PV385076625X_Gesfoe
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Inhalt
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1
1 Gesundheit im Brennpunkt................................ 1 2 1 . 1 Was ist Gesundheitsförderung? Wem nützt
Gesundheitsförderung? Wessen Aufgabe ist Gesundheitsförderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2
2 Geschichtliche Entwicklung und kulturelle Wurzeln der Begriffe "Gesundheit" und "Krankheit" ....................... 1 5
II Individuum und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3 Subjektive und wissenschaftliche Vorstellungen von Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3 . 1 Gesundheit - ein mehrdimensionaler Begriff .............. 23 3 .2 Subjektive Gesundheitsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3 .2 . 1 Der Gesundheitsbegriff aus soziologischer und psychologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3 .3 Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit . . . . . . . . . . 30 3 .3 . 1 Persönlichkeitsmerkmale und Gesundheit . . . . . . . . 30 3 .3 .2 Gesellschaftliche Einflüsse auf die Gesundheit ... 33 3 .3 . 3 Arbeitsbedingungen und Gesundheit ... ..... ....... 35 3 .3 .4 Private Lebensformen: Einfluss von Familien-
stand, Familienkonstellation und Geschlechterrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
III Prävention und Gesundheitsförderung.............................. 39
4 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4 . 1 Formen von Präventionsmaßnahmen....................... 40
4. 1 . 1 Die Unterscheidung nach dem Zeitpunkt. .. ....... .40 4 . 1 .2 Die Unterscheidung nach dem Ziel.. ......... ........ 4 1 4 . 1 . 3 Die Unterscheidung nach der Methode .... ..... ... 4 3
4 . 2 Kritik a m Konzept der Prävention............................ 4 6 5 Gesundheitsförderung ..... .. ... ....... ........... ...... ... ............ 4 7
5 . 1 Ansatz und Methoden der Gesundheitsförderung .. ..... 48 5 .2 Gesundheitserziehung versus Gesundheitsförderung ... . 51
IV Gesundheitsförderung in Gesellschaft und Politik . . . . . . . . . . . . . . 55
6 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ................ ...... ... 58 6 . 1 Die Geschichte der WHO....................................... 58 6 .2 Meilensteine der WHO.......................................... 59
6 .2 . 1 Die Konferenz von Alma Ata (Kasachstan) . . . . . . . . 60 6 .2 .2 Die Konferenz von Ottawa (Kanada) ................ 61 6 .2 .3 Die Konferenz von Adelaide (Australien) . . . . . . . . . . 62 6 .2 .4 Die Konferenz von Jakarta (lndonesien) ........... 63
6.3 Projekte der WHO................................................ 64 6.3 . 1 WHO-Projekt "Gesunde Städte". ... ..... ....... .. .... 64
Gesundheitsförderung I Inha ltsverzeichnis
V Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
7 Wissenschaftliche Theorien über die Entstehung von Gesundheit und Krankheit............................................ 7 1 7 . 1 Lerntheorien .... ..... ........... .... .. ....... ....... : .............. 72
7 . 1 . 1 Klassische Konditionierung ........................... 73 7 . 1 . 2 Operante Konditionierung ...... ...... ..... ... .... .... 74 7 . 1 . 3 Lernen am Modell - die sozial-kognitive
Lerntheorie von Albert Bandura .............. ........ 75 7 .2 Persönlichkeitstheorien .. ..... ..... ... .... .. .. ... ... .... .. .. ... . 79
7 .2 . 1 Die Theorie der verletzlichen und unverletzlichen Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
7 .2 .2 Die Theorie der psychischen Gesundheit: eine integrative Persönlichkeitstheorie ....... ..... 80
7 .3 Stress- und Bewältigungstheorien . ... .. .... ........ ... ........ 83 7 .3 . 1 Reizzentrierte Stressmodelle ......... .......... . ... .... 84 7 .3 .2 Das reaktionszentrierte Stressmodell -
