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THEMENHEFT FORSCHUNG · N o 2008 QUANTEN- MATERIE

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Themenheft QM.indd 1 24.11.2008 14:59:56 Uhr

T H E M E N H E F T F O R S C H U N G

Quantenmaterie

Univers i tä t S tut tgar t • 2008

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E2

InhaltEditorial, Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Geleitwort des Rektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Wolfram Ressel

Quantenmaterie – Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 8Klaus von Klitzing

Künstliche Atome und Moleküle . . . . . . . . . . . 10maßgeschneidert aus FestkörpernPeter Michler, Sven Marcus Ulrich, Jürgen Weis

Fraktionale Flussquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Steuerbare „Atome” im SupraleiterEdward Goldobin, Reinhold Kleiner, Dieter Kölle, Wolfgang Schleich, Karl Vogel, Reinhold Walser

Molekulare Magnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Martin Dressel

Kontrollierte Wechselwirkung in Quantengasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Tilman Pfau, Hans Peter Büchler, Reinhold Walser

I N HALT 3

Eigenschaften der Quantenmaterie . . . . . . . . . 50Zur Theorie der Quantenkorrelationen in Mott-Materie, kalten Gasen und mesoskopischen SystemenStefan Wessel, Alejandro Muramatsu

Bose-Einstein-Kondensate am Chip . . . . . . . . . 58József Fortágh, Dieter Kölle, Claus Zimmermann

Auf dem Weg zum Quantencomputer . . . . . . . 70Quanten-Verschränkung mit gefangenen IonenFerdinand Schmidt-Kaler, Tommaso Calarco

Ein Quantencomputer in Diamant . . . . . . . . . . 78Fedor Jelezko, Philipp Neumann, Florian Rempp, Wolfgang Schnitzler, Kilian Singer, Ferdinand Schmidt-Kaler, Jörg Wrachtrup

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E4

Editorial

ImpressumDas T H E M E N H E F T F O R S C H U N G wird herausgegeben im Auftrag des Rektorats der Universität Stuttgart.

Liebe Leserinnen und Leser,

selten liegt das wissenschaftliche Neuland,das wir eigentlich mit jedem T H E M E N -H E F T F O R S C H U N G betreten wollen,zunächst so fern wie in dieser Ausgabe.Wer schnell mal bei Wikipedia nachschau-en möchte: Quantenmaterie – was ist daseigentlich – wird zum Zeitpunkt derVeröffentlichung unseres Themenheftnicht wirklich fündig. Die Forschung hatauf diesem Gebiet noch keine großenStädte angelegt, auch wenn bereits ersteWege gefunden wurden, das Land derQuantenmaterie fruchtbar zu machen.

Auch unter dem Gesichtspunkt von Spracheund Verstehen, oder von Public Under-standing of Science, stellt das ThemaQuantenmaterie eine besondere Heraus-forderung dar. Denn die Wissenschaftlersind hier in einem Bereich der Physikunterwegs, der sich dem gewohnten Ver-stehen durch Vorstellen und Begreifen mitden Mitteln unserer Alltagsphysik ent-zieht. Aber wenn man die Beiträge diesesHeftes gelesen hat, weiß man eine Mengeüber Quantenmaterie, weil man ihreSprache oder zumindest einige ihrer Be-

grifflichkeiten gelernt hat. Und Sprach-erwerb ist eine wichtige Voraussetzung,um ein fremdes Land zu erkunden und zu verstehen. Die Welt der Quanten hält inForm von Quantenbauelementen – ohnedass es die meisten bemerken – schonlängst Einzug in unsere Alltagswelt. DiesesHeft gibt Gelegenheit sich auf den aktuel-len Stand der Forschung in der Quanten-welt zu bringen. Es lässt erahnen, welchesenorme Potential hier für zukünftige Ent-wicklungen liegt.

Ich wünsche den Leserinnen und Leserneinen vergnüglichen Erkenntnisgewinn beider Rezeption dieses Heftes, denn hier be-gegnen wir vielleicht einigen Gegenstän-den zum ersten Mal, die uns in naher Zu-kunft geläufig werden könnten. •

Konzeption und Koordination „Themenheft Forschung“: Ulrich Engler, Tel. 0711/685-8 2205, E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Koordinator „Quantenmaterie“:Tilman Pfau

Autoren „Quantenmaterie“: Hans Peter Büchler,Tommaso Calarco, Martin Dressel, József Fortágh,Edward Goldobin, Fedor Jelezko, Reinhold Kleiner,Klaus von Klitzing, Dieter Kölle, Peter Michler,Alejandro Muramatsu, Philipp Neumann, Tilman Pfau, Florian Rempp, Wolfgang Schleich,Ferdinand Schmidt-Kaler, Wolfgang Schnitzler, Kilian Singer, Sven Marcus Ulrich, Karl Vogel,

Reinhold Walser, Jürgen Weis, Stefan Wessel, Jörg Wrachtrup und Claus Zimmermann

Titelseite und Grundlayout „Themenheft Forschung”:Zimmermann Visuelle Kommunikation, Gutenbergstraße 94 A, 70197 Stuttgart

Layoutumsetzung, Druck und Anzeigenverwaltung: ALPHA Informationsgesellschaft mbH, Finkenstraße 10,68623 Lampertheim, Tel. 06206/939-0, Fax 06206/939-232, Internet: http://www.alphapublic.deVerkaufsleitung: Peter Asel

Universität Stuttgart 2008 ISSN 1861-0269

Ulrich Engler

AN Z E IG E N 5

Z U M G E LE IT 7

Geleitwort des Rektors

Sonderforschungsbereiche/Transregios gel-ten als das mächtigste Förderinstrumentder Deutschen Forschungsgemeinschaft(DFG), da sie Höchstmaßstäbe an die Qua-lität der Forschungsarbeiten und die Ver-netzung der Wissenschaftler stellen. Ineiner aktuellen Evaluation dieser DFG-Förderlinie wurde ihr Beitrag zur Profilbil-dung der beteiligten Hochschulen als einbesonderes Kennzeichen der Transregiosherausgestellt.

Im Transregio 21, (Control of quantum cor-relations in tailored matter: Common per-spectives of mesoscopic systems and quan-tum gases“, kurz CO.CO.MAT, dt. Quan-tenkontrolle in maßgeschneiderter Mate-rie) haben sich die Universitäten Stuttgart,Ulm und Tübingen sowie das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung zusam-mengeschlossen, um ein Thema aus derGrundlagenforschung zu bearbeiten, daszunächst hauptsächlich von der Neugierder beteiligten Forscher getrieben wird.Unkonventionelle Anwendungen wieQuantencomputer, Messtechnik oderMassenspeicher werden dabei natürlich imBlick gehalten. In diesem Neuland derPhysiker geht es aber zunächst um denErkenntnisgewinn. Zum Beispiel sollenneue Zustände der Materie entdeckt undneue Vielteilchenquantenzustände kon-trolliert erzeugt werden. Hier sind in denletzten Jahren schon beeindruckendeFortschritte gemacht worden.

Die Zusammenarbeit nicht nur über dieGrenzen der Universitäten hinweg, son-dern auch über Fachkulturen ist heute einKennzeichen fortgeschrittener Wissen-schaftskultur. In diesem Fall besteht dasbesondere Verdienst darin, unterschiedli-che wissenschaftliche Communities wie dieFestkörperphysiker und die Atom- undQuantenphysiker zu einer gemeinsamenForschungsanstrengung zusammen zubinden. Und es zeigt sich, dass es kaumeine so hohe Dichte von Expertise auf die-sen Gebieten gibt wie in dem Dreieck

Stuttgart, Tübingen und Ulm. Das ge-meinsame Ziel der Kontrolle der Quanten-zustände und ihrer Korrelationen verbin-det die beteiligten Quantenoptik- undFestkörperexperten, obwohl sie dazuunterschiedliche Methoden einsetzen.

Das Forschungsprogramm der drei Universi-täten und des Max-Planck-Instituts kon-kurriert dabei mit einigen vergleichbareninternationalen Aktivitäten in den USA,Japan, Australien und auch in Europa.Durch die gleichzeitige Erforschung vonmesoskopischen Systemen und von Quan-tengasen, mit dem Ziel neue Zustände derMaterie zu entdecken und zu kontrollie-ren, ist dieser Forschungsansatz jedochwohl einzigartig.

Auch der wissenschaftliche Nachwuchs pro-fitiert in besonderer Weise von dieser fach-lichen und räumlichen Vernetzung durchgemeinsame Seminare, rotierende Kollo-quien und die Verpflichtung zur zeitweisenMitarbeit in anderen Arbeitsgruppen.

Ich wünsche mir, dass die DFG das Förder-instrument Transregio weiter ausbaut.Und ich wünsche mir, dass an der Univer-sität Stuttgart das Beispiel CO.CO.MATweitere Forschergruppen inspiriert, diebestehenden Förderinstrumente zurfachübergreifenden Zusammenarbeit zunutzen.

Besonderen Dank möchte ich dem wissen-schaftlichen Koordinator dieses Heftes undSprecher des Transregios, Prof. TilmanPfau, aussprechen, der ebenso wie diebeteiligten Autoren die zusätzliche Müheauf sich genommen hat, das neueForschungsgebiet für die Öffentlichkeitaufzubereiten. •

Prof. Dr.-Ing. Wolfram Ressel

Die Interpretation der Quantenmechanik, inder es im Gegensatz zur klassischen Physikeinen absoluten Zufall gibt, hat viele phi-losophische Diskussionen hervorgerufen.Trotz aller Kritiker, unter denen sich auchAlbert Einstein fand, hat sich die Quanten-theorie in allen Tests hervorragend be-währt. Im Gegensatz zu vielen anderenphysikalischen Theorien hat sie nicht nurnäherungsweise Gültigkeit, sondern istz.B. in allen zugänglichen Energieberei-

chen von der kältesten bis zur heißestenMaterie kurz nach dem Urknall, hervorra-gend getestet. PräzisionsspektroskopischeMessungen machen heute die Quanten-theorie zur am besten getesteten Theorieüberhaupt.

Die Quantentheorie ist für einfache Proble-me wie z.B. die Erklärung der Struktur desWasserstoffatoms sehr gut geeignet undmit hoher Präzision lösbar. Sind jedochviele Teilchen beteiligt, wird die Lösung

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QuantenmaterieEinleitung

Die überraschende Erkenntnis, dass Licht nicht nur

Welleneigenschaften besitzt, sondern auch durch

Lichtquanten beschrieben werden muss, ist vor über

100 Jahren von Max Planck vorgestellt worden. Die Idee

des Welle-Teilchen Dualismus hat sich schnell auf alle

Bereiche der mikroskopischen Physik ausgebreitet.

Besonders die Erklärung der atomaren Struktur ist

einer der großen Erfolge der frühen Quantenmechanik

gewesen. Längst hat die Quantentheorie heute Einzug

in unseren Alltag gehalten: Viele elektronische

Bauelemente basieren auf ihren Prinzipien.

E I N LE ITU NG 9

der quantenmechanischen Gleichungenungleich schwerer. Auf der anderen Seiteergeben sich durch die Erhöhung derKomplexität ungeahnte Möglichkeiten:Die Eigenschaften von Eis sind nicht nurdie Summe der Eigenschaften von Wasser-molekülen, sondern auf vielfältige Artneuartig. Wenn man aus Atomen Materia-lien aufbaut, ist die Sache nicht anders.Ungeahnte Designmöglichkeiten schlum-mern in der Quantennatur der Materie.Quantenmaterialien sind also Materialien,die sich durch überraschende neue Eigen-schaften auszeichnen, die man von ihrenatomaren Bauelementen noch nichtkennt. Bekannte Beispiele für ein uner-wartetes kollektives Quantenphänomensind die Supraleitung und der Quanten-Hall-Effekt. Beide Phänomene sind heutenoch immer nicht in allen Details verstan-den und daher Gegenstand aktuellerGrundlagenforschung.

Wenn man den Bauplan solcher Phänomeneverstehen und sich auf die Suche nachneuartigen heute noch unbekanntenQuanteneigenschaften der Materie bege-ben möchte, dann ist man gut beraten,Bausteine zu verwenden, die einzeln gutkontrollierbar sind. Die Komplexität lässtsich kontrolliert steigern, wenn die Bau-steine zunächst zu einfachen Molekülenund dann schrittweise zu Materialien mitvöllig neuen Eigenschaften zusammenge-setzt werden. Die Wechselwirkung zwi-schen den Bausteinen wird dabei systema-tisch kontrolliert. Dies ist in kurzen Wor-ten die Mission des Transregio-Sonder-forschungsbereichs der Deutschen For-schungsgemeinschaft, an der in Stuttgart,

Ulm und Tübingen gearbeitet wird. AlsBausteine kommen einzelne Elektronen,Atome oder Ionen in Frage. Es eignen sichaber auch Makromoleküle, Quantenpunk-te oder sogar Quantenwirbel in einemSupraleiter. Jeder dieser Bausteine hat seinspezifisches Zukunftspotential, da sie allesehr gut verstanden und in ihren internenFreiheitsgraden sowie ihrer Wechselwir-kung mit ihrer Umgebung sehr gutsteuerbar sind.

Wie kann man Quantenmaterie verstehenoder in ihren Eigenschaften simulieren?Selbst die größten Rechenzentren der Weltstoßen hier an Grenzen, da die Komplexi-tät exponentiell mit der Zahl der Baustei-ne steigt. Die Lösung liegt in der Quanten-mechanik selbst. Nur Quantencomputer,in denen die Komplexität der Quanten-theorie abgebildet werden kann, sind inder Lage Quantenmaterie aus sehr vielenBausteinen zu simulieren. Die Entwick-lung von Quantenmaterialien und Quan-tencomputern gehen daher Hand in Hand.Beide stehen erst am Anfang der Entwick-lung und versprechen spannende Jahr-zehnte aufregender Grundlagenforschung.

In diesem Heft werden einige Akteure vorge-stellt, die am Max-Planck Institut für Fest-körperforschung und an den Universitä-ten Stuttgart, Ulm und Tübingen an die-sen Forschungsthemen arbeiten. Ersteüberraschende Ergebnisse liegen vor, vieleweitere sind in der Zukunft noch zu er-warten.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Reisein das Land der Quantenmaterialien. •

Klaus von Klitzing

Prof. Dr. Klaus von Klitzing

studierte Physik an der Technischen Universität Braunschweig und promovierte an der Universität Würzburg.Nach Auslandsaufenthalten in England und Frankreich und Habilitation in Würzburg erhielt er einen Ruf andie Technische Universität München. 1985 wurde ihm der Nobelpreis in Physik verliehen. Seit 1985 ist erDirektor am Max-Planck-Institut in Stuttgart und Honorarprofessor an der Universität Stuttgart.

KontaktProf. Dr. Klaus von Klitzing, Max-Planck-Institut für FestkörperforschungHeisenbergstraße 1, 70569 StuttgartTel.: 0711/689-1570, Fax: 0711/689-1572E-Mail: [email protected], Internet: www.mpi-stuttgart.mpg.de

DER AUTOR

1. Überblick

(a) Wird ein Quantenpunkt durch quanten-mechanische Tunnelbarrieren an zweiZuleitungen gekoppelt, lässt sich der elek-trische Transport durch solche „künstli-che Atome” studieren. Vor etwa zwanzigJahren wurden weltweit solche Experi-mente gestartet, u.a. auch am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stutt-gart. Dominiert durch die Elektronen-Elektronen-Wechselwirkung im Quanten-punkt, verhält sich diese Anordnung wieein Einzelelektronen-Transistor. DerElektronen-Spin als interner Freiheitsgradkann unter gewissen Bedingungen jedoch

dazu führen, dass die Modellvorstellungdes Einzelelektronentunnelns zusammen-bricht. So wurde vor zehn Jahren dannauch experimentell gezeigt, dass durch dieFreiheit, den Quantenpunkt durch einElektron mit „Spin hoch” oder ein Elek-tron mit „Spin runter” zu besetzen, untergewissen Umständen ein Kondo-korrelier-ter Vielteilchenzustand zwischen Elektro-nen im Quantenpunkt und Elektronen inden Zuleitungen entsteht: Der im Cou-lomb-Blockade-Bereich nichtleitendeQuantenpunkt wird mit abnehmender Tem-peratur durch korreliertes Elektronen-tunneln leitend wie ein eindimensionalerKanal.

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Künstliche Atomeund Moleküle

maßgeschneider t aus Festkörpern

Quantenpunkte (engl. „quantum dots”, kurz QDs) sind

physikalische Objekte, in denen Elektronen eingeschlossen

werden, aber aufgrund ihrer räumlichen Abmessungen

quantenmechanisch nur bestimmte diskrete Energie-

eigenzustände für die einzelnen Elektronen möglich sind.

Aufgrund dieser Eigenschaft werden Quantenpunkte auch

als „künstliche Atome” bezeichnet, zwei durch quanten-

mechanisches Tunneln gekoppelte Quantenpunkte als

„künstliche Moleküle”. Sie werden meist durch Strukturie-

rung oder im Wachstum von Halbleitermaterialien herge-

stellt, so dass diese je nach physikalischer Fragestellung

oder Anwendung maßgeschneidert hergestellt und angeord-

net werden können. In diesem Beitrag möchten wir einen

kleinen Einblick in die Eigenschaften und Möglichkeiten

solcher Systeme (a) im elektrischen Transport und (b) in

Wechselwirkung mit Photonen geben. Wir wollen hier zunächst eine

kurze Zusammenfassung beider Teilbereiche geben.

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Wie häufig in der Physik zeigen zwei auf denersten Blick unterschiedliche Systemedoch die gleichen physikalischen Phäno-mene, d.h. unterliegen der gleichen physi-kalischen Beschreibung. Gleiches gilt fürzwei elektrostatisch gekoppelte Quanten-punkte mit jeweils separaten Zuleitungen.Obwohl kein direkter Elektronenaus-tausch zwischen den Quantenpunktenmöglich ist, tritt unter gewissen Umstän-den ein korrelierter quantenmechanischerVielteilchenzustand auf, der beide Quan-tenpunkte hochleitend macht, obwohl imBild des Einzelelektronentunnelns bei Be-rücksichtigung der elektrostatischenWechselwirkung kein elektrischer Trans-port bei beiden Quantenpunkten zu er-warten ist. Interpretiert man den zweiwer-tigen Index zur Unterscheidung beiderQuantenpunktsysteme als Pseudo-Spin, sowird die Analogie zum Spin-Kondo-Effektam einzelnen Quantenpunkt deutlich.Dieses gilt es experimentell nachzuweisen,zu untersuchen und zu kontrollieren.

(b) Quantenpunkte, die mit Hilfe epitakti-scher Wachstumsverfahren aus Kombina-tionen unterschiedlicher Halbleitermate-rialien durch den Prozess der Selbstorgani-sation hergestellt werden können, sind dieGrundlage für verschiedenste optischeUntersuchungen am Institut für Halb-leiteroptik und Funktionelle Grenzflächen(IHFG) der Universität Stuttgart. Die Ana-lyse von strahlenden Rekombinationspro-zessen zwischen Elektronen und Löchernoffenbaren einen tiefen Einblick in diequantenmechanische Natur dieser Nano-strukturen. Die atom-ähnliche Schalen-struktur der gebundenen elektronischenZustände beider Ladungsträger-Speziesführt hierbei zu besonderen statistischenEigenschaften der Emission von Licht-quanten (Photonen), wie sie an klassischenLichtquellen des täglichen Gebrauchsnicht zu beobachten sind.

Insbesondere die grundlegende Möglichkeitzur Erzeugung von einzelnen bzw. kaska-dierten Photonen „auf Abruf” ist hierbeieine wichtige Eigenschaft, welche für dieRealisierung entsprechender Emitter-strukturen in zukünftigen Bauteilen deroptischen Datenverarbeitung (Quan-tencomputer) oder bei der absolut siche-ren Übertragung von Nachrichten(Quantenkryptografie) gezielt ausgenutztwerden kann.

Die Untersuchung korrelierterEmissionsprozesse in einzelnen Quanten-

punkten erlaubt weiterhineinen faszinierenden Ein-blick in das rein quanten-mechanische Phänomender „Verschränkung” vonPhotonen hinsichtlichihrer Polarisation. Experi-mentelle Nachweise dieserEigenschaft konnten vorkurzem auch an Quanten-punkten erbracht werden.Gelingt es in Zukunft, ver-schränkte Photonenpaaredeterministisch kontrol-liert zu erzeugen, bedeutetdies einen Meilenstein derEntwicklung in vielen Teil-gebieten der Technologie,z.B. der Nachrichtentech-nik oder auch der opti-schen Lithographie jenseitsklassischer Grenzen.

2. Elektrische Transporteigen-schaften von Quantenpunkten

2.1. MaterialbasisAm Max-Planck-Institut für

Festkörperforschung wirdder elektrische Transportdurch einzelne, aber auchwechselwirkende Quantenpunkte studiert.Als Basis zur Herstellung dienen Alumi-nium-/Galiumarsenid-Heterostrukturen:Unter Ultrahochvakuum werden Atom-lage für Atomlage GaAs bzw. AlxGa1-xAskristallin auf ein GaAs-Substrat aufge-wachsen (Molekularstrahlepitaxie). Es ent-steht ein Einkristall, der aber aus verschie-denen Halbleiterschichten besteht – daherder Name „Heterostruktur” oder „Hetero-kristall”. In 01a ist eine Heterostrukturskizziert, die an der Grenzschicht zwi-schen GaAs und AlxGa1-xAs etwa 50 nmunter der Oberfläche ein zweidimensiona-les Elektronensystem liefert.Zweidimensional heißt, dass die Bewegungder Elektronen in der Schicht senkrechtzu den Kristallschichten quantenmecha-nisch völlig eingefroren ist, und die Elek-tronen sich nur parallel zur Grenzschicht-ebene quasi frei, jedoch mit einer kleine-ren effektiven Masse, gegeben durch dieBandstruktur des GaAs, bewegen können.Abhängig von der Qualität der Hetero-struktur können die Elektronen in der

Quantenpunkte – auch „künstliche Atome” genannt– sind hervorragende Untersuchungsobjekte, umgrundlegende quantenmechanische Effekte zu studie-ren. Realisiert in Halbleitermaterialien durch denräumlichen Einschluss von Ladungsträgern auf einVolumen im Nanometerbereich, zeigen sie faszinie-rende Eigenschaften im elektrischen Transport undin der Wechselwirkung mit Licht. Räumlich fixiert,können Quantenpunkte auf vielfältige Weise mitein-ander wechselwirken, so auch „künstliche Moleküle”bilden. Dieses gibt weitere Möglichkeiten zurUntersuchung fundamentaler physikalischer Frage-stellungen, aber auch für Anwendungen. So werdenQuantenpunkte als Schlüsselbaustein in der fest-körperbasierten Quanteninformationsverarbeitungund -übertragung diskutiert.

Quantum dots – also denoted as artificial atoms –are designed objects to explore, to study and toapply quantum mechanical phenomena. They areusually realized by spatially confining free chargecarriers in a semiconductor volume of less than hundred nanometers, and show fascinating propertiesin electrical transport and in interaction with light.Two or more quantum dots can be spatially arrangedand interact, for instance, by forming an artificialmolecule. Quantum dots are discussed as key elements for solid-state based quantum informationprocessing and transmission.

SUM MARY

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Schicht bei Flüssighelium-Temperaturenmehrere zehn Mikrometer weit ballistischfliegen, bevor sie gestreut werden.

2.2. Definition der Quantenpunkte/Modellsystem

Die Bewegung der Elektronen in der zweidi-mensionalen Schicht lässt sich weiter ein-schränken durch Hineinätzen in die Hete-rostruktur (01b) oder durch elektrostati-sche Verarmung mittels strukturierterMetallelektroden auf der Oberfläche (01c).Der Vorteil dieser Herstellungstechnikenist, dass die Eigenschaften im Experimentin-situ mittels angelegter elektrischerSpannungen verändert werden können. Sodefinierte Quantenpunktsysteme dientenschon in der Vergangenheit als Modellsys-teme, um den elektrischen Transportdurch quantenmechanisch lokalisierte Zu-stände zu studieren. Sie geben auch Ein-blick, welche Effekte beim elektrischenTransport durch einzelne Atome oderMoleküle zu erwarten sind. Nachteil ist,dass aufgrund der Größe dieser Strukturenvon wenigen Hundert Nanometern dierelevanten Energien klein sind, d.h. erst beisehr tiefen Temperaturen nahe dem abso-luten Temperaturnullpunkt merkbar wer-den. Deshalb müssen die Experimente ineinem 3He-4He-Mischungskryostaten unter0,1 Kelvin durchgeführt werden. Erst beiräumlichen Abmessungen der Quanten-punkte von wenigen Nanometern über-schreiten die Abstände in den Energie-

eigenwerten für die Elektronen im Quan-tenpunkt die thermische Energie kBT vonetwa 26 meV bei Raumtemperatur.

2.3. Coulomb-Blockade/Einzelelektronenladeeffekt

Aufgrund der elektrostatischen Abstoßungzwischen Elektronen kostet es elektrostati-sche Energie, um den Quantenpunkt zubeladen. Als Konsequenz ist der elektri-sche Transport durch einen Quanten-punkt unterdrückt. Die Änderung deselektrostatischen Potentials des Quanten-punkts durch Erhöhen einer Spannung aneiner naheliegenden kapazitiv ankoppeln-den Elektrode („Gate”) überwindet zu-nächst die Coulomb-Blockade: Für einebestimmte „Gate”-Spannungserhöhungwird der Ladungszustand zwischen N undN+1 Elektronen auf dem Quantenpunktenergetisch äquivalent, der Ladungszu-stand des Quantenpunktes fluktuiert. Mitweiterer „Gate”-Spannungserhöhung wirdwieder ein stabiler Ladungszustand – je-doch mit einem Elektron mehr auf demQuantenpunkt – erreicht. Es liegt wiederCoulomb-Blockade vor. Eine „Gate”-Span-nungserhöhung über einen größeren Be-reich führt dazu, dass der Wechsel zwi-schen stabilem und fluktuierendemLadungszustand sukzessive für höhereElektronenzahlen auf dem Quantenpunktauftritt. Zwischen den Zuleitungen wirdeine sich wiederholende Modulation deselektrischen Leitwerts beobachtet, was dasSchalten zwischen Bereichen des Einzel-elektronentunnels und der Coulomb-Blo-ckade widerspiegelt („Coulomb-Blockade-Oszillationen”). Die Anordnung verhältsich wie ein Einzelelektronen-Transistor.02a zeigt den Strom als Funktion der„Source”-„Drain”-Spannung und einer„Gate”-Spannung für einen „Split-gate”-Quantenpunkt (01c). Sichtbar sind dienahezu rautenförmigen Bereiche mitunterdrücktem Leitwert (Coulomb-Blo-ckade-Bereich) und anschließenden Be-reichen des Einzelelektronentunnelns. Mithöherer „Source”-„Drain”-Spannungkann dann energetisch auch Multielektro-nentunneln auftreten.

2.4. Spin/AndersonStörstellenmodell/Kondo-Effekt

Befindet sich der Quantenpunkt im Cou-lomb-Blockade-Bereich, d.h. ist die Ladungauf N Elektronen fixiert, besteht aber dieFreiheit, das N-te Elektron mit Spinorien-

(a) Typischer Aufbau einerGaAs/Al0.33Ga0.67As-Heterostruktur,die ein zweidimensionales Elektronen-system in GaAs an der Grenzschichtzu AlGaAs besitzt. Zum Definierenvon Quantenpunkten mit Zuleitungen(„Source” und „Drain”) und weiterenKontrollelektroden („Gate”) wird daszweidimensionale Elektronensystemlateral strukturiert durch Ätzen vonGräben in die Heterostruktur (b) oder durch elektrostatisches Verarmen mittels strukturierter Metallelektroden(„split gates”) auf der Hetero-strukturoberfläche (c).

(a) A typical layer sequence of aGaAs/Al0.33Ga0.67As heterostructurecontaining a two-dimensional electronsystem in GaAs at the interface toAlGaAs. For defining the quantum dotwith source and drain leads, the two-dimensional electron system is laterallydivided by etching grooves into theheterostructure (b) or by electrostaticdepletion via structured metal electro-des (split-gates) on top of the hetero-structure (c).

01

QUANTE N PU N KTE 13

tierung „hoch” oder Spin „runter” zu wählen, so geschiehtÜberraschendes: Der Spin als interner Freiheitsgrad führtdazu, dass ein Kondo-korrelierter Vielteilchenzustand zwi-schen Quantenpunkt und Zuleitungen entsteht, mit derFolge, dass die Coulomb-Blockade im elektrischen Trans-port mit weiterer Verringerung der Temperatur umgangenwird. Eine Basis zur theoretischen Beschreibung ist dasStörstellenmodell, welches P. W. Anderson 1961 zur einfa-chen Modellierung einer einzelnen magnetischen Verun-reinigung in einem Metall einführte. Schon in den 1930erJahren hatte man beobachtet, dass der spezifische elektri-sche Widerstand von Metallen, etwa Kupfer, mit magneti-schen Verunreinigungen, etwa Eisenatomen, bei tiefenTemperaturen logarithmisch ansteigt. Die Erklärung ge-lang erst 1964 durch den Theoretiker Jun Kondo.

