Programm-Magazin Lied von der Erde

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Programm-Magazin Nr. 10 Saison 14/15 Lied von der Erde MITTWOCH, 10. JUNI 2015 DONNERSTAG, 11. JUNI 2015

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Programm-Magazin Nr. 10 Saison 14/15

Lied von der Erde

MITTWOCH, 10. JUNI 2015DONNERSTAG, 11. JUNI 2015

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Sinfoniekonzert ‹Lied von der Erde›

3 Programm

4 Interview mit Michael Volle

8 Toby Spence

11 Gustav Mahler:

Das Lied von der Erde

14 Das Lied von der Erde:

Vokaltexte

17 Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 86

Intermezzo

20 Vorlaut – Eine Serie

von Alain Claude Sulzer

22 Casino-Geschichte(n),

Teil 10

24 Gillian Harris und

Payam Taghadossi im Gespräch

Vorschau

29 Familienkonzert mit

Linard Bardill: Millistrade

29 Saisoneröffnung:

Burleske

32 Agenda

Liebes Konzertpublikum

N atürlich kann man sich darüber streiten, inwieweit sich der Wettsteinmarsch von Hermann Suter als Zugabe eignet. In den

Konzertsälen von China und Korea sorgte der Auf-marsch von Ueli, Waggis und Bajass mit Larven, Piccolo, Fasnachtstrommel und Orchesterbegleitung jedenfalls für Begeisterung. In der koreanischen Ha-fenstadt Tongyeong ging beim Auftritt des Fas-nachtszügli allerdings zunächst ein ehrfürchtiges Raunen durch den Saal. Im Anschluss erklärte mir ein einheimischer Konzertbesucher, dass Masken in der koreanischen Kultur eine ganz besondere Bedeu-tung haben. Seit Jahrhunderten sind sie mit schama-nistischen Ritualen verbunden. Bis heute trägt man sie bei Begräbnissen, um böse Geister zu vertreiben. Kaum vorstellbar, dass man in Basel bei einer Trau-erzeremonie auf eine Fasnachtslarve trifft.

Das Fremde im Eigenen entdecken kann man auch in Gustav Mahlers Lied von der Erde. Mahler ver-tonte sechs Gedichte aus dem Band Die chinesische Flöte von Hans Bethge. Die fernöstliche Vorstellung der Einheit von Natur und Mensch aus der altchine-sischen Lyrik deckt sich mit Mahlers Reflexi onen zu Naturphilosophie und den tragischen Lebenserfah-rungen von Vergänglichkeit: Pentatonik und exoti-sche Vogelstimmen auf der einen Seite, Trauer-marsch-Zitate und zerbrechliche Klänge auf der anderen Seite.

Mehr über die beiden Werke und die Solisten un-seres letzten Abonnementskonzerts der Saison er-fahren Sie auf den folgenden Seiten. Im Namen des SOB möchte ich mich ganz herzlich für Ihr Interesse an unserem neuen Programm-Magazin bedanken. Ich freue mich sehr, wenn Sie uns auch in der kom-menden Saison wieder begleiten.

Dr. Hans-Georg HofmannLeiter Künstlerische Planung

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Sinfoniekonzert SOBLied von der ErdeMITTWOCH, 10. JUNI 2015

DONNERSTAG, 11. JUNI 2015

19.30 Uhr, Musiksaal des Stadtcasinos Basel18.45 Uhr: Einführung durch Annelis Berger und Dr. Hans-Georg Hofmann

Gustav Mahler (1860–1911)Das Lied von der Erde (1909)

1. Das Trinklied vom Jammer der Erde. Allegro pesante2. Der Einsame im Herbst. Etwas schleichend. Ermüdet

3. Von der Jugend. Behaglich heiter4. Von der Schönheit. Comodo. Dolcissimo

5. Der Trunkene im Frühling. Allegro. Keck aber nicht zu schnell6. Der Abschied. Schwer

Pause

Joseph Haydn (1732–1809)Sinfonie Nr. 86 D-Dur (1786)

1. Adagio – Allegro spiritoso2. Capriccio. Largo

3. Menuett. Allegretto4. Allegro con spirito

Konzertende ca. 21.30 Uhr

Sinfonieorchester BaselToby Spence, TenorMichael Volle, Bass

Dennis Russell Davies, Leitung

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Mahlers Zyklus Das Lied von der Erde – in welchem der sechs Lieder sehen Sie sich am ehesten gespiegelt?

Ich denke, in Der Abschied. Überhaupt: Solche Moll-Lieder und Stimmungen sagen mir schon sehr zu. Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker, und da stehe ich auch voll dazu. Der Abschied ist etwas vom Grössten, was es überhaupt gibt.

Hoffnungslos romantisch – ich glaube, das beschreibt Mahlers Musik generell ganz gut. Inwiefern aber sagt uns, den Menschen von heute, Das Lied von der Erde etwas?

Ich kann da zunächst nur für mich sprechen. Wir als Künstler haben es da eigentlich sehr leicht. In einer durch Technik bestimmten Welt tun wir Dinge, die ohne Herz und Seele überhaupt nicht gehen. Ich habe es jedes Mal beim Singen mit Ge-fühlen zu tun. Im Lied von der Erde ist das zum Bei-spiel die Sehnsucht nach Ferne. Eine Sehnsucht, die aktueller ist denn je. Für uns alle. Und ich

Der deutsche Bariton Michael Volle nennt sich einen «hoffnungslosen Romantiker». Als Familienvater lobt er den Wert der Ruhe. Am 1. August zieht er von der Schweiz nach Berlin – ausgerechnet.

Benjamin Herzog: Sind Sie mit diesem Satz einverstan-den: «Ein voller Becher Weins zur rechten Zeit ist mehr wert als alle Reiche dieser Erde»?

Michael Volle: (lacht) Absolut.

Und spricht Ihnen dieses Zitat aus dem Lied von der Erde ebenso aus dem Herzen: «Gib mir Ruh, ich hab Erquickung not»?

Das ist jetzt ein grosser Spagat ... Aber, ja. Ebenfalls absolut richtig. Mehr denn je brauche ich Ruhe. Vor allem, wenn man zwei kleine Kinder hat, wobei die Ruhe da etwas Relatives ist. Aber ich könnte zum Beispiel nie in der Grossstadt leben. Mein Beruf verlangt äussere und innere Ruhe.

Interview mit Michael Volle«Ich habe spät, aber dann gewaltig

zu Mahler gefunden»aufgezeichnet von Benjamin Herzog

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ne Partien von Mozart mehr angeboten. Wenn ich aber einen Liederabend singe, was ich immer wie-der mal gerne tue, kann ich sehr genau sehen, ob die Stimme noch funktioniert. Von den drei Dis-ziplinen Oper, Konzert und Lied halte ich das Lied für die schwerste.

Was ist schwieriger zu singen: laut oder leise?Leise! Laut kann jeder. Leise zu singen ist genauso etwas Körperliches wie lautes Singen. Aber die Veräusserlichung ist da viel kontrollierter. Für ein schönes, tragfähiges Piano braucht es eine sehr gute Technik.

Sie waren von 1999 bis 2007 Ensemblemitglied der Zürcher Oper, danach waren Sie vier Jahre an der Bayerischen Staatsoper in München. Sie singen in Wien, an der New Yorker Met, an vielen Orten. Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?

Zurzeit noch in der Schweiz, in Marthalen. Meine Frau ist Schweizerin und Sopranistin, sie singt unter anderem am Theater Luzern. Aber am 1. Au-gust ziehen wir um nach Berlin.

Ausgerechnet am 1. August ... Warum Berlin?Das hängt unter anderem mit der Schulwahl für die Kinder zusammen. Berlin wird aber auch eine Heimat für mich als Künstler sein. Ich freue mich darauf, nicht monatelang im Hotelzimmer leben und arbeiten zu müssen.

Werden Sie an einem der drei Berliner Opernhäuser unter-kommen?

