rheinland zur "Ausgezeichneten Gemeinschaftsgastronomie" ca.

72 Paschmann M: K28. Der Heißluftdämpfer als Multitalent, Band 1, S. 723-737, in: Peinelt V, Wetterau J: Handbuch der Gemeinschaftsgastrono-mie. Anforderungen-Umsetzungsprobleme-Lösungkonzepte, 2. Aufl., 2016, Rhombos-Verlag, Berlin, 1642 S.

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35 Kriterien definiert, die sich mit der Ausgabe und dem Ümfeld befassen und im Rahmen desAudits u� berpru� ft werden.

A6 hnliches trifft auch fu� r die beiden anderen Bereiche zu. Die Kriterien sind sehr knapp gehal-ten. Die Aussagen laufen im Wesentlichen darauf hinaus, die Speiseru� ckla�ufe zu erfassen undfu� r ku� nftige Planungen Konsequenzen zu ziehen. Das ist zweifellos richtig, aber noch nichthinreichend, um dieses Thema abzuhandeln. Allerdings gibt es noch ein weiteres Kapitel, dassich jedoch an einer ganz anderen Stelle befindet (Kap. 6) und zusa� tzliche Informationen zurHygiene liefert. Diese Informationen werden unter den "Rechtlichen Rahmenbedingungen"verortet. Dort werden die prima�r europa� ischen Rechtsvorschriften genannt sowie die DIN-Normen, die sich mit diesem Thema befassen, z.B. zur Einhaltung bestimmter Temperaturenoder zur Schulung.

Sicher ist es notwendig, einmal alle wichtigen rechtlichen Vorgaben zusammenzufassen. Dochdamit la� sst sich noch nicht viel anfangen, auch wenn die eine oder andere Verordnung nochein wenig erla�utert worden ist. Wichtig und hilfreich wa� re es gewesen, wenn alle Vorgaben,die im gesamten Ku� chenbetrieb zu beachten sind, in einer Checkliste aufgefu� hrt worden wa� -ren, so dass abgefragt werden kann, ob diese erfu� llt werden und wenn nicht, wo noch Korrek-turbedarf besteht. Genau das wird im Rahmen der erwa�hnten Zertifizierung des TÜ6 V Rhein-land gemacht, indem mit insgesamt knapp 600 Fragen sowie den dazugeho� rigen erla�uterndenKommentaren der gesamte Bereich erfasst worden ist. Im Rahmen dieser Zertifizierung mussdas durchgearbeitet werden, in Verbindung mit vielen Nachweisen. Dann weiß ein Verant-wortlicher in der BG genau, was er zu tun hat.

5. Gästekommunikation, Nudging

5.1 GrundsätzlichesZu recht wird auf die große Bedeutung der Kommunikation mit dem Gast hingewiesen. Derklassische Koch fu� hlt sich auf diesem Parkett oft unwohl und ist am liebsten in seiner Ku� che.Doch inzwischen hat sich die Notwendigkeit einer guten Kommunikation mit dem Gast auch inKu� chenkreisen herumgesprochen. Betriebsleiter sind ha�ufig auch gar keine Ko� che mehr, son-dern haben eine akademische Ausbildung abgeschlossen. Ü6 ber die Ga� ste kann die Betriebslei-tung auf unterschiedlichen Wegen wertvolle Anregungen bekommen. Diese Ausfu� hrungen derQ-Standards sind informativ und daher gut zu heißen.

Es wird zwar darauf hingewiesen, dass eine breite Akzeptanz erzielt werden sollte und daher"alle Akteure" einzubeziehen sind. Dies ha� tte man noch ein wenig pra�zisieren ko� nnen. Wichti-ge Personen sind neben dem Betriebsleiter zuna� chst der Betriebsarzt bzw. die Mitarbeiter ausdem BGM-Bereich, die mit den gesundheitsbezogenen Maßnahmen befasst sind. Ferner wa�rendie Betriebs- oder Personalra� te zu nennen, die als Mitarbeitervertreter eine wichtige Funktionhaben.

Nicht zuletzt sollten auch die Betriebskrankenkassen angesprochen werden. Einige von ihnensind inzwischen an solchen erna�hrungsbezogenen Maßnahmen sehr interessiert und auch be-

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reit, sie ideell und finanziell zu unterstu� tzen73. Wichtig hierbei ist, dass das Instrument mo� g-lichst in einem ganzheitlichen Sinne entwickelt wurde und seinen erfolgreichen Einsatz be-wiesen hat. Ein solches Instrument ist GAS, mit dem eine sehr effektive Mo� glichkeit besteht,die Verha� ltnispra�vention zu etablieren. Es wird inzwischen in vielen Betrieben mit großemZuspruch von allen Seiten eingesetzt. Mit Ünterstu� tzung einiger Krankenkassen ließen sich inder Vergangenheit mit GAS Analysen durchfu� hren, anhand derer der Handlungsbedarf er-kannt wurde. Hierbei wurde auch die Finanzierung der anschl. Einfu� hrungsphase sicherge-stellt. Da diese Erfolge inzwischen vielfa� ltig dokumentiert sind und weitaus mehr Wirkungentfalten als an ein paar Stellschrauben zu drehen, ha� tte erwartet werden ko� nnen, dass aufdieses System im Q-Standard wenigstens beispielhaft hingewiesen wird.

5.2 NudgingBesonders hervorgehoben wurde im Q-Standard das "Nudging", womit eine Beeinflussung desGastes mit eher kleineren Maßnahmen gemeint ist. Es soll eine zu intensive Einflussnahme aufden Gast vermieden werden, was mit verschiedenen Arten des Nudging erreichbar ist. Die ge-nannten Maßnahmen sind allerdings oft nur gering in ihrer Auswirkung, z.B. die Nutzung vonfarbigem Geschirr oder eine bessere Ausleuchtung der Angebote. Teilweise wiederholen sichdie genannten Punkte auch an unterschiedlichen Stellen.

Die eingesetzten Maßnahmen mu� ssten erkla� rt werden. Was bedeutet es z.B., wenn ein gru� neroder ein roter Teller verwendet wird? Soll damit der Grad der Gesundheitsfo� rderung der Spei-sen zum Ausdruck gebracht werden? Wenn Speisen sta� rker ausgeleuchtet werden, weiß derGast zuna� chst noch nicht, warum dies gemacht wird. Wenn damit gesundheitliche oder nach-haltige Eigenschaften hervorgehoben werden sollen, muss das mit dem Gast sehr gut kommu-niziert werden. Das darf aber auch nicht zu kompliziert werden. Nur wenige Ga�ste haben Lust,seitenweise Abhandlungen u� ber das gastronomische und Nachhaltigkeitskonzept zu lesen.

Es gibt also nicht nur eine Vielzahl von Wegen, um Speisen hervorzuheben, sondern auch vieleZwecke, die dem Gast klar zu machen sind. Letztlich wird man der Einfachheit halber um eineArt von Ampelsystem nicht herumkommen, da dieses System allgemein bekannt ist und auchschon vielfach in allen Lebensbereichen eingesetzt wird. Es bedarf dann nur noch einer kurz-en Erla�uterung, was mit dem Ampelsystem gekennzeichnet wird, z.B. der gesundheitlicheWert. Gru� n wa� re dann ein hoher Wert und rot ein geringer. Das ist fu� r jeden Gast leicht ver-sta�ndlich.

Das Problem hierbei ist, dass die DGE eine solche zusammengefasste Bewertung mit nur einerAmpelfarbe ablehnt. Wie sie bei der Beschreibung der 3D-Lebensmittelpyramide betont, du� r-fen die Bewertungen der verschiedenen Pyramidenseiten nicht zu einem Gesamt-Ampelwertzusammenfließen74. Der seit Jahren sehr erfolgreiche Nudging-Ansatz mit Hilfe von GAS als ei-nem wesentlichen Baustein eines Gesamtkonzepts geht dabei u� ber einen "schmalen Nudging-Ansatz" weit hinaus. Mit sog. Best-Practice-Beispielen wird sonst gern fu� r die Praxis gearbei-tet, warum also nicht in diesem Zusammenhang?

73 BKK bei Daimler Benz unterstützt die Einführung von GAS, desgleichen die DAK bei verschiedenen Betrieben74 Jungvogel A, Michel M: Die Dreidimensionale Lebensmittelpyramide. Fachinformation. Herausgeber: aid und DGE. DCM Druck Meckenheim

GmbH, Köln, 6. Aufl. 2016, 22 S.

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Die hohe Effektivita� t dieses Instruments ist v.a. darauf zuru� ckzufu� hren, dass nicht nur der Gastpositiv beeinflusst wird. Damit wu� rde noch nicht genug erreicht. Entscheidend fu� r den Erfolgim Sinne eines gesu� nderen Essverhaltens ist die Verha� ltnispra�vention. Dafu� r ist es no� tig, dieKu� chenfachkra� fte einzubinden. Dies bedeutet, dass sie nicht nur gebeten werden, bessereSpeisen anzubieten, sondern sie werden dazu verpflichtet und die Ergebnisse ko� nnen kontrol-liert werden. Nur dann werden entsprechende Angebote entwickelt. Etwas Entwicklungsar-beit ist also schon no� tig, da die alten Rezepturen zumindest angepasst werden mu� ssen. Diesist ein Aufwand, der nur am Anfang erforderlich ist. GAS kann also dazu beitragen, dies aufzu-bauen, wobei es selbst nur ein Baustein im Gesamtkonzept ist.

Das Gesamtkonzept besteht aus vielen Maßnahmen, was ausfu� hrlich in einer Fachzeitschriftpubliziert75 wurde. Diese Publikation zeigt im Ü6 brigen, dass die Beschreibung dieses Systemsnicht als Werbung aufzufassen ist, vielmehr als ein wichtiger Beitrag zur Veranschaulichungeffektiver Nudging-Ansa� tze. Es ha� tte genu� gt, die Grundzu� ge des Systems gema�ß dieser Publi-kation im Q-Standard darzustellen und ansonsten auf das Literaturverzeichnis zu verweisen.Es gibt ferner ausfu� hrliche Darstellungen im Internet76 hierzu.

6. Fehlende ThemenEinige wichtige Themenbereiche eines ganzheitlichen Verpflegungskonzeptes fehlen in den Q-Standards und werden daher vermutlich auch nicht u� berpru� ft. Aber nur, wenn alle wesentli-chen Bereiche in eine Ü6 berpru� fung einbezogen werden, ist dauerhaft eine gute Qualita� t si-cherzustellen. Das Themenspektrum der Q-Standards der DGE ist gegenu� ber fru� her etwas er-weitert. Die LM-Auswahl, Speisenplanung und -herstellung sind zwar nach wie vor dominant.Andere Themen, sog. Rahmenbedingungen, werden z.T. sta� rker behandelt als fru� her, wie z.B.die Nachhaltigkeit, die Hygiene, rechtliche Vorschriften, die Personalqualifikation sowie dasSchnittstellenmanagement. Nachfolgend einige Kommentare zu den Defiziten.

6.1 Arbeits- und GesundheitsschutzEin Defizit in den Ausfu� hrungen ist der nicht behandelte Arbeits- und Gesundheitsschutz. Kor-rekt eingehaltene Arbeitsbedingungen schu� tzen vor Ünfa� llen, erhalten die Gesundheit und er-mo� glichen so, dauerhaft gute Leistungen zu erbringen. Der Arbeitsschutz ist gesetzlich vorge-schrieben und muss daher in einem Großku� chenbetrieb beachtet und immer auf dem neues-ten Stand gehalten werden.

Hierzu findet sich aber nichts in den DGE-Standards. Fu� r die Betriebe ist es enorm wichtig,Handreichungen und Empfehlungen zu erhalten, damit die Vorschriften im Arbeitsschutzdurch den Betrieb gewissenhaft eingehalten und deren Einhaltung ferner durch eine externeZertifizierung immer ausreichend kontrolliert werden ko� nnen. Nichts u� ber den Arbeitsschutzim Q-Standard zu schreiben ist insofern widerspru� chlich, als u� ber Hygiene relativ viel im Q-Standard zu lesen ist. Auch hier bra�uchte man nichts vorzugeben, da die Hygiene von der

75 Giebel S, Peinelt V, Feist C: Nudging in der Betriebsgastronomie. Das gastronomische Ampelsystem. Ernährung im Fokus. 07-08 2017. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/gas-fachpresse/

76 Peinelt V: Das Gastronomische Ampelsystem - Langfassung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/beschreibung/langfassung/

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staatlichen LM-Kontrolle u� berpru� ft wird. Von diesen Hygienekontrollen ist aber bekannt, dasssie wegen Personalmangels zu selten stattfinden. A6 hnliches trifft auch fu� r den Arbeitsschutzzu. Die Kontrollberichte zeigen, dass in Sachen Arbeitsschutz zu einem hohen Prozentsatz ingastronomischen Betrieben Versto� ße stattfinden77. Dies deutet darauf hin, dass die Kompetenzauf diesem Gebiet zu gering ist. Ein Grund hierfu� r ko� nnte Personalmangel sein. Die Komplexi-ta� t dieses Bereichs ist im "Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie" ausfu� hrlich nachzule-sen78.

Daher wa�re es gut gewesen, wenn die DGE in ihrem Q-Standard diesen Bereich nicht vernach-la� ssigt und in der Checkliste einige Fragen hierzu gestellt ha� tte.