Das Störstellenmodell von P. W. Anderson beschreibt einenlokalisierten Zustand an einem Störstellenatom (oder imQuantenpunkt), welches durch quantenmechanischesTunneln an einen Fermi-See von Elektronen beider Spin-orientierungen angekoppelt ist. Das Energieniveau deslokalisierten Zustandes liegt unterhalb der Fermi-Energiedes Elektronensees, ist somit immer besetzt. Die Besetzungdurch ein zweites Elektron mit der anderen Spinorientie-rung ist aufgrund der abstoßenden Coulomb-Wechselwir-kung unterdrückt. Die theoretische Behandlung zeigt,dass durch korreliertes Tunneln der Spinzustand des loka-lisierten Zustandes fluktuiert, der Ladungszustand derStörstelle (Quantenpunkt) nicht verändert wird. Es ent-steht um die Störstelle herum ein korrelierter Vielteil-chenzustand. Bei Metallen mit magnetischen Verunreini-gungen erhöht dies den spezifischen Widerstand, da dieLeitungsbandelektronen am um die Störstelle räumlichausgedehnten Vielteilchenzustand gestreut werden. Dage-gen entsteht beim Quantenpunkt elektrische Leitfähigkeitaufgrund korrelierten Tunnelns von Elektronen zwischenbeiden Zuleitungen. Dieser Zustand bildet sich aber erstbei tiefen Temperaturen heraus. Als Maß gilt die soge-nannte Kondo-Temperatur, die u.a. auch von der Stärkeder quantenmechanischen Ankopplung der Quanten-punktzustände an die Zuleitungszustände abhängt. Mitzunehmender Tunnelankopplung steigt die Kondo-Tem-peratur. 02b zeigt die Messung eines Coulomb-Blockade-Bereichs: Bei erhöhten Temperaturen (800 mK) ist derelektrische Transport unterdrückt, während mit Verringe-rung der Temperatur der Leitwert zunächst logarithmischansteigt und bei einem Wert über e2/h sättigt (e bezeichnethierbei die Elementarladung, h das Planck’sche Wirkungs-quantum). Bei gleicher Tunnelankopplung an beide Zulei-tungen würde der Leitwert bei tiefen Temperaturen sogarden Wert 2e2/h ≈ (13 kΩ)-1) erreichen. Dies entspricht demLeitwert eines spin-entarteten eindimensionalen Elektro-nenkanals.

2.5. Anderson-Störstellen-Modell/ Zwei elektrostatischwechselwirkende uantenpunktsysteme

Das Anderson-Störstellen-Modell, welches zu dem eben be-schriebenen Kondo-Effekt führt, beschreibt formal zweiseparate Elektronensysteme – das „Spin hoch” und das

02

(a) Current through a quantum dotsystem as a function of the source-

drain voltage VDS and a gate voltageVGS., showing the typical Coulombblockade regimes. (b) Differential

conductance dI/dVDS around aCoulomb-blockade region at enhancedtunnel coupling of the quantum dot toits leads for temperatures T= 25 mK

(α) und T= 800 mK (β). In theregion of Coulomb blockade, the quan-

tum dot shows large conductance at VDS = 0 which disappears with

increasing temperature (γ). (from J. Schmid, MPI-FKF, PhD

2000 at University of Stuttgart)

a) Elektrischer Strom durch einenQuantenpunkt-Einzelelektronen-

Transistor als Funktion der „Source”-„Drain”-Spannung VDS und einer

„Gate”-Spannung VGS. Es treten rau-tenförmige Bereiche mit unterdrückter

Leitfähigkeit auf (Coulomb-Blockade). (b) Differentieller Leitwert

dI/dVDS im Bereich einer Coulomb-Blockade bei erhöhter Tunnelankopp-

lung des Quantenpunktes an dieZuleitungen für die Temperaturen

T= 25 mK (α) und T= 800 mK(β). Der Quantenpunkt zeigt im

Bereich der Coulomb-Blockade einenhohen Leitwert bei VDS = 0, der mit

zunehmender Temperatur verschwindet(γ). (J. Schmid, MPI-FKF,

Promotion 2000 an Universität Stuttgart)

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„Spin runter”-System, wel-che beide in den Zuleitun-gen und auf dem Quanten-punkt präsent sind (03a).Beide Elektronensystemewechselwirken an einerStelle – dem Quantenpunkt,da dort eine Besetzung nurdurch das eine oder andereElektronensystem erfolgenkann. Es gibt im Modell kei-nen expliziten Wechsel vonElektronen mit „Spin hoch”zu „Spin runter” oder um-gekehrt, d.h. Elektronen be-setzen und verlassen denQuantenpunkt ohne ihreSpinorientierung zu verlie-ren. Auf dem Quanten-punkt fluktuiert der Spin-zustand im Kondo-Zustandallein aufgrund korreliertenElektronentunnelns, d.h.quantenmechanische Fluk-tuationen führen zum per-manenten Austausch desElektrons auf dem Quanten-punkt. Zwei unabhängig elektrischkontaktierte Quantenpunk-

te mit rein elektrostatischer Wechselwirkung können zurUnterscheidung mit einem zweiwertigen Index (Pseudo-spin) markiert werden (03b) und stellen damit auch zweiseparate Elektronensysteme dar, die an einer Stelle – denQuantenpunkten – elektrostatisch miteinander wechsel-wirken. Sie besitzen ein charakteristisches, wabenförmigesLadungsstabilitätsdiagramm als Funktion zweier „Gate”-Spannungen, die die elektrostatischen Potentiale derQuantenpunkte unterschiedlich schieben (03c). Bei klei-nen „Source”-„Drain”-Spannungen ist Elektronentrans-port nur entlang von Grenzlinien möglich: Entlang derGrenzlinien „a” und „b”, auf der sich die Zahl der Elektro-nen in einem Quantenpunkt verändert, während diese imanderen unverändert bleibt, ist Einzelelektronentunnelndurch den entsprechenden Quantenpunkt möglich. Ent-lang von Grenzlinien, markiert mit einem „c”, auf der sichbeim Überqueren die Zahl um Eins in einem Quanten-punkt erhöht, während sie sich im anderen um Eins er-niedrigt, ist Einzelelektronentunneln weder im oberennoch im unteren Quantenpunkt erlaubt. Solch eineGrenzlinie „c” ist nur zu finden, falls eine ausgeprägteelektrostatische Wechselwirkung zwischen den Quanten-punkten vorliegt, ansonsten kommen die beiden Trippel-punkte an den Enden der „c”-Linie zur Deckung. DieGrenzlinie „c” ist ausgeprägter je größer die Wechselwir-kung.

Entlang der Grenzlinie „c” liegt eine elektrostatischeEntartung zwischen Ladungszuständen, z.B. (N1, N2+1)

Ein Quantenpunktsystem mitSpinentartung (a), sowie zwei elek-trostatisch gekoppelte Quantenpunkt-systeme mit elektrostatischer Entartungin Besetzung des Quantenpunktes 1oder 2 (b) stellen Realisierungen desAnderson-Störstellen-Models dar. (c) Charakteristische wabenförmigeBereiche für stabile Ladungskonfigura-tionen auf den Quantenpunkten alsFunktion zweier „Gate”-Spannungen.Entlang einer „c”-Linie wird dieBildung eines Kondo-Zustandeserwartet. (d) Lateral angeordneteQuantenpunktsysteme, hergestellt durchÄtzen von Gräben in die Heterostruk-tur. Starke elektrostatische Wechsel-wirkung wird durch eine Metallelek-trode, die beide Quantenpunkte über-deckt, erreicht. (e) Leitwert vonQuantenpunkt 1 (links) und 2 (rechts)als Funktion zweier „Gate”-Spannun-gen im Bereich einer „c”-Linie. Von(α) nach (β) wurde Tunnelankopplungvon Quantenpunkt 2 an dessen Zulei-tungen erhöht, zwischen (α) und (γ)die Tunnelankopplung beider Quanten-punkte. (A. Hübel, MPI-FKF,Promotion 2007)

A quantum dot system with spin dege-neracy (a) and two electrostaticallycoupled quantum dot system with anelectrostatic degeneracy in occupyingthe quantum dot 1 or 2 (b) representrealizations of the Anderson impuritymodel. (c) Characteristic honeycomb-like regions of charge stability on thetwo quantum dots as a function of twogate voltages. Along a „c”-line, theformation of a Kondo-like state isexpected. (d) Laterally arranged quan-tum dot systems, defined by etchinggrooves into the heterostructure contai-ning a two-dimensional electronsystem. Strong electrostatic interactionis achieved by a floating metal electro-de covering both quantum dots. (e)Conductance of quantum dot 1 (left)and 2 (right) as a function of two gatevoltages in the vicinity of a „c”-line.From (α) to (β), the tunnel couplingof quantum dot 2 is enhanced, from(α) to (γ) the tunnel coupling of bothquantum dots were simultaneouslyenhanced.

03

QUANTE N PU N KTE 15

und (N1+1, N2) Elektronen auf den beidenQuantenpunkten vor. Dies lässt sich auchals Entartung des Pseudospins interpretie-ren: Einer der Quantenpunkte ist immermit einem zusätzlichen Elektron besetzt,das Elektron kann alternativ im Quanten-punkt 1 (Pseudospin „hoch”) oder 2 (Pseu-dospin „runter”) sitzen, die Elektronenverbleiben aber in ihrem Quantenpunkt-system 1 oder 2. So kann die Anordnungals eine Pseudospin-Realisierung desAnderson-Störstellen-Modells verstandenwerden. Demnach ist zu erwarten, dassquantenmechanische Korrelationen dieCoulomb-Blockade im elektrischen Trans-port für beide Quantenpunkte umgehensollten. Es entsteht ein korrelierter Viel-teilchenzustand, der beide Quantenpunkteumfasst, obwohl kein direkter Elektronen-austausch zwischen den beiden Quanten-punktsystemen möglich ist. Eine Absen-kung der Temperatur unter die für dasSystem charakteristische Kondo-Tempera-tur sollte zu einem hohen Leitwert durchbeide Quantenpunkte führen.

Um dies experimentell nachzuweisen, habenwir in den letzten Jahren zwei Anordnun-gen von zwei elektrostatisch stark wech-selwirkenden Quantenpunktsystemen rea-lisiert.

In einer ersten Anordnung sind die beidenQuantenpunktsysteme übereinander ineiner GaAs/AlGaAs-Heterostruktur mitzwei zweidimensionalen Elektronensyste-men gestapelt. Der geringe Abstand vonetwa 60 nm garantiert eine starke elek-trostatische Wechselwirkung, und zeigterwartete Signaturen von Kondo-Physik,doch hat diese Realisierung den Nachteil,dass nicht alle Tunnelankopplungen derbeiden Quantenpunkte an ihre Zuleitun-gen frei einstellbar sind (U. Wilhelm,Promotion 2000). Deshalb sind wir wiederauf lateral in einem zweidimensionalenElektronensystem angeordnete Quanten-punktsysteme zurückgegangen, habenaber nach Wegen gesucht, die elektrostati-sche Wechselwirkung in solchen Struktu-ren zu verstärken. Dies gelang durch Auf-bringen einer elektrisch isolierten Metall-elektrode, die beide Quantenpunkte über-deckt (03c) (A. Hübel, Promotion 2007).Messungen des Leitwerts im Bereich der„c”-Linie im Ladungsstabilitätsdiagrammfür verschiedene Tunnelankopplungen andie Zuleitungen (03d) und Temperaturenzeigen, dass korreliertes Elektronentun-neln in diesem System auftritt.

Theoretische Berechnungen unterstützen,dass dies auf Kondo-artiges Verhalten auf-grund der elektrostatischen Wechselwir-kung zurückzuführen ist.

Wir können festhalten: Zwei elektrostatischgekoppelte Quantenpunkte mit separatenZuleitungen verhalten sich unter gewissenUmständen analog zu einem einzelnenQuantenpunktsystem mit Spin-Entartung.Da der Polarisationsgrad der Spinorientie-rung im Strom des Kondo-korreliertenQuantenpunktes schwer bestimmbar ist,um etwa theoretische Vorhersagen untererhöhter „Source”-„Drain”-Spannung zuüberprüfen, lassen sich in der Anordnungmit zwei Quantenpunkten trivial die Strö-me durch beide Quantenpunkte, d.h. die(Pseudo-)Spinpolarisation, für verschiede-ne Parametereinstellungen messen. DieMöglichkeiten des gekoppelten Systemssind jedoch noch vielfältiger: Es wurde intheoretischen Arbeiten dargelegt, dass beider gemeinsamen Behandlung des wahrenElektronenspins und des Pseudospinsunter gewissen Umständen und modera-ten Magnetfeldern ein hochgradig spin-polarisierter Elektronenstrom in einemder beiden Quantenpunktsysteme erzeugtwird. Die Kontrollmöglichkeiten über denspin-polarisierten Strom wären vielseitig,da die Parametereinstellungen für beideQuantenpunkte abgestimmt werden kön-nen. Dies ist durch künftige Experimentenachzuweisen.

3. Optische Eigenschaften von Halbleiter-Quantenpunkten

Im Gegensatz zu den im vorigen Abschnittausführlich beschriebenen, über elektro-statisch steuerbare Potentialbarrieren defi-nierten Quantenpunkten für Elektronen-Transportmessungen wird am Institut fürHalbleiteroptik und Funktionelle Grenz-flächen (IHFG) der Universität Stuttgarteine gänzlich andere Spezies von nanosko-pischen Modellsystemen, sogenannteselbstorganisierte Halbleiter-Quanten-punkte, für vielfältige optische Untersu-chungen eingesetzt.

3.1. HerstellungIn diesem Fall handelt es sich um quasi-null-

dimensionale, nur wenige zehn Nanome-ter (Millionstel Millimeter) große Kristal-lite eines Halbleitermaterials (z.B. Indium-Arsenid „InAs”), die in die Kristallmatrixeines zweiten umgebenden Halbleiters mit

3.2. Optische SpektroskopieDie beschriebene Art von Strukturen erlaubt

es nun, sowohl verschiedene Wechsel-wirkungsmechanismen zwischen gleichar-tigen und verschiedenen Ladungsträgerninnerhalb eines einzelnen Quantenpunktssowie beim Einfang oder „Tunneln” ausder umgebenden Barriere, als auch dasdynamische Verhalten spontaner strahlen-der Elektron-Loch-Rekombinationspro-zesse unter Aussendung eines Lichtquants(Photons) zu studieren. Um derartigePhotolumineszenz-Prozesse im Detail undohne störende thermische Einflüsse beob-achten zu können, werden Quanten-punktproben zunächst auf tiefe Tempera-turen von etwa 4 Kelvin (entsprechend -269°C) durch flüssiges Helium abgekühltund anschließend hochauflösend mikro-skopisch mit Hilfe von laserspektroskopi-schen Verfahren untersucht. Die Absorp-tion von Laserlicht mit einstellbarer Wel-lenlänge λ (d.h. Energie E = hc/λ) undIntensität wird hier dazu verwendet, Elek-tronen (e-) und Löcher (h+) entwedernichtresonant in der direkten Umgebungweniger Quantenpunkte oder idealerweiseresonant innerhalb eines einzelnen Quan-tenpunkts anzuregen. Je nach Art der An-regung können so verschiedene Beset-zungszustände präpariert werden, derenstrahlende Rekombination spektral und/oder zeitlich aufgelöst untersucht wird.Moderne hochempfindliche Detektoren inKombination mit schmalbandigen opti-schen Filtern erlauben es hierbei sogar,einzelne Photonen solcher Emissionsereig-nisse getrennt nachzuweisen. Welche Ein-blicke in die Quantenwelt dadurch mög-lich werden, soll im Folgenden beschrie-ben werden.

3.3. Exzitonen, Multiexzitonen undnichtklassisches Licht

Die einfachste Form eines optisch aktivenZwei-Teilchen-Ladungsträgerzustandes ineinem Quantenpunkt repräsentiert dassog. „Exziton” (Symbol: X), ein durchCoulomb-Wechselwirkung gebundenesund durch das Einschlusspotential desQuantenpunkts stark lokalisiertes Elek-tron-Loch-Paar. Ein solcher Besetzungs-zustand, bei dem die energetisch niedrig-sten Schalen in Leitungs- und Valenzbandmit jeweils einem Ladungsträger geradezur Hälfte besetzt sind, entspricht einemangeregten Zustand, der nach einer cha-rakteristischen Lebensdauer von etwa 1 ns

größerer elektronischer Bandlücken-energie (z.B. Gallium-Arsenid „GaAs”)eingebettet sind. Die Herstellung solcherQuantenpunkte erfolgt durch molekular-strahl-epitaktische oder auch gasphasen-epitaktische Abscheidung des gewünsch-ten Quantenpunktmaterials (hier: Indiumund Arsen) auf einem präparierten undvorgereinigten Substrat-Wafer (GaAs)unter genau definierten Wachstumsbedin-gungen von Temperatur und Material-fluss. Speziell im Wachstumsmodus nachStranski und Krastanow kommt es bei derAbscheidung des Materials auf dem Subs-trat zunächst zur Ausbildung einer ge-schlossenen Kristallschicht, die eine Dickevon nur wenigen Atomlagen aufweist.

Diese ersten Schichten wachsen zunächst„pseudomorph”, also mit derselbenGitterperiode (d.h. dem Atomabstand inden einzelnen Lagen) wie das Substrat. Daes sich aber eigentlich bei dem aufwach-senden Material um eine andere Speziesvon Kristall handelt, die durch eine etwasgrößere Gitterperiode (hier: +7%) charak-terisiert ist, entsteht mit jeder weiterenSchicht eine Erhöhung der kompressivenVerspannung des Gitters. Wird nun einematerialspezifische „kritische Schicht-dicke” von typischerweise nur wenigenAngström (10-10 m) überschritten, so ent-lädt sich die aufgesammelte Verspan-nungsenergie plötzlich durch Bildungkleiner kristalliner Inselstrukturen auf derOberfläche, die praktisch die Urform dergewünschten Quantenpunkte darstellen.Ein solcher (noch unvollendeter) selbstor-ganisierter Quantenpunkt besteht ausetwa 104 bis 105 Atomen des epitaktischabgeschiedenen Materials, wobei sowohlGröße als auch Form innerhalb des gesam-ten Quantenpunkt-Ensembles statisti-schen Schwankungen unterliegen.

Als letzten Schritt der Epitaxie werden diePunkte schließlich mit einer weiterenSchicht des Substratkristalls überwachsen,um nun einen vollständigen Einschlussder Punkte zu erreichen. In unserem Fallfungiert dabei das GaAs als drei-dimensio-naler Potentialtopf, der gebundene Zu-stände sowohl von Elektronen (e-) sowieLöchern (h+; auch „Defektelektronen”genannt) in Form von „Schalen” diskreterEnergie im InAs-Quantenpunkt erzeugt.Von dieser Quantisierung der Zuständerührt die vielzitierte formale Analogiezwischen Quantenpunkten als „künstli-chen Atomen” und „echten Atomen” her.

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QUANTE N PU N KTE 17

(10-9 s) spontan wieder zerfällt. Bei diesemstrahlenden Rekombinationsprozess wirdgerade die Energiedifferenz zwischen demangeregten Ausgangszustand („Exziton”)und dem Grundzustand des unbesetztenQuantenpunkts („Vakuumzustand”) inForm eines einzelnen Photons freigesetzt.

Beobachtet man den Prozess spontanerEmission dieser charakteristischen exzito-nischen Photonen eines einzelnen Quan-tenpunktes durch Integration über vieleAnregungszyklen hinweg, so ergibt sicheine scharfe Einzellinie (X) im Spektrumwie in 04a gezeigt. In Abhängigkeit vonder optischen Anregungsintensität kön-nen neben Exzitonen darüber hinaus aberauch Quantenpunkt-Zustände präpariertwerden, bei denen nicht nur einzelne, sondern im Mittelgleich zwei oder mehr angeregte Elektron-Loch-Paare dieenergetisch niedrigsten Zustände in den Schalen besetzen.Den Zustand von jeweils zwei wechselwirkenden Elek-tron-Loch-Paaren zeigt 04a als zusätzliche Rekombina-tionslinie des „Bi-Exzitons” (XX), dessen Photonen-Ener-gie von der des Exzitons (X) verschieden ist. Grund hierfürist die gegenseitige Coulomb-Wechselwirkung der e-h-Paare in der niedrigsten Schale, die sowohl attraktiven(anziehenden) wie repulsiven (abstoßenden) Charakterhaben kann. Bei dem hier gezeigten Quantenpunkt über-wiegt die anziehende Wechselwirkung der e-h-Paare – zusehen an der spektralen Rotverschiebung der Rekombina-tionslinie des Biexzitons gegenüber der des Exzitons. DieseEnergiedifferenz wird oft auch als „Biexziton-Bindungs-energie” bezeichnet.

Der besondere „nicht-klassische” Charakter der Photonen-emission aus einem einzelnen QD-Zerfallskanal erschließtsich direkt anhand von speziellen Statistikmessungen (sog.Auto-Korrelationsmessungen), bei denen die Häufigkeits-verteilung der Emission zweier aufeinander folgenderPhotonen (z.B. des Exzitons X) als Funktion ihres zeitli-chen Abstandes (Verzögerung τ) gemessen wird. In 04b

ist das Ergebnis einer solchen Messung gezeigt, bei der derexzitonische Zustand des QDs gepulst mit einer Periodevon 13 ns angeregt wurde. Speziell das Messsignal bei Ver-zögerungszeit null verrät das erwähnte nicht-klassischeVerhalten, da sich hier eine nahezu vollständige Unter-drückung von gleichzeitig auftretenden Photonen aus die-sem Zerfallskanal widerspiegelt, während Photonenpaareaus unterschiedlichen Anregungszyklen keine Korrelationaufweisen und der Poisson-Statistik (Wert = 1) unterlie-gen. Der hier beobachtbare nicht-klassische (auch: „Sub-Poisson”-) Charakter des Lichts ergibt sich aus der Tat-sache, dass sich der QD nach Emission eines Photons nichtsofort im Ausgangszustand befindet, sondern für die er-neute Aussendung eines gleichen Photons zunächst wie-der angeregt werden muss. Dieser Sachverhalt unterbindetdas gleichzeitige Auftreten von zwei (oder mehr) Photo-nen – wie es in völligem Gegensatz dazu in klassischenLichtquellen wie etwa glühenden Körpern, Plasmen oder

(a) Zeitlich integriertesPhotolumineszenzspektrum eines ein-zelnen Halbleiter-Quantenpunkts, indem die spontanen strahlendenRekombinationen des exzitonischen(X) und des bi-exzitonischenZustands (XX) als diskrete Linien zusehen sind; (b) Photonen-Auto-Korrelationsmessung an der Exziton-Linie unter gepulster Anregung: Dernichtklassische Charakter derPhotonenemission einzelner QDs zeigtsich in der ausgeprägten Unter-drückung von Ereignissen, bei denengleichzeitig zwei oder mehr Photonenaus ein und demselben Zerfallskanal(hier: X) auftreten. In der Spracheder Quantenmechanik bezeichnet mandie Unterdrückung des normiertenKorrelationssignals < 0.5 bei Ver-zögerung τ = 0 als „Anti-Bunching”im Sinne von „zeitlich abstandhalten-den Photonen”.

(a) Time-integrated photoluminescen-ce spectra of a single semiconductorquantum dot, revealing the characteris-tic discrete line signatures of sponta-neous radiative recombination from theexcitonic (X) and bi-excitonic (XX)state; (b) Results of a photon-autocor-relation measurement of the excitonline under pulsed optical excitation:the non-classical character is reflectedin a strong suppression of simultaneousmulti-photon emission events from thesame decay channel (here: X).Quantum mechanically, the pronouncedsuppression effect of correlation signal< 0.5 around zero delay (τ = 0) isknown as „photon anti-bunching”, i.e.the non-classical phenomenon of tem-porally separated photon emission pro-cesses.

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auch Laserquellen zu beob-achten ist. Neben der zuvorbeschriebenen Möglichkeitder getriggerten Erzeugungvon einzelnen Photonen ausdem Exziton-Zerfall kannnatürlich ebenso die bi-exzi-tonische Rekombination(XX) eines QDs durch spek-trale Filterung genutzt wer-den, um Einzelphotonen beientsprechend anderer Ener-gie zu erzeugen. Darüber hinaus ist es eben-falls möglich, durch geeig-nete optische Anregungeinzelne Quantenpunktezunächst gezielt mit zwei e-h-Paaren zu besetzen undsomit den biexzitonischenZustand zu präparieren, deranschließend unter sequen-tieller Aussendung voneinem XX- und einem X-Photon in den Vakuum-zustand rekombiniert.Aufgrund der bedeutend

kürzeren Lebensdauer des Bi-Exzitons von nur etwa 500 ps(vgl. Exziton: ~ 1 ns) bilden diese zwei Prozesse also eineZwei-Photonen-Kaskade, die – wie im folgenden beschrie-ben – zur Erzeugung eines weiteren quantenmechani-schen Phänomens, der „Polarisations-Verschränkung” vonPhotonenpaaren, genutzt werden kann. Der experimen-telle Nachweis dieses Effekts konnte kürzlich auch amInstitut für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenz-flächen (IHFG) erbracht werden.

3.4. Erzeugung von polarisationsverschränkten Photonenpaaren

Wie in 05 schematisch gezeigt wird, können bei der kaska-dierten Emission von je einem XX-Photon und einem X-Photon von einen einzelnen Quantenpunkt zwei Grenz-fälle unterschieden werden. Die Rekombinationspfade „A”und „B” repräsentieren den Fall einer „klassischen” Korre-lation, die sich durch gleichartige lineare Polarisation derPhotonenpaare (hier: horizontal oder vertikal) auszeich-net. Bedingt durch eine häufig zugrunde liegende leichtestrukturelle Asymmetrie selbst-organisiert gewachsenerQuantenpunkte zeigt das Emissionsspektrum von XX undX in diesem Fall eine auflösbare Feinstrukturaufspaltungin sogenannte Dubletts. Sowohl anhand dieser Feinstruk-tur als auch durch die gleichartige Linearpolarisation bei-der aufeinanderfolgender Photonen können die Pfade „A”und „B” der Kaskade also klar voneinander unterschiedenwerden: XX- und X-Rekombination sind hier „klassischpolarisations-korreliert”.

Ein völlig anderes Szenario stellt sich im Falle einer nahezuverschwindenden Feinstruktur oder gar vollständiger Ent-

Schema der Erzeugung klassisch korrelierter sowie „polarisations-verschränkter” Paare von Lichtquanten(Photonen) aus der strahlendenBiexziton-Exziton-Rekombinationeines einzelnen Quantenpunkts. Im„klassischen Fall” (Pfade „A” und„B”) können die Lichtquanten anhandihrer Polarisation und Energie klarunterschieden werden. „Polarisations-verschränkte” Photonen hingegen(Pfade „C” und „D”) befinden sichin einem quantenmechanischenSuperpositions-Zustand, der sich durchstarke Korrelation der beiden Photonenauszeichnet. Aufschluss über dengesamten Grad der Verschränkung desbeobachteten Photonen-Zustands liefert hier die sog. Zwei-Photonen-Dichtematrix.

Generation scheme of „classically correlated” and „polarization-entang-led” photon pairs from a single quan-tum dot. In the „classical” case (paths„A” and „B”) the emitted photons canbe distinguished in terms of polarizati-on and energy, whereas „entangled”photon pairs are in a superpositionstate of strong correlation. The degreeof entanglement of this state can beextracted from a measurement of theso-called photon density matrix.

05

QUANTE N PU N KTE 19

artung der Emissionskomponenten vonBi-Exziton und Exziton dar: Aufgrund derin diesem Fall nicht spektral unterscheid-baren Rekombinationspfade „C” und „D”muss der Gesamtzustand der kaskadiertenPhotonenpaare nun als Superposition(d.h. Linearkombination) aus den beidenmöglichen Zerfalls-Pfaden mit entspre-chender Polarisation beschrieben werden.Bei einem solchen Zwei-Photonen-Zu-stand handelt es sich um „polarisations-verschränkte” Photonenpaare, ein reinquantenmechanisch beschreibbares Phäno-men ohne klassisches Analogon.

In dieser Superposition ist der Polarisations-zustand jedes einzelnen der beiden ver-schränkten Photonen zunächst komplettunbestimmt. Erst die gezielte Messung desPolarisationszustands eines der beidenemittierten Photonen ergibt dann aber so-fort auch eine direkte Aussage über diePolarisation des zweiten Photons aus der-selben Kaskade. In der Sprechweise derQuantenmechanik „zwingt” erst diesenachträgliche Messung der Polarisationden verschränkten Superpositionszustandzum ‚Kollaps’ in den vom Experimentatorgewählten Messzustand der Polarisation.Der zuvor unbestimmte Zustand des zwei-ten (korrelierten) Photons wird hierbeiinstantan, abhängig vom Resultat derMessung am ersten Photon, festgelegt.Interessanterweise können beide ver-schränkten Photonen auch weit voneinan-der gemessen werden, ohne dass die zuvorbeschriebene starke Korrelation verlorengeht.

Am IHFG ist es nun gelungen, solche ver-schränkten Photonenpaare mit Hilfe eineseinzelnen InAs/GaAs-Halbleiter-QDs ge-triggert zu erzeugen und anschließendnachzuweisen (Quelle: R. Hafenbrak, S. M.Ulrich, P. Michler, L. Wang, A. Rastelli,and O. G. Schmidt: Triggered polarization-entangled photon pairs from a single quantum dot upto 30 K, New Journal of Physics 9, 315(2007)). Unter schneller periodischerAnregung des Quantenpunkts mittelsgepulsten Laserlichts wurden hierzu XX-und X-Photonen der Lumineszenz polari-sationsabhängig miteinander zeitlich kor-reliert. Aus Messungen einer Vielzahlunterschiedlicher Kombinationsmöglich-keiten der Polarisation war es so möglich,die Gesamtkorrelation und somit denGrad der Verschränkung des Zustandesmit einem Quanten-Tomographieverfah-ren zu ermitteln.

Das Ergebnis in Form der bestimmten Zwei-Photonen-Dichtematrix ist im unterenTeil von 05 gezeigt. Als eindeutiges Indizfür den hohen Verschränkungsgrad derhier erzeugten Photonenpaare (mit bis zu72 Prozent bzgl. perfekter Verschränkung)erkennt man den Beitrag der Nebendiago-nalelemente der Matrix (rechtes Bild), dieim „klassischen” Fall unterscheidbarerZerfallspfade (linkes Bild) nicht zu erwar-ten sind. Während die hier gezeigten Er-gebnisse zunächst bei Temperaturen von T = 4 K (-269°C) gemessen wurden, ist esweiterhin erstmals gelungen, einen nahe-zu unveränderten Verschränkungsgradvon ~ 68 Prozent bis zu T = 30 K (-243°C)nachzuweisen.