Ich habe mit den Jahren einen immer besseren Kontakt zu Daniel Barenboim von der Berliner Staatsoper aufgebaut. Das hat sich mit der letzten Premiere Tosca im Herbst noch sehr intensiviert. Barenboim hat mir gesagt, er wolle mir an der Staatsoper eine künstlerische Heimat geben. Da-rüber freue ich mich natürlich sehr. Meine Frau und ich, wir werden aber auch an der Deutschen Oper singen.

Berlin: Osten, Westen – wo werden Sie wohnen?Im Süden, gleich hinter Zehlendorf. Das ist schon ein bisschen auf dem Land. In einem wunder-schönen Haus mit viel Platz. Und mit Kindergär-

glaube, dieses Gefühl ist auch für jeden, der das hört, leicht zugänglich.

Diese Sehnsucht, gilt das nur bei Mahler?Das gilt für Musik jedweder Art. Aber ja, bei Mahler ist das sicher verstärkt.

Im letzten Lied des Zyklus heisst es wie in einer Formel: «O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunkne Welt!» Was hören Sie dazu in der Musik?

Es geht hier um den Abschied, klar. Und das ist immer etwas Trauriges. Aber es geht für mich hier auch weiter. Darum, dass man sich über das Er-reichte freuen kann, über das Erlebte. Es ist ein erfülltes Zurückblicken auf etwas Schönes, auf Jugend. Jeder Lebensabschnitt hat seine schönen Seiten. Dem nachzutrauern, das bringt überhaupt nichts.

Der Tod: ein Anfang, ein Schluss?Der Tod ist das physische Ende, ja. Aber ich glaube, dass es dabei zu einer Transformation kommt. Wir waren und werden sein. Wie auch immer. Wo-bei ich das jetzt ganz gelassen ausspreche. Wie ich dereinst in der Situation des Todes reagieren wer-de, weiss ich nicht. Doch da denke ich jetzt gar nicht dran, und ich hoffe, es ist auch noch sehr lange bis dahin.

Gibt es für Sie ein Initiationserlebnis mit Mahler?Ich bin ein Sammler. Ich habe immer schon Noten gekauft, Schallplatten und so weiter. Oft ohne ge-nau zu wissen, was ich mir da antue. So habe ich Das Lied von der Erde in der legendären Aufnahme mit Fritz Wunderlich gefunden. Das ist unfassbar schön. Und so habe ich zwar eher spät, aber dann gewaltig zu Mahler gefunden.

Sie singen Oper, Konzerte und auch Liederabende. Wie wichtig ist Ihnen diese Vielfalt?

Ich halte sie für sehr wichtig. Diese Vielfalt läuft auch unter dem Stichwort Stimmhygiene. Gerade wenn man einmal im schwereren Fach reüssiert hat und zum Beispiel bei Wagner, Verdi und Strauss angelangt ist, dann greifen die Gesetze des Marktes: Ich bekomme zum Beispiel fast kei-

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Trompeterin werden soll. Ich rate ihr natürlich zur Trompete.

Ihr Bariton-Kollege Thomas Hampson hat kürzlich ein Musikprojekt auf die Beine gestellt: No Tenors allowed. Was ist so schlimm an Tenören?

Überhaupt rein gar nichts! Hampson ist ein intel-ligenter und witziger Mensch. Das mit den Tenö-ren ist doch ein Gag. Ich würde sofort eine CD aufnehmen mit einem Tenor. Die Musik wäre ohne Tenöre nicht denkbar. Aber ich gebe zu, manchmal kommt auch bei mir ein bisschen Neid auf: Die Tenöre bekommen immer die schönen Frauen und verdienen erst noch mehr Geld. (lacht)

Lachen Sie in einer bestimmten Tonart?Ich lache vor allem zu laut, sagt meine Frau. Nie-mand ist ohne Fehl und Tadel.

Haben Sie Pläne für den Sommer?Ich werde in Bregenz mit dem wunderbaren Re-gisseur Stefan Herheim eine Neuproduktion von Hoffmanns Erzählungen singen. Ich hoffe, das geht neben dem Umzug mit der ganzen Packerei und den Kisten. Und im September geht es dann wei-ter mit Opern in Wien, Bukarest und schliesslich auch in Berlin. ●

ten und Schulen vor Ort. Wir werden wohl für die nächsten fünfzehn Jahre dort bleiben. Ideal. Nur die Berge werde ich vermissen.

Aus Ihrer Zeit am Zürcher Opernhaus, welche Erinnerung nehmen Sie als Ihre schönste mit?

Meinen ersten Sachs in Wagners Meistersingern. Ich bin aber insgesamt vom Glück gesegnet gewe-sen in diesen acht Jahren mit Alexander Pereira. Die ganze Atmosphäre mit den Gesangskollegen und den Dirigenten war ein Traum.

Sie haben in Zürich auch Ihren ersten Beckmesser gesungen, also die Rolle des kleinlichen Musik-Krittlers in derselben Oper, den Meistersingern. Die Gegenfigur zum gross-herzigen Sachs.

Ja, und ich hatte vor diesem Beckmesser schon einen grossen Respekt. Aber den Sachs zu singen, das war ein Traum, und ich hatte mit José van Dam damals in Zürich ein grosses Vorbild. Beckmesser macht einfach unendlich viel Spass. Aber wenn man einmal den Sachs gesungen hat, kann man nicht mehr zurück. Sachs ist das Schönste und Erfüllendste, was es für mich zu singen gibt.

Warum? Weil Sachs als väterliche Figur Ihnen gut zusagt?Väterlich, das klingt für mich so ein bisschen in die Ecke gestellt. Sachs ist nicht nur ein gütiger alter Vater, sondern ein viriler Mensch im besten Alter. Er kann rasen, fies und böse sein. Er ist der Nachdenker und Mahner. Er ist der Liebende, der aber auch in Eifersucht ausbrechen kann. Er stellt sich zuletzt aber in den Dienst einer grösseren Sa-che und nimmt sich da selbst zurück. Sachs ist für mich das Nonplusultra.

Sie haben zwei kleine Kinder. Würden Sie ihnen zu einer Musikerkarriere raten?

Wenn ich erkenne, dass meine Kinder Lust und Begabung haben, werde ich sie fördern, aber si-cher nicht zu etwas zwingen. Aufgrund der er-langten Freuden, wie ich sie kennengelernt habe, kann ich zu einem Musikerberuf nur zuraten. Von meiner ersten Frau habe ich übrigens noch zwei weitere Kinder. Meine zweitälteste Tochter ist tat-sächlich am Überlegen, ob sie Psychologin oder

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wurde bei ihm Schilddrüsen-Krebs diagnostiziert. Eine Operation war die einzige Möglichkeit, den Tu-mor zu bekämpfen. Wegen der Nähe der Schilddrüse zu den Stimmbändern war diese Operation für Spen-ces Karriere ein grosses Risiko. Später äusserte er sich dazu: «Mir stand eine schwierige und düstere Ent-scheidung bevor: sterben oder singen?». Nach einer sechsstündigen Operation war zwar der Krebs ent-fernt, aber Spence hatte jegliche Kontrolle über seine Stimme verloren.

Nach einer langwierigen und schmerzhaften Re-generation, begann Spence zusammen mit seinem Lehrer David Pollard, seine Stimme wiederherzustel-len. Heute ist Spence zurück auf den grossen Bühnen der Welt und singt in dieser Saison Rollen wie den Tamino für das Royal Opera House und die Metropo-litan Opera sowie Henry Morusus in Die schweigsame Frau für die Bayerische Staatsoper.

