Projekt „Forschungsfragen aus steirischen Hausarztpraxen“...2 Institut für Allgemeinmedizin und...

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Projektbericht Projekt „Forschungsfragen aus steirischen Hausarztpraxen“ Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Graz, 10.Jänner 2017

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  • Projektbericht

    Projekt „Forschungsfragen aus steirischen

    Hausarztpraxen“

    Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Graz, 10.Jänner 2017

  • 2 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Projektteam

    Univ.-Prof.in Dr.in med. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch

    Institutsdirektorin des Instituts für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte

    Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz

    Stellvertretende Institutsdirektorin und Leiterin des Arbeitsbereichs „Chronische

    Krankheit und Versorgungsforschung“ am Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-

    Universität Frankfurt am Main

    Univ. Ass. Dr.in Stephanie Poggenburg (Projektleitung)

    PD Dr. Karl Horvath

    Mag. Thomas Semlitsch

    Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte

    Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz

    Im folgenden Text wurde bei der Angabe von Personenbezeichnungen jeweils die

    männliche Form angewandt. Es sind damit auch weibliche Personen gemeint. Dies

    erfolgte ausschließlich zur Verbesserung der Lesbarkeit.

    Das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung

    (IAMEV) der Medizinischen Universität Graz ist fachlich unabhängig und vermeidet

    jegliche externe Parteinahme und Beeinflussung. In seiner Arbeit legt das IAMEV

    höchsten Wert auf Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Transparenz.

  • 3 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund und Ziele ................................................................................................................... 8

    1.1 Versorgungsforschung .............................................................................................................. 8

    1.2 Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin ................................................................... 9

    1.3 Forschungsinteresse von Hausärzten und Hausärztinnen .................................................. 9

    1.4 Forschungspraxisnetzwerke ................................................................................................... 10

    1.5 Forschungspraxisnetzwerk in der Steiermark ..................................................................... 10

    1.6 Zielsetzungen ........................................................................................................................... 11

    2 Material und Methoden .............................................................................................................. 12

    2.1 Studiendesign und Ablauf.................................................................................................. 12

    2.2 Expertengremium ............................................................................................................... 13

    2.3 Semistrukturierte Telefoninterviews mit Hilfe eines Interviewleitfadens .................... 13

    2.4 Der Fragebogen .................................................................................................................. 14

    2.5 Statistische Auswertung .................................................................................................... 15

    3 Ergebnisse – Resultate .............................................................................................................. 17

    3.1 Forschungsthemen und -ideen ......................................................................................... 17

    3.2 Auswahl von Forschungsfragen im Expertenpanel ....................................................... 20

    3.3 Auswahl der 10 relevantesten Forschungsfragen ......................................................... 22

    3.4 Fragebogen ......................................................................................................................... 22

    3.5 Übersicht .............................................................................................................................. 34

    3.6 Gesamtpunkte ..................................................................................................................... 35

    3.7 Rücklaufquote ..................................................................................................................... 37

    3.8 Priorisierung in Bezug zur Häufigkeit der Fragethemen ............................................... 37

    4 Diskussion .................................................................................................................................... 37

    5 Ausblick ........................................................................................................................................ 40

    6 Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 42

    7 Anhang ......................................................................................................................................... 44

    Abbildung 1: PICO-Schema .............................................................................................................. 14

    Abbildung 2:Ablauf des Projektes .................................................................................................... 16

    Abbildung 3: Kategorien der von HÄ genannten Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen

    ............................................................................................................................................................... 18

    Abbildung 4: Übersicht der Bewertungen aller Forschungsfragen ............................................. 34

    Abbildung 5: Bewertung der Relevanz der Fragen für den Praxisalltag nach einem

    Punktesystem ...................................................................................................................................... 35

  • 4 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Zusammenfassung

    Forschungsfrage:

    Zu welchen Themenfeldern bzw. Fragen soll nach Meinung der in der Steiermark

    tätigen Hausärzte vorrangig geforscht werden, da sie diese für den hausärztlichen

    Praxisalltag für wesentlich einstufen?

    Methode:

    1. Durch das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte

    Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz (IAMEV) wurden

    alle in der Steiermark tätigen Hausärzte mit der Bitte um Beantwortung

    folgender Fragen angeschrieben:

    a. Besteht Interesse an der Teilnahme an allgemeinmedizinischen

    Forschungsprojekten?

    b. Welche persönliche Motivation besteht, an allgemeinmedizinischen

    Forschungsprojekten teilzunehmen?

    c. Welche hemmenden Faktoren bestehen für die Teilnahme an

    Forschungsprojekten?

    d. Welche Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen halten die

    Hausärzte für den hausärztlichen Praxisalltag für wesentlich bzw.

    würden sie in ihrer Ordination gerne untersuchen?

    2. Kategorisierung der von den Hausärzten angegebenen Forschungsthemen

    bzw. –fragen nach Themenbereichen.

    Beurteilung der genannten Forschungsfragen hinsichtlich Machbarkeit und

    des Vorliegens von Ergebnissen aus wissenschaftlicher Forschung durch ein

    Expertengremium (Allgemeinmediziner, Fachärzte für Innere Medizin,

    Experten der Gesundheitswissenschaften und Evidenz basierten Medizin

    sowie Statistik).

    3. Die so identifizierten, machbaren Fragestellungen wurden mittels

    semistrukturierter Interviews mit den Hausärzten, die die Fragen eingebracht

    hatten, entsprechend dem PICO-Schema umformuliert und strukturiert.

    4. Die nun im PICO-Format vorliegenden Forschungsfragen wurden erneut vom

    Expertengremium hinsichtlich ihrer Relevanz für einen Wissenszuwachs der

    Allgemeinmedizin priorisiert.

    5. Die 10 vom Expertengremium als am relevantesten eingestuften

    Forschungsfragen wurden erneut mittels eines Fragebogens allen steirischen

    Hausärzten vorgelegt und von diesen hinsichtlich ihrer Relevanz für den

    hausärztlichen Alltag auf einer vierstufigen Skala als sehr, eher, weniger oder

    nicht relevant bewertet.

  • 5 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Ergebnisse:

    106 der 1015 in der Steiermark tätigen Hausärzte zeigten sich an einer aktiven

    Teilnahme an Forschungsprojekten in hausärztlichen Praxen interessiert.

    Von 66 der 1015 in der Steiermark tätigen Hausärzten wurden konkrete für

    den hausärztlichen Praxisalltag wesentliche Forschungsfragen bzw.

    Forschungsthemen genannt.

    Insgesamt beinhalteten die 133 Forschungsthemen 105 allgemeine Themen

    wie z.B. Diabetes mellitus und 28 konkrete Forschungsfragen, welche

    inhaltlich kategorisiert wurden. Die Kategorien lauteten:

    AM im Versorgungssystem

    Ausgewählte KH-Bilder

    Komplementärmedizin

    Pharmaka, Diagnose und Therapie

    Schmerzen

    Geriatrie

    Organisation und Finanzen

    Versorgungsqualität

    Compliance

    Ökonomie

    Gesundheitsdeterminanten

    Arzt-Patienten Kommunikation

    Psychosomatik

    Schwangerschaft und Familie

    Ernährung, Gendermedizin

    Prävention

    Sonstiges

    Sie umfassten zwischen 16 und 2 Forschungsthemen oder –fragestellungen

    pro Kategorie.

    28 konkrete Forschungsfragen wurden vom Expertengremium gesichtet und

    17 davon als machbar im Hinblick auf wissenschaftliche Beantwortbarkeit

    durch ein Forschungsprojekt bewertet und mittels semistrukturierten

    Interviews mit den jeweiligen Hausärzten im Sinne des PICO-Formats

    strukturiert.

    Nach einer erneuten Sichtung der nun strukturierten Fragen wurden die

    folgenden 10 Forschungsfragen durch das Expertengremium als am

    relevantesten hinsichtlich eines Erkenntnisgewinns für die Allgemeinmedizin

    eingeschätzt:

    o Frage 1: Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die

    Sturzhäufigkeit und –folgen bei älteren Patienten?

    o Frage 2: Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge

    Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?

  • 6 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    o Frage 3: Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein

    höheres Risiko eine chronische, hämatologische oder maligne

    Erkrankung zu bekommen?

    o Frage 4: Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen

    Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung

    gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?

    o Frage 5: Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer

    medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit

    Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?

    o Frage 6: Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger

    Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der

    Lage eine Diagnose zu stellen und Therapie einzuleiten?

    o Frage 7: Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer

    Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur

    Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?

    o Frage 8: Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des

    Hausarztes bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und

    Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer

    Ambulanz?

    o Frage 9: Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als

    verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit

    freier Facharztwahl?

    o Frage 10: Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen

    Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR

    und Schleimlösern?

    Diese 10 Fragen wurden an alle 1015 steirischen Hausärzte gesendet, die

    diese Fragen hinsichtlich der Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag

    mittels einer 4-stufigen Bewertungsskala beurteilen sollten.

    15% der angeschriebenen Hausärzte nahmen an der Bewertung dieser

    Fragen teil.

    Von den an der Befragung teilnehmenden Hausärzten wurden die Fragen:

    „Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als

    verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit

    freier Facharztwahl?“

    und

    „Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer

    medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit

    Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?“

    als am relevantesten für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt.

