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Projektgruppeverfassungsverträgliche
Technikgestaltung
provet
Alexander Roßnagel
Ubiquitous Computing und Selbstbestimmung
Festveranstaltung zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Udo Winand
Universität Kassel 7. März 2008
Projektgruppeverfassungsverträgliche
Technikgestaltung
provet
Übersicht
Alexander Roßnagel
Entwicklungen zu Ubiquitous ComputingAmbivalente Trends
Informationelle Selbstbestimmung
Grundrecht und Schutzprogramm
Herausforderungen
Beherrschbare Situationen und Überforderungen
Lösungsansätze
Vorsorge, Technikgestaltung und Professionalisierung
Projektgruppeverfassungsverträgliche
Technikgestaltung
provet
1. Teil: Ambivalente Trends
Alexander Roßnagel
These
Allgegenwärtige Datenverarbeitung ermöglicht Zukünfte, die sowohl Träume als auch Alpträume der Menschheit verwirklichen könnten.
Welche Zukünfte wahr werden, ist in entscheidender Weise eine Frage des Datenschutzes.
Projektgruppeverfassungsverträgliche
Technikgestaltung
provet
Träume
Alexander Roßnagel
Erweiterung der Sinne
•Kontextsensitivität und Kommunikationsfähigkeit der Dinge
•Multimodale Ein- und Ausgabe
Erweiterung des Gedächtnisses
•Erinnerung an Orte, Personen, Ereignisse, Zustände
•Gedächtnis der Dinge, Selbsterklärung der Dinge
Befreiung von Arbeit
•Entlastung von Alltagsentscheidungen und Routineaufgaben
•Selbstorganisation und Selbsttätigkeit der Dinge
Gewährleistung von Sicherheit •Kontrolle der Person und der Umwelt •Identifikation von Personen und Dingen
...my birthday
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Alpträume
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Zusätzliche Gefährdungen
•Exponentielle Zunahme an personenbezogenen Daten
•Erforderlichkeit detaillierter Profile
•Hohe Aussagekraft von Datensammlungen
•Nachvollziehbarkeit individuellen Verhaltens
•Erkennbarkeit kollektiver Lebensstrukturen
Überwachungsinfrastruktur
•Infrastrukturen zur permanenten Datenerhebung
•Infrastrukturen zur Speicherung von Daten
•Infrastrukturen zur situationsadäquaten Auswertung
•Vielfältige private und staatliche Kontrollinteressen
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2. Teil: Informationelle Selbstbestimmung
Alexander Roßnagel
These
Informationelle Selbstbestimmung ist der richtige normative Ansatz zum Schutz der Persönlichkeit in der Informationsgesellschaft.
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Informationelle Selbstbestimmung
Alexander Roßnagel
Volkzählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts
Subjektives Recht
„Informationelle Selbstbestimmung ist Befugnis jedes Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
Objektiver Grundsatz
„Selbstbestimmung (ist) eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens.“
Keine Eigentums-, sondern eine Kommunikationsordnung
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Schutzprogramm
Alexander Roßnagel
•Verbot mit Vorbehalt der Zulassung durch Gesetz oder Einwilligung
•Transparenz
•Zweckbegrenzung und Zweckbindung
•Erforderlichkeit der Datenverarbeitung
•Datensicherung
•Rechte der betroffenen Person
•System- und Selbstdatenschutz
•Datenvermeidung, Anonymität- und Pseudonymität
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3. Teil: Herausforderungen
Alexander Roßnagel
These
Allgegenwärtige Datenverarbeitung wird nicht nur einzelne, zusätzliche Möglichkeiten des Missbrauchs bieten, sondern die zentralen Grundlagen des Datenschutzes in Frage stellen.
Allgegenwärtige Datenverarbeitung verursacht nicht nur ein Vollzugs-, sondern ein grundlegendes Konzeptproblem.
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Beherrschbare Situationen
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Taugliche normative Lösungen
• für klar strukturierte Verhältnisse
• mit wenigen Beteiligten und klarer Rollenzuweisung
•Arbeitgeber – Arbeitnehmer
•Versicherung – Versicherungsnehmer
•Endverkäufer – Endkunde
•Vermieter – Mieter
Überforderung geltender normativer Konzepte
• in unübersichtlichen Situationen
• mit spontaner Selbstorganisation der Technik
• mit vielen Beteiligten in wechselnden Rollen
• in privater und gemischt privat/geschäftlicher Verwendung
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Zulässigkeit
Alexander Roßnagel
Anforderungen
•Gesetzliche Erlaubnisnorm mit präziser, spezifischer Zweckbestimmung und Schutzvorkehrungen
•Einwilligung: informiert, bestimmt und formbedürftig (Schriftform oder elektronische Form)
Herausforderungen
•Wer ist verantwortlich? Wer bietet Infrastruktur und Dienste an?
