Psychosozial-Verlag · te Suizidversuche beging, in denen sich abgekapselte Schuldgefühle Bahn...

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PSYCHOANALYSE IM WIDERSPRUCH 59/2018 Psychosozial-Verlag

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PSYC

HOANALYSE

IMWIDERSPRUCH59/2018

Psychosozial-Verlag

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Impressum

Psychoanalyse im Widerspruch

ISSN 0941-5378

Herausgeber:Institut für Psychoanalyse und PsychotherapieHeidelberg-Mannheim (IPP) und Heidelber-ger Institut für Tiefenpsychologie (HIT)

Redaktion:Hans Becker, Helmut Däuker, Anja Guck-Nigrelli, Lily Gramatikov, Parfen Laszig, Hel-mut Lüdeke, Gerhard Schneider, MatthiasRichter, Sabine Schluckwerder, Rolf Vogt

Leitender Redakteur:Parfen [email protected]

Redaktionsadresse:Institut für Psychoanalyse und PsychotherapieHeidelberg-MannheimAlte Bergheimerstraße 5D-69115 HeidelbergTelefon und Telefax: 0 62 21/18 43 45

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Inhalt

Editorial 5

Hauptbeiträge

Der jüdische Psychoanalytiker und Emigrant Adolf Josef Storferunter nationalsozialistischer Beobachtung 9Die gelbe Post – eine deutschsprachige Emigrantenzeitschriftaus ShanghaiRoland Kaufhold

The American Adam –zwischen Unschuldsbehauptung und Tätertraumata 47Ein Versuch, das Phänomen »Trump« vor dem Hintergrundtief verwurzelter amerikanischer Mythen zu verstehenBeate West-Leuer

Zeichnungen von Elisabeth Faulhaberaus der Sammlung Prinzhorn 65Phänomenologische und psychoanalytische Skizzenim Ausgang von Merleau-PontySonja Frohoff

Der melancholische Vampir 93Zu Jim Jarmuschs Only lovers left aliveHelmut Däuker

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Humanitäre Hilfe in Zeiten tödlicher Abschottungspolitik 101Zivile Seenotrettung auf der zentralen MittelmeerrouteThomas Kunkel

Rezensionen

Andreas Mayer (2016). Sigmund Freud zur Einführung 109Sabine Schluckwerder

Karin Nitzschmann, Johannes Döser, Gerhard Schneider &Christoph E. Walker (Hrsg.). (2017). Kulturpsychoanalyse heute –Grundlagen, aktuelle Beiträge, Perspektiven 116Ludwig Janus

Leuzinger-Bohleber, M., Arnold, S. & Solms, M. (Hrsg.). (2017).Das Unbewusste. Eine Brücke zwischen Psychoanalyseund Neurowissenschaften 123Helmut Däuker

Müller, M. & Radbruch, L. (2017). Hoffnung – ein Drahtseilakt.Fachzeitschrift für Krisen, Leid Trauer, 1/2017 133Christa Hack

Veranstaltungen 137

Psychoanalyse und Film 139

Inhalt

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Editorial

Psychoanalyse im Widerspruch, Nr. 59, 30(1), 5–7www.psychosozial-verlag.de/piwiDOI 10.30820/8240.01

Die Psychoanalyse ist seit ihren Anfängen eine Wissenschaft, die sich mit demhistorischen Gewordensein des einzelnen Menschen, aber auch von Mensch-heitsgeschichte und Kollektiven befaßt: Geschichte kreuzt und durchkreuztLebensläufe von Menschen und formt diese als äußere Realität mit. Indivi-duelle Biographien sind verstrickt mit und geprägt von Geschichte in Gestaltkollektiver Mythen, herrschender Ideologien, Zeitgeschehen, Wissenschaftund Politik. Menschen schreiben aber auch Geschichte, indem sie ihr Lebenentwerfen und leben und mit ihren Lebensäußerungen am kollektiven, his-torischen Narrativ mitwirken. Und wenn der Psychoanalytiker AntoninoFerro die Psychoanalyse als (Geschichten-)»Erzählkunst« bezeichnet, be-nennt er damit auch den zukunftsorientierten, kreativen, ja utopischen Polder Psychoanalyse als Therapieform.