6.2 BGM/BGFDas Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) bzw. die Betriebliche Gesundheitsfo� rderung(BGF) dient dazu, im Betrieb pra�ventive Angebote fu� r die Mitarbeiter zu machen, um Krank-heiten zu vermeiden. Neben den u� blichen Angeboten, z.B. fu� r einen gesunden Ru� cken oder An-ti-Raucherkurse, ko� nnen auch Angebote fu� r eine bessere Erna�hrung gemacht werden. Die Q-Standards der DGE sollen auch diesem Ziel dienen. Dies ist mit dem Ansatz der DGE auf Menu� sbezogen nicht umsetzbar ist. Es fehlt also ein Konzept, mit dem das gesamte Angebot fu� r un-terschiedliche Angebotssysteme bewertet werden kann, wobei die Speisen einzeln sowie inKombination bewertbar wa�ren. Ein solches System existiert in Form von GAS.

6.3 VerpflegungssystemeDes Weiteren fehlen Definitionen fu� r qualita� tsrelevante Verpflegungs- und Produktionssyste-me im Q-Standard selbst. Dieses Thema wurde in fru� heren Auflagen zumindest noch kurz an-gesprochen79, allerdings ohne dabei u� berpru� fbare Kriterien festzulegen. In spa� teren Auflagenwurden selbst diese kurzen Hinweise wieder entfernt, statt sie zu erweitern und die Kriterienhierfu� r nachzuliefern. Im neuesten Q-Standard von 2020 finden sich lediglich ein paar Hinwei-se im Internet unter www.jobundfit.de. Nur fu� r die Warmverpflegung wurden die elementarenEckpunkte der Qualita� t genannt (Temperatur und Zeit), nicht aber fu� r die temperaturentkop-pelten Systeme, die immer wichtiger werden.

In der BG wird i.d.R. das Mischkost-System angewendet. In großen Betrieben mit 1000 undmehr Mitarbeitern mu� ssten aufgrund eines reichhaltigen Angebots die Speisen schon fru� h zu-bereitet werden und wu� rden ohne Temperaturentkopplung la�ngere Zeit warmgehalten wer-den. Dies ha� tte erhebliche Auswirkungen auf die Qualita� t der Speisen. Daher wird auch in die-sen Betrieben inzwischen zunehmend mit Chillern die vorproduzierte Ware gleich herunter-geku� hlt und kurz vor der Ausgabe chargenweise regeneriert80. Somit ist die Qualita� t dieserSpeisen wie frisch zubereitet.

77 Haufe: 80% mit Mängeln beim Arbeitsschutz. www.haufe.de/arbeitsschutz/recht-politik/gastronomie-80-prozent-mit-maengeln-beim-arbeits-schutz_92_359454.html

78 Wetterau J, Soeters-Jakobs B: K17. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in: Handbuch der Gemeinschaftsgastronomie. Anforderungen | Umset-zungsprobleme | Lösungkonzepte. Rhombos-Verlag, Berlin, 2. Auflage, 2016, 1642 S.

79 DGE (Hrsg): DGE-Qualitätsstandard für die Betriebsverpflegung. 1. Auflage, 2008, 28 S., DGE e.V., Bonn, s.S. 1580 Peinelt V: Exkursionen mit Studenten zur Fa. Henkel in Düsseldorf, die schon seit über einem Jahrzehnt das System "Cook and Chill" nutzt.

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Damit diese Systeme einwandfrei laufen, sind qualita� tsrelevante Vorgaben sowie eine Definiti-on der Voraussetzungen wichtig. Dabei ist es nicht erforderlich, dies in allen Details zu be-schreiben. Es wu� rde reichen, wesentliche Hinweise zu geben und ansonsten auf anerkannteLeitlinien zu verweisen, die Bestandteil der Q-Standards wa� ren (DIN-Normen).

Vielleicht meint die DGE, dass dieses Thema wegen der Komplexita� t aus den Q-Standards aus-gelagert werden sollte. Dies ko� nnte zum einen u� ber das Internet geschehen oder u� ber eine se-parate Publikation. Im Internet gibt es einige Hinweise, die aber sehr kurz und wenig hilfreichsind. Eine separate Publikation wurde schon vor Jahren erstellt (2014), in der die Bewirtschaf-tungs- und Verpflegungssysteme beschrieben werden81. Bei dieser Publikation ging es prima� rum eine Hilfestellung fu� r die Schulverpflegung. Sie wurde in einer ausfu� hrlichen Stellungnah-me82 bewertet, wobei die Ausfu� hrungen zu den Verpflegungssystemen als nicht ausreichenderachtet wurden. Doch darauf bezieht sich der neue Q-Standard ja auch gar nicht. Somit ist al-les, was die DGE in diesem Q-Standard zu den Verpflegungssystemen auszusagen hat, auf eini-ge wenige Absa� tze im Internet beschra�nkt.

Die Einstellung der DGE zu den Verpflegungssystemen ist zu kritisieren, weil nicht u� ber dieWahrscheinlichkeit der Einhaltung der no� tigen Systembedingungen in der Praxis in Deutsch-land informiert wurde. Tatsache ist, dass die temperaturgekoppelten Systeme, also die Misch-ku� che und die Warmverpflegung, in Deutschland ha�ufig fehlerhaft ausgefu� hrt werden. DieGru� nde hierfu� r sind vielfa� ltig. Dies liegt auch daran, dass weder die minimale Heißhaltetempe-ratur, noch die maximale Heißhaltezeit verpflichtend sind. Wu� rde dafu� r gesorgt, dass insbe-sondere die Heißhaltezeiten eingehalten wird, wa� re oft ein erheblicher zusa� tzlicher Aufwanderforderlich, womit dieses System verteuert wu� rde. Die Preissensibilita� t in Deutschland inVerbindung mit einem zu geringen Qualita� tsbewusstsein verhindern, dass diese qualita� tsver-bessernden Maßnahmen ergriffen werden. Da dies etwas mit der Qualita� t zu tun hat, sollteauch einiges dazu im Q-Standard behandelt worden sein. Heißhalte-Zeit und -Temperatur sindletztlich Empfehlungen, die beide Bestandteil einer DIN-Norm83 sind. In anderen La�ndern gibtes strengere Vorgaben, z.B. in Japan. Daher ha� tte der Q-Standard den freiwilligen Charakterdieser Werte kritisch beurteilen ko� nnen. Wenn fehlende Vorgaben eine bessere Qualita� t ver-hindern, wa� re es auch eine Aufgabe eines Q-Standards, dies hervorzuheben.

In den Schulen sind die Verha� ltnisse bzgl. der Produktionstechnik oft besonders problema-tisch. Anders sieht es hingegen in der BG aus. Dort besteht i.d.R. eine gut ausgestattete Ku� che,in der qualifizierte Mitarbeiter ta� tig sind. Aber auch hier werden mehrere Verpflegungssyste-me "unter einem Dach" betrieben, weil nicht nur fu� r die Mitarbeiter im Betriebsrestaurant ge-kocht wird, sondern auch fu� r Außenstellen oder auch fu� r Fremdbetriebe, wie z.B. Schulen. Da-her wa� ren Informationen u� ber die Verpflegungssysteme auch fu� r die BG von großem Interes-se. Viele Speisen, die an Externe oder an die Außenstellen des Betriebs transportiert werden,mu� ssen die Speisen mangels anderer Systeme oder aus Ünkenntnis u� ber bessere Alternativenwarm gehalten werden. Damit sind aber oft la�ngere Heißhaltezeiten verbunden, meist mehrals drei Stunden.

81 DGE (Hrsg): DGE-Praxiswissen. Vollwertige Schulverpflegung. Bewirtschaftungsformen und Verpflegungssysteme. 2014. www.schuleplusessen.-de/fileadmin/user_upload/medien/Vollwertige_Schulverpflegung.pdf, s.S. 12-28

82 Peinelt V: Aussagen der DGE zu Verpflegungssystemen in der Schule. https://ewd-gastro.jimdo.com/schulverpflegung/produktionssysteme-2/83 DIN 10508: Lebensmittelhygiene - Temperaturen für Lebensmittel. DIN 10508, Normenausschuss Lebensmittel und landwirt. Produkte (NAL)

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Daher wa�re es auch fu� r die Betriebe in der BG sinnvoll, wenn ho� herwertige Verpflegungssyste-me als das Warmverpflegungssystem zum Einsatz ka�men, wie z.B. "Cook and Chill". Der Ein-satz dieses Systems im Rahmen der Hauptproduktion von fru� h produzierten Speisen wurdebereits erwa�hnt. Die temperaturentkoppelten Systeme spielen also auch in der BG eine wich-tige Rolle und sollten bekannt sein. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme und Hinwei-se zu ihrem optimalen Einsatz sind also wichtige Themen, die im Q-Standard der DGE ha� ttenbehandelt werden sollen.

Es kommt hinzu, dass Ku� chen oder Teile davon nach bestimmten Zeiten einen so hohen Reno-vierungs- und Neuanschaffungsbedarf haben, dass die Kosten nicht mehr getragen werdenko� nnen. In solchen Fa� llen bietet es sich an, die gesamte Ku� che auf eine Regenerierku� che um-zustellen, wobei die Speisen entsprechend konserviert, z.B. geku� hlt, angeliefert werden. Diesspart Kosten bei der Ausstattung und beim Personal. Bei einem solchen System werden keineSpeisen mehr produziert, sondern nur noch gefinisht, wofu� r in erster Linie Ku� hl- und Regene-riergera� te beno� tigt werden. Das Gleiche ko� nnte natu� rlich auch auf Basis von TK-Gera� ten ge-schehen.

Selbstversta�ndlich kann ein Q-Standard keine komplette Vorgabe machen, wie ein umfangrei-cher Ümbau zu organisieren ist. Hierfu� r sind entsprechende Fachleute erforderlich, sog. Ku� -chenplaner mit der Spezialisierung auf Großku� chen. Es wa� re jedoch sinnvoll gewesen, zu deneinzelnen Verpflegungssystemen Hinweise im Q-Standard zu geben, die weit u� ber die wenigenAbsa� tze im Internet hinausgehen. Dabei ha� tte auch darauf eingegangen werden mu� ssen, wel-che Systeme gut oder weniger gut betrieben werden ko� nnen - unter Angabe der Gru� nde. Dieswa�re eine echte Hilfestellung gewesen.

Die einzelnen Systeme stellen die Speisen mit unterschiedlichen Qualita� ten zur Verfu� gung.Dies wurde z.B. in sensorischen Tests immer wieder u� berpru� ft und besta� tigt. Nachfolgendsind die Ergebnisse fu� r verschiedene Speisen der unterschiedlichen Verpflegungssysteme dar-gestellt worden.

Wie Abb. 3 zeigt, sind frisch zubereitete Speisen am besten zu beurteilen, knapp gefolgt vontemperaturentkoppelten Speisen. Bei der Frischkost bzw. Mischkost wurde jedoch von sehrguten Verha� ltnissen ausgegangen, die selbst in gut organisierten Betrieben so nicht zu reali-sieren sind. In der BG sind immer bestimmte Standzeiten notwendig. Diese ko� nnen durchauseine Stunde und mehr betragen. Die warmgehaltenen Speisen fallen auch bei guten Rahmen-bedingungen deutlich ab. Oft liegt die Heißhaltezeit u� ber vier Stunden.

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Abb. 3: Unterschiede der sensorischen Qualität bei verschiedenen Systemen84

Abb. 4: Erhaltung hitzeempfindlicher Vitamine85

Auch der Vergleich der Vitaminerhalte zeigt (Abb. 4), dass nur bei sehr guten Verha� ltnissendas System "Warmverpflegung" mit "Cook and Chill" mithalten kann. Normalerweise ist dasnicht der Fall. Dies zeigt, wie wichtig es wa�re, im Q-Standard darauf einzugehen.

6.4 Nachvollziehbarkeit der ÄnderungenA6 nderungen der Q-Standards von Auflage zu Auflage werden von der DGE nicht erla�utert bzw.begru� ndet. Nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht wa�re es wu� nschenswert zu erfahren, war-um etwas gea�ndert wurde, einige Passagen ganz verschwanden und andere hinzukamen. Eswird lediglich darauf hingewiesen, was sich gea�ndert hat.

84 Bognàr A: Qualität warmer Speisen. Angebotsformen in der Großküche. ernährung im fokus 6 (2006), Heft 01, 2-885 Williams PG et al.: Ascorbic Acid and 5-Methyltetrahydrofolate Losses in Vegetabels with Cook/Chill or Cook/Hot-Hold Foodservice Systems.

Journal of Food Science. 60 (1995), Nr. 3, 541-546

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Gerade weil die Q-Standards der DGE eine wichtige Vorgabe sein sollen, deren Einhaltung beiAusschreibungen immer ha�ufiger verlangt wird, wa� re zu erwarten gewesen, dass die A6 nde-rungen nachvollziehbar erla�utert werden. Welche neuen Erkenntnisse hat es gegeben, die zuA6 nderungen gefu� hrt haben? Ein Caterer sollte schon wissen, warum sein Angebot fu� r diena� chste Zertifizierung bei der DGE ggf. zu a�ndern ist, denn er ist es, der gegenu� ber seinemAuftraggeber und den Ga�sten Rede und Antwort stehen muss. Die Erla�uterungen fu� r A6 nderun-gen mu� ssen nicht im Q-Standard selbst dargestellt werden. Hierfu� r bo� te sich das Internet an.