  • 7 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Schlussfolgerung:

    Unter den 10 von Hausärzten eingebrachten und von einem Expertengremium

    hinsichtlich der Machbarkeit und Relevanz für einen Erkenntnisgewinn für die

    Allgemeinmedizin vorausgewählten Fragen, wurden von praktisch tätigen

    Hausärzten in der Steiermark die Fragen zu den Effekten einer

    Gatekeeperfunktion des Hausarztes und zu den Effekten einer

    Bewegungstherapie im Vergleich zu NSAR bei Rückenschmerzen als jene mit

    der höchsten Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt.

    Als weniger relevant wurden die Fragen nach dem Einfluss der Ernährung auf

    die Sturzhäufigkeit, der Bedeutung der idiopathischen BSG-Erhöhung, nach

    den vergleichenden Effekten von selbst hergestellten Elektrolytlösungen im

    Vergleich zu Probiotika bei kindlichen Darmentzündungen und nach den

    Erwartungen von Jugendlichen an die Hausärzte, angesehen.

    Das Ergebnis dürfte einerseits in den aktuellen gesundheitspolitischen

    Diskussionen zur ärztlichen Primärversorgung der österreichischen

    Bevölkerung (Frage 9) und in der tatsächlichen Häufigkeit, mit der ein

    bestimmtes Krankheitsbild mit der Notwendigkeit einer konkreten

    therapeutischen Entscheidung im hausärztlichen Praxisalltag auftritt (Frage 5),

    begründet sein.

  • 8 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    1 Hintergrund und Ziele

    1.1 Versorgungsforschung

    Primärversorgung, die in Hausarztpraxen stattfindet, stellt einen wesentlichen

    Bestandteil des Gesundheitssystems dar, und ihre Bedeutung nimmt aufgrund der

    Zunahme von chronischen Krankheiten und Multimorbidität in einer immer älter

    werdenden Gesellschaft stetig zu1. Die Stärkung der Primärversorgung wird

    zunehmend ein politisches Anliegen2 und adäquate Forschung in Hausarztpraxen

    auch im Sinne von Versorgungsforschung ist notwendig, um valide und informierte

    Entscheidungen treffen zu können. Während es in vielen Ländern wie z.B.

    Großbritannien, der USA, Australien, Kanada und den Niederlanden3 eine lange

    Tradition von praxisrelevanter Versorgungsforschung gibt, so gilt dies insbesondere

    nicht für Österreich4, wo die Anzahl der Publikationen von Ärzten aus der

    Primärversorgung deutlich geringer ist als in o.g. Ländern. Es befassen sich noch viel

    zu wenige Studien mit versorgungsrelevanten medizinischen Alltagsproblemen,

    obwohl Primärversorgung weite Forschungsmöglichkeiten bietet. Wo

    Versorgungsforschung existiert, werden Studien oft in idealisierten und

    unterrepräsentierten Patientengruppen durchgeführt5.

    Der besondere Stellenwert der Versorgungsforschung bei dieser Art von Studien liegt

    darin begründet, dass sie einen interdisziplinären Forschungsansatz darstellt, der die

    Prozesse, Ergebnisse und Rahmenbedingungen von Gesundheitsversorgung mit

    wissenschaftlichen Methoden untersucht6. Die Relevanz dieser Forschung wird in

    den USA bereits seit den 60-er Jahren durch eine erhebliche staatliche finanzielle

    Unterstützung betont7,8. Eine solche staatliche Unterstützung existiert auch seit den

    1980-er Jahren in Großbritannien, aber erst seit etwas über einem Jahrzehnt in

    Deutschland, wo Versorgungsforschungsstudien nun mit nationalen

    Förderprogrammen unterstützt werden9,10. In Österreich wurde die bislang kaum

    wahrgenommene Versorgungsforschung 2013 in den Bundes-Zielsteuerungsvertrag

    2013 - 2016 aufgenommen11, wobei es aber klar an unabhängigen finanziellen

    Fördermitteln fehlt.

    Zur Durchführung systematischer Versorgungsforschungsprojekte - beispielhaft seien

    hier die Studien zum Einsatz von Analgetika vs. Antibiotika bei unkomplizierten

    Harnwegsinfekten12 und die PICANT-Studie13 (Langzeitindikation für orale

  • 9 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Antikoagulation) genannt - bedarf es jedoch geeigneter Strukturen und

    Forschungspraxen mit an Forschungsprojekten interessierten Hausärzten, die

    optimaler Weise in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Forschungspraxisnetzwerke,

    die zum Teil an den Instituten für Allgemeinmedizin bereits aufgebaut wurden, sollen

    nun auch strukturiert gepflegt und zunehmend qualifiziert werden, um mittels

    qualitativ hochwertiger Versorgungsforschung relevante klinische Studien in der

    Hausarztpraxis durchführen zu können14.

    1.2 Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin

    Es konnte bereits durch zahlreiche international (Deutschland, Niederlande, Schweiz,

    Großbritannien etc.) durchgeführte Studien gezeigt werden, dass mittels

    Versorgungsforschung wichtige Erkenntnisse generiert werden, die zur

    Verbesserung der Primärversorgung beitragen können15-21. Die Forschungsinhalte

    dieser Projekte decken einen weiten Bereich der ärztlichen Tätigkeit ab und befassen

    sich einerseits mit unterschiedlichen Therapieansätzen verschiedener

    Krankheitsbilder in der Allgemeinmedizin als auch mit der Qualität von strukturierten

    Therapieprogrammen bei chronischen Erkrankungen und überdies mit der

    Epidemiologie spezieller Krankheitsbilder oder der Effizienz unterschiedlicher

    Therapieansätze.

    Da sich die Finanzierung von Forschungsprojekten länderspezifisch sehr divergent

    darstellt, ist davon auszugehen, dass durch die Beauftragung der

    Forschungsprojekte auch unterschiedliche Zielgrößen verfolgt werden und nicht

    immer davon ausgegangen werden kann, dass sich Forschungsinhalte mit dem

    Forschungsinteresse sowohl derjenigen, die die Forschungsprojekte (ggf. auch im

    Auftrag) leiten, wie auch mit dem Forschungsinteresse derjenigen, die die

    Forschungsprojekte durch ihre aktive Teilnahme unterstützen, decken.

    1.3 Forschungsinteresse von Hausärzten

    Zu den Motiven, die Hausärzte dazu bewegen, an Forschungsprojekten partizipieren

    zu wollen, existiert international eine breite Datenbasis. In unserer eigenen Studie

    und auch in vielen weiteren konnte gezeigt werden, dass die „praktische Relevanz

    der Fragestellung“ eine große Bedeutung für die Teilnahme an einem

    Forschungsprojekt hat22-24. Ebenso spielt die klinische Bedeutung eine große Rolle

    als Motivator für eine Mitarbeit an Forschungsprojekten25 und hier insbesondere auch

    das Ziel der Verbesserung der Patientenversorgungsqualität4. Ermöglicht man

  • 10 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    darüber hinaus den Hausärzten die Beteiligung bei der Erarbeitung der

    Studienfragestellung, so erhöht dies die Wahrscheinlichkeit einer ausreichenden

    Patientenrekrutierung23.

    Auch in überregionalen Studien konnte gezeigt werden, dass pekuniäre Gründe

    deutlich weniger motivierend für die Forschungsteilnahme waren als inhaltliche

    Faktoren26,23,27. Insbesondere die Arbeitsschwerpunkte der Allgemeinmedizin in

    Forschungsprojekten abbilden zu können und hieraus auch persönlich durch einen

    Wissenszuwachs zu profitieren26, scheint ein deutlich höherer Anreiz zur Teilnahme

    an Forschungsprojekten zu sein als eine rein finanzielle Aufwandsentschädigung.

    Daher sollte auch bei der Planung zukünftiger Forschungsprojekte die

    allgemeinmedizinische Relevanz und Umsetzbarkeit berücksichtigt werden, um

    möglichst zu messbaren Ergebnissen des Patientenoutcomes zu führen. Auch

    Peters-Klimm et al. konnten 2012 zeigen17, dass die praktische Relevanz der

    durchgeführten Studie und der persönliche Lerneffekt 22 die größten Motivatoren zur

    Teilnahme an einer solchen waren.

    1.4 Forschungspraxisnetzwerke

    Während viele Länder wie Großbritannien, die Niederlande und die USA bereits auf

    langjährige Erfahrungen in der Hausarztforschung zurückgreifen können und diese

    überwiegend in Forschungspraxennetzwerken28,29 stattfindet, die universitär

    angebunden sind, hat die Versorgungsforschung und insbesondere die hausärztliche

    Forschung in Forschungspraxisnetzwerken in Österreich noch keine lange Tradition.

    Überdies sind bisher auch keine unabhängigen Mittel zur Finanzierung von

    Versorgungsforschungsprojekten zur Verfügung gestellt worden.

    1.5 Forschungspraxisnetzwerk in der Steiermark

    Daher stellt die Gründung des Forschungspraxisnetzwerkes des Institutes für

    Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Mitte letzten

    Jahres die Grundlage für alle zukünftigen Versorgungsforschungsprojekte dar.

