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www.allpsy2.de Prof. Dr. Udo Rudolph Allgemeine & Biopsychologie Vorlesung Einführung in die Emotionspsychologie Teil 3: Die Emotionstheorie von William McDougall Professur Allgemeine und Biopsychologie Institut für Psychologie Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Udo Rudolph

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VorlesungEinführung in die Emotionspsychologie

Teil 3: Die Emotionstheorie von William McDougall

Professur Allgemeine und BiopsychologieInstitut für Psychologie

Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften

Prof. Dr. Udo Rudolph

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ZeittafelMeilensteine der Emotionspsychologie

1850 1900 1950 2000

Charles Darwin

1859, 1872

McDougall

1908, 1923

Expressionof Emotions

EvolutionaryPsychology

EvolutionaryPsychology

Origin ofSpecies

J. B. Watson

1913, 1920Behaviorism

William James

1890Central Founder Figure of Psychology Biological Theories

of Emotion

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Wichtige biographische Daten:

1871 Geboren in Chadderton, England

Schulausbildung u.a. in Deutschland;

Studien in Manchester (Biologie, Geologie),

Cambridge (Medizin, Neurophysiologie),

London (Anthropologie)

1898 Expedition nach Neu-Guinea (Publikation 1912)

1900 Experimentelle Ausbildung in Göttingen bei Georg Elias Müller

Die Emotionstheorie von William McDougall

1901 Dozent am University College, London, Zusammenarbeit mit Francis Galton und Charles Spearman

1901 Gründung der British Psychological Society und des British Journal of Psychology

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Aufbauend auf Darwins Erkenntnissen arbeitete McDougall an der Etablierung einer evolutionären Psychologie der Motivation und Emotion.

McDougall prägte den Instinktbegriff und verwendete diesen als erster Psychologe; sein Ziel war die Schaffung einer „Evolutionären Psychologie“.

1904 Professor an der Oxford University (bis 1920) für „Mental Philosophy“1908 Wichtigste Publikation: „Introduction to Social Psychology“

Psychoanalyse bei C. G. Jung

1920 Professur in Harvard („William James Chair of Psychology“)

1923 „Outline of Psychology“; Probleme aufgrund seiner positiven Haltung zu Eugenik und seinen Studien zur Parapsychologie.

1927 Professur in North Carolina; Errichtung eines Labors für Parapsychologie.

1938 Gestorben in Durham, NC (USA).

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Ziel der „Evolutionären Psychologie“ nach McDougall:

„… eine vollständige und zutreffende Beschreibung der fundamentalsten Bausteine

unser Konstitution zu liefern, nämlich der angeborenen Tendenzen zum Denken und

Handeln, die die ererbte Grundlage der Psyche ausmachen.“

Anwendung auf die Motivations- und Emotionspsychologie …

… insbesondere, weil Motivation und Emotion McDougall zufolge kaum sinnvoll

voneinander zu trennen sind (siehe nächste Folie).

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Die Emotionstheorie von

William McDougall

McDougall (1937) zu Fühlen und Handeln:

„Einige Autoritäten haben den Standpunkt vertreten, dass das, was wir Emotion

nennen, eine neue, zusätzliche Form des seelischen Erlebens oder Geschehens sei

(…).

Aber das scheint mir ein Irrtum zu sein.

Emotion erleben, heißt, zu bestimmter Tätigkeit angeregt, gedrängt zu werden. Und

je intensiver wir angeregt werden (das heißt, je stärker es uns zur Handlung drängt),

desto betonter emotional ist unser Erlebnis.“

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Was ist ein INSTINKT?

Hier ein Auszug aus Wikipedia, der zahlreiche falsche Informationen beinhaltet:

Der Begriff Instinkt, wörtlich Naturtrieb, wird heute oft im übertragenen Sinne für “ein sicheres

Gefühl für etwas” verwendet und bezeichnet Verhaltensweisen ohne reflektierte Kontrolle.

Das Wort “Instinkt" wurde im 18. Jahrhundert abgeleitet aus dem Lateinischen, hier: instinctaenaturae. Dem liegt das Verb instinguere (= anstacheln, antreiben) zugrunde.