das Stresskonzept von Hans Selye . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 7 .3 .3 Transaktionale Stressmodelle -
das Stressmodell nach Richard Lazarus . . . . . . . . . . . . . 85 7 .3 .4 Das Modell des Belastungs- und
Überforderungsprozesses nach Leonard Pearlin . . 86 7 . 3 . 5 Das salutogenetische Konzept ................ ....... . 8 7 7 .3 .6 Psychosomatische und soziasomatische Modelle. 87
7 .4 Theorien zu Interaktions- und Sozialstruktur. . . . . . . . . . . . . . 88 7 .4 . 1 Strukturfunktionalistische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 7.4.2 Systemtheoretische Modelle ... ..... ... ..... .. ...... .. 89 7 .4 .3 Interaktionstheoretische Modelle .......... .. ....... 90 7 .4 .4 Public-Health-Theorien ... ..... .......... .. ............. 92
8 Zusammenfassung der wichtigsten theoretischen Hauptströmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 8 . 1 Gesundheit als Bewältigung von Anforderungen ... ... ... 94 8 .2 Gesundheit a ls Stadium des Gleichgewichts ............ ... 95 8.3 Relative Gesundheit . .... ........................................ . 96 8.4 Gesundheit als Reaktion auf gesellschaftliche
Gegebenheiten ..... .. .................... ..... ... .. ... ...... .... .. 9 7 9 Modelle von Gesundheit und Krankheit . .. .. ....... .... ... .. ...... 99
9 . 1 Krankheitsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 9 .2 Belastungs- und Bewältigungsmodelle ... ................... 100 9 .3 Das Devianzmodell ........................... .. .. .. ............ . 100 9 .4 Das sozialisationstheoretische Modell nach
Klaus Hurrelmann .. ... ...... ..... ........................ ... .. .. . 102 9 .5 Das Mandala-Modell nach Trevor Hancock ........ .. ... ... 104 9 .6 Der Setting-Ansatz .. ... ... ........ ...... .... .... ... .. ....... .. ... 105 9 . 7 Das Konzept der Salutogenese nach Aaron Antonovsky .. 106
9 . 7 . 1 Die Bedeutung der Salutogenese für das Praxisfeld Pflege .. . .. .................... ... . ... .... ...... 109
G esundheitsförderung I I nhaltsverzeichn is
VI Gesundheitsförderung in der Gesundheits- und Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 5
10 Gesundheitsförderung als neues Teilgebiet der Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 6 10 . 1 Der Begriff Gesundheit i n den Pflegetheorien . . . . . . . . . . . . . 1 1 7
1 1 Die Beratung als Instrument der Gesundheitsförderung . . . . . . . 1 2 1 1 1 . 1 Alltagsberatung - professionelle Beratung - Therapie . . . 1 23
1 1 . 1 . 1 Alltagsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 23 1 1 . 1 .2 Beratung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 24 1 1 . 1 . 3 Konstellationen von Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 24 1 1 . 1 .4 Beratung - eine Form der Therapie? . . . . . . . . . . . . . . . . 1 25
1 1 .2 Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege . . . . . . . . 126 1 1 .3 Theorien der Verhaltensänderung und ihre
Umsetzung in die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 28 1 1 . 3 . 1 Das Gesundheitsaktionsmodell
(Health-Action-Model, HAM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1 1 .3 .2 Das Modell der stufenweisen Veränderung . . . . . . . . 1 30
1 1 .4 Selbstmotivation der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1 1.5 Strategien zur Vermehrung der Einsicht in die
eigene Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1 1 .5 . 1 Reihung und Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1 1 .5 .2 Polarisierte Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1 1 .5 . 3 "Werterweiterung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1 1 . 5 .4 Rollenspiele und andere Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
