Protokoll der Open Aid Data Konferenz

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OPEN Konferenzprotokoll Open Aid Data Konferenz Heinrich-B ll-Stiftung Berlin, 29. September 2011 ö

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Report of the Open Aid Data conference on the 28th and 29th Sept. 2011 in Berlin. The report is in German.

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OPENKonferenzprotokoll

Open Aid Data Konferenz

Heinrich-B ll-Stiftung Berlin, 29. September 2011ö

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung............................................................................3

II. Warum Transparenz in der EZ?.............................................4

III. WALK-THE-TALK I - Beispiele für Transparenz in der EZ..........8

IV. Beyond Aid......................................................................12

V. WALK-THE-TALK II – Open Data in der Praxis........................14

VI. Offene Daten in der Praxis ................................................16

VII. Abschlussvortrag von Peter Eigen: Wider die Furcht vor der

Transparenz..........................................................................18

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I. Einleitung

Um die Armut zu bekämpfen und um die Millennium Entwicklungsziele zu erreichen, muss die internationale Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wirksamer werden. Dies ist die Kernbotschaft der Aid Effectiveness Agenda, die seit 2003 auf drei von der OECD organisierten hochrangigen internationalen Treffen diskutiert und weiterentwickelt wurde. In diesem Prozess hat die internationale Gemeinschaft eine Reihe von Prinzipien und konkrete Ziele zur Wirksamkeit der EZ vereinbart. Das Fundament der Aid Effectiveness Agenda insgesamt ist die Transparenz. Durch Transparenz der EZ erlaubt eine bessere Planung und Koordination der EZ, die Aufdeckung von Ineffizienz und Korruption sowie eine verbessertes Lernen aus den bisher gemachten Erfahrungen. Im Juli 2011 hat die OECD eine Evaluierung der Umsetzung der Aid Effectiveness

Agenda veröffentlicht. Laut dieser Evaluierung ist die bisherige Um-setzung der Vereinbarungen nicht zufrieden stellend. Insbesondere im Hinblick auf die Transparenz und vor allem auf Seiten der Geldgeber sei noch großer Handlungsbedarf. Vor diesem Hintergrund fand Ende September 2011 die Open Aid Data Konferenz in Berlin statt. Nur wenige Wochen vor dem 4. High Level Forum über die Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit

im südkoreanischen Busan kamen auf dieser Konferenz Datenaktivisten und Entwick-lungsexperten zusammen, um über die Veröffentlichung, die Nutzung und den Mehrwert von Daten in der EZ debattieren.

Christian Kreutz und Geraldine de Bastion stellten zu Beginn Claudia Schwegmann als Initiatorin der Konferenz vor. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Evaluierung von Entwicklungsprojekten und ist Direktorin der 2009 gegründeten Organisation OpenAid die sich für Transparenz in der EZ einsetzt. In Ihrer Begrüssung betonte Claudia Schwegmann, dass die internationale Gemeinschaft auf dem High Level Forum 2008 die Bedeutung der Transparenz für effektive EZ, für gute Planung und für eine Beteiligung der Bevölkerung anerkannt habe. Doch mit einigen löblichen Ausnahmen lasse Transparenz gerade auf der Geberseite auf sich warten. Die Open Aid Data Konferenz werde zeigen, so Schwegmann, dass Transparenz möglich sei. Darüber hinaus werde

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Abbildung 1: Christian Kreutz und Geraldine de Bastion

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Transparenz auf der Konferenz in den weiteren Kontext der Open Data Bewegung betrachtet. „Open Data“ so die Initiatorin der Konferenz, sei ein Paradigmenwechsel in der politischen Kultur hin zu Offenheit. „Offenen Daten gehört die Zukunft“, auch wenn das manch einem nicht gefalle.

Abschließend dankte Claudia Schwegmann den Trägern dieser Konferenz – Transparency Inter-national Germany, Open Knowledge Foundation und Heinrich-Böll-Stiftung sowie OpenAid – und den Sponsoren: One Germany, Oxfam Germany, das deutsche Sekretariat von Transparency International und die Land Coalition.

II. Warum Transparenz in der EZ?

Den einleitenden Vortrag der Konferenz hielt Beris Gwynne, Direktorin für Global Accountability bei World Vision. Frau Gwynne ist zudem die Vertreterin der International NGO Accountability Charter im Steering Committee der International Aid Transparency Initiative (IATI). Beris Gwynne betonte zu Beginn ihrer Rede, dass Transparenz nicht neu sei. Seit Jahrzehnten werde über einen allgemeinen Zugang zu entwicklungspolitischen Daten debattiert. Wer keinen Zugang zu den relevanten Informationen habe, könne nicht

aus den Fehlern anderer lernen. Er/Sie sei gezwungen, das Rad ständig neu zu erfinden. Für World Vision (43 000 Mitarbeiter, Jahresbudget von 2,5 Mrd. $) als einer auf mehreren Feldern und in 90 Ländern tätigen christlichen NGO sei Transparenz – sowohl intern als auch nach außen – eine ethische Erfordernis und der Schlüssel zum Charakter einer lernenden Organisation. Transparenz sei eines von fünf Prinzipien, zu denen sich World Vision im Interesse der Rechenschaft nach außen verpflichtet habe (mehr dazu:).