Wie gehen Menschen mit den Umständen, in die sie hineingeboren wer-den, durch die Zeitläufte oder Schicksal hineingeraten, um? Wie bewältigensie die Entwicklungsaufgaben, die sich ihnen dadurch stellen? Heldenhaft,kreativ, unverdrossen, kämpferisch, mutig, mit Gewalt, verleugnend? Dassind Fragen, die über den therapeutischen Rahmen der Psychoanalyse in diekulturelle Sphäre hinausgehen, aber auch Einblicke in Widerstandskraft undTraumatisierung angesichts erschütternder Erfahrungen geben. Die Persön-lichkeiten, um die es in diesem Heft geht, öffentliche, Außenseiter, isolierteund fantastische haben Wege gefunden, ihre Geschichte zu leben und Spu-ren zu hinterlassen. Die Autoren dieser Ausgabe haben sich dieser Spuren inhistorischen Dokumenten, Medien, künstlerischen Werken und Filmen an-genommen, haben sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven untersucht,Narrative entworfen und machen sie damit für unser Verstehen unserer undder Weltgeschichte fruchtbar.

Roland Kaufhold zeichnet in seinem Artikel den wechselvollen Lebens-weg des Psychoanalytikers, Juristen und Sprachforschers Adolf Josef Storferals jüdischer Emigrant von Wien nach Shanghai bis zu seinem frühen Todim Exil in Australien nach. Detailreich schildert er Storfers Fluchtbemühun-gen zwischen Verzweiflung und Hoffnung, sein schwieriges Ankommen inShanghai und wie er durch Neugier, Gestaltungswille und Optimismus wi-der alle Niederlagen schier unermüdlich weiter arbeitete. Ein Schwerpunkt

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liegt hierbei auf der Darstellung der von Storfer im Shanghaier Exil her-ausgegebenen deutschsprachigen psychoanalytischen Zeitschrift Die GelbePost. Kaufhold arbeitet anhand dieses Exempels als wichtigen Punkt für dieGeschichtsschreibung der Psychoanalyse heraus, daß Psychoanalytiker nichtwegen ihrer psychoanalytischen Schriften, sondern wegen ihres Judentumsverfolgt wurden. Erstere Version stelle eine »standespolitische Selbstideali-sierung« und Instrumentalisierung zur Verdeckung eigenen Rassismus dar.

Beate West-Leuer versteht das »Phänomen Trump« im Kontext ei-nes identitätsstiftenden, amerikanischen Heldenmythos, des paradiesischschuldfreien Kämpfertypus American Adam, das als verbindende kollekti-ve psychische Repräsentanz und Leitbild der politischen Führungskulturder USA von amerikanischen Präsidenten aufrecht erhalten werden muß.Die seelischen Auswirkungen dieses illusionären Unschuldsdogmas werdeneindrücklich am Fall des Vietnam-Veteranen und Präsidentschaftskandida-ten Colonel Gritz geschildert, der, als Kriegsheld gefeiert und in seinembewußten Erleben frei von Schuldgefühlen, massenhaft Menschen tötete,vor dem Hintergrund eines Tätertraumas aber auch mehrere verleugne-te Suizidversuche beging, in denen sich abgekapselte Schuldgefühle Bahnbrachen. Barack Obamas Verzicht auf die dem Mythos nach geforderte Un-schuldsfantasie durch die Benennung von Rassismus und Sklaverei in derGeschichte Amerikas stellen einen Tabubruch dar, der nach West-LeuersAnalyse zum Rollback in Gestalt der Wahl von Donald Trump führte, derdie vom Mythos geforderten Insignien in Reinform verkörpert.

Die Zeichnungen der Psychiatrie-Patientin Elisabeth Faulhaber sind Aus-gangspunkt der Analyse von Kunst im psychopathologischen Kontext beiSonja Frohoff. In ihrem rezeptionsästhetischen Ansatz einer »leiblichenBilderfahrung«, der die berührende, leiblich erfahrbare Wirkung des Bildesdem außen vor bleibenden Gesehenen überordnet, und mit einer lebensge-schichtlichen Perspektive kombiniert, nähert sie sich der innerpsychischenund äußeren Situation der Künstlerin an. Dem Unbewußten im Bild wirdmit Merleau-Ponty, Winnicott u.a. im wahrsten Sinne des Wortes am eige-nen Leib nachgespürt, um sich in die Künstlerin in ihrem Schaffensprozeßin ihrer spezifischen Situation einzufühlen. So werden die Werke Faulhabersentgegen einer Interpretation als Ausdruck ihrer Psychopathologie als »Or-te der Selbstrettung inmitten innerer und äußerer Entfremdung in der Not«gedeutet.

Eindimensionalen Filmhelden wie Batman und James Bond wird seit ei-niger Zeit eine Biographie ins Drehbuch geschrieben. Auch Vampire sind imklassischen Genre geschichtslose Nachtgestalten, gefangen in ewiger Wie-

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derholung. Demgegenüber hebt Helmut Däuker in seiner Analyse des FilmsOnly lovers left alive von Jim Jarmusch die Einführung von Zeitlichkeit undeiner Mehrgenerationenperspektive in der Geschichte der Vampire Adamund Eve hervor. Neu ist auch, daß die Vampire diejenigen sind, die in ei-ner heldenhaften Sublimierungsanstrengung auf frisches menschliches Blutverzichten, sich aus Konserven ernähren und doch die Kulturbringer sind,die Shakespeare und Schubert seinerzeit als Musen inspirierten. Der Filmist auch durch seine zahlreichen Verweise auf die menschliche Kultur- undWissenschaftsgeschichte eine »Metapher für den gegenwärtigen Zustanddes menschlichen Lebens« (Jarmusch).