1 1 .6 Strategien zur Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 7 1 1 . 7 Strategien zur Erzielung von Verhaltensänderungen . . . . 140
1 1 . 7 . 1 Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 40 1 1 . 7 .2 Verhaltensänderung: Einsatz und Gewinn . . . . . . . . 142 1 1 . 7 . 3 Zielsetzung und Feststellung des Fortschritts . . . . . 142 1 1 . 7 .4 Strategien zur Problembewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
1 1 .8 Die wirkungsvolle Verwendung von Strategien . . . . . . . . . . . 145 1 1 . 8 . 1 Rechtsvertretung und die partnerschaftliehe
Zusammenarbeit mit "Laien" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1 1 .8 .2 Wie die gesundheitsbewusste Wahl
erleichtert wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 46 1 1 .8 .3 Verbindung mit dem Klienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1 1 .8 .4 Die feinfühlige Verwendung der Methoden . . . . . . . 146 1 1 .8 .5 Praktische Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 4 7
1 2 Gesundheitsförderung i m Pflegeprozess -der Gesundheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 12 .1 Pflegeprozess versus Gesundheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 49 12 .2 Der Gesundheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
12 .2 . 1 Die Schritte des Gesundheitsprozesses . . . . . . . . . . . . . 1 5 1 Anhang:
Kurzbiografien bedeutender Theoretiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 1 6 1 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 66 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 69
I G'""'''"''"'"""' 7
Einführung I Geschichtl iche Entwicklung
Zwei wichtige G rundsätze
der christl ichen Nächsten
l iebe und Barmherzigkeit
sind misericordia = Mitleid
und caritas = Liebe.
Matthäus 25, 35 f. : " Denn
ich war hungrig und i h r
habt m i r zu essen
gegeben, ich war du rstig,
und ihr habt mir zu tri nken
gereicht ( . . . )" .
An Epidemien von I nfek
tionskrankheiten s ind z. B .
bekannt: Virusgrippe ab
dem 6. Jh . unter Ka iser
]ustin ian; Pest, 1347-1351; Lepra, Syph i l l i s und Chole
ra i n London 1665 bzw.
Marsei l l e 1 720-1 750. Dies
s ind nur e in ige wenige
Beispie le von unzäh l igen .
DJ Ontologie = Lehre
vom Sein
DJ Nosologie = Wissen
schaft von der Klassifizie
rung der Krankheiten
DJ Wissenschaftlichkelt = die Orientierung
an methodisch-systemati
scher Erkenntnisarbeit
Theophrastus Bombastus
von Hohenheim, genannt
Paracelsus, 1493-1541
0 Das bedeutet, dass Gesundheit und Krankheit im Mittelalter neu bewertet wurden. Vom antiken Verständnis, das sinnlichsittliche Vollkommenheit mit körperlicher Gesundheit gleichsetzte, ist man abgegangen (vgl. Angermühle 2002, S. 2).
Unter dem asketischen Gesichtspunkt des frühen Christentums wurde Leiden zur Tugend, und Krankheiten wurden mit Stolz erlitten. Gesundheit bedeutete nicht mehr nur das Freisein von Schmerz, sondern auch die - durchaus positiv zu sehende - Fähigkeit, Leiden zu ertragen. Das christliche Mittelalter war aber auch Ausgangspunkt für die Entwicklung der Hospitale. Damit versuchte man, einem Bibelwort (Matthäus 25 , 3 5 ff.) zu folgen, wonach Barmherzigkeit eine erstrebenswerte Tugend ist.
Die jeweils aktuelle Sicht von Krankheit wurde auch häufig von jenen Krankheiten geprägt, die in einem bestimmten Kulturkreis und in einer bestimmten Epoche auftraten. Im Europa des Mittelalters und der frühen Neuzeit, der Renaissance, gab es Epidemien von Infektionskrankheiten, in deren Verlauf unzählige Tote zu beklagen waren.
Unter Paracelsus wurden Krankheiten - wie so oft in der Geschichte der Medizin - wiederum neu bewertet und interpretiert. Paracelsus entwickelte ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit und Krankheit, von Patient, Arzt und Therapie: Seine Medizin ruhte auf den vier Säulen Philosophie, Astronomie, Chemie und auf der Tugend des Arztes.
