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Prosa-Formen (dtv Lexikon 2006) Großformen Epos [das; Plural Epen; griechisch, "das Gesagte", "Sage"], veraltet Epopöe, eine Großform der Epik: eine Verserzählung in gehobener Sprache, in der vor mythologischem oder histo- rischem Hintergrund von abenteuerlichen und schicksalhaften Begebenheiten innerhalb eines geordneten Weltgefüges be- richtet wird. Kompositionsprinzip ist die lockere Aneinander- reihung von Episoden, ein gleich bleibendes Metrum und eine hohe Stilebene mit oft formelhaften Wendungen. Die Roman- tik und die von ihr beeinflusste ältere Literaturwissenschaft (z.B. J. Grimm) unterschied zwischen Volksepos (ein aus der mündlichen Überlieferung eines Volkes „unbewusst“ entstan- denes Heldenepos) und Kunstepos (bekannter Verfasser, eigene Gestaltung in Form und Inhalt). Die heutige Forschung geht dagegen bei allen Epen von individuellen Verfassern aus, auch wenn einige davon anonym sind, wie z.B. beim „Nibe- lungenlied“. Unterschieden werden Götterepos, Heldenepos, höfisches Epos, Tierepos und komisches Epos (Parodie). Der Ursprung von Epen sind die meist mündlich überlieferten, mythologischen Erzählungen und Sagenkreise um Götter-, Herrschergeschlechter und Heroen, die ihrerseits realge- schichtliche Ereignisse (Völkerwanderung, Staatengründung, Eroberungen, Kriege) verarbeiten. Die ersten Epen finden sich im außereuropäischen Kulturkreis, so das babylonische Gil- gamesch-Epos aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., die indischen Epen Mahabharata und Ramayana (5. Jh. v. Chr. und 4. Jh. n. Chr.), die allerdings nicht auf das europäische Epos ein- wirkten, im Gegensatz zum „Königsbuch“ („Shah-Namé“) des Persers Firdausi (ca. 1000 n. Chr.), das schon im Mittelalter in Europa bekannt war. Die Anfänge des europäischen Epos bilden die Ilias und die Odyssee von Homer sowie Vergils „Aeneis“, die das große Vorbild für die lateinische und mittelalterliche Epik werden sollte. Frühmittelalterliche Heldenepen sind in England der „Beowulf“, in Deutschland der lateinische „Waltharius“, das „Nibelungenlied“ und die „Kudrun“; im romanischen Sprach- raum die französischen „Chansons de geste“ und der spa- nische „Cid“. Im Hochmittelalter entsteht das höfische Epos, z. B. die Artus-Epen von Chrétien de Troyes und in seiner Nachfolge die Versepen Hartmanns von Aue („Iwein“, „Erec“), Wolframs von Eschenbach („Parzival“), Gottfrieds von Straßburg („Tristan und Isolde“) sowie die Spielmanns- dichtung. Das Spätmittelalter bringt mit Dante Alighieris „Divina Commedia“ eines der bedeutendsten Epen hervor. In Renaissance und Humanismus bildet sich das Nationalepos heraus. Alte Stoffe der Heldensage und Motive des höfischen Romans werden verwoben und auf die jeweils eigene Nation des Dichters zugeschnitten; zu nennen sind hier L. Ariostos „Orlando furioso“, T. Tassos „Gerusalemme liberata“, A. de Ercilla y Zúñigas „La Araucana“, L. Camões’ „Die Lusiaden“ und J. Miltons „Paradise Lost“. In der Zeit der Aufklärung entstehen Klopstocks biblisches Epos „Der Messias“, das dem Pietismus und dem Empfind- samkeit verbunden ist, und C. M. Wielands „Oberon“, der die galante Ritter- und Feenwelt wieder entdeckt. Goethe knüpft mit „Hermann und Dorothea“ bewusst an die homerische Tra- dition an, verbindet bürgerliche Anschauung und idyllische Inhalte mit der alten Form des Hexameters; mit dem „Reineke Fuchs“ griff er die Form des Tierepos auf. Literaturtheoretisch gilt im 18. Jh. zunehmend der Roman als die moderne Form des Epos, das mit dem Übergang zum 19. Jh. fast ausschließ- lich als historische Gattung angesehen wird. So entstehen vor allem historische Epen, u. a. V. von Scheffels „Trompeter von Säckingen“ oder C. F. Meyers „Huttens letzte Tage“. Die Epen des 20. Jh.s sind weniger geschichtlich ausgerichtet, sondern orientieren sich an Themen der als krisenhaft empfundenen Moderne, so C. Spittelers „Olympischer Frühling“, T. Däublers „Nordlicht“, G. Hauptmanns „Till Eulenspiegel“. Nach 1945 kommt die Epenproduktion zu einem Ende; sehr vereinzelt entstenden Großgedichte in Anlehnung an die epische Tradition, so H. M. Enzensbergers „Untergang der Titanic“ oder D. Grünbeins „Vom Schnee“. http://www.uni-essen.de/ litera[...]ktiv/Vorlesungen/epik/epos.htm Epos: http://www.krref.krefeld.schul[...] /referate/deutsch/r0463t00.htm Roman [französisch], eine der Großformen der epischen Lite- ratur. Als Roman wird in der Regel ein umfangreicher, in Pro- sa verfasster, fiktionaler erzählerischer Text bezeichnet. Grenzformen sind u.a. der Vers- und der Kurzroman. Die in- haltliche und formale Vielfalt des Romans ist nahezu unbe- grenzt. Versuche, den Roman in den Rahmen einer litera- rischen Gattungstheorie einzuordnen, sind problematisch, weil er sowohl die übrigen literarischen Gattungen als auch alle anderen Sprach- und Textformen als Material benutzen kann und so alle Gattungsgrenzen sprengt. Mehr als die anderen li- terarischen Gattungen ist der Roman für die individuelle Lektüre bestimmt. In allen Epochen befriedigten Romane den Wunsch nach Un- terhaltung. Erst im 18. Jh. trennte sich vom Unterhaltungs- roman der literarische Roman im engeren Sinne, in den alle Themenbereiche, die zuvor anderen Gattungen vorbehalten waren, Eingang fanden und dessen Form nach ästhetischen Kriterien beurteilt wird. Bis heute gehört jedoch der größte Teil der Romanproduktion zur Unterhaltungsliteratur. Die Romanliteratur kennt eine große Zahl verschiedener Er- zähltechniken, die ein oft sehr komplexes Geschehen in das Nacheinander des Erzählverlaufs übertragen. Die Erzählung kann der Handlung geradlinig folgen, aber auch Zukünftiges vorwegnehmen oder in die Vergangenheit zurückgreifen. Der Erzähler kann verborgen bleiben oder das Geschehen in unter- schiedlichem Maße kommentieren. Romane oder romanartige Erzählungen gibt es in fast allen schriftlichen Kulturen. Ihr Ursprung wird in der Aneinander- reihung von Bestandteilen mythischer Erzählungen gesehen, die sich aus ihren ursprünglichen Bedeutungssystemen gelöst hatten. Die Antike kannte zwar seit dem Hellenismus Texte, die heute als Romane bezeichnet werden; sie verfügte jedoch weder über eine entsprechende Bezeichnung, noch beschäftigte sich die antike Dichtungstheorie mit dem Roman. Die verschie- denen Episoden der antiken Romane werden meist durch eine Erzählung über die Trennung und Wiedervereinigung von Lie- benden miteinander verbunden. In der römischen Kaiserzeit entstanden lateinische Romane aus freien Bearbeitungen grie- chischer Vorbilder (Petronius: „Satiricon“, 1. Jh. n. Chr.; Apuleius, „Der goldene Esel“, 2. Jh.). In der höfischen Gesellschaft des Hochmittelalters entstand der in Versen verfasste höfische Roman, der sich um eine idea- lisierende Darstellung der ritterlichen Lebensform bemühte. Die Erfindung des Buchdrucks und das Entstehen eines brei- ten Lesepublikums begünstigten vom 16. Jh. an eine umfang- reiche Romanproduktion. Mit F. Rabelais’ „Gargantua und Pantagruel“ (1532-1562) und M. de Cervantes’ „Don Quijote“ (1605-1615) entstanden die ersten großen neuzeitlichen Romane. Von den verschiedenen Romanformen der Barock- literatur (u.a. Schäferroman, enzyklopädisch angelegter Für- stenroman) erlangte vor allem der sich seit dem Ende des 16. Jh.s von Spanien aus verbreitende Schelmen- oder Picaro- roman Bedeutung für die spätere Romanproduktion („Lazaril- lo de Tormes“ 1554; M. Alemán: „Guzmán de Alfarache“ 1599-1604; H. J. C. von Grimmelshausen: „Simplicissimus“ 1669). Er stellte die zeitgenössische Gesellschaft aus der Per- spektive eines Außenseiters dar. Um die Wende zum 18. Jh. löste der bürgerliche Roman den Barockroman ab. Themen des Barockromans wurden im Sinne der bürgerlichen Moral und Empfindsamkeit interpretiert; neue, das bürgerliche Selbstbewusstsein ausdrückende Themen wurden – z. B. in den Robinsonaden – entwickelt. An die Stelle des belehrenden und unterhaltenden Erzählens traten reflektierende Schreibweisen, die das subjektive Weltbild eines Erzählers formulierten (z. B. im Briefroman des 18. Jh.s). Vorbilder für ganz Europa wurden im 18. Jahrhundert englische Romane (S. Richardson: „Pamela“ 1740; H. Fielding: „Tom Jones“ 1749; L. Sterne: „Tristram Shandy“ 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 120 125 130 135 140 145