    Im Zuge der Gründung dieses Netzwerkes wurde an alle steirischen

    Allgemeinmediziner ein Fragebogen verschickt, der zum Ziel hatte, das

    Forschungsinteresse der Hausärzte zu erheben, Forschungsfragen zu sammeln und

    hemmende und fördernde Faktoren für die Mitarbeit an Forschungsprojekten zu

    erfragen.

  • 11 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Von 1015 angeschriebenen Hausärzten antworteten 135, von denen 106

    Bereitschaft zeigten, an Forschungsprojekten teilzunehmen, und insgesamt wurden

    133 Forschungsthemen und -ideen von 66 Hausärzten in der Steiermark genannt.

    Des Weiteren gaben diese o.g. motivierende und hemmende Faktoren für die

    Mitarbeit an Forschungsprojekten in der Allgemeinmedizin an.

    Diese Befragung der Hausärzte bzw. die Angabe ihrer Forschungsthemen stellt die

    Grundlage des hier beschriebenen Projektes dar.

    1.6 Zielsetzungen

    Ziel des Projekts war die Erstellung einer Sammlung von Forschungsfragen bzw.

    Forschungsthemen, deren Beantwortung bzw. Beforschung nach Ansicht der in der

    Steiermark tätigen Hausärzte wesentlich für ihren Praxisalltag ist. Weiterhin war es

    Ziel dieses Projektes die Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen inhaltlich zu

    kategorisieren und zu priorisieren.

  • 12 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    2 Material und Methoden

    2.1 Studiendesign und Ablauf

    Im Mai 2015 wurde vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte

    Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz an alle 1015 steirischen

    Hausärzte ein Fragebogen (Fragebogen 1, Anhang) verschickt, mit dessen Hilfe

    erhoben werden sollte:

    a. welche Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen von den Hausärzten als

    wesentlich für Ihren Praxisalltag erachtet werden

    b. ob seitens der Hausärzte auch Interesse besteht sich aktiv an

    Forschungsprojekten zu beteiligen.

    In weiterer Folge sollte unter den interessierten Hausärzten ein Forschungsnetzwerk

    etabliert werden.

    Die von den Hausärzten vorgeschlagenen Forschungsfragen bzw.

    Forschungsthemen wurden zunächst gesammelt und in einem ersten Schritt

    inhaltlich induktiv kategorisiert.

    Darauf folgte eine weitere Kategorisierung in einem Expertengremium, in dem die

    genannten Forschungsideen entweder als konkrete Forschungsfrage oder als

    allgemein gehaltenes Forschungsthema ohne konkrete Fragestellung klassifiziert

    wurden.

    In einem zweiten Schritt wurden die Forschungsfragen der Hausärzte in einem

    Expertengremium im Hinblick auf Machbarkeit:

    [Machbarkeitskriterien:

    Handelt es sich um eine ausreichend konkrete beantwortbare Fragestellung?

    Ist ein entsprechendes Projekt mit den wahrscheinlich zur Verfügung

    stehenden Ressourcen realistisch umsetzbar?

    Mit welchen zur Verfügung stehen Mitteln wäre die Forschungsfrage zu

    beantworten?]

    und auf eine ggf. schon mögliche Beantwortbarkeit:

    Liegen in der vorhandenen medizinisch wissenschaftlichen Literatur bereits

    ausreichend Informationen zur Beantwortung der Fragestellung vor?

    bewertet.

  • 13 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Um die als machbar und relevant klassifizierten Forschungsfragen zu konkretisieren

    und mittels des PICO-Schemas (s.u.) wissenschaftlich bearbeitbar und beantwortbar

    zu machen, wurden die Hausärzte, die diese jeweils genannt hatten, telefonisch

    kontaktiert und mit ihnen gemeinsam mittels semistrukturierter Interviews eine

    konkrete Forschungsfrage, strukturiert nach dem PICO-Schema (s.u.), erarbeitet.

    Diese nun konkretisierten und strukturierten Forschungsfragen wurden wiederum

    dem Expertengremium vorgelegt. Von diesem Gremium wurden diejenigen 10

    Forschungsfragen ausgewählt, die im Hinblick auf Machbarkeit und Relevanz für

    einen Wissenszuwachs der Allgemeinmedizin am höchsten priorisiert worden waren.

    Im abschließenden Schritt wurden diese 10 priorisierten Fragestellungen allen 1015

    steirischen Hausärzten mittels eines einseitigen Fragebogens (Fragebogen 2,

    Anhang), der eine 4-stufige Bewertungs-Skala (sehr relevant - eher relevant -

    weniger relevant - nicht relevant) enthielt, zur Bewertung vorgelegt. Dabei wurden

    alle Hausärzte postalisch kontaktiert und eine Antwortmöglichkeit per Fax oder auf

    dem Postweg zur Verfügung gestellt.

    149 Antworten, die wir bis zum 31.10.2016 erhalten haben, flossen in die

    Auswertung mit ein.

    2.2 Expertengremium

    Das Expertengremium setzte sich zusammen aus: Allgemeinmedizinern, Fachärzten

    für Inneren Medizin, Experten für Gesundheitswissenschaften, evidenzbasierte

    Medizin, Versorgungsforschung und biomedizinische Statistik.

    2.3 Semistrukturierte Telefoninterviews mit Hilfe eines Interviewleitfadens

    Diejenigen Hausärzte, deren Forschungsfragen vom Expertengremium als machbar

    und relevant bewertet worden waren, wurden telefonisch kontaktiert, um mit ihnen

    eine konkrete, strukturierte Forschungsfrage zu entwickeln, die mehreren Kriterien

    genügen sollte: einerseits sollte die Forschungsfrage inhaltlich derjenigen

    entsprechen, die die Hausärzte tatsächlich stellen wollten, andererseits sollte die

    Forschungsfrage anhand des PICO-Schemas (Abb. 1) formuliert werden und so

    wissenschaftlich bearbeitbar und beantwortbar gemacht werden:

  • 14 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Abbildung 1: PICO-Schema

    PICO-Schema:

    Patient population - Patient und sein Problem

    Intervention - Behandlung

    Comparison – Alternativmaßnahme oder keine Behandlung

    Outcome - Behandlungsziel (z.B. Mortalität, Lebensqualität)

    Die semistrukturierten Telefoninterviews wurden von zwei Mitarbeitern des Institutes

    mit Hilfe eines vorher eigens für diese Untersuchung erstellten Interviewleitfadens

    geführt (Anhang). Die Dauer der Interviews betrug zwischen 5 und 15 Minuten.

    2.4 Der Fragebogen

    Die erste Fragebogenerhebung im Mai 2015 wurde mittels eines strukturierten

    Fragebogens (Anhang), der postalisch an alle 1015 steirischen Hausärzte

    ausgesendet wurde, durchgeführt. Er bestand aus drei Abschnitten, 13

    Fragestellungen, 64 Items und sechs Freitextfeldern. Der erste Abschnitt umfasste

    sieben Fragestellungen zu soziodemographischen Daten und Angaben zur

    allgemeinen Ordination. Der zweite Abschnitt beinhaltete fünf Fragestellungen zum

    allgemeinen und spezifischen Forschungsinteresse. Der dritte Abschnitt stellte die

    Möglichkeit zur Bekanntgabe der Kontaktdaten zur Verfügung, falls eine weitere

    Zusammenarbeit erwünscht war.

    Der zweite, im Rahmen dieses Projektes ebenfalls an alle 1015 steirischen

    Hausärzte ausgesendete Fragebogen (Anhang) bestand aus einem Anschreiben,

    einer Angabe der 10 vom Expertengremium am relevantesten bewerteten

    Forschungsfragen mit einer 4-stufigen Bewertungsskala hinsichtlich ihrer Relevanz

    (sehr relevant - eher relevant - weniger relevant - nicht relevant) für den ärztlichen

    Praxisalltag. Die Postsendung enthielt zusätzlich ein Anschreiben der Institutsleitung

    mit einer kurzen Erklärung dazu, worum es sich bei der Befragung handelt und wofür

    die Priorisierung der Forschungsfragen durch die Hausärzte in der Zukunft dienen

    soll (in Zusammenarbeit mit Hausärzten Projekte entwickeln, die sich mit diesen

    Forschungsfragen befassen und somit langfristig die hausärztliche Versorgung

    verbessern; im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln

    Rückmeldung auf die von ihnen gestellten Fragen geben). Daneben enthielt der

    http://flexikon.doccheck.com/de/Mortalit%C3%A4t

  • 15 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Fragebogen ein Freitextfeld, in dem man eine zusätzliche Forschungsfrage angeben

    konnte. Eine Beantwortung war anonym oder mit Angabe der Kontaktdaten möglich.

    Bei beiden Fragebögen war eine Beantwortung mittels Fax oder auf dem Postweg

    möglich.

    2.5 Statistische Auswertung

    Die statistische Auswertung der erhobenen Daten erfolgte deskriptiv mit Hilfe der

    Software Microsoft Excel 2016. Dabei wurde in der Auswertung einerseits der Fokus

    darauf gelegt, welche Forschungsfragen die Hausärzte als besonders relevant für

    ihre tägliche Arbeit bewerteten, andererseits wurde untersucht, wie viele der in dieser

    Befragung antwortenden Hausärzte bereits in der ersten Befragung Interesse an

    einer Mitarbeit an Forschungsprojekten gezeigt hatten, wobei dies nur ein

    ergänzender Parameter dieser Untersuchung ist, der für die Ergebnisse dieses

    Projektes ohne Relevanz ist.