Als wichtiges Ziel laufender Untersuchun-gen am IHFG ist die Optimierung der ver-wendeten Quantenpunkte hinsichtlichihrer Temperaturstabilität angestrebt, mitdenen möglicherweise Verschränkung so-gar bei deutlich höheren Temperaturenoberhalb von 77 K (Siedepunkt von Stick-stoff) und damit anwendungstechnisch re-levanten Bereichen realisiert werden kann.

3.5. Gekoppelte QuantenpunkteMit Hilfe der Molekularstrahlepitaxie kann

man lateral sehr dicht nebeneinander lie-gende Quantenpunkte herstellen. 06a

zeigt eine Rasterkraftmikroskopieauf-nahme (AFM) zweier lateraler Quanten-punktmoleküle, die aus jeweils zwei indi-viduellen (In,Ga)As Quantenpunktenbestehen (Quelle: G. Beirne et al., Phys.Rev. Lett. 96, 137401 (2006)). Die Quanten-punkte können durch einen kurzen opti-schen Laserpuls gezielt mit Elektron-Loch-Paaren gefüllt werden. Die von den Elek-tronen eingenommenen Energiezuständehängen von der Größe, der Form, unddem verwendeten Materialsystem derjeweiligen Quantenpunkte ab. Wenn dieelektronischen Energieniveaus des linkenund rechten Quantenpunktes energetischsehr nahe beieinander liegen, tritt reso-nantes Tunneln auf. Das bedeutet, dassz.B. ein Elektron über den beiden Quan-tenpunkten delokalisiert und somit kei-nem individuellen Quantenpunkt mehrzugehörig ist.

Das kontrollierte Erzeugen und Nachweisenderartiger Zustände ist die Grundvoraus-setzung für Konzepte, die momentan fürdie Quanteninformationsverarbeitung dis-kutiert werden. So ermöglicht die hierverwendete laterale Geometrie gegenüber

den bisher realisierten vertikalen Ansätzendie Kopplung in zwei Dimensionen. Diesermöglicht eine Hochskalierung auf einesehr große Zahl von Quantenpunkten.

Eine weitere Besonderheit dieser Quanten-punktmoleküle ist ihre Anordnung ent-lang ausgezeichneter Kristallachsen. Dieseermöglicht es, Elektroden zur Erzeugungelektrischer Felder auf der Probe aufzu-bringen. Mit Hilfe der Felder kann derGrad der Delokalisierung gesteuert bezie-hungsweise ein Elektron gezielt vom lin-ken zum rechten Quantenpunkt transpor-tiert werden (06b). Information über denbevorzugten Aufenthaltsort erhält manaus der strahlenden Rekombination desElektrons mit einem jeweils ortsfestenLoch in den jeweiligen Quantenpunkten.Mit der hochempfindlichen optischenSpektroskopie ist es möglich, den Aufent-haltsort der Elektronen in Abhängigkeitdes elektrischen Feldes zu studieren.

Photonenstatistikmessungen zeigen, dassauch die Quantenpunktmoleküle sehrgute Einzelphotonenquellen sind. Man hathier den zusätzlichen Vorteil, dass übereine von außen angelegte Spannung, einein der Wellenlänge abstimmbare Einzel-photonenlichtquelle verwirklicht werdenkann.

Darüber hinaus erhält man mit Hilfe vonzeitaufgelösten Photolumineszenzmessun-gen Aufschluss über die Dynamik desLadungsträgertransfers zwischen den be-nachbarten Quantenpunkten. Im Falle desungekoppelten Systems (06c, Abb. ganzlinks bzw. rechts) beobachtet man nacheinem anfänglichen Plateau bei der exzito-nischen Rekombination monoexponenti-elle Zerfälle für die Exzitonen (~ 1 ns) undBi-Exzitonen (~ 500 ps) in Übereinstim-mung mit den Werten für strahlende Zer-fallskaskaden an einzelnen Quantenpunk-ten (s.o.).

Im Kopplungsfall (06c, mittlere Abb.)hin-gegen beobachtet man bei nicht-resonan-ter Anregung in die Barriere einen bi-exponentiellen Zerfall. Eine Auswertungder Daten ergibt einen anfänglichenschnellen Zerfall (~ 100 ps) der haupt-sächlich dem Tunnelprozess zugeordnetwerden kann. Die zweite, längere Zerfalls-zeit (~ 900 ps) entspricht der strahlendenRekombinationszeit in den einzelnenQuantenpunkten. Noch interessanter wärees, den zeitlichen Zerfall nach resonanterAnregung eines der beiden Quanten-punkte zu studieren. Hierbei sollte man

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(a) Rasterkraftmikroskopieaufnahme(AFM) eines einzelnen Moleküls auszwei lateral gekoppelten(In,Ga)As/GaAs-Quantenpunkten;(b) Schematische Darstellung derelektronischen Quantenpunkt-Molekül-Wellenfunktionen in Abhängigkeit vonder angelegten lateralen Stärke eineselektrischen Feldes; drei Fälle relativen„Tunings” zwischen den beidenQuantenpunkten können anhand ihrerresultierenden Gesamtwellenfunktionenund den entsprechenden exzitonischen(X1, X2) Übergängen unterschiedenwerden; (c) Zeitintegrierte Photo-lumineszenzspektren eines einzelnenMoleküls (entsprechend den dreiFällen in der oberen Abbildung) unddazugehörige zeitaufgelöste Spektren.

(a) Atomic force microscopy (AFM)image of a single molecule of two laterally coupled (In,Ga)As/FGaAssemiconductor quantum dots; b) Sketchof the electronic wave function of aquantum dot molecule (QDM) as afunction of lateral electric fieldstrength; three different conditions ofrelative ‘tuning’ between the two dotscan be distinguished in terms of theirresulting total wave function and thecorresponding excitonic transitions(X1, X2); (c) Time-integratedQDM emission spectra and correspon-ding time-resolved spectra.

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QUANTE N PU N KTE 21

die kohärenten Tunnelprozesse zwischenden Quantenpunkten in ihrer Dynamikstudieren können. Diese Experimente ste-hen noch aus, und sind in naher Zukunft

am Institut für Halbleiteroptik und Funk-tionelle Grenzflächen geplant. •

J.Weis, S. M. Ulrich und P. Michler

Peter Michler

ist seit 2006 Leiter des neu gegründeten „Instituts für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen“ (IHFG, ehemals„Institut für Strahlenphysik“ (IFS)) der Universität Stuttgart. Die Forschungsschwerpunkte des IHFG auf dem Gebietder Halbleiteroptik umfassen die Untersuchung der quantenoptischen Eigenschaften von Halbleiter-Nanostrukturen(Quantenpunkte, Quantenpunktmoleküle), Kohärenzeigenschaften und Photonenstatistik von Mikrolasern sowie Reso-nator-Quantenelektrodynamik in Halbleitern. Weiterhin umfasst der Bereich Epitaxie die Herstellung und Charakteri-sierung vom Gruppe-III-V (Arsenide, Phosphide, Nitride) Halbleiter-Quantenpunkt- sowie Quantentrog-Strukturenund Mikrolasern (VCSELs) mittels MOVPE.

Sven Marcus Ulrich

studierte Physik an der Universität Bremen, wo er 2001 sein Diplom mit einer Arbeit zum Thema „Optische Spektro-skopie der Donator-Akzeptor-Paarrekombination in GaN:Mg“ ablegte. Nach einem Wechsel an die UniversitätStuttgart (2003) als wissenschaftlicher Mitarbeiter promovierte er 2006 mit dem Thema „Non-classical and stimulatedphoton emission processes from self-assembled semiconductor quantum dots“. Zu seinen aktuellen Forschungsgebieten alsPost-Doc am Institut für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen zählen die Erzeugung nichtklassischer und ver-schränkter Lichtzustände mittels einzelner Quantenpunkte und die Untersuchung der spontanen strahlendenRekombination sowie stimulierten Emission (Lasing) von Quantenpunkten in Mikroresonatoren.

KontaktInstitut für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen, Universität StuttgartAllmandring 3, 70569 Stuttgart, Tel.: 0711/685-63871, Fax: 0711/685-63866E-Mail: [email protected], Internet: www.ihfg.uni-stuttgart.de

Jürgen Weis

studierte Physik an der Universität Ulm, fertigte seine Promotionsarbeit am Max-Planck-Institut für Festkörper-forschung (MPI-FKF) an und promovierte 1994 an der Universität Stuttgart. Nach einem Forschungsaufenthalt beiAT&T Bell Labs ist er seit 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI-FKF in der Abteilung von Prof. K. vonKlitzing. Nach Habilitation im Jahre 2002 ist er seit 2006 außerplanmäßiger Professor an der Universität Stuttgart.Er beschäftigt sich mit elektrischen Eigenschaften niederdimensionaler Elektronensysteme sowie der Rastersonden-mikroskopie solcher Systeme bei tiefsten Temperaturen und hohen Magnetfeldern.

KontaktMax-Planck-Institut für FestkörperforschungHeisenbergstraße 1, 70569 Stuttgart, Tel.: 0711/689-1329E-Mail: [email protected], Internet: www.fkf.mpg.de/klitzing

DIE AUTOREN

1. Supraleiter, Flussquanten, Josephsonkontakte

„Magnetischer Fluss” ist eine Größe, dieStudierenden der Physik spätestens im 2. Semester nahe gelegt wird. Wenn einMagnetfeld B eine Fläche F senkrechtdurchdringt, so ist der magnetische FlussΦ gerade das Produkt B·F. Falls das Feld„schief” zur Fläche steht, ist nur dessensenkrechter Anteil zu berücksichtigen. DieGröße Φ spielt beispielsweise bei der Fara-dayschen Induktion eine große Rolle.Wenn sich der magnetische Fluss durcheine Leiterschleife zeitlich ändert, so ent-steht über der Schleife ein Spannungs-

abfall, der zur zeitlichen Änderung von Φproportional ist.

Im Supraleiter1 spielt der Begriff magneti-scher Fluss eine zentrale Rolle. Wird aneinen so genannten Typ-II-Supraleiter einallmählich anwachsendes Magnetfeld an-gelegt, so schirmt dieser zunächst das Feldvollständig ab. Oberhalb einer gewissenMindeststärke dringt das Feld aber in denSupraleiter ein und wird dort in feineSchläuche gebündelt. Der magnetischeFluss durch ein Bündel hat immer dengleichen Wert Φ0 = 2.07·10-15 Tesla·m2.Dies ist das Flussquant, dessen Wert sich alsQuotient des Planck'schen Wirkungsquan-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E22

FraktionaleFlussquantenSteuerbare „Atome” im Supra le i ter

In Supraleitern existieren spezielle Wirbel, die einen

quantisierten magnetischen Fluss tragen. Diese Fluss-

quanten bestimmen maßgeblich das Verhalten von

Supraleitern, etwa bei der Frage, wie viel Strom ein

supraleitender Draht tragen kann, ohne einen elektri-

schen Widerstand zu erzeugen. In den letzten Jahren

hat man gelernt, diese Flussquanten gezielt zu manipu-

lieren und zur Erzeugung maßgeschneiderter Eigen-

schaften einzusetzen. Darüber hinaus gelang es,

Flussquanten in kontrollierter Form zu „teilen” und damit

völlig neuartige Objekte herzustellen. Diese fraktionalen

Flussquanten lassen sich in gewisser Weise als „Atome”

auffassen, deren Eigenschaften durch elektrische

Ströme hochgradig steuerbar sind. Ganzzahlige wie auch fraktionale Flussquan-

ten bilden einen idealen Baukasten, um neuartige Formen von Quantenmaterie

gezielt aufzubauen und zu kontrollieren. Im nachfolgenden Beitrag führen wir in

die Welt der Flussquanten ein und beschreiben an Hand ausgewählter Beispiele,

wofür sich diese Quanten nutzen lassen.

1 Für eine Einführung in dieSupraleitung siehe z.B. W. Buckel, R. Kleiner,„Supraleitung – Grundlagen und Anwendungen”, 6. Auflage, Wiley-VCH (2004)

FLUSSQUANTE N 23

tums h und der doppelten Elementar-ladung 2e ergibt. Der typische Durchmes-ser eines Flussschlauches liegt bei ca. 0.3Mikrometer; es handelt sich also um sehrkleine Objekte. Mit der Technik der sogenannten Bitterdekoration gelang es U.Eßmann und H. Träuble vom Max PlanckInstitut für Metallforschung in Stuttgart1967 erstmals, Flussquanten abzubilden.01 zeigt eine ihrer Aufnahmen in einerLegierung aus Blei und Indium.

Der Grund für die Portionierung des magne-tischen Flusses in einzelne Quanten liegtin der speziellen Wellennatur der Elektro-nen im supraleitenden Zustand. Nach denGesetzen der Quantenmechanik kanneinem sich bewegenden Elektron ein Wel-lenzug zugeordnet werden, der sich mitdem Elektron bewegt und eine Wellenlän-ge (der Abstand zwischen zwei „Wellen-bergen”) hat, die von der Masse und derGeschwindigkeit des Elektrons abhängen.Wenn sich viele Elektronen mit unter-schiedlichen Geschwindigkeiten in unter-schiedliche Richtungen bewegen, bleibtvon dieser Welleneigenschaft allerdingswenig übrig. Man erhält eine „inkohären-te” Überlagerung aller Wellen, ganz ana-log zum Fall von Photonen, die aus einerGlühbirne austreten. Dies ändert sich – imFall von Photonen – wenn man von derGlühbirne zum Laser übergeht. Dort tre-ten alle Lichtwellen in nahezu der glei-chen Richtung mit nahezu gleicher Wel-lenlänge aus. Man erhält eine „kohärente”Überlagerung und damit einen Zustand,in dem alle Photonen eine gleichsammakroskopische Welle ausbilden. Im Su-praleiter bilden Paare von Elektronenzusammen einen analogen Zustand aus.Obgleich sich alle einzelnen Elektronenunterschiedlich verhalten, bewegen sichPaare von Elektronen jeweils so, dassderen Schwerpunktsbewegung eine „mak-roskopische Materiewelle” oder „makro-skopische Wellenfunktion” formt, diewohl definierte Welleneigenschaften wieWellenlänge oder Phase hat. Diese makro-skopische Welle lässt sich durch kleineStörungen nicht aufhalten und führt bei-spielsweise dazu, dass Supraleiter elektri-schen Strom ohne Widerstand tragen kön-nen.

Betrachtet man einen (homogenen) supra-leitenden Ring, so muss sich die makro-skopische Materiewelle um den Ringschließen, vgl. 02 (links). Nach einemUmlauf muss Wellenberg auf Wellenberg

treffen und damit mussder um den Ring laufendeWellenzug ein ganzzahli-ges Vielfaches einerWellenlänge besitzen (diePhase der Wellenfunktionmuss sich bei einemUmlauf um den Ring umein ganzzahliges Vielfachesvon 2π ändern). Im Unter-schied zu Photonen sindElektronen aber geladenund reagieren auf äußereMagnetfelder. Es zeigt sich,dass sich die Wellenlängeder Elektronen durchangelegte Magnetfelderändern lässt. Wenn derRing von einem Magnet-feld durchsetzt wird, führtdie Bedingung an die Phaseder Materiewelle dazu,dass der magnetischeFluss in ganzzahligenVielfachen von Φ0 portio-niert sein muss. Ganzanalog erhält man imTyp-II-Supraleiter eineAufteilung des magnetischen Flusses ineinzelne Quanten Φ0 – dieser Supraleitererzeugt im Magnetfeld so viele Flussquan-ten, wie er kann.

Bevor wie uns „fraktionalen Flussquanten”zuwenden, müssen wir noch eine weitereAnordnung (ein Josephsonkontakt) ein-führen, die aus zwei supraleitendenSchichten besteht, die durch eine nicht-supraleitende Zwischenschicht getrenntsind. Die Zwischenschicht ist dabei nurwenige Nanometer dick; das gesamteSandwich hat eine Kantenlänge im Bereichweniger Mikrometer. Nach den Gesetzender klassischen Physik sollte es unmöglichsein, dass ein Suprastrom über die Zwi-schenschicht fließen kann. Falls diese iso-lierend ist, sollte es ebenso unmöglichsein, einen „normalen” Strom von Elek-tronen über die Zwischenschicht zu erhal-ten. Die Quantenmechanik erlaubt aber,dass die entsprechenden Wellenzüge einStück weit in die Zwischenschicht hinein-reichen, so dass Elektronen über diese„tunneln” können. Im Fall des Supralei-ters erhält man einen schwachen Supra-strom, den so genannten Josephsonstrom.Er hat die besondere Eigenschaft, dass des-sen Stärke zum Sinus der Differenz derPhasen der makroskopischen Wellenfunk-

In superconductors special kinds of vortices can becreated that carry a quantized magnetic flux. Theseflux quanta determine in many aspects the behaviorof a superconductor, e. g. in the context of the capa-bility of superconducting wires to carry a supercurrentwithout producing electrical resistance. Within thelast years physicists have learned how to manipulateflux quanta in a controlled way and how to use themto create materials with tailored properties. In additi-on it became possible to "split" such vortices and thusto create completely new objects. These fractionalvortices can be viewed as "atoms" that can be con-trolled to a high degree by electrical currents. Integerand fractional vortices form an ideal tool to build upand control new forms of quantum matter. In thisarticle we will introduce the reader into the world offlux quanta and will show, using selected examples,what such quanta can be used for.

SUM MARY

01

Abbildung magnetischer Flussquantendurch „Dekoration” mit Eisenkolloid

(U. Eßmann, H. Träuble, 1967). Aneine Blei-Indium-Legierung wurde bei

einer Temperatur von 1.2 Kelvin einMagnetfeld senkrecht zur Bildebene

angelegt. Die Probe wurde im Mag-netfeld mit kleinen Eisenkolloidparti-keln bestäubt, die sich an den Durch-

stoßpunkten der Flusslinien auf derOberfläche des Supraleiters anlagern.Nach Aufwärmen wurde die Probe imRasterelektronenmikroskop abgebildet.

Der Abstand zwischen zwei benach-barten Flusslinien beträgt ca. 1 Mik-

rometer. Abbildung aus [1].

Image of magnetic flux quanta obtai-ned by decoration with iron colloid (U. Eßmann, H. Träuble, 1967).

A magnetic field perpendicular to theplane of view was applied to a lead/

indium sample. The sample was sub-sequently decorated with small ironparticles accumulating at the spots

where the flux lines exit from thesuperconductor. After warming up, the

sample was imaged in a scanning electron microscope. The distance

between adjacent flux lines is about 1micrometer. Image from [1].

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tionen in den beiden supraleitendenSchichten proportional ist (so ist die Pha-sendifferenz gerade 180° bzw. π, wenneinem Wellenberg in Schicht 1 ein Wellen-tal in Schicht 2 gegenübersteht). Joseph-sonkontakte haben seit ihrer Entdeckungin den 1960er Jahren vielfältige Anwen-dungen gefunden, etwa bei der Realisie-rung von Spannungsstandards, als höchst-empfindliche Magnetfeldsensoren zurDetektion von Gehirnströmen oder alsaktive Elemente in supraleitenden Schalt-kreisen.

2. Halbzahlige Flussquanten in supraleitenden Ringen

In unserem Zusammenhang spielen Joseph-sonkontakte eine große Rolle bei der Rea-lisierung fraktionaler Flussquanten. Be-trachten wir zunächst nochmals einensupraleitenden Ring. Wir hatten gesehen,dass die makroskopische Wellenfunktioneine ganze Zahl von Wellenlängen um denRing herum haben muss; als Konsequenzmusste der magnetische Fluss durch denRing ein ganzzahliges Vielfaches des Fluss-quants Φ0 betragen. Wir hatten dabei aberunterstellt, dass die Welle um den Ringherum keine Sprünge aufweist, der Ringmithin homogen supraleitend war. Bautman nun eine dünne Barriere in den Ringein (d.h. man integriert einen Josephson-kontakt), so kann die Welle an der Barriereeinen Phasensprung κ aufweisen. Betrach-ten wir einen Ring, in den ein „konventio-neller” Josephsonkontakt mit einer isolie-renden oder normal leitenden Barriereintegriert ist. Das von außen angelegteMagnetfeld sei Null. Ohne Josephsonkon-

takt ist dann der einfachste Zustand derflussfreie Zustand, d.h. es befinden sichNull Flussquanten im Ring und es fließtkein Strom um den Ring. Bei „konventio-nellen” Josephsonkontakten ist ohneStrombelastung der Phasensprung an derBarriere Null; integriert man einen sol-chen Kontakt in den Ring, passiert nichts;der magnetische Fluss durch den Ringbleibt Null. Seit einigen Jahren kennt manaber Josephsonkontakte, die ohne Strom-belastung einen Phasensprung von π auf-weisen. Dies lässt sich z.B. durch Einfügeneiner ferromagnetischen Barriere errei-chen. Je nach Dicke dieser Barriere erhältman entweder „0-Kontakte”, die ohneStrombelastung keinen Phasensprung zei-gen, oder „π-Kontakte”, bei denen dieWellenfunktion an der Barriere um 180°springt.

Integriert man einen π-Kontakt in densupraleitenden Ring (vgl. 02 rechts), somuss sich die Phase der Wellenfunktion beieinem Umlauf um den Ring nach wie vorum ein Vielfaches von 2π ändern. Jetzt istaber „ein π” am Josephsonkontakt lokali-siert. Es entstehen spontane Ringströme,so dass sich die Phase der Wellenfunktionum ein ungeradzahliges Vielfaches von πum den Ring herum ändert. Als Konse-quenz beträgt der magnetische Flussdurch den Ring ein ungeradzahliges Viel-faches des halben Flussquants; im einfach-sten Fall trägt der Ring spontan einenmagnetischen Fluss ±Φ0/2.

Besäße man eine Möglichkeit, im Ring einenbeliebigen Phasensprung κ zu erzeugen, sokann der Ring einen Kreisstrom so auf-bauen, dass die (kontinuierliche) Phasen-änderung um den Ring -κ beträgt – ent-sprechend einem magnetischen Fluss(κ/2π) Φ0. Alternativ kann die Phasen-änderung um den Ring 2π-κ betragen.Man erhält einen magnetischen Fluss(κ/2π-1) Φ0. Für κ�π existieren also zweiunterschiedliche Sorten fraktionaler Fluss-quanten (z. B. -1/3 Φ0 und +2/3 Φ0 für κ = π/3). Entsprechende Wirbel könnenbislang nicht in dem einfachen Ring-system erzeugt werden, das hier darge-stellt wurde. Wohl aber gelingt dies in„langen” Josephsonkontakten, wie imnächsten Abschnitt dargestellt wird.

Man sieht aber bereits in dem einfachen Bei-spiel des supraleitenden Ringes, dass sichfraktionale Flussquanten qualitativ vonganzzahligen Flussquanten unterscheiden:Im letzteren Fall ist Φ = 0·Φ0 die einfach-

02

Zur Flussquantisierung im supraleiten-den Ring. Links: Homogener Ring,rechts: Ring mit eingebautemPhasensprung π. Oben: Geometrie desRings und eingeschlossener magneti-scher Fluss Φ; „n” steht für eine ganzeZahl. Unten: Verlauf der makroskopi-schen Wellenfunktion entlang einesgedachten kreisförmigen Wegs imInnern des Rings. „B” bezeichnet dasangelegte Magnetfeld.

On the issue of flux quantization in asuperconducting ring. Left graphs:homogeneous ring, right graphs: ringincluding a phase discontinuity of π.Upper graphs show the ring geometryand indicate the magnetic flux Φ enc-losed in the ring; „n” indicates aninteger number. Lower graphs indicatethe macroscopic wave function oscilla-ting around a circular path inside thering. „B” indicates the applied magne-tic field.

FLUSSQUANTE N 25

ste Lösung; man erhält ein flussfreies Sys-tem. Für κ = π muss ein spontaner mag-netischer Fluss ±Φ0/2 erzeugt werden,wobei die Abschirmströme entsprechendder beiden Vorzeichen entweder im Uhr-zeigersinn oder dagegen fließen. Es bautsich also spontan ein magnetischer Zu-stand auf. Die beiden Möglichkeiten ±Φ0/2können beispielsweise zur Speicherungbinärer Information verwendet werden.Im Fall κ�π bricht man zudem die Sym-metrie zwischen rechtsdrehenden undlinksdrehenden Ringströmen. Es entstehtein System, das reichhaltige Physik auf-weist und zudem – über die Wahl von κ –hochgradig steuerbar ist.

3. Flussquanten in langen Josephsonkontakten

Kehren wir zurück zur Physik von Joseph-sonkontakten. Wir hatten bislang derenendliche Ausdehnung nicht beachtet. Wirnehmen nun an, die Schichten seien ineiner Richtung sehr weit ausgedehnt, vgl.03 (a). Dies ist die Geometrie des „langen”Josephsonkontakts, wobei wir zunächsteinen 0-Kontakt betrachten. „Lang” istdabei relativ zur so genannten Josephson-länge λJ zu verstehen, die ein Maß dafürist, auf welcher Längenskala die Joseph-sonströme variieren. Die Josephsonlängehängt von Materialkonstanten wie dermaximalen Suprastromdichte über dieBarrierenschicht ab und ist typischerweisevon der Größenordung 10-20 Mikrometer.Wenn die Kontaktlänge L größer als ca. 4λJist, können sich, etwa bei Anlegen einesMagnetfelds parallel zur Schichtstruktur,so genannte Josephson-Flusswirbel oderJosephson-Fluxonen ausbilden. Sie tragenwiederum ein ganzes Flussquant Φ0. DieAchse der Wirbel liegt in der Barrieren-schicht, die Ausdehnung der Fluxonen istvon der Größenordnung λJ, solange dieseruhen. Josephson-Fluxonen können durchAnlegen eines Transportstroms über dieBarriere in Bewegung gesetzt werden (die-ser Strom übt eine Lorentz-Kraft auf dieWirbel aus). Die Dynamik der Wirbel bzw.des langen Josephsonkontakts generellwird durch die so genannte Sinus-Gordon-Gleichung bestimmt, die eine relativisti-sche nichtlineare Wellengleichung dar-stellt. So verhalten sich Josephson-Fluxo-nen ähnlich wie relativistische Teilchen.Insbesondere existiert eine Grenzge-schwindigkeit, die typischerweise einige

Prozent der Vakuum-Lichtgeschwindigkeitbeträgt. Die Physik von Fluxonen ist sehrreichhaltig und wird seit Jahren intensivuntersucht. Interessanterweise existiert ein

03

„Langer” Josephsonkontakt undPendelmodell. (a) Geometrie eines lan-gen Josephsonkontakts. Die supraleiten-

den Schichten sind hellgrau schattiert,die Barrierenschicht dunkelgrau. L be-

zeichnet die Länge des Kontakts, Wdessen Breite. Ein eventuell angelegtesMagnetfeld ist mit Ba bezeichnet, ein

Transportstrom über den Kontakt mit I.Die rote Ellipse stellt schematisch den

Ringstrom um ein Fluxon dar. Abb. (b)zeigt die berechnete Suprastromdichte

über die Barrierenschicht, Abb. (c)eine „Pendel”kette als Analogsystem.Man beachte, dass die Projektion derStecknadelköpfe den gleichen Verlauf

wie die in (b) gezeigte Suprastrom-dichte über die Barrierenschicht hat. In

(d) ist diese Pendelkette nochmals alsComputergraphik gezeigt. Abb. (e)

zeigt zum Vergleich ein Fluxon in einemπ-Kontakt.

"Long" Josephson junctions and chainsof pendula: (a) geometry of a long

Josephson junction. The superconductinglayers are indicated in light grey, the

barrier layer in dark grey. L denotes thelength of the junction, W its width. A

magnetic field eventually applied to thestructure is denoted as Ba, a transport

current across the junction with I. Thered ellipse schematically indicates the

circulating current around a fluxon.Graph (b) shows the calculated super-current density across the barrier layer

and, for comparison, a chain of "pendu-la" acting as a mechanical analog ofthe Josephson junction (c). Note thatthe projection of the pin heads follows

the same curve as the supercurrent den-sity shown in (b). Graph (d) shows a

computer graphic of the chain of pendu-la, graph (e) the corresponding picture

for the case of a π junction.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E26

mechanisches System – eine Kette vonPendeln, die an einem Gummiband befe-stigt sind und im Schwerefeld der Erdeschwingen können – dessen Dynamik völ-lig analog zum langen Josephsonkontaktist. Insbesondere entspricht einem Fluxondie Situation, dass eines der Pendelendenum 360° verdreht wurde, so dass ein Wir-bel in der Kette entsteht, vgl. 03b, 03c

und 03d. Würde man anstelle eines lan-

Zahlenwert für κ), bilden sich entspre-chend Flusswirbel an der Kontaktstelleaus, die analog zum Fall des supraleiten-den Rings einen magnetischen Fluss von (-κ/2π) Φ0 bzw. (1-κ/2π) Φ0 tragen. ImPendelmodell entspricht dies der Situa-tion, dass die Schwerkraft im κ-Segmentum einen Winkel κ zur Vertikalen ver-dreht ist, also z.B. für κ = π/2 parallel zurErdoberfläche zeigt.

Man kann 0-π-Kontakte auf unterschiedli-che Arten realisieren (siehe 05). So lassensich in den langen Josephsonkontakt fer-romagnetische Barrieren unterschiedlicherDicke einfügen, so dass ein Teil des Kon-takts im 0-Zustand, der andere im π-Zu-stand ist. Ein Phasensprung von π trittebenfalls auf, wenn ein so genannterHochtemperatursupraleiter (z.B.YBa2Cu3O7) entlang einer Zickzack-Liniemit einem gewöhnlichen Supraleiter wieNiob verbunden wird (man nutzt hier dieTatsache, dass die Wellenfunktion desHochtemperatursupraleiters bei einerDrehung um 90° ihr Vorzeichen wechselt).0-κ-Kontakte lassen sich künstlich da-durch erzeugen, dass in eine der supralei-tenden Schichten eines „gewöhnlichen”Josephsonkontakts an einer eng begrenz-ten Stelle ein Strom eingespeist und inunmittelbarer Nähe sofort wieder extra-hiert wird. Zwischen den beiden Strom-zuführungen (den Injektoren) bildet sichein beliebiger Phasensprung aus, dessenWert durch die Stärke des Injektorstromsgesteuert werden kann.