Außerdem gebe es dort Richtlinien zum Umgang mit whistleblowern, damit deren Informationen den Aufsichtsgremien zur Kenntnis gelangen. Einige Erkenntnisse habe man inzwischen gewonnen: Eine unsortierte Informationsflut nützt niemandem; auch gebe es unter den Mitarbeitern von Worldvision viele Bedenken gegen Transparenz. Diese Bedenken beruhen oft auf kulturellen Unterschieden im Umgang mit Transparenz. Um diese kulturelle Kluft UnterstützerInnen und KritikerInnen zu überwinden, brauche es geschulte Experten. Oft werde beispielsweise gefragt, wer die Daten zu welchem Zweck nutzen wolle. Trotz der Bedenken hat Worldvision die

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Abbildung 2: Claudia Schwegmann und Beris Gwynne

Abbildung 3: Beris Gwynne

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Transparenzagenda vorangetrieben. Die Vorteile der Transparenz seien bereits nach wenigen Jahren offensichtlich geworden. Frau Gwynne wünschte sich ausdrücklich, dass staatliche Instanzen eine führende Rolle übernehmen, um Transparenz weiter zu fördern.Die Daten aufzubereiten, damit alle „sie lesen, darauf zugreifen, sie herunterladen und nutzen“ können und sie zuvor auf ihre Korrektheit zu prüfen, sei zeit- und arbeits-aufwendig und – das räumte sie auf Nachfrage ein – damit auch eine Kostenfrage, die vor allem kleinere Organisationen belastet. Man müsse trennen zwischen den relevanten, leicht zu erschließenden Daten und dem Rest. Damit Daten einen deutlichen Mehrwert schaffen, seien Standards nötig, an den alle NGOs in ihrer Rechenschaftslegung halten können. Deshalb beteilige sich World Vision an der Arbeit der International NGO Charta for Accountability.

Eine andere Sichtweise auf das Thema Transparenz und offene Daten bot der zweite Vortrag der Konferenz. Ronald Siebes vom niederländischen Außenministerium

berichtete über die Erfahrungen seiner Behörde mit IATI, der „International Aid Transparency Initiative“, die im Lauf der Tagung eine zentrale Rolle spielte (Mehr dazu weiter unten im Beitrag von Isabel Bucknall und der Abschlussrede von Peter Eigen). Das niederländische Außenministerium ist einer der ersten Organisationen, die zum Zeitpunkt der Konferenz ihre Daten in offenen Standards gemäß den IATI Anforderungen veröffentlicht hatte. Ronald Siebes war für diese Arbeit innerhalb des niederländischen

Außenministeriums verantwortlich. Siebes berichtete, dass er in den vergangenen fünf bis zehn Jahren weltweit immer mehr Schulen gesehen habe, die an der Tafel den Eltern Rechenschaft über das von ihnen ausgegebene Geld gaben – Transparenz auf der Graswurzelebene. Es gebe aber nicht die gleiche Transparenz bei der Frage, wo das Geld herkam. So könne beispiels-weise der niederländische Botschafter dem mosambikanischen Finanzminister kaum gesichert Auskunft darüber geben, aus welchen Quellen in seinem Land wie viel Entwicklungsgeld nach Mosambik fließe. Vor allem können die Bürger Mosambiks von ihrer Regierung nicht erfahren, wie viel Geld diese von ausländischen Gebern erhalten habe und was damit geschehen sei. Auch sein eigenes Ministerium, so Siebes, brauche präzisere Daten zur Bewertung der niederländischen EZ. Nur dann könne sie vor skeptischen SteuerzahlerInnen gerecht-fertigt werden. Deshalb haben die Niederlande und andere internationale Akteure der EZ 2008 den Accra Aktionsplan (AAA) verabschiedet. Dieser Aktionsplan sehe u. a. die regelmäßige Offenlegung von Ausgaben vor. Auf dem High Level Forum in Accra 2008 wurde auch die IATI auf den Weg gebracht, um die Transparenzverpflichtungen der AAA konkret umzusetzen. IATI sehe auch Standards für die Offenlegung der Daten in einem maschinenlesbaren Format vor und formuliert einen Code of Conduct für Transparenz in der EZ. Die Niederlande haben dabei ihre Hausaufgaben gemacht,

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Abbildung 4: Ronald Siebes

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sagte Siebers. Am 13. September 2011 veröffentlichten sie als fünfter IATI-Unterzeichner weltweit nach Großbritannien, Australien, der Hewlett Foundation und der Weltbank ihre EZ-Daten nach den IATI-Standards. Sie umfassen Angaben zu 33.000 Vorgängen, die alle drei Monate aktualisiert werden.

Ronald Siebes hob hervor, dass eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung von IATI die klare Unterstützung seitens der niederländischen Regierung und des nieder-ländischen Parlaments gewesen sei. So wurde diese Transparenzinitiative auch von unterschiedlichen politischen Lagern getragen, u.a. von einer Partei, die sich davon Argumente für eine Halbierung der niederländischen EZ erhoffte und einer anderen Partei, die durch mehr Transparenz die Höhe der niederländischen EZ verteidigen wollte. Hilfreich bei der Umsetzung sei auch die Überzeugungsarbeit innerhalb des Ministeriums und die Erfahrungen anderer Geldgeber gewesen. Siebes brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das bevorstehende Treffen in Busan zu weiteren Fort-schritten in der Transparenz führe. „Ich bin sehr überzeugt, dass mehr Transparenz uns ermöglicht zu lernen, was funktioniert und was nicht“, resümierte er. Letztlich komme es darauf an, dass die Eltern in den Schulhöfen der Welt ihre Politiker zur Rechenschaft auffordern können.