6.5 Zertifizierungsbedingungen und -prozessDie Entwicklung eines Q-Standards in der BG ist wichtig als Grundlage fu� r die Beurteilung derQualita� t des Speisenangebots. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die Ümsetzung diesesQ-Standards, was nur u� ber eine Pru� fung geschehen kann. Üm zu pru� fen, dass der Q-Standardeingehalten wird, ist eine Zertifizierung mit einer regelma�ßigen Pru� fung der Verha� ltnisse ineinem Betrieb notwendig. Im Erfolgsfall kann ein Zertifikat vergeben werden. Wird die Ü6 ber-pru� fung gema�ß dem Q-Standard fu� r die BG von der DGE bzw. beauftragten Ünternehmendurchgefu� hrt, vergibt die DGE ihr eigenes Zertifikat.

Damit ein interessierter Betriebsleiter weiß, welche Anforderungen von der DGE gestellt wer-den, sollte er mo� glichst viel u� ber den Zertifizierungsprozess erfahren. Diese Informationenwurden in fru� heren Q-Standards auch gegeben. Im neuesten Q-Standard fehlen sie hingegenweitgehend. Das betrifft zum einen die Referenzwerte, also die i.D. pro Mittagessen enthalte-nen Na�hrstoffe sowie zum anderen den gesamten Bewertungsprozess. Lediglich in Kap. 2 wirdin einem kurzen Abschnitt darauf hingewiesen, dass die Mo� glichkeit einer externen Qualita� ts-pru� fung besteht, verbunden mit der Vergabe eines Qualita� tssiegels. Erga�nzt wird diese Kurzin-formation noch durch einen Verweis auf das Internet.

Im Internet ist es jedoch schwierig, etwas u� ber die "Externe Qualita� tspru� fung" zu finden. Hier-zu muss man sich auf die "Weiterfu� hrenden Informationen" durchklicken und gelangt danntatsa� chlich zu diesem Ünterpunkt. Es werden lediglich drei Stellen genannt, die solche Pru� fun-gen vornehmen, wobei u� ber einen Link auf diese Angebote weitergeleitet wird. Es handelt sichum die "DGE", den "TÜ6 V Rheinland Cert GmbH" sowie die "RAL-Gu� tegemeinschaft Erna�h-rungs-Kompetenz e.V.". Ü6 ber einen weiteren Link kann man sich die Angebote auf der jeweili-gen Homepage ansehen. Eine Kommentierung der DGE, wie diese Angebote einzustufen sind,wo Gemeinsamkeiten und Ünterschiede bestehen, ob die Zertifikate auch die Erfu� llung des Q-Standards der DGE bedeuten, gibt es leider nicht.

Von besonderem Interesse ist in diesen Ausfu� hrungen zu den Q-Standards das Zertifikat derDGE, worauf nachfolgend eingegangen wird. Auf der entsprechenden Seite der DGE werdenzuna� chst kurz die Vorteile einer DGE-zertifizierten Verpflegung beschrieben, dass die Ga� steund der Caterer von einer Zertifizierung profitieren und dass mit dem Zertifikat geworbenwerden kann. Dann wird daru� ber informiert, dass ein Formular auszufu� llen ist, um die Kostender Zertifizierung zu erfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt ist u� ber den konkreten Ablauf der Zer-tifizierung und die Anforderungen noch nichts gesagt worden, sondern nur Allgemeines.

In einigen kurzen Abschnitten wird darauf hingewiesen, dass die Kriterien fu� r drei Bereichezu erfu� llen sind: "Lebensmittel, Speisenplan & -herstellung sowie Lebenswelten". Die Erla�ute-rungen zu diesen drei Punkten sind eher spa� rlich und liefern kaum mehr Information als die

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Ü6 berschriften. Damit kann ein interessierter Betriebsleiter noch nicht erkennen, ob er die Pru� -fung grundsa� tzlich bestehen kann. Die Seite schließt mit formalen Hinweisen und der Darstel-lung der Logo-Varianten fu� r die verschiedenen Bereiche ab.

Die DGE gibt dort also nicht preis, wie der Ablauf der Zertifizierung im Detail ist und welcheAnforderungen gestellt werden, um die Pru� fung zu bestehen. Allerdings gibt es eine Hilfestel-lung in Form einer Checkliste. In dieser sind die Kriterien der Qualita� tsbereiche zusammenge-fasst. Hierzu heißt es, dass dies eine Ü6 bersicht u� ber alle Kriterien des Q-Standards sei. DieserHinweis ist neu. Fru� her enthielt die Checkliste nur beispielhafte Fragen, ohne den Anspruchauf Vollsta�ndigkeit. Im aktuellen Q-Standard mu� sste also eine Ü6 berpru� fung mit der Checklistemo� glich sein, mit der festgestellt werden kann, ob eine Zertifizierung zu erreichen ist.

Die Checkliste besteht aus insgesamt 88 Fragen. Davon werden allein 26 zu den LM-Qualita� tenfu� r das Fru� hstu� ck und die Zwischenverpflegung sowie das Mittagessen gestellt, also fast einDrittel. Hierbei wird nach Mischkost und nach vegetarischem Angebot unterschieden. Die Fra-gen zu den beiden Kostformen sind sehr a�hnlich, natu� rlich mit Ausnahme der Fleischkriterien.Insofern ha� tten die Fragen fu� r die beiden Kostformen leicht zusammengefasst werden ko� n-nen, womit die Zahl der Fragen um ca. 15% reduziert worden wa�re. Somit blieben lediglich ca.75 Fragen u� brig, die den gesamten Bereich der Verpflegung mit allen Randgebieten abdeckensollen, was aus Sicht der Autoren relativ wenig ist.

Im Vergleich hierzu entha� lt die Checkliste des TÜ6 V Rheinland fu� r das Zertifikat "Ausgezeichne-te Gemeinschaftsgastronomie" ca. 600 Fragen, wovon sich allerdings nicht alle auf die BG be-ziehen, sondern nur etwa 500. Es kommt hinzu, dass noch zahlreiche Belege (bspw. hinsicht-lich des vorliegenden Reinigungs- und Desinfektionsplans) verlangt werden, die genau defi-niert sind. Derartige Belege gab es auch in der letzten Auflage der Q-Standards nicht, weshalbdiese vermutlich nicht verlangt werden.

Fu� r alle LM-Gruppen werden die Anforderungen abgefragt, z.B. ob es beim Fru� hstu� ck 2x ta� g-lich Obst gibt. Es gibt drei Antwortmo� glichkeiten, na�mlich "nicht erfu� llt", "teilweise erfu� llt"und "erfu� llt". Entweder wird 2x ta� glich Obst angeboten oder nicht. Eine Zwischenlo� sung gibtes nicht. Daher ist die mittlere Spalte im Grunde u� berflu� ssig. Wie mit den Antworten verfah-ren wird, d.h. ab wann die Pru� fung bestanden wird, erfa�hrt ein Interessent auch nicht, wenn erdie Checkliste durcharbeitet. Dies ist unbefriedigend. Fru� her war das anders. Damals galt dersog. 60%-Ansatz, d.h. es mussten mind. 60% der Anforderungen erfu� llt sein. Wie hoch ist derProzentsatz heute?

Fru� her gab eine Differenzierung nach Basis- und Premium-Zertifikat. Diese Differenzierungwurde ersatzlos gestrichen, ohne jede Begru� ndung. Heißt das jetzt, dass ein Zertifikat von derDGE nur vergeben wird, wenn die na�hrstoffoptimierte Menu� linie angeboten wird, was daraufhinauslaufen wu� rde, dass nur noch das Premiumzertifikat verlangt wird? Auch wenn die An-forderungen fu� r eine Pru� fung zur Einhaltung der Q-Standards der DGE nicht mehr angegebensind, darf davon ausgegangen werden, dass die meisten Festlegungen von fru� her auch heutenoch gelten. Die Schwachpunkte dieser alten Zertifizierung wurden in einer Stellungnahmeausfu� hrlich dargelegt. Wegen Einzelheiten sei auf diese Stellungnahme verwiesen86. Mo� gli-

86 Peinelt V: Stellungnahme: Kritik an den DGE-Standards. Publikationen bis 2015. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/kritik-an-dge-stan-dards/

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cherweise sind die Pru� fbedingungen aber auch gea�ndert worden. Warum gibt sich die DGEhier so bedeckt?

Ein grundsätzliches Problem besteht im gesamten Q-Standard darin, dass ei-nerseits Kriterien festgelegt und in einer Checkliste zur Selbstüberprüfungzur Verfügung gestellt werden. Andererseits reichen diese Kriterien abernicht aus, um einen einwandfreien Betrieb zu gewährleisten. Um die gesetz-lichen Vorgaben einzuhalten, müssen Betriebsleiter nicht nur darüber infor-miert werden, welche Verordnungen etc. es gibt. Sie müssen auch Näheresüber die Inhalte wissen. Nur wenn alle wichtigen Vorgaben eingehalten wer-den, ist von einer korrekten Arbeitsweise im Betrieb auszugehen. Dahermüssten die Einzelkriterien noch zusätzlich abgefragt werden. Über den Q-Standard sind diese Einzelkriterien jedoch nicht zu erhalten.

Beispielsweise ist die Schulungspflicht eine Forderung, die im Q-Standard zwar erwa�hnt,aber nicht hinreichend erla�utert wird. Wie werden solche Schulungen gestaltet? In einer DIN-Norm wurde festgelegt, worauf bei Schulungen zu achten ist. Da diese Details nicht im Q-Stan-dard stehen, ko� nnen sie auch nicht in der Checkliste abgefragt werden. Erst recht gilt dies, umein zweites Beispiel zu nennen, fu� r das HACCP-Konzept. Die wenigen Zeilen, die im Q-Stan-dard hieru� ber zu lesen sind, reichen bestenfalls aus, um eine vage Vorstellung von einem sol-chen Konzept zu bekommen. Die Ümsetzung selbst ist sehr aufwa�ndig, da ein solches Konzeptfu� r jeden Betrieb einzeln erstellt werden muss, wobei zahlreiche Dokumente zu erarbeitensind.

Daher kann die Bescha� ftigung mit der Checkliste der Q-Standards, wo lediglich 88 Fragen zufinden sind, aus Autorensicht nicht ausreichen, um Sicherheit bei der korrekten Fu� hrung einesgroßen Betriebes in der BG zu erreichen. Diese Checkliste ist also eher ein grundlegender Ein-stieg. Die Pru� fung mit Hilfe der Checkliste kann sich nur auf einen Bruchteil der Anforderun-gen beschra�nken. Außerdem ist nicht klar, ob die (wenigen) Kriterien zu 100% erfu� llt werdenmu� ssen oder ob ein niedrigerer Prozentsatz ausreicht. Die Zertifizierung ist wegen vieler Ün-klarheiten mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Vermutlich wollte die DGE durch dieVermeidung der Offenlegung von Einzelheiten der Pru� fungsmodalita� ten verhindern, dass mandaran Kritik u� ben kann, wie das bei der letzten Auflage geschehen ist.

In der Summe sind die Informationen über die Zertifizierung unbefriedigend. Das be-trifft zum einen die Zertifizierung gemäß der Q-Standards der DGE und zum anderendie Zusammenhänge zu externen Zertifizierungen anderer Institutionen.

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7. Vergleich mit früheren Q-Standards

7.1 NachhaltigkeitDie A6 nderungen der stark u� berarbeiteten neuen Q-Standards der DGE betreffen insbesonderedie Nachhaltigkeit. Von den vier Sa�ulen der Nachhaltigkeit im letzten Q-Standard wurdendrei ausgetauscht, wobei fu� r zwei Sa�ulen (O6 kologie und Gesellschaft) nur der Namen gea�ndertwurde. Allerdings wird das nicht na�her erla�utert, so dass sich hinter diesen beiden neuen Be-griffen (Ümwelt und Soziales) auch eine inhaltliche A6 nderung verbergen ko� nnte.

Ganz neu ist der Begriff "Tierwohl", der die alte Sa�ule der "Wirtschaftlichkeit" ersetzt. DieseA6 nderung ist unbegru� ndet und nicht gerechtfertigt. Sie mag aus agrarpolitischer Sicht eine Be-rechtigung haben, nicht aber aus Sicht der BG, wo die Wirtschaftlichkeit eine wesentliche Rol-le spielt, die daher nicht einfach gelo� scht werden sollte. Ein Betrieb, der wirtschaftlich nichtu� berlebt, ist logischerweise auch nicht nachhaltig. Bedauerlicherweise hat sich die DGE zu die-sen A6 nderungen nur unzureichend gea�ußert und lediglich auf den Beirat WBAE des BMEL unddessen Gutachten verwiesen, der diese Definition festgeschrieben hat87. Dies ist im Ü6 brigenkeine inhaltliche Argumentation, die aber zu fordern ist. Wie mehrfach erwa�hnt, kommt es beiA6 nderungen darauf an, dass sie begru� ndet werden. Auf das Gutachten des WBAE und den Zu-sammenhang zur BG wurde bereits in St-Kap. 3.1 eingegangen.