Mit den obigen Techniken lassen sich eben-falls Geometrien erzeugen, bei denen vieleSegmente 0-π-0-π-0... bei unterschiedlich-ster Geometrie zusammengeführt werden.Entsprechendes gilt für bzw. 0-κ-Segmen-te, wobei hier zusätzlich in jedem Segmentder Wert von κ individuell eingestellt wer-den kann. Darüber hinaus kann man An-ordnungen erzeugen, die mit den natürli-chen 0-π-Kontakten nicht realisierbar sind(z.B. eine ungerade Anzahl solcher Über-gänge in einem ringförmigen Josephson-kontakt).

4. „Klassische” Physik mit ganzzahligen und fraktionalen Flussquanten

Wir haben in den obigen Abschnitten unter-schiedliche Arten magnetischer Flussquan-ten kennen gelernt. In supraleitendenRingen ist der magnetische Fluss im Ring

04

Semifluxonen und κ-Wirbel imPendelmodell. Oben: links- bzw.rechtsdrehendes Semifluxon, Fluss±Φ0/2. Die Pfeile deuten die jeweili-ge Richtung der Schwerkraft m·g(Masse· Erdbeschleunigung) in den 0- und π-Segmenten an. Unten: κ-Wirbel mit κ = π/2. Links: Direkter rechtsdrehenderWirbel, Fluss -Φ0/4, rechts: komple-mentärer linksdrehender Wirbel, Fluss 3Φ0/4.

Semifluxons and κ vortices in the pen-dulum model. Top: Semifluxons rota-ting counterclockwise and clockwise.Arrows indicate the correspondingdirection of the gravitational force m·g(mass times acceleration of gravity) inthe 0 and π Segments. They carry amagnetic flux ±Φ0/2. Bottom: κ vorti-ces with κ = π/2. Left: direct vortexrotating clockwise carrying a magneticflux -Φ0/4; right: complementary vor-tex rotating counterclockwise carryinga magnetic Flux 3Φ0/4.

gen 0-Kontakts einen langen π-Kontaktbenutzen, so ändert sich an diesem Bildlediglich, dass alle Pendel nach oben wei-sen; man müsste die Pendelkette entspre-chend einer negativen Schwerkraft ausset-zen, vgl. 03e.

Was passiert, wenn ein langer Josephsonkon-takt aus zwei Segmenten zusammenge-setzt wird, von denen eines einen 0-Kon-takt und das andere einen π-Kontakt dar-stellt (ein „0-π-Kontakt”)? Betrachten wirdies zunächst im Bild der Pendelkette. Im0-Teil der Kette weist die Schwerkraft nachunten, im π-Teil nach oben. Die Pendelvollführen eine halbe Rechts- oder auchLinksdrehung entlang der Kette, vgl. 04

oben. Es entsteht ein „halber” Wirbel, deran der Kontaktstelle der beiden Segmentefixiert ist. Im realen Josephsonkontakt ent-spricht dies der spontanen Ausbildungeines halbzahligen Flussquants – einesSemifluxons – an der 0-π-Grenze.

Hätte man einen 0-Kontakt mit einem κ-Kontakt verbunden (d.h. man führt einenPhasensprung κ ein, bei einem beliebigen

FLUSSQUANTE N 27

fixiert, kann aber zwischen unterschiedli-chen Polaritäten (rechtsdrehende bzw.linksdrehende Ströme) geschaltet wer-den. In gewöhnlichen Josephsonkontak-ten bewegen sich Fluxonen, die ein Fluss-quant tragen, frei entlang der Barrieren-schicht. In 0-π- bzw. 0-κ-Kontakten kön-nen sich spontan fraktionale Flusswirbelausbilden, die an den „Phasendiskontinui-täten” angeheftet sind. Im Gegensatz zuFlussquanten im Ring sind diese Wirbelaber nicht starr, sondern können um dieDiskontinuitäten herum oszillieren.Fraktionale Flusswirbel können ebenfallsentlang einer Kette nah benachbarterPhasendiskontinuitäten „hüpfen”. Zusätz-lich können sich Fluxonen entlang dereinzelnen Segmente frei bewegen undüber die fraktionalen Flusswirbel hinweglaufen. Manerhält ein reichhaltiges System wechselwirkender„Teilchen”, deren Wechselwirkung auf vielfältige Weisekontrollierbar ist.

Flussquanten sind für Grundlagenuntersuchungen vongroßem Interesse, haben aber auch eine Vielzahl vonAnwendungen gefunden. Wir haben bereits erwähnt, dasssich supraleitende Ringe als Speicherelemente verwendenlassen. Solche Speicher sind beispielsweise Bestandteile derso genannten „Rapid Single Flux Quantum Logic” – kurzRSFQ-Logik. Hier werden logische Operationen mit Hilfeeinzelner Flussquanten durchgeführt. Eine an einembinären Bauelement (einem Gatter) in schneller Folge ein-treffende Folge von Flussquanten gibt den Takt vor, indem logische Operationen durchgeführt werden. Trifftwährend eines Takts ein weiteres Flussquant am Gatterein, entspricht dies der logischen „1”, ansonsten erhältman die „0”. Flussquanten können mit Frequenzen vonmehreren 100 GHz verarbeitet werden, sind also deutlichschneller und verbrauchen überdies erheblich wenigerLeistung als derzeitige Silizium-Transistoren. Fluxonen,die sich durch lange Josephsonkontakte bewegen, werdenauch als durchstimmbare Oszillatoren für Frequenzen bisüber 700 GHz verwendet. Hierbei läuft eine Kette vonFluxonen entlang der Barrierenschicht und regt dabeielektromagnetische Wellen im Josephsonkontakt an. DieGeschwindigkeit der Fluxonen lässt sich durch den amJosephsonkontakt angelegten Strom steuern, deren Dichtedurch ein angelegtes Magnetfeld. Man hat ebenfalls ge-lernt, „Ratschen” aus langen Josephsonkontakten herzu-stellen. Hierbei bewegen sich Fluxonen unter dem Einflusseines hochfrequenten Wechselstromes, laufen aber trotzdieses periodischen Antriebs nur in eine Richtung. Dieshat zur Folge, dass hochfrequente Signale gleichgerichtetund leicht weiterverarbeitet werden können.

Die obigen Beispiele bezogen sich auf ganzzahlige Flussquan-ten. Fraktionale Flusswirbel eröffnen eine Reihe zusätzli-cher Möglichkeiten. Wir hatten bereits erwähnt, dass insupraleitenden Ringen, die einen π-Kontakt enthalten,halbzahlige Flussquanten positiver oder negativer Polarität

05

Realisierungen von 0-π- bzw. 0-κ-Kontakten. Oben links: Skizze eines

Niob-Kontakts mit ferromagnetischerKupfer-Nickel-Barriere; die

Barrierendicke ist im 0- bzw. π-Bereich unterschiedlich. Oben rechts:

Niob-YBa2Cu3O7-Zickzackkontakt mitKantenlänge a = 25 µm [Abbildungaus H. Hilgenkamp, Ariando, H.-J.

H. Smilde, D. H. A. Blank, G.Rijnders, H. Rogalla, J. R. Kirtley,

C. C. Tsuei, Nature 422, 50(2003)]; die blauen bzw. roten

Scheibchen sind mittels SQUID-Mikroskopie aufgenommene

Verteilungen des von den Semifluxonenproduzierten Magnetfelds. Blau und

rot bezeichnen unterschiedlicheFeldrichtungen, d.h. es liegt eine Kette

von Semifluxonen mit alternierenderPolarität vor. Unten: Niobkontakte mit

Injektorstrukturen. Links: LinearerKontakt mit einem Injektor; rechts:

ringförmiger Kontakt mit 4 Injektoren.

Realizations of 0-π- and 0-κ junc-tions. Top left: Sketch of a niobiumjunction with ferromagnetic copper-

nickel barrier; the thickness of the bar-rier layer is different in the regionsindicated with 0 and π. Top right:

Niobium-YBa2Cu3O7 zig zag junctionwith facet length a = 25 µm [Figure

from H. Hilgenkamp, Ariando, H.-J.H. Smilde, D. H. A. Blank, G.

Rijnders, H. Rogalla, J. R. Kirtley,C. C. Tsuei, Nature 422, 50

(2003)]; the blue and red spots areSQUID measurements of the magnetic

fields produced by the semifluxons.Blue and red indicate different direc-

tions of the magnetic field showing thatthe semifluxons form a chain of vorti-ces with alternating polarity. Bottom:

Niobium junctions with injector struc-tures. Bottom left: linear geometry withone injector; bottom right: annular geo-

metry with 4 injectors.

spontan entstehen. Die Speicherung binä-rer Information wird dadurch erheblichvereinfacht. In supraleitenden Ringen, dieganzzahlige Flussquanten enthalten, wer-den spezielle Steuerströme benötigt, dieZustände wie 1 Flussquant – kein Fluss-quant stabilisieren. Bei π-Ringen entfallendiese Ströme, digitale Schaltkreise werdenstark vereinfacht.

Semifluxonen bzw. κ-Wirbel in langenJosephsonkontakten sind sehr neuartigeObjekte, deren Potenzial sich erst langsamabzeichnet. So könnten sich mit Semiflu-xonen vorteilhaft Hochfrequenzoszillato-ren realisieren lassen, die – dadurch, dassdiese Wirbel an der Phasendiskontinuitätfixiert sind – stabiler als herkömmlicheFluxonoszillatoren arbeiten.

Es besteht Grund zur Annahme, dass sichKetten von vielen κ-Wirbeln als hochgra-dig kontrollierbare „plasmonische Kris-talle” verwenden lassen. In diesen Anord-nungen können sich elektromagnetischeWellen (bei Frequenzen im Mikrowellen-bereich) nur ausbreiten, wenn deren Fre-quenz in gewissen Bändern liegt. Mankann die plasmonischen Kristalle etwa alsFilter einsetzen, die nur ausgewählteFrequenzen an einen Empfänger durchlas-sen. Im vorliegenden Fall sind diese Fre-quenzen überdies sehr schnell (auf Skalenvon einigen 10 Pikosekunden) über weiteFrequenzbereiche steuerbar. Zur Erklä-rung des Effekts sei zunächst angemerkt,dass sich in einem flusswirbelfreien langenJosephsonkontakt elektromagnetischeWellen entlang der Barrierenschicht freiausbreiten können, sofern deren Frequenzeinen gewissen Mindestwert (typischer-weise zwischen 10 GHz und 100 GHz)überschreitet. Bringt man in den Kontakteinen κ-Wirbel ein, so erhält man inner-halb dieser Frequenzlücke eine scharf defi-nierte und über den Wert von κ steuerbareFrequenz, bei der der κ-Wirbel oszillierenund an elektromagnetische Wellen ankop-peln kann. Erzeugt man eine ganze Kettevon κ-Wirbeln im Kontakt, so wird ausdieser scharfen Frequenz ein Frequenz-band, das die Ausbreitung elektromagneti-scher Wellen erlaubt. Es entstehen über-dies weitere Frequenzlücken, in denenkeine Frequenzausbreitung möglich ist.Sowohl die Größe der Lücken als auch dieerlaubten Frequenzbänder lassen sich inGröße und Lage über den Wert von κ undzusätzlich durch einen über den Kontaktfließenden Strom sehr schnell steuern.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E28

06

Ein Paar nahe benachbarter Semifluxonen wechselt seine Polarität in einer vereinfachten Beschreibung,die davon ausgeht dass die Form des Phasenverlaufs sich beim Umklappprozess nicht ändert. Die mit xbezeichnete Koordinate führt entlang der Barrierenschicht eines langen Josephsonkontakts, der ein π-Segment (grün) zwischen zwei 0-Segmenten enthält. An den beiden Phasendiskontinuitäten (Grenzenzwischen gelben und grünen Segmenten) bildet sich ein Paar nahe benachbarter Semifluxonen aus, dassich klassisch in einem der beiden Zustände |↑↓⟩ bzw.|↓↑⟩ befindet. Die zugehörigen Verläufe derPhasendifferenz entlang des Josephsonkontakts ist als µ(x) bezeichnet und im Graphen rot dargestellt.Die Phasendifferenz µ(x) nimmt maximal die Werte ±A0 an. Betrachtet man A als dynamischeVariable, lassen sich potenzielle und kinetische Energie des Semifluxon-Paars für beliebiges A berechnen und daraus eine Schrödingergleichung für die quantenmechanische Rechnung aufstellen. Diemit U(A) bezeichnete Koordinate gibt den Verlauf der potenziellen Energie U als Funktion von A an,vgl. blaue Linie. Man erhält ein Doppelmuldenpotenzial, dessen klassische Lösung die Werte ±A0

entsprechend der Potenzialminima liefert. Die quantenmechanische Beschreibung liefert die Wellen-funktion Ψ, deren Betragsquadrat die Wahrscheinlichkeit angibt, einen bestimmten Wert von A zu finden. Die weitere Analyse erlaubt es, die Bedingungen festzulegen, unter denen der Effekt beobachtetwerden kann. Man findet beispielsweise, dass die Messtemperaturen deutlich unterhalb von 100Millikelvin liegen sollten. Der Abstand der beiden Semifluxonen sollte im Bereich einiger Mikrometerliegen. Unter diesen Bedingungen, die experimentell realisierbar sind, erwartet man quantenmechani-sche Überlagerungen der Zustände|↑↓⟩ und |↓↑⟩. Die unteren Graphen zeigen, wie sich die Situationim Pendelmodell darstellt. Links: Zustand |↑↓⟩, Mitte: Zustand |↓↑⟩; rechts: Überlagerung der bei-den Zustände.

A pair of nearby semifluxons changes its polarity in a simplified description assuming that the shape of the phase distribution along the barrier does not change during the umklapp process. The coordinatedenoted x follows the barrier layer of the long Josephson junction containing a π segment (indicated ingreen color) in between two 0 segments (indicated in yellow color). At the phase discontinuities(boundaries between yellow and green segments) a pair of semifluxons forms which classically is in oneof the states |↑↓⟩ or |↓↑⟩. The phase difference along the Josephson junction is denoted as µ(x) andis shown in the graph by the red curve. The phase difference µ(x) obtains maximum values ±A0. Ifone considers A as a dynamic variable the potential and kinetic energy of the semifluxon pair can becalculated for arbitrary values of A. From here a Schrödinger equation can be obtained for quantummechanical calculations. The coordinate denoted with U(A) shows the dependence of the potentialenergy U as a function of A, cf. blue line. One obtains a double well potential having classical soluti-ons at the ±A0 potential minima. The quantum mechanical description yields the wave function Ψ, themodulus squared of which denoting the probability to find a certain value of A. Further analysis allowsto determine the conditions required to observe the effect. For example one finds that the temperatureshould be well below 100 millikelvins; the distance between the semifluxons should be some microme-ters. Under these conditions which can be realized experimentally one expects quantum mechanicalsuperpositions of the states |↑↓⟩ and |↓↑⟩. The lower graphs illustrate how the situation appears in thependulum mode. Left: state |↑↓⟩, middle: state |↓↑⟩; right: superposition of the two states.

FLUSSQUANTE N 29

5. Schrödingers Kätzchen – Quantenphysik mit Flussquanten

Für die bisherigen Überlegungen hatten wirdie Quantenmechanik benötigt, um dieExistenz quantisierter Flusswirbel zu ver-stehen. Deren Dynamik lässt sich an-schließend aber im wesentlichen „klas-sisch”, d.h. z.B. in Analogie zur Pendel-kette verstehen. Was passiert, wenn manaber Flusswirbel als „Teilchen” auffasstund fragt, ob diese ihrerseits den Gesetzender Quantenmechanik folgen? Quanten-teilchen können beispielsweise in einerÜberlagerung sich klassisch ausschließen-der Zustände auftreten. So kann derEigendrehimpuls (Spin) eines Elektronsdie Werte +�/2 und –�/2 annehmen. DieQuantenmechanik erlaubt aber ebenfallsdie Überlagerung dieser beiden Zustände;das Elektron ist dann gleichzeitig in denbeiden, sich eigentlich ausschließendenZuständen. Erst wenn der Spin des Elek-trons gemessen wird, erhält man die bei-den Zustände +�/2 oder –�/2 zurück.Diese Eigenschaft hat Schrödinger ineinem Gedankenexperiment überspitztund auf makroskopische Objekte – in die-sem Fall eine Katze – übertragen. Im Ge-dankenexperiment wird eine Katze ineinen Kasten gesperrt, in der sich einMechanismus befindet, der mit einer ge-wissen Wahrscheinlichkeit zufällig aus-gelöst wird und dann die Katze tötet. Öffnet man den Kasten, so wird man dieKatze entweder tot oder lebendig vorfin-den. Nach den Gesetzen der klassischenPhysik ist die Katze auch vor dem Öffnendes Kastens entweder tot oder lebendig;man weiß lediglich nicht genau, welcherder beiden „Zustände” vorliegt. Beschreibtman aber den Zustand der Katze im Kas-ten quantenmechanisch, so findet man dieKatze in einer seltsamen Überlagerung„tot + lebendig”, die im Rahmen der klas-sischen Physik nicht nachvollziehbar ist.

Kehren wir jetzt zu Flussquanten zurück. InJosephsonkontakten oder in supraleiten-den Ringen sind die Flussquanten immer-hin einige Mikrometer groß und damit imPrinzip mit bloßem Auge sichtbar. DieWirbel werden durch Ringströme verur-sacht, an denen eine Vielzahl von Elektro-nen beteiligt sind. Zwar sind dies immernoch erheblich weniger Elektronen, als inSchrödingers Katze vorhanden sind, den-noch blicken wir hier auf eine Zahl, die

eher der klassischen Welt als der Quanten-welt zuzuordnen ist. Sind die sonderbarenAuswirkungen der Quantenmechaniknach wie vor vorhanden? Die Antwort istja. Man hat gezeigt, dass in supraleitendenRingen eine Überlagerung rechtsdrehen-der und linksdrehender Ströme möglichist. Man versucht, mit solchen Zuständenso genannte „Quantenbits” oder kurz„Qubits” zu realisieren, die der Ausgangs-punkt eines zukünftigen Quantencompu-ters sein könnten. Mit langen Josephson-kontakten konnte gezeigt werden, dassFluxonen eine „verbotene Zone” – einenPotenzialwall – entsprechend der Gesetzeder Quantenmechanik durchtunneln kön-nen.

Uns interessiert insbesondere, wie sich frak-tionale Flusswirbel in der Quantenweltverhalten. So kann man ein Paar von anti-parallel ausgerichteten Semifluxonen be-trachten. Wir gehen aus von einem Zu-stand „erster Wirbel linksdrehend, zweiterWirbel rechtsdrehend”, oder in Kurz-notation: |↑↓⟩, wobei der erste Pfeil fürdas (linksdrehende) erste Semifluxon, derzweite Pfeil für das (rechtsdrehende) zwei-te Semifluxon steht (die Pfeilrichtungkann man als die Richtung des vom Ring-strom erzeugten Magnetfelds interpretie-ren). Man kann nun beispielsweise denProzess betrachten, in dem das Paar vomZustand |↑↓⟩ in den Zustand |↑↓⟩ über-geht und diesen quantenmechanisch be-schreiben, vgl. 06. Der Prozess sieht sehreinfach aus. Die Berechnung ist aber rela-tiv aufwändig, da hier die endliche Aus-dehnung der Semifluxonen und eventuel-le Verformungen mit berücksichtigt wer-den müssen (auch experimentell gehtman – wie bei der Realisierung supralei-tender Quantenbits insgesamt – oft an dieGrenzen2). Im zweiten Schritt kann manfragen, ob sich eine quantenmechanischeÜberlagerung der Zustände |↑↓⟩ und|↑↓⟩ realisieren lässt. Falls dies gelingt,ergibt sich eine hervorragende Möglich-keit, die Quantenphysik dieser „Schrödin-gerkätzchen” zu untersuchen und viel-leicht nutzbringend einzusetzen. Dasselbegilt entsprechend für komplexere Syste-me, etwa die bereits oben erwähnte An-ordnung einer Kette vieler κ-Wirbel oderauch Anordnungen von „Molekülen”, dieaus einer gewissen Zahl von κ-Wirbelnzusammen mit zwischen diesen Wirbelngefangenen ganzzahligen Fluxonen beste-hen. In diesem Sinne hat man mit κ-Wir-

2Man muss die Messungen bei ultra-tiefen Temperaturen im Millikelvin-

Bereich durchführen; jeglicheStörungen aus der Umgebung, wie

etwa elektromagnetische Störsignaleoder mechanische Vibrationen müssen

nahezu vollständig abgeschirmt werden. Dennoch gelingt es, entsprechende Experimente

zuverlässig zu betreiben.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E30

Edward Goldobin 1

(2.v.r.) hat 1997 in Moskau promoviert. Nach Aufenthalten amForschungszentum Jülich bzw. als Senior Scientist bei der Oxxel GmbH(Bremen) ist er seit 2002 als wissenschaflicher Assistent am Physika-lischen Institut der Universität Tübingen bei Prof. R. Kleiner und Prof. D. Kölle tätig.

Reinhold Kleiner 1

(3.v.l.) hat 1992 bei Prof. K. Andres am Walther-Meissner Institut inGarching promoviert. Nach einem Aufenthalt an der University ofCalifornia in Berkeley (Prof. John Clarke) hat er sich 1997 in Erlan-gen auf dem Gebiet der Supraleitung habilitiert und wurde 2000 nach

Tübingen berufen. Seitdem leitet er die Arbeitsgruppe Experimentalphysik II am Physikalischen Institut. Seine Arbeitsgebiete sind supraleitende undmagnetische Schichtstrukturen.

Dieter Kölle 1

(1.v.l.) studierte in Tübingen (Promotion 1992) und war anschließend an der UC Berkeley, der Universität Köln und am Forschungszentrum Jülichtätig. Seit 2001 ist er Professor für Experimentalphysik im Bereich Festkörperphysik in Tübingen. Seine aktuellen Forschungsinteressen liegen imBereich supraleitender und magnetischer Schichtsysteme, mit Schwerpunkten auf Dünnschichttechnologie, Josephson-Kontakte, SQUIDs, nicht-lineareDynamik und abbildende Verfahren bei tiefen Temperaturen.

Wolfgang Schleich 2

(2.v.l.) studierte Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte dort 1984 bei Prof. M.O. Scully. Während seinerDoktorarbeit war er an der University of New Mexico (Albuquerque). Er war Post-Doc bei Prof. J. A. Wheeler (University of Texas at Austin) undProf. H. Walther (Max Planck Institut für Quantenoptik). Seit 1991 hat er den Lehrstuhl für Quantenphysik an der Universität Ulm inne. SeineForschungsinteressen reichen von der Verbindung zwischen Zahlentheorie und Quantenmechanik über die Physik der kalten Atome bis hin zurAllgemeinen Relativitätstheorie.

Karl Vogel 2

(3.v.r) hat 1989 an der Universität Ulm bei Prof. H. Risken promoviert. Seit 1991 arbeitet er am Insitut für Quantenphysik bei Prof. W. Schleich auf dem Gebiet der theoretischen Quantenoptik.

Reinhold Walser 2

(1.v.r.) hat 1995 bei Prof. P. Zoller an der Universität Innsbruck promoviert. Nach einem Post-Doc Aufenthalt in Boulder Colorado (JILA/Universität Boulder Colorado) und einem weiteren von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Forschungsaufenthalt in Boulder,hat er an der Universität Ulm die Habilitation erlangt, wo er seit 2003 am Institut für Quantenphysik bei Prof. W. Schleich arbeitet.

Kontakt1 Physikalisches Institut & Center of Collective Quantum Phenomena, Universität TübingenAuf der Morgenstelle 14, 72076 Tübingen, Tel.: 07071/29-76273, Fax: 07071/29-5406E-Mail: [email protected]

2 Institut für Quantenphysik, Universität UlmAlbert-Einstein-Allee 11, 89069 Ulm, Tel.: 0731/50-23080, Fax: 0731/50-23086E-Mail: [email protected]

DIE AUTOREN

FLUSSQUANTE N 31

beln und Fluxonen einen Baukasten zurVerfügung, um neuartige Formen vonQuantenmaterie herzustellen und zu kon-trollieren. Die damit verbundenen Frage-stellungen werden im Teilprojekt A5 desTransregio 21 „Control of QuantumCorrelations in Tailored Matter” unter-sucht.

6. Ausblick

Die Physik fraktionaler Flusswirbel ver-spricht, sehr reichhaltig zu werden. Mankann in den nächsten Jahren eine Vielzahlinteressanter Ergebnisse erwarten. Bereitsjetzt ist aber abzusehen, dass die Grenzen

an Vielfältigkeit noch nicht erreicht sind.So erwartet man, dass sich in einemJosephsonkontakt, der aus in rascher Folgeabwechselnden Segmenten 0-π-0-π-0-π...besteht, frei bewegliche Flusswirbelpaareentstehen, die fraktionalen Fluss tragenund paarweise den Gesamtfluss Φ0 besit-zen. Eine faszinierende Perspektive bestehtdarin, fraktionale Wirbel in Bose-Einstein-Kondensaten zu erzeugen. Wenn dies ge-lingt, wäre eine weitere Brücke zwischender Physik kalter Gase und der Festkörper-physik geschaffen. •

E. Goldobin, R. Kleiner, D. Kölle, W. Schleich, K. Vogel, R. Walser

1. Magnetische Speicher

Die Programme der Computer werden immer umfang-reicher, auf die Festplatten müssen ständig mehr Datenpassen, auch die Bilder der digitalen Kameras habenMillionen Farben und Jahr für Jahr eine bessere Auflö-sung. Digitale Filme dürfen der traditionellen Analog-technik nicht nachstehen. Folglich muss der Speicherplatzständig vergrößert werden, und trotzdem sollen dieGeräte immer kompakter werden. Überraschenderweisearbeiten die Speichermedien eines Kassetten- oderVideorecorders, einer Diskette oder einer Festplatte, egalob analog oder digital, seit hundert Jahren nach dem glei-chen Prinzip. Körner aus Eisenoxid Fe2O3 oder Chrom-dioxid CrO2 auf einer dünnen Plastikfolie werden mit

Hilfe einer kleinen Spule in die eine oder andere Richtungmagnetisiert. Die Speicherdichte hat sich dabei alle fünfJahre verzehnfacht und wird in den nächsten Jahren 300Gbit/in2 (300 Mrd. digitale Informationseinheiten proQuadratzoll) erreichen, d.h. pro Quadratmillimeter kannman 500 Mio. Bit speichern, was einer Textmenge von10.000 Schreibmaschinenseiten entspricht. Doch damit isteine physikalische Grenze erreicht. Die magnetischenTeilchen bestehen nur noch aus einer Domäne, derenMagnetisierung sich im Laufe der Zeit durch thermischeFluktuationen ändern kann. Die Qualität alter Tonbänderund Musikkassetten leidet mit jedem Jahr. Eine weitereVerdichtung würde dazu führen, dass die gespeicherteInformation noch schneller verloren geht. Wird das super-paramagnetische Limit überschritten, so hält die einge-schriebene Magnetisierung nur Bruchteile von Sekunden.In den letzten drei Jahren gelang es, die Speicherdichtenoch mal substanziell zu steigern, indem die Magnetisie-rung senkrecht zu der Festplatte ausgerichtet wird (01).

2. Makromoleküle

Sicherlich kann man mit ein paar technischen Tricks nochdie ein oder andere Optimierung erreichen; dennochnähert man sich dem Ende eines sehr erfolgreichen Weges.Doch vielleicht gibt es ganz andere Wege, um die disku-tierten Limitationen zu umgehen? Wie wenig Platzbraucht man, um ein Bit zu speichern? Momentan errei-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E32

Molekulare Magnete

Magnetic devices are superior for information storage. The long-term aim is that not more than one molecule is needed for each bit. Molecularmagnets may be suitable candidates for the storage technology of tomorrow, but also for information processing using quantum algorithms. In a joint effort of chemists, materials scientists and physicists suitablemolecules are designed and investigated. Each day new and fascinated properties are discovered, which fuel far-reaching expectations.

SUM MARY

Für die Speicherung von Information sind

magnetische Datenträger unübertroffen.

Ziel ist, dass jedes Molekül ein Bit trägt,

was eine vieltausendfache Steigerung der

Informationsdichte bedeuten würde.

Vielleicht kann man eines Tages auch

Quantencomputer mit Hilfe von molekula-

ren Magneten bauen. In enger Zusammen-

arbeit von Chemikern und Physikern wer-

den geeignete Moleküle entworfen und

untersucht. Hierbei findet man immer neue

faszinierende Eigenschaften, die ein

enormes Potenzial erkennen lassen.

M OLE KU L AR E MAG N ETE 33

chen die magnetischen Körner eine Größe von ca. 100 nm;der Wunsch ist, ein Bit pro Molekül zu speichern – aufeiner Fläche also, die tausendmal kleiner ist als die heuti-gen magnetischen Domänen. Da traditionelle magneti-sche Materialien keinen Ausweg aus diesem Dilemma bie-ten, begann vor einigen Jahren die Suche nach Alterna-tiven. Die Idee ist hierbei, nicht Pulver immer feiner zumalen (top-down), sondern Atome so zu arrangieren (bottom-up), dass die resultierenden Moleküle die gewünschtenEigenschaften haben. In Eisen oder den gebräuchlichenferromagnetischen Legierungen ist es die langreichweitigeOrdnung aufgrund der Wechselwirkung zwischen denMolekülen, die Weiß’sche Bezirke und Domänenwändeausbildet, und die makroskopische Materialbeschaffenheit,d.h. die magnetischen Eigenschaften, erklärt. Anstelle derlangreichweitigen Ordnung eines Ferromagneten ver-sucht man, sich die magnetischen Eigenschaften vonMolekülen selbst nutzbar zu machen. In der Chemie wur-den in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte beider Synthese von Riesenmolekülen gemacht, die aufgrundihrer Symmetrie und Struktur die gewünschten Eigen-schaften aufweisen. Dies sind hochsymmetrische Gebildeaus mehreren Dutzend Atomen, die eine Vorzugsrichtungder Magnetisierung haben. Der Elektronenspin des gesam-ten Moleküls, der die Magnetisierung bestimmt, kann ent-weder nach oben oder nach unten gerichtet sein, womit

Zunahme der Speicherdichte magneti-scher und optischer Medien in den

letzten fünfundzwanzig Jahren. ZurOrientierung sind die derzeit üblichen

Musik- und Daten-CDs bzw. VideoDVD-Formate angegeben. Oberhalbder paramagnetischen Grenze ändern

thermische Fluktuationen die Magne-tisierung der Körner, sodass die Infor-

mation in Bruchteilen von Sekundenverloren geht. Nur mittels besonderer

Tricks lässt sich diese Grenze über-schreiten.