Nach den Erfahrungen einer Nichtregierungsorganisation und eines Ministeriums, berichtete Prasanna Lal Das in seinem Vortrag über die Erfahrung der Weltbank mit Transparenz, IATI und offenen Daten. Ganz zu Beginn seiner Rede machte Lal Das den Zuhörern Mut. Offene Daten seien sicherlich eine Herausforderung, doch die

Schwierigkeiten offene Daten bereitzustellen seien am Ende oft geringer seien als erwartet. Im April 2010 hatte Weltbank-Präsident Robert Zoellick bekanntgegeben, dass seine Institution eine der verlässlichsten und umfassensten Datensammlungen mit mehr als 2000 Indikatoren über die Wirtschaft der sich entwickelnden Ländern frei zugänglich gemacht habe. Lal Das sagte, man die Weltbank habe verstanden, dass diese Daten für Dritte nur dann nützlich seien, wenn sie wirklich gut aufbereitet

wurden – und man müsse die Bearbeitung der Daten selbst aktiv vorantreiben. Seit kurzem seien nun auch die Finanzen der Weltbank zugänglich, sodass das Budget und die Zahlungsströme von allen und mit minimaler zeitlicher Verzögerung, teilweise von nur vier Wochen, nachvollzogen werden können. Alle diese Daten können auch in andere Websites eingebunden sowie auf Facebook oder Twitter benutzt werden. Inzwischen gebe es auch eine App für Smartphones. In einem kurzen Video demonstrierte er die Möglichkeiten, die die Weltbank damit geschaffen hat. Er betonte, dass dies keine Einbahnstraße sein solle, sondern dass die Weltbank nun neugierig auf das Feedback aus ihren Partnerländern sei. Die Bereitstellung von offenen Daten sei nur ein Anfangspunkt, um den Fluss von Informationen insgesamt zu verbessern und die Weltbank plane noch sehr viel zu unternehmen, um dies zu

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Abbildung 5: Prasanna Lal Das

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erreichen. So habe die Weltbank ihre Internetpräsenz völlig neu und sehr viel übersichtlicher gestaltet. Viele Projekte seien auch mit geographischen Angaben versehen, damit sie auf digitalen Landkarten verortet werden können.

Als nächstes will die Weltbank diese Website in weiteren Sprachen zugänglich machen, den Datenstand stetig ausweiten, ihn auf zusätzlichen Rechnerplattformen

nutzbar machen und so die Nutzung der Daten durch BürgerInnen weltweit fördern. Schon jetzt wird die Datenseite der Weltbank häufiger aufgerufen als ihre Homepage oder die Seite mit den offenen Stellen. Bereits im ersten Monat der Datenveröffentlichung gab es 15.000 Zugriffe, und es sei deutlich geworden, dass die Daten nicht nur von Fachleuten aufgerufen wurden.

Auf Fragen der ZuhörerInnen erklärte Lal Das, dass andere Teilorganisationen der Weltbank noch nicht so weit mit der Transparenz seien und es auch aufgrund des teilweise kommerziellen Charakters ihrer Tätigkeit nie sein können. Im Hinblick auf den Aufwand der Datenveröffentlichung sei es wichtig, dass die Eingabe von Daten durch die Mitarbeiter deren Arbeitsbelastung nicht erhöhe, sondern möglichst ein integraler Bestandteil ihrer Tätigkeit sei. Im Gespräch hob der Weltbankexperte auch nochmal die Wichtigkeit der geografischen Verortung der Daten hervor. Nur so können vor allem die Nutznießer der EZ erkennen, was in ihrem jeweiligen Ort/Bezirk/Land passiert („Geo-Awareness“). In der Diskussion mit den KonferenzteilnehmerInnen wurde angemerkt, dass die Daten über Geldflüsse noch nicht sichtbar machen, welche möglicherweise schädlichen Auswirkungen Projekte der Weltbank haben. Lal Das stimmte zu, dass es wichtig wäre, dies zu tun, aber verwies darauf, dass es dafür bisher noch keinen guten Weg gebe. Die Weltbank lege Wert darauf, einen Dialog etwa über die sozialen Medien zu führen. „Es ist wirklich wichtig, die Leute dazu zu bekommen, über das zu reden, was wir tun“.

Die drei einleitenden Vorträge hat die OpenKnowledge Foundation als Video veröffentlicht.

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III. WALK-THE-TALK I - Beispiele für Transparenz in der EZ

Nach den drei einleitenden Vorträgen wurde die Relevanz und die Machbarkeit von Transparenz in der EZ illustriert. In der Konferenzteil „Walk-the-talk“ wurden sechs konkrete Beispielen für Transparenz in der EZ in sechs unterschiedlichen Räumen präsentiert. Für jedes Beispiel fand eine Kurzpräsentation mit anschließenden Fragen der Teilnehmer statt. Die TeilnehmerInnen der Konferenz wurde für diesen Konferenzteil in sechs Gruppen eingeteilt, die mit einem Moderator von Beispiel zu Beispiel ging und dabei als Gruppe zusammenblieb.

1) Transparent Aid (TA) ist eine NGO, die vor allem versucht, Wege für ein Feedback der Hilfeempfänger zu eröffnen und sie Vorschläge machen zu lassen, wie Hilfe effektiver geleistet werden könnte. Eine der Gründer von Transparent Aid, Fola Yahaya, stellte diese Initiative vor. Transparent Aid, so Fola Yahaya, arbeitet vor allem in Nigeria. Ausgangspunkt der Arbeit sei die Überzeugung, dass die BürgerInnen vor Ort von Anfang bis Ende an der Planung, Begleitung und Kontrolle der Projekte beteiligt sein müssen. Kommunikationskanäle sind dabei ebenso wichtig wie eine Verständlichkeit der Berichte. Das Konzept ist grundsätzlich als „participatory management“ bekannt, TA will aber darüber hinausgehen.