Die Untersuchung der äußerlich sichtbaren Auswirkungen von Instinkten sah seit den 1930er

Jahren die Ethologie als eines ihrer wesentlichen Forschungsziele an. Heute vermeiden

Psychologie und Verhaltensbiologie weitgehend diesen nie eindeutig definierten Begriff und

ersetzen ihn durch “angeborenes Verhalten”. Instinkte spielen allenfalls noch als Metapher für funktionale Zusammenhänge eine Rolle, deren

physioplogische Grundlagen noch nicht geklärt sind. Mit zunehmender Kenntnis des Gehirns, so

hofft man, wird man den Begriff völlig aufgeben können.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was ist ein INSTINKT (nach McDougall)?

§ Der Begriff Instinkt beschreibt innerliche Dispositionen, die uns zu bestimmten Handlungen drängen.

§ Instinkte sind generell so etwas wie ein angeborenes Muster in Bezug auf Reaktionen, die in bestimmten Arten von Situationen erfolgen.

§ Beim Menschen sind solche Instinkte vor allem in Zusammenhang mit Emotionen zu beobachten.

§ Instinkten ist gemeinsam, dass diese Mechanismen in Kraft setzen, die einen Organismus handeln lassen.

§ Die spezifischen Handlungen, die tatsächlich gezeigt werden, sind zudem durch Lernprozesse, durch die Umwelt und durch andere Prinzipien beeinflusst.

§ Generell bezieht sich der Instinktbegriff NICHT auf einen aktuellen Zustand eines Organismus.

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was ist ein INSTINKT?

Beispiele sind insbesondere im Tierverhalten sehr gut zu beobachten – wenn diese Aktivitäten zeigen, die nicht auf Erfahrungen basieren:

Das betrifft reproduktives Verhalten, Nestbau, Fütterung, Kampfverhalten, Balz, oder Flucht.

Soziobiologen und Ethologen haben entsprechende Mechanismen aus dem Tierverhalten auf bestimmte Aspekte des menschlichen Verhaltens übertragen.

Ein gutes Beispiel für Letzteres ist die Bindungstheorie von John Bowlby (eines der späteren Kapitel).

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Der Instinktbegriff bei McDougall:

McDougall sieht Instinkte nicht auf die Tierwelt beschränkt, sondern glaubt, dass auch beim

Menschen zahlreiche Verhaltensweisen durch Instinkte gesteuert sind.

Für Instinkte als angeborene bereichsspezifische Dispositionen gilt:

Instinkte sind "allen Mitgliedern einer Art gemeinsam";

sie resultieren aus evolutionären Anpassungsprozessen;

sie sind weder erlernbar noch verlernbar;

sie haben eine hohe Bereichsspezifität (sind also bezogen auf spezifische

Instinktziele) und

hohen motivationalen Bezug (sie dienen also der Auswahl und der Auslösung von

Handlungen).

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Der Instinktbegriff bei McDougall:

„Ich bin mir sicher, dass die Bestimmung der vollen Bandbreite der menschlichen Instinkte und ihrer Funktion (…) von denen, die nach uns kommen, als der wichtigste Fortschritt der Psychologie unserer Tage angesehen wird.“

Im Unterschied zu anderen Psychologen reduzierte McDougall den Instinktbegriff nicht

ausschließlich auf die Erklärung von Handlungen oder Handlungsimpulsen …

… statt dessen bestimmen Instinkte auch einen Teilbereich unseres Denkens und Fühlens.

Fazit: Angeborene mentale Strukturen und „Mechanismen“ bestimmen McDougall zufolge

verschiedene (große) Teilbereiche unseres Denkens, Fühlens und Handelns.

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Instinktverhalten:

Komponenten des Instinktverhaltens sind …

• instrumentelles, zielgerichtetes Verhalten,

• vegetative Reaktionen, und

• emotionaler Ausdruck (dies aber nicht als notwendiges Kriterium)

Wichtige Unterscheidung, und zwar zwischen ...

dem eigentlichen (sichtbaren) Verhalten,

den zugrunde liegenden psychophysischen Prozessen sowie

der Disposition, dieses Instinktverhalten zu zeigen.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Beispiel für einen Instinkt: Der Fluchtinstinkt.