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Prosa-Formen (dtv Lexikon 2006)

Großformen

Epos [das; Plural Epen; griechisch, "das Gesagte", "Sage"], veraltet Epopöe, eine Großform der Epik: eine Verserzählung in gehobener Sprache, in der vor mythologischem oder histo-rischem Hintergrund von abenteuerlichen und schicksalhaften Begebenheiten innerhalb eines geordneten Weltgefüges be-richtet wird. Kompositionsprinzip ist die lockere Aneinander-reihung von Episoden, ein gleich bleibendes Metrum und eine hohe Stilebene mit oft formelhaften Wendungen. Die Roman-tik und die von ihr beeinflusste ältere Literaturwissenschaft (z.B. J. Grimm) unterschied zwischen Volksepos (ein aus der mündlichen Überlieferung eines Volkes „unbewusst“ entstan-denes Heldenepos) und Kunstepos (bekannter Verfasser, eigene Gestaltung in Form und Inhalt). Die heutige Forschung geht dagegen bei allen Epen von individuellen Verfassern aus, auch wenn einige davon anonym sind, wie z.B. beim „Nibe-lungenlied“. Unterschieden werden Götterepos, Heldenepos, höfisches Epos, Tierepos und komisches Epos (Parodie).

Der Ursprung von Epen sind die meist mündlich überlieferten, mythologischen Erzählungen und Sagenkreise um Götter-, Herrschergeschlechter und Heroen, die ihrerseits realge-schichtliche Ereignisse (Völkerwanderung, Staatengründung, Eroberungen, Kriege) verarbeiten. Die ersten Epen finden sich im außereuropäischen Kulturkreis, so das babylonische Gil-gamesch-Epos aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., die indischen Epen Mahabharata und Ramayana (5. Jh. v. Chr. und 4. Jh. n. Chr.), die allerdings nicht auf das europäische Epos ein-wirkten, im Gegensatz zum „Königsbuch“ („Shah-Namé“) des Persers Firdausi (ca. 1000 n. Chr.), das schon im Mittelalter in Europa bekannt war.

Die Anfänge des europäischen Epos bilden die Ilias und die Odyssee von Homer sowie Vergils „Aeneis“, die das große Vorbild für die lateinische und mittelalterliche Epik werden sollte. Frühmittelalterliche Heldenepen sind in England der „Beowulf“, in Deutschland der lateinische „Waltharius“, das „Nibelungenlied“ und die „Kudrun“; im romanischen Sprach-raum die französischen „Chansons de geste“ und der spa-nische „Cid“. Im Hochmittelalter entsteht das höfische Epos, z. B. die Artus-Epen von Chrétien de Troyes und in seiner Nachfolge die Versepen Hartmanns von Aue („Iwein“, „Erec“), Wolframs von Eschenbach („Parzival“), Gottfrieds von Straßburg („Tristan und Isolde“) sowie die Spielmanns-dichtung. Das Spätmittelalter bringt mit Dante Alighieris „Divina Commedia“ eines der bedeutendsten Epen hervor. In Renaissance und Humanismus bildet sich das Nationalepos heraus. Alte Stoffe der Heldensage und Motive des höfischen Romans werden verwoben und auf die jeweils eigene Nation des Dichters zugeschnitten; zu nennen sind hier L. Ariostos „Orlando furioso“, T. Tassos „Gerusalemme liberata“, A. de Ercilla y Zúñigas „La Araucana“, L. Camões’ „Die Lusiaden“ und J. Miltons „Paradise Lost“.