The storage density of magnetic andoptic media increased over the lasttwenty-five years. The formats of

conventional audio CDs and videoDVD are indicated. Above the para-

magnetic limit, thermal fluctuationschange the magnetization of the grains,

causing a loss of information within afraction of a second. Special tricks

allow one to shift this limit slightly,but the fundamental limitation is

inevitable.

Ein Beispiel für Selbstorganisation inder Natur: Keplerat-Riesenkugel

Fe30Mo72 ([Mo72Fe30O252(CH3COO)12

{H2Mo2O8(H2O)}(H2O)91] ·ca. 150H2O), in welchem die magnetisch

gekoppelten Metallatome durchLiganden in einer Ikosaedersymmetrie

gehalten werden [3].

Example for self-organization in nature:giant Keplerate molecule Fe30Mo72

([Mo72Fe30O252(CH3COO)12

{H2Mo2O8(H2O)}(H2O)91] ·ca. 150H2O). The metal atoms are kept in

icosaeder symmetry by the ligands andthus couple magnetically.

01 02

Polymolybdat-Cluster mit 368Molybdän-Atomen:

Na48[HxMo368O1032(H2O]240(SO4)48]·ca. 1000 H2O [3]. Dieses hoch-

symmetrische Riesenmolekül bildetsich von selbst, aufgrund der

Selbstorganisation der einzelnenAtome.

Polymoybdenum cluster of 368 molybdenum atoms:

Na48[HxMo368O1032(H2O]240(SO4)48]·ca. 1000 H2O [3]. The giant highlysymmetric molecule is formed by self-

organization of single atoms.

03

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E34

man Information (0 oder 1) speichernkönnte.

3. Einzelmolekül-Magnete

Als Modell hierzu dient [Mn12O12(CH3COO)16(H2O)4]·2CH3COOH·4H2O, einMolekül, das im Kern aus zwölf Mangan-Atomen besteht, die in zwei Schalen mitunterschiedlicher Magnetisierung ange-

ordnet sind und kurz als Mn12ac bezeich-net wird. Eine größere Zahl von Sauer-stoff-, Wasserstoff- und Kohlenstoff-Ato-men stabilisieren die Struktur mit einerausgeprägten Vorzugsrichtung. Das Mole-kül besitzt einen Gesamtspin von S = 10.Gemäß den Prinzipien der Quantentheoriegibt es hierfür exakt 21 diskrete Einstellun-gen: zehn in die eine (-10, -9, -8, ... -1) undzehn in die andere Richtung (+10, +9, +8,... +1) nebst einer neutralen (0). Mittels

spektroskopischer Methoden kann mandie Übergänge zwischen diesen Stufenanregen und vermessen; in dem Mn12ac-Molekül muss man hierzu Mikrowellenvon einigen hundert GHz verwenden, d.h.Licht einer Wellenlänge von ca. 1 mm.Zirkular polarisiertes Licht erlaubt gezieltnur die rechten oder die linken Stufenhochzuklettern. In enger Zusammenar-beit zwischen Chemie und Physik, zwi-schen Theorie und Experiment, wird dieseKlasse von molekularen Magneten, dieetwas exakter auch Einzelmolekülmag-nete genannt werden, erforscht underweitert. Einige Probleme sind dabei aller-dings bisher noch nicht befriedigend ge-löst: So sind extrem tiefe Temperaturenerforderlich, um die Magnetisierung inihrer Vorzugsrichtung längere Zeit zuerhalten. Dies ist unabdingbar, um bei-spielsweise die Stellung des Spins als Da-tenspeicher zu nutzen, oder aber umRechenoperationen durchzuführen. Auchist nicht klar, wie einzelne Moleküle be-schrieben und gelesen werden können.Doch durch die enormen Fortschritte derNanotechnologie wird die Adressierbarkeiteinzelner Moleküle bald in Reichweitekommen (05, 06) [1,2].

4. Quantentunneln der Magnetisierung

Vor knapp zehn Jahren sorgten molekulareNanomagnete für Schlagzeilen, als Phä-nomene beobachtet wurden, die nur mitHilfe der Quantentheorie erklärt werdenkönnen. Seit dieser Zeit haben sich mole-kulare Magnete zu einem bevorzugtenModellsystem der Festkörperphysik ent-wickelt, um makroskopische Quanten-phänomene zu untersuchen, die zum Teilschon vor Jahrzehnten vorhergesagt wur-den, sich aber bisher der Beobachtung ent-zogen hatten. Die Wissenschaftler gehendavon aus, dass diese Eigenschaften mittel-fristig den Bau eines Quantencomputersmöglich machen können (06).

Das Quantentunneln des Elektronenspins istin Form von charakteristischen Stufen derMagnetisierung zu beobachten: Bei be-stimmten Magnetfeldstärken müssen dieSpins nicht mehr über eine Energiebarrie-re klettern, um ihre Richtung zu wech-seln, sondern können durch den Berg hin-durchtunneln, da auf der anderen Seiteein Zustand gleicher Energie liegt. Auchdie Tatsache, dass Elektronen strengge-

Das Molekül Mn12ac, eine Abkürzungfür [Mn12O12(CH3COO)16(H2O)]·2CH3COOH ·4H2O, ist das bekann-teste und best untersuchte Beispieleines molekularen Magneten.

The molecule Mn12ac is an abbreviati-on for [Mn12O12(CH3COO)16(H2O)]·2CH3COOH ·4H2O. It is the best-known and best-studied example of amolecular magnet.

04

Mit einem Gesamtspin des Molekülsvon S = 10 können 21 unterschiedlicheEinstellungen MS bezüglich einer vor-gegebenen Richtung z realisiert wer-den; dies ist die Symmetrieachse desMoleküls.

With a total spin of the molecule S =10 there exist 21 different values ofMS with respect to a given direction z;in our case it is the symmetry axis ofthe molecule.

05

M OLE KU L AR E MAG N ETE 35

nommen Wellen sind, kann man durch Interferenzphäno-mene in der Magnetisierung direkt sehen. WeitreichendeMöglichkeiten eröffnet eine neue Art der magnetischenSpektroskopie, die in Stuttgart in den letzten Jahren ent-wickelt und angewandt wurde, um die Relaxationsphäno-mene der molekularen Nanomagnete zu untersuchen.Hierbei werden die Übergänge zwischen magnetischenNiveaus direkt beobachtet [4,5]. Vereinfacht gesprochen,kann man den Spins beim Durchtunneln der Barriere zu-sehen. Viele Aspekte sind inzwischen verstanden und ent-sprechen auch quantitativ den theoretischen Modellen,doch eine ganze Reihe von Tatsachen wartet noch auf ihreErklärung (07, 08).

5. Weitere Entwicklungen

Im Gegensatz zu einzelnen Atomen in einer optischen odermagnetischen Falle hat man es bei den Einzelmolekül-magneten mit Kristallen zu tun, die einige Millimetergroß werden können und eine unendlich große Zahl voneinzelnen Molekülen in einer mehr oder weniger regel-mäßigen Anordnung enthalten. Da die magnetischen Zen-tren, wie die zwölf Mangan-Ionen in dem obigen Beispiel,von sehr großen organischen Ligandenhüllen umgebensind, d.h. langen Molekülketten aus Kohlenstoff, Sauer-stoff, Wasserstoff, die wie Abstandshalter wirken, ist dieBeeinflussung der magnetischen Moleküle untereinandersehr gering. In den letzten Jahren wurde intensiv unter-sucht, wie groß und wichtig die Wechselwirkung zwischendiesen einzelnen Molekülen ist, indem man sie gezielt ver-dünnte. Jeder Einfluss von außen stört den quantenme-chanischen Zustand des Einzelmolekülmagneten, manspricht von Dekohärenz. Das Verständnis und letztendlichdie Beeinflussung der Dekohärenzprozesse ist enormwichtig für die weitere Anwendung. Jüngst ist es uns inStuttgart erstmals gelungen, Rabi-Oszillationen nachzu-weisen: ein wichtiger Schritt in Richtung Quanteninfor-mationsverarbeitung. Es stellte sich heraus, dass die Mole-küle vor allem durch kleine Variationen ihrer Strukturund Zusammensetzung beeinflusst werden, ja dass selbstder Atomkern einen merklichen Einfluss hat; dieseInhomogenitäten reeller Systeme machen die Beobach-tung echter Quanteneffekte schwierig. Trotzdem sind dieVorteile der molekularen Magnete als makroskopische

Energieschema eines molekularenMagneten: Die linke Seite entsprichtder Ausrichtung des Elektronenspins

nach oben, die rechte Seite der entge-gengesetzten Orientierung. Zum Um-

klappen des Spins muss die Energie-barriere des Doppelmuldenpotenzials

überwunden werden. Dies ist thermischoder durch die Einstrahlung von elek-

tromagnetischer Energie der geeignetenWellenlänge möglich. Zirkular polari-

siertes Licht erlaubt gezielt nur dierechten oder linken Stufen hochzuklet-

tern. Durch Anlegen eines Magnet-feldes werden die rechten und linken

Energiestufen gegeneinander verscho-ben; erreicht das Magnetfeld einen

Wert, für den eine linke und eine rech-te Energiestufe übereinstimmen, kann

Quantentunneln stattfinden.

Energy diagram of a molecularmagnet: the left side corresponds to the

upward orientation of the spin, theright side corresponds to the downwardorientation. In order to reverse the spin

direction, the energy barrier of the

double-well potential has to be overcome. This can happen thermallyor by applying a magnetic energy of

suitable wavelength. Circular polarizedlight makes it possible to excite only in

the left or right well. By applying anexternal magnetic field the left and

right levels are shifted with respect toeach other. If the magnetic field is

such that energy levels on both sidesare equal, quantum tunneling can take

place.

Schematische Magnetisierungskurvedes molekularen Magneten Mn12ac:

Aufgrund des Quantentunnelns werdencharakteristische Stufen der Magneti-

sierung beobachtet, denn auf einenSchlag können viele Moleküle die

Magnetisierungsrichtung invertieren.

Sketch of the magnetization curve of amolecular magnet Mn12ac. Characte-ristic steps are observed due to quan-

tum tunneling of the magnetization: inthis case many molecules flip their

magnetization direction simultaneously.

06

07

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E36

Quantenobjekte in einem Festkörper bestechend und ber-gen großes Potenzial [1].

Der nächste Schritt gilt Doppelmolekülen (sogenannterDimere) und noch größeren Verbünden, d.h. molekularenEinheiten, die relativ stark aneinander gekoppelt sind.Durch gezielte chemische Variation der Einheiten willman es schaffen, einen kooperativen Quantenzustand sol-cher Dimere maßzuschneidern. Die enormen Möglich-keiten, Moleküle nach den Wünschen zu formen, indemman einem LEGO-Baukasten gleich, die Bausteine zusam-mensetzt, erlaubt, die Wechselwirkung zu beeinflussenund dadurch die Eigenschaften zu erlangen, die für einentatsächlichen Quantencomputer erforderlich sind. DerWeg mag noch länger sein, doch sicherlich stimmt dieRichtung. • Martin Dressel

Referenzen

[1] D. Gatteschi, R. Sessoli und J. Villain, „Molecular Nanomagnets”(Oxford University Press, Oxford, 2006); D. Gatteschi und R. Sessoli,„Quantum Tunneling of Magnetization and Related Phenomena inMolecular Materials”, Angewandte Chemie 42, 268 (2003).

[2] E.M. Chudnovsky und J. Tejada, „Macroscopic Quantum Tunneling ofthe Magnetic Moment”, (Cambridge University Press, Cambridge,1998).

[3] Zur Verfügung gestellt von A. Müller, Anorganische Chemie,Universität Bielefeld

[4] M. Dressel, B. P. Gorshunov, K. Rajagopal, S. Vongtragool und A. A.Mukhin, „Quantum tunneling and relaxation in Mn12-acetate studied bymagnetic spectroscopy” Physical Review B 67, 060405 (2003).

[5] J. van Slageren, S. Vongtragool, B. P. Gorshunov, A. A. Mukhin, N. Karl, J. Krzystek, J. Telser, A. Müller, C. Sangregorio, D. Gatteschiund M. Dressel, „Frequency-domain magnetic resonance spectroscopy ofmolecular magnetic materials”, Physical Chemistry and Chemical Physics5, 3837 (2003).

Hochfrequenz-ESR-Spektrometer am1. Physikalischen Institut derUniversität Stuttgart zur Beobachtungder Übergänge zwischen den magneti-schen Niveaus von molekularenMagneten. Dieses weltweit einmaligeInstrument ermöglicht einen direktenBlick auf die einzelnen Spinzuständeund ihr zeitliches Verhalten: man kanndie Molekülspins beim Quantentunnelnbeobachten.

High-frequency ESR spectrometer of the 1. Physikalisches Institut at the Universität Stuttgart is used toobserve transitions between magneticlevels of molecular magnets. Word-wide this is a unique instrumentwhich allows to look at single spin states and their time development: the quantum tunneling of the molecular spin can be observed.

Martin Dressel

studierte in Erlangen und Göttingen, wo er 1989 mit einer Arbeit über Mikrowellen-Hall-Effekt promoviertwurde. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Gruppenleiter am Laser-Laboratorium Göttingen ging er als Post-Doc nach Vancouver (Kanada) und schließlich drei Jahre an die University of California in Los Angeles. Er habilitierte sich 1996 an der Technischen Universität Darmstadt und wechselte daraufhin an das Zentrum fürelektronische Korrelationen und Magnetismus der Universität Augsburg. Seit 1998 leitet er das 1. PhysikalischeInstitut der Universität Stuttgart. Sein Arbeitsgebiet umfasst elektronische und magnetische Eigenschaften niedrigdimensionaler und korrelierter Elektronensysteme, insbesondere organische Leiter und Supraleiter.

Kontakt1. Physikalisches Institut, Universität StuttgartPfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel.: 0711/685-64946, Fax: 0711/685-64886E-Mail: [email protected]

DER AUTOR

08

1. Einleitung

Ein ideales Gas besteht aus Atomen oderMolekülen, die so heiß sind, dass ihreWechselwirkung (d.h. Kollisionen zwi-schen den Teilchen) untereinander einevernachlässigbare Rolle spielt. Erst wenndas Gas kälter wird spielen die Wechselwir-kungen eine wichtigere Rolle bis es amSiedepunkt zu einem Phasenübergangkommt und ein Teil des Gases in einerflüssigen Phase auskondensiert. BeimÜbergang in die flüssige Phase überwiegtdie Wechselwirkungsenergie die thermi-sche Energie und die Atome oder Molekü-le werden zunächst paarweise und dann ingrößeren Clustern aneinander gebunden.Alle Gase, die wir kennen durchlaufeneinen solchen Phasenübergang, wenn die

Temperatur nur niedrig genug ist, undman könnte denken, dass die Geschichteüber Gase damit zu Ende ist.

Ist jedoch ein Gas aus Atomen stark ver-dünnt (z.B. 100.000mal dünner als die unsumgebende Luft), kann es beim schlagarti-gen Abkühlen (z.B. auf unter einemMikroKelvin oder einem Millionstel Gradüber dem absoluten Nullpunkt von -273.15° C) einen neuartigen Zustand derMaterie geben, den man für viele Sekun-den beobachten und untersuchen kann,bevor Atompaare und Cluster gebildetwerden. Diesen Zustand der Materienennt man ein Quantengas. Warum?

Mit abnehmender Temperatur und damitGeschwindigkeit verschwimmt der mögli-che Aufenthaltsort der Atome aufgrundeiner der Grundgleichungen der Quanten-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E38

KontrollierteWechselwirkung

in Quantengasen

Als Quantengas bezeichnet man einen Zustand

der Materie, der Eigenschaften besitzt, die auf

die quantenmechanischen Welleneigenschaften

der Materie zurückzuführen sind. Solche Gase

erfordern ungewöhnliche Bedingungen wie zum

Beispiel extrem tiefe Temperaturen. Und da bei

sehr tiefen Temperaturen eigentlich alle Materie

(außer Helium) in fester Form vorliegt, müssen

die tiefen Temperaturen auch sehr schnell

erzeugt werden. Quantengase werden also

schockgefroren. Warum ist das nötig?

QUANTE NGASE 39

mechanik, der Heisenberg’schen Unschär-ferelation, in einem immer größeren Ge-biet. Wenn diese Unschärfebereiche dereinzelnen Atome aneinander stoßen,kommt eine andere wichtige Quanten-eigenschaft der Materie ins Spiel – derSpin. Ununterscheidbare Teilchen gibt esnur in zwei Arten, Fermionen (nach Enri-co Fermi) und Bosonen (nach NathanBose), die sich in ihrer Eigendrehung –dem Spin – unterscheiden. Ein quanten-mechanischer Kreisel verhält sich etwasanders als ein gewöhnlicher Kreisel. Neh-men wir einmal an Fermionen und Boso-nen drehen sich um sich selbst, dannsehen Fermionen mit halbzahligem Spinerst nach zweimaliger Drehung um dieeigene Achse wieder gleich aus und Boso-nen mit ganzzahligem Spin schon nacheiner Drehung. Fermionen, d.h. ununter-scheidbare Atome mit halbzahligem Ge-samtspin wie zum Beispiel Elektronen,können sich nicht durchdringen undgehorchen dem so genannten Pauli-Prin-zip. Ein Fermigas muss also immer – alsoauch bei sehr niedrigen Temperaturen –eine bestimmte Energie haben, denn dieTeilchen können nicht langsamer werdenals bis zu dem Punkt, bei dem sich IhreUnschärfebereiche berühren. Im Gegen-satz dazu möchten die Bosonen – also hierununterscheidbare Atome mit ganzzahli-gem Spin - nur aufgrund der entgegenge-setzten quantenmechanischen Eigenschaft- und nicht etwa wegen einer anziehendenWechselwirkung – zusammenklumpen,ähnlich wie bei einem klassischen Phasen-übergang von einem Gas zu einer Flüssig-keit. Da das Kondensieren in einen ge-meinsamen Quantenzustand ununter-scheidbarer Atome aber in einem ideali-sierten Bild auch ohne Wechselwirkungstattfindet und rein quantenmechanischenUrsprungs ist, nennt man einen solchenZustand der Materie ein Quantengas oderBose-Einstein-Kondensat. Quantengasesind also schockgefrorene Gase von Ato-men, wobei Fermionen ein Fermigas bil-den, und Bosonen zu einem Bose-Ein-stein-Kondensat kondensieren.

2. Feshbach Resonanzen

Die Wechselwirkung von Atomen spieltauch in einem Quantengas eine Rolle.Kennt man die sogenannten Feshbach-Resonanzen eines Quantengases lässt sichdiese Wechselwirkung zwischen den Teil-

chen mit einem angeleg-ten Magnetfeld gezielt be-einflussen.

Atome ziehen sich auf großeEntfernung infolge indu-zierter Dipol-Dipol-Wech-selwirkung (der so ge-nannten van der WaalsKraft) an und stoßen sichab, wenn sich ihre Elektro-nenhüllen zu nahe kom-men. Da Quantengasestark verdünnt sind, kom-men sich meistens nur ein-zelne Paare von Atomenkurzzeitig etwas näher. DieWechselwirkung von Atomen inQuantengasen lässt sich daher beschreibenals Streuung einer atomaren Materiewellean einem Paarpotential,das zu dem Molekül auszwei Atomen gehört.

Werden zwei Molekülpoten-tiale V(R) und V’(R) zuunterschiedlichen Mole-külzuständen (z.B. durchein Magnetfeld) gegenein-ander verschoben, sokommt es zu so genanntenFeshbach-Resonanzen,wenn die einlaufendeEnergie des gestreutenAtoms (hier Ec) derBindungsenergie einesSchwingungszustands ent-spricht. Um diese Resonanzen herumkann die Stärke der Wechselwirkung zwi-schen den Atomen stark überhöht, imVorzeichen geändert oder ganz ausge-schaltet werden. Und damit erlaubt es die-ses Instrument, die Wechselwirkung inQuantengasen zu kontrollieren.

Die Lösung des Streuproblems für extremkalte Atome führt zu einer stehendenMateriewelle mit einer Zahl von Knoten,die der Zahl der im Potential gebundenenZustände entspricht. Die Reichweite desPotentials, die auch den Stoßquerschnittbestimmt, wird definiert durch die Posi-tion des äußersten Knotens und liegt typi-scherweise im Bereich von etwa fünfNanometern. Der Stoßquerschnitt ist alsoaufgrund der Quantenmechanik sehr vielgrößer als man von der „klassischen“ Grö-ße der Atome im Bereich von 0.1 Nano-metern erwarten würde.

Aufgrund der Wellennatur des Streuprozes-ses kann es auch zu Interferenz- und Reso-

We discuss Quantum gases and their unique oppor-tunities to investigate quantum many-body physics.Some of its dramatic consequences like superfluiditycan be investigated und unprecedentedly clean con-ditions. Controllable interaction mechanisms providethe tool to investigate the foundations of new quan-tum states of matter. One possible application ofthose model systems for real material is to help toclarify the mechanisms underlying superconductivi-ty. Besides modelling know quantum states of matterthese tools also allow to discover previously unknownstates of quantum matter

SUM MARY

01

Das Molekülpotential zwischen zweiAtomen besitzt neben dem Grund-zustand des gebundenen Dimers in derRegel mehrere gebundene Schwin-gungszustände. Die Wechselwirkung inQuantengasen entspricht der Streuungvon Materiewellen an diesem Poten-tial. Dabei ist bemerkenswert, dassaufgrund der kalten Temperaturen unddamit großen Materiewellenlänge derStoßquerschnitt typischerweise etwa1.000mal größer ist als die Quer-schnittsfläche eines Atoms.

The molecular potential for two atomsusually supports several bound vibra-tional states. The interaction in quan-tum gases is due to the scattering ofmatter waves from this potential. It isremarkable that due to the low tempe-ratures and the long matter wavelengththe cross section for such a collisioncan be a thousand times larger than thesize of an atom.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E40

nanzphänomenen kommen.Streuresonanzen, welcheüber ein externes Magnet-feld kontrolliert werdenkönnen, nennt man Fesh-bach Resonanzen. Sie habensich als sehr mächtigesWerkzeug bei der Unter-suchung von Quantengasenerwiesen, denn durch siekann der Stoßquerschnittsowohl dramatisch erhöhtals auch verschwindendklein gemacht werden.Feshbach Resonanzen er-möglichen kontrollierteWechselwirkungen in einemQuantengas durch eineneinfachen Kontrollparame-ter – dem Magnetfeld. Diesist in anderen Quantensyste-men (z.B. in fester Materie)so nicht möglich und er-laubt systematische Studien

für variable oder auch zeitabhängige Wech-selwirkungsstärke.

Die van der Waals Wechselwirkung ist da-rum die Ursache für viele faszinierendePhänomene, die in Quantengasen schonuntersucht wurden, wie z.B. Superfluiditätin bosonischen Gasen, Superfluiditätdurch Paarbildung in fermionischen Ga-sen, quantisierte Wirbel oder Quantenpha-senübergänge in optischen Gittern. DiesePhänomene haben jeweils ihr Pendant inder Welt der Quantenmaterialien der Fest-körperphysik, z.B. Supraleitung, Fluss-quantisierung, Quantenphasenübergänge.Da in den Gasen die Wechselwirkungsstär-ke durch die Feschbachresonanzen sehrsauber kontrolliert werden können, kön-nen dort modellhaft Quantenmaterialiennachgebildet und studiert werden.

3. Dipolare Quantengase

Die Wechselwirkungen zwischen Atomen ineinem Quantengas können sich durch ihreReichweite und durch ihre Symmetrieunterscheiden. Die van der Waals Wechsel-wirkung ist eine kurzreichweitige undisotrope Wechselwirkung.

Durch eine Feshbach-Resonanz kann auchein Punkt gefunden werden, an dem derEffekt der van der Waals Wechselwirkungganz verschwindet. Dann kommen schwä-chere Wechselwirkungen zum Vorschein,die sonst keine oder eine nur untergeord-

nete Rolle spielen. Dazu gehört die Wech-selwirkung zwischen den magnetischenDipolen der Atome. Sie unterscheidet sichvon der van der Waals Wechselwirkungdadurch, dass sie eine große Reichweitebesitzt und abhängig ist von der Orientie-rung der Atome zueinander. Diese Wech-selwirkung ist vergleichbar mit derjenigenzwischen zwei Stabmagneten, während dievan der Waals Wechselwirkung mit derWechselwirkung zweier harter Kugeln zuvergleichen ist, bei denen die Orientierungkeine Rolle spielt und die Reichweite sichnur über den Radius der Kugel erstreckt.Ein solches Quantengas aus atomarenMagneten konnte kürzlich an der Univer-sität Stuttgart präpariert und untersuchtwerden (02). Da das Quantengas auf dieseWechselwirkung als Kollektiv reagiert,wird es auch manchmal als Quantenflüs-sigkeit bezeichnet. Diese dipolare Quan-tenflüssigkeit hat einige Ähnlichkeit miteiner klassischen Ferroflüssigkeit, in dermagnetische Nanoteilchen in einer kolloi-dalen Lösung vorliegen. Auch dieseFlüssigkeit reagiert mit einer Formände-rung auf äußere Magnetfelder. Im Gegen-satz zu diesen Flüssigkeiten ist ein dipola-res Kondensat jedoch superfluid, d.h. eshat eine verschwindende Viskosität und eshat auch eine endliche Kompressibilität.

Ein kompressibles dipolares Gas kann jenach Form des Behälters instabil werden.Wird das Gas in einem zigarrenförmigenBehälter (vgl. ein Reagenzglas) gehalten,bei dem die Magnetisierung entlang derSymmetrieachse zeigt, kann das Gas insta-bil werden, da sich die Dipole überwiegendanziehen und ihre Energie durch eineImplosion verringern können. Wird dage-gen die Flüssigkeit in einem scheibenför-migen Behälter eingeschlossen (vgl. flachgefüllte Petri Schale) ist die Wechselwir-kung überwiegend abstoßend und das Gasstabil. Für diesen neuartigen Zustand derMaterie gibt es also Stabilitätsbedingun-gen, welche berechnet und in guter Über-einstimmung mit dem Experiment an derUniversität Stuttgart verglichen werdenkonnten.

Besonders eindrucksvoll ist der dipolareKollaps, der dann entsteht, wenn in eineminstabilen Behälter der Charakter derWechselwirkung sehr schnell verändertwird. Das implodierende Gas spiegelt danndie d-Wellen Symmetrie der Wechselwir-kung wider (03).

In einem Kondensat aus Chromatomenwird durch eine Feshbach Resonanz derCharakter der Wechselwirkung von derkurzreichweitigen isotropen Kontakt-wechselwirkung zu einer langreichwei-tigen anisotropen dipolaren Wechsel-wirkung verändert. Das Kondensatreagiert darauf mit einer Veränderungseiner Form von rund (hinten) zuzigarrenförmig (vorne).

In a Bose-Einstein condensate of chromium atoms a Feshbach resonanceis used to change the character of theinteraction between the atoms fromcontact to dipolar. As a consequencethe condensate changes its shape fromround (back) to cigar shaped (front).

02

QUANTE NGASE 41

4. Polare Moleküle

Zusätzlich zu magnetischen Dipol-DipolWechselwirkungen gibt es auch die Mög-lichkeit von elektrischen Dipol-DipolWechselwirkungen. Der Unterschied zwi-schen den beiden Phänomenen ist, dassmagnetische Dipolmomente durch zirku-lierende Ströme oder den magnetischenMomenten der Elektronen verursachtwerden, während elektrische Dipolmo-mente durch eine inhomogene Verteilungvon Ladung zustande kommt. Das ein-fachste Bild eines elektrischen Dipols isteine positive Ladung und eine negativeLadung separiert durch eine kurze Dis-tanz. Man sieht sofort, dassmit dieser Konfigurationeine Raumrichtung ausge-zeichnet wird, welche dieRichtung des elektrischenDipolmoments beschreibt.Für Atome im Grund-zustand fehlt eine solcheausgezeichnete Richtungund ihre elektrischenDipol-Dipol Wechselwir-kungen verschwinden.Dies steht in Gegensatz zuMolekülen, bei denen dieVerteilung der verschiede-nen Atome im Molekülverschiedene Raumrich-tungen auszeichnet. Von besonderem Inte-resse sind dann zweiatomige Moleküle, dieaus zwei verschiedenen Atomsorten beste-hen. Diese so genannten polaren Molekü-le besitzen ein permanentes elektrischesDipolmoment und die Wechselwirkungzwischen solchen Molekülen ist dannhauptsächlich beschrieben durch die elek-trische Dipol-Dipol Wechselwirkung.