Im 16. und 1 7. Jahrhundert verstärkte sich, an die Ideen des Paracelsus anschließend, die rontologisch� Sichtweise. Krankheiten wurden als etwas Reales angesehen, ihnen wurde ein eigenständiges Dasein zugebilligt.
Von Thomas Sydenham (1624-1689) wurde die[NOsüfogielbegründet. Dies war ein wichtiger Schritt in Richtung [Wissenschaftlichkei�. Während man jedoch Krankheiten zu klassifizieren begann, galten die Ursachen für Epidemien immer noch als okkulte und unerklärliche Phänomene. In der Folge, im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wurden Krankheiten auf der Basis klinischer Symptome klassifiziert (Familie, Gattung, Spezies). Prägende Persönlichkeiten waren hier Carl von Linne in Schweden, William Cullen in Edinburgh sowie Philippe Pinel und Johann Lukas Schönlein in Frankreich (vgl. Hudemann-Simon 2000, S. 1 ) . Aus diesem Klassifikationsmodell wurde schließlich ein einfaches und systematisches Vorgehen abgeleitet: Anband von aufgelisteten Symptomen wurde eine Diagnose gestellt, woraufhin eine ebenfalls gelistete Medizin zu verschreiben war. In letzter Konsequenz bedeutete dies, dass eine intensive und unvoreingenommene Beschäftigung mit
Einführung I Geschichtl iche Entwicklung
der Krankheit und dem kranken Menschen unterbleiben konnte (vgl. Muths 2002, S. 5) .
Die Nosologie war auch Wegbereiter der klinischen Anatomie mit ihrem bedeutendsten Vertreter, dem Niederländer Hermann Boerhaave ( 1 668-1 738) . Er gilt als Erster, der in Europa den klinischen Unterricht am Krankenbett einführte.
In Österreich blieb es einem Schüler Boerhaaves, Gerhard van Swieten ( 1 700-1 7 72), vorbehalten, das Medizinstudium zu reorganisieren (vgl. Hudemann-Simon 2000, S. 5 1 ) . Er tat dies nach einer Verordnung der Kaiserin Maria Theresia aus dem Jahr 1 749. Van Swieten führte Vorlesungen in Botanik, Chemie, Chirurgie sowie die Durchführung eines klinischen Unterrichts ein.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurden die ersten Krankenkassen gegründet (Wien und Mannheim, jeweils 1 7 7 1) und somit erstmals Formen eines Beitragssystems entwickelt. Wer regelmäßig einen gewissen Beitrag leistete, bekam ein Entgelt ausbezahlt, wenn er bettlägerig oder arbeitsunfähig war. Hier gab es bereits gedankliche Ansätze zur Frage der Finanzierung des Gesundheitswesens - einer Frage, die die Gesundheitspolitik, die Gesellschaftspolitik, die Sozial- und die Finanzpolitik betrifft (vgl. Hudemann-Simon 2000, S. 1 83) . All dies fand unter joseph II. ( 1 741-1 790) statt, dessen Reformen auf die Schaffung eines "Wohlfahrtsstaates" ausgerichtet waren (Bau von Spitälern, Blindenund Invalidenhäusern, Anstalten für psychisch Kranke).
Eine bahnbrechende Neuerung beim Diagnostizieren und hinsichtlich der Objektivität der Diagnosen war die Verwendung des Stethoskops ( 1 8 1 9 entwickelt von Rene Laennec, 1 78 1-1 826) . Damit waren neben der subjektiven Symptombeschreibung des Patienten objektive Beurteilungsgrundlagen gegeben. Die in die neu entstandenen Krankenhäuser eingelieferten Patienten - v. a. Arme aus den Industriestädten - waren "Studienobjekte", die es ermöglichten, die neue Objektivität zu verfeinern, Statistiksysteme zu entwickeln und systematische Vergleiche anzustellen.
0 Durch die Entwicklung der Naturwissenschaften, d. h. durch die systematische und methodische Beschäftigung mit den verschiedensten Phänomenen, wurde die Medizin im 19. Jahrhundert zu einer Wissenschaft im eigentlichen Sinne.