In der Zeit der Aufklärung entstehen Klopstocks biblisches Epos „Der Messias“, das dem Pietismus und dem Empfind-samkeit verbunden ist, und C. M. Wielands „Oberon“, der die galante Ritter- und Feenwelt wieder entdeckt. Goethe knüpft mit „Hermann und Dorothea“ bewusst an die homerische Tra-dition an, verbindet bürgerliche Anschauung und idyllische Inhalte mit der alten Form des Hexameters; mit dem „Reineke Fuchs“ griff er die Form des Tierepos auf. Literaturtheoretisch gilt im 18. Jh. zunehmend der Roman als die moderne Form des Epos, das mit dem Übergang zum 19. Jh. fast ausschließ-lich als historische Gattung angesehen wird. So entstehen vor allem historische Epen, u. a. V. von Scheffels „Trompeter von Säckingen“ oder C. F. Meyers „Huttens letzte Tage“. Die Epen des 20. Jh.s sind weniger geschichtlich ausgerichtet, sondern orientieren sich an Themen der als krisenhaft empfundenen Moderne, so C. Spittelers „Olympischer Frühling“, T. Däublers „Nordlicht“, G. Hauptmanns „Till Eulenspiegel“. Nach 1945 kommt die Epenproduktion zu einem Ende; sehr vereinzelt entstenden Großgedichte in Anlehnung an die epische Tradition, so H. M. Enzensbergers „Untergang der Titanic“ oder D. Grünbeins „Vom Schnee“.

http://www.uni-essen.de/litera[...]ktiv/Vorlesungen/epik/epos.htm

Epos: http://www.krref.krefeld.schul[...]/referate/deutsch/r0463t00.htm

Roman [französisch], eine der Großformen der epischen Lite-ratur. Als Roman wird in der Regel ein umfangreicher, in Pro-sa verfasster, fiktionaler erzählerischer Text bezeichnet. Grenzformen sind u.a. der Vers- und der Kurzroman. Die in-haltliche und formale Vielfalt des Romans ist nahezu unbe-grenzt. Versuche, den Roman in den Rahmen einer litera-rischen Gattungstheorie einzuordnen, sind problematisch, weil er sowohl die übrigen literarischen Gattungen als auch alle anderen Sprach- und Textformen als Material benutzen kann und so alle Gattungsgrenzen sprengt. Mehr als die anderen li-terarischen Gattungen ist der Roman für die individuelle Lektüre bestimmt.

In allen Epochen befriedigten Romane den Wunsch nach Un-terhaltung. Erst im 18. Jh. trennte sich vom Unterhaltungs-roman der literarische Roman im engeren Sinne, in den alle Themenbereiche, die zuvor anderen Gattungen vorbehalten waren, Eingang fanden und dessen Form nach ästhetischen Kriterien beurteilt wird. Bis heute gehört jedoch der größte Teil der Romanproduktion zur Unterhaltungsliteratur.

Die Romanliteratur kennt eine große Zahl verschiedener Er-zähltechniken, die ein oft sehr komplexes Geschehen in das Nacheinander des Erzählverlaufs übertragen. Die Erzählung kann der Handlung geradlinig folgen, aber auch Zukünftiges vorwegnehmen oder in die Vergangenheit zurückgreifen. Der Erzähler kann verborgen bleiben oder das Geschehen in unter-schiedlichem Maße kommentieren.

Romane oder romanartige Erzählungen gibt es in fast allen schriftlichen Kulturen. Ihr Ursprung wird in der Aneinander-reihung von Bestandteilen mythischer Erzählungen gesehen, die sich aus ihren ursprünglichen Bedeutungssystemen gelöst hatten.

Die Antike kannte zwar seit dem Hellenismus Texte, die heute als Romane bezeichnet werden; sie verfügte jedoch weder über eine entsprechende Bezeichnung, noch beschäftigte sich die antike Dichtungstheorie mit dem Roman. Die verschie-denen Episoden der antiken Romane werden meist durch eine Erzählung über die Trennung und Wiedervereinigung von Lie-benden miteinander verbunden. In der römischen Kaiserzeit entstanden lateinische Romane aus freien Bearbeitungen grie-chischer Vorbilder (Petronius: „Satiricon“, 1. Jh. n. Chr.; Apuleius, „Der goldene Esel“, 2. Jh.).

In der höfischen Gesellschaft des Hochmittelalters entstand der in Versen verfasste höfische Roman, der sich um eine idea-lisierende Darstellung der ritterlichen Lebensform bemühte.