Auf der experimentellen Seite stellt die Rea-lisierung eines Quantengases aus polarenMolekülen eine große Herausforderungdar. Zur Zeit werden zwei verschiedeneWege intensiv untersucht: Einmal werdendie Moleküle bei hohen Temperaturen ge-formt und anschließend zu kalten Tempe-raturen abgekühlt, wobei ähnliche Metho-den wie beim Kühlen von Atomen entwi-ckelt werden. Alternativ zu dieser Metho-de wird zuerst eine kalte Mischung auszwei Atomen hergestellt, aus denen danndie Moleküle in einem kohärenten Prozessmit Lasern gebildet werden. Dabei wird diemolekulare Bindungsenergie nicht in Be-wegungsenergie umgesetzt wie bei einer

normalen chemischen Reaktion, sondernin den gestreuten Lichtteilchen des Lasersabsorbiert. Die zweite Methode hat daherden Vorteil, dass die Moleküle automa-tisch die niedrige Bewegungsenergie derAtome erben und in ein molekularesQuantengas übergehen. In letzter Zeitwurden auf diesem Gebiet sehr große Fort-schritte erzielt und wahrscheinlich kön-nen molekulare Quantengase in naherZukunft im Labor hergestellt werden.

Das besondere an elektrischen Dipol-DipolWechselwirkungen ist, dass ihre Stärke so-wohl die van der Waals Anziehung alsauch die magnetische Dipol-Dipol Wech-selwirkungen übersteigt. Zudem kann die

Orientierung der Dipolmomente durchein äußeres elektrisches Feld eingestelltwerden.

In Analogie zur obigen Diskussion könnenaber ebenfalls Instabilitäten auftreten –durch den anziehenden Charakter der Di-pol-Dipol Wechselwirkung. Eine aktuelleTheoriearbeit zeigt, dass diese Instabilitätsehr effizient unterdrückt werden kann,wenn die polaren Moleküle durch einoptisches Gitter in zwei Dimensionen ein-gesperrt werden. Die Wechselwirkung zwi-schen den Teilchen reduziert sich dann zueiner reinen langreichweitigen Abstoßung(d.h., dass die Teilchen sich auch über gro-ße Distanzen spüren). Falls die Absto-ßungsenergie die kinetische Energie derMoleküle übersteigt, ist der Grundzustanddes Mehrteilchensystems durch einenKristall gegeben (04). Im Gegensatz zugewöhnlichen Kristallen, die durch eineErhöhung der Temperatur schmelzen,kann dieser Kristall auch bei tiefen Tempe-raturen durch das Erhöhen der Quanten-fluktuationen schmelzen und in ein

Dynamik eines implodierenden dipolaren Kondensats. Die experimen-tell beobachteten Bilder (oben) zeigen

eine sehr gute Übereinstimmung miteiner theoretischen Simulation der

Hydrodynamik einer dipolaren Super-flüssigkeit der Gruppe von

Prof. Ueda am Tokyo Institute ofTechnology. Der gezeigte Ausschnitt

hat die Abmessung 270 x 270 mm.Die Bilder wurden durch Absorptions-abbildung, d.h. durch Schattenwurf mit

einer handelsüblichen Videokameraaufgenommen.

Dynamics of an imploding dipolar con-densate: The observed images (upperrow) show very good agreement with

theoretical simulations based on hydro-dynamic equations for a dipolar super-

fluid performed by the group of Prof.Ueda at the Tokyo Institute of

Technology. The images show an areaof 270 x 270 mm and were taken as

absorption images using a CCD camera.

03

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E42

Superfluid (in dem jede Reibung ver-schwindet) übergehen.

Polare Moleküle haben aber noch weitereinteressante Eigenschaften: Nicht nur dieAusrichtung des Dipol-Dipol-Wechselwir-kung kann durch äußere elektrische Fel-der kontrolliert werden, sondern auchihre Stärke. Mit Mikrowellen-Feldern las-sen sich außerdem zusätzliche Dipolmo-mente induzieren. Diese Eigenschaftenerlauben es, durch geschickte Wahl vonäußeren Feldern die Wechselwirkungenzwischen den polaren Molekülen nachWunsch zu kontrollieren und zu verän-dern. Mit Hilfe dieser Tricks ist es einemForscherteam an der Universität Stuttgartkürzlich gelungen, eine Wechselwirkungzwischen polaren Molekülen zu erzeugen,die in allen drei Raumrichtungen absto-ßend ist. Auf den ersten Blick verstößt diesgegen ein Grundgesetz der Natur, das be-sagt, dass alle Atome und Moleküle imGrundzustand eine anziehende Wechsel-wirkung haben. Da das System jedochmittels Mikrowellen-Feldern getrieben ist,steht die abstoßende Kraft nicht im Wider-spruch zu diesem fundamentalen Gesetzder Natur Die abstoßende Wechselwirkungbewirkt, dass das Quantengas sehr stabil istund inelastische Stöße, die in einem ato-maren Quantengas die Lebenszeit be-schränken, stark unterdrückt sind. Damitlassen sich also langlebige Quantengaseund kristalline Strukturen im dreidimen-sionalen Raum von polaren Molekülenerzeugen.

5. Rydberg Atome

Treffen Laserstrahlen auf ein Atom, werdenseine Elektronen vom Grundzustand aufeine höher gelegene Energieschale ange-regt. Liegt diese Energieschale nahe an derIonisationsgrenze, wo sich das Elektronvollständig von seinem Kern entfernenkann, spricht man von einem Rydberg-Atom. In diesem Fall umkreist das Elek-tron den Kern mit großem Abstand. In derklassischen Welt entsprechen diese Zu-stände am ehesten der Vorstellung einerBewegung eines Teilchens um den Kernmit der Coulomb-Wechselwirkung. D.h.,durch eine geschickte Überlagerung sol-cher Energieschalen ist es möglich, Bah-nen des Elektrons um den Kern zu be-schreiben, die der Bewegung eines Plane-ten um die Sonne gleicht.

In einem solchen Rydberg-Zustand genügtein schwaches äußeres elektrisches Feld,um das Atom zu polarisieren. Das äußereFeld ruft eine inhomogene Ladungsvertei-lung hervor, und das Rydberg-Atom istdurch ein Dipolmoment entlang derOrientierung des äußeren Feldes charakte-risiert. Wie bei den polaren Molekülen istdie Wechselwirkung zwischen zwei Ryd-berg-Atomen durch die elektrische Dipol-Dipol-Wechselwirkung beschrieben. Dadas Elektron seine Bahn weit entfernt vomKern zieht, sind diese Dipolkräfte um eini-ges stärker als in polaren Molekülen.

Eine Besonderheit von Rydberg-Atomen ist,dass diese hochangeregten Zustände durchdas Aussenden von Photonen eine endli-che Lebenszeit haben und zerfallen. DasElektron fällt auf tiefer gelegene Energie-schalen zurück und die freigewordeneEnergie wird von einem Photon davonge-tragen. Die typische Lebenszeit von Ryd-berg-Atomen liegt im Bereich von µs undhängt stark vom gewählten Rydbergzu-stand ab. Daher müssen Experimente ansolchen Zuständen auf einer Zeitskalastattfinden, die kürzer ist als die Lebenszeitder Rydberg-Atome. Werden die Rydberg-Zustände aus einem Quantengas erzeugt,ist die mittlere Geschwindigkeit derAtome so klein, dass sie auf der Zeitskalader Rydberg- Anregung nur einen Bruch-teil der mittleren Distanz zwischen denTeilchen zurücklegen. In diesem Fallspricht man von einem „gefrorenen“ Ryd-berg-Gas, und zur theoretischen Beschrei-bung ist es sinnvoll die Bewegung derAtome zu vernachlässigen.

Darstellung eines molekularenKristalls der mit Hilfe eines optischenGitters auf zwei Dimensionen einge-sperrt ist: die Dipolmomente der polaren Moleküle zeigen entlang derRichtung des Elektrischen Feldes underzeugen eine stark abstoßendeWechselwirkung. Der Grundzustand istcharakterisiert durch eine periodischeAnordnung der Moleküle.

Illustration of a molecular crystalwhich is trapped in two dimensions bymeans of an optical lattice: The dipolar moments of the polar moleculepoint into the direction of the electri-cal field and induce a strong repulsiveinteraction. The ground state is characterized by a periodic order of themolecules.

04

QUANTE NGASE 43

Die Anregung in den Rydberg-Zustand wirddurch einen resonanten Laser erreicht. Istein Rydberg-Atom bereits angeregt ver-schiebt die Dipol-Dipol-Wechselwirkungdie Resonanz-Frequenz, was die Anregungeines weiteren Rydberg-Atoms unter-drückt. Da die Dipol-Dipol-Wechselwir-kung mit größerer Distanz abnimmt,erhält man einen Blockaderadius (05):innerhalb des Blockaderadius um ein Ryd-berg-Atom herum können keine weiterenAtome mehr in den Rydberg-Zustandangeregt werden. Erst außerhalb diesesRadius sind Anregungen wieder erlaubt.Die Experimentatoren an der UniversitätStuttgart haben dieses Phänomen – diesogenannte Dipol-Blockade – in einemQuantengas beobachtet: je stärker dieWechselwirkung zwischen den Atomenwar umso weniger Rydberg-Atome konn-ten angeregt werden. Da in diesem Fallnicht nur zwei Atome beteiligt sind, son-dern viele Atome miteinander im Wech-selspiel stehen, treten faszinierende Viel-teilchen-Phänomene auf. So wurde imExperiment beobachtet, dass die Anzahlder Rydberg-Atome algebraisch von denParametern wie Dichte und Stärke destreibenden Lasers abhängt. Der Exponentin diesem algebraischen Verhalten zeigtdabei universellen Charakter, d.h. unab-hängig von der Atomsorte, der Verteilungder Atome und der Stärke der Wechselwir-kung hat der Exponent immer die gleicheForm. Diese Eigenschaft ist bekannt durchdie Universelle Skalentheorie von Phasen-übergängen. Mit Hilfe der Forscher an derUniversität Stuttgart ist es gelungen, dieBeobachtung der Universellen Skalierungin Rydberg-Atomen mittels eines Quan-tenphasenübergangs zu verstehen.

6. Wenn die Natur mit gezinkten Würfeln spielt

Das Zinken von Karten und Würfeln warseit alters her eine beliebte Methode, umdie Chancen im Glücksspiel zu beeinflus-sen und den Gewinn des „Schlitzohres” zumaximieren. Die unredliche Gewinnstra-tegie beruht im Allgemeinen auf einerVeränderung der Eintrittshäufigkeit eineseinzelnen Würfelereignisses (in der Regel1/6 pro Würfelseite) oder der von gleich-zeitig geworfenen Würfeln durch gezielteMagnetisierung der Flächen. Durch dieseManipulation wird z. B. das Auftretenzweier Sechser häufiger, da Korrelationen

zwischen den Ereignissen geschaffen wur-den.

Natürlich folgen die Vorgänge in ultrakaltenQuantengasen den Spielregeln der Physikund letztendlich ist es das Bestreben jedesSystems seine Unordnung (Entropie)unter Berücksichtigung von Nebenbedin-gungen (Energie, Teilchenzahl, etc.) zumaximieren. Dabei sind die Wechselwir-kungen zwischen Atomen, sowie derenStatistik (Bosonen, Fermionen) von großerBedeutung, da erst dadurch Korrelationenzwischen den Teilchen entstehen könnenund diese wiederum bei der Maximierungder Unordnung einen wichtigen Einflusshaben. Neben diesen Effekten hat aberauch das Aussehen des „Spielfeldes” einenstarken Einfluss auf die Entwicklung desZustandes eines Systems. D.h. die geome-trische Form und die Abmessungen (Län-genskalen) des physikalischen Behältnis-ses, welches das atomare Gas in einerUltrahochvakuumkammer umschließt,sind maßgebend für dessen Dynamik.

Mit Hilfe von optischen Laserstrahlen, nie-derfrequenten elektromagnetischen Wel-len (Radiowellen, Mikrowellen), sowie sta-tischen magnetischen und elektrischenFeldern ist es heute möglich beliebigeKräfte im Vakuum zu erzeugen, so dassAtome berührungsfrei gefangen und überlange Zeiten (100s) hinweg gehalten wer-den können. Diese elektromagnetischenStrahlungskäfige sind so flexibel, dass siezeitabhängig deformiert werden können.Damit ist es schließlich möglich

• 0-dimensionale Punktgitter,• 1-dimensionale Wellenleiter,• 2-dimensionale Schichtstrukturen und• 3-dimensionale mesoskopische

Volumenstrukturen

zu generieren und stetig ineinander zuverformen. Die Periodizität dieser Struktu-

Rydbergblockade: Aus einem Ensembleultrakalter und damit gefrorener

Atome im Grundzustand |g⟩ kanndurch schmalbandige Laseranregung ineinem bestimmten Bereich mit Radius

ablock nur ein Rydberg atom |ryd⟩angeregt werden. Durch die starkrepulsive van der Waals Wechsel-

wirkung wird eine weitere Anregung indiesem Bereich verhindert. WeitereAtome können nur außerhalb dieses

Blockaderadius angeregt werden. Dajedes Atom die gleiche Ausgangs-

chance hat angeregt zu werden, gibt esviele mögliche gleichberechtigte und

räumlich korrelierte Endzustände. Dain der Quantenmechanik alle gleichbe-

rechtigten Zustände in einer Überla-gerung vorliegen können, entsteht bei

dieser Anregung ein stark korrelierterQuantenzustand.

The mechanism of Rydberg blockade:If by narrow band laser excitation a

Rydberg atom |ryd⟩ is excited in a gasof ground state atoms |g⟩ due to strong

van der Waals interaction betweenRydberg atoms a second one can onlybe excited at a distance ablock. As allatoms inside the blockaded area have

equal right to carry the Rydberg excitation many spatially correlated

finals states are possible. In quantummechanics these possible final statescan appear as a superposition state.

This is how a strongly correlated manybody quantum state is generated.

05

ren kann einerseits dazu verwendet wer-den viele identische präparierte Versucheparallel durchzuführen und somit eineexzellente Signalausbeute zu erzielen,oder durch Kopplung der SubsystemeKorrelationen im Gesamtsystem entstehenzu lassen. Bei den tiefstmöglichen Tempe-raturen, die in unserem Forschungspro-jekt erzielt werden, können atomareKorrelationen entstehen, die die Gesetzeder klassischen Statistik (Spieltheorie) ver-letzen und erst wieder mit Hilfe der Quan-tenmechanik erklärt werden können.

In niedrigdimensionalen Strukturen wieoptischen Gitterkristallen oder eindimen-sionalen Wellenleitern treten Quanten-effekte besonders deutlich hervor, da derzur Verfügung stehende Phasenraumdurch die Fallenpotentiale beschränktwird. Der im Allgemeinen 6-dimensionaleEinzelteilchenphasenraum ist hierbei derZustandsraum, in dem die Bewegungeines Teilchens in drei Raumdimensionenunter Angabe von Impuls und Ort einesTeilchens ( �p, �x ) beschrieben werden. Beigewöhnlichen Temperaturen ist die Wahr-scheinlichkeit zwei Teilchen in einem klei-nen Phasenraumvolumen Δ3xΔ3 p/�3

gleichzeitig anzutreffen verschwindendgering. Die Größe der Phasenraumzellewird in Einheiten des Planckschen Wir-kungsquantum � angegeben. Sobald dieTemperatur unter einen kritischen Wertfällt, der durch die Masse der Teilchen unddie Form der atomaren Falle gegeben ist,wird die Ununterscheidbarkeit der Teil-chen relevant und führt im Falle vonBosonen zur Bose-Einstein Kondensation(BEC) und für Fermionen zur sogenann-ten Entartung, bei der die quantenmecha-nischen Wellenpakete der einzelnen Teil-chen aneinander stoßen.

In niedrigdimensionalen Strukturen werdendie Bewegungsfreiheitsgrade einge-schränkt und, um weiterhin die Heisen-bergsche Orts-Impuls UnschärfebeziehungΔ3xΔ3 p��3 erfüllen zu können, muss dieBewegung in der unbeschränkten Rich-tung besonders starke Fluktuationen er-fahren.

7. Quantenfelder à la carte in optischen Gitterkristallen

Am Anfang der Forschung mit dreidimen-sionalen BECs standen vor allem Experi-mente zum Wellencharakter des Konden-sats, der für die Suprafluidität sowie faszi-

nierende Zustände wie quantisierte Wirbel,Wirbelgitter oder Solitonenwellen verant-wortlich ist. Die Suche nach den dazukomplementären Teilcheneigenschaftenbosonischer Felder wurde hingegen erstvon Erfolg gekrönt, als man begann, Kon-densate in tiefe optische Gitterkristalle zuladen. Mit Hilfe gegenläufiger Laserwellenlassen sich beinahe beliebige ein-, zwei-oder dreidimensionale optische Gitterkris-talle innerhalb einer Hochvakuumkam-mer erzeugen. Bewegen sich Atome ineinem solchen Lichtfeld, erfahren sie einder Lichtwellenlänge entsprechendes peri-odisches Potential. Die Tiefe des Potentialsentspricht dabei der Intensität des Lasersund ist somit voll kontrollierbar.

Besonders eindrucksvoll wurde der Welle-Teilchen-Dualismus eines wechselwirken-den bosonischen Gases durch den periodi-schen Kollaps und die phasenkohärenteWiederherstellung der kollektiven Wellen-funktion im dreidimensionalen optischenGitterkristall demonstriert. Der Forscher-gruppe um T. Hänsch und I. Bloch amMax-Planck-Institut für Quantenoptik inGarching gelang mit zwei spektakulärenExperimenten der Nachweis des Teilchen-charakters der Anregungen bosonischerQuantenfelder. In beeindruckender Klar-heit wurde zuerst der Quantenphasen-übergang vom superfluiden Zustand einesBE Gases zu der, aus der Festkörperphysikbekannten, Mott-Isolator-Phase erreicht.In einem dazu komplementären Versuchwurden Überlagerungszustände von meh-reren Teilchen präpariert. Der beobachte-te, zeitlich periodische Kollaps und dievollständige Wiederherstellung des ur-sprünglichen Zustandes beweisen diequantisierte Natur bosonischer Materie-wellenfelder und die Phasenkohärenz ato-marer Stöße.

In einem wegweisenden theoretischen Bei-trag zeigte die Innsbrucker Forscher-grup-pe um P. Zoller und I. Cirac, dass in einemsolchen tiefen optischen Gitter die wesent-lichen Grundzustandseigenschaften desGases durch das sogenannte Bose-Hub-bard-Modell beschrieben werden. Im Rah-men dieses Modells dürfen Atome nurden untersten lokalisierten Wannier-Zustand am jeweiligen Gitterplatz i beset-zen. Aufgrund der großen Tiefe des Gitter-potentials sind höhere angeregte Zuständeunerreichbar. Da wir es mit bosonischenTeilchen zu tun haben, können einzelneGitterplätze mehrfach belegt werden, was

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E44

QUANTE NGASE 45

aber wegen der Abstoßung U �0 zwischenden Teilchen immer größere Energienerfordert. Der Energieaustausch im Gitterist deshalb nur durch quantenmechani-sches Tunneln J zwischen benachbartenStellen möglich. Formal wird dieses Mo-dell durch den Energieausdruck

beschrieben.Was ist nun der wesentliche Unterschied

zwischen einer klassischen Schwingung,z.B. einer Gitarrenseite, einem kohärentenQuantenzustand und einem Fock-Zustandmit fester Teilchenzahl eines Bose-Feldes?Zerlegt man die Gitarrenseite in diskreteGlieder i, so besitzt jedes dieser Elementegleichzeitig eine wohl definierte Auslen-kung |αi|sowie eine relative Phase ϕi. DieAmplituden des bosonischen Quanten-feldes sind ebenfalls diskret, allerdingsmuss man hier für jeden Freiheitsgrad idie Heisenbergsche UnschärferelationΔniΔϕi �1berücksichtigen, nach der dieTeilchenzahl pro Gitterplatz n und diePhase ϕ nicht gleichzeitig scharf festgelegtsein können. Kohärente Zustände |αi⟩entsprechen einer Poisson verteilten Über-lagerung mehrerer Teilchen, bei derAmplitude und Phase zwar unscharf blei-ben Δni / ni = Δϕi = 1/|αi|, das Unschärfe-produkt aber weiterhin minimal ist. Daherkönnen diese Zustände ebenso wie eineGitarrensaite relative Phasen zwischen denGitterstellen besitzen. Im Gegensatz dazuist bei Fock-Zuständen |ni⟩ die Teilchen-zahl ni genau bestimmt Δni = 0, sodass dieindividuelle Phase völlig unscharf bleibt.Deshalb ist auch keine relative Phasenbe-ziehung zwischen den Gitterplätzen mög-lich. Im Experiment ist nun über die Tiefeder optischen Gitters das Verhältnis U/J,d.h. die Bedeutung der Teilchenstöße ver-glichen mit dem kinetischen Tunneln, freiwählbar und damit auch die charakteristi-schen Eigenschaften des Grundzustandesim Bose-Hubbard-Modell. In Potentialenvon geringer bis mittlerer Tiefe (U/J < 1)wird sich deshalb ein superfluider Bose-Kondensatzustand ausbilden, der zwar anden Gitterpunkten Poissonsche (bzw. sub-Poissonsche) Teilchenzahlfluktuationenaufweist, aber immer noch relative Phasenzwischen den Gitterplätzen zulässt. Über-schreitet nun U/J einen von der Gittergeo-metrie abhängigen Wert, so durchläuft dasVielteilchensystem diskontinuierlich einenQuantenphasenübergang zum Mott-Isola-

tor, in dem lokale Teilchenzahlfluktuatio-nen unterdrückt sind (Fock-Zustand).Deshalb kann sich auch keine relativePhase mehr zwischen den Gitterplätzeneinstellen. Der experimentelle Nachweisdieses Quantenphasenüberganges hat seit-dem zu einer Vielzahl neuer Experimentemit bosonischen und fermionischen Gasenin Gittern geführt.

8. Wechselwirkung in niedrigen Dimensionen

Die große Mobilität unserer Gesellschaftführt im Straßenverkehr zu einer zuneh-menden Häufigkeit von Verkehrsstaus. Be-sonders ärgerlich sind hierbei die Verkehrs-infarkte auf Autobahnen, die ohne er-kennbares Hindernis ab einer bestimmtenFahrzeugdichte lokal zum Zusammen-bruch des Verkehrsflusses führen, um sichnach entsprechender Wartezeit wieder auf-zulösen. Diese Instabilität im Fahrzeug-fluss ist eng mit der Eindimensionalität desStraßenverkehrs verknüpft.

Analoge Phänomene sind in vielen eindi-mensionalen physikalischen Systemenwiederzufinden. Bei den niedrigsten Tem-peraturen, die in unseren Forschungspro-jekten betrachtet werden, bereichert je-doch die Quantenmechanik und Ununter-scheidbarkeit der atomaren Teilchen dieseSysteme mit neuen Effekten. Im Hinblickauf die zunehmende Miniaturisierung vonLeiterbahnen auf elektronischen Bauteilenist das grundlegende Verständnis der nied-rigdimensionalen Vielteilchenquanten-physik auch von großer praktischer Be-deutung.

Die Realisierung eindimensionaler Struktu-ren mit optischen Gitterpotentialen warein großer Durchbruch in dieser Richtung,da nun erstmals diese Physik mit neutra-len Atomen in Abwesenheit von stören-den Hintergrundeffekten studiert werdenkann. Mit Hilfe von leistungsstarkenLasern ist es möglich viele parallele, prola-te (zigarrenförmige) quasi eindimensionalePotentiale herzustellen in den hundertebosonische oder fermionische Atome proPotentialtopf gehalten werden können.Bei den niedrigsten Temperaturen (kineti-schen Energien) ist Bewegung in radialerRichtung „ausgefroren” (energetisch ver-boten) und nur mehr in der verbleibendenRichtung möglich.

Wenn nun der virtuelle Durchmesser einesAtoms (Streuquerschnitt) größer ist als die

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E46

Grundzustandsausdehnung der Wellen-funktion in radialer Richtung, so wird dieBegegnung zweier Atome zum Hochseil-akt, d.h. zwei gegenläufige Seiltänzer müs-sen jeweils umkehren oder quantenme-chanisch Tunneln. Dieses theoretischeProblem, d.h. die Lösung der eindimensio-nalen Vielteilchen Schrödingergleichungmit paarweisen Kontaktpotentialen wurdebereits in den 30iger Jahren von HansBethe gelöst und viele der exakt lösbarenquantenfeldtheoretischen Modelle beru-hen auf seinem genialen Ansatz.

Im Falle bosonischer Atome mit repulsivenWechselwirkungen kann man nun durchdie Variation des radialen Einschlusses bzw.der Atomzahl den Übergang vom schwachkorrelierten Bose-Gas zum stark korrelier-ten Bose Gas im Tonks-Girardeau Regimebeobachten. Paradoxerweise zeigen in die-sem Grenzfall die Teilchen eine zuneh-mende gegenseitige Aversion je wenigervorhanden sind. Dies wird als Fermionisie-rung des Bosegases bezeichnet, da imGrenzfall die Wahrscheinlichkeit, zweiTeilchen am gleichen Ort zu finden, ver-schwindet. Diese Zweiteilchenkorrelati-onsfunktion g(2) (x,y) ist proportional zurWahrscheinlichkeit, sukzessive zweiTeichen an den Orten x und y aus demGas zu entnehmen. In 06 und 07 ist zusehen, dass sich bei Temperatur T=0Teilchen an den Orten x=y vermeiden,während dies bei endlichen Temperaturennicht mehr notwendig ist und eine erhöh-te Aufenthaltswahrscheinlichkeit an Or-ten geringer Dichte (am Rand) entsteht.

9. Präparation von schock-gefrorenen Quantengasen

Um die beschriebenen Phänomene beobach-ten zu können, müssen Gase sehr schnellin den Mikro- oder Nanokelvin Bereichabgekühlt werden. Für einen solchenKühlschank braucht man ein Kühlmittelund einen isolierenden Behälter.

Da die Temperaturen weit unterhalb dessenliegen, was ein kryogenes System erzeugenkann, werden als „Behälter“ elektromag-netische Felder benutzt, deren Fluktuatio-nen man sehr gut kontrollieren kann.Geeignet sind hierfür magnetische Atomeals statische Magnetfallen. Da man prinzi-piell nur lokale Magnetfeldminima imVakuum erzeugen kann, können dort nurAtome in Zuständen gefangen werden,deren Energie mit dem Magnetfeld an-steigt. Das bedeutet aber notwendigerwei-se, dass es energetisch tiefer liegende nichtfangbare Zustände gibt. Dadurch ist eineMagnetfalle prinzipiell durch Relaxations-mechanismen begrenzt. Dennoch werdendie meisten Quantengase in Magnetfallengehalten, weil sie technisch sehr gut zuhandhaben sind und die Relaxationszeit-skalen für viele Atomsorten Speicherzei-ten im Bereich von vielen Sekunden erlau-ben. Alternativ dazu werden auch immermehr optische Pinzetten eingesetzt, wel-che die polarisierbaren Atome im Fokuseines Laserstrahls fangen. Da die Polarisier-barkeit in guter Näherung nicht vommagnetischen Zustand der Atome ab-hängt, können alle magnetischen Zustän-de gleichermaßen gefangen werden, insbe-sondere auch der tiefstliegende Grundzu-stand, der nicht mehr weiter relaxierenkann und sich nicht magnetisch fangen

Zweiteilchenkorrelationsfunktion ineinem quasi eindimensionalen harmoni-schen Oszillator mit Frequenz ω,N=100 Teilchen und TemperaturT=0.

Two particle correlation function in aquasi one dimensional harmonic oscil-lator with trap frequency ω, N=100particles and a temperature T=0

07

Zweiteilchenkorrelationsfunktion fürgleiche Parameter aber bei TemperaturT = 10 � ω/kB

Two particle correlation function forthe same set of parameters but a finitetemperature of T = 10 � ω/kB

06 07

QUANTE NGASE 47

lässt. Die Isolation der gefangenen Gase von der heißenUmwelt erfolgt durch ein sehr gutes Vakuum (< 10-11

mbar). Bei diesem Druck ist die Wahrscheinlichkeit einerKollision zwischen einem heißen Raumtemperaturatom,das von der Vakuumkammerwand emittiert worden ist,mit einem ultrakalten gefangenen Gas Atom kleiner als 1pro 100 Sekunden.

Genauso wichtig wie der Behälter und die Isolation istnatürlich das Kühlmittel. Da keine Standardkühlmittelwie z.B. flüssiges Helium in den Nanokelvin Bereich vor-stoßen können, wird zunächst ein Laserfeld benutzt, umdie Atome abzukühlen. Obwohl das zunächst gewöh-nungsbedürftig klingt, fungiert tatsächlich ein Laserfeldals Kühlmittel, welches die Bewegungsenergie der Atomein einem Gas dadurch abtransportiert, dass die gestreutenPhotonen etwas mehr Energie haben als die eingestrahl-ten. Die Erfindung und Beschreibung der Methode derLaserkühlung wurde 1997 mit dem Nobelpreis für Physikan Chu, Phillips und Cohen Tannoudji ausgezeichnet. Diewesentliche Erkenntnis ist, dass die Photonen durch ihrenImpuls in der Lage sind, Atome abzubremsen. Der Impuls-übertrag eines einzelnen Photons auf die Atome ist sehrklein, aber da die Photonenstreurate der Atome sehr hochsein kann, können sehr viele Photonen gestreut werdenund so Bremsbeschleunigungen auf die Atome ausgeübtwerden, die 100.000mal der Erdbeschleunigung entspre-chen. Werden alle Tricks der Atom-Licht Wechselwirkungausgespielt, können so innerhalb von Bruchteilen einerSekunde Temperaturen im Mikrokelvinbereich erreichtwerden. Zur Erzeugung der Quantengase schließt sichdann typischerweise noch ein etwas langsameres aberebenfalls sehr effizientes Verfahren an: die Verdampfungs-kühlung. Hierzu nutzt man aus, dass die kalten Atome inihren Fallen durch die Laserkühlung auch schon so hoheDichten erreichen, dass durch elastische Stöße immer einthermisches Gleichgewicht vorliegt. Entfernt man nunselektiv die heißesten, bleibt ein kälteres und für bestimm-te Fallenformen auch dichteres Gas zurück. Das bedeutet,obwohl man Teilchen aus dem Gas verliert, steigt dieDichte und die Temperatur fällt. Mit dieser Methode kannman Temperaturen erzeugen, bei der die Atome sich lang-samer bewegen als die Geschwindigkeit, die der Rückstoßeines einzelnen Photons auf die Atome übertragen würde.In Zahlen ausgedrückt sind das Geschwindigkeiten vonwenigen Millimetern pro Sekunde und Temperaturen imNanokelvin Bereich. Bei diesen Temperaturen findet wieeingangs beschrieben bei bosonischen Atomen der Über-gang zu einem Bose-Einstein Kondensat statt. Dabei befin-den sich in guter Näherung alle ununterscheidbarenAtome in ein und demselben Materiewellenzustand undkönnen Interferenzphänomene zeigen (09).