Das Thema "Nachhaltigkeit" hat zwar einen gro� ßeren Stellenwert erhalten, was bei der Vor-stellung der Q-Standards durch die Ministerin Frau Klo� ckner stark hervorgehoben wurde88.Die konkrete Ümsetzung anhand von Kriterien ist aber nicht erkennbar. Neben den vier modi-fizierten Sa�ulen der Nachhaltigkeit findet man einige theoretische Ausfu� hrungen sowie alseinzige Orientierung zwei Tabellen, die CO2-A6 q/kg fu� r verschiedene LM-Gruppen angeben, dif-ferenziert nach pflanzlichen und tierischen LM. Die Zahlenangaben sind sehr lu� ckenhaft, danicht nur LM-Gruppen, sondern auch wichtige Einflussfaktoren fu� r die Bewertung der Nach-haltigkeit fehlen. Daher lassen sich die Tabellen kaum in der Praxis verwenden. Auch die weni-gen Beschreibungen der LM-Gruppen enthalten kaum Verwertbares. Dort, wo konkrete Forde-rungen ausgesprochen wurden, z.B. beim Fisch, sind sie nur rudimenta� r. Sie ha� tten z.B. die ak-tuellen Probleme beim Fischfang und durch die Verschmutzung der Meere, somit die ethisch-o� kologisch-toxikologische Belastungssituation der Fische beru� cksichtigen mu� ssen. So aberbleibt es nur bei der altbekannten Aufforderung, MSC- und ASC-zertifizierte Fische zu verwen-den. Ferner ist zu kritisieren, dass die Säule "Gesundheit" beim Thema Nachhaltigkeit nurunter erna�hrungswissenschaftlichen Gesichtspunkten bewertet wird. Dabei geho� rt doch gera-de in der BG noch einiges mehr dazu, insbesondere der Arbeitsschutz oder die BetrieblicheGesundheitsfo� rderung.

7.2 Fehlende AspekteAnsonsten muss die alte Kritik wegen fehlender Aussagen auch im neuen Q-Standard wieder-holt werden. Dies betrifft die beiden bereits erwa�hnten Themen "Arbeits- und Gesundheits-schutz" und "Verpflegungssysteme". Teilweise ist das Fehlen von Aussagen auf diesen Gebie-

87 BMEL: Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten - WBAE-Gutachten vom 8/2020. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhal-tige-ernaehrung.html

88 BMEL/DGE: Ein Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit. Die neuen DGE-Qualitätsstandards. gv-praxis 12/20, S. 41 ff

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ten sogar noch gravierender geworden als fru� her, v.a. bei den Verpflegungssystemen, die vonder DGE nur im Internet erwa�hnt werden. Angesichts der immensen Bedeutung eines Verpfle-gungssystems fu� r die Qualita� t der Speisen, insbesondere bzgl. der korrekten Einstellung derAnwendungsparameter, ha� tte viel mehr gesagt werden mu� ssen, allerdings ohne sta� rker auftechnische Details einzugehen. Wegen der Technik ha� tte u.a. auf anerkannte Vorgaben (z.B.DIN-Normen) verwiesen werden ko� nnen. Ausfu� hrliche technische Beschreibungen sind in Q-Standards nicht erforderlich, weil diese kein Technikhandbuch ersetzen sollen.

Was aber sehr wohl im Rahmen eines Q-Standards ausgefu� hrt werden ko� nnte, sind Hinweiseauf die Anwendbarkeit dieser Systeme und die Probleme, die bei Entscheidungen zu be-ru� cksichtigen sind. Ein Hinweis, dass die Bedingungen gerade bei den temperaturgekoppel-ten Systemen (Mischku� che und Warmverpflegung) nur selten korrekt eingehalten werden,wa�re sicher sehr sinnvoll gewesen. Der Q-Standard sollte doch auch bei Verpflegungssystemeneine Orientierung geben, indem mitgeteilt wird, mit welchen Wahrscheinlichkeiten, mit wel-chem Aufwand und unter welchen Rahmenbedingungen bestimmte Systeme einwandfrei lau-fen. Die Standard-Aussage der DGE hierzu, "alle Verpflegungssysteme sind prinzipiell geeignet",unabha�ngig davon, wie gut diese in der Praxis tatsa� chlich umgesetzt werden ko� nnen, ist wenighilfreich, vielmehr irrefu� hrend. Sinn und Zweck der Q-Standards besteht doch auch darin, dasszum besseren Versta�ndnis Erla�uterungen und Beispiele gegeben werden. Insofern wa� ren Aus-fu� hrungen zur Ümsetzbarkeit der Verpflegungssysteme wichtig gewesen.

In die Q-Standards sollten also auch Hinweise zu den realen Verha� ltnissen einfließen. Hierzugeho� rt auch, dass auf die Voraussetzungen eingegangen wird. Falls diese nur schwer erfu� ll-bar sind, sollte dies in den Q-Standards deutlich vermerkt werden. Durch entsprechende Aus-sagen im Q-Standard ko� nnen die Entscheidungstra� ger vielleicht leichter dazu bewogen wer-den, sich fu� r solche Systeme zu entscheiden, mit denen eine gute Qualita� t am ehesten erziel-bar ist. Auch bei der BG wa� ren entsprechende Hinweise zu den Verpflegungssystemen wichtig,weil in der BG meist mit verschiedenen Systemen gearbeitet wird, je nach Aufgabenstellung(z.B. Belieferung von Schulen). Doch die DGE entha� lt sich hier jeglicher bewertender Aussage,was auch eine Schwa� che der Q-Standards ist. Auch diese Enthaltsamkeit wird mit keinemWort begru� ndet.

Neu ist das Fehlen von Detail-Informationen zum Zertifizierungsprozess im aktuellen Q-Standard. Wa�hrend dies noch in der letzten Auflage ausfu� hrlich in einem eigenen Kapitel be-handelt wurde, findet man heute nur noch oberfla� chliche Hinweise hierzu. Das ist ein Bruchmit den bisherigen Q-Standards. Mit der abschließenden Checkliste werden laut DGE alle Kri-terien fu� r eine erfolgreiche Pru� fung angegeben. Dies ist jedoch stark zu bezweifeln. Fru� herwar die Checkliste nur ein Auszug aus dem kompletten Pru� fungsvorgang. Ünd auch im aktu-ellen Q-Standard ist die Anzahl dieser Kriterien sehr u� berschaubar und wird auch noch durchwiederholte Fragen unno� tig aufgebla�ht. Dies trifft z.B. fu� r die Fragen zur Mischkost und vege-tarischen Linie zu.

7.3 Falscher BewertungsansatzWeiterhin bleibt der Kritikpunkt bestehen, dass die DGE ihre Bewertung nur auf eine Menüli-nie beschra�nkt, wobei eine Differenzierung nach Mischkost und ovo-lakto-vegetarischer Kosterfolgt. Üm konsequent den optimierten Na�hrwert einer Menu� linie nutzen zu ko� nnen, sind

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Spru� nge zwischen den Linien nicht zula� ssig. Der Grund ist das geringe, aber notwendige Ange-bot von ungu� nstigen Speisen (z.B. Pommes frites), die sich ein Gast bei Wechselerlaubnis her-auspicken ko� nnte. Er wu� rde sich dann in einer falschen Sicherheit wiegen. Üm auf der siche-ren Seite zu bleiben, mu� sste sich der gesundheitsbewusste Gast schon an das Angebot einerLinie halten.

Wie mehrfach ausgefu� hrt, reicht wegen der heutigen flexiblen Ausgabesysteme in der BG die-ser Ansatz nicht mehr. Wenn nur eine durchgerechnete Menu� linie als gesundes Angebot dekla-riert wird, bleibt die Frage offen, wie der Rest des Angebots einzustufen ist. Daher ist der Fallvorstellbar, dass zwar die Menu� linie den Vorgaben entspricht, der Rest des Angebots aber ausu� berwiegend ungu� nstigen Speisen (z.B. Hackfleisch- und Wurstgerichte, Frittiertes etc.) be-steht. Ein solches Angebot sollte dann nicht auch noch durch ein Gesundheitssiegel ausge-zeichnet werden, was den falschen Eindruck vermitteln wu� rde, das gesamte Angebot sei alsgut zu bezeichnen. Daher ko� nnte man ein so entstandenes Zertifikat auch als eine Ga�steta�u-schung auffassen. Der DGE scheint diese Problematik nicht bewusst zu sein, weil sie mit kei-nem Wort darauf eingeht, geschweige denn, dass irgendwelche Lo� sungsvorschla� ge gemachtwu� rden, um diese Teilbewertung zu erweitern. Mit dem menu� basierten Bewertungsansatzdu� rfte noch nicht einmal 10% des Angebots bewertet werden. Ferner ist in der Regel nur einkleiner Teil der Belegschaft bereit, dieses Angebot konsequent täglich zu wa�hlen. Nur dannko� nnte sich die gute Zusammensetzung auch gesundheitlich auswirken, einmal abgesehen vonder Fragwu� rdigkeit des Durchschnittsansatzes.

Trotz der fehlenden Bewertungsmo� glichkeit fu� r das normale und u� berwiegende Angebot,wird das wenig geeignete Instrument der NWB fu� r eine Menu� linie weiterhin angewendet.Auch wenn die Vorgaben im Q-Standard selbst sich nur auf die LM fu� r eine Woche beziehen, sosind die Speisenpla�ne auf der Basis eines durchgerechneten 4-Wochenspeisenplans einzurei-chen, um eine sichere Bewertung des Speisenplans zu ermo� glichen. Erstaunlich ist, dass dieReferenzwerte fu� r die durchschnittlichen Na�hrwerte der Speisenpla�ne nicht mehr angegebenwerden. Somit kann ein Interessent nicht im Vorwege pru� fen, ob sein Speisenplan den Anfor-derungen genu� gt. Auch dies ha� tte einmal begru� ndet werden sollen. Auf ein alternatives Sys-tem ohne NWB wird in St-Kap. 8 eingegangen.

7.4 SonstigesNach wie vor ist die Kritik der DGE an High-Convenience-Produkten im Q-Standard zu fin-den. Mit ihrer pauschalen Kritik an "stark verarbeiteten" Produkten bleibt sie die Antwort aufdie Frage schuldig, was denn so schlecht an dem jeweiligen Verarbeitungsgrad ist. Wie an zweiBeispielen gezeigt wurde, ist weder der Verarbeitungsgrad eindeutig definiert worden, nochkann aus irgendwelchen Kriterien abgeleitet werden, dass diese Produkte zu limitieren sind.Die klassische Einteilung der Convenience-Grade, die in fru� heren Q-Standards noch genanntwurde, hilft hier auch nicht weiter.

Wenn man bedenkt, dass oft gar nicht zu unterscheiden ist, ob ein meist von spezialisiertenZentralku� chen bezogenes High-Convenience-Produkt gefinisht wurde oder ob aus gemischtenZutaten im Betrieb selbst die Speise hergestellt wurden, erscheint die Ablehnung dieser Pro-duktgruppe vo� llig unversta�ndlich. In diesem Zusammenhang fehlt der wichtige Hinweis, dassviele Ku� chen gar nicht anders ko� nnen, als derartige Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen,

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damit sie eine ausreichende Produktvielfalt anbieten ko� nnen. Der Leser der Q-Standards be-kommt den Eindruck vermittelt, als sei es eine vo� llig freie Entscheidung des jeweiligen Betrie-bes, ob er sich fu� r oder gegen High-Convenience-Produkte entscheidet.

Der Einsatz dieser Produkte ist in erster Linie durch die sonst drohenden hohen Investitions-kosten fu� r die Renovierung bzw. Instandhaltung von Ku� chen zu begru� nden. Weitere Gru� ndesind mo� glicherweise die Neubeschaffung von Gera� ten, wenn die Produktion im Rahmen derFrischku� che erfolgen soll sowie -ganz wichtig- fehlendes qualifiziertes Personal fu� r diese Ei-genproduktion. Wenn die bezogenen High-Convenience-Produkte nur noch gefinisht zu wer-den brauchen, sind Aufwand und Kosten natu� rlich deutlich geringer als diese selbst herzustel-len. Hier greift auch die Nachhaltigkeitssa�ule der Wirtschaftlichkeit. Ohne diese Produktewa�re ein Catering-Betrieb oft nicht mehr konkurrenzfa�hig und mu� sste u� ber kurz oder langKonkurs anmelden. Im Falle der Eigenregie, die deutlich ausgeweitet werden mu� sste, wennauf den Einsatz dieser Produkte verzichtet wird, wa� re die Bedingung, dass der Arbeitgeberseinen Kosten-Zuschuss deutlich erho� ht, was dieser in wirtschaftlich schweren Zeiten kaummachen wird.

Abschließend sei erwa�hnt, dass einige Kritikpunkte fru� herer Q-Standards durch die Ausfu� h-rungen in den neuen Q-Standards obsolet geworden sind. So wurde z.B. etwas mehr zum Be-schwerdemanagementsystem gesagt, was fru� her weitgehend fehlte.

8. Das Gastronomische Ampelsystem (GAS)

8.1 Beschreibung von GASGAS dient dem Zweck der gesundheitlichen Bewertung angebotener Speisen und Gerichte mitHilfe der allgemein bekannten Ampelfarben. Eine ausfu� hrliche Beschreibung findet sich im In-ternet89. Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte kurz dargestellt.