Auslöser Plötzliche laute Geräusche, plötzlicher Verlust von Halt,

extreme Abweichungen vom Gewohnten

Emotion Furcht

Handlungsimpuls Davonlaufen, Sich-Verstecken

Biologische Funktion Verletzungen / gefährliche Situationen vermeiden

Die Emotionstheorie von

William McDougall

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Instinktprozess

„Psychophysischer Prozess“ mit psychischen wie auch physischen Komponenten.

A. Kognitiver Teilprozess: Erkennen eines ObjektesB. Affektiver Teilprozess: Spezifische GefühlsqualitätC. Konativer Teilprozess: Handlung oder Handlungstendenz

Analogie:

Angeborene oder natürliche Auslöser als „Schlüssel“,……die in das „Schloss“ des jeweiligen Instinktmechanismus passen……und den Prozess auslösen.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Instinktmechanismus

Afferentes, zentrales und efferentes Teilsystem (analog zu den Prozessbestandteilen), die jeweils instinktspezifisch sind.

Zitat: „Wir definieren einen Instinkt als eine ererbte oder angeborene psychophysische Disposition, die dafür verantwortlich ist, dass ihr Besitzer ...

Objekte einer bestimmten Klasse [bevorzugt] wahrnimmt und Ihnen Aufmerksamkeit schenkt,

im Falle der Wahrnehmung eines solchen Objektes eine emotionale Erregung ganz bestimmter Qualität erlebt,

und [in Bezug auf das Objekt] in ganz bestimmter Weise handelt oder zumindest den Impuls zu einer solchen Handlung erlebt." (McDougall, 1908).

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Primäre Emotionen bei McDougall

Zwei Alternativen zur Definition von Emotionen:

Affektiver Teilprozess des Instinktmechanismus;

Einschluss kognitiver und konativer Teilprozesse (Syndrom-Definition).

Weiteres Kriterium:

Spezifische Gefühlsqualitäten in Zusammenhang mit (einigen) Instinkten und/oder auch die mit solchen Gefühlsqualitäten verbundenen Instinktprozessen.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Zur besonderen Bedeutung von Primären Emotionen - Kriterien hierfür sind:

Diese sind mit einem Instinktprozess verbunden;

ein Vergleich Mensch-Tier zeigt, dass diese nicht spezies-spezifisch sind;

das Studium von "Geisteskranken" zeigt, dass diese dort in "übersteigerter

Form" auftreten.

Zur Funktion von (primären) Emotionen:

(1) Lösung von Anpassungsprozessen;

(2) Bereitstellung geeigneter Handlungsoptionen.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Primäre Emotionen und ihre Auslöser (siehe nächste Folie).

Welches sind die primären Emotionen?

Furcht, Ekel, Staunen, Ärger, Hochgefühl (Freude?), Unterwürfigkeit,

Zärtlichkeit (Liebe).

Analog hierzu die folgenden Instinkte, die diesen Emotionen zugrunde liegen:

Fluchtinstinkt, Abstoßungsinstinkt, Neugierinstinkt, Kampfinstinkt,

Dominanzinstinkt, Unterordnungsinstinkt, Elterninstinkt.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Instinkt Angeborene Auslöser Emotion Handlungsimpuls Biologische

Funktion

Flucht Plötzliche laute Geräusche,

Verlust von Halt, extreme

Abweichungen vom Gewohnten

Furcht Davonlaufen, sich

verstecken

Eigenen Körper

schützen

Abstoßung Geruchs- & Geschmacksreize, be-

stimmte Formen von Hautkontakt

Ekel Zurückweisen &

zurückweichen

Eigenen Körper

schützen

Neugier Nicht extreme (mäßige)

Abweichungen von Gewohnten

Staunen Annäherung und

Erkundung

Auslösen anderer

Instinktprozesse

Kampf Behinderung der Ausführung eines

Handlungsimpulses (bei anderen)

Ärger Widerstand & Hinder-

nisse beseitigen

Andere Instinktziele

erreichen

Dominanz Individuen, denen man sich als

überlegen betrachtet

Hochgefühl Überlegenheit zeigen,

sich behaupten, ...