Thomas Kunkels erschütternder Erfahrungsbericht über »HumanitäreHilfe in Zeiten tödlicher Abschottungspolitik« aus der zivilen Seenotrettungauf der zentralen Mittelmeerroute am Osterwochenende 2017 katapultiertuns mitten in einen aktuellen Brennpunkt der Geschichte. Der Bericht stelltdie LeserInnen vor die Frage, wie wir mit der historischen Situation desMassensterbens von Flüchtlingen an den Grenzen der EU umgehen. Mit Ab-schottung und Wegsehen oder mit Akten aktiven humanitären Engagementsgetragen von Empörung und persönlicher Berührung – wie der Autor?

Am Ende des Heftes finden Sie Rezensionen zu einer neuen Einführungzu Sigmund Freud von Andreas Mayer (Sabine Schluckwerder), zu Kul-turpsychoanalyse heute – Grundlagen, aktuelle Beiträge, Perspektiven vonKarin Nitzschmann, Johannes Döser, Gerhard Schneider und Christoph E.Walker (Ludwig Janus), dem Band Das Unbewusste – Eine Brücke zwischenPsychoanalyse und den Neurowissenschaften von Marianne Leuzinger-Boh-leber, Simon Arnold und Mark Solms (Helmut Däuker) und Hoffnung – einDrahtseilakt. Fachzeitschrift für Krisen, Leid Trauer von Monika Müllerund Lukas Radbruch (Christa Hack) sowie, wie immer, die Ausstellungsan-kündigungen der Heidelberger Prinzhorn-Sammlung und den Filmkalenderder Reihe »Psychoanalyse und Film« in Heidelberg und Mannheim.

Sabine Schluckwerderfür die Redaktion

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Der jüdische Psychoanalytikerund Emigrant Adolf Josef Storferunter nationalsozialistischer BeobachtungDie gelbe Post – eine deutschsprachige Emigrantenzeitschriftaus Shanghai1

Roland Kaufhold

Psychoanalyse im Widerspruch, Nr. 59, 30(1), 9–46www.psychosozial-verlag.de/piwiDOI 10.30820/8240.02

Zusammenfassung: In dieser Studie über den vielseitig begabten Psychoanalyti-ker, Juristen und Sprachenforscher Adolf Josef Storfer wird dessen Lebensweg alsjüdischer Emigrant von Wien nach Shanghai bis zu seinem frühen Tod im Exil inAustralien (1944) erinnert. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beschreibungder von Storfer im Shanghaier Exil herausgegebenen deutschsprachigen Exilzeit-schrift Die Gelbe Post. Weiterhin wird in dieser Studie erstmals ein Dokumentpubliziert, welches belegt, dass der Jude Storfer und dessen psychoanalytischenund kulturellen Studien auch im fernen Shanghai von Nationalsozialisten sorgfäl-tig beobachtet wurden: Ein offenkundig in Shanghai lebender Nationalsozialistempörte sich im Juli 1939 in Julius Streichers vulgär-antisemitischer nationalso-zialistischen Hetzzeitung Der Stürmer in einem umfangreichen Zeitungsbeitragüber das ungebrochen produktive psychoanalytische Wirken des Psychoanaly-tikers und jüdischen Flüchtlings (s.u.). Dieses Blatt vermochten auch Storfersehemalige, in Österreich und Nazideutschland verbliebene deutsche und österrei-chische »arische« Kollegen zu lesen. Dennoch: Psychoanalytiker wurden – allerstandespolitischen und geschichtsverleugnenden, in vielen Fällen latent antise-mitischen psychoanalytischen Geschichtsschreibungen zum Trotz, nur verfolgtund teils ermordet, weil sie Juden – oder weil sie, ganz vereinzelt, zusätzlichim Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren. Sie wurden nichtwegen ihrer psychoanalytischen Schriften verfolgt (vgl. Peglau, 2013; Kessler &Kaufhold, 2015). Die Geschichte der Psychoanalyse ist ohne ein Verständnis desewigen Antisemitismus nicht schreibbar.

1 Für Peter Finkelgruen (Köln), geboren in Shanghai als jüdisches Flüchtlingskind, Jugend inPrag und Israel, 1959 Übersiedelung nach Deutschland.

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