Die Erfindung des Buchdrucks und das Entstehen eines brei-ten Lesepublikums begünstigten vom 16. Jh. an eine umfang-reiche Romanproduktion. Mit F. Rabelais’ „Gargantua und Pantagruel“ (1532-1562) und M. de Cervantes’ „Don Quijote“ (1605-1615) entstanden die ersten großen neuzeitlichen Romane. Von den verschiedenen Romanformen der Barock-literatur (u.a. Schäferroman, enzyklopädisch angelegter Für-stenroman) erlangte vor allem der sich seit dem Ende des 16. Jh.s von Spanien aus verbreitende Schelmen- oder Picaro-roman Bedeutung für die spätere Romanproduktion („Lazaril-lo de Tormes“ 1554; M. Alemán: „Guzmán de Alfarache“ 1599-1604; H. J. C. von Grimmelshausen: „Simplicissimus“ 1669). Er stellte die zeitgenössische Gesellschaft aus der Per-spektive eines Außenseiters dar.

Um die Wende zum 18. Jh. löste der bürgerliche Roman den Barockroman ab. Themen des Barockromans wurden im Sinne der bürgerlichen Moral und Empfindsamkeit interpretiert; neue, das bürgerliche Selbstbewusstsein ausdrückende Themen wurden – z. B. in den Robinsonaden – entwickelt. An die Stelle des belehrenden und unterhaltenden Erzählens traten reflektierende Schreibweisen, die das subjektive Weltbild eines Erzählers formulierten (z. B. im Briefroman des 18. Jh.s). Vorbilder für ganz Europa wurden im 18. Jahrhundert englische Romane (S. Richardson: „Pamela“ 1740; H. Fielding: „Tom Jones“ 1749; L. Sterne: „Tristram Shandy“

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1759-1767). An ihnen orientierten sich auch Wieland („Aga-thon“ 1766/67) und Goethe („Wilhelm Meisters Lehrjahre“ 1795/96), die dem bürgerlichen Roman in Deutschland zur Anerkennung verhalfen. In diesen Romanen wird meist die Geschichte eines individuellen Helden erzählt, die sowohl von dessen Natur wie von der Auseinandersetzung mit äußeren Umständen bestimmt wird. Am deutlichsten prägte sich diese Tendenz im Entwicklungsroman und – vor allem in Deutsch-land – im Bildungsroman aus. Mit den für ein breites Publi-kum produzierten Räuber- und Schauerromanen einerseits und moralisch-sentimentalen Erzählungen andererseits bildete sich im 18. Jh. auch der Trivialroman im modernen Sinne heraus. Die romantischen Romane (Novalis: „Heinrich von Ofterdingen“ 1802; E. T. A. Hoffmann: „Die Elixiere des Teufels“) stellten Selbstreflexion, Fantasie, Virtuosität und Spiel, oft am Beispiel einer Künstlerexistenz, in den Mittel-punkt.

Zur Zeit der Romantik entstand der im 19. Jh. immer wieder variierte historische Roman (W. Scott: „Waverley“ 1814), wenig später im Gegensatz zur Romantik und z. T. als Über-tragung des historischen Romans auf die Gegenwart der für das 19. Jh. typische realistische Gesellschaftsroman. Die rea-listischen Romanciers fassten den Roman als ein Mittel zur Abbildung der Wirklichkeit auf und bezeichneten ihre Ar-beitsweise z. T. als wissenschaftlich. Ihre Romane weiteten sich einerseits bis zum Porträt der ganzen Gesellschaft der Epoche in Romanzyklen aus (H. de Balzac: „Die menschliche Komödie“ 1829-1854; É. Zola: „Die Rougon-Macquart“ 1871-1893); andererseits wurde die Psyche des Einzelnen mit immer mehr verfeinerten Mitteln beschrieben (G. Flaubert: „Madame Bovary“ 1857; F. Dostojewskij: „Die Brüder Kara-masow“ 1879/80). Im 19. Jh. entstanden auch der oft schon „industriell“ produzierte, in Fortsetzungen in der Presse er-scheinende Feuilletonroman und der Kriminalroman.

Seit der ersten Hälfte des 20. Jh.s zweifeln die bedeutendsten Romanautoren an der Erfassbarkeit von Individuum und Ge-sellschaft mit den Mitteln des realistischen Romans. Essayis-tische Passagen reflektieren eine dem direkten Erzählen nicht mehr zugängliche Realität (M. Proust, T. Mann, R. Musil); statt der äußeren wird eine „romanimmanente“ Wirklichkeit dargestellt (F. Kafka, S. Beckett); das einheitliche Subjekt löst sich im inneren Monolog auf (J. Joyce, A. Döblin); der Über-blick des Erzählers über das Erzählte erscheint selbst als Fiktion (A. Gide). Die Romanliteratur der 2. Hälfte des 20. Jh.s orientierte sich einerseits an verschiedenen historischen Vorbildern wie dem Schelmenroman (G. Grass), dem realis-tischen Roman (H. Böll, A. Moravia), den Romanen der ersten Jahrhunderthälfte (U. Johnson). Andererseits entwickelte man experimentelle Schreibweisen (Nouveau Roman, Wiener Gruppe). Die Postmoderne, die einheitsstiftende Leitideen ablehnt, hat die Tendenz zu einer beinahe unbegrenzten For-menvielfalt noch verstärkt. Im 20. Jahrhundert hat Europa die Stellung des Zentrums der Romanproduktion verloren. Montage- und collageartige Romantechniken wurden vor allem in den USA entwickelt (J. Dos Passos, W. Faulkner). Die bedeutenden lateinamerikanischen Romanciers verbinden die Traditionen des europäischen Romans mit Erzählmotiven aus der Mythologie und Realgeschichte des Kontinents (A. Carpentier, G. García Márquez, C. Fuentes, M. Vargas Llosa u.a.).