Bei der Ampelkennzeichnung fu� r Speisen und Gerichte bedeutet "gru� n" gut/empfehlenswert,"rot" ungu� nstig/nicht empfehlenswert und "gelb" liegt dazwischen. Die Bewertung ist an die3D-Erna�hrungspyramide der DGE angelehnt, mit der verschiedene LM-Gruppen in einemganzheitlichen Sinne bewertet werden. Dies schließt nicht nur den Na�hrstoffgehalt ein, son-dern auch pra�ventivmedizinische u.a. Eigenschaften. Die o� kologischen Eigenschaften der Spei-sen werden hingegen nicht bewertet, um eine Verwa�sserung der Aussagen zu vermeiden. Gru� -ne Speisen erfu� llen allerdings meist auch Nachhaltigkeitskriterien, d.h. die CO2-A6 q sind beigru� nen Speisen relativ gering. Wegen der niedrigen Energiedichte sind gru� ne Gerichte prinzi-piell auch geeignet, das Gewicht zu kontrollieren oder zu reduzieren.

Die Ampel-Kennzeichnung hilft zum einen den Küchenfachkräften, die Qualita� t ihrer Speisenund Gerichte schnell zu erkennen und zu optimieren. Weil sie leicht versta�ndlich ist, unter-stu� tzt sie zum anderen auch die Gäste, eine gesundheitsbewusste Auswahl zu treffen. Die Be-wertung kann fu� r einzelne Speisen, Teller-Gerichte, mehrga�ngige Menu� s bis hin zu ganzenSpeisenpla�nen erfolgen. Insbesondere ist GAS auch zur Bewertung von Free-Flow-Angebotenoder bei der Komponentenwahl geeignet, da jede einzelne Speise eine Ampelfarbe erha� lt.

89 Peinelt V: Gastronomisches Ampelsystem - Langfassung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/beschreibung/langfassung/

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Wa�hlt man Speisen mit unterschiedlichen Ampelfarben aus, la� sst sich i.d.R. leicht auch ohneRechenhilfsmittel ein ungefa�hrer Mittelwert bilden.

Fu� r Gerichte, die aus verschiedenen Speisen bestehen, werden die Ampelfarben ermittelt, in-dem zusa� tzlich zur Qualita� t auch die jeweiligen Mengen beru� cksichtigt werden. Es findet alsonoch eine Gewichtung statt. Letztlich erha� lt man eine Punktzahl fu� r das Gericht, von der danndie Ampelfarbe abgeleitet wird. Auch ein kompletter Speisenplan beliebiger Dauer ist mit GASzu bewerten. Werden die Rezepturen einzelner Gerichte dieses Plans gea�ndert, erfolgt dieneue Bewertung des Plans automatisch. Nachfolgend wird die Bewertung eines Menu� s mit u� b-licher (schlechter) Zusammenstellung vorgestellt (Tab. 1). Die rote Bewertung ist plausibel.

Tab. 1: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein schlechtes Gericht (ohne Heißhalteabzug)

Mit einigen Optimierungen des o.g. Menu� s, wie z.B. Vollkornspaghetti oder mehr Gemu� se wirddas Menu� erheblich verbessert, so dass es gru� n wird (Tab. 2). Auch dies ist plausibel.

Tab. 2: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein optimiertes Gericht (ohne Heißhalteabzug)

Mit GAS ließe sich das komplette Speisenangebot bewerten und kennzeichnen, also nicht nurMenu� s. Damit ha� tte der Gast eine echte Entscheidungshilfe beim "Free-Flow"-System. Die Por-tionsmenge ist dabei unerheblich, da ein mit einer bestimmten Farbe bewertetes Gericht inseinem Wert unabha�ngig von der Menge ist. Ein gru� nes Gericht bleibt gru� n, bei 100 g genausowie bei 500 g. Der Gast nimmt sich nur das, worauf er Appetit hat und wie viel er essen mo� ch-te. Das ist meistens nicht exakt die Menge, die als Durchschnitt von der DGE vorgegeben ist.Wenn er u� berwiegend "gru� ne" Speisen wa�hlt, spricht nichts dagegen, wenn er mehr davonisst. Diese gro� ßere Menge fu� hrt zu einer la�ngeren Sa� ttigung bei geringer Energiezufuhr undverhindert wahrscheinlich, dass der Mitarbeiter nachmittags ein erna�hrungsphysiologischminderwertiges Stu� ck Kuchen isst. Somit weisen die aufgenommenen Speisen eine ho� hereNSD auf.

Es wird jedoch niemand mit diesem Instrument zur gesunden Erna�hrung geno� tigt. Vielmehrwird dem Gast zugestanden, auch einmal ein rotes Gericht zu essen, ohne ein schlechtes Ge-

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Spaghetti mit Hackfleisch (1)

Spaghetti, Weißmehl 2 1 0,0 0,2 1,89 2,30 4,35Hackfleisch, halb/halb 2 3 26,0 0,0 -1,50 1,50 -2,25Tomaten 5 1 0,0 2,8 4,76 1,00 4,76Zwiebeln 5 1 0,0 4,2 4,69 0,50 2,35Pflanzl. Öle 3 1 100,0 0,0 -7,10 0,20

Käse 2,5 1 31,0 0,0 -0,70 0,50 -0,35Bayerisch Creme 3 1 16,0 21,1 0,25 1,50 0,371.508 kcal Summe: 1,23 7,50 9,22

Qualität(#0-4)

Garen (#0-4)

Fett(in %)

Zucker (in %)

Heißhalten (in h)

GAS-Wert

P-Menge (1=100)

Wertpro Speise

Vollkorn-Spaghetti mit Gemüse (2)

Spaghetti, Vollkorn 4 1 1,0 0,4 3,78 2,30 8,69Gemüse, gegart 5 1 0,0 3,0 4,75 2,50 11,88Rapsöl 4 1 100,0 0,0 -6,10 0,20 -1,22Linsen, gekocht 4 1 0,0 0,5 3,88 0,50 1,94Käse, Parmesan 2,5 0 31,0 0,0 -0,60 0,50 -0,30Obstsalat 5 0 0,0 14,6 4,27 1,50 6,41885 kcal Summe: 3,65 7,50 27,39

Qualität(#0-4)

Garen (#0-4)

Fett(in %)

Zucker (in %)

Heißhalten (in h)

GAS-Wert

P-Menge (1=100)

Wertpro Speise

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wissen zu haben. Gerade mit GAS ist eine solche "Su� nde" viel besser auszugleichen, weil dar-auf geachtet werden kann, dass die Farben der Gerichte innerhalb eines bestimmten Zeit-raums in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das heißt, es sollten überwie-gend grüne und gelbe Speisen/Gerichte gewa�hlt werden. Bei der Vielfalt des Angebots inder BG sollte dies kein Problem sein.

GAS ist also ein Instrument, das allen Zielgruppen dient: Ga� sten, Ku� chenfachkra� ften und derGescha� ftsfu� hrung eines Betriebes, die daran interessiert ist, dass alle Mitarbeiter gesund undleistungfa�hig bleiben. GAS bewertet auch nicht nur komplette Menu� s, sondern jede gastrono-mische Einheit, von einer Speise bis hin zum Menu� . Es wird daher inzwischen im Rahmen desBetrieblichen Gesundheitsmanagements eingesetzt und ist von einigen Krankenkassenals wirkungsvolles Instrument im Rahmen des Pra�ventionsgesetzes anerkannt. Selbstver-sta�ndlich ist die Bewertung von GAS ausfu� hrlichen Pru� fungen unterzogen worden. Hierbeistellte sich heraus, dass die Bewertungen sehr gut mit den Ergebnissen von NWB u� bereinstim-men, worauf nachfolgend na�her eingegangen wird.

8.2 Wie sicher bewertet GAS?Natu� rlich stellt sich die Frage, wie gut GAS die Speisen und Menu� s bewertet. Die Bewertungengema�ß der drei Farben gru� n, gelb und rot stimmen weitgehend mit den "interpretierten" Er-gebnissen von NWB u� berein, wie in mehreren Studien gezeigt werden konnte90,91,92. GAS be-wertet die Speisen also zutreffend. In einer weiteren Studie wurde GAS mit Nutri-Score vergli-chen. Auch hier konnte festgestellt werden, dass die Ergebnisse mit GAS in der weit u� berwie-genden Zahl der getesteten Speisen und Gerichte valide und plausibel waren und sogar meistbessere Bewertungen erzielen konnte als mit Nutri-Score, nie schlechtere. Diese Einscha� tzungwurde von NWB gestu� tzt93.

Auch gegenu� ber der NWB selbst, also der Referenz fu� r die Bewertung, waren die Ergebnissevon GAS besser, na�mlich differenzierter und klarer, insgesamt auch plausibler. Dies liegt daran,dass die Bewertungen von GAS auf einer breiten Basis stehen, bei der nicht nur die Na�hrwerteeinfließen. Hier gibt es A6 hnlichkeiten mit der 3D-Lebensmittelpyramide der DGE, die verschie-dene Bewertungskriterien heranzieht, z.B. aus der Pra�ventivmedizin. Anders ausgedru� ckt: mitGAS sind die Bewertungen fu� r Speisen und Gerichte fu� r den Gast versta�ndlicher als mit einerNW-Kennzeichnung.

8.3 Erleichterte Umsetzung in der Praxis mit GASNeben der Eignung von GAS, allen beteiligten Gruppen eine Hilfestellung und Orientierung zugeben und die angebotenen Speisen valide zu bewerten, kommt hinzu, dass GAS eine Optimie-rung des Angebots erheblich erleichtert. Bei den u� blichen Nudging-Ansa� tzen, die in St-Kap. 5.2behandelt wurden, geht es letztlich immer um Appelle an den Gast oder den Dienstleister, wo-bei durch mehr oder weniger geschickte Anordnungen oder Beleuchtungen der Speisen derGast zur richtigen Wahl "verfu� hrt" werden soll. Ein Erfolg kann damit nicht garantiert werden,

90 Peinelt V: Optimierung eines Menüs. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/validierungen/einzelnes-menue/91 Peinelt V: Bewertung eines realen 4-Wochen-Speiseplans. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/validierungen/4-wo-plan-real/92 Peinelt V: Bewertung von 4-Wochen-Modellspeiseplänen. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/validierungen/4-wo-plan-modell/93 Peinelt V: Nutri-Score - Ergebnisse einer Untersuchung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/nutri-score-vs-gas/

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da er sehr stark von der Einstellung und dem Engagement des Dienstleisters bzw. seinen Fa� -higkeiten zum Nudging abha�ngt.

Dies ist bei GAS ganz anders, weil das Bewertungsinstrument nur ein Baustein neben anderenMaßnahmen ist. Nur wenn der Dienstleister eine gute Auswahl an hochwertigen Speisen an-bietet, kann eine erfolgreiche Verha� ltnispra�vention erreicht werden. Da die Dienstleister diesaber normalerweise aus verschiedenen Gru� nden nicht automatisch und auch nicht oft tun undihre alten, eher ungu� nstigen Rezepte aus Bequemlichkeit, aus Kostengru� nden und wegen gu-ter Akzeptanz beibehalten, ist ein Wechsel der Erna�hrungsqualita� t kaum mo� glich. Der Anbie-ter muss also zu einer aktiven Mitarbeit sehr viel mehr motiviert, fast schon gezwungen, wer-den. Ünd genau das ist mit GAS mo� glich, zumindest in der Betriebsgastronomie.

Durch GAS kann der Dienstleister auf finanziellem Wege (Bonus-Malus-System) dazu gebrachtwerden, wertvolle Speisen zu entwickeln und sie optimal und preisgu� nstig zu pra� sentieren. Erbekommt fu� r "gru� ne" Speisen einen hohen Bonus gezahlt, so dass er mit diesen Speisen dieho� chsten Gewinnmargen erzielen kann. Hochwertige und normalerweise auch teurere Spei-sen sind also bei diesem System fu� r den Dienstleister gu� nstiger. Dann wird er natu� rlich allesdaran setzen, mo� glichst viele von diesen Gerichten zu verkaufen. Deshalb wird er sich bemu� -hen, die gesunden Speisen und Gerichte attraktiv zu gestalten und entsprechend zu bewerben,so dass viele Ga� ste angesprochen werden und sich hierfu� r entscheiden. Wichtig ist also, dassder Dienstleister selbst ein Interesse an gesunden Angeboten hat und nicht sta�ndig darum ge-beten werden muss.

Das ist also ein vo� llig anderer Ansatz als bei den u� blichen Nudging-Ansa� tzen, die immer aufdem "Prinzip Hoffnung" basieren, wie dies auch bei den Ausfu� hrungen im Q-Standard der Fallist. Man hofft, dass der Dienstleister engagiert genug ist und die Appelle umzusetzen, manhofft, dass der Gast sich darauf einla� sst. Dass dieses System funktioniert, wurde inzwischen invielen Betrieben nachgewiesen94. Hierzu gibt es auch eine Studie, die ebenfalls den Erfolg vonGAS besta� tigt hat95. Eine gelungene Zusammenfassung der Aktivita� ten und Auswirkungen so-wie Kontrollmaßnahmen ist einem Artikel einer Fachzeitschrift zu entnehmen96.

Fazit: GAS bewertet valide, hat sich in der Praxis bewährt und kann bei entsprechendenAnpassungen der Rezepturen eine gute Qualität des gesamten Speisenangebots garan-tieren.