Auf die letzten Jahre zurückblickend sagt Toby Spence heute: «Was ich aus dieser Zeit gelernt habe ist, dass die Stimme eine Erweiterung des mensch-lichen Körpers ist. Wenn man selbst ausgeglichen ist, wird die Stimme folgen.» ●

D er Tenor Toby Spence ist schon sehr früh in seinem Leben mit Musik in Kontakt ge-kommen: Seine Mutter war Pianistin und

hat im Archiv des Royal College of Music gearbeitet. Dort lernte sie unter anderem auch Walter Legge und Yehudi Menuhin kennen. Künstler und Musiker wa-ren gern gesehene Gäste im Haus der Spence-Familie. Der junge Toby Spence hat seine musikalische Aus-bildung am New College in Oxford begonnen und später an der Opera School of the Guildhall School of Music and Drama in London studiert. Dort wurde er unter anderem von Edward Higginbottom und David Pollard unterrichtet. 1995 erhielt er ein Stipendium für das Ravina Festival in den USA, und 2011 wurde er von der Royal Philharmonic Society zum Singer of the Year gewählt. Spence sang in Konzerten mit vie-len grossen Orchestern und Dirigenten dieser Welt zusammen – so zum Beispiel mit den Wiener Phil-harmonikern unter Sir Simon Rattle. Er hat unzähli-ge Einspielungen auf vielen grossen Labeln wie BMG, Philips und EMI realisiert und ist ein gern gesehener Gast an Opernhäusern und Festivals.

Scheinbar am Höhepunkt seines Erfolg ange-langt, wurde Spences Laufbahn jäh unterbrochen: Es

Der englische Ausnahme-Tenor Toby Spence

«Die Stimme ist eine Erweiterung des menschlichen Körpers»

von Simone Staehelin

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«Die Erde ist im Entschwinden, eine andere Luft weht herein, ein anderes Licht leuchtet darüber.» Mit die-sen Worten reagierte der Dirigent und Mahler-Freund Bruno Walter auf Das Lied von der Erde, das sich in seiner musikalischen Sprache, seiner Stim-mung und seiner Kompositionstechnik deutlich von den vorangegangenen Werken Mahlers unterschied.

«Eine andere Luft weht herein», eine Luft von ei-nem anderen musikalischen Gefilde, wo sich die Mehrstimmigkeit in freier Linienführung entfaltet, einzelne Stimmen vom Thema abweichen, andere Stimmen sich mit verzierten Varianten der Melodie anfügen. Heterophon falten sich gleiche Melodie- und Tonbewegungen immer wieder in individuelle Linien auf.

Auch die oftmalige Verwendung der für die fern-östliche Musik typischen Pentatonik, eines halbton-freien Fünftonsystems, verleiht dem Lied von der Erde einen ungewohnten, neuen Tonfall. Und vor allem die Grundstimmung des sechssätzigen Lied-Zyklus’, eine oft verklärte und geläuterte Tonsprache, lässt diese Komposition so anders erscheinen. Noch ein-mal Bruno Walter: «Ist es wirklich derselbe Mensch, der in Harmonie mit dem Unendlichen den Bau der Achten errichtet hatte, den wir nun im Trinklied vom Jammer der Erde wiederfinden? Der einsam im Herbst zur trauten Ruhestätte schleicht, nach Erquickung lechzend? Der mit freundlichem Altersblick auf die Jugend, mit sanfter Rührung auf die Schönheit

G ustav Mahler erhielt 1907 ein im Insel-Ver-lag erschienenes Buch mit dem Titel Die chinesische Flöte von einem Freund zum Ge-

schenk. Hans Bethges Nachdichtungen alter chine-sischer Lyrik in deutscher Sprache inspirierten den Komponisten, der soeben die monumentale 8. Sinfo-nie über den Pfingsthymnus und nach den Schluss-worten aus Goethes Faust vollendet hatte, zur Kom-position eines Werks, in dem er die beiden Gattungen, mit denen er sich in seinem kompositorischen Schaffen fast ausschliesslich beschäftigte, zu einer faszinierenden Synthese brachte: Lieder als Sinfonie.

Gustav Mahler: Das Lied von der ErdeAlles Menschliche ist vergänglich,

die Natur aber ist ewigvon Rainer Lepuschitz

DAS LIED VON DER ERDEBesetzung: Bariton- und Tenorsolo, 3 Flöten, Piccolo, 3 Oboen, Englischhorn, 4 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke, Schlagwerk, 2 Harfen, Streicher

Entstehung: 1907–1908 in Toblach (Südtirol, Italien)

Uraufführung: 20. November 1911 in der Münchner Tonhalle (Leitung: Bruno Walter)

Dauer: ca. 1 Stunde

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Gustav Mahler (Fotografie von Moritz Nähr um 1907)

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Die Lieder Nr. 1 und 6 handeln von der Vergäng-lichkeit des Menschen. «Das Firmament bläut ewig ... Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?», heisst es im ersten Lied, «Still ist mein Herz und harret seiner Stunde … Allüberall und ewig bläuen licht die Fernen! Ewig… ewig …» – so klingen das letzte Lied und das Werk aus. Die Lieder Nr. 2 und 5 besingen Jahreszei-ten und das Leben in ihnen – das 2. Lied den Herbst, das 5. den Frühling. Die Lieder Nr. 3 und 4 preisen, teils heiter, teils wehmütig, die Jugend und die Schönheit. Die Wahl der chinesischen Lyrik als Vor-lage für eine Komposition entsprang Mahlers pan-theistischer Gesinnung und seinem Interesse an der fernöstlichen Gedankenwelt. Der letzte Satz ist kei-neswegs als ein persönlicher Abschied Mahlers vom Leben zu verstehen, sondern als musikalischer Aus-druck des philosophischen Gedankens vom Lebens-ende, das jedem Menschen bevorsteht. Das musika-lische Leben Mahlers geht nach diesem Satz weiter

– darauf weist eindeutig hin, dass der nächste sinfo-nische Satz, den er komponierte, der Kopfsatz der 9. Sinfonie, im Rhythmus, in der Intervall-Setzung und in der Stimmung unmittelbar aus der «Ewig»-Ausklangsmusik des Liedes von der Erde hervorgeht. Auch die Musik klingt in die Ewigkeit.

Die als Liedersammlung geplante Komposition wuchs sich zu sinfonischen Dimensionen aus. Die Ecksätze sind grosse sinfonische Gesänge in der So-natenhauptsatzform: ein energisches Allegro (Nr. 1) und ein episches Adagio (Nr. 6), wie es Mahler ver-gleichbar auch schon in der 3. Sinfonie als Schluss-satz komponiert hat und es in der 9. Sinfonie als Finale noch einmal komponieren wird. Die Binnen-sätze sind hingegen richtige Lieder, zum Teil lyrisch in ihrer Beschaffenheit (Nr. 2 bis 4), zum Teil der tra-ditionell liedhaften Strophenform folgend, von ein-gängigen Melodien erfüllt und in überschaubaren Dimensionen angelegt. Von der Jugend und Von der Schönheit könnte man freilich auch als Intermezzi innerhalb eines sinfonischen Werks und Der Trunke-ne im Frühling als Humoreske mit Scherzo-Zügen aus-legen. ●

schaut? Der in der Trunkenheit Vergessen des sinn-losen irdischen Daseins sucht und schliesslich in Schwermut Abschied nimmt? (...) Es ist kaum dersel-be Mensch und Komponist. Alle Werke bis dahin waren aus dem Gefühl des Lebens entstanden.»

Die Entstehung des Liedes von der Erde ist nicht von biographischen Hintergründen zu trennen. Im Sommerurlaub 1907 in Maiernigg in Kärnten starb die ältere der beiden Töchter des Ehepaares Mahler, Maria Anna, im Alter von knapp fünf Jahren an Diph-therie. Nur wenige Tage später diagnostizierte der Landarzt von Maiernigg bei Gustav Mahler ein Herz-leiden, das ein daraufhin sofort in Wien konsultierter Spezialist bestätigte und einen doppelseitigen Herz-klappenfehler bei dem Komponisten feststellte. Für den Rest des Sommers zog sich Mahler, ohne zu komponieren, in den Dolomitenort Schluderbach bei Toblach im Tiroler Pustertal zurück.

