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Professionelle Gesundheitsberufe oder „Supermarkt“? Gesundheitsgespräche 2009 Quo vadis Gesundheitsberufe? Tom Schmid

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Professionelle Gesundheitsberufe oder „Supermarkt“?

Gesundheitsgespräche 2009Quo vadis Gesundheitsberufe?

Tom Schmid

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Quo Vadis Gesundheitsberuf? 2

Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss

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Als Einstieg USA – Medikamente tatsächlich in Supermärkten Es gibt sogar eigene Vitamine-Stores

Regalreihen voller Vitaminpräparaten An den Regalen hängen broschürte Nachschlagewerke,

die beschreiben, welches Symptom mit welchem Präparat zu bekämpfen ist

Unsereins, hypochondrisch veranlagt, schlendert durch den Store, liest sich in die Broschüren hinein, spürt die entsprechenden Phantomschmerzen und - kauft entsprechend Moliere („der eingebildete Kranke“) hätte seine Freude Die Anbieter haben ihre Freude

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Gesundheit eine „Allerweltskunst“? „Das ist doch schön“, sagt das kleine liberale Teuferl

in meinem rechten Ohr, „endlich zählt meine eigene Verantwortung mehr als Expertokratie“

Argumente, die dieses „liberale“ Angebot stützen Selbstverantwortung Wahlfreiheit Keine bürokratische Bevormundung Kostengünstig

... dass die empirischen Gesundheitsindikatoren in den USA eine andere Botschaft senden, fällt dann nicht mehr so auf....

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Gliederung Einstieg Selbstheilung Zwei unterschiedliche Professionen Etwas Gesundheitsökonomie Die Akzeptanz-Profession Zum Schluss

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Selbstheilung Und tatsächlich,... ... die Zahl jener, die „sich selbst heilen“

scheint zu steigen ... die Zahl Jener, die ein verschriebenes

Medikament nach Lektüre des Beipacktextes nicht verwenden, ebenfalls

... und die Zahl der einschlägigen Ratgeber der Selbstmedikation nimmt tatsächlich erheblich zu.

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Sinn der Ausbildung? Medizin, Pflege, Pharmakologie,...

.... sind aber Fächer, die eine langwierige und gründliche Ausbildung erfordern

Warum eigentlich, wo doch ohnehin jeder (also: jede) weiß, „was gesund“ ist?

Könnte die „Medizin aus dem Supermarkt“ nicht tatsächlich ein Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten und zur Erhöhung der Gesundheitsdemokratie sein?

Die Unhaltbarkeit des Kosten-Arguments zeigt die Tatsache, dass das Gesundheitssystem in den USA das mit Abstand teuerste der Welt ist.

Aber die Frage, wieso diese Argumentationskette dennoch wirkt, ist spannend....

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Annäherung an eine Erklärung (1) Die Genderdimension

Gesundheits- und vor allem Pflegeberufe sind weitgehend weiblich konnotiert

Sie werden (die Kunst des „weisen Arztes“ ausgenommen) in den Bereich jener Fertigkeiten gestellt, die ohnehin jeder (also: jede) könne

Die Phantomschmerzdimension Ich will mich mit all dem nicht

auseinandersetzen und Arzt brauch ich schon gar keinen denn wer zum arzt geht, wird krank...

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Annäherung an eine Erklärung (2) Die Kompetenzdimension

Wir sind hoch ausgebildet und kompetent Wir lassen uns „von denen“ nicht für dumm

verkaufen und lesen selbst nach (aber wer sagt mir, dass das, wo ich nachlese, nicht noch dubioser ist...?)

Die Verantwortungsdimension Ich kann selbst für mein Handeln einstehen Ich lehne das Maniduktionsgehabe ab Weil wer das braucht, ist ohnehin zu schwach

fürs Leben

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Annäherung an eine Erklärung (3) Die ökonomische Dimension

Entprofessionalisierung verspricht, dass das Gesundheitssystem „billiger“ wird

Allerdings: Der Gesundheitssektor ist bereits die größte Industrie im Lande – seine Kosten sind gleichzeitig seine Einnahmen Senkung „unproduktiver“ Kosten (Lohnnebenkosten)

und steigende Verdiensterwartung schaffen ein Spannungsfeld

Privatisierung von Kosten und Einnahmen scheint eine (gangbare?) Lösung

Die Machtdimension Letztendlich: in dieser größten Industrie des Landes

geht es um Machtpositionen

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Wiedermal: ein „kleiner Unterschied“ Im Gesundheitswesen haben wir es mit

zwei großen Professionen zu tun der Medizin der Pflege

Ihre Grundlage unterscheidet sich wesentlich Medizin (cure) ist eine Hoffnungsprofession Pflege (care) ist eine Akzeptanzprofession

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Hoffnungsprofession „ich tue alles, um Dich wieder zu heilen“ Cure – ich kuriere Dich „Ich mache Dir diesseitige Hoffnungen“ .... .... solange ich Dich nicht als

„austherapiert“ erkenne und den jenseitigen Hoffnungen überlassen muss aber dieser letzte Gedanke befindet sich

bereits so weit außerhalb der kurativen Profession, dass oft selbst die entsprechende Botschaft nicht mehr von dieser Profession überbracht wird