Auch außerhalb Europas bestehen bedeutende Traditionen der Literaturform des Romans. Als frühe Beispiele sind zu nen-nen: die aus dem Indien des 7./8. Jh. stammenden „Erlebnisse der zehn Prinzen“ von Dandin; als ein erster Höhepunkt in Japan der von der Hofdame Murasaki Shikibu kurz nach 1000 geschriebene Roman „Die Geschichte des Prinzen Genji“; in China neben historischen Romanen des 14./15. Jahrhunderts z.B. der als Sittengemälde angelegte Roman „Pflaumenblüten in der Goldvase“ (16. Jh.).

Lit.wiss. Def. des Romans: In einem Vertiefungsprogramm zum Selbststudium der Literaturwissenschaften, bereitgestellt von der Uni Essen, findet man einen fachspezifischen Über-blick zum Begriff sowie einige Literaturhinweise zum Themahttp://www.uni-essen.de/litera[...]tiv/Vorlesungen/epik/roman.htm

Mittlere Formen

Erzählung, im weiteren Sinne Sammelbegriff für alle epi-schen Gattungen, im engeren Sinne eine kürzere Textform, deren Gattungsmerkmale weniger klar definierbar sind und die daher viele Formen in sich vereint. Sie steht im Umfang zwi-schen Roman und Novelle, ist im Allgemeinen aber weniger kunstvoll aufgebaut als diese und beinhaltet eine Schilderung von tatsächlichen oder erfundenen Ereignissen oder Handlun-gen; meist in Prosa gehalten, in der eigenständigen literari-schen Form der Verserzählung seit dem 16. Jh. vorkommend.

Novelle [italienisch, „Neuigkeit“], eine Erzählung, die ein un-gewöhnliches, für die beteiligten Personen wichtiges einzelnes Ereignis berichtet und ohne Umschweife auf den Höhepunkt der Handlung zustrebt. Eine Novelle enthält nur das, was zum Verständnis der Handlung unbedingt notwendig ist; daraus ergeben sich eine knappe, gestraffte Form und ein vom Inhalt her bestimmter, meist dramatischer Stil (überwiegend in Prosa). Die nicht genau festgelegte Kurzgeschichte ist in der Regel nicht so streng durchgeformt.

Novellen oder ähnliche Erzählungen gab es schon in der Antike und in der höfischen Welt des Mittelalters. Der erste Höhepunkt der Novellendichtung ist G. Boccaccios Novellen-sammlung „Decamerone“, die vielfach nachgeahmt wurde. Andere bedeutende Sammlungen sind die „Canterbury-Erzäh-lungen“ in Versen von G. Chaucer, das „Heptameron“ der Margarete von Navarra und die „Exemplarischen Novellen“ von M. de Cervantes Saavedra. Mit Goethe begann eine neue Epoche der Novellendichtung. In den „Unterhaltungen deut-scher Ausgewanderten“ und in den „Wahlverwandtschaften“ sind mehrere Novellen eingebaut. Mit Goethes Dichtung „Novelle“ beginnt auch die Reihe der bedeutenden Einzel-novellen (H. von Kleist, „Michael Kohlhaas“). Die Novelle der Romantik neigt teilweise zum Märchenhaften. Bekannte realistische Novellen schrieben A. von Droste-Hülshoff („Judenbuche“), G. Keller, C. F. Meyer und T. Storm. Im 20. Jh. bemühten sich vor allem T. Mann, H. Mann, R. Musil, A. Döblin, G. Grass um eine geschlossene Novellenform.