TA will eine Plattform bieten, die nicht nur online funktioniert, sehr wichtig ist die Einbeziehung von Mobilfunk und SMS. Die Heinrich-Böll-Stiftung ist seit zehn Jahren in Nigeria an einem Projekt beteiligt, bei dem es um Training von RechtsberaterInnen für Arme und Analphabeten geht, vor allem Frauen . TA veranstaltete einen Workshop mit etwa 40 NutzerInnen dieses Projekts, um feedback auf einer weitgehend standardisierten Basis zu bekommen. Es gab Anreize, an dem Workshop teilzunehmen (kostenlose Busfahrt, Erfrisch-ungen) Eine Beteiligung war auch über eine kostenlose Telefonnummer möglich, dazu wurde eine Website für die Außen-darstellung erstellt.

2) Die International Aid Transparency Initiative (IATI): Isabel Bucknall von aidinfo gab einen Überblick über die International Aid Transparency Initiative. Aidinfo ist neben dem britischen Entwicklungshilfeministerium (DFID) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) die dritte Organisation im Sekretariat von IATI. IATI wurde auf dem OECD High Level Forum in Accra 2008 auf Initiative Großbritanniens und der Niederlande gegründet. Es ist ein Netzwerk von bilateralen, multilateralen und nichtstaatlichen Gebern zu Verbesserung der Transparenz ihrer Arbeit. Vertreter von Partnerländern und von zivilgesellschaftlichen Organisationen sind im Leitungs-

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Abbildung 6: Fola Yahaya

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gremium von IATI vertreten. Zum Zeitpunkt der Konferenz gab es 21 Geber-organisationen und 22 Unterstützerregierungen, die IATI unterstützten. Zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Berichts ist die Zahl der teilnehmenden Organisa-tionen noch weiter angewachsen. Bei Umsetzung von IATI durch die Geldgeber werden über 75% der weltweiten ODA Mittel in einem einheitlichen Standard zugänglich sein. In ihrer Kurzpräsentation beschrieb Frau Bucknall die Informationslage in der EZ im September 2008: Es habe eine Unmenge an Daten gegeben, die für Geberländer, ParlamentarierInnen, NGOs und Empfänger schwer zu finden, schwer zu verstehen, aus technischen Gründen schwer zu nutzen gewesen seien. Zudem seien diese Daten bis zu zwei Jahre alt, unvollständig und nicht vergleichbar. Die Folgen, so Frau Bucknall, seien schlechte Planung und die fehlende Möglichkeit Geldflüsse nachzuverfolgen. All dies verringere die Akzeptanz der EZ in der breiten Öffentlichkeit.Die Vertreter des IATI Sekretariats berichtete, dass nach einer intensiven Konsultationsphase der internationalen Standard für EZ Daten verabschiedet im Februar 2011 verabschiedet wurde. Der Standard beschreibt Typen von zu veröffentlichenden Daten, die Definition von Kategorien für Detailinformationen (z.B. Sektorcodes) sowie ein einheitliches elektronisches Format (Extensible Markup Language oder .xml) zur Ermöglichung der Maschinenlesbarkeit. Frau Bucknall betonte, dass IATI keine neue Datenbank und auch kein Datenarchiv sei, sondern nur ein für alle Beteiligten verbindlicher Standard für Daten. Darüber hinaus bietet die IATI Initiative ein Datenregister. Diese Webseite stellt die Links zu den Datensätzen auf den Webseiten der einzelnen Geldgeber zusammen und dient somit als Zugangspforte zu den veröffentlichten Daten.

Das Register macht Daten über EZ Mittel leicht auffindbar, vergleichbar und aggregierbar. Dadurch sollen Geberländern in die Lage versetzt werden, Duplikationen von Projekten zu vermeiden. Empfängerländern hingegen sollen genauer über in ihr Land fließende Hilfsgelder informiert sein. In diesem Zusammenhang ist eine präzise geografische Verortung der Projekte entscheidend. Durch das IATI Register, so Frau Bucknall, soll es auch Korruption und Mißbrauch von EZ Geldern erschwert werden. Für die Zukunft sei angestrebt, auch die Resultate von Projekten der EZ durch IATI zugänglich zu machen.Frau Bucknall beendete ihre Präsentation mit der Feststellung, dass IATI seit Februar von vielen Seiten Unterstützung bekommen habe. Es bleibe aber eine große Heraus-forderung, die bestehende technischen Probleme, Verwaltungs-hürden und die Skepsis in den Geberländern zu überwinden. Das größte Hindernis sei die Angst der Geldgeber, die Kontrolle über die Daten zu verlieren und nicht zu wissen, wie sie genutzt werden.

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3) Zivilgesellschaftliches Aid Monitoring in Georgien: Georgien hatte nach dem Krieg mit Russland mit schweren Zerstörungen seiner Infrastruktur zu kämpfen hatte. Georgien erhielt Hilfszusagen über 4,5 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie der jährliche Staatshaushalt des kleinen Kaukasusstaats beträgt. Daher wurde die NGO-Koalition „Transparent Aid for Georgia“ gebildet. Die Open Society Foundation Georgia gehörte zu den sechs Partner dieser NGO Koalition. Irina Lashki von der Open Society Foundation Georgia berichtet über diese Initiative zur Transparenz in der EZ auf nationaler Ebene. Die Projektmanagerin von der OSF berichtete, dass es zu Beginn der Hilfszahlungen an Georgien keine öffentlichen Angaben darüber gab wer was wo förderte. Das Georgische Finanzministerium war bereit, der NGO-Koalition zwei Monate lang Zugang zu allen Daten zu gewähren. Daraufhin erstellten das Aid-Monitoring Netzwerk eine „Geber-Matrix“. Bei der Nachverfolgung der Finanzmittel stießen die NGO Vertreter schon bald auf Korruptionsfälle, etwa bei dem Bau von Häusern für Binnenflüchtlinge. Drei Firmen sicherten sich den Zuschlag bei den Ausschreibungen – und alle drei Firmen gehörten demselben Regierungsmitarbeiter. Die Firmen hatten zwar den günstigsten Preis geboten, bei Vertragsabschluss aber einen Aufschlag von 80 bis 100 Prozent gefordert. „Wir haben daraus einen Skandal gemacht und die Geberländer alarmiert“. Als Konsequenz aus diesem Skandal kam es in Georgien zu einer Gesetzesänderung, nach der der endgültige Preis bei staatlichen Ausgaben nicht mehr als zehn Prozent über dem Gebot liegen dürfe.