Im darauffolgenden Herbst half Mahler offenbar die Lektüre der Sammlung Die chinesische Flöte, die Ereignisse aufzuarbeiten. Er skizzierte Orchester-lieder, die er im Sommer darauf, den er wiederum im tirolerischen Toblach verbrachte, als Sinfonie für zwei Gesangsstimmen und grosses Orchester aus-arbeitete. Sieben Werke hat Mahler aus Bethges Sammlung ausgewählt: vier Nachdichtungen von Gedichten des bekanntesten altchinesischen Lyri-kers Li-Tai-Po (8. Jahrhundert n. Chr.): Das Trinklied vom Jammer der Erde, Von der Jugend, Von der Schönheit und Der Trunkene im Frühling. Das Gedicht zum Lied Der Einsame im Herbst geht auf den chinesischen Dichter Chang-Tsi zurück. Für das letzte Lied des Zy-klus’, Der Abschied, fügte Mahler zwei Gedichte anei-nander: In Erwartung des Freundes nach Mong-Kao-Jen und Der Abschied des Freundes nach Wang-Sei. Einige Gedichtzeilen fügte Mahler selbst hinzu. Aus dieser literarischen Zusammenstellung ergaben sich zwei Grundthemen des Liedes von der Erde: die Liebe zur Natur und zum Leben sowie die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens in der Relation zur immer wie-der neu sich regenerierenden Natur.

Die Anordnung der Gedichte in der Komposition ergibt eine gewisse Symmetrie. Jeweils die Lieder Nr. 1 und Nr. 6, Nr. 2 und Nr. 5 sowie Nr. 3 und Nr. 4 korrespondieren inhaltlich miteinander.

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Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.Sonne der Liebe, willst du nie mehr scheinen,Um meine bittern Tränen mild aufzutrocknen?

Von der JugendMitten in dem kleinen TeicheSteht ein Pavillon aus grünemUnd aus weissem Porzellan.

Wie der Rücken eines TigersWölbt die Brücke sich aus JadeZu dem Pavillon hinüber.

In dem Häuschen sitzen Freunde,Schön gekleidet, trinken, plaudern;Manche schreiben Verse nieder.

Ihre seidnen Ärmel gleitenRückwärts, ihre seidnen MützenHocken lustig tief im Nacken.

Auf des kleinen Teiches stillerWasserfläche zeigt sich allesWunderlich im Spiegelbilde:

Alles auf dem Kopfe stehendIn dem Pavillon aus grünemUnd aus weissem Porzellan.

Wie ein Halbmond steht die Brücke,Umgekehrt der Bogen. Freunde,Schön gekleidet, trinken, plaudern.

Von der SchönheitJunge Mädchen pflücken Blumen,Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.Zwischen Büschen und Blättern sitzen sie,Sammeln Blüten in den Schoss und rufenSich einander Neckereien zu.

Goldne Sonne webt um die Gestalten,Spiegelt sie im blanken Wasser wider.Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder,Ihre süssen Augen wider,Und der Zephyr hebt mit Schmeichelkosen das Gewebe

Das Trinklied vom Jammer der ErdeSchon winkt der Wein im goldnen Pokale,Doch trinkt noch nicht, erst sing ich euch ein Lied!Das Lied vom Kummer soll auflachend in die Seele euch klingen.Wenn der Kummer naht, liegen wüst die Gärten der Seele,Welkt hin und stirbt die Freude, der Gesang.Dunkel ist das Leben, ist der Tod.

Herr dieses Hauses!Dein Keller birgt die Fülle des goldenen Weins!Hier, diese Laute nenn’ ich mein!Die Laute schlagen und die Gläser leeren,Das sind die Dinge, die zusammen passen.Ein voller Becher Weins zur rechten ZeitIst mehr wert, als alle Reiche dieser Erde!Dunkel ist das Leben, ist der Tod.

Das Firmament bläut ewig und die ErdeWird lange fest stehn und aufblühn im Lenz.Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?Nicht hundert Jahre darfst du dich ergötzenAn all dem morschen Tande dieser Erde!

Seht dort hinab! Im Mondschein auf den GräbernHockt eine wild-gespenstische Gestalt –Ein Aff ist’s! Hört ihr, wie sein HeulenHinausgellt in den süssen Duft des Lebens!Jetzt nehmt den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!Leert eure goldnen Becher zu Grund!Dunkel ist das Leben, ist der Tod!

Der Einsame im HerbstHerbstnebel wallen bläulich überm See;Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;Man meint’, ein Künstler habe Staub vom JadeÜber die feinen Blüten ausgestreut.

Der süsse Duft der Blumen ist verflogen;Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.Bald werden die verwelkten, goldnen BlätterDer Lotosblüten auf dem Wasser ziehn.

Mein Herz ist müde. Meine kleine LampeErlosch mit Knistern; es gemahnt mich an den Schlaf.Ich komm zu dir, traute Ruhestätte!Ja, gib mir Ruh, ich hab Erquickung not!

Gustav Mahler: Das Lied von der ErdeVokaltexte

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Der AbschiedDie Sonne scheidet hinter dem Gebirge.In alle Täler steigt der Abend niederMit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.

O sieh! Wie eine Silberbarke schwebtDer Mond am bläuen Himmelssee herauf.Ich spüre eines feinen Windes WehnHinter den dunklen Fichten!

Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.Die Blumen blassen im Dämmerschein.

Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf.Alle Sehnsucht will nun träumen,Die müden Menschen gehn heimwärts,Um im Schlaf vergessnes GlückUnd Jugend neu zu lernen!

Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.Die Welt schläft ein ...

Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.Ich stehe hier und harre meines Freundes;Ich harre sein zum letzten Lebewohl.

Ich sehne mich, o Freund, an deiner SeiteDie Schönheit dieses Abends zu geniessen.Wo bleibst du? Du lässt mich lang allein!

Ich wandle auf und nieder mit meiner LauteAuf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunkne Welt!

Er stieg vom Pferd und reichte ihm den TrunkDes Abschieds dar. Er fragte ihn, wohinEr führe und auch warum es müsste sein.

Er sprach, seine Stimme war umflort:Du, mein Freund,Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!

Wohin ich geh? Ich geh, ich wandre in die Berge.Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte.Ich werde niemals in die Ferne schweifen.Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!

Die liebe Erde allüberallBlüht auf im Lenz und grüntAufs neu! Allüberall und ewigBlauen licht die Fernen!Ewig ... ewig ...

Quelle: Die chinesische Flöte – Nachdichtungen chinesischer Lyrik von Hans Bethge

Ihrer Ärmel auf, führt den ZauberIhrer Wohlgerüche durch die Luft.

O sieh, was tummeln sich für schöne KnabenDort an dem Uferrand auf mut’gen Rossen,Weithin glänzend wie die Sonnenstrahlen;Schon zwischen dem Geäst der grünen WeidenTrabt das jungfrische Volk einher!Das Ross des einen wiehert fröhlich aufUnd scheut und saust dahin,Über Blumen, Gräser, wanken hin die Hufe,Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunknen Blüten.Hei! Wie flattern im Taumel seine Mähnen,Dampfen heiss die Nüstern!

Goldne Sonne webt um die Gestalten,Spiegelt sie im blanken Wasser wider.Und die schönste von den Jungfraun sendetLange Blicke ihm der Sehnsucht nach.Ihre stolze Haltung ist nur Verstellung:In dem Funkeln ihrer grossen Augen,In dem Dunkel ihres heissen BlicksSchwingt klagend noch die Erregung ihres Herzens nach.

Der Trunkene im FrühlingWenn nur ein Traum das Dasein ist,Warum denn Müh und Plag?Ich trinke, bis ich nicht mehr kann,Den ganzen, lieben Tag!

Und wenn ich nicht mehr trinken kann,Weil Leib und Kehle voll,So tauml’ ich bis zu meiner TürUnd schlafe wundervoll!

Was hör ich beim Erwachen? Horch!Ein Vogel singt im Baum.Ich frag ihn, ob schon Frühling sei,Mir ist als wie im Traum.

Der Vogel zwitschert: «Ja! Der LenzIst da, sei kommen über Nacht!»Aus tiefstem Schauen lauscht ich auf,Der Vogel singt und lacht!