•Mächtige Datenerhebung und -verarbeitung zu persönlichen und familiären Zwecken
•Ständiger Rollenwechsel
•Sich selbst organisierende Datenverarbeitung
•Unmerkliche Datenverarbeitung durch alle Alltagsgegenstände
•Personenbezug unklar
•Vielzahl der Datenverarbeitungen und Vielfalt der Zwecke
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Transparenz
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Anforderungen
•Erhebung bei betroffener Person
•Vorherige Unterrichtung
•Auskunft über alle gespeicherten Daten, Herkunft, Zweck und Empfänger
Herausforderungen
•Umfang der Datenverarbeitung und Vielfalt der Zwecke
•Unübersichtlichkeit für alle Beteiligten
•Miterhebung durch Kontexterfassung
•Spontane und sich selbst organisierende Kommunikation
•Fehlende Ausgabemedien
•Kontraproduktive Effekte (Protokollierung, Data Mining)?
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Zweckbindung
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Anforderungen
•Zweckbestimmung bei Erhebung
•Zweckbindung bei Verarbeitung und Nutzung
•Kein Datenvorrat
•Keine Profilbildung
•Abschottung
•Zugriffsschutz
Herausforderungen
•Multifunktionale Orts- und Umgebungsinformationen
•Spontane, situationsabhängige Unterstützung
•Datenverarbeitung auf Vorrat (Gedächtnis der Dinge)
•Beliebige Wirklichkeitsmodelle möglich und gewünscht
•Profilbildung (Individualisierung, selbst lernende Systeme)
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4. Teil: Lösungsansätze
Alexander Roßnagel
These
Informationelle Selbstbestimmung wird nicht überflüssig, sondern immer wichtiger.
Um sie auch bei allgegenwärtiger Datenverarbeitung zu ermöglichen, muss jedoch das Schutzprogramm des Datenschutzrechts fortentwickelt und ergänzt werden.
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Notwendige Reaktionen des Datenschutzes
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DatenverarbeitungÜberall JederzeitIm HintergrundInfrastrukturgestütztAutomatischUnbemerktBeiläufig
DatenverarbeitungÜberall JederzeitIm HintergrundInfrastrukturgestütztAutomatischUnbemerktBeiläufig
DatenschutzÜberall JederzeitIm HintergrundInfrastrukturgestütztAutomatischOhne BelästigungKenntnisnahme möglich
DatenschutzÜberall JederzeitIm HintergrundInfrastrukturgestütztAutomatischOhne BelästigungKenntnisnahme möglich
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Lösungsansätze
Alexander Roßnagel
1. Verarbeitungs- und Gestaltungsregeln• Z.B. Transparenz (Datenschutzerklärung, Datenschutz-kommunikation, Strukturinformationen, Signalisierung)
2. Technisierung des Datenschutzes•Z.B. automatische Kontrolle statt persönlicher Aufmerksamkeit •Z.B. technisch gestützte Durchsetzung von Datenschutzrechten statt zwischenmenschlicher Interaktion
3. Freiheitsfördernde Architekturen Z.B. dezentrale Infrastrukturen, die informationelle Gewalten-teilung sicherstellen; Erschwerung der rollenübergreifenden Zusammenführung von Datensammlungen; Verhinderung von „Anschluss- und Benutzungszwängen“
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provet
Lösungsansätze 3
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4. Prüf- und Gestaltungspflichten für Technikentwickler Z.B. Zielsetzung: transparente, datensparsame, kontrollierbare, Missbrauch vermeidende Techniksysteme
5. Einbezug privater Datenverarbeitung • Z.B. spezifische Datenschutzregeln für den technisch aufgerüste-ten Privatmenschen (z.B. Signalisierung, Datengeheimnis, Schadensersatz, Datensicherung, Auskunft)
6. Anreize und Belohnungen • Z.B. Vorbilder statt Kritik (Audit, Zertifizierung, Empfehlungen, Best Practice-Beispiele, Preisverleihungen)
7. Kontrolle durch Profis statt Betroffene • Z.B. Kontrolle von Systemen und Strukturen mit ihren Fähigkeiten statt einzelner Zustände (personenbezogener Daten)
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Technikgestaltung
provet
Zusammenfassung
Alexander Roßnagel
Allgegenwärtige Datenverarbeitung lässt das Schutzprogramm für die informationelle Selbstbestimmung leer laufen.
In dieser Zukunft bleibt eine auf informationeller Selbstbestim-mung beruhende gesellschaftliche Kommunikation unverzichtbar.
Bedingung informationeller Selbstbestimmung ist ein grundsätzlich modifiziertes Schutzprogramm.
Diese Bedingung ist notwendig, aber nicht hinreichend. Hinzu kommen muss der individuelle, gesellschaftliche und politische Wille, informationelle Selbstbestimmung durchzusetzen.