Frau Lashki erklärte, dass es nicht sicher sei, ob die Offenheit der georgischen Regierung dauerhaft sein werde. Zwar gebe es eine Antikorruptionsstrategie der Regierung, aber sie sei nicht effektiv. Aus der Geber-Matrix der NGO Koalition entstand eine Website die täglich 2000-mal genutzt wird (allerdings nur in georgischer Schrift und Sprache).

4) Wozu ist Korruption gut? Andreas Westerwinter, ein langjähriger Experte für Entwicklungszusammenarbeit und Berater der Regierung der Salomonen, überraschte die TeilnehmerInnen mit einem Rollenspiel. Ziel des Rollenspiels war es die Notwendigkeit von Transparenz im Erziehungssektor zu demonstrieren. Er schlüpfte in die Rolle des Beraters des Kultusministers der Salomonen Inseln. Er forderte die Teilnehmer auf, ihm zu helfen, Argumente dafür zu finden, um die Vergabe von zwölf internationalen Stipendien an acht Kinder von Regierungsmitgliedern zu verteidigen. Es fiel den TeilnehmerInnen schwer, in die neue Rolle zu schlüpfen, obwohl sie damit nur die gängige Praxis vieler Regierungen nachspielen müssten. Die üblichen Aus-reden seien, dass der Fall zu unbedeutend sei, um sich damit zu befassen, oder dass die Kritiker sich ja offenbar in fremde Angelegenheiten einmischen.

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Abbildung 7: Irina Lashki

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5) Transparenz und Feedback auf Projektebene: Die niederländische AKVO Stiftung (www.akvo.org) ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Transparenz in der EZ konkret aussehen kann. AKVO setzt vor allem auf die Nutzung von online Lösungen, Internet und Mobilfunk, um das Feedback von Bürgern in den Projekten zu verbessern. Thomas Bjelkemann-Pettersson, einer der Gründer von AKVO, stellte diesen Ansatz vor. Für ihn als IT Fachmann, so Bjelkemann-Pettersson, gehe es immer um dasselbe Anliegen: Projekte öffentlich zu machen, auf Landkarten zu zeigen, zu visualisieren und dadurch Kommunikation zu verbessern. Zu diesem Zweck stellt AKVO open-source-Software zur Verfügung. Darüber hinaus arbeitet AKVO vor allem an dem Projekt „Real-Simple-Reporting“. Dieses Projekt hat das Ziel, es Projekten einfach zu machen, sich im Internet zu präsentieren. Viele niederländische nichtstaatliche Geber haben bereits die AKVO Platform genutzt, um ihre Projekte darzustellen. Verschiedene Beteiligte im Projekt (Mitarbeiter, Management, Nutznießer, Geldgeber) können auf der Projektseite bei AKVO Kommentare und Feedback zum Projekt geben. Die neueste Weiterentwicklung von AKVO ist die Möglichkeit, auch über Mobilfunk Feedback auf die Webseite zu , wobei neuer Input auch per Mobiltelefon hinzugefügt werden kann.präsentieren.

6) Geocoding: Anna Lauridsen von Development Gateways stellte das sechste Beispiel für Transparenz in der EZ dar. Development Gateways ist eine NGO, die sich aus der Weltbank heraus gebildet hat und die seit mehreren Jahren mit zwei US-amerikanischen Universitäten im AidData Projekt zusammenarbeitet. AidData stellt

das Bemühen dar, Informationen über EZ Projekte weltweit seit den 60 Jahren in einer Datenbank zusammenzustellen. Nach Jahren intensiver Recherchearbeit ist die noch immer unvollständige Datenbank ist seit März 2010 online. Das Geocoding Projekt ist eine Weiterentwicklung dieser Arbeit von AidData und zielt darauf ab, die vorhandenen Projektinformationen um geographische Daten zu erweitern. Konkret sollen soweit möglich

Längen und Breitegrade eines Projektgebietes oder Namen von Orten registriert werden. Eindrückliche Beispiele für das Geocoding Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Weltbank Institut durchgeführt wird, sind auf der Webseite zu finden. Geographische Daten zu Projekten ermöglichen beispielweise die Analyse der Projektallokation unterschiedliche Geldgeber in Bezug auf Armutsindikatoren. AidData arbeitet in Kollaboration mit IATI – der IATI Standard soll mittelfristig auch geographische Daten miteinbeziehen. Die Konferenz Teilnehmer hoben die Geocoding Präsentation als besonders interessant hervor. Sie lobten auch das Format des Walk-the-Talk als abwechslungsreich.

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Abbildung 8: Thomas Bjelkemann-Pettersson

Abbildung 9: Anna Lauridsen

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IV. Beyond Aid

Der Nachmittag der Konferenz stand unter der Überschrift Offene Daten. Um den Teilnehmern eine konkrete Vorstellung davon zu geben, was was es mit offenen Daten auf sich hat, wurden zunächst die Ergebnisse des Hackdays am Vortag präsentiert. Der Hackday war von der Open Knowledge Foundation Deutschland (OKF) organisiert worden und seine Ergebnisse können im Blogbeitrag von Christian Kreutz nachgelesen werden. Im Anschluss daran führte Friedrich Lindenberg (OKF) mit einer Kurzpräsentation in das Thema offene Daten ein.