Ich fülle mir den Becher neuUnd leer ihn bis zum GrundUnd singe, bis der Mond erglänztAm schwarzen Firmament!

Und wenn ich nicht mehr singen kann,So schlaf ich wieder ein,Was geht mich denn der Frühling an?Lasst mich betrunken sein!

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Holzbläser überliefert. Von daher ist es erstaunlich, dass sich Haydn auch in den für Paris entstandenen Sinfonien an den eigenen Verhältnissen orientierte und die grosse Besetzung weitgehend ignorierte – mit einer Ausnahme: der Sinfonie Nr. 86 in D-Dur, der vorletzten des Zyklus, die neben Streichern und

A ls Hofkapellmeister am Hof der Fürsten Esterházy hatte es Joseph Haydn bereits zu internationalem Ansehen gebracht, als er

1784 den Auftrag erhielt, für die Pariser Concerts de la Loge Olympique sechs Sinfonien zu komponieren. Dem Gedankengut der freimaurerischen Organisa-tion fühlte er sich verbunden (1785 trat er der Wiener Loge Zur wahren Eintracht bei), auch das in Aussicht gestellte Honorar von 25 Louis d’or pro Sinfonie konnte sich sehen lassen. Darüber hinaus stand ihm mit dem Orchester der Loge Olympique eines der da-mals grössten und besten in ganz Europa zur Verfü-gung. Haydn zögerte also nicht lange, als der Comte d’Ogny, einer der Initiatoren der Pariser Konzerte, die Werke bei ihm bestellte – und komponierte bis 1786 seine sechs Pariser Sinfonien (Nr. 82 bis 87).

Die Besetzung des Pariser Orchesters, das für sei-ne Virtuosität berühmt war, übertraf die des Orches-ters in Esterháza um einiges: Standen Haydn dort gerade einmal fünfundzwanzig Musiker zur Verfü-gung, so sind für die Pariser Konzerte über vierzig Violinen, zehn Kontrabässe und doppelt besetzte

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 86«Meine Sprache versteht die ganze Welt»

von Tobias Niederschlag

SINFONIE NR. 86 D-DURBesetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauke, Streicher

Entstehung: 1786, im Auftrag der Pariser Loge Olympique

Uraufführung: 1786 im Rahmen der Concerts de la Loge Olympique

Dauer: ca. 25 min

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Stich nach einem Gemälde von Thomas Hardy (um 1792)

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«Meine Sprache versteht die ganze Welt», soll Haydn geantwortet haben, als ihn Mozart vor seiner ersten London-Reise im Jahr 1791 vor möglichen Ver-ständigungsschwierigkeiten im Ausland warnte. Er sprach aus Erfahrung: Mit seinen Pariser Sinfonien hatte er 1786 so grossen Erfolg gehabt, dass die Loge Olympique schon bald drei weitere Sinfonien bei ihm ‹nachbestellte› (Nr. 90 bis 92) – und dies, obwohl Haydn bei den Aufführungen nicht einmal anwesend gewesen war (er war zeitlebens nie in Paris). In Lon-don sollte es dann ganz ähnlich laufen: Die zunächst sechs der Londoner Sinfonien musste er schliesslich auf zwölf aufstocken … Mit all diesen späten, zykli-schen Auslandsaufträgen schuf Haydn Gipfelpunkte der von ihm mitentwickelten Gattung, die noch lan-ge weiterwirkten. ●

Holzbläsern auch Pauken und Trompeten vorsieht. Mit ihrer festlich-grosszügigen Haltung trägt sie wohl am auffälligsten die Züge einer «Grande Sym-phonie», wie sie dem Grafen d’Ogny vorgeschwebt hatte.

Gleich zu Beginn der Sinfonie wird dieser Cha-rakter deutlich: Pauken und Trompeten treten be-reits in der langsamen Einleitung zum ersten Satz strahlend hervor; ansonsten beginnt und endet dieser Abschnitt im Piano. Das Hauptthema des folgenden Allegro spiritoso ist zweigeteilt: Es setzt zurückhaltend in e-Moll ein und schlägt nach ein paar Tak ten ins Or-chestertutti um – ein Effekt, der auch andere der Pa-riser Sinfonien auszeichnet. Im Seitensatz kehrt der Hauptgedanke zunächst noch einmal wieder, erst danach wird das schlendernde zweite Thema einge-führt: Haydn liebte das Spiel mit den Hörerwartun-gen; ‹Sinfonie› bedeutete ihm immer auch ein intel-lektuelles Vergnügen.

Der langsame Satz ist motivisch mit dem Kopf-satz verbunden, er hebt mit der gleichen Dreiklangs-folge der Bässe an wie dessen Adagio-Einleitung. Sein ungewöhnlicher Titel Capriccio (italienisch: Lau-ne) geht vermutlich auf die – auch in Haydns Schaf-fen einzigartige – freie Formgestaltung zurück: Der Satz verbindet auf kapriziös-geistreiche Weise Ele-mente der Sonaten-, der Rondo- und der Variatio-nenform.

Beinahe ‹sinfonisch› gestaltet ist das Menuett, das mit rhythmischen und harmonischen Überraschun-gen aufwartet und sich in der Wiederholung des An-fangsteils erstaunlich weiterentwickelt. In der länd-lerhaften Melodik des Trios scheint der volks tümliche Ursprung durch, das Solofagott wird hier von Strei-cher-Pizzicati begleitet.

Den Abschluss bildet ein heiteres Finale, für das Haydn die Form eines monothematischen Sonaten-satzes wählte: Das zweite Thema entpuppt sich als eine Ableitung aus dem ersten, es hebt mit der glei-chen Tonwiederholung an (und weist ausserdem Bezüge zur Thematik des Kopfsatzes auf). Bei aller pulsierenden Heiterkeit kommt es auch zu kontra-punktischen Verdichtungen, immer vorangetrieben durch den charakteristischen Staccato-Auftakt – der am Ende auch den Schlusspunkt setzt.

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1907 war im Insel-Verlag Hans Bethges Gedicht-band Die chinesische Flöte erschienen, am 12. Juli des gleichen Jahres starb Mahlers älteste Tochter Maria Anna an Diphtherie; bei ihm selbst wurde eine schwere Herzkrankheit festgestellt. Wenn man Al-mas wenig vertrauenswürdigen, an allen Ecken und Enden zu ihren Gunsten geschönten Memoiren glau-ben darf (darf man?), war sie es, der Die chinesische Flöte von Hofrath Theodor Pollack überreicht worden war. Von den Gedichten «entzückt», las sie diese Gus-tav Mahler «immer wieder» und so lange vor, bis er aus einer Auswahl von sieben Gedichten sein Lied von der Erde schuf.

«Jetzt, nach dem Tode des Kindes, nach der furcht-baren Diagnose des Arztes, in der schrecklichen Stim-mung der Einsamkeit, fern von unserem Hause, fern von seiner Arbeitsstätte (die wir geflohen hatten), jetzt überfielen ihn diese masslos traurigen Gedichte, und er skizzierte schon in Schluderbach, auf weiten, einsamen Wegen, die Orches ter lieder, aus denen ein Jahr später Das Lied von der Erde werden sollte», schrieb Alma. Mahler selbst hat keine Zeile über sei-ne Motive, Das Lied von der Erde zu komponieren, hin-terlassen. Stattdessen entstand Musik, die sich selbst genügt, indem sie den zugrundeliegenden Worten eine erweiternde Dimension hinzufügt. Was Albert Hofmann am 19. April 1943 mit LSD erstmals an sich selbst versuchte (in Basel), war Gustav Mahler auf ähnliche Weise bereits vier Jahrzehnte früher (in Wien) gelungen: eine Erweiterung des Bewusstseins, das mit weit ausgebreiteten Flügeln hoch über jene Zeilen hinausging, die ohne diese Musik wohl kaum überlebt hätten. ●

I st es Zufall, dass sich das Sinfonieorchester Ba-sel, wenige Wochen, nachdem es von seiner Asientournee zurückgekehrt ist, einem Haupt-

werk der frühen Moderne (oder späten Romantik) widmet, in dem fernöstliches Empfinden – eingebet-tet in durchaus westlicher Musik – im Mittelpunkt steht?