Nun zeigte sich in der Medizin und der Chirurgie auch die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Ausbildung mit gleichwertigen akademischen Graden (vgl. Hudemann-Simon 2000, S. 226) .
Kaiserin Maria Theresia,
1117-1780
Theoretischer H intergrund I Wissenschaftl iche Theorien
Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Krankheiten
Risikofaktoren Übergewicht
Zigarettenrauchen
Bewegungsmangel
Alkoholm issbrauch
B luthochdruck
Körperl iche Feh lha ltung
Schadstoffe i n der Umwelt
(Strah len, Asbest, Teer etc.)
Häufiger Zuckerkonsum
Bal laststoffmangel
Fetthaltige Nahrung
Krankheiten
Stoffwechselkrankheiten
Herz-Kreis lauf-Erkra n kungen
Chron ische Bronch itis
Lungenkrebs
Erkrankungen des Stütz- und Ha lteapparates
Herz-Kreis lauf-Erkrankungen
Stoffwechselerkrankungen
Magen-Darm-Krankheiten
Leberzi rrhose
Schlaganfa l l
Herzinsuffizienz
Herzinfarkt
Nierengefäßerkran kungen
Erkra n kungen des Stütz- und Ha lteapparates
Al lergische Reaktionen
Krebs
Zah nkaries
Magen-Darm-Kran kheiten
Stoffwechselkra n kheiten
Herz-Kreis lauf-Erkrankungen
Krebs
Das Risikofaktorenmodell verbindet zwar medizinische Gegebenheiten (also Krankheiten) und sozialwissenschaftliche Faktoren, stellt aber nur Zusammenhänge, keine Ursachen fest. Es lässt nur Schlüsse darüber zu, wie wahrscheinlich ein bestimmter Zusammenhang ist, sagt aber nichts über die Ursachen aus. Daher kann man aus den gewonnenen Erkenntnissen nur bedingt gesundheitspolitische Konsequenzen ziehen.
Tabelle 4:
Zusammenhänge zwischen
Risikofaktoren und Krank·
heiten
Nach Hurrelmann Klaus: Gesundheitssoziologie. Weinheim: juventa 2000, S. 78
Abbildung 8:
Gesundheit als Bewältigung
von inneren und äußeren
Anforderungen
Nach Hurrefmann Klaus: Gesundheitssoziofogie. Weinheim: juventa 2000, S. 88
8 Zusammenfassung der wichtigsten theoretischen Hauptströmungen
Im folgenden Kapitel werden wir die theoretischen Hauptströmungen nochmals zusammenfassen, wobei wir die einzelnen Definitionen des Begriffs " Gesundheit" ins Zentrum stellen wollen. Für eine wissenschaftliche Bearbeitung des Themas sind diese Begriffsdefinitionen von Gesundheit und Krankheit von großer Bedeutung.
8. 1 Gesundheit a ls Bewältigung von Anforderungen
" Gesundheit ist die gelungene, Krankheit die nicht gelungene Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen. tc
(Hurrefmann 2000, S. 8 7)
Vielen wissenschaftlichen Theorien zufolge (einige von ihnen wurden in den vorangegangenen Kapiteln besprochen) entsteht Gesundheit dadurch, dass der Mensch mit inneren und äußeren Anforderungen "fertig wird" . Zu den inneren Anforderungen zählen etwa das Erbgut, das Immunsystem, die Persönlichkeit eines Menschen sowie seine Belastbarkeit. Mit diesen inneren Voraussetzungen ausgestattet, kann und muss er den äußeren Bedingungen begegnen: der Ökologie, den Wohnverhältnissen, Bildung, sozialer Einbindung u. v. m.
körperl iche Konstitution
Immunsystem
Nervensystem
Hormonsystem
Persön l ichkeitsstruktur
Tem perament
Belastbarkeit
sozioökonomische Lage
ökologisches Umfeld
Wohnbed ingungen
Hygien ische Verhältn isse
B i ldungsangebote
Arbeitsbed ingungen
private Lebensform
soziale E inb indung