Rangkämpfe

vermeiden

Unterordnung Individuen, denen man sich als

unterlegen betrachtet

Unterwürfigkeit Unterwürfiges Verhal-

ten zeigen, nachgeben

Rangkämpfe

vermeiden

Elterninstinkt Schmerzen, Furcht und Leid von

Kindern

Zärtlichkeit Ernähren, behüten,

beschützen

Überleben des

Nachwuchses sichern

Die Emotionstheorie von

William McDougall

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Der Instinkt des Abstoßens und die Emotion Ekel

Auslöser: Geruch-, Geschmacks- und taktile Reize

Instinktive Handlungstendenz: Zurückweichen, Abstoßen…

Funktion: Schutz des eigenen Organismus

Die Emotionstheorie von

William McDougall

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Die Emotionstheorie von

William McDougall

Der Neugierinstinkt und die Emotion Staunen:

Auslöser: Mäßige Abweichung vom Gewohnten

Instinktive Handlungstendenz: Annäherung und Erkundung

Funktion: nicht bei Tieren, insbesondere bei Menschen jedoch hoch funktional … „Grundlage für die ganz uneigennützige Arbeit des höchststehenden Geistes“, „Wurzel von Wissenschaft und Religion“.

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Die Emotionstheorie von

William McDougall

Der Kampfinstinkt und die Emotion Ärger:

Auslöser: Behinderung der freien Ausführung anderer Impulse, „jede Blockierung

einer Handlung, zu der das Lebewesen durch irgendeinen der anderen Instinkte

angetrieben ist…

Instinktive Handlungstendenz: Widerstand brechen und Hindernisse beseitigen

Funktion: Ermöglichung des Erreichens anderer Instinktziele … eine „Reserve-

Energie“, die ins Spiel kommt, wenn sich unseren Handlungen und Plänen

Widerstände entgegenstellen.

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Die Emotionstheorie von

William McDougall

Der Kampfinstinkt und die Emotion Ärger:

Auslöser: NICHT der Nachwuchs selbst, sondern „dessen Ausdruck von Schmerz, Furcht und Leid jeder Art“…

Instinktive Handlungstendenz: Das Objekt des Instinktes zu ernähren, zu be-schützen und zu umsorgen; die Behinderung dieses Instinktes führt schneller zu Ärger als bei jedem anderen behinderten Instinkt…

Funktion: Dient DIREKT (und nicht nur indirekt wie die anderen Instinkte) der Arterhaltung…

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Die Emotionstheorie von

William McDougall

Emotionsauslösung durch Mitfühlen:

Auslöser: Wahrnehmung von Instinktverhalten bei anderen, so dass man selbst das gleiche Verhalten zeigt…

Instinktive Handlungstendenz: Gleichgerichtetes instinktives Verhalten…

Funktion: kommunikative Funktion, die selbst- und arterhaltend ist…

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Angeborene Auslöser und Konsequenzen der Emotion Furcht:

Spezifische angeborene Auslöser

Plötzliche laute Geräusche, Verlust von

Halt, extreme Abweichungen vom

Gewohnten …

"Mitfühlen“ / „Mitleid“ (engl.: sympathy)Das für Furcht charakteristische

Verhalten von Artgenossen …

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Modifizierte oder erlernte Auslöser der Emotion Furcht:Die Ausweitung und Eingrenzung der angeborenen Auslöser …

Assoziierte Auslöser (Klassisches Konditionieren)

Objekte oder Ereignisse, die vormals keine Furcht aus-

lösten, lösen aufgrund einer Assoziation nun Furcht aus.

Ähnliche Auslöser (Reizgeneralisierung)

Objekte oder Ereignisse, die einem natürlichen oder

konditionierten Auslöser ähnlich sind, lösen nun

ebenfalls Furcht aus.