Hans Bethge, auf dessen Gedichte Gustav Mahler die Musik seines Lieds von der Erde schrieb, sprach kein Chinesisch. Ob er China je besucht hat, entzieht sich meiner Kenntnis; biografisches Material über ihn zu finden, ist schwierig. Doch seine erste Begeg-nung mit (übersetzter) chinesischer Lyrik war denk-würdig, erfolg- und folgenreich:

«Ich fühlte eine bang verschwebende Zartheit ly-rischen Klanges, ich blickte in eine ganz von Bildern erfüllte Kunst der Worte, die hinableuchtete in die Schwermut und die Rätsel des Seins, ich fühlte ein feines lyrisches Erzittern, eine quellende Symbolik, etwas Zartes, Duftiges, Mondscheinhaftes, eine blu-menhafte Grazie der Empfindung.» Er empfand also genau das, was man spätestens nach seinen äusserst erfolgreichen Dichtungen und Nachdichtungen, mit denen er teilweise grosse Auflagen erzielte, von chi-nesischer Lyrik erwartete. Sie gaben einen Ton vor, der sich von jenem des deutschen Knaben Wunder-horn unterschied. Als Mahler daranging, sie in seine musikalische Idealwelt zu übersetzen, erlaubte er sich allerdings deutlich weniger Chinoiserien als etwa Giacomo Puccini in seiner Turandot acht Jahre später. China war im Fin de Siècle angekommen, des-sen Ende bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs – ge-pflegt verdämmernd – noch etwas auf sich warten liess. Mahler erlebte ihn nicht mehr.

Vorlaut – Eine SerieEine Erweiterung des Bewusstseins

von Alain Claude Sulzer

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Die Strukturformel von LSD

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Schon Jahre vor dem Architekturwettbewerb, den die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid gewann, flammte in Basel die Diskussion darüber auf, ob die Stadt nicht auch mehrere Zentren für Musik-kultur haben könne. Den Anfang machte der Archi-tekt Jacques Herzog in einem Interview mit dem Verfasser dieses Beitrags, das am 1. März 2000 in der Basler Zeitung erschien. Er entwarf darin die Vision eines Paul-Sacher-Saals auf dem Kasernenareal. Die-sen Namen hatte ein provisorischer, aber akustisch erstaunlich guter Konzertsaal getragen, den man für den Europäischen Musikmonat 2001 in eine Messe-halle eingebaut hatte.

Dafür hätte der Hauptkomplex der alten Kaserne abgebrochen werden müssen; die Kulturwerkstatt Kaserne hätte stehen bleiben können. Es ging Her-zog in erster Linie darum, «den Rheinraum attrakti-ver zu gestalten» und das Kasernenareal gegenüber dieser Hauptader der Stadt durchlässiger zu machen. Der neue Saal solle sich mit dem Kultur- und Kon-gresszentrum Luzern messen können. Der alte Mu-siksaal, den Herzog «langweilig und altbacken» fand, könne doch anderweitig genutzt werden.

Herzogs Idee stiess insbesondere bei Architekten auf lebhafte Zustimmung. Der Mailänder Architek-turprofessor Vittorio Magnago Lampugnani – der Autor des Masterplans für das Novartis-Areal – stell-te in einem Interview eine Auflockerung und Dezen-tralisierung des Kulturzentrums in Basel zur Diskus-

W ir halten es für beinahe naturgegeben, dass das Basler Musikzentrum dort steht, wo es heute steht: auf dem Barfü-

sserplatz. Das war nicht immer selbstverständlich. Als die Casino-Gesellschaft 1808 gegründet wurde, spielte sich das Basler Gesellschaftsleben im Rei-nacherhof, dem Eckhaus zum Schlüsselberg am Münsterplatz 18, ab. Andere Vergnügungen hatten ihren Ort auf dem ‹Blömlein› an der heutigen Thea-terstrasse. Vorübergehend diskutierte man eine Ver-bindung von Theater und Casino, zu der es aber nicht kam. Konzerte fanden häufig im Oberen Collegium der Universität an der Augustinergasse statt. Erst als die Regierung des Kantons Basel-Stadt 1820 der Ca-sino-Gesellschaft ein Grundstück für den Bau eines Mehrzweckgebäudes auf dem Barfüsserplatz zur Verfügung stellte, war klar: Dort und nur dort sollte das Stadtcasino stehen. Bis zum Bau des Musiksaals im Jahr 1876 fanden viele Konzerte an anderen Orten statt, zum Beispiel in der Martinskirche.

Die Frage, ob das Musikzentrum nur am Barfü-sserplatz stehen könne und nicht auch anderswo, ist danach für Jahrzehnte verstummt. Sie flammte aber wieder auf, als sich Probleme mit einem Neubau des ‹alten› Stadtcasinos abzeichneten. Muss es denn un-bedingt der ‹Barfi› sein? Wäre es für Basel nicht reiz-voll, einen zweiten Konzertsaal unabhängig vom Barfüsserplatz zu besitzen? Und wenn ja, wo könnte dieser stehen?

Casino-Geschichte(n), Teil 10Warum eigentlich ein Zentrum?

von Sigfried Schibli

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Die Casino-Gesellschaft war über diese Debatte nicht erfreut. Schliesslich fühlte sie sich als Eigentü-merin des Stadtcasinos ihren Statuten verpflichtet, in denen als «ausschliesslicher Zweck» festgelegt ist, sie solle «den kulturellen und im besonderen den musi-kalischen Bestrebungen in Basel in gemeinnütziger Weise dienen». Auch Musiker und Konzertveranstal-ter zeigten wenig Begeisterung für die Ideen zu einem zweiten Konzertsaal. Die Casino-Gesellschaft beeilte sich, das Stadtcasino als «Musikzentrum am bisheri-gen Standort» zu definieren und schrieb Mitte 2003 einen Architekturwettbewerb in Form eines Studien-auftrags aus. Der Rest ist bekannt. ●

sion. Zwar warnte er davor, dass die kulturellen Einrichtungen beziehungslos «wie Amöben in der Stadt schweben», aber eine Stadt könne auch mehre-re Zentren haben. In Basel könnten sich verschiede-ne «Nebenzentren» um die historische Altstadt he-rum ausbilden.

Ein anderer Architekt, der in Basel lebende ETH-Professor Wolfgang Schett, brachte einen weiteren Standort für ein neues Konzertgebäude ins Gespräch: den Grünstreifen zwischen Wettsteinbrücke und Theodorsgraben am Kleinbasler Kopf der Wettstein-brücke. Dort könne ein mittelgrosser moderner Saal zur Aufwertung des Quartiers beitragen. Die Zentra-lisierung von Kulturinstituten hielt er «grundsätz-lich für veraltet». Andere Gedankenspiele sahen den Rheinhafen als möglichen Konzertsaal-Ort, und der Dirigent Mario Venzago brachte sogar die Idee eines Konzertsaals auf dem Rhein auf.

Die Basler Altstadt und die Martinskirche

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: zVg

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top –aber zusammen! Da entsteht etwas ganz Spezielles, das auch sogleich auf das Publikum überspringt.

Aber auch bei den ganz Grossen. Ich habe neulich ei-nen Film aus den 70er-Jahren gesehen, vom Finale eines Tschaikowski-Wettbewerbs. Die junge Cellistin hat Rokoko-Variationen gespielt – und dabei waren die Oktaven ganz falsch. Heutzutage wäre sie sehr wahrscheinlich schon in der ersten Runde ausge-schieden. Aber was für Musik sie und das Orchester gespielt haben! Jeder Ton war so voller Bedeutung. Die heutige digitale Umgebung beeinflusst unsere Einstellungen und Denkweisen sehr stark, und trägt meiner Meinung nach nicht unbedingt dazu bei, dass wir in den Schwung und in die Nuancen dieser tiefen musikalischen Bedeutung kommen. Heutzutage muss man immer alles ganz perfekt spielen. Dabei darf man doch als junger Mensch seine Vorstellungs-kraft nicht verderben oder abstumpfen lassen. Das ist sehr anspruchsvoll.