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Akzeptanzprofession Ich sorge mich um Dich Ich pflege Dich Ich helfe Dir, den Zustand so

erträglich wie möglich zu gestalten ... Aber ich erwarte von Dir, dass Du

diesen Deinen Zustand akzeptierst

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Schwerwiegende Konsequenzen Diese Unterscheidung in eine

Hoffnungs- und eine Akzeptanzprofession hat schwerwiegende Konsequenzen... ... was die unterschiedliche Marktmacht

betrifft .... was die Unterschiede im Status und

damit auch im realen (klinischen) Einfluss betrifft (trotz kollegialer Führung)

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Gesundheitsökonomische Überlegungen

Gesundheitsmarkt ist angebotsindiziert Anbieter, v.a. ÄrztInnen dominieren Mengen-

und Preiswachstum Steuerungsansatz bei PatientInnen oder

Versicherungen funktioniert nicht (!) Gesundheitskosten werden weiter rascher

wachsen als Beitrags/Steueraufkommen Belastung für Betroffene steigt

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Versprechensprofession (1)

PatientIn

Beitrags-

zahlerIn

Bestimmt Leistung und sein/ihr Einkommen

ÄrztIn

Versicherung

will alles, um gesund

zu werden

will niedrige Beiträge

zahlt

Versprechen & Hoffnung

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Versprechensprofession (2)

PatientIn

Beitrags-

zahlerIn

Einkommenserwartung geht gegen unendlich

ÄrztIn

Versicherung

Nutzenerwartung und Zahlungsbereitschaft geht

gegen unendlich

Versicherungsakzeptanz geht gegen Null

Gesundheitskosten gehen gegen unendlich

Letztendlich bedeutet das:

Versprechen & Hoffnung

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VertrauensprofessionZu wem die BürgerInnen Vertrauen haben

Zu Wem haben Sie Vertrauen (Antworten in %)

Politiker Manager Medien Anwälte Geistliche Polizisten Soldaten Ärzte Lehrer

Deutschland 6 18 36 62 67 78 68 82 76

Frankreich 12 33 31 47 38 63 63 86 78

Italien 9 31 28 33 51 79 72 76 66

Österreich 15 34 35 55 66 76 62 91 76

WESTEUROPA 15 31 34 51 55 74 67 83 78

MOEL 11 32 55 47 59 54 70 78 81

OECD 16 32 38 49 62 67 70 81 82

Quelle: Standard 11.8.2004

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Hoffnungsprofession

PatientIn

Beitrags-

zahlerIn

Vertrauen:91 %

ÄrztIn

Versicherung

Durchsetzungskraft: Vertrauen 15 %(Selbstverwaltung,

Politik)

Versprechen & Hoffnung

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Entscheidungen der Gesundheits-Politik erfolgen

in Sozialversicherungen, Gebietskörperschaften. Die Entscheidungsträger hängen vom

Wählervotum ab Im direkten Vertrauens-Ranking verlieren sie

gegenüber den ÄrztInnen (TrägerInnen der irrationalen Werte Vertrauen und Hoffnung) haushoch

im Policy-Prozess der Gesundheit sind diese AnbieterInnen offensichtlich stärker als die EntscheiderInnen!

Gesundheitspolitik

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Dimension der Akzeptanz Pflege hat nicht den Glamor, der mit Versprechen und

Hoffnung verbunden ist Pflege hat die stabile Erdung der Akzeptanz als

Voraussetzung für die Sorge (care) um jemanden Die Annahme von Zuwendung (care)

Dadurch wird Pflege aber tatsächlich „allerweltlich“ in dem Sinn dass das jeder (also: jede) kann – sich um Andere zu sorgen

Verloren geht dabei jedoch die Tatsache, dass man sich nur dann (nachhaltig) um Andere sorgen kann, wenn man sich um sich selbst sorgt (sorgen kann) kurios, dass man das bei cure nie feststellt

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Rahmenbedingungen „guter“ Pflege Wenn es also stimmt, dass „gute“ (=

nachhaltige) Sorge für Andere zweierlei erfordert Die Sorge für sich selbst Die Annahme der Sorge durch den/die PatientIn

(= Akzeptanz)... ...dann erfordert dies professionelle Pflege

Diese benötigt gute Ausbildung Eine profesionsleitende Pflegewissenschaft Entsprechende arbeits- und entgeltrechtliche

Rahmenbedingungen

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Professionelle Pflege Professionelle Pflege erfordert eine starke Profession

Ich wiederhole mich: kurios, dass man das bei cure nie feststellt

Professionelle Pflege erfordert eine gute Ausbildung Das aktuelle Grünbuch zeigt richtige Wege

Professionelle Pflege gibt es nicht im Supermarkt, sondern nur in professionellen Gesundheitseinrichtungen Was kein Pladoyer gegen den Supermarkt, aber alle

Argumente gegen eine verwässerte Pflege (im Sinne von „Allerweltsarbeit“) sein soll. Und wiederum: kurios, dass man das bei cure nie feststellt

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Zum Schluss Letztendlich ist es auch eine ökonomische

Diskussion Diese kann nicht „gewonnen“ werden,

wenn die Gesundheitsindustrie immer nur als Träger von Kosten und nicht auch als Ort hoher Verdienste gesehen wird Denn 10,1 % des BIP bedeutet immer Beides

Was also geführt werden muss, ist (auch hier) eine Verteilungsdiskussion

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DANKE für die AUFMERKSAMKEIT!

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