  • 16 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    105 allgemeine

    Forschungsthemen

    17 Fragen aus denen sich

    Forschungsfragen ableiten

    lassen

    10 konkrete

    Forschungsfragen

    28 allgemeine

    Forschungsfragen

    11 Fragen

    weniger machbar

    7 Fragen weniger

    relevant

    Abbildung 2: Ablauf des Projektes

    133 Forschungsideen aus der Studie "Hausärzte in der Steiermark - wer will

    forschen und warum? "

    Induktive Kategorisierung:

    19 Themenbereiche

    Konkretisierung der 28 Forschungsfragen

    im Expertenpanel

    Auswahl von 17 Fragen im Expertenpanel nach Relevanz und Machbarkeit

    strukturierte / standardisierte Telefoninterviews; Erstellung von Fragen

    nach dem PICO-Schema gemeinsam mit den Hausärzten

    Priorisierung der Forschungsfragen im Expertenpanel

    Entwurf eines Fragebogens und Aussendung an Hausärzte zur

    Priorisierung

    Priorisierung durch Hausärzte selbst

  • 17 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    3 Ergebnisse – Resultate

    3.1 Forschungsthemen und -ideen

    Aus dem im Mai 2015 ausgesendeten Fragebogen konnten 133 allgemeine

    Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen, die von 66 Hausärzten formuliert worden

    waren, extrahiert werden. In einem ersten Schritt wurden diese einer induktiven

    inhaltlichen Kategorisierung unterzogen.

    Die insgesamt 133 Forschungsideen konnten dabei 19 Kategorien bzw.

    Themenbereichen zugeordnet werden (Abb. 3). Die Kategorien lauteten: AM im

    Versorgungssystem, Ausgewählte KH-Bilder, Komplementärmedizin, Pharmaka,

    Diagnose und Therapie, Schmerzen, Geriatrie, Organisation und Finanzen,

    Versorgungsqualität, Compliance, Ökonomie, Gesundheitsdeterminanten, Arzt-

    Patienten Kommunikation, Psychosomatik, Schwangerschaft und Familie,

    Ernährung, Gendermedizin, Prävention und Sonstiges, und umfassten zwischen 16

    und 2 Forschungsthemen oder –fragestellungen pro Kategorie.

    In einer weiteren Kategorisierung wurden die von den Hausärzten genannten

    Forschungsideen in allgemeine Forschungsthemen und Forschungsfragen geteilt.

    Die Zuordnung erfolgte durch ein Expertengremium. Aus den 133 vorliegenden

    Forschungsideen wurden 28 Forschungsfragen und 105 allgemeine

    Forschungsthemen identifiziert (Tabelle 1).

  • 18 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Abbildung 3: Kategorien der von Hausärzten genannten Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen

  • 19 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Tabelle 1: Inhaltliche Kategorisierung der Forschungsthemen und Unterscheidung in Forschungsthema und Forschungsidee

    Forschungsthema; -idee Allgemeines Forschungsthema

    Konkrete Fragestellung

    Absolut

    AM im Gesundheitssystem 9 7 16

    Ausgewählte Krankheitsbilder

    11 3 14

    Komplementärmedizin

    11 2 13

    Pharmaka (Wechselwirkungen, Generika, Polypharmazie)

    8 5 13

    Diagnostik & Therapie in der AM

    9 3 12

    Schmerzen

    6

    1 7

    Geriatrie

    6 0 6

    Organisation / Finanzen / Struktur

    6 0 6

    Versorgungsqualität

    4 1 5

    Compliance

    4 1 5

    Ökonomie

    3 1 4

    Gesundheitsdeterminanten

    2 2 4

    Kommunikation Arzt-Patient

    4 0 4

    Psychosomatik

    4 0 4

  • 20 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Schwangerschaft / Familie / Kind

    4 0 4

    Ernährung

    3 0 3

    Gendermedizin

    2 0 2

    Vorsorge / Prävention

    2 0 2

    Sonstiges

    7 0 7

    105 28 133

    3.2 Auswahl von Forschungsfragen im Expertenpanel

    Von den 28 Forschungsfragen wurden durch das Expertengremium 17 Fragen

    ausgewählt, die hinsichtlich ihrer Machbarkeit (Kriterien s.o.) und Beantwortbarkeit

    am besten bewertet wurden. Diese wurden anschließend mittels semiquantitativer

    Interviews mit den Hausärzten entsprechend dem PICO-Format strukturiert und

    konkretisiert. Eine Darstellung der Forschungsfragen findet sich in Tabelle 2.

    Tabelle 2: Beurteilung der Forschungsfragen nach Machbarkeit und Beantwortbarkeit

    Forschungsfragen/-themen/-ideen der Hausärzte Ist Forschungs- frage ableitbar? [Machbarkeit/Beant-wortbarkeit]

    Ja Nein

    Ergebnis klinischer Studie - für Allgemeinmedizin gleiche Ergebnisse?

    x

    Geographische Nähe, rasche Verfügbarkeit, Einwohner/Arzt - Zusammenhang mit verschiedenen Endpunkten? Gibt es eine optimale Arztdichte? Wovon hängt sie ab? (Die geforderten PHCs in vollem Umfang könnten sicher höchstens in Bezirkshauptstädten eingerichtet werden)

    x

    Arbeitsmedizin und Pseudo-Freiberufler: Schutzmaßnahmen nötig? Z.B. dauern Feiertagsdienste unter der Woche vom Vortag (normaler Arbeitstag) bis zum Folgetag (dito) rechnerisch 60 Stunden durchgehend. Und das auf Kassenvertrag verpflichtend

    x

  • 21 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Grundkompetenzen/Aufgaben - was soll/kann in der Grundversorgung/PHC/hausärztlich versorgt werden; wie versorgen: Qualitätsgesicherte Handlungspläne für Grundversorgung für alltägliche Standardsituationen; abgestufte Versorgung; Stufen/Versorgungsebenen; welche Stufe macht was?; Abgestufte Ordinations-Erreichbarkeits-Zeiten (Praxisöffnung/Erreichbarkeit/Bereitschaft)

    x

    Stellenwert der AM in der Bevölkerung x

    Welche Form der medizinischen Versorgung ist besser (Zielwerte: Hospitalisation, Mortalität, Ökonomie, Fehlbehandlungen, etc.):

    x

    1. Betonte AM ("Hausarzt")-Versorgung mit zusätzlichem Spezial-/Facharzt-Support - wie zumeist in der Peripherie/am Land durchgeführt

    2. Hohe Spezialisten-Frequenz, Facharztversorgung mit nur untergeordneter AM - "Koordinator" - wie zumeist in den Städten praktiziert.

    Wie viel z.B. Orthopädie, Psychiatrie, Psychologie wird in der AM-Praxis abgedeckt?

    x

    Wie viele Patienten müssen gar nicht in das GH-System eintreten, da der Hausarzt mit Kurzinterventionen und Beratungen weitere sekundäre Maßnahmen verhindert? Bei welchen Beratungsursachen?

    x

    Ausgewählte Krankheitsbilder

    Borreliose als Ursache von rheumat. Entwicklung bei Gelenkserkrankungen v. o. neurologischer Erkrankungen

    x

    Der banale Virusinfekt --> Erkrankungsdauer mit / ohne medikamentöser Therapie

    x

    Prophylaxe + Therapie von Dekubitus - Vergleich mit Ozon z.B. vs. Olivenöl (wie in Altersheimen Usus)

    x

    Komplementärmedizin

    Therapieerfolge von Akupunkturbehandlungen x

    Tumorerkrankungen und Misteltherapie x

    westliche Pflanzen und TCM x

    Wie viele Patienten würden mehr kommen, wenn Homöopathie als Kassenleistung durchgeführt wird?

    x

    Pharmaka (Wechselwirkungen, Generika, Polypharmazie)

    Polypharmazeutische Behandlung geriatrischer Patienten vs. minimal treatment

    x

    Statine --> diabetogen? Bis zu welchem Alter wirklich sinnvoll? x

    Diagnostik & Therapie in der AM

    Anwendung von Algorithmen für Diagnostik und Therapie in der hausärztlichen Praxis

    x

    Befragung von Reiserückkehrenden x

    Schmerzen

  • 22 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Langzeitverläufe von Patienten mit erhöhtem BSG x

    Geriatrie

    Ernährungseinfluss besonders bei älteren Personen x

    Versorgungsqualität

    (Objektive) Verbesserung der Versorgung durch Geräte? (Labor, Ultraschall)

    x

    Überprüfung der Effektivität durchgeführter Untersuchungen und eingeleiteter Therapien (Effizienz, Adhärenz)

    x

    Ökonomie

    Kosten und Effizienz: Praxis vs. Ambulanz x

    Regelmäßige Visiten bei geriat. Patienten - Was spare ich als AM bei Gesundheitsausgaben (z.B. weniger hospitalisieren, weniger Transporte, etc.)

    x

    Gesundheitsdeterminanten

    Auswirkungen niederschwelliger medizinischer Angebote auf die Volksgesundheit

    x

    Lebensqualität abhängig von körperlicher Leistungstätigkeit x

    Kommunikation Arzt-Patient

    Bedeutung des Beziehungsaspektes in der Medizin; Arzt-Kontinuität (continous care)/Ambulanzbetrieb

    x

    Summe 17 11

    3.3 Auswahl der 10 relevantesten Forschungsfragen

    Im Expertengremium fand in einer zweiten Priorisierung eine erneute Bewertung der

    jetzt dem PICO-Schema entsprechenden Forschungsfragen der Hausärzte nach

    Machbarkeit, Beantwortbarkeit und Relevanz hinsichtlich Wissensgewinn für die

    Allgemeinmedizin statt, um die 10 relevantesten Forschungsfragen zu ermitteln.