http://www.uni-essen.de/litera[...]v/Vorlesungen/epik/novelle.htm

Sage, die mündlich überlieferte Erzählung einer für wahr gehaltenen oder auf einem wahren Kern beruhenden Begeben-heit; im Lauf der Zeit ausgeschmückt und ständig umgestaltet. Stoff oder Motiv einer Sage können von anderen Völkern und Kulturen übernommen sein (Wandersagen), werden aber gewöhnlich mit landschaftlichen und zeitbedingten Eigentüm-lichkeiten und Anspielungen vermischt. Beliebte Figuren der Sage sind Riesen, Zwerge, Elfen und übermenschliche Helden. – Die Natursagen erklären auf ihre Art seltsame Natur-erscheinungen oder -ereignisse. Die Geschlechtersagen behandeln die Entstehung und Geschichte eines bekannten Ge-schlechts. Die Heldensagen schmücken die Abenteuer eines großen Helden aus; sie schließen sich oft zu Sagenkreisen zusammen (z.B. um Dietrich von Bern).

http://www.uni-essen.de/litera[...]ktiv/Vorlesungen/epik/sage.htm

Eine umfangreiche Zusammenstellung bekannter Sagen und Legenden als Online-Texte im Projekt Gutenberg:http://gutenberg.spiegel.de/sagen/sagen.htm

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Anekdote [griechisch], kurze und unterhaltende, witzige oder belehrende Erzählung über seltsame historische Ereignisse oder bezeichnende Handlungen, Taten oder Worte geschicht-licher Persönlichkeiten.

http://www.uni-essen.de/litera[...]/Vorlesungen/epik/anekdote.htm

Kurzgeschichte, epische Kleinform mit offenem, häufig über-raschend pointiertem Schluss; bevorzugt Darstellung von Grenzsituationen ohne logische Handlungsverkettung, oft auch Erhellung eines Charakters. Die Kurzgeschichte entwi-ckelte sich in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren aus der amerkanischen Shortstory. Bekannte Autoren: W. Bor-chert, H. Böll, H. Bender, W. Schnurre, M. Kaschnitz.

http://www.uni-essen.de/litera[...]sungen/epik/kurzgeschichte.htm

Fabel [lateinisch fabula, „Erzählung“], die Handlung einer erzählenden oder dramatischen Dichtung. Bei modernen Bühnenwerken und bei Drehbüchern spricht man statt von Fabel von Plot.

Fabel [lateinisch fabula, „Erzählung“], eine erzählende Lehr-dichtung in Prosa oder Vers, in der häufig menschliche Cha-rakterzüge, Sitten und Redeweisen auf Tiere übertragen wer-den (Tierfabel) und dadurch eine allgemein verbindliche Er-fahrung oder sittliche Wahrheit an einem Beispiel veranschau-licht wird. Kern einer jeden Fabel ist die Kritik an einer menschlichen Schwäche und damit inbegriffen eine ableitbare Verhaltensregel, die in Form einer „Moral“ der Erzählung nachgestellt oder in diese eingeflochten ist.

Formen von Fabeldichtungen finden sich zu allen Zeiten und in allen Erzähltraditionen der Völker; früheste Zeugnisse reichen bis in die sumerische Zeit zurück. Ihre für die abend-ländische Literatur nachhaltigste Gestaltung erfuhr die Fabel im 5. Jh. v. Chr. durch Äsop; in der deutschen Literatur des Mittelalters wurden einzelne Fabeln aus lateinischen Samm-lungen als lehrhafte Exempel verwendet. Erst im 15. Jh. ent-standen ganze Sammmlungen in der Nachfolge Äsops (H. Steinhöwels „Esopus“), erstmalig wurden Fabeln der indisch-arabischen Erzähltradition ins Deutsche übersetzt. Im 16. Jh.s erreichte die Fabel im Dienst von Humanismus und Reforma-tion ihren ersten Höhepunkt (E. Alberus, H. Sachs); im 17. Jh. wurde die antike und lateinische Fabeltradition durch die fran-zösische verdrängt; durch J. de La Fontaine erhielt die Gattung eine geistvolle Zuspitzung und einen politischen Gehalt. Die Aufklärung schätzte die Fabel in besonderem Maße und nutzte sie für die Verbreitung bürgerlicher Tugenden (Ch. F. Gellert, F. von Hagedorn, M. G. Lichtwer, G. E. Lessing u.a.). Nachfolgende Schriftsteller griffen die Form vor allem in satirischer, zeitkritischer oder zitierender Weise auf (u.a. H. Heine, F. Kafka, B. Brecht).