94 Diverse Artikel in der Fachpresse zu GAS. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/fachpresse/95 Gey, Dmitrieva: Studie zur Beeinflussung des Essverhaltens in Betrieben mit GAS. Doppel-Diplomarbeiten in der Hochschule Niederrhein, Fach-

bereich Oecotrophologie, 2017. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/studie-zum-essverhalten/96 Giebel S, Peinelt V, Feist C: Nudging in der Betriebsgastronomie. Das gastronomische Ampelsystem. Ernährung im Fokus. 07-08 2017.

https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/gas-fachpresse/

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9. "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie"

9.1 Hintergründe der Zertifizierung Die Zertifizierung gema�ß Q-Standards der DGE ist fu� r Außenstehende eine Black Box, da dieDGE hierzu im neuen Q-Standard nur sehr wenige und eher vage Aussagen macht. Der Zertifi-zierungsprozess der alten Q-Standards war mit zahlreichen Problemen und Schwachstellenverbunden. Inwieweit diese heute noch bestehen, kann wegen mangelnder Informationennicht mehr gesagt werden.

In diesem Kapitel wird ein alternatives Zertifizierungskonzept vorgestellt, das schon seit Be-ginn des Jahrtausends in großen Betrieben der BG eingesetzt und kontinuierlich verbessertwurde. Diese Alternative geht im Wesentlichen von den gleichen Themenfeldern wie die Q-Standards der DGE aus, erga�nzt um die dort fehlenden Themen. Wegen der ausfu� hrlichen Be-schreibung des Konzepts sei auf das Internet verwiesen97.

Es handelt sich um das Zertifizierungskonzept "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastrono-mie" (AGG), das von der Hochschule Niederrhein entwickelt wurde und in Kooperation mitdem TÜV Rheinland seit vielen Jahren durchgefu� hrt wird. Mit diesem Konzept ist es mo� glich,die Qualita� t aller wesentlichen Bereiche in der BG zu pru� fen. Hierbei werden nicht nur dieSpeisenpla�ne auf Vollwertigkeit gepru� ft, sondern auch alle anderen Themen behandelt, die fu� reine rundum gelungene BG von Bedeutung sind. Hierzu geho� ren u.a. die Hygiene, arbeitswis-senschaftliche Anforderungen, die Nachhaltigkeit oder die Akzeptanz durch die Ga� ste inkl. ei-nes funktionierenden Beschwerdemanagementsystems. Besonderes Gewicht wurde bei derletzten Ü6 berarbeitung 2019 auf die Nachhaltigkeit gelegt. Nicht nur in Bezug auf die Nachhal-tigkeit geht diese Ü6 berpru� fung weit u� ber den Ümfang der Q-Standards der DGE hinaus98. Dasbetrifft nicht nur die einzelnen Themen, sondern auch die Tiefe der Ü6 berpru� fung. Der Fragen-umfang ist um ein Vielfaches gro� ßer als beim Q-Standard der DGE.

9.2 Bestandteile und Ergebnisse der Zertifizierung Der Ablauf einer Pru� fung verla�uft demnach u� ber drei Ebenen, das "Checklistenverfahren",das "Belegverfahren" sowie das "Audit vor Ort", wie in Abb. 5 dargestellt. Damit kann dasHauptzertifikat erworben werden. Da auf die Nachhaltigkeit in der letzten Ü6 berarbeitung derZertifizierung großer Wert gelegt wurde, kann bei gutem Erfolg zusa� tzlich ein separates Nach-haltigkeitszertifikat erworben werden.

Die Bewertung der Leistung erfolgt mit einer Checkliste, wobei alle relevanten Bereiche abge-fragt und die Ergebnisse beurteilt werden. Die Fragen bzw. Kriterien sind gewichtet in Katego-rie 1-3. Die dritte Kategorie ist essentiell, d.h. diese Anforderungen mu� ssen erfu� llt werden, umdie Pru� fung zu bestehen. Bei der DGE-Zertifizierung sind solche K.O.-Kriterien nicht bekannt.Wa�hrend des Audits werden zahlreiche Belege gepru� ft. Es handelt sich um ca. drei DutzendBelege, die vorzuweisen sind und spezifische Anforderungen erfu� llen mu� ssen. Somit werdengerade die wichtigen Fragen noch einmal differenziert.

97 Peinelt V: "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie". https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/ausgezeichnete-gg/98 Peinelt V: Umsetzung der DGE-Standards. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/umsetzg-dge-standards, s. Kap. 6

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Das Zertifizierungsergebnis wird einem von drei Leistungsstufen zugeordnet (Basic, Medi-um, Premium). Neben der erreichten Punktzahl ist auch die Einhaltung von Zusatzbedingun-gen fu� r diese Zuordnung von Bedeutung. Im Erfolgsfalle wird ein Zertifikat vom TÜ6 V Rhein-land99 verliehen, der auch die komplette Pru� fung vornimmt. Es besteht also eine strikte Tren-nung zwischen der Stelle, die das Pru� fkonzept entwickelt hat100 und der Stelle, die dieses Kon-zept anwendet. Es sei hier nur erwa�hnt, dass der TÜ6 V Rheinland ho� chste Anforderungen anderartige Pru� fstellen erfu� llt. Er ist akkreditiert und wird selbst regelma�ßig von u� bergeordne-ten europa� ischen Pru� fstellen gepru� ft. Mit dem Bestehen dieser anspruchsvollen TÜ6 V-Pru� fungkann ein Betrieb gegenu� ber seinen Ga�sten, aber auch gegenu� ber den vorgesetzten Stellen sei-ne Leistungsfa�higkeit unter Beweis stellen.

Abb. 5: Prüfetappen der Zertifizierung "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie"

9.3 Besonderheiten der Zertifizierung Eine Besonderheit dieses Pru� fkonzepts ist die sog. Verbund-Zertifizierung, bei der ein Ver-bund von vielen Betrieben mit einem speziellen Stichprobenverfahren u� berpru� ft wird, ohnedass die Pru� fqualita� t darunter leidet. Mit diesem Konzept ko� nnen die Kosten erheblich redu-ziert werden - bei gleichfalls hoher Sicherheit. Nachfolgend wird die Verbund-Zertifizierungmit der Variante Temperaturentkopplung dargestellt (Abb. 6) sowie das Nachhaltigkeitskon-zept mit extremer Fragenreduzierung (Abb. 7).

99 TÜV Rheinland: "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie". www.tuv.com/germany/de/ausgezeichnete-gemeinschaftsgastronomie.html100 Hochschule Niederrhein, Fachbereich Oecotrophologie, 41065 Mönchengladbach

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Abb. 6: Verbundzertifizierung Abb. 7: Reduzierung der Nachhaltigkeitsfragen

Die zweite Besonderheit ist der hohe Stellenwert der Nachhaltigkeit. Dieser ist an der Ge-samtzahl der Fragen erkennbar, die sich mit diesem Thema befassen. Durch eine Kopplung mitanderen Bereichen, die fu� r die Nachhaltigkeit von wesentlicher Bedeutung sind, konnten alleindirekt relevanten Fragen mit einbezogen und die direkt Fragen zur Nachhaltigkeit erheblichreduziert werden. Der Reduktionsfaktor betra� gt 5, d.h. es werden nur noch 20% der Fragendirekt zur Nachhaltigkeit gestellt.

Diese Alternative zur DGE-Zertifizierung weist keine der Kritikpunkte der Q-Standards mehrauf, wie sie in dieser Stellungnahme gea�ußert wurden. Sie ist bundesweit einheitlich einsetz-bar und wa� re als Verbund-Zertifizierung besonders kostengu� nstig ohne die hohen Pru� fungs-anforderungen zu schma� lern. Dies wu� rde sich besonders fu� r die Schulverpflegung anbieten.Ausgehend von einer Zentralku� che, die idealerweise nach dem Verpflegungssystem "Cook andChill" arbeitet, ko� nnten leicht 50 Schulen und mehr beliefert werden. Aufgrund der hohenQualita� t dieses Systems wu� rden die Schu� ler ein Essen erhalten, das qualitativ auf der gleichenStufe stu� nde wie wirklich frisch zubereitete Speisen, was sensorische Vergleiche gezeigt ha-ben101.

9.4 Kosten des Zertifizierungskonzepts Hervorzuheben sind ferner die geringen Kosten des Konzepts AGG. Sie belaufen sich in Abha�n-gigkeit von der Zahl der belieferten Schulen und der Essenszahl auf 0,2 bis 1,4 Cent pro Es-sen!102 Schon ab ca. 150 Essen pro Tag liegen die Kosten unter einem Cent. Angesichts dieserniedrigen Kosten sollte das Thema der Finanzierung einer externen Zertifizierung auf ho� chs-tem Niveau keine Rolle mehr spielen, auch nicht fu� r Schulen bzw. die Kommunen, die bekann-termaßen nur u� ber geringe Mittel verfu� gen. Fu� r die BG werden beispielsweise ca. 50 Betriebeeines gro� ßeren Ünternehmens im Verbund u� berpru� ft. Wegen der detaillierten und mehr-schichtigen Pru� fung aller relevanten Gebiete der BG wa� re es nicht mehr erforderlich, dass derQ-Standard alle Details nennt oder gar beschreibt.

101 Peinelt V: Produktionssysteme in der GG. s. Kap. 3.1. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme/102 Peinelt V: Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie. s. Kap. 6. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/ausgezeichnete-gg/

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Abb. 8: Kosten und Charakteristika des Konzepts "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie"

Die DGE ko� nnte sich also mit Verweis auf diese Zertifizierung in den Q-Standards nur noch aufdie wesentlichen Aussagen beschra�nken. Voraussetzung wa�re natu� rlich, dass die Zertifizie-rung "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie" des TÜ6 V Rheinland fu� r die Betriebe ver-pflichtend zur Anwendung ka�me. Auf dieser Basis ko� nnten die Q-Standards der DGE verein-facht und die Betriebe dennoch umfassend gepru� ft werden103.

Konsequenz fu� r die verpflichtende Anwendung des Zertifizierungskonzepts des TÜ6 V Rhein-land (oder eines vergleichbaren Konzepts, das aber zzt. nicht existiert) wa� re, dass nicht nuralle wesentlichen Bereiche der GG mit kostengu� nstigen Pru� fungen abgedeckt wa�ren, sonderndass die Einhaltung aller Anforderungen dauerhaft sichergestellt wird. Dies liegt im Wesenserio� ser externer Zertifizierung, bei denen ja�hrlich Ü6 berpru� fungsaudits und alle drei Jahre er-neut große Audits stattfinden. Somit mu� ssen die Betriebe ihre gesamte Organisation sta�ndigauf dem anfangs zertifizierten Stand halten. Andernfalls wird das Zertifikat aberkannt. Es seider Vollsta�ndigkeit halber erwa�hnt, dass der TÜ6 V Rheinland versichert hat, dass er in kurzerZeit in der Lage wa� re, fu� r ganz Deutschland Schulen nach diesem Konzept zu u� berpru� fen. Diestrifft prinzipiell auch fu� r andere Bereiche zu. Es ga�be also kein Kapazita� tsproblem.

Wenn der Staat die Einhaltung der DGE-Standards in Schulen erreichen mo� chte, mu� sste er"nur" dafu� r sorgen, dass alle Schulen und Zentralku� chen Zertifikate des TÜ6 V Rheinland vor-weisen. Damit wa� re gewa�hrleistet, dass die Schulen ordnungsgema�ß arbeiten und die Q-Stan-dards der DGE einhalten. Doch dies macht der Staat leider nicht! Stattdessen erfolgen Zerti-fizierungen meist auf freiwilliger Basis, wobei die Betriebe gedra�ngt werden, sich nach demZertifizierungskonzept der DGE pru� fen zu lassen. Soweit bekannt, ist dieses Konzept nicht mitdem der AGG des TÜ6 V Rheinland vergleichbar. Auf jeden Fall sind die Anforderungen deutlichgeringer. Dies ist einer Gegenu� berstellung beider Anforderungen zu entnehmen104.

F azit : Mit einem seit vielen Jahren bewährten Zertifizierungskonzept der HochschuleNiederrhein wird durch ein anerkanntes Prüfinstitut eine Zertifizierung angeboten, die

103 Peinelt V: Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/umsetzg-dge-standards/104 Ebda, s. Kap. 6

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kostengünstig ist und die Anforderungen des Q-Standard weit übertrifft. Damit ließesich ein hohes Qualitätsniveau auf Dauer sicherstellen.