Was sind „offene Daten“? In seinem Vortrag erklärte Lindenberg anhand von mehreren Beispielen was offene Daten sind und wie sie Mehrwert im öffentlichen und privaten Sektor schaffen können. Der Programmierer und Experte für offene Daten bezog sich dabei nicht mehr nur auf die EZ, sondern stellte das Konzept offene Daten in den breiteren politischen Kontext. Offene Daten seien deshalb so wichtig, so Lindenberg, weil „das Beste, was mit deinen Daten geamcht werden kann, jemand Fremden einfallen wird.“

Zentral für das Konzept der offenen Daten sei die Frage des Urheber- bzw. Nutzungsrechts. In der EU ist dies besonders strikt. In den letzten Jahren wurden zwei neue Konzepte des Nutzungsrechts entwickelt: „Creative Commons“ und „open data commons“. Negativ bewertet Lindenberg die „nichtkommerzielle Lizenz“. Damit ist gemeint, dass Dritte Daten nur für nichtkommerzielle Zwecke nutzen dürfen. Dadurch werde der Wert von Daten als Gemeingut beschränkt. Zudem sei auch die

Umsetzung solch einer Lizenz wenig praktikabel. Der zweite Kerngedanke von offenen Daten ist neben der Lizenzfrage die technische Offenheit. Daten sollen maschinenlesbar sein. Nur so können große Datenmengen genutzt werden und innovative Anwendungen programmiert werden. Nach dieser eher technischen Einführung gab Friedrich Lindenberg dann einen Überblick über den Stand von offenen Daten in der politischen Praxis. In Berlin wurde im September 2011 ein offenes Datenportal eingerichtet, das sich in der Praxis noch bewähren muss. Das Bundesinnenministerium hat einen App-Wettbewerb ausgeschrieben, der für staatliche Stellen ein Anstoß zur Veröffentlichung der Daten sein soll. Im internationalen Vergleich hängt Deutschland allerdings eher zurück im Bezug auf

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Abbildung 10: Friedrich Lindenberg

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offene Daten. Auf der Ebene der Europäischen Kommission treibt die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes die Freigabe von öffentlichen Daten in offenen Formaten voran und schlägt eine EU-Open Data Strategie vor. Auf globaler Ebene haben sich 46 Staaten unter der Führung der USA und Brasiliens zu der Open Government Partnership zusammengetan, bei der offene Daten eines der Themen ist. Der Aktivist für offene Daten Lindenberg bedauerte, dass Deutschland nicht Teil der Open Government Partnership sei. Auf Rückfragen der TeilnehmerInnen erläuterte Lindenberg, dass die Gender-Debatte bei den Bemühungen um Daten-offenheit wenig Berücksichtigung finde, da persönliche Angaben wie das Geschlecht in der Regel ausgeklammert seien. Eine weitere Frage bezog sich auf die Diskussion von offenen Daten in der Privatwirtschaft. Lindenberg erklärte, dass Unternehmen sich erst sehr behutsam an das Thema heranwagen, Nike sei eines der ersten. Ein Projekt zum Thema offene Daten in der Wirtschaft sei open corporates.

Erfahrungen beim Hackday am Vortag: Jura Khrapunov vom UNDF in Bratislava erarbeitete eine kurze, überschaubare Handlungsanweisung für Organisationen, die das Konzept der offenen Daten umsetzen wollen. Andere Teilnehmer arbeiteten praktisch mit der Datenbank der OECD. Eine dritte Gruppe hatte sich vorgenommen,

die Adressen der weltweiten Bürostandorte der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung zu ermitteln und zusammenzutragen. Es sei ziemlich mühsam gewesen. Die einzige Nichthackerin beim Hackday am Vortag war Beris Gwynne, die Direktorin von Worldvision Genf und Vertreterin der INGO Accountability Charter. Frau Gwynne beschrieb ihre Erfahrungen mit scraping als „mit einem

Netz nach Daten fischen“. Sie kam zu dem Schluss, dass Daten alleine nicht helfen. Erst die entwicklungspolitische Erfahrung erlaube die Daten sinnvoll zu nutzen. Andernfalls bestehe die Gefahr eher ziellosen Datensammelns.

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V. WALK-THE-TALK II – Open Data in der Praxis

Nach der kurzen Einheit im Plenum folgte eine zweite Runde „walk-the-talk“ mit dem Fokus auf open data Projekten. Ziel dieser zweiten Runde war es, den TeilnehmerInnen ein Gefühl für die praktische Bedeutung und Umsetzung von offenen Daten zu vermitteln.

1) Transparenz imStaatshaushalt: Open spending ist ein Projekt der OpenKnowledge Foundation zur Visualisierung des Staatshaushaltes. Friedrich Lindenberg, einer der Verantwortlichen dieses Projektes, stellte die deutsche Version „Offener Haushalt“ vor. Für Offener Haushalt waren keine offenen Daten verfügbar – die Haushaltsdaten auf den Webseiten der Bundesregierung war nicht in maschinenlesbaren Formaten. Daher mussten die Programmierer die Daten mühsam zusammengetragen werden. Eine vergleichbare Initiative ist „Where does my money go“, das bereits 2005 in Großbritannien geschaffen wurde. Auf dieser Webseite wird dargestellt, wieviel Geld jeder Steuerzahler je nach Jahreseinkommen pro Tag für bestimmte staatliche Aufgaben bezahlt.