Spezialisierte Auslöser (Reizdiskrimination)

Von verschiedenen Varianten eines natürlichen

Auslösers verursachen aufgrund von Diskriminations-

lernen nur noch bestimmte Varianten Furcht.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Die Modifikation von Instinkten und primären Emotionen (in der Ontogenese):

Es gibt die Möglichkeit einer Modifikation der Emotionsauslöser (nicht eine Modifikation der Emotionen selbst), und zwar:

Ausweitung durch Assoziation und Ähnlichkeit; sowie ...

Spezialisierung durch Prozesse der zunehmenden Reizdiskrimination.

Die Emotionstheorie von

William McDougall

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Die Modifikation der Instinkthandlungen (in der Ontogenese):

Jede mögliche Handlung kann beim Menschen in den Dienst eines Instinktziels

gestellt werden …

Beispielsweise: beim Kampfinstinkt zur Waffe greifen statt zum Schlag ausholen …

… oder einen Gerichtsprozess anstrengen, statt physisch aggressiv zu werden.

Fazit:

Jede ursprüngliche Instinkthandlung (wohlgemerkt: der konative Teil des

Instinktprozesses) kann „modifiziert, kontrolliert, oder unterdrückt“ werden.

Die Emotionstheorie von

William McDougall

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Was sind Sekundäre Emotionen?

A. Komplexe Emotionen:

Vermischung primärer Emotionen zu so genannten komplexen oder zusammen-gesetzten Emotionen; analog zu einer Art von „Farbmischungslehre“ für Emotionen.

Beispiel: Bewunderung = Staunen + Unterwürfigkeit?

Beispiel: Dankbarkeit = Zärtlichkeit + Unterwürfigkeit?

Beispiel: Verachtung = Ekel + Ärger?

Beispiel (3!): Ehrfurcht = Staunen + Unterwürfigkeit + Furcht?

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was sind Sekundäre Emotionen?

A. Komplexe Emotionen:

Komplexe Emotionen beruhen auf einer Mischung aus den „Gesinnungen“ Zuneigung, Abneigung und Respekt.

Gesinnungen sind „erworbene emotionale Dispositionen“ (Beispiel siehe Seite 131 in Meyer et al.)

Es ist zumindest typisch für komplexe Emotionen und Gesinnungen, dass diese gelernt werden…

…und zwar überwiegend durch Assoziation (klassisches Konditionieren).

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was sind Sekundäre Emotionen?

B. Abgeleitete Emotionen

Beispiele sind Reue, Freude, Hoffnung(slosigkeit), Zuversicht, Verzweiflung…

• in aller Regel mit dem erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Ausführen einer

Handlung in Zusammenhang stehend;

• nicht mit einem spezifischen Handlungsimpuls assoziiert;

• oftmals mit einem engen Bezug zum kognitiven Konzept der Erfolgserwartung…

• …und dies meist in Zusammenhang mit anderen Instinktzielen.

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was sind Sekundäre Emotionen?

B. Abgeleitete Emotionen

Es müssen also ZWEI Faktoren zusammen auftreten, von denen letzterer wohl in der

Regel nur beim Menschen auftreten wird:

1. Konativer Faktor = aktivierte Handlungstendenz eines spezifischen

Instinktprozesses

2. Kognitiver Faktor = subjektive Wahrscheinlichkeit von Erfolg / Misserfolg

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was sind Sekundäre Emotionen?

B. Abgeleitete Emotionen

„In der entwickelten Psyche umfasst jede Aktivierung einer primären Emotion … das Bewusstsein des Strebens und auch der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs und Misserfolgs dieses Strebens.

Daher sind (fast) alle unsere konkreten Erlebnisse von primären und komplexen Emotionen durch abgeleitete Emotionen verkompliziert.“

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Was sind Sekundäre Emotionen?