10. Zusammenfassung und Ausblick

Die beschriebenen Möglichkeiten, die Wechselwirkungenzwischen ultrakalten Atomen bzw. Molekülen in ihrerStärke und in ihrem Charakter zu kontrollieren, erlauben

08

Vakuumapparatur mit Magnet- undoptischer Falle zur Präparation und

Speicherung eines Quantengases. Im gezeigten Aufbau am 5.

Physikalischen Institut der UniversitätStuttgart ist erstmalig ein Bose-

Einstein Kondensat aus Chromatomenerzeugt und damit ein rein dipolares

Kondensat präpariert worden.

Vacuum apparatus to prepare trap andinvestigate a quantum gas. In this

chamber at the 5th Institute of physicsat the University of Stuttgart the first

chromium Bose-Einstein condensatewas prepared. Researchers could for

the first time observe a purely dipolarquantum gas in this setup.

Interferenz zweier Quantengase:Aufgrund der Quantennatur der

Materie kommt es bei der Überlage-rung zweier Quantengase zu konstruk-

tiver und destruktiver Interferenz. Hierwird das für zwei Chrom Kondensate

gezeigt, die ursprünglich einenAbstand von sieben Mikrometern hat-

ten und dann in freier Expansion über-lagert wurden. Deutlich sichtbar ist dieperiodische Dichtemodulation aufgrund

der Interferenz der Materiewellen.Die Gesamtausdehnung des

Kondensats beträgt hier nach derExpansionsphase von 18 Millisekunden

etwa 0.3 Millimeter.

Interference of two quantum gases:Due to the quantum nature of matter

the superposition of two quantum gasescauses constructive and deconstructive

interference. The figure shows the inference pattern of initially two chro-

mium condensates, which were separated by a distance of 7 micro-

meter after free expansion. The periodic density modulation is clearlyvisible because of the interference of

the matter waves. The overall expansi-on of the condensate is approximately0.3 milimeter after a 18 millisecond

expansion.

09

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E48

es, zahlreiche aktuelle Fragen der Vielteil-chenquantenphysik modellhaft zu studie-ren. Neben dem grundsätzlichen Interessean diesen Systemen lassen sich viele unge-löste Fragestellungen aus der Forschungan Quantenmaterialien, wie z.B. Hoch-temperatursupraleitern auf diese Modell-systeme abbilden. Sie können damit zumvertieften Verständnis dieser Materialienund ihrer konsequenten Weiterentwick-

lung entscheidend beitragen. Auf demweiten Gebiet zwischen den Quantengasenund der festen Quantenmaterie ergebensich nachhaltige Perspektiven für dieGrundlagenforschung, welchen z.B. imSonderforschungsbereich SFB/TRR21 inStuttgart, Ulm und Tübingen nachgegan-gen wird. •

Tilman Pfau, Hans Peter Büchler, Reinhold Walser

Tilman Pfau

(m.) hat 1994 an der Universität Konstanz bei Prof. Mlynek promo-viert. Nach einem Aufenthalt an der ENS in Paris hat er sich inKonstanz auf dem Gebiet der Atomoptik habilitiert und wurde nacheinem Aufenthalt am MIT in Cambridge im Jahr 2000 nach Stuttgartberufen. Seitdem leitet er das 5. Physikalische Institut an der UniversitätStuttgart. Seine Arbeitsgebiete sind die experimentelle Atom- undQuantenoptik.

Hans Peter Büchler

(l.) hat an der ETH Zürich, Schweiz, bei Prof. G.Blatter im Jahr 2003promoviert. Nach einem längerem Aufenthalt an der Universität

Innsbruck in der Gruppe von Prof. P. Zoller, hat er im Jahr 2007 den Ruf an die Universität Stuttgart ins Institut für Theoretische Physik III unter der Leitung von Prof. A. Muramatsu bekommen.

Reinhold Walser

(r.) hat 1995 bei Prof. P. Zoller an der Universität Innsbruck promoviert. Nach einem Post-Doc Aufenthalt in Boulder Colorado (JILA/UniversitätBoulder Colorado) und einem weiteren von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Forschungsaufenthalt in Boulder, wurde er an der Universität Ulm habilitiert, wo er seit 2003 am Institut für Quantenphysik bei Prof. W. P. Schleich arbeitet.

Kontakt5. Physikalisches Institut, Universität StuttgartPfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel.: 0711/685-664820, Fax: 0711/685-63810E-Mail: [email protected]

DIE AUTOREN

AN Z E IG E N 49

Bevor wir konkrete, aktuelle Beispiele starkkorrelierter Quantensysteme diskutieren,wollen wir den Begriff der Korrelationzunächst genauer präzisieren. Dazu be-trachten wir zunächst ein schwach korre-liertes System, d.h. ein System, bei demder Zustand einer Komponente weitge-hend unabhängig vom Zustand der ande-ren Komponenten ist. In so einem Fall istes möglich, allgemeine Eigenschaften desSystems durch diejenigen der einzelnenKomponenten zu beschreiben. Ein wohl-bekanntes Beispiel dafür sind die gewöhn-lichen Metalle, wie zum Beispiel Kupfer,Eisen oder Blei.

Obwohl Metalle seit Jahrtausenden derMenschheit bekannt sind, konnten ihre

physikalischen Eigenschaften erst mit Hilfeder Quantenmechanik wirklich verstan-den werden. Das Tieftemperaturverhaltenihrer spezifischen Wärme kann der Physi-ker z.B. durch die Fermi-Dirac-Vertei-lungsfunktion, welche die statistischenEigenschaften von Elektronen (Fermio-nen) beschreibt, erklären. Fermionengehorchen der Fermi-Dirac-Statistik, derdas Pauli-Ausschlussprinzip zugrundeliegt. Dieses besagt, dass zwei Fermionennie denselben Quantenzustand besetzenkönnen. Dennoch sieht man bei genaue-rer Betrachtung der Berechnungen derspezifischen Wärme, dass man dort nicht-wechselwirkende Teilchen angenommenhat, während Elektronen geladen sind, so

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E50

Eigenschaften der Quantenmaterie

Zur Theor ie der Quantenkorre la t ionen in Mot t -Mater ie , ka l ten Gasen und mesoskopischen Systemen

Bekanntlich besteht alle Materie aus einer großen

Anzahl verschiedener Atome, welche – je nach

Zusammensetzung – die Eigenschaften der betrachte-

ten Materie bestimmen. Während bei herkömmlicher

Materie die Zusammensetzung im Allgemeinen von

der Natur diktiert wird, sind wir im Bereich der

Quantenmaterie an einen Punkt gelangt, wo gezielt

gewünschte Eigenschaften eingestellt werden können.

Naturgemäß wächst die Komplexität dieser Eigen-

schaften mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden

Freiheitsgrade und deren Wechselwirkung an. Eines

der aktuellen Forschungsziele im Bereich der konden-

sierten Materie ist es, stark korrelierte Quantensysteme

soweit zu verstehen, dass die Beherrschung ihrer

Eigenschaften möglich wird.

QUANTE N KOR R E L AT ION E N 51

dass sie unter Umständen einer sehr star-ken Coulomb-Wechselwirkung unterwor-fen sein können. Die Lösung dieses Wider-spruchs hat die Physiker lange beschäftigt.Es war der geniale russische Physiker LevLandau, der vorschlug, dass die für diegrundlegenden Eigenschaften in einfachenMetallen verantwortlichen elementarenAnregungen Quasiteilchen sind, welchedieselben Quantenzahlen wie die Elektro-nen besitzen (d.h. Spin S=1/2 und LadungQ=e), die aber bei niedrigen Energien bzw.Temperaturen nur schwach miteinanderwechselwirken. Systeme, die solche Quasi-teilchen besitzen, werden als Landau-Fermiflüssigkeiten bezeichnet. Hinter derLösung des Widerspruchs steht das Pauli-Ausschlussprinzip, das dafür sorgt, dassselbst wenn die Wechselwirkungsstärkegroß sein kann, die Wahrscheinlichkeit,dass zwei Fermionen miteinander wechsel-wirken, bei kleinen Energien stark ab-nimmt und somit schwach wechselwir-kende Quasiteilchen entstehen.

Im Gegensatz zu schwach wechselwirkendenSystemen zeichnen sich stark korrelierteSysteme dadurch aus, dass ihre Eigenschaf-ten erst durch das Zusammenwirken vie-ler Komponenten und nicht durch dieeinzelnen bestimmt werden. So sprichtman hier von emergenten Phänomenen,welche sich mit herkömmlichen theoreti-schen Methoden kaum vorhersagen las-sen. Ein prominentes Beispiel hierfür sinddie Hochtemperatur-Supraleiter (HTSL).Seit der Entdeckung dieser Materialiensind wir mit einer Reihe von Verbindun-gen konfrontiert, die experimentell aufAbweichungen vom Fermiflüssigkeits-verhalten hinweisen.

1. Hochtemperatur-Supraleiter

Wir rufen zunächst einige Grundeigenschaf-ten der HTSL in Erinnerung. Allen HTSLgemeinsam sind CuO2-Schichten, diedurch Änderung der chemischen Kompo-sition der Umgebung dotiert werden kön-nen. Je nach Umgebung werden Elektro-nen in diese Schichten hinzugefügt (hierspricht man von Elektron-dotierten Ver-bindungen) oder aus den CuO2-Schichtenentfernt (Loch-dotierte HTSL). Da letzteredie höchsten Sprungtemperaturen aufwei-sen und die ausgeprägtesten Anomalienzeigen, diskutieren wir im Folgenden nurden Fall der Dotierung mit Löchern.

Ohne Dotierung stellen die CuO2-Schichten

einen Isolator dar, wobei S=1/2 magneti-sche Momente an den Kupfer-Ionen anti-ferromagnetisch angeordnet sind. DieserZustand, Mott-Isolator genannt, ist einerstes Merkmal der starken Korrelation indiesen Systemen, denn das magnetischeMoment S=1/2 pro Kupfer-Ion gehörteinem Elektron, das unter normalen Um-ständen (z.B. in einem konventionellenMetall) zur Leitfähigkeit beitragen würde.Die Tatsache, dass die Elektronen jedochlokalisiert sind, ist eine Folge einer star-ken, lokalen Wechselwirkung, welche Zu-stände mit zwei Elektronen pro Gitter-platz stark unterdrückt. Da sich ohneDotierung im Mittel ein Elektron proGitterplatz befindet, ist es für die Elektro-nen energetisch nicht möglich, von einemGitterplatz zum nächsten zu „hüpfen”.

Durch Dotierung erhält man ein Metall, dassupraleitend werden kann. Die Sprung-temperatur ist zunächst eine ansteigendeFunktion der Dotierung, bis eine optimaleDotierung erreicht wird, die durch denhöchsten Wert der Sprungtemperatur

Generisches Phasendiagramm derHochtemperatursupraleiter mit denKontrollparametern Dotierung und

Temperatur. AF bezeichnet die anti-ferromagnetisch geordnete Region bei

kleinen Dotierungen. Supraleitung fin-det man erst bei endlicher Dotierung

innerhalb des kuppelartigen Bereiches.Zwischen dem AF und dem supralei-

tendem Gebiet zeigen dieseMaterialien eine Pseudogap Phase,

während bei hohen DotierungenFermiflüssigkeitsverhalten (FF) vor-

liegt. Oberhalb der supraleitendenKuppel wird ebenfalls unkonventionel-les (seltsames) metallisches Verhalten

beobachtet.

Generic phase diagram of the high-temperature superconductors with

control parameters doping and temperature. AF denotes the anti-

ferromagnetic ordered region for smalldoping. Superconductivity is found at

finite dopings inside the dome-likeregion. Between the AF and the super-

conducting regime, these materialsexhibit a pseudogap phase, whereas at

high doping Fermi-liquid behavior isrecovered. Above the superconducting

dome, these systems exhibit unconventional (strange) metal pro-

perties.

01

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E52

gekennzeichnet ist. Dieser Wert kann bisum das Fünffache höher sein als die höch-sten Sprungtemperaturen der bis zurEntdeckung der HTSL bekanntenSupraleiter. Die oben erwähnten Anoma-lien sind am deutlichsten im unterdotier-ten Bereich zu sehen, d.h. bei Dotierun-gen, die kleiner als die optimale sind. Sozeigt dort die elektronische spezifischeWärme anstatt des üblichen linearen Ver-laufs mit der Temperatur eine viel stärkereAbnahme, welche durch die Öffnung einerEnergielücke phänomenologisch erklärtwerden kann. Auch zeigt die Pauli-Suszep-tibilität, welche die Änderung der Magne-tisierung durch ein konstantes Magnetfeldbeschreibt, eine starke Abnahme mit ab-nehmender Temperatur im Gegensatz zueiner Fermiflüssigkeit, bei der diese Größetemperaturunabhängig ist. Deswegenspricht man von einem Pseudogap-Verhal-ten im unterdotierten Bereich.

Wie schon bei der Diskussion im schwachkorrelierten Fall erwähnt wurde, entstehteine Fermiflüssigkeit ganz allgemein auf-grund der Fermi-Dirac-Statistik der Elek-tronen. Das weisst darauf hin, dass nursinguläre Wechselwirkungen zum Zusam-menbruch einer Fermiflüssigkeit führenkönnen. Eine solche Situation findet manbei wechselwirkenden Elektronen in einerDimension vor, wo eine störungstheoreti-sche Behandlung der Wechselwirkung zuSingularitäten führt. Anstelle einer Fermi-flüssigkeit bildet sich bei einer repulsivenWechselwirkung eine Luttinger-Flüssig-keit. Dieser Zustand zeichnet sich dadurchaus, dass das eindimensionale Metall keineFermikante besitzt, und elementare Spin-anregungen (Spinons) und Ladungsanre-gungen (Holons) die Quasielektronen bzw.Quasilöcher einer Fermiflüssigkeit erset-zen. Hier spricht man von der Spin-Ladungstrennung, da die Quantenzahlenfür Spin und Ladung, welche in einerFermiflüssigkeit ein und derselben ele-mentaren Anregung (dem Quasiteilchen)zugeordnet werden, in einer Luttinger-Flüssigkeit den oben erwähnten neuenelementaren Anregungen zugeordnetwerden: S =1/2 und Q = 0 für Spinons undS=0 und Q=-e für Holons. Da Konsensdarüber besteht, dass in den HTSL dieSupraleitung in den CuO2-Schichten zu-stande kommt, können die HTSL als zwei-dimensionale Systeme betrachtet werden,so dass es nicht zwingend ist, dass die Ab-weichungen vom Fermiflüssigkeitsverhal-

ten durch eine Luttinger-Flüssigkeit er-klärt werden. Vielmehr stellt sich die Fra-ge, welche Bedingungen in zwei Dimen-sionen zu den oben erwähnten Anomalienführen können, und darüber hinaus, obdieselben Gründe für die Supraleitung beiden hohen Temperaturen verantwortlichsind.

Etablierte theoretische Methoden sind bis-lang nicht in der Lage, die bei den HTSLbeobachteten Anomalien zu erklären.Zwei Methoden sind hier zu erwähnen,um die bei stark korrelierten Systemenauftretenden Schwierigkeiten zu erläu-tern. Die Störungstheorie erlaubt es,Wechselwirkungseffekte als kleine Abwei-chungen eines nicht wechselwirkendenSystems zu berechnen. Dies bedeutet, dassdas resultierende Verhalten sich nur quan-titativ – aber nicht qualitativ – vom nichtwechselwirkenden Fall unterscheidet.Demnach kann nicht erwartet werden,dass Abweichungen vom Fermiflüssig-keitsverhalten auf dieser Weise geklärtwerden können.

Ein anderer Zugang wird durch die Moleku-larfeldtheorie angeboten. Hier wird dieWechselwirkung durch eine gemittelteForm ersetzt. Wenn auch in diesem Fallkeine Annahme über die Stärke der Wech-selwirkung gemacht wird, vernachlässigtman dennoch vollständig die Fluktuatio-nen um dieses mittlere Feld (mean-field),welche den korrelierten Zustand bestim-men. Für eine adäquate Beschreibungmüssen Methoden eingesetzt werden, diestörungstheoretische Ansätze vermeiden,um in der Tat stark korrelierte Quanten-systeme ohne unkontrollierte Fehler zubehandeln. Weiterhin muss man Quanten-fluktuationen korrekt beschreiben, da siein niedrigen Dimensionen womöglich einewesentliche Rolle spielen können. D.h. esist wünschenswert, Methoden einzuset-zen, die über Mean-Field-Näherungen,welche generell Fluktuationen vernachläs-sigen, hinaus gehen. Hier bieten sich vorallem numerische Methoden an.

Eine erste, naheliegende Alternative ist es,ein möglichst einfaches Modell stark kor-relierter Systeme einzuführen und diesesdann mit Hilfe der uns heute zur Verfü-gung stehenden Computer numerischexakt zu lösen. Ein solches Modell ist dassogenannte Hubbard-Modell, bei demElektronen von einem Gitterplatz zumnächsten hüpfen können und nur dannmiteinander wechselwirken, wenn sich

QUANTE N KOR R E L AT ION E N 53

zwei Elektronen mit entgegengesetztenSpinausrichtungen auf demselben Gitter-platz befinden. Im Fall einer starkenWechselwirkung und bei gleicher Anzahlvon Elektronen und Gitterplätzen (d.h. imsog. halb-gefüllten Fall, da aufgrund derFermi-Dirac-Statistik maximal zwei Elek-tronen einen Gitterplatz besetzen kön-nen), realisiert dieses Modell den Mott-Isolator. Deswegen ist dieses ein paradig-matisches Modell für die HTSL Materia-lien. Trotz seiner Einfachheit stellt sichschnell heraus, dass eine exakte numeri-sche Lösung auch mit heutigen Super-computern weitgehend ausgeschlossen ist,denn die Anzahl der quantenmechani-schen Zustände, die das Modell annehmenkann, wächst exponentiell mit der Anzahlder Gitterplätze. Im Fall des Hubbard-Modells stehen den Elektronen vier Zu-stände pro Gitterplatz zur Verfügung,denn jeder Gitterplatz kann leer sein, ein-fach besetzt mit einem Elektron mit Spinrauf oder runter, oder doppelt besetztsein. Gegeben N Gitterplätze, ist die An-zahl der möglichen Zustände 4N. Mit heu-tigen Computern ist es möglich, Systememit N ca. 20 Gitterplätzen exakt zu lösen.Ist man aber an Phasenübergängen (z.B.zur Supraleitung oder Antiferromagnetis-mus) interessiert, sollte man in der Lagesein, möglichst große Systeme zu behan-deln, um eine Extrapolation zu experi-mentell relevanten Systemgrößen (N ~1023) erreichen zu können.

In Anbetracht der oben genannten Schwie-rigkeit, den gesamten Hilbertraum zuumfassen, bietet die Idee des importanceSampling, der die Monte-Carlo-Simulatio-nen unterliegen, eine Möglichkeit, diesesProblem zu umgehen. Solche Simulatio-nen werden vielfach bei klassischen Syste-men eingesetzt, um numerisch exakteErgebnisse, d.h. solche, die nur einen kon-trollierbaren statistischen Fehler aufwei-sen, zu erzielen. Dabei werden Konfigura-tionen des Systems stochastisch erzeugtund je nach der dazugehörigen Wahr-scheinlichkeit berücksichtigt oder verwor-fen. Diese Wahrscheinlichkeiten werdendurch die grundlegenden Prinzipien derStatistischen Mechanik festgelegt. DieselbeIdee kann aber auch bei quantenmechani-schen Vielteilchensystemen angewandtwerden, falls es gelingt, sie möglichstexakt durch ein klassischen System abzu-bilden, d.h. so, dass die bei der Abbildungauftretenden systematischen Fehler in

einer kontrollierbarenWeise verringert werdenkönnen.

Leider lässt sich das Hub-bard-Modell im Fall repul-siver Wechselwirkung undmit einer für die HTSLrelevanten Elektronen-dichte (d.h. weg vom halb-gefüllten Fall) nicht mitden bisherigen Monte-Carlo-Algorithmen behan-deln. Der Grund dafür istdas sog. Vorzeichen-Problem. Dieses Problementsteht generell bei Simu-lationen von Fermionen inzwei oder mehr Dimensio-nen, da die Wellenfunk-tionen für Fermionen anti-symmetrisch bezüglich desAustausches zweier Teil-chen sind. Dies bedeutet,dass während einer Simu-lation Beiträge mit wech-selnden Vorzeichen auftre-ten, welche zu exponenti-ell wachsenden statisti-schen Fluktuationen (d.h.statistischen Fehlern) mitzunehmender Anzahl vonGitterplätzen oder mitabnehmender Temperaturführen.

Mit großem Erfolg konntenjedoch neue Simulations-algorithmen entwickeltwerden, die es erlauben,die magnetischen Eigen-schaften der Mott-Isolato-ren zu untersuchen. Dabeikonnten insbesondereauch theoretische Vorher-sagen getestet werden,welche die speziellenquantenmechanischen Vielteilcheneffektedieser stark korrelierten Mott-Materialienaufzeigen. In den letzten Jahren hat sichin der Tat die Erforschung solcher Quan-ten-Magnete zu einem fundamentalenGebiet der Festkörpertheorie entwickelt.Dabei wird speziell das Wechselspiel zwi-schen starken Quantenfluktuationen undmagnetischen Frustrationseffekten unter-sucht. Letztere treten auf, wenn ein mag-netisches System z.B. durch die geometri-sche Anordnung der Atome nicht allemagnetischen Wechselwirkungsenergien

Das physikalische Verständnis quantenmechanischerVielteilchensysteme gelingt seit der Entwicklung derQuantenmechanik durch die Identifizierung elemen-tarer Anregungen, welche als schwach wechselwir-kende Bausteine des Ganzen betrachtet werden kön-nen. In Systemen, die durch eine starke Korrelationder elementaren Bausteine gekennzeichnet sind, ver-sagen jedoch bekannte theoretische Methoden wiedie Molekularfeldtheorie, bei der die Wechsel-wirkung nur in gemittelter Form berücksichtigt wird,oder Störungstheorien, welche auf sehr schwacheKorrelationen limitiert sind. Prominente Beispielefür stark korrelierte Quantensysteme sind dieHochtemperatur-Supraleiter, ultrakalte Atome inoptischen Gittern und mesoskopische Systeme wieQuantenpunkte im sogenannten Kondo-Regime. Indiesem Beitrag stellen wir die Hauptmerkmale sol-cher Systeme vor und geben einen Überblick übermoderne theoretische Methoden, die Fortschrittebeim Verständnis ihrer grundlegenden Physik erlauben.

Our current understanding of interacting quantummany-body systems is based on the identification ofelementary excitations that can be considered astheir weakly-interacting building blocks. However,in systems that are dominated by strong correlationsamong these building blocks, conventional theoreti-cal methods such as mean field theory, that treatinteractions in an averaged form only, and perturba-tion theory, valid for weak interactions, often fail toaccount for the most relevant physics. Prominentexamples of such strongly correlated quantumsystems include high-temperature superconductors,ultra-cold atoms in optical lattices, and mesoscopicsystems such as quantum dots in the Kondo-regime.Here, we present the main features of such systems,and provide an overview of modern theoreticalapproaches, that allow for progress in our understan-ding of the physical principles that govern stronglycorrelated quantum matter.

SUM MARY

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E54

minimieren kann. In solchen Systementreten ganz neue magnetische Phasen auf,die durch komplex verschränkteWellenfunktionen beschrieben werden. Inder Tat kann durch Variation der Prozessebei der Herstellung magnetischer Mott-Materie derzeit eine Vielzahl interessanterPhänomene experimentell untersuchtwerden. Zudem ist es in einigen Mott-Systemen gelungen, durch die Änderungkontrollierbarer äußerer Parameter, wiez.B. Druck oder Magnetfelder, Übergängezwischen verschiedenen Quantenphasenzu steuern. Das Studium solcherQuantenphasenübergänge erlaubt einenweiteren faszinierenden Einblick in dieWelt stark korrelierter Elektronensysteme,zu deren Verständnis neue theoretischeAnsätze entwickelt werden müssen. Dasbetrifft auch wieder die numerischeSimulation, denn im Fall starker Frustra-tion tritt wiederum ein schwieriges Vorzei-chen-Problem auf, das die Behandlung sol-cher Systeme mit numerisch exaktenQuanten-Monte-Carlo Simulationen der-zeit noch nicht erlaubt.

2. Stark korrelierte ultra-kalteAtome in optischen Gittern

Ein neues Beispiel für stark korrelierteQuantensysteme wurde vor wenigen Jah-ren in einem Experiment mit ultrakaltenAtomen unter dem Einfluss eines Gitter-potentials vorgeführt, in dem der Über-gang von einem Bose-Einstein-Kondensatzu einer Mott-Isolator-Phase nachgewie-sen werden konnte. Hier gelten, wie imFall der Fermionen, dieselben energeti-schen Argumente, um diesen Zustand zuverstehen. Dadurch, dass ultrakalte Ato-me bei sehr tiefen Temperaturen (~ Nano-kelvinbereich) nur eine Kontaktwechsel-

wirkung erfahren, stellen sie in einemoptischen Gitter (d.h. ein periodischesPotential, das durch eine stehende Licht-welle erzeugt wird) die beste Realisierungeines Hubbard-Modells dar, im Gegensatzzu den Systemen in der Festkörperphysik,wo das Hubbard-Modell nur den kurz-reichweitigen Anteil der Coulomb-Wech-selwirkung berücksichtigt.

Die oben erwähnten Experimente haben ge-zeigt, dass Quantengase besonders geeignetsind, Effekte, welche durch starke Korrela-tion hervorgerufen werden, modellhaft zurealisieren. Diese neue, faszinierende Ent-wicklung könnte zu neuartigen fermioni-schen Systemen neben den Hochtempera-tur-Supraleitern führen. Ähnlich wie imFall der Bose-Einstein-Kondensation mitbosonischen Atomen ist es möglich, fer-mionische Atome in einer magneto-opti-schen Falle einzufangen. Wie im Fall vonBosonen demonstriert, kann der starkkorrelierte Limes durch die Überlagerungeines optischen Gitters erreicht werden. Esist sogar denkbar, in solchen Systemenähnliche Bedingungen wie in den Hoch-temperatur-Supraleitern zu erreichen.

Da die ultra-kalten Atome in der Regelladungsneutral sind, entspricht der supra-leitende Zustand in diesem Fall einerSupraflüssigkeit, d.h. einer Flüssigkeit, dieohne Viskosität fließen kann. Seit derbahnbrechenden theoretischen Arbeit vonBardeen, Cooper und Schrieffer (BCS) imJahre 1957 weiß man, dass der konventio-nelle supraleitende Zustand durch diePaarung von Elektronen zustande kommt.Auch im Falle der HTSL findet eine solchePaarung statt, allerdings mit einer beson-deren Symmetrie der Paarwellenfunktion(d-Wellen-Supraleitung), welche die starkeAbstoßung umgeht. Bei den ultra-kaltenAtomen ist es möglich, mittels sog. Fesh-bach-Resonanzen, welche die Art derKontaktwechselwirkung zwischen denAtomen kontrolliert, die Paarung derFermionen durch eine anziehende Wech-selwirkung hervorzurufen. Die Stärke derWechselwirkung lässt sich vom schwachenbis zum starken Limes regeln. Bei einerschwachen Wechselwirkung liegt ähnlichwie bei konventionellen Supraleitern derBCS-Fall vor. Bei einer starken Wechsel-wirkung bilden sich Moleküle mit einerAusdehnung, die kleiner als der mittlereAbstand zwischen den Teilchen ist. Dabeientsteht die Suprafluidität durch die Bose-Einstein-Kondensation der Moleküle.

Ultrakalte Atome (rot) auf einemperiodischen optischen Gitter (grün).Im linken Bild ist der Fall einesschwachen Gitterpotentials illustriert,in dem die Atome in einem supra-fluiden Zustand sind. Sie besitzen einehohe kinetische Energie, und bewegensich zwischen den Gitterplätzen her, sodass deren Besetzung stark fluktuiert.Wird jedoch das Gitterpotentialerhöht, so wird das Quantentunneln derAtome zwischen den Gitterplätzenschließlich stark unterdrückt (rechtesBild). Aufgrund starker Abstoßungder Atome bilden sie nun eine homoge-ne Besetzung der einzelnen Gitter-plätze aus, was zur Lokalisierung undeiner damit einhergehenden Energie-lücke in den Anregungen führt. DasSystem bildet somit einen Mott-Isolator aus kalten Atomen.

Ultra-cold atoms (red) on a periodicoptical lattice (green). The left panelillustrates the case of a weak latticepotential, for which atoms remain in asuperfluid state, with dominant kineticenergy. Their tunneling between thelattice sites leads to strong fluctuationsin the local site occupations. Anincrease of the lattice potential leadsto the suppression of the quantum tun-neling of the atoms, and the formationof a Mott-insulator of the cold atomgas (right panel). This leads to ahomogeneous occupation of the latticesites and the opening of an excitationgap.

02

QUANTE N KOR R E L AT ION E N 55

Jüngste Experimente haben in beeindru-ckender Weise gezeigt, dass es möglich ist,den Übergang (crossover) von einem zumanderen Limes im Detail zu verfolgen.Hier wurde, wie bei den unterdotiertenHTSL, ein Pseudogap-Verhalten beobach-tet, so dass auch hier Abweichungen voneiner Fermiflüssigkeit zu erwarten sind.