2) Transparenz im schwedischen Gesundheitssektor: Claudia Schwegmann demonstrierte den Nutzen einer offenen Bewertung von Leistungen von Kranken-häusern für die Verbraucher in Schweden. Dort gibt es ein privates Internet-Portal , auf dem man medizinische Einrich-tungen finden kann, die bestimmte Leistungen anbieten oder für bestimmte Gebiete und Therapien spezialisiert sind. Sie können von den Patienten bewertet werden, wie gut und wie schnell sie jeweils gearbeitet haben. Man kennt bei uns dieses Prinzip von Hotel- und Urlaubs-bewertungen. Diese Transparenz hilft anderen Patienten bei der Wahl eines Hospitals und schafft Anreize, Mängel abzustellen. Dieses Projekt ist vergleichbar mit einer Studie im Gesundheitssektor in Uganda, bei die öffentliche Bewertung von Gesundheitszentren anhand einiger ausgewählter Kriterien (Sauberkeit, Vorhandensein von Medikamenten, etc.) zu einer Reduktion der Kindersterblichkeit um 33% führte. In der Diskussion hinterfragten einige TeilnehmerInnen, ob solch ein System nicht missbraucht werden könne. Laut Claudia Schwegmann basiere diese Initiative auf der Selbstregulation durch die Bürger – wie beispielsweise auch das online Lexikon Wikipedia. In der Regel funktioniere die Selbstregulation gut.

3) Offene Verkehrsdaten: Stefan Wehrmeyer führte vor, welchen Nutzen man von offenen Daten im öffentlichen Nahverkehr haben kann. In New York City ist es

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möglich, eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mithilfe von GoogleMaps zu planen, in Berlin ist es das jedoch nicht, da die Daten der Berliner Verkehrsbetriebe nicht offen sind. Man kann zwar auf der Website der BVG eine Fahrt planen, es ist anderen Internetdiensten aber nicht möglich, diese Daten direkt und kostenfrei zu nutzen. Beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, zu dem die BVG gehört, beginne man allerdings einzusehen, dass dies negative PR nach sich zieht. Ein Quasi-Standard namens General Transit Feed Specification (GTFS) existiert bereits und wird in vielen Städten angewandt. Wehrmeyers Webseite zeigt, wo. Dort wird auch eindrucksvoll visualisiert, welchen Radius um einen gegebenen Ort man in einem bestimmten Zeitraum mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.

4) Wirkungsbeobachtung von Hilfsprojekten: Wäre es nicht wünschenswert, wenn man das Wirken von Hilfsorganisationen in den sich entwickelnden Ländern auf einer Landkarte beobachten könnte? Die Initiative von Constantin Sayn-Wittgenstein und drei Kollegen haben genau dies mit Bettermap versucht. Die Plattform soll sich „zu einem nützlichen Werkzeug für die Arbeit vor Ort“ entwickeln, heißt es auf der

website. Sayn-Wittgenstein beschrieb das zugrundeliegende Konzept des crisismapping oder crowdmapping (siehe auch die Plattform Ushahidi), bei dem Informationen, beispielsweise über Katastrophen oder Menschenrechts-verletzungen, per SMS geliefert werden können und dann auf einer Karte abgebildet werden. Das Problem der Initiative ist die ungeheure Menge von

Informationen, die ihnen zugeliefert werden müsste, um umfassend und effektiv zu sein. Die Datenbeschaffung sei eine konzeptionelle Herausforderung, räumte Sayn-Wittgenstein ein. Der Aufwand, den z. B. das Office for the Coordination of Humanitarian Affairs der Vereinten Nationen (UNOCHA) mit seiner website Reliefweb betreibt, zeigt, wie groß diese Herausforderung sein dürfte. Diese Webseite wird täglich aktualisiert und enthält auch Landkarten zu laufenden Krisen, verzichtet aber auf das Element des crowdmapping.

5) Lokaler Nutzen offener Daten: Wenn Daten in offenen Formaten zur Verfügung gestellt werden, können unterschiedliche Daten leicht kombiniert werden. So zum Beispiel geographische Daten (Landkarten) mit Verkehrsdaten oder Informationen zu öffentlichen Dienstleistungen. Eine Reihe von Projekten weltweit experimentiert mit der Nutzung von offenen Daten auf lokaler Ebene. In Deutschland ist „Frankfurt-Gestalten“ ein Beispiel für solch eine Initiative. Christian Kreutz, der Moderator der Konferenz und Mitorganisator, ist der Begründer dieser lokalen Initiative. Er erklärte, dass auf der Webseite lokale Informationen, wie Beispielsweise Ratsentscheidungen sichtbar gemacht werden und Bürger eingeladen werden, sich an politischen Diskussionen zu beteiligen. Je mehr Daten beispielsweise über Bildungseinrichtungen, Dienstleistungen der Stadtverwaltung oder Verkehrsprojekte in die Webseite eingebunden werden können, um so qualitativer kann Beteiligung der Bürger sein.

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6. Berlin Open Data Portal: Wie starte ich eine Open Data-Initiative in meiner Stadt? In seinem Praxisbericht erklärt Daniel Dietrich, von der Open Knowledge Foundation Deutschland, wie es in Berlin gelungen ist innerhalb von zwei Jahren das Thema Open Data auf die politische Agenda zu setzen. „Offene Daten“? - wozu soll das gut sein? Vor zwei Jahren war Open Data noch ein Thema für Geeks. Es gab in Berlin, wie in ganz Deutschland, fast niemand in Politik und Verwaltung der sich ernsthaft mit Open Data, Open Government und Transparenz beschäftigte. Das hat sich geändert: Heute hat Berlin mit der Seite daten.berlin.de als eine der ersten Städte in Deutschland einen Katalog für offene Daten. Open Data und Open Government werden von allen politischen Parteien debattieren. Der wirtschaftliche Wert von offenen Daten für Innovationen einerseits, wie der gesellschaftliche Nutzen von transparentem Regierungs- und Verwaltungshandeln sind allgemein anerkannt.