    3.4 Fragebogen

    Diese 10 Forschungsfragen, welche an 1015 steirische Hausärzte mittels

    Fragebögen im August 2016 per Post ausgesendet wurden, sollten mit Hilfe einer 4-

    stufigen Skala im Hinblick auf ihre Relevanz für den Praxisalltag bewertet werden.

    Die Adressdaten entsprachen den Daten der Ärztekammer Steiermark mit Stand

    März 2015.

    Der Rücklauf betrug bis zum 31.10.2016 149 Antworten (Fax und postalisch), was

    einer Rücklaufquote von 14,7% entspricht.

  • 23 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse für die 10 prioritären Forschungsfragen

    dargestellt.

    Antwort 15%

    Keine Antwort 85%

    RÜCKLAUF

  • 24 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 1: Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die

    Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten?

    39% der antwortenden Ärzte hielten diese Frage für eher relevant. Zusammen mit

    den 22%, die sie für sehr relevant halten, sind fast 2/3 der Meinung, dass sie wichtig

    für den individuellen Alltag ist und nur etwas mehr als 1/3 sagt, dass sie weniger

    (30%) oder nicht relevant (7%) ist. 2% haben diese Frage nicht beantwortet.

    2%

    7%

    30%

    39%

    22%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten?

  • 25 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 2: Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an

    den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?

    Frage 2 wurde nur von 6% der Ärzte als nicht relevant empfunden. 27% hielten sie

    für wenig relevant. Demgegenüber stehen 34%, die sie für eher relevant hielten und

    29% sagen gar, dass es sehr relevant für sie wäre zu erfahren, was sich Jugendliche

    und junge Erwachsene von ihren Hausärzten erwarten.

    4%

    6%

    27%

    34%

    29%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?

  • 26 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 3: Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko

    eine chronisch entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu

    bekommen?

    Die Frage nach dem Risiko von Patienten mit BSG-Erhöhung hielten 15% für sehr

    relevant und 40% für eher relevant. Etwas weniger als die Hälfte der Hausärzte hielt

    diese Fragestellung für weniger (32%) beziehungsweise nicht (9%) relevant.

    4%

    9%

    32%

    40%

    15%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch entzündliche,

    hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?

  • 27 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 4: Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung

    mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine

    Therapie mit Probiotika?

    Für 18% der Hausärzte wäre es sehr relevant zu wissen, wie die kindliche

    Darmentzündung besser zu behandeln ist. Ein Drittel (34%) meinen es sei ihnen eher

    wichtig und 40% respektive 7% halten diese Frage für weniger oder gar nicht

    relevant für ihren Beruf.

    1%

    7%

    40%

    34%

    18%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?

  • 28 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 5: Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer

    medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit

    Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?

    Über zwei Drittel (69%) der allgemeinmedizinisch tätigen Ärzte wären daran

    interessiert, was die Anzahl an Krankenstandstage bei Rückenschmerzen effektiver

    senkt. Zusammen mit den 21%, die diese Frage für eher relevant halten, ergeben

    sich 90%, die diese Frage für wichtig erachten. 7% sind der Meinung sie wäre

    weniger, und nur 1% sagt sie sei nicht relevant.

    2%

    1%

    7%

    21%

    69%

    0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen

    Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?

  • 29 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 6: Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im

    Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage eine Diagnose

    zu stellen und Therapie einzuleiten?

    Knapp 4/5 der antwortenden Ärzte findet, diese Frage sei sehr (45%) oder eher

    (34%) relevant für ihren Alltag. Demgegenüber stehen 20%, die meinen sie sei

    weniger (17%) oder nicht (3%) relevant für sie.

    1%

    3%

    17%

    34%

    45%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und

    Therapie einzuleiten?

  • 30 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 7: Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-

    Optimierung einer Statin-Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über

    80 Jahre?

    Die Frage nach den Empfehlungen zur Statintherapie im hohen Alter hielten 43% der

    Ärzte für sehr relevant. 25% meinten sie sei für sie eher relevant, und 21% waren der

    Meinung sie sei weniger relevant. Nur 9% waren der Ansicht sie sei nicht relevant für

    ihren persönlichen Alltag.

    3%

    9%

    21%

    25%

    43%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur

    Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?

  • 31 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 8: Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes

    bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im

    Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?

    Über die Hälfte (52%) der antwortenden Ärzte war der Meinung es sei für sie sehr

    relevant zu erfahren, welche Auswirkungen der ganzheitliche Zugang habe. Ein

    Drittel (33%) sah es als eher relevant an, und eine Minderheit von 11%

    beziehungsweise 3% sahen darin wenig oder keine Relevanz.

    1%

    3%

    11%

    33%

    52%

    0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarzt bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit

    und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?

  • 32 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 9: Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als

    verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit freier

    Facharztwahl?

    Die Frage nach dem Sinn eines Gatekeeping-Systems empfand eine große Mehrheit

    von 69% als sehr relevant für sie. 21% sahen es als eher relevant an, und nur 7%

    und 2% sind der Meinung es sei von geringer oder keiner Relevanz für sie.

    1%

    2%

    7%

    21%

    69%

    0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem

    System mit freier Facharztwahl?

  • 33 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Frage 10: Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen

    Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR und

    Schleimlösern?

    Frage 10 ist für die meisten Ärzte eher relevant (40%). 32% sagen sogar sie sei sehr

    relevant für sie, wohingegen 21% die Meinung vertreten sie sei wenig relevant, und

    3% gaben an sie habe gar keine Relevanz für ihren Alltag.

    3%

    3%

    21%

    40%

    32%

    0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%

    Keine Antwort

    Nicht relevant

    Wenig relevant

    Eher relevant

    Sehr relevant

    Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie

    mit NSAR und Schleimlösern?

  • 34 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    3.5 Übersicht

    Untenstehend finden sich alle Daten in einem Diagramm zusammengefasst. Die

    Antwortkategorien (sehr, eher, weniger, nicht relevant) wurden von oben nach unten

    neben die jeweilige Frage aufgetragen.

    Aus der Übersicht lässt sich erkennen, dass insbesondere Frage 5 und 9 von den

    Hausärzten als hochrelevant eingeordnet wurden.

    Abbildung 4: Übersicht der Bewertungen aller Forschungsfragen

    0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

    Frage 1

    Frage 2

    Frage 3

    Frage 4

    Frage 5

    Frage 6

    Frage 7

    Frage 8

    Frage 9

    Frage 10

    Übersicht Frage 1-10

  • 35 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    3.6 Gesamtpunkte

    Um die Bewertung der Relevanz zu objektivieren, wurde die Gesamtpunkteanzahl

    der einzelnen Fragen mittels folgender Formel errechnet:

    𝑛𝑠𝑒ℎ𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 4 + 𝑛𝑒ℎ𝑒𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 3 + 𝑛𝑤𝑒𝑛𝑖𝑔𝑒𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 2 + 𝑛𝑛𝑖𝑐ℎ𝑡 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡

    = 𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒

    Abbildung 5: Bewertung der Relevanz der Fragen für den Praxisalltag nach einem Punktesystem

    405

    414

    379

    387

    527

    473

    442

    492

    531

    438

    0 100 200 300 400 500 600

    Frage 1

    Frage 2

    Frage 3

    Frage 4

    Frage 5

    Frage 6

    Frage 7

    Frage 8

    Frage 9

    Frage 10

    Gesamtpunkte

  • 36 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Relev

    anz

    Somit ergibt sich folgende Rangfolge der Fragen (in aufsteigender Relevanz):

    Frage 3:

    Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch

    entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?

    Frage 4:

    Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter

    Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?

    Frage 1:

    Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei

    älteren Patienten?

    Frage 2:

    Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich

    zum Facharzt?

    Frage 10:

    Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam

    wie die Therapie mit NSAR und Schleimlösern?

    Frage 7:

    Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-

    Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?

    Frage 6:

    Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur

    Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und Therapie

    einzuleiten?

    Frage 8:

    Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes bei unspezifischen

    Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in

    einer Ambulanz?

    Frage 5:

    Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit

    NSAR bei berufstätigen Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?

    Frage 9:

    Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im

    Vergleich zu einem System mit freier Facharztwahl?

  • 37 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    3.7 Rücklaufquote

    Während es in der Befragung der Hausärzte im Mai 2015 eine Rücklaufquote von

    13,3% (10,4 % der Hausärzte waren an einer Mitarbeit an Forschungsprojekten

    interessiert) gab, lag die Rücklaufquote bei der Befragung in diesem Projekt etwas

    höher bei 14,7%.