Ich habe an der Hochschule – ich studiere ja noch – gehört, dass heute das Niveau der Aufnahmeprüfung das gleiche ist, wie vor einigen Jahrzehnten noch das des Konzertdip-loms!

Ja, das stimmt. Es gibt eine grosse Weiterentwick-lung der Technik … Einmal haben wir mit einem

Gillian Harris: Wir waren ja auf der Asientournee. Das war eine sehr eindrückliche Erfahrung, die doch für mich bestimmte Fragen aufgeworfen hat. Wir waren alle erstaunt, als die Schulmädchen, die unse-re offene Probe in Tongyeong besuchten, gekreischt haben wie an einem Popkonzert. Ich habe mich ge-fragt, was für einen Zugang zur klassischen Musik diese Schülerinnen mit ihren Vorstellungen eigent-lich hatten.

Payam Taghadossi: Aber ich bin immer wieder erstaunt, wie viele gute Musiker zurzeit aus Korea oder generell aus Asien kommen. Das hört man bei jedem Probespiel, bei je-dem Wettbewerb. Überall da, wo Leistung gezeigt wird. Die asiatischen Musiker und Musikerinnen bringen ein sehr hohes Niveau mit.

Ja, es gibt für hoch leistende Musiker viele neue, wunderbare Möglichkeiten: umso mehr, wenn tech-nische Leistung mit tiefem Verständnis der Musik gepaart werden kann. Früher war die Leistung der einzelnen Musiker im Orchester gar nicht so gross, aber zusammen entstand oft etwas, was musikalisch sehr kostbar war.

Das finde ich auch sehr faszinierend. Wenn man sich zum Beispiel die einzelnen Spieler in einer kleineren Formation anschaut: Die sind nicht selten für sich alleine gar nicht so

Gillian Harris und Payam Taghadossi im Gespräch«Ein Dirigent ist wie ein Wein!»

Gillian Harris und Payam Taghadossi, beide spielen Violoncello im Sinfonieorchester Basel, unterhalten sich über junge und alte Dirigenten, schwarze oder diamantene Noten

und das Orchester als Vogelschwarm.

aufgezeichnet von Cristina Steinle

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Gillian Harris und Payam Taghadossi

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Zeitempfinden war offenbar ganz anders als das der meisten, die in der Gehetztheit unserer aktuellen Welt aufgewachsen sind. Für dich war das wohl et-was ungewohnt, etwa sogar chaotisch?

Ja, anfangs schon. Vor allem muss ich aber sagen, dass es einfach ein Wunder ist, dass man mit 92 Jahren noch vorne stehen und so dirigieren kann! Aber es brauchte schon viel Zeit, um zu verstehen, was er wollte. Man musste sich rich-tig auf sein Tempo einlassen.

Er wollte, dass wir bestimmte Stellen und Melodien unglaublich breit und voll spielen. Er hatte alle Zeit der Welt. Er hat es uns ermöglicht, zu verstehen, dass diese Musik an die Ewigkeit grenzt. Für mich hat er die Tür zu einer anderen, zauberhaften Welt geöffnet.

Und am Schluss hat dann auch alles Sinn gemacht! Ich den-ke, man kann als Musiker entweder damit umgehen oder nicht. Aber ich finde, dass man zumindest versuchen soll, sich darauf einzulassen. Man hat schliesslich nicht alle Tage die Chance, mit so einem Meister zu arbeiten.

Wir spielen auf unseren Instrumenten, und der Diri-gent müsste eben auf dem ganzen Orchester spielen. Er muss die Leute dazu bringen, dass sie ihr Bestes geben. Dabei hat er so viele Farben, so viele Möglich-keiten im Klang zur Verfügung.

Für mich kann man den Dirigenten mit einem Schauspieler vergleichen. Stell dir einen Schauspieler vor, der dich ohne etwas zu sagen sofort in seinen Bann zieht. Wie geht das? Genauso funktioniert ein Dirigent. Wenn er vorne steht und noch nicht mal den Mund aufgemacht hat und das Orchester aber schon in seinen Bann gezogen hat: Dann ist das wie ein fruchtbarer Boden, auf den er dann einfach nur noch da ein Bäumchen und dort ein Blümchen setzen kann ...

Bei älteren Dirigenten kommt natürlich dazu, dass man spürt, dass persönlicher Ehrgeiz bedeutungslos geworden ist. Sie stehen am Ende ihres Lebens, und es geht nur noch um die Musik. Es gibt ein altes Wort für Musiker, das ich sehr schön finde: Tonkünstler. Das ist es doch, was wir sind – oder sein sollten. Wir selber bleiben im Hintergrund und sind da, um die Musik zu vermitteln.

ganz alten Dirigenten, Efrem Kurtz, zusammengear-beitet. Der sagte zu uns: «Die Noten auf dem Blatt sind schwarz – aber ihr müsst die Diamanten darin finden.» Und er hat uns eben auf wunderbarer Weise geholfen, das zu tun.

Was ich aber auch deutlich sehe, auch als Newcomer, ist, dass ein junger Dirigent ganz anders arbeitet als ein älterer. Bei einem jungen Dirigenten ist es so, als ob du in einem Becken schwimmen würdest, das sehr clean und perfekt ist. Bei älteren Dirigenten wie z.B. Herrn Drewanz, der die Oper Daphne dirigiert, ist es viel häufiger wie in einem Ozean! Da schwebst du förmlich auf deinem Stuhl! Die Ges-tik, der Charme – das ist wie ein Wein!

Was Dirigenten wie Herrn Drewanz prägt, ist ihre Bescheidenheit. Sie stehen wirklich im Dienst der Musik. Heute gibt es ein Tendenz zu einem Kultus um Persönlichkeiten: Man muss sich einen Namen machen, ein Star sein.

Genau, wie ein Label, eine Marke.

Was ich auch sehr schön finde, ist, wenn ein Dirigent so viel Vertrauen in ein Orchester hat wie Herr Dre-wanz. Mit seiner bescheidenen, doch unglaublich erfahrenen Art konnte er auch das ganze Orchester für sich gewinnen; sowohl die Jüngeren wie auch die Älteren. Ein anderes Beispiel ist Herr Skrowaczewski, der vor ein paar Wochen die Vierte von Bruckner di-rigiert hat. Es hat alles seine Zeit gedauert, sogar das Umblättern der Noten. Vielleicht hat er das sogar ex-tra gemacht, damit auch wir langsamer werden. Sein

Gillian Harris wurde in Schottland geboren und ist in Neuseeland aufgewachsen. Nach ihrem Master-studium in den USA bei Aldo Parisot und Janos Star-ker kam sie nach Basel, wo sie seit nun mehr als dreissig Jahren wohnt. Sie beschäftigt sich viel mit jungen Musikerinnen und Musikern und ist auch als Übersetzerin vom Deutschen und Französischen ins Englische tätig.

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einen regelrechten Energieaustausch. Das hilft auch, wenn man mal erschöpft ist.

Als Ensemble unterstützen wir einander, ja. Du hast Recht, es gibt so eine Energie, die uns umkreist.

Ähnlich wie in einem Vogelschwarm. Oder bei Fischen ist es doch auch so. Da bewegt sich einer und die ganze Gruppe nimmt das auf und bewegt sich mit ihm mit.

Dabei braucht es ein Element, das den Schwarm von innen her einigt.

Und da wären wir wieder beim Dirigenten! ●

Ja, dafür darf man sich einfach nicht selbst inszenieren. Im besten Fall sollte man sich ganz der Musik unterordnen können. Es gibt so viele Beispiele von Musikern mit Star-allüren, die etwas ganz anderes spielen, als der Komponist gemeint hat. Heute weiss man ja dank der Musikwissen-schaft, dank Briefen und Texten des Komponisten, dass es in einem ganz anderen Sinn gemeint war, als dass es eben dieser oder jener Interpret spielt.