B. Abgeleitete Emotionen

McDougalls Beispiel:

Polarforscher auf dem Heimweg, mit Übergang von Zuversicht in Hoffnung, dann in

Hoffnungslosigkeit und letztlich in Verzweiflung…

Merkmale in diesem Fall:

A. Konstanz der konativen Komponente

B. Variation der Wahrscheinlichkeitskomponente

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Rezeptionsgeschichte der Theorie

Einerseits:

Kritik aus behavioristischer Perspektive; McDougall als "rotes Tuch" der Psychologie;

Andererseits:

Vorwegnahme und/oder Wegbereitung zahlreicher Aspekte der modernen Auf-fassungen (der evolutionären Psychologie) über Emotionen.

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Warum ist William McDougall so lange Zeit in Vergessenheit geraten?

Mögliche Argumente:

• Mangelnde experimentelle Belege für seine Theorie

• Keine Ablehnung des Lamarckismus

• Analyse parapsychologischer Phänomene

Aber:

• Vorwegnahme der Evolutionären Psychologie

• der Lamarckismus war zu seiner Zeit ein weit verbreiteter Irrtum; und gerade McDougall trug dazu bei, diese Anschauung zu falsifizieren

• die Parapsychologie wurde inzwischen ein Teilgebiet der Psychologie

Die Emotionstheorie von William McDougall

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Warum ist McDougall so lange in Vergessenheit geraten?

Mögliche Argumente:

• McDougall hat die Statistik niemals verstanden, insbesondere zentrale Konzepte der

Wahrscheinlichkeitsrechnung und die zu seiner Zeit erfundene Faktorenanalyse;

• zwischen 1904 und 1920 hatte er keine Möglichkeit, experimentell zu arbeiten;

• „McDougall could win arguments, as against John B. Watson – nevertheless he was

steadily loosing the war.“

• UND: Ein wichtiger Grund, warum McDougall nie rehabilitiert wurde, liegt in seiner

Haltung zur Eugenik.

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Warum ist McDougall wie kein anderer Psychologe in Vergessenheit geraten?

McDougalls Thesen, die ihn heute auch noch zum Außenseiter machen:

1. Es gebe nicht nur Angeborenes – es gebe auch angeborene individuelle Unterschiede.

2. Es gebe auch „Gruppenunterschiede“ – beispielsweise zwischen Nationen wie Frankreich und England. McDougall glaubte, dies aufgrund seiner historischen Kenntnisse beurteilen zu können.

3. „Demokratischer Elitarismus“ und Eugenik: McDougall sympathisierte niemals mit den Ideen der deutschen Nationalsozialisten – er unterstütze aber zum Beispiel die Bemühungen Japans um eine „relative Eugenik“.

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Warum ist McDougall wie kein anderer Psychologe in Vergessenheit geraten?

Zur „relativen Eugenik“:

In Japan: Es gab im 20. Jahrhundert geplante Heiraten, die in einem sehr deutlichen Anstieg des

japanischen IQs über einen Zeitraum mehrerer Jahrzehnte resultierten. Zwar gab es diesen Effekt

in vielen Teilen der Welt über das 20. Jahrhundert gesehen (siehe Flynn-Effekt), in Japan jedoch

besonders deutlich:

Die Korrelation für den japanischen IQ mit dem Jahr der Erhebung für das 20. Jahrhundert beträgt

.80 … ähnliche Praktiken und ähnliche Ergebnisse gab es im kommunistischen China und später in

Singapur ...

... wie überhaupt die kollektivistischen östlichen Kulturen einer relativen Eugenik traditionell

keineswegs ablehnend gegenüber stehen … im Gegensatz zu den individualistischen, westlichen

Kulturen.

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Die Emotionstheorie von William McDougall

Warum ist McDougall wie kein anderer Psychologe in Vergessenheit geraten?

Fazit:

McDougall war nicht bereit, den genannten Ideen abzuschwören, da er hiervon zutiefst

überzeugt war. Er teilt viele Elemente dieser Haltung beispielsweise mit Konrad Lorenz

– ohne dass McDougall dieselben Ehren zuteil geworden wären.

Was Charles Darwin und vor allem auch Konrad Lorenz am Tierverhalten zeigten,

übertrug McDougall auf den Menschen. Die hier gebotene ethische Umsicht ließ

McDougall jedoch sehr oft vermissen.

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Charles Darwin

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McDougall

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