    Von den 149 antwortenden Hausärzten waren 37 auch schon Hausärzte, die bereits

    als forschungsinteressierte Hausärzte im Forschungspraxisnetzwerk registriert

    waren; 112 (75%) der antwortenden Hausärzte sind (noch) nicht offiziell Teilnehmer

    am Forschungspraxisnetzwerk.

    3.8 Priorisierung in Bezug zur Häufigkeit der Fragethemen

    Von den Hausärzten wurden am häufigsten (N=16) Forschungsideen zu Themen der

    Allgemeinmedizin im Gesundheitssystem genannt. Dies spiegelt sich auch in ihrer

    Priorisierung der Forschungsfragen wieder, da sie eine Forschungsfrage zum Thema

    „Gatekeeping“ an höchster Stelle priorisiert haben.

    Die weiteren Fragestellungen umfassen weitestgehend die Bereiche „Ausgewählte

    Krankheitsbilder“, „Diagnostik & Therapie in der AM“ und „Pharmaka“ und damit

    weitere Fragstellungen, die von den Hausärzten in großer Anzahl genannt worden

    sind.

    4 Diskussion

    Was sollte Forschung leisten?

    Forschung gilt als systematische, kontrollierte, empirische und kritische

    Untersuchung von Phänomenen, geleitet von Theorie und Hypothese. Forschung soll

    dabei logisch, verständlich, reproduzierbar und nutzbar sein30. Forschung sollte zum

    Ziel haben, theoretisches Wissen zu generieren, Theorien und Methoden als Basis

    für spezifische Praktiken zu entwickeln und angewandte Methoden im klinischen

    Alltag zu validieren (insbes. in der Versorgungsforschung)31. Forschung in der Praxis

    und für die Praxis ist Voraussetzung für eine zeitgemäße, qualitativ hochstehende,

    den Standards der Evidence-Based-Medicine verpflichteten Hausarztmedizin, die

    dem Anspruch der Grundversorgung auf höchstem Niveau gerecht werden will.

    Jedoch können Resultate, die aus Studien mit hochselektionierten Spitalspatienten

    stammen, in vielen Fällen nicht auf das Setting der Hausarztpraxis übertragen

    werden, unter Umständen kann dies paradoxerweise sogar zu einer

    Mortalitätssteigerung der Patienten unter hausärztlicher Betreuung führen21,32.

  • 38 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Außerdem besteht im hausärztlichen Praxisalltag eine größere Kluft zwischen

    klinischer Evidenz und täglicher Umsetzbarkeit aufgrund der Individualität und

    Spezifität der Arzt-Patienten-Beziehung33. Umso mehr ist die Bedeutung und

    dringende Notwendigkeit von Versorgungsforschungsprojekten zu betonen, die unter

    Einschluss von multimorbiden, polypharmazierten Patienten praxisrelevante

    Fragestellungen untersuchen sollten. Gerade aber zu solchen Fragestellungen, die

    Hausärzte täglich beschäftigen, wird eher selten geforscht (Behandlung

    multimorbider Menschen, Abgrenzung von selbstheilenden Krankheitsverläufen

    gegenüber solchen mit abzuwendendem gefährlichen Verlauf, Entscheidung zum

    Nichtbeginnen, Anpassen oder Beenden medikamentöser Therapien, etc.)34.

    Ursachen hierfür dürfte eine höhere Attraktivität der Grundlagenforschung und eine

    zu häufig patientenferne Ausrichtung des Forschungsziels (politisch, wirtschaftlich,

    karrieristisch, etc.) sein. Folge ist allerdings eine eklatante Zunahme von

    Forschungsergebnissen, von denen die Patienten nicht profitieren.

    Warum sollten Hausärzte an Forschung partizipieren?

    Der persönliche Antrieb von Ärzten, an Forschungsprojekten teilzunehmen, besteht

    unabhängig von der fachärztlichen Ausrichtung sicher in intrinsisch geprägten

    Motivationsfaktoren wie persönlicher Neugier, dem Drang nach Wissen und

    Erkenntnisgewinn. Karrieristische Motive spielen insbesondere bei der Teilnahme

    von Hausärzten an Forschungsprojekten eine geringe Rolle, können aber ganz

    allgemein auch nur als extrinsisch fördernd gewertet werden31. Viel bedeutender

    scheint die Freiheit, kreative Prozesse zu initiieren und mittels wissenschaftlicher

    Versuche bis zum Erhalt verwertbarer Ergebnisse zu untersuchen, bei

    Versorgungsforschungsprojekten auch in Kooperation unter Einbeziehung des

    Forschungspraxisnetzwerkes. Insbesondere unabhängige Fördergelder und

    –programme, wie in vielen anderen Ländern bereits seit langem etabliert7-10, sind

    wesentliche Elemente, um innovative Forschung überhaupt erst zu ermöglichen.

    Warum wollen Hausärzte an Forschungsprojekten partizipieren?

    Unsere eigene Untersuchung zeigt, dass Hausärzte insbesondere dann an

    Forschungsprojekten partizipieren wollen,

    - wenn die aus der Forschung gewonnene Evidenz nützlich ist und für die

    tägliche Versorgung der Patienten relevant ist

  • 39 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    - wenn die Forschung der Aufwertung und Weiterentwicklung der

    Allgemeinmedizin als eigene Fachdisziplin dient

    - wenn die Forschung dem Ausbau des persönlichen Netzwerkes dient und

    einen fachlichen Austausch mit Kollegen fördert

    Dies konnte auch in anderen Untersuchungen gezeigt werden; Barzel et al.35

    evaluierten in einem Workshop in interprofessionellen Kleingruppen

    Motivationsfaktoren für die Teilnahme an Forschungsprojekten: die von ihnen

    befragten Teilnehmer favorisierten als Studientyp eindeutig die Interventionsstudie.

    Für die Studienteilnahme war der erlebte „Output“ deutlich wichtiger als die

    Honorierung. Daneben spielten als fördernde Faktoren für die Umsetzung von

    Forschungsprojekten in der Hausarztpraxis klare Strukturen und Absprachen,

    Wertschätzung und eine gemeinsam definierte Kommunikation eine entscheidende

    Rolle35. Das frühzeitige Einbeziehen von Praxen in Planung und Umsetzung von

    Projektideen betonten Bleidorn et al. als wesentliches Element, um die Machbarkeit

    eines Forschungsprojektes zu erhöhen27.

    Die Priorisierung der von den steirischen Hausärzten selbst erarbeiteten

    Forschungsfragen stellt einen neuen Ansatz in der Einbindung von niedergelassenen

    Hausärzten in Forschungsprojekte dar.

    Unter den 10 von Hausärzten eingebrachten und von einem Expertenpanel

    hinsichtlich der Machbarkeit und Relevanz vorausgewählten Fragen wurden von

    praktisch tätigen Hausärzten in der Steiermark die Fragen zu den Effekten einer

    Gatekeeperfunktion des Hausarztes und zu den Effekten einer

    Bewegungstherapie im Vergleich zu NSAR bei Rückenschmerzen als jene mit

    der höchsten Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt. Weniger

    relevant wurden die Fragen nach dem Einfluss der Ernährung auf die Sturzhäufigkeit,

    der Bedeutung der idiopathischen BSG-Erhöhung, nach den vergleichenden Effekten

    von selbst hergestellten Elektrolytlösungen im Vergleich zu Probiotika bei kindlichen

    Darmentzündungen und nach den Erwartungen von Jugendlichen an die Hausärzte

    eingeschätzt. Das Ergebnis dürfte einerseits in den aktuellen gesundheitspolitischen

    Diskussionen zur ärztlichen Primärversorgung der österreichischen Bevölkerung36

    (Frage 9) und in der tatsächlichen Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Krankheitsbild

    mit der Notwendigkeit einer konkreten therapeutischen Entscheidung im

  • 40 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    hausärztlichen Praxisalltag auftritt (Frage 5) begründet sein, kann man doch davon

    ausgehen, dass die Lebenszeitprävalenz von Rückenschmerzen in Industrienationen

    60-80% beträgt37.

    Jedoch lassen auch die von den Hausärzten weniger relevant bewerteten

    Fragestellungen entweder einen starken Praxisbezug erkennen (Behandlung viraler

    AW-Infekt, Behandlung Darmentzündung) oder befassen sich mit

    systemimmanenten, die Organisations- und Versorgungsstruktur und -qualität

    betreffenden Fragestellungen (Vergleich der hausärztlichen Behandlung vs.

    spitalsambulanzärztlicher Behandlung). Auch dies ist sicher unter dem Aspekt der

    momentan in den Fokus gerückten Diskussionen der Veränderungen im

    primärärztlichen Bereich und der damit verbundenen hausärztlichen

    Rollenzuweisung zu beurteilen.

    5 Ausblick Die Ergebnisse dieses Projektes können als Grundlage für die Beauftragung weiterer

    Projekte durch den Gesundheitsfonds gesehen werden. Der Forschungsansatz,

    Hausärzte danach zu befragen, welche Forschungsfragen für ihren Praxisalltag

    relevant sind, ist international neu und innovativ.