10. Bewertung in KurzformWegen der Vielzahl der Bewertungen und Kommentare zu den Q-Standards der DGE sollen diewichtigsten Aussagen nachfolgend hervorgehoben werden, die sich prima�r auf den Q-Stan-dard fu� r die Betriebsgastronomie beziehen.

a. Der neue Q-Standard der DGE versucht ein breites Spektrum an Maßnahmen anzuspre-chen, die fu� r eine optimale Verpflegung in der BG notwendig sind. Das Thema Nachhaltig-keit wird neben der Gesundheit in den Vordergrund geru� ckt.

b. Die Gestaltung des Q-Standards ist ansprechend und allgemein versta�ndlich. Die neuer-dings eingefu� hrte gendergerechte Sprache sto� rt allerdings den Lesefluss und ist linguis-tisch unbegru� ndet. Mit Symbolen wird auf bestimmte Inhalte besonders hingewiesen. Fu� rweitere Infos wird das Internet einbezogen, was positiv zu sehen ist.

c. Der Bewertungs- und Optimierungsansatz bezieht sich nach wie vor nur auf eine Menu� li-nie - mit und ohne Fleisch. Fu� r diese beiden Linien wurde ein gesundheitsfo� rderndes Kon-zept vorgeschlagen. Da in der BG aber schon seit langem kaum noch Komplettmenu� s ange-boten werden, geht dieser Ansatz an der Realita� t vorbei. Ein Q-Standard sollte sich aberimmer auf die realen Verha� ltnisse beziehen und keine fiktiven Pru� fszenarien verlangen.

d. In diesem Q-Standard scheint auf die NWB verzichtet zu werden. Tabellarisch vorgegebe-ne LM-Qualita� ten und -Mengen sollen fu� r die Bewertung ausreichen. Angesichts der For-derung nach einer erho� hten NSD erscheint eine NWB unumga�nglich, um die Erfu� llung die-ser Forderung auch zu belegen. Hierfu� r sind aber die Referenzwerte erforderlich, die imneuen Q-Standard nicht mehr genannt werden. Eine Bewertung wa� re zwar auch ohne eineNWB mit ganz anderen Bewertungsverfahren mo� glich, die aber von der DGE nicht genanntwerden.

e. Die DGE vertritt neuerdings den sog. Viertelansatz beim Mittagessen. Demnach mu� ssennur noch 25% der Na�hrstoffanforderungen eines Tages (statt wie fru� her 33%) in einemDurchschnittsmenu� enthalten sein. Die neuen Anforderungen sind nun so gering, dassselbst ma�ßige Menu� pla�ne die Pru� fung bestehen ko� nnen. Damit wird es den Bewerbern fu� rein DGE-Zertifikat sehr leicht gemacht.

f. Geringere Anforderungen fu� r das Mittagessen sind unplausibel, weil diese Mahlzeiten imVergleich zu anderen eine sehr hohe NSD erreichen. Dies trifft besonders fu� r Mikrona�hr-stoffe zu, die meist wesentlich ho� here Erfu� llungsgrade aufweisen als nur ein Viertel derTagesreferenzwerte. Differenzierte Anforderungen wa� ren daher sinnvoller gewesen.

g. Wenn u� berhaupt Komplettmenu� s in der BG angeboten werden, erfolgt dies zusa� tzlich zuEinzelspeisen und Tellergerichten. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass Ga� ste aus demAngebot nur die von der DGE empfohlenen Menu� s wa�hlen. Eine gelegentliche Wahl dieserMenu� s verfehlt hingegen das Ziel einer gesundheitsfo� rdernden Versorgung, weil damit die

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erwu� nschte Na�hrstoffzufuhr nicht mehr sichergestellt ist. Somit kann der gesundheitlicheEffekt der na�hrstoffoptimierten Menu� s in einem Betrieb nicht greifen.

h. Ein Menu� mit frei kombinierbaren Speisen kann mit einer NWB nicht bewertet werden.Daher erhalten die Ga� ste mit einer zusa� tzlichen Menu� linie fu� r ihre Speisenauswahl so gutwie keine Orientierung. Sie wissen nicht, ob ihre Speisenzusammenstellung gut oderschlecht ist. Daher wa�re eine andere Bewertung erforderlich. Im Q-Standard sind aber kei-ne Alternativen fu� r die Bewertung bei Komponentenwahl genannt worden. Weder wurdengeeignete Ansa� tze von der DGE entwickelt, noch wurde auf bereits bestehende und be-wa�hrte Bewertungskonzepte zuru� ckgegriffen. Dies ist ein Versa�umnis.

i. Die Nachhaltigkeit wird durch allgemeine und theoretische Aussagen behandelt. KonkreteHandlungshinweise ko� nnen nur u� ber eine kleine Tabelle mit Angaben der CO2-A6 q fu� r ver-schiedene LM-Gruppen entnommen werden. Da wichtige Einflussfaktoren nur erwa�hntwerden, ist es fu� r die Dienstleister nicht mo� glich, Entscheidungen fu� r eine nachhaltige LM-Wahl von diesen Daten abzuleiten. Der Q-Standard will einerseits das Bewusstsein fu� r die-ses Thema scha� rfen, bleibt aber Kriterien schuldig, wie die Nachhaltigkeit in die Speisen-planung oder Angebotsgestaltung einbezogen werden sollte.

j. Die Aufteilung des Themas Nachhaltigkeit in verschiedene Segmente weist einige A6 nde-rungen gegenu� ber der letzten Auflage auf. Dabei ist die neue Kategorie "Tierwohl" ent-behrlich, weil durch die o� kologische Landwirtschaft optimal auf das Tierwohl geachtetwerden kann. Die O6 ko-VO ist deutlich strenger in ihren Anforderungen als alle staatlichenTierwohl-Label, so dass der versta� rkte Einsatz von O6 ko-LM automatisch auch das Tier-wohl verbessern wu� rde. Dies wurde leider nicht dargestellt.

k. Die Ministerin des BMEL fordert im Vorwort der Q-Standards die Verantwortlichen in derGG zu nachhaltigem Handeln auf. Allerdings la� sst die (unionsgefu� hrte) Politik schon seitlangem ein nachhaltiges Handeln im Bereich der Landwirtschaft und Erna�hrung in star-kem Maße vermissen und ist daher kein glaubwu� rdiger Anwalt fu� r Nachhaltigkeit. Dieswurde anhand einiger Beispiele belegt. Durch diesen Widerspruch werden auch die nach-haltigen Forderungen in der GG konterkariert.

l. Konkrete Hinweise fu� r eine nachhaltige LM-Auswahl sind rar gesa� t und bestehen meistaus Wiederholungen bestimmter klimascha�dlicher Eigenschaften, insbesondere der Treib-hausgasemissionen. Empfehlungen beziehen sich v.a. auf Produkte des O6 ko-Landbaus, de-ren Anteil erho� ht werden sollte. Diese Aussagen haben nur einen geringen Informations-wert.

m. Auch die Hinweise fu� r gesundheitsfo� rdernde LM sind inzwischen allgemein bekannt, z.B."Vollkorn statt Weißmehl" oder "fettarm statt fettreich". Auch Hinweise fu� r das Garen vonHu� lsenfru� chten erscheinen hier deplatziert. Es wurde anscheinend nicht beru� cksichtigt,dass es sich bei der Zielgruppe in der BG um qualifiziertes Personal handelt, u.a. auch Oe-cotrophologen. Durch die Ausbreitung von Elementarwissen wird diese Zielgruppe unter-scha� tzt.

n. Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit werden wichtige Bereiche kaum erwa�hnt, ins-besondere die energie- und ressourceneinsparende Raum- und Gera� tetechnik. Energiever-brauchende Prozesse sollten nicht einzeln betrachtet, sondern in einem Gesamtzusam-

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menhang beurteilt werden. Bei richtiger Planung wa�ren synergetische Effekte mo� glich -mit deutlich verringertem Gesamt-Energieverbrauch.

o. Bei der Speisenplangestaltung bekra� ftigt die DGE ihre alte Kritik an sta� rker verarbeitetenConvenience-Produkten. Weder wurden diese angeblich so schlechten Verarbeitungspro-zesse einmal definiert, noch wurden Kriterien genannt, die fu� r eine Limitierung des Ein-satzes dieser Produkte herangezogen werden ko� nnten. Die Aussagen sind daher fu� r diePraxis unbrauchbar.

p. Entscheidend fu� r eine Bewertung von LM sollten die Rezepturen und die Zubereitungsver-fahren sein und nicht der Herstellungsort (Großku� che vs Industrie). Auch die Aussagenzur Zahl der Verarbeitungsschritte sind kaum fu� r die Praxis verwertbar. Die Art der Verar-beitung erlaubt lediglich im konkreten Fall, mit klar definierten Produktionsbedingungen,eine serio� se Aussage u� ber die Qualita� t. Pauschale Bewertungen sind ungeeignet.

q. Wichtige Themen fehlen, wie z.B. der Arbeitsschutz, das BGM, die Verpflegungssystemeund Details zur Zertifizierung durch die DGE nach diesen Q-Standards. Auch auf die Anga-be der Referenzwerte als Mindestanforderungen fu� r ein durchschnittliches Mittagessenwurde diesmal verzichtet. Der Ersatz durch die Orientierung an der LM-Qualita� t und denLM-Mengen erscheint im Rahmen des menu� basierten Bewertungsansatzes fragwu� rdig.

r. Im Q-Standard wird eine Art "Bottom-Üp"-Ansatz vertreten, weil man glaubt, dass Laienwie Eltern, Lehrer und Schu� ler wichtige Entscheidungen zum Verpflegungssystem treffenko� nnen. Falsche Entscheidungen sind aber spa� ter kaum wieder ru� ckga�ngig zu machen undschra�nken die Optimierungsmo� glichkeiten meist stark ein. Daher wa� re ein "Top-Down"-Ansatz sinnvoller. Darunter ist eine Gesamkonzeption zu verstehen, die von Profis entwi-ckelt worden ist. Diese sollte unter Beru� cksichtigung der Gegebenheiten, der Rahmen-bedingungen des Arbeitgebers und der Wu� nsche der Mitarbeiter die optimale Lo� sung dar-stellen.

s. Vo� llig unversta�ndlich ist das Fehlen von Details zur DGE-Zertifizierung in den neuen Stan-dards. Auch im Internet steht nur sehr wenig daru� ber. Ü6 ber andere Zertifizierungskonzep-te wird auch so gut wie nichts ausgesagt. Es fehlt eine Bewertung der Eignung andererVerfahren, um zu erkennen, inwieweit die Q-Standards mit ihnen erfu� llt werden. Es fehltalso eine Hilfestellung, so dass sich der Leser das alles selbst mu� hsam aneignen muss.

t. A6 nderungen gegenu� ber fru� heren Versionen der Q-Standards werden nicht erla�utert oderbegru� ndet. Dies ist nicht akzeptabel, gerade weil die DGE immer wieder auf die Wissen-schaftlichkeit der Q-Standards hinweist. Zur Wissenschaftlichkeit geho� rt die Benennungfru� herer Fehlbeurteilungen und deren Gru� nde oder die Angabe von neuen Aspekte, die zuanderen Forderungen gefu� hrt haben. Fu� r die Erla�uterungen ha� tte sich das Internet ange-boten, das aber hierfu� r aus unerfindlichen Gru� nden nicht genutzt wurde. Im Ü6 brigen sindauch Caterer und Ga� ste an den Gru� nden fu� r A6 nderungen interessiert.

u. Das Gastronomische Ampelsystem "GAS" ist ein Instrument, das Speisen und Gerichte vali-de bewertet sowie leicht versta�ndlich kennzeichnet. Die Ergebnisse stimmen sehr gut mitNWB und Plausibilita� tsabwa�gungen u� berein und Ku� chenfachkra� fte sowie Ga� ste kommenmit dem System schnell zurecht. Die Ampelfarben sind zudem versta�ndlicher als NW-Kennzeichnungen. Das inzwischen in zahlreichen Betrieben eingesetzte GAS ist auch voneinigen Krankenkassen anerkannt.

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v. Die Ü6 berpru� fung eines Betriebes der BG kann mit einem anerkannten Pru� finstitut (TÜ6 VRheinland) durchgefu� hrt werden. Basis ist das von der Hochschule Niederrhein entwickel-te Zertifizierungsverfahren "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie". Beim TÜ6 V-Zerti-fikat wird auch ein großes Gewicht auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt. Die Themenviel-falt und die Tiefe der Abfrage gehen weit u� ber den Q-Standard der DGE hinaus. Daherko� nnte dieses Zertifizierungskonzept fu� r die BG zur Einhaltung des Q-Standards der DGEgenutzt werden. Darauf wurde nicht hingewiesen. Hier wurde also die Chance einer Ko-operation vertan.

11. GesamtfazitDer Versuch der DGE, einen wissenschaftlich fundierten und praxistauglichen Q-Standard fu� rdie BG zu entwickeln, hat zahlreiche Schwa� chen offenbart. Das liegt v.a. an der wenig praxisge-rechten Bewertung des Speisenangebots, die sich nur auf Komplett-Menu� s bezieht. Das Ange-bot in den meisten Betriebsrestaurants ist aber schon seit la�ngerem durch Einzelkomponen-ten oder Tellergerichte gekennzeichnet und kann daher mit dem DGE-Ansatz nicht bewertetwerden. Fu� r eine Ü6 berpru� fung zwecks Zertifizierung mu� ssen daher i.d.R. Menu� angebote erstnoch geschaffen werden. Die realen Angebotsverha� ltnisse werden jedenfalls nicht abgebildet.Mo� glichkeiten fu� r eine Gesamtbewertung des Angebots mit validen Ergebnissen existierenzwar, werden aber noch nicht einmal erwa�hnt.