Das finde ich auch etwas sehr Schönes, dass es heut-zutage eine Menge Urtextausgaben gibt. Ausgaben, die früher üblich waren, werden heute nicht mehr ernst genommen. Dank der Forschung ist ein Stil entstanden, der nüchterner und schlichter ist. Das gefällt mir.

Und es gibt doch noch so wahnsinnig viele Nuancen, die grosse Unterschiede bedeuten. Da kann die Verschiebung des Crescendos von der Taktmitte ans Taktende eine Welt ausmachen! Das verblüfft mich immer wieder. Etwas ande-res, das ich an der Musik, aber auch am Orchester, so faszi-nierend finde, ist, dass jeder Einzelne von uns von dersel-ben Sache theoretisch eine andere Meinung haben kann. Es ist immer wieder interessant und erstaunlich, wie unter-schiedlich diese Meinungen sein können. Das hat mich ehr-lich gesagt auch etwas irritiert, respektive es war für mich eben eine ganz neue Erfahrung. Doch wenn ich beim Spie-len die Kolleginnen und Kollegen anschaue, dann spüre ich

Impressum

Sinfonieorchester Basel, Steinenberg 14, 4051 Basel, +41 ( 0 )61 205 00 95, [email protected], www.facebook.com/sinfonieorchesterbasel, twitter.com/symphonybasel

Geschäftsleitung : Franziskus Theurillat Leitung Künstlerische Planung : Dr. Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin : Simone Staehelin und Cristina Steinle Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung : Neeser & Müller, Basel Druck : Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage : 6000 Exemplare

Payam Taghadossi wurde in Vorarlberg geboren und ist seit Oktober 2014 Tutti-Cellist beim Sinfonie-orchester Basel. Seine künstlerische Entwicklung wurde massgeblich durch seine beiden Lehrer Tho-mas Grossenbacher und Rafael Rosenfeld an der Zürcher Hochschule der Künste und der Musik-Aka-demie Basel geprägt. Neben der Kammermusik er-freut er sich an Ästhetik, egal ob in der Natur, der Architektur, der Malerei oder der Sprache.

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magazin August 2008

Neue Mythen braucht die Stadt: Munatius Plancus

Theater Basel: Carmina Burana im Römertheater

Der römische Silberschatz von Augusta Raurica

Augusta Raurica Schwerpunkt

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August I September 2014

Kultur I Gesellschaft

Damals in Kaiseraugst

Oktober I November 2012

Umschlag Seite 1 aussen

Das Fricktal

Wohnen, leben und arbeiten im Fricktal

Die Habsburger im Fricktal Der Trompeter von Säckingen

Dezember 2012 I Januar 2013

Das katholische Basel

Krummstab und Schwert Zwei Katholiken und eine christliche Partei

Seelsorge unter erschwerten Bedingungen

Oktober I November 2014

Kultur I Gesellschaft

Anthroposophie eine Annäherung

April I Mai 2015

Kultur I Gesellschaft

Gleichstellung

Februar I März 2015

Kultur I Gesellschaft

Februar I März 2015

Kultur I Gesellschaft

200 Jahre Basler Mission

magazin Februar 2009

Die Mutter der Öffentlichkeit: Der Basler Buchdruck

Das Haus Schwabe AG: Die älteste Druckerei der Welt

Im Gespräch mit John von Düffel

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Familienkonzert mit Linard Bardill: Millistrade

Saisoneröffnung: Sinfoniekonzert Burleske

Carol hat tausend Wünsche. Sie möchte fliegen, un-ter Wasser atmen und durch Wände gehen. Darum geht sie als Zauberin zum Karneval. Dort trifft sie den Narren Millistrade. Er verspricht ihr, alle ihre Wünsche zu erfüllen, wenn sie ihm dafür ihren Schlaf verkauft. Das tut Carol noch so gern und er-wacht kurz darauf in einem Traum, in dem ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Doch bald merkt Carol, dass sie nicht mehr zurückkann. Im Reich des Was-serkönigs Aquatinta kommt es zum Showdown zwi-schen Traum und Wirklichkeit und zwischen Schlaf und Erwachen. Ein Konzert für die ganze Familie, von und mit Linard Bardill.

SAMSTAG, 20. JUNI 201516.30 Uhr, Stadtcasino Basel, Musiksaal

Ein spektakulärer Saisonauftakt: Strawinskys Bal-lettmusik lässt die Jahrmarktspuppe Pétrouchka (das russische Pendant zu unserem Chasperli) lebendig werden. Doch die Sache geht schief – Eifersucht, Kampf und Mord prägen das Ballett, und am Ende hängt Pétrouchka wieder leblos an einer Jahrmarkts-bude. Zu den Wurzeln chinesischer Zivilisation führt Banpo, das neueste Werk des jungen Schweizer Kom-ponisten Martin Jaggi. Die vor fünfzig Jahren wieder ausgegrabene Ruine des Dorfes Banpo ist eines der wenigen Zeugnisse der Yangshao-Kultur, einer mat-riarchalischen Gesellschaft der Jungsteinzeit. Das Strassburger Konzert von Wolfgang Amadé Mozart steht symbolisch für die Partnerschaft des Sinfonie-orchesters Basel mit dem Orchestre philharmonique de Strasbourg. Als Mozart dieses Konzert 1777 in Pa-ris spielte, schrieb er an seinen Vater: «Beim Soupée spielte ich das Strasbourger-Concert. Es ging wie öhl, alles lobte den schönen, reinen Ton.»

MITTWOCH, 26. AUGUST 2015 DONNERSTAG, 27. AUGUST 201519.30 Uhr, Stadtcasino Basel, Musiksaal

Carol und Millistrade auf Schatzsuche Renaud Capuçon spielt das 3. Violinkonzert von Mozart

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Basler Papiermühle

Stadtcasino, Musiksaal VV: Billettkasse Stadtcasino

Stadtcasino, Grosser Festsaal

Gare du Nord

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei

Stadtcasino, Musiksaal

Stadtcasino, Musiksaal

Stadtcasino, Musiksaal

SO 10.05.17.00

MI 20.05.DO 21.05.19.30

SA 23.05.16.00

SO 07.06.11.00

DI 09.06.12.00–12.30

MI 10.06.DO 11.06.19.30

SA 20.06.16.30

DO 04.06.DO 25.06.MI 01.07.19.30

Schwarz auf Weiss: Von musicalischen Menschen …Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-Moll, op. 115Texte von Charles Darwin und Fredrik SjöbergMitglieder des SOB / Christian Sutter

Fünftes Coop-/VolkssinfoniekonzertWerke von Franz Liszt und Johannes BrahmsSOB / Karoly Mocsari / Christian Vasquez

mini.musik: Bei der FeuerwehrMitglieder des SOB / Irena Müller-Brozovic / Norbert Steinwarz

Promenade: Mahler 4Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4 (Bearbeitung für Kammerensemble von Erwin Stein)Mitglieder des SOB / Klara Ek / Dalia Stasevska

Punkt 12: Offene OrchesterprobeSOB / Dennis Russell Davies

Sinfoniekonzert SOB: Lied von der ErdeGustav Mahler: Das Lied von der ErdeJoseph Haydn: Sinfonie Nr. 86 D-DurSOB / Toby Spence / Michael Volle / Dennis Russell Davies

Familienkonzert mit Linard Bardill: MillistradeMitglieder des SOB / Linard Bardill

Schlusskonzerte der MusikhochschuleSOB, Absolventen der HSM Basel

Agenda

Vorverkauf ( falls nicht anders angegeben ) : Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf : www.sinfonieorchesterbasel.ch

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Theater mit Anschluss.

Viel Theater,ganz nah.

Theater Augusta RauricaSpielzeit 2015

Page 36: Programm-Magazin Lied von der Erde

Trafina Privatbank AG, Rennweg 50, CH-4020 Basel, Telefon +41 61 317 17 17, www.trafina.ch

Es geht um Verlässlichkeit.