    Versorgungsforschung, die in hausärztlichen Praxen durchgeführt wird, stellt einen

    bislang eher vernachlässigten Forschungsansatz dar, obwohl sie als Zielgröße die

    Prozesse, Ergebnisse und Rahmenbedingungen von Gesundheitsversorgung hat

    und damit großes Effektpotential insbesondere auch für die Verbesserung der

    Patientenversorgungsqualität birgt. Da jedoch gerade motivierte und engagierte

    Hausärzte die Voraussetzung dafür sind, Versorgungsforschung durchzuführen und

    diese an solcher insbesondere dann gerne partizipieren, wenn sich die Forschung

    mit praxisrelevanten und patientenzentrierten Forschungsfragen befasst, stellt der

    Ansatz, hausärztliche Forschungsfragen abzubilden, sicher eine zukunftsweisende

    Perspektive dar.

    Als Szenarien für die Zukunft bieten sich - basierend auf den Auswertungen der

    Fragebögen – einerseits Forschungsaufträge an, die o.g. Forschungsfragen mittels

    fokussierter Literaturrecherche hinsichtlich der existierenden Evidenz beantworten

    und die Hausärzte mittels Informationsmaterialien (z.B. Newsletter, Folder) zu den

    konkreten Forschungsfragen informieren; andererseits aber auch

  • 41 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Versorgungsforschungsaufträge, die mit Hilfe des im Sommer 2015 gegründeten

    allgemeinmedizinischen Forschungspraxisnetzwerkes der Steiermark umgesetzt

    werden können.

  • 42 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    6 Literaturverzeichnis

    1. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Koordination und Integration-Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens. Version 06022014:page 10 of 2 2009. 2. Schmacke N. Die Zukunft der Allgemeinmedizin in Deutschland–Potenziale für eine angemessene Versorgung. 2013. 3. Glanville J, Kendrick T, McNally R, Campbell J, Hobbs FR. Research output on primary care in Australia, Canada, Germany, the Netherlands, the United Kingdom, and the United States: bibliometric analysis. BMJ 2011;342:d1028. 4. Rosemann T, Szecsenyi J. General practitioners' attitudes towards research in primary care: qualitative results of a cross sectional study. BMC Family Practice 2004;5:1. 5. Rothwell PM. External validity of randomised controlled trials:“to whom do the results of this trial apply?”. The Lancet 2005;365:82-93. 6. Koller M, Neugebauer E, Augustin M, et al. Die Erfassung von Lebensqualität in der Versorgungsforschung–konzeptuelle, methodische und strukturelle Voraussetzungen. Das Gesundheitswesen 2009;71:864-72. 7. VanLare JM, Conway PH, Sox HC. Five next steps for a new national program for comparative-effectiveness research. New England Journal of Medicine 2010;362:970-3. 8. Sox HC. Comparative effectiveness research: a progress report. Annals of internal medicine 2010;153:469-72. 9. Raspe H-H. Versorgungsforschung in Deutschland: Stand-Perspektiven-Förderung; Stellungnahme; Standpunkte: John Wiley & Sons; 2010. 10. Badura B, Schaeffer D, Troschke Jv. Versorgungsforschung in Deutschland Fragestellungen und Förderbedarf. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften= Journal of public health 2001;9:294-311. 11. Sprenger M. Reformpotenziale im primären Versorgungsbereich des österreichischen Gesundheitssystems. Zukunftsmotor Gesundheit: Springer; 2015:115-33. 12. Gágyor I, Bleidorn J, Kochen MM, Schmiemann G, Wegscheider K, Hummers-Pradier E. Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. bmj 2015;351:h6544. 13. Ulrich L-R, Mergenthal K, Petersen JJ, et al. Anticoagulant treatment in German family practices–screening results from a cluster randomized controlled trial. BMC family practice 2014;15:1. 14. Familienmedizin-spezialisiert auf den ganzen Menschen. Positionen zur Zukunft der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Praxis. Frankfurt: DEGAM 2012. 15. Everitt HA, Little PS, Smith PW. A randomised controlled trial of management strategies for acute infective conjunctivitis in general practice. bmj 2006;333:321. 16. Delaney BC, Qume M, Moayyedi P, et al. Helicobacter pylori test and treat versus proton pump inhibitor in initial management of dyspepsia in primary care: multicentre randomised controlled trial (MRC-CUBE trial). BMJ 2008;336:651-4. 17. Vierhout W, Knottnerus J, Crebolder H, et al. Effectiveness of joint consultation sessions of general practitioners and orthopaedic surgeons for locomotor-system disorders. The Lancet 1995;346:990-4. 18. Hopstaken R, Muris J, Knottnerus J, Kester A, Rinkens P, Dinant G. Contributions of symptoms, signs, erythrocyte sedimentation rate, and C-reactive protein to a diagnosis of pneumonia in acute lower respiratory tract infection. Br J Gen Pract 2003;53:358-64. 19. Bleidorn J, Gágyor I, Kochen MM, Wegscheider K, Hummers-Pradier E. Symptomatic treatment (ibuprofen) or antibiotics (ciprofloxacin) for uncomplicated urinary tract infection?-results of a randomized controlled pilot trial. BMC medicine 2010;8:1. 20. Bösner S, Becker A, Hani MA, et al. Accuracy of symptoms and signs for coronary heart disease assessed in primary care. Br J Gen Pract 2010;60:e246-e57.

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    21. Rizza A, Kaplan V, Senn O, Rosemann T, Bhend H, Tandjung R. Age-and gender-related prevalence of multimorbidity in primary care: the Swiss FIRE project. BMC family practice 2012;13:1. 22. Peters-Klimm F, Hermann K, Gágyor I, Haasenritter J, Bleidorn J. Erfahrungen und Einstellungen zu Klinischen Studien in der Hausarztpraxis: Ergebnisse einer Befragung von deutschen Hausärzten. Das Gesundheitswesen 2013;75:321-7. 23. Kottke TE, Solberg LI, Nelson AF, et al. Optimizing practice through research: a new perspective to solve an old problem. The Annals of Family Medicine 2008;6:459-62. 24. Raftery J, Kerr C, Hawker S, Powell J. Paying clinicians to join clinical trials: a review of guidelines and interview study of trialists. Trials 2009;10:1. 25. Calmbach WL, Ryan JG, Baldwin L-M, Knox L. Practice-based research networks (PBRNs): meeting the challenges of the future. The Journal of the American Board of Family Medicine 2012;25:572-6. 26. Piccoliori G, Atz H, Engl A, Abholz H-H. Medizinische Forschung in Südtirol-Eine Meinungsumfrage bei Ärzten und der Bevölkerung. . Zeitschrift für Allgemeinmedizin 2011;87:111-5.

    27. Bleidorn J, Hauswaldt J, Heim S, Lingner H, Hummers-Pradier E. Das Forschungspraxennetz als Basis hausärztlicher Forschung-eine Fokusgruppenanalyse. 2011. 28. Peterson KA, Lipman PD, Lange CJ, Cohen RA, Durako S. Supporting better science in primary care: a description of practice-based research networks (PBRNs) in 2011. The Journal of the American Board of Family Medicine 2012;25:565-71. 29. De Maeseneer J, Van Weel C. Research in general practice in Europe: a growing community. The European Journal of General Practice 2001;7:90-1. 30. DePoy E, Gitlin LN. Introduction to research: Understanding and applying multiple strategies: Elsevier Health Sciences; 2015. 31. Hakimi M, Geisbüsch P, Kotelis D, Böckler D. Warum soll ich forschen? Gefässchirurgie 2010;15:589-95. 32. McAlister F, Majumdar S, Eurich D, Johnson J. The effect of specialist care within the first year on subsequent outcomes in 24 232 adults with new-onset diabetes mellitus: population-based cohort study. Quality and Safety in Health Care 2007;16:6-11. 33. Cabana MD, Rand CS, Powe NR, et al. Why don't physicians follow clinical practice guidelines?: A framework for improvement. Jama 1999;282:1458-65. 34. Rieser S. Klinische Studien in der Allgemeinmedizin: Viele Fragen, zu wenig Forschung. Dtsch Arztebl International 2015;112:652-. 35. Barzel A, Scherer M, Gerlach F, Mergenthal K. Das hausärztliche Team in der Forschung - ein Workshop mit Hausärzten, Medizinischen Fachangestellten und wissenschaftlichen Mitarbeitern der universitären Allgemeinmedizin. ZFA Z Allg Med 2013;Band 89:S. 255-60. 36. Hofmarcher MM, Quentin W. Austria: health system review. Health systems in transition 2012;15:1-292. 37. Kögel K. Epidemiologie und Behandlung von Kreuzschmerzen in der Hausarztpraxis. 2008.

  • 44 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    7 Anhang Fragebogen 1

  • 45 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

  • 46 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

  • 47 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Fragebogen 2 Betreff: Forschungsfragen aus Hausarztpraxen Sehr geehrte steirische Hausärztinnen und Hausärzte,

    vielleicht erinnern Sie sich noch, dass wir Sie im Sommer 2015 bezüglich etwaiger für Sie interessanter Forschungsfragen kontaktiert haben. Für die rege Rückmeldung möchten wir uns nochmals bedanken. Aus Ihren vielfältigen Forschungsideen haben wir in einem strukturierten Prozess Forschungsfragen ausgewählt, die am ehesten eine Möglichkeit bieten, durch eigene Studien oder Literaturrecherchen beantwortet zu werden. Seien Sie also bitte nicht enttäuscht, wenn Sie Ihre Forschungsfrage nicht wiederfinden, dies bedeutet auf keinen Fall, dass diese nicht relevant ist.