Die DGE beschreibt in diesem Q-Standard deutlich die Nachteile der konventionellen Land-wirtschaft und empfiehlt ausdru� cklich Produkte des O6 ko-Landbaus. Dieses Bekenntnis ist na-tu� rlich gutzuheißen, hat aber sehr lange auf sich warten lassen. Inhaltlich wird hierzu wenigNeues beigesteuert. Auch fehlen weitgehend Kriterien fu� r eine Bewertung. Lu� cken sind fernerbei der Behandlung moderner Gargera� te und von Verpflegungssystemen zu sehen, die auchfu� r die Nachhaltigkeit relevant sind. Hier sind noch erhebliche Potenziale ungenutzt und beivielen Entscheidern nur wenig bekannt, weshalb der Q-Standard darauf ha� tte eingehen undForderungen stellen mu� ssen.

Obwohl die DGE eine Zertifizierung nach diesen Q-Standards empfiehlt, erfahren Interessierteim Vorfeld so gut wie nichts daru� ber. Informationen werden wohl erst im Laufe des Zertifizie-rungsprozesses gegeben. Diese Intransparenz ist fu� r eine halbstaatliche, sich wissenschaftlichdefinierende Organisation unversta�ndlich und nicht akzeptabel. Aufgrund der lu� ckenhaftenBehandlung der Themenbereiche kann der Q-Standard allerdings auch nicht mehr als eineEinfu� hrung in eine ganzheitliche Zertifizierung sein. Wer eine umfassende Ü6 berpru� fung seinesBetriebes wu� nscht, sollte sich andere Zertifizierungskonzepte na�her ansehen, worauf in dieserStellungnahme beispielhaft eingegangen wurde.

In der aktuellen Fassung ist der Q-Standard der DGE für die BG noch nicht geeignet,eine hohe Speisenqualität mit allen notwendigen Nebenqualitäten zu gewährleisten.

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12. ZusammenfassungDie Q-Standards der DGE machen seit 2007 Vorgaben fu� r eine vollwertige und nachhaltigeVerpflegung in der GG. Sie wurden in der letzten Version von 2020 fu� r die Betriebsgastrono-mie in dieser Stellungnahme auf ihre Aussagekraft und Eignung u� berpru� ft.

Hervorzuheben ist zuna� chst die gute Gestaltung sowie die Versta�ndlichkeit der Darstellung.Die Themen werden vielfa� ltig behandelt und Symbole machen auf besondere Aspekte, wie z.B.die Nachhaltigkeit, im Text aufmerksam. Ferner ist positiv zu erwa�hnen, dass das Internet ein-bezogen wird, was allerdings kaum geschieht. Problematisch ist nach wie vor die Bewertungdes Speisenangebots auf der Basis von einer na�hrstoffoptimierten Komplettmenu� linie u� bereine Woche, die um eine vegetarische Variante erweitert wurde. Das Angebot von Menu� linienentspricht nicht mehr der heutigen Angebotsgestaltung in der BG, wo die Komponentenwahl("Free-Flow") u� blich ist. Andere Bewertungsansa� tze sind der DGE zwar bekannt, werden abernoch nicht einmal als Alternative vorgestellt.

Die Empfehlungen fu� r ein gesundheitsfo� rderndes Angebot in der BG gehen leider kaum u� berdas Basiswissen hinaus. So liest man mehrfach im Q-Standard die sattsam bekannten Forde-rungen "Vollkorn statt Weißmehl" oder "fettarm statt fettreich". Erga�nzt werden sie um einigeAussagen, wie z.B. die Bevorzugung von weißem Fleisch gegenu� ber rotem. Etwas u� berspitztformuliert ha� tten hierfu� r im Grunde die "10 Regeln der DGE" ausgereicht. Fu� r das qualifiziertePersonal in der BG, wo inzwischen auch immer mehr Oecotrophologen arbeiten, ist dieses Ele-mentarwissen wenig hilfreich.

Da in vielen Betrieben die Verwendung von High-Convenience-Produkten aus verschiedenenGru� nden notwendig oder zumindest sehr hilfreich ist, wa� re eine differenzierte und detaillierteBewertung dieser LM-Gruppe wichtig gewesen. Im aktuellen wie auch in den fru� heren Q-Stan-dards der DGE werden diese Produkte aber meist sehr negativ eingestuft. Nachteilige Eigen-schaften mo� gen im Einzelfall zutreffen, sind aber auch bei der von der DGE pra� feriertenMischku� che eines Betriebes zu finden. Ümgekehrt ko� nnen industriell produzierte Speisen auf-grund der Produktionsbedingungen gu� nstigere Eigenschaften haben ("fettarme Zubereitung")als traditionell hergestellte. Entscheidend fu� r eine Bewertung sollten die Rezepturen und dieverwendeten Gera� te sein.

Der nachhaltige Ansatz des Q-Standards beschra�nkt sich auch wieder nur auf einige grund-sa� tzliche Aussagen sowie ein paar Zahlenwerte zu den CO2-A6 q verschiedener LM-Gruppen. Die-se Angaben sind von vielen Einflussfaktoren abha�ngig, worauf der Q-Standard aber nicht na� -her eingeht, genauso wenig wie auf andere Quellen verwiesen wird. Daher nutzen die Tabel-lenwerte wenig. Ein Betriebsleiter der BG muss sich mit elementaren Empfehlungen wie der"Saisonalita� t" und der "Regionalita� t" begnu� gen. Diese sind genauso bekannt wie problema-tisch in ihrer Ümsetzung. Beispielsweise ko� nnen gerade Großbetriebe ihren LM-Einkauf meistnicht allein von Lieferanten aus der na�heren Ümgebung decken. Der Begriff der Regionalita� tist im Ü6 brigen nicht klar definiert, was der Q-Standard ha� tte leisten ko� nnen. Andererseitskommt der Versuch der Einhaltung der Saisonalita� t schnell an seine Grenzen, da die Ga� ste esgewo� hnt sind, alle Speisen rund ums Jahr angeboten zu bekommen. Es besteht also ein Dilem-ma zwischen der O6 kologie und den Ga� stewu� nschen. Hier sind verschiedene Lo� sungsansa� tzemo� glich, die in einem Q-Standard vorzustellen, zu diskutieren und letztlich zu pra� ferieren wa� -ren. Doch dies geschieht nicht.

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Im Ü6 brigen sollten staatliche Forderungen zur Nachhaltigkeit in gastronomischen Betriebenvon einer glaubwu� rdigen Politik getragen werden, wovon aber in Deutschland nicht viel zu se-hen ist. Stattdessen hat die bisherige (unionsgefu� hrte) Politik seit Jahren durch widerspru� chli-ches Handeln oder durch willfa�hriges Verhalten gegenu� ber agrarpolitischen Lobbygruppenden Nachhaltigkeitsansatz desavouiert. Die Nachhaltigkeit im Betrieb sollte ferner nicht nuranhand der Verwendung geeigneter LM gemessen werden, sondern auch daran, welche Tech-nik zum Einsatz kommt. Moderne Gargera� te in Großku� chen haben ein erhebliches energie-und ressourcensparendes Potenzial. Daru� ber hinaus kann auch die Energie- und Ka� ltetechnikim gesamten Geba�ude versta� rkt fu� r ein nachhaltiges Handeln genutzt werden, das mit der Ku� -chentechnik gekoppelt werden sollte. Wichtig wa� ren daher Hinweise fu� r die Gestaltung einessolchen Gesamtkonzepts, das u� berhaupt erst Nachhaltigkeitsaussagen erlauben wu� rde. Ent-sprechende Praxisbeispiele fu� r solche kombinierten Systeme gibt es seit Jahren. Diese Themenwerden im Q-Standard ebenfalls vernachla� ssigt.

Zwar werden auch einige wichtige Randthemen angesprochen, wie z.B. die Hygiene. Allerdingsbringt es nicht viel, wenn hier lediglich die Verordnungen oder DIN-Normen aufgelistet wer-den, erga�nzt um ein paar Erla�uterungen. Damit lassen sich nicht alle notwendigen Vorgabendefinieren, u� berpru� fen und letztlich einhalten. Nur mit einem umfassenden Zertifizierungs-konzept ko� nnen alle wesentlichen Anforderungen u� berpru� ft werden. Der Q-Standard der DGEist hierfu� r jedoch nicht geeignet. Dennoch wird behauptet, dass genau dies mo� glich wa� re, undzwar durch eine Komplettu� berpru� fung anhand einer Checkliste. Das ist schlicht nicht nach-vollziehbar.

Statt die Erfu� llung von Kriterien des Q-Standards mit einigen wenigen Fragen zu u� berpru� fen,wa�re es besser gewesen, auf ein umfassendes Zertifizierungssystem zu verweisen, mit demtatsa� chlich alle relevanten Kriterien u� berpru� ft werden ko� nnen. Ein solches Konzept existiertals Zertifizierung "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie" des TÜ6 V Rheinland in Koopera-tion mit der Hochschule Niederrhein. Darauf ha� tte im Q-Standard genauer hingewiesen wer-den ko� nnen. Erstaunlicherweise wurde das Thema "Zertifizierung" im neuen Q-Standard fastvollsta�ndig ausgeklammert. Wer sich nach den Q-Standards von der DGE zertifizieren lassenwill, erfa�hrt so gut wie nichts u� ber Einzelheiten des Ablaufs, im Gegensatz zu fru� her. Sehr we-nig wird auch auf einige andere wichtige Themen eingegangen, wie z.B. auf den Arbeitsschutzoder auf die Verpflegungssysteme. Diese Lu� cken widersprechen dem ganzheitlichen Anspruchder Q-Standards.

In dieser Stellungnahme wurden kurz zwei Konzepte vorgestellt, mit denen die Qualita� t desSpeisenangebots bessere bewertet werden kann. Zum einen geht es um das GastronomischeAmpelsystem ("GAS"), mit dem eine gut abgesicherte, gesundheitliche Bewertung des Speisen-angebots mo� glich ist. Sie helfen den Ga�sten durch leicht versta�ndliche Ampel-Kennzeichnun-gen bei der Speisenauswahl. Das Konzept hat sich in der Praxis bewa�hrt und wird in renom-mierten Firmen sowie im Studentenwerk Berlin seit vielen Jahren eingesetzt. Zum anderenwurde ein umfassendes Zertifizierungssystem der Hochschule Niederrhein vorgestellt, dasvom TÜ6 V Rheinland umgesetzt wird. Das Konzept wird seit la�ngerem v.a. in der BG erfolgreichangewandt. Es ist hervorragend geeignet, die Anforderungen des Q-Standards inkl. aller feh-lenden Themen zu u� berpru� fen. Die erheblichen Synergie-Effekte einer solchen Kooperationhat die DGE leider nicht genutzt.

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Prof. Dr. Jens WetterauHochschule Niederrhein

Fachbereich Oecotrophologie

SchlusswortStaatliche und andere Stellen fordern die bundesweit verpflichtende Einfu� hrung der DGE-Standards, v.a. im Bereich "Schule". Eine Zertifizierungspflicht ist grundsa� tzlich zu begru� ßen,da hiermit die Qualita� t des Speisenangebots durch eine konsequente und regelma�ßige Ü6 ber-pru� fung gesteigert werden kann. Doch sollten dann im Q-Standard auch alle wesentlichen As-pekte der GG behandelt und u� berpru� fbare Kriterien aufgestellt werden. Der Pru� fansatz sollteferner an die realen Verha� ltnisse angepasst sein und keine fiktiven Angebote (Komplett-menu� s) verlangen, nur weil man keine geeigneten Instrumente entwickeln mo� chte, mit denendie realen Verha� ltnisse (Komponentenwahl) zu bewerten sind. Ferner sollten die Kriterienplausibel, gut belegt und transparent sein. Wie diese Üntersuchung anhand der einzelnen Ka-pitel sowie zahlreicher Beispiele gezeigt hat, sind diese Voraussetzungen mit den neuen Q-Standards nicht erfu� llt.

Da dieses Ürteil auch fu� r fru� here Auflagen der Q-Standards zutrifft, muss man sich fragen, wiedie DGE mit konstruktiver und serio� ser Kritik umgeht. Der wissenschaftliche Anspruch der Q-Standards wird ja von der DGE immer wieder betont. Dieser sollte sich aber nicht nur auf dieAussagen des Q-Standards beziehen, sondern auch in der Offenheit gegenüber Kritik erkennbarsein und sich nicht in Ignoranz oder einer Abwehrhaltung erscho� pfen. Dann mu� ssten die kri-tisierten Textpassagen entweder u� berarbeitet oder sogar das Konzept in Ga�nze vera�ndertwerden. Es hat allerdings nicht den Anschein, dass die DGE eine solche konstruktive Haltunggegenu� ber Kritik jemals an den Tag gelegt ha� tte.

Ferner muss festgestellt werden, dass viele Vorstellungen der DGE u� ber die optimalen Kriteri-en des Speisenangebots in Betriebsrestaurants und der darauf basierende Pru� fungsansatz vondenen der Autoren dieser Stellungnahme stark abweichen. Eine Ü6 bereinstimmung ließe sichdaher nicht u� ber kleinere Korrekturen erreichen. Vielmehr wa� ren grundlegende A6 nderungenerforderlich. Aufgrund der seit vielen Jahren bestehenden Kernaussagen und des weitgehendstatischen Bewertungskonzepts, bei dem wichtige Themen fehlen, kann nicht davon ausgegan-gen werden, dass sich die Q-Standards in eine empfehlenswerte Richtung bewegen.

Aus diesem Grund sehen die Autoren wenig Sinn darin, spätere Auflagen der Q-Stan-dards erneut zu kommentieren. Die vorliegende Stellungnahme war somit die letzte.

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