http://www.uni-essen.de/litera[...]tiv/Vorlesungen/epik/fabel.htm

Fabel: http://www.krref.krefeld.schul[...]/referate/deutsch/r0381t00.htm

Parabel [die; griechisch], eine einfache metaphorische Erzäh-lung, die dazu benutzt wird, einen erzieherischen Gedanken, eine sittliche Idee oder eine Lebensweisheit sinnfällig zu verdeutlichen. Bekannte Parabeln sind die des Neuen Testa-ments (dort meist Gleichnis genannt) und G. E. Lessings „Ringparabel“ in „Nathan der Weise“.

http://www.uni-essen.de/litera[...]v/Vorlesungen/epik/parabel.htm

Märchen [mittelhochdeutsch mære, „Kunde, Erzählung“], eine kurze, mündlich oder schriftlich verbreitete Prosa-erzählung, die von fantastischen Zuständen und Vorgängen berichtet. In einer zeitlich und räumlich nicht festgelegten Sphäre greifen übernatürliche Mächte in die Alltagswelt ein: Tiere oder Pflanzen nehmen menschenähnliche Gestalt an und können reden; Menschen werden zu Tieren oder Pflanzen verwandelt; Zauberer, Hexen, Riesen, Zwerge, Drachen und Feen beschützen oder gefährden den Menschen. Die einem Märchen zugrunde liegende Weltordnung ist immer einfach:

Der Gute wird letztlich belohnt, der Böse bestraft. Die Ge-stalten des Märchens sind meist feste Typen: z.B. ein König, ein Fischer, ein armes Mädchen u.Ä.

Märchenhafte Motive und Erzählformen finden sich zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt. Vorformen existieren etwa im Gilgamesch-Epos, in der indischen Fabelsammlung Pañcatantra (vor 500 n. Chr.) oder in der christlich-mittelalter-lichen Gesta Romanorum. Die ersten Märchensammlungen stammen aus Italien (u.a. G. Basiles „Pentameron“ 1634-1636); zum Ende des 17. Jh.s brachten besonders französische Autoren wie C. Perrault oder Madame d’Aulnoy Märchen-stoffe in eine verbindliche Form. Übertragungen ins Deutsche durch C. M. Wieland und J. K. A. Musäus machten die Erzähl-form im 18. Jh. auch in Deutschland populär. Zum Gat-tungsbegriff wurde das Märchen jedoch erst mit der Samm-lung der „Kinder- und Hausmärchen“ (1812/1814) der Brüder J. Grimm und W. Grimm.

Märchen waren ursprünglich für Erwachsene gedacht, erst im Verlauf des 19. Jh.s. wurden sie wegen ihrer vermeintlichen Irrationalität der Kinderliteratur zugeordnet. Die Bezeichnung Volksmärchen spiegelt die in der Romantik geprägte Annahme wider, es handele sich hierbei um „im einfachen Volk“ entstandene und nur mündlich weitergegebene Texte. Die heutige Forschung hat jedoch erwiesen, dass fast immer eine schriftliche Vermittlung zugrunde liegt, und definiert damit nun Märchen, deren Autor sowie Entstehungszeit und -ort unbekannt sind. Das Kunstmärchen als wichtige Gattung der Romantik übernimmt Motive und Erzähltechniken des Volks-märchens, ist jedoch das Werk eines bestimmten Dichters. Die bekanntesten Kunstmärchen schrieben L. Tieck, J. W. Goethe, C. Brentano, E. T. A. Hoffmann, W. Hauff, E. Mörike, T. Storm und H. C. Andersen. Im Kunstmärchen ist hinter der vom Volksmärchen übernommenen Naivität eine nur sym-bolisch angedeutete Welt- oder Kunstanschauung verborgen, die den einzelnen Figuren und Begebenheiten eine tiefere Be-deutung verleiht und die diese Gattung daher auch für das erwachsene Lesepublikum unserer Zeit attraktiv macht (A. de Saint-Exupéry).

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Schwank, humorvolle Erzählung über eine komische Bege-benheit oder einen listigen Streich; nicht so pointiert wie die Anekdote und nicht so straff gebaut wie die Novelle, weniger derb als die Zote. Die lockere Handlung ist ohne tiefere Pro-blematik, die Charaktere sind nur schwach ausgeprägt. Schon frühzeitig haben sich feste Typen herausgebildet, z.B. das zänkische Weib oder das dumme Bäuerlein. – Der Schwank des Mittelalters enthielt teilweise Motive aus der Antike und dem Orient. Seit dem 13. Jh. wurden Schwanksammlungen zusammengestellt (Der Stricker: „Der Pfaffe Amis“; später „Eulenspiegel“, „Schildbürger“ u.a.).

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