    Die ausgewählten Forschungsfragen möchten wir Ihnen nun vorstellen und Sie bitten, uns Ihre Meinung dazu zu geben, für wie relevant Sie die jeweilige Frage aus Ihrer alltäglichen praktischen Arbeit heraus beurteilen.

    Diese Bewertung wird nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, uns aber die Möglichkeit geben, in Zukunft in Zusammenarbeit mit Ihnen Projekte zu entwickeln, die sich mit diesen Forschungsfragen befassen und somit langfristig die hausärztliche Versorgung verbessern.

    Auch im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln werden wir Ihnen eine Rückmeldung auf die von Ihnen gestellten Fragen geben können.

  • 48 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Die Forschungsfragen Sehr relevant

    Eher relevant

    Weniger relevant

    Nicht relevant

    Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten*?

    Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?

    Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?

    Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?

    Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?

    Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und Therapie einzuleiten?

    Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?

    Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?

    Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit freier Facharztwahl?

    Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR und Schleimlösern?

    *) Bei der Frageerstellung wurde bei der Angabe von Personenbezeichnungen jeweils die männliche Form angewandt. Dies erfolgt ausschließlich zur Verbesserung der Lesbarkeit

    Über das Ergebnis aller Antworten der steirischen Hausärzte werden wir nach Auswertung auf unserer Website allgemeinmedizin.medunigraz.at berichten.

  • 49 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Natürlich besteht erneut die Möglichkeit einer anonymen Beantwortung, denn jede Stimme ist uns wichtig. In diesem Fall übermitteln Sie uns den Fragebogen ohne Ihre Adressdaten ansonsten reicht es aus, Ihren Praxisstempel zu verwenden.

    Titel, Vor- und Nachname:

    Straße:

    PLZ: Ort:

    E-Mail:

    Rücksendung bitte per Fax unter 0316 / 385 79654 oder per Post an folgende Adresse.

    Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit!

    Mit besten Grüßen aus dem Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung

    Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch

    Institut für Allgemeinmedizin

    und evidenzbasierte

    Versorgungsforschung

    Auenbruggerplatz 2/9

    8036 Graz

  • 50 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Interviewleitfaden

    DR. _________________________________Nr.__

    Annahme: Telefonat mit OrdinationsassistentIn

    Grüß Gott, mein Name ist _________________________, ich rufe an vom Institut für

    Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen

    Universität Graz im Namen von Frau Prof. Siebenhofer-Kroitzsch.

    Vor einem Jahr hat Frau /Herr Dr. __________________ freundlicher weise an einer

    Fragebogenerhebung unseres Institutes teilgenommen, zu dem wir jetzt noch eine

    weitere Frage hätten. Maximal wird das Gespräch 7-10 Minuten dauern.

    Dürfen wir um ein Gespräch mit Frau / Herrn Dr.____________________ bitten?

    Wann darf ich mich wieder bei Ihnen melden?

    Eigentliches Gespräch mit Forschungsarzt/Forschungsärztin

    Liebe Frau Dr ______________, lieber Herr Dr. ________________!

    Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, um mit mir am Telefon zu

    sprechen.

    Wir möchten mit diesem Gespräch anknüpfen an den Fragebogen des Institutes für

    Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, den Sie im Mai letzten

    Jahres freundlicherweise beantwortet haben.

    Dabei haben Sie Ihre generelle Bereitschaft zur Mitarbeit an Forschungsprojekten

    aus der Allgemeinarztpraxis bekanntgegeben (vorher nachprüfen !!) und ein

    Forschungsthema bzw. eine Forschungsidee benannt, das Sie interessiert.

    (einfügen Forschungsfrage)

    ___________________________________________________________________

    ___________________________________________________________________

    ___________________________________________________________________

    Um uns dieses Themas weiter annehmen zu können und dieses weiter bearbeiten zu

    können, ist es für uns jedoch notwendig, eine Konkretisierung der Fragestellung

    durchzuführen.

    Darum möchte ich Sie bitten, Ihr Thema genauer mit mir zu besprechen.

  • 51 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Ich werde bei dem Gespräch Notizen machen, um es später besser auswerten zu

    können. Sollten Sie während des Gespräches Fragen haben, können Sie diese

    jederzeit stellen.

    Kommen wir zurück zu dem Forschungsthema, das Sie interessiert:

    ___________________________________________________________________

    ___________________________________________________________________

    ___________________________________________________________________

    1) An welche Patienten(gruppe) / an welches konkrete Problem haben Sie

    gedacht? Können Sie dies evtl. eingrenzen bzw. konkretisieren?

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    2) Was ist der genaue Gegenstand der Untersuchung, der Sie interessiert? An

    welche Art der Intervention / Therapieverfahren / Methode etc. haben Sie

    gedacht, die an der Gruppe von PatientInnen durchgeführt werden soll?

    Können Sie diese ggf. weiter eingrenzen bzw. konkretisieren?

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    3) Mit welcher Intervention (z.B. Therapie) könnte ihre Intervention verglichen

    werden bzw. mit welcher Patientengruppe soll ihre Patientengruppe verglichen

    werden? Also was ist die Hauptalternative mit der die von Ihnen

    vorgeschlagene Intervention verglichen werden könnte? (z.B.: Placebo vs.

    ASS)

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

  • 52 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    4) Was war das Ziel Ihrer Forschungsfrage? Was sollte mit der Forschung

    erreicht werden? Welches Ergebnis erwarten Sie?

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    5) Ihre Forschungsfrage lautet nun:

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    Entspricht diese Forschungsfrage inhaltlich dem, was Sie Sie sich vorgestellt

    haben, als Sie das Forschungsthema an uns geschickt haben?

    Ja weiter

    Nein nochmals PICO anwenden (für uns INTERN!)

    P:____________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    I:_____________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    C:____________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    O:____________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    Entspricht die Forschungsfrage nun dem, was Sie sich vorgestellt haben?

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

  • 53 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Wenn Sie möchten, können Sie noch eine weitere Forschungsfrage

    formulieren:

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    Möchten Sie zum Abschluss noch etwas sagen? Haben wir in dem Gespräch

    etwas Wichtiges vergessen?

    ______________________________________________________________

    ______________________________________________________________

    Vielen Dank, dass Sie mit mir gesprochen haben.

    Interviewrichtlinien

    1. Frage nur nach, wenn es wirklich von Interesse ist.

    2. Vermeide dabei suggestive Fragen oder gespiegelte Rückmeldungen

    oder Interpretationen.

    3. Halte dich genug zurück und versuchen nicht das Gespräch zu lenken.

    Versetze dich in die Rolle eines Fernsehmoderators. Seine Aufgabe ist

    es, das Gespräch zu leiten, im Fokus des Interesses ist jedoch immer

    der Gast.

    4. Bewerte und kommentiere Aussagen der Gesprächspartner nicht! Ein

    „ach wie schlimm“, mit dem man im Alltagsgespräch Empathie

    signalisiert solltest du dir verkneifen. Signalisiere stattdessen durch

    Kopfnicken, Bestätigungslaute, und dann und wann ein „ich verstehe“,

    dass du zuhörst und interessiert bist.

    5. Lass den Gesprächspartner in Ruhe ausreden. Lass immer wieder viel

    Zeit verstreichen, damit auch zaghafte Ideen oder langsam

    entstehende Gedanken Gelegenheit haben, durch den Interviewten

    ausgedrückt zu werden. Planen also Pausen fest ein und scheue dich

    nicht vor stillen Momenten.

    6. Der Gesprächsleitfaden muss nicht zwingend chronologisch verfolgt

    werden. Folge eher dem thematischen Verlauf des Gesprächspartners,

    als der Reihenfolge des Leitfadens.

    7. Vermeide es, Themen doppelt abzufragen. Wenn Fragen schon

    „zufällig“ beantwortet wurden, müssen diese Frage nicht noch einmal

    vorgelesen werden, nur weil sie auf dem Leitfaden steht.

  • 54 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz

    Literatur:

    1.Uwe Flick, Ernst von Kardoff, Ines Steinke (Hg.) 2005: Qualitative Forschung. Ein

    Handbuch, Reinbek bei Hamburg.

    2. Dresing,Thorsten /Pehl, Thorsten: Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse.

    Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 5. Auflage. Marburg, 2013.

    Quelle: www.audiotranskription.de/praxisbuch (Datum des Downloads: 26.05.2016)

    3. Stefanie Vogt, Melanie Werner (Hrsg.); Forschen mit Leitfadeninterviews und

    qualitativer Inhaltsanalyse. Skript.Köln,2014

    Begleitinformation:

    Falls Fragen zum PICO-Schema auftauchen:

    PICO ist dabei eine Abkürzung für

    P wie Patient oder Problem

    d.h. wir benötigen eine Konkretisierung der Frage:

    „Welche Gruppe von Patienten bzw. welches Problem ist gemeint?“

    I wie Intervention bzw. Technologie bzw. diagnostisches oder therapeutisches

    Verfahren

    d.h. wir benötigen eine Konkretisierung der Frage:

    „Welche Inte