Geschehen konnte dies in Berlin, weil Verwaltung und Zivilgesellschaft sich gemeinsam an einen Tisch gesetzt haben, um gegenseitige Missverständnisse abzubauen und gemeinsam Lösungen zu finden. Was banal klingt ist es tatsächlich nicht – zu verschieden erscheinen am Anfang die Lebensrealitäten beider Seiten. Zivilgesellschaftliche Akteure müssen Strukturen von Verwaltungshandeln verstehen und Verwaltungen sich auf ganz neue Arbeitsweisen einstellen. Doch durch diesen Dialog, so Dietrich, war es möglich Verwaltungsmitarbeiter zu Change Agents zu machen, die offene Daten in ihrer Behörde offensiv vertreten. Welches waren die Hindernisse und welches die Faktoren, die für die erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung einer Open Data-Strategie für Berlin entscheidend waren? Dietrich betont wie wichtig der Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Experten aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft in diesem Prozess war und ist. Nachdem es den zivilgesellschaftlichen Organisationen gelang das Thema auf die politische Agenda zu setzen, entstand eine gewisse Wettbewerbssituation zwischen deutschen Städten: München, Bremen und Berlin wollten die „Vorreiterrolle“ in Sachen Open Data für sich beanspruchen. Diese Wettbewerbssituation und die mediale Aufmerksamkeit nutzend ist es in Berlin gelungen innerhalb relativ kurzer Zeit vom Open Data Zero zum Hero zu werden.

VI.Offene Daten in der Praxis

Nachdem dem umfangreichen und vielfältigen Input auf der Konferenz war die zweitletzte Arbeitseinheit dem Austausch und der Diskussion gewidmet. Die Fragestellung für die Diskussionsgruppen war „Was können die einzelnen

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Abbildung 11: Daniel Dietrich und Christian Kreutz

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TeilnehmerInnen in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern für mehr Transparenz tun? Die TeilnehmerInnen wurden in drei Untergruppen geteilt: NGOs, staatliche Träger der EZ sowie für Datenaktivisten. Sie fassten anschließend die Ergebnisse stichwortartig zusammen. Einige Schlaglichter aus diesen Diskussionen:

Die MitarbeiterInnen staatlicher Institutionen wie der GIZ oder der KfW in Deutschland haben bislang noch Mühe, die Daten entsprechend der Standards für offene Daten zur Verfügung zu stellen. Die Niederlande sind da weiter (s.o.) Die

Trennung, was vertraulich bleiben muss und was veröffentlicht werden kann, fällt schwer. In den Niederlanden sind auch die nichtstaatlichen Organisationen bereits weiter mit dem Thema offene Daten. So hat sich nach dem Erdbeben in Haiti das Open-for-Change Netzwerk für offene Daten in der Entwick-lungszusammenarbeit gegründet, das bereits sehr kooperativ mit der niederländischen Regierung zusammenarbeitet. Daten alleine genügen nicht. Sie müssen auch für eine breite

Öffentlichkeit aufbereitet werden. Erfahrungen aus dem Journalismus können dabei sehr hilfreich sein. Auch gilt es in Zukunft verstärkt Werkzeuge zur praktischen Nutzung der Daten zu entwickeln. Im Aktivismus für mehr offene Daten ist es schwierig, die richtige Taktik zwischen Kooperation und Konfrontation zu finden. Die Perspektive der Skeptiker muss auch gehört werden.

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Abbildung 12: Rolf Kleef von Open-for-Change

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VII. Abschlussvortrag von Peter Eigen: Wider die Furcht vor der Transparenz

Der ehemalige Mitarbeiter der Weltbank und Gründer von Transparency International bezeichnet sich als Weltbürger und bekannte, dass ihm die technischen Aspekte von offenen Daten und der Datennutzung eher fremd seien. Aber er sei ein starker

Verfechter von Transparenz und einige der wichtigsten Initiativen für mehr Transparenz gehen auf ihn zurück: Transparency International und die Extractive Industries Transparency Initiative, die seit vergangenem April von der früheren britischen Entwicklungsministerin Claire Short geleitet wird. Auch bei der Gründung der wenige Tage zuvor ins Leben gerufene Open Government Partnership sei er involviert gewesen. Jede

Initiative, die Bürgern mehr Mitsprache und Einfluss ermögliche, sei zu begrüßen, natürlich auch die Forderung an Regierungen und Institutionen nach Offenlegung verfügbarer Daten.

Er zog Bilanz, wie weit sich diese Maxime durchgesetzt habe: Unter der Führung James Wolfensohns habe sich die Welt-bank bis 2005 vom Saulus zum Paulus in Sachen Offenheit gewandt. Zuvor habe man Korruption noch als notwendiges Übel hingenommen, und man habe sich vehement gegen seine Bemühungen gesträubt, sie mit einer zusammen-hängenden Strategie zu bekämpfen. Der Schlüssel für mehr Transparenz sei die Zusammenarbeit von Regierungen, Zivilgesellschaft und des Privatsektors – in seinen Worten ein magisches Dreieck. Heute seien 35 Staaten Mitglied von EITI, ein Dutzend erfülle sämtliche Anforderungen. Aber er warnte auch: Zahlen machten kein einziges Kind satt. Sie sagten auch beispielsweise nichts über Umweltfolgen aus. Transparenz sei nur ein Sprungbrett, um bessere und zielgerichtetere Regierungsführung durchzusetzen.

Zum Abschluss der Konferenz zog Claudia Schwegmann eine positive Bilanz. Es habe sie sehr gefreut, dass sie viel Feedback von TeilnehmerInnen bekommen habe, die die Präsentationen interessant fanden und die begeistert über die neugewonnenen Erkenntnisse gewesen seien.

Bericht: Stefan SchaafPhotos: Volker Agueras Gäng ©

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Abbildung 13: Prof. Dr. Peter Eigen