Eine theoretische Untersuchung des Pseudo-gapbereichs ist glücklicherweise mit Quan-ten-Monte-Carlo-Simulationen möglich.Im Fall einer anziehenden Wechselwir-kung tritt das oben genannte Vorzeichen-Problem nämlich nicht auf. Dies eröffnetzum ersten Mal die Möglichkeit, nume-risch exakte Ergebnisse für eine Nicht-fermiflüssigkeit zu erzielen. Eine weitereinteressante Variante des Systems kanndurch den Einsatz eines optischen Gitterserreicht werden. Wie im Fall des Mott-Isolators entsteht hier ein neuer Zustandder Materie, wenn eine kommensurableFüllung des Systems vorliegt (d.h., wenndie Anzahl der Teilchen und der Gitter-plätze gleich ist). Bei einer anziehendenWechselwirkung ist es energetisch günstig,dass je zwei Fermionen einen Gitterplatzbesetzen. Im Extremfall wäre die eineHälfte der Gitterplätze besetzt und dieandere leer. Eine periodische Anordnungder besetzten Gitterplätze, so dass sie vonunbesetzten umgeben sind, würde denTeilchen gelegentlich einen Sprung zu denNachbarplätzen ermöglichen, um somitetwas kinetische Energie zu gewinnen.Dadurch entsteht ein neuer kristallinerZustand mit einer vom ursprünglichenGitter abweichenden Periodizität. Da aberdurch Fermionenpaarung auch Supra-fluidität entsteht, würde beides gleichzeitigvorliegen. Dies lässt sich durch die Sym-metrieeigenschaften des Systems mathe-matisch rigoros zeigen. Diesen neuenZustand der Materie bezeichnet man alsSupersolid. Unsere Quanten-Monte-Carlo-Simulationen haben gezeigt, dass selbstdann, wenn durch ein Fallenpotential -das notwendig ist, um die Teilchen einzu-fangen – die oben erwähnte Symmetrieverletzt ist, Quantenfluktuationen diesewieder herstellen, so dass ein Supersolidentstehen kann.

Eine weitere Entwicklung, welche bei ultra-kalten Atomen stattfindet, ist die kontrol-lierte Untersuchung von korreliertenSystemen außerhalb des Gleichgewichts.Hier betritt man physikalisches Neuland,denn im Gegensatz zur Physik im Gleich-

gewicht, bei der die Grundlagen durch dieStatistische Mechanik gegeben sind, stehennoch keine allgemeinen Formulierungenzur Verfügung, welche der statistischenNatur eines Systems mit vielen TeilchenRechnung tragen. Während nämlich imGleichgewicht die statistischen Gewichteder verschiedenen Konfigurationen ausden Prinzipien der Statistischen Physik ge-geben sind, müssen sie außerhalb desGleichgewichts je nach Situation bestimmtwerden. Neue numerische Methoden wiedie sog. Dichtematrixrenormierungs-gruppe erlauben es nun erstmals, die zeit-liche Evolution eines stark korreliertenquantenmechanischen Vielteilchensystemsakkurat zu beschreiben. Dies wird erreichtdurch eine optimale Wahl der Zustände,welche bei der Lösung der grundlegendenGleichung der Quantenmechanik, näm-lich der Schrödinger-Gleichung, die

führende Rolle spielen. Somit ist es nunmöglich, Experimente zu simulieren unddetaillierte Informationen über die Evolu-tion des Systems zu erlagen, insbesondereauch über solche physikalischen Größen,welche experimentell schwer zugänglichsind.

Somit bieten ultra-kalte Atome einerseits dieMöglichkeit, zentrale Aspekte von HTSL,wie Abweichungen vom Fermiflüssigkeits-verhalten, zu erforschen. Andererseitskönnen durch sie neue Zustände der Ma-terie, die wie im Fall von Supersolids vorlanger Zeit vorhergesagt wurden, Realitätwerden. Weiterhin erlauben sie im engenZusammenspiel mit theoretischen Arbei-ten fundamentale Fragen der Physikaußerhalb des Gleichgewichts anzugehen.

3. Stark korrelierte mesoskopische Systeme

Ein weiterer Bereich, der die Beherrschungvon Quantenkorrelationen durch die ge-zielte Strukturierung von Materie erlaubt,sind die mesoskopischen und nanoskopi-

Illustration des Verhaltens eines idealen Supersolids (blau) unter

Teilchenbeschuss (rot). Das im linkenTeilbild ankommende Teilchen durch-

quert in der mittleren Teilsequenzungehindert den Supersolid und verlässt

diesen, ohne die periodische Strukturzerstört zu haben (rechts). Mit dem im

Artikel angesprochenen Supersolidlässt sich ein derartiges Gedanken-experiment derzeit nur durchführen,

wenn das Testteilchen auf dem diskre-ten Gitter hüpfen kann, auf dem auch

der Supersolid existiert.

An illustration of the behavior of anideal supersolid (blue) under particle(red) bombardment. In the left panel,a test particle approaches the superso-lid, and transverses it (central panel),

without destroying the periodic structure (right panel). Such an expe-

riment can be performed with thesupersolids discussed in this article

only if the test particle moves on thesame discrete lattice that underlies the

supersolid structure.

03

schen Systeme. Hier spielen die sog. Quan-tenpunkte auf der Basis von Halbleiterneine führende Rolle. Mit sehr ausgefeiltenTechniken werden heutzutage Strukturenim Nanometer-Bereich gebaut, bei denenQuanteneffekte dominieren. Solche künst-lichen Atome können als Verunreinigun-gen angesehen werden, deren Eigenschaf-ten gezielt durch das Anlegen von Span-nungen und Magnetfeldern kontrolliertwerden können. Es ist insbesondere für dieIntegration von solchen Strukturen inSchaltkreise interessant, ihre Eigenschaf-ten in Bezug auf den elektrischen Trans-port zu beherrschen. Bei hinreichend klei-nen Abmessungen ist es möglich, dass dieelektrische Kapazität solcher Strukturenso klein wird, dass die Anzahl der Elektro-nen in den jeweiligen Energieniveaus fest-gelegt werden kann. Durch die kleineKapazität kann sogar die Energie, ein zu-sätzliches Elektron in den Quantenpunkthineinzubringen, so groß sein, dass daszuletzt besetzte Niveau nur ein Elektronerlaubt. Hier spricht man von der Cou-lomb-Blockade. Liegen die Energieniveausweit genug auseinander, kann man diesesletzte Elektron direkt adressieren. Ein be-

sonders interessantes Beispiel von Korrela-tionen entsteht, wenn sich die Elektronender Zuleitungen zum Quantenpunkt mitdenjenigen im Quantenpunkt durch Tun-nelprozesse austauschen. Dieser Prozesskann als Streuung der Elektronen ineinem Metall mit einer magnetischen Ver-unreinigung angesehen werden. Somitentsteht der Kondo-Effekt, der darin be-steht, dass die Elektronen des Metalls mitdenen der Verunreinigung einen gebunde-nen Zustand eingehen, der durch eine Re-sonanz bei Nullenergie gekennzeichnet ist.Dadurch entsteht ein neuer Zustand, derein Maximum des Leitwertes bei ver-schwindender Spannung zur Folge hat.Weitere Entwicklungen zielen darauf,komplexere Strukturen zu bilden, beidenen noch exotischere Zustände auftre-ten, wie beim sog. Zwei-Kanal-Kondo-Effekt, bei dem theoretisch eine von Nullverschiedene Entropie im Limes von Tem-peratur Null vorhanden ist. Für ein theo-retisches Verständnis solcher Systeme spie-len wiederum numerische Simulationenmittels Quanten-Monte-Carlo-Methodenund Dichtematrixrenormierungsgruppeeine wichtige Rolle. Insbesondere erlaubt

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E56

Stefan Wessel

(l.) hat Physik an der LMU München studiert, und im Anschluss daran ander USC in Los Angeles, USA über theoretische Festkörperphysik promo-viert. Nach einer Postdoktorandenzeit am Institut für Theoretische Physikder ETH Zürich, Schweiz, habilitierte er 2006 am Institut für TheoretischePhysik III der Universität Stuttgart über stark korrelierte Quantensysteme.Seit 2004 ist er als wissenschaftlicher Angestellter Privatdozent an derUniversität Stuttgart in permanenter Anstellung.

Alejandro Muramatsu

(r.) studierte Physik an der Universität Buenos Aires, Argentinien. Miteiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung promo-

vierte er an der Universität Stuttgart. Nach einer Postdoktorandenzeit am Institute for Theoretical Physics, University of California, Santa Barbara,habilitierte er an der Universität Würzburg. Seinen ersten Ruf erhielt er an die Universität Augsburg. Seit 1996 leitet er das Institut für TheoretischePhysik III der Universität Stuttgart.

KontaktInstitut für Theoretische Physik III, Universität StuttgartPfaffenwaldring 57, 70569 Stuttgart, Tel.: 0711/685-65203, Fax: 0711/685-65098E-Mail: [email protected]

DIE AUTOREN

die letztere Methode Untersuchungen derTransporteigenschaften jenseits des linea-ren Bereichs, d.h. in einem Nichtgleichge-wichtszustand.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die oben diskutierten Systeme zeigen, dassnumerische Simulationen von quanten-mechanischen Vielteilchensystemen invielen Fällen in der Lage sind, eine sehr ge-naue Beschreibung stark korrelierter Sys-teme zu geben, bei denen keine anderetheoretische Methode zuverlässige Aussa-gen machen kann. Dabei konnte festge-stellt werden, wie neue Zustände der Ma-terie wie etwa ein Supersolid erreicht wer-den können. Weiterhin konnte die zeitli-che Entwicklung von stark korreliertenSystemen genau simuliert werden. Den-noch haben derzeit die Quanten-Monte-Carlo-Methoden das sog. Vorzeichen-Problem zu überwinden, um dotierteQuantenantiferromagneten in zwei

Dimensionen oder frustrierte Quanten-antiferromagnete zu behandeln. Die Lö-sung dieses Problems stellt derzeit diegrößte Herausforderung auf dem Gebietder Simulation stark korrelierter Quanten-systeme dar.

Danksagung

Wir sind dem John von Neumann-Institutfür Computing und dem Höchstleistungs-rechenzentrum Stuttgart dankbar für dieVergabe von Rechenzeit auf Massiv-Paral-lelrechnern. •

Stefan Wessel, Alejandro Muramatsu

Literatur

„Starken Korrelationen auf der Spur”,C. Lavalle, M. Rigol, and A. Muramatsu,Physik Journal 3, 57 (2004).

„Optical lattices”, M. Greiner and S. Foelling, Nature, 453, 736 (2008).

Nature insight „Quantum Coherence”,Nature, 453, 1003 (2008).

QUANTE N KOR R E L AT ION E N 57

Moderne Quantentechnologie hat längstEinzug in unser Alltagsleben gehalten undbegegnet jedem, der einen CD-Spielerbedient oder ein internationales Fernge-spräch führt. Seien es nun die Elektronenin den Laserdioden der optischen Daten-speicher oder die Photonen, die in denGlasfasern der Telekommunikation auf dieReise geschickt werden – in beiden Fällensind es quantenmechanische Teilchen, diein künstlichen Potentialen ihre Arbeit ver-richten. Auch kompliziertere Teilchen wiez.B. Ionen lassen sich bereits seit Jahrzehn-

ten in geeigneten Potentialen einfangen.Die Techniken sind inzwischen so perfek-tioniert worden, dass es sogar möglich ist,erste, allerdings noch sehr einfache Quan-tencomputer damit zu realisieren. Nimmtman noch die jüngsten Erfolge der Quan-tenkryptographie hinzu, so zeichnet sichein Bild ab, das auch für die Zukunft span-nende quantentechnologische Entwick-lungen erwarten lässt.

In unseren Laboratorien entwickeln wirmagnetische Mikrofallen für ultrakalteAtome, um die Physik ultrakalter Gase

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E58

Bose-Einstein-Kondensate am Chip

Ultrakalte Atome in miniaturisierten Fallen eröffnen faszinierende

Möglichkeiten, atomare Materiewellen zu manipulieren und Atome

mit Festkörperoberflächen gezielt in Wechselwirkung zu bringen.

Möglicherweise stehen wir damit am Anfang einer neuen Quanten-

technologie mit einer Reihe spannender Anwendungen für die

Konstruktion besonders empfindlicher und kompakter Sensoren für

Kräfte und Beschleunigungen, Sensoren für die Oberflächenanalyse,

oder für die Entwicklung von „Atomchips” für die Quanten-

informationsverarbeitung.

KON DE NSATE AM CH I P 59

und die Optik mit Materiewellenoptikexperimentell zu untersuchen. Die Mikro-fallen entstehen in der unmittelbarenNähe einer nanostrukturierten Chipober-fläche. Es bietet sich dabei ganz natürlichan, Atome an Festkörperoberflächen kon-trolliert heranzuführen und die Wechsel-wirkung von Atomen mit Oberflächen zuuntersuchen. Die Physik ist dabei sehr viel-fältig. Neben fundamentalen Effekten, wiedie Anziehung zwischen Atomen undOberflächen durch die attraktiven van derWaals- und Casimir-Polder-Kräfte, erhältman Zugang zur Kopplung von Atomenan Festkörper-Systeme. Besonders span-nend ist dabei die Konstruktion von künst-lichen Atom-Festkörper Quantensystemenund deren Anwendung in der Präzisions-messung von Kräften – als Oberflächen-sensoren. Erste Experimente in dieserRichtung, die Entwicklung eines hochemp-findlichen Magnetfeldmikroskops, die Rea-lisierung von integrierten Atominterfero-metern und neue experimentelle Konzeptezur Kopplung von Atomen an Supraleiternwerden in diesem Beitrag dargestellt.

1. Magnetische Mikropotentiale

Ausgangspunkt ist das magnetische Spei-chern von Atomen in magnetischen Fel-dern. Magnetfallen werden routinemäßigzur Erzeugung von Bose-Einstein-Konden-saten (BECs) verwendet und beruhen aufder Kraft, die Atome in einem inhomoge-nen Magnetfeld erfahren. Für die Kon-struktion solcher magnetischer Fallen las-sen sich dünne stromdurchflossene Drähteund mikrofabrizierte Leiterbahnen aufChipoberflächen genauso verwenden wiekleine permanentmagnetische Strukturen.Mit dieser Technik können fast beliebigePotentiale maßgeschneidert werden, derenräumliche Formen auf der Mikrometer-Skala variieren und die zudem noch zeit-lich geschaltet und verändert werden kön-nen (01). Dadurch eröffnet sich eine Viel-zahl neuer Möglichkeiten im Bereich derAtomoptik. Die bereits realisierten Syste-me umfassen Wellenleiter, in denen sichAtome quantisiert bewegen, analog etwazu Photonen in Glasfasern, magnetischeFörderbänder für Einzelatome oder Grup-pen von Atomen bis hin zu kompliziertendreidimensionalen Strukturen, in denenatomare Wellenfunktionen gezielt zerlegt,manipuliert und zur Interferenz gebrachtwerden [1].

Magnetische Fallen beruhenauf der Kraft F, die auf dasmagnetische Moment µdes Atoms in einem inho-mogenen Magnetfeld B(r)wirkt: F(r)=grad(µB(r))Für genügend langsameBewegungen des Atoms imMagnetfeld folgt die Ori-entierung des magneti-schen Moments der loka-len Richtung des Magnet-

feldes und der Ausdruck vereinfacht sichF(r)=µ grad(B(r)). In dieser sehr gut er-füllten Näherung ist das Fallenpotentialalso direkt proportional zum Betrag desMagnetfeldes. Im Falle von Alkaliatomen,die in den aktuellen Experimenten ver-wendet werden, wird das magnetische Mo-ment durch das ungepaarte Valenzelek-tron in der s-Schale erzeugt. Es beträgt fürden am stärksten gefangenen Hyperfein-strukturzustand ein Bohr’sches Magneton,was ausreicht, um das Atom bereits in mo-deraten Gradienten von einigen 10 G/cmgegen die Schwerkraft zu halten. In mag-netischen Mikrofallen sind die Gradientenallerdings sehr viel größer und könnenWerte von bis zu 106 G/cm annehmen. Diedamit verbundene Kraft überschreitet dieSchwerkraft um bis zu einen Faktor von105. Im einfachsten Fall besteht die Mikro-falle aus einem stromdurchflossenen dün-nen Draht und einem dazu senkrecht ori-entierten (homogenen) Bias-Magnetfeld.

The manipulation of ultracold atoms in miniaturizedtraps opens fascinating experimental possibilities inatom optics and for controlling interactions betweencold atoms and solid surfaces. This research areapromises a number of exciting applications in a newquantum technology. These range from precisionforce sensing, surface analysis to the development ofatom chips for quantum information processing.

SUM MARY

01

Der Bose-Einstein-Chip. Die mikro-strukturierten Goldleiterbahnen auf

dem Saphirsubstrat erzeugen röhren-förmige Fallen, in denen das Bose-

Einstein-Kondensat schwebt. Die feinen Leiterbahnstrukturen bilden

atomoptische Elemente, mit denen dasschwebende Kondensat manipuliert

werden kann.

The Bose-Einstein-Chip. The micro-patterned gold conductors on a sapphire

substrate generate a magnetic trap inwhich the Bose-Einstein-condensate is

levitating. The narrow conducting pathsare forming atom-optical elements,

which enable the manipulation of thecondensate.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E60

Das Bias-Feld kann ebenfalls mit strukturierten Leiterbah-nen erzeugt werden (01). Auf der einen Seite des Drahtsaddiert sich das zirkulare Feld des Leiters zum homogenenFeld, was insgesamt zu einer Felderhöhung führt. Auf dergegenüberliegenden Seite sind die Feldlinien entgegenge-setzt gerichtet und es gibt einen bestimmten Abstand dvom Draht, an dem das homogene Feld das Feld des Drah-tes gerade kompensiert. Hier entsteht parallel zum Drahteine Linie mit verschwindendem Magnetfeld. Senkrechtzu dieser Nulllinie steigt der Feldbetrag zunächst linearan.

Der Feldgradient erzeugt eine rücktreibende Kraft, die dieAtome entlang der Nulllinie gefangen hält. Die Lage derNulllinie wandert näher an den Draht, wenn man denStrom im Draht verringert oder alternativ das homogeneFeld erhöht. Entscheidend für die Stärke des Einschlussesist der Feldgradient um die Nulllinie. Das homogene Feldkann zum Gradient nichts beitragen, der daher ausschließ-lich durch das Drahtfeld zustande kommt. Der Betrag desDrahtfeldes wächst zum Draht hin mit 1/d an, dessen Gra-dient also sogar mit 1/d2. Mit unendlich dünnen Drähtenkönnte man unendlich enge Potentialröhren für Atomeerzeugen. In der Praxis ist man natürlich durch die Breiteder Leiterbahn beschränkt. Unterschreitet der Abstandzum Draht die Breite der Leiterbahn, so wächst der Gra-dient nicht weiter an. Um die Atome auch in axialerRichtung entlang des Drahtes zu fangen verwendet manein weiteres Magnetfeld, dessen Hauptkomponente paral-lel zum Draht orientiert ist und das in seiner Stärke ent-lang des Drahts variiert. Dadurch ist es nicht nur möglichden Wellenleiter an den Enden zu verschließen, sondern eskönnen auch zeitlich variable Potentialbarrieren erzeugtwerden.

2. Laden von Atomen in Mikrofallen

Um die Atome in die Mikrofalle zu laden, verwendet manzunächst eine so genannte magnetooptische Falle, in derdie Atome gesammelt und optisch auf Temperaturen vonetwa 100µK vorgekühlt werden. Für den Transfer in die

a) Die Apparatur im Ultrahoch-vakuum ist kompakt und effizient. DerBose-Einstein-Chip wird von Spulenumgeben, die beim Laden helfen. EineAtomwolke wird zunächst in einermagnetooptischen Falle, durch opti-sches Kühlen mit Hilfe von Laser-strahlen präpariert. Nachdem etwa100 Millionen Atome geladen sind,wird die 50 μK kalte Wolke in dasMagnetfeld des linken Spulenpaarsverschoben, etwas gekühlt und danngeht es aufwärts zum Chip.

b) Laden, Kühlen, Kondensieren! Die weiß gestrichelte Linie markiertdie Chipoberfläche. Die atomareWolke wird in den Chip geladen(oben). Das Verdampfungskühlen ent-fernt Atome, wobei die Temperaturunter 1 μK sinkt. In diesemTemperaturbereich findet der Über-gang zum quantenentarteten Regimeund die Kondensation statt (Mitte).Das Bose-Einstein-Kondensat im freien Fall, nachdem die Magnetfelderam Chip ausgeschaltet wurden (untere Zeile).

a) The apparatus in ultra-high vacuumis compact and efficient. The Bose-Einstein-Chip is surrounded by coils,which help to load the atoms. First, anatom cloud is prepared in a magneto-optical trap, by means of optical cooling via laser beams. After loadingof approximately 100 million atoms,the 50 μK cold cloud is transferredinto the magnetic field of the left pairof coils; it is then further cooled andsubsequently shifted towards the chipon top.

b) Loading, cooling, condensation! Thewhite dashed line marks the chip surfa-ce. The atomic cloud is loaded on thechip (top). Evaporative cooling remo-ves „hot“ atoms; this decreases thetemperature to below 1 μK. In thistemperature range the transition to thequantum-degenerate regime and thecondensation takes place (middle).The Bose-Einstein condensate in freefall, after the magnetic fields at thechip have been turned off (bottom).

02a 02b

KON DE NSATE AM CH I P 61

Mikrofalle gibt es unterschiedliche Metho-den. Die Atome werden entweder mitmagnetooptischen oder rein magneti-schen Hilfspotentialen möglichst kontinu-ierlich und ohne zusätzliches Heizen in dieMikrofalle überführt. Dort werden dieAtome, in unserem Fall bosonisches 87Rb,durch so genanntes Verdampfungskühlenbis zur Bose-Einstein-Kondensation abge-kühlt. Es ist aber auch möglich ein kom-plettes Kondensat mit einer „optischenPinzette”, also einem rein optischen Hilfs-potential, direkt in die Mikrofalle zuladen. Um Stöße mit den Restgasatomenzu vermeiden, finden die Experimente imUltrahochvakuum statt. Die Mikrostruk-turen befinden sich im Vakuum bei Raum-temperatur. Sie sind mit der Oberflächenach unten montiert, um nach Abschal-ten der Falle die Atome nach einer be-stimmten Fallzeit optisch abbilden zukönnen. Aus solchen Fallzeitbildern erhältman Informationen über die Teilchenzahlund Impulsverteilung der Atome in derFalle. Unsere experimentelle Apparatur,das Laden der Atome in die Mikrofalle unddie Bose-Einstein-Kondensation ist in 02

dargestellt. Die Aufnahmen von denAtomen entstehen durch den Schatten,den das Kondensat in einem resonantenLaserlicht wirft und der mit einer Optikauf eine CCD Kamera abgebildet wird.

3. Bose-Einstein-Kondensate

Ein Gas aus identischen bosonischen Ato-men kann mit inzwischen sehr gut ver-standenen optischen und thermodynami-schen Methoden auf extrem tiefe Tempe-raturen von 1 µK und darunter abgekühltwerden. Die Wellenfunktion eines einzel-nen Atoms innerhalb des Gases dehnt sichdabei aufgrund der Orts-Impuls-Unschärfeimmer mehr aus, da der Impuls des Atomsmit sinkender Temperatur immer mehrauf Werte in der Nähe von Null einge-schränkt wird. Ein prinzipiell neues Re-gime wird erreicht, wenn die Ausdehnungder Wellenfunktion den interatomarenAbstand überschreitet und benachbarteAtome nicht mehr vollständig durch ihrePosition unterschieden werden können.Ein Teil der Atome bildet dann einen ge-meinsamen Quantenzustand aus, derdurchaus mehrere Millionen Atome ent-halten kann. Diese Atome sind in allenEigenschaften völlig identisch. Für diesenZustand (Bose-Einstein-Kondensat) kann

man dann eine gemeinsame Wellenfunk-tion finden, die genauso wie die Wellen-funktion für ein Atom eine räumlich undzeitlich abhängige Phase hat. Diese Phasekann benutzt werden, um ein Materie-welleninterferometer zu konstruieren. DieWellenfunktion ist jetzt allerdings auf dieAtomzahl normiert. Die Wellenfunktiongehorcht der sogenannten Gross-Pitaevskii-Gleichung, die sich von derSchrödinger-Gleichung nur durch einenEnergieterm unterscheidet, mit dem dieWechselwirkung zwischen den Atomenberücksichtigt wird:

Der Wechselwirkungsterm g|Ψ(r,t)|2 ent-hält die Teilchendichte der Atome und istdaher proportional zum Betragsquadratder Wellenfunktion, was die Gleichungnichtlinear und damit besonders interes-sant macht.

4. Atome als Oberflächensonden

Je feiner die Stromleiter strukturiert sind,umso näher müssen sich die Atome an derChipoberfläche bewegen, um den räumli-chen Variationen der Mikropotentialeauch folgen zu können. Winzige Struktu-ren mit Abmessungen im µm-Bereichwird man anstreben, wenn man erreichenwill, dass Atome zwischen zwei Potential-töpfen tunneln können. Tunneln zwi-schen zwei Wellenleitern könnte z.B. ver-wendet werden um einen kohärentenStrahlteiler zu realisieren. Mit möglichstkleinen Strukturen lassen sich außerdemhohe Fallenfrequenzen erreichen. HoheFallenfrequenzen sind günstig, um atom-optische Experimente unempfindlichergegen seismische und elektromagnetischeStörungen zu machen, die typischerweisebei niedrigen Frequenzen im Bereich bis1kHz auftreten. Wie nahe kann man alsodie Atome an die Oberfläche bringen? Diesist eine interessante Frage, da man es hiermit einem spektakulären Temperatur-unterschied zu tun hat: Die Oberflächeder Leiterbahnen bei Raumtemperaturübersteigt die Temperatur der gefangenenAtome um etwa neun Größenordnungenbei einem Abstand von nur wenigen µm.Trotzdem beobachtet man bisher in denExperimenten keine Heizeffekte, jedochAtomverluste [1]. Diese entstehen durch

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E62

thermische Ladungsfluktua-tionen im Leiter, die einzeitabhängiges Magnetfeldam Ort der Atome erzeu-gen. Das magnetische Mo-ment der Atome kanndurch das Hochfrequenzfeldder Fluktuation seine Orien-tierung ändern und voneinem gefangenen in einenungefangenen Zustandübergehen. Die Fluktuatio-nen begrenzen die Lebens-dauer der Atome in der Fal-le und damit die Daueratomoptischer Experimenteauf unter einer Sekunde beiAbständen von wenigen

µm. Dies ist für eine ganze Reihe von Ex-perimenten noch keine sehr ernste Ein-schränkung. Für die Zukunft ist es aller-dings interessant, die Fallenoberflächenabzukühlen. Insbesondere, wenn manAtome an Festkörpersysteme, wie z.B.supraleitende Schaltungen, koppeln will.Damit befasst sich unser aktuelles For-schungsprojekt „Supraleitende Mikrofal-len“, wie im letzten Abschnitt dieses Bei-trags dargestellt.

Bei der Annäherung der Atome an eine Lei-teroberfläche beobachtet man noch einenweiteren, sehr viel drastischeren Effekt(03). Bereits in den ersten Experimentenmit ultrakalten Atomen in Mikrofallenzeigte sich die bemerkenswerte Empfind-lichkeit der Atome auf kleinste Magnetfel-der. Räumlich variierende Magnetfelderaddieren sich auf das magnetische Fallen-potential und verändern die Position oderDichteverteilung der Atomwolke. Damiteröffnen sich neuartige Möglichkeiten,ultrakalte Atome und Bose-Einstein-Kondensate zur hochempfindlichen Diag-nostik von Oberflächen und zur Messungelektromagnetischer Felder an Oberflä-chen zu nutzen.

Für einen breiten Einsatz im Bereich derOberflächenanalyse ist es erforderlich, ato-mare Wolken mit hoher Präzision an einerChipoberfläche zu positionieren. Für die-sen Zweck bietet sich das in 01 dargestell-te magnetische Förderband hervorragendan. Durch präzise Kontrolle der Ströme inden mikrofabrizierten Leiterbahnen wer-den Magnetfelder erzeugt, mit denenKondensate weitgehend beliebig in dreiRaumrichtungen über der Chipoberflächetransportiert und positioniert werden

können. Dabei erreichen wir eine räumli-che Genauigkeit von etwa zehn Nanome-tern.

Mit der hochpräzisen Positionierung konn-ten wir unmittelbar eine Methode zurrichtungssensitiven Magnetfeldmikrosko-pie demonstrieren. Die Methode beruhtauf der kontrollierten Verschiebung einesBose-Einstein-Kondensats in einer bekann-ten Magnetfalle über eine unbekannteFeldverteilung auf einem Chip. Nachdemdas Kondensat stets das Minimum desPotentials anzeigt, kann aus der Differenzder Soll- und der gemessenen Ist-Positionder unbekannte Magnetfeldgradient be-stimmt werden. Nach Integration derDatenpunkte erhält man das unbekannteFeld. Durch die präzise dreidimensionalePositionskontrolle auf dem Bose-Einstein-Chip ist es möglich, jede Raumkompo-nente eines unbekannten Magnetfeldesseparat zu messen. Das wiederum ermög-licht die vollständige Rekonstruktioneiner unbekannten Feldverteilung. DasMikroskop haben wir mithilfe von Test-strukturen, welche auf dem Bose-Einstein-Chip befestigt wurden, demonstriert. Sowurde beispielsweise das Magnetfeld einer1 mm breiten Leiterbahn und eines nano-strukturierten Magnetgitters (04a) ge-messen. Das Mikroskop bietet neue Mög-lichkeiten für die Entwicklung undCharakterisierung von Halbleiter-Bauele-menten, indem Feldverteilungen überChips mit hoher Präzision vermessen unddamit Strom- und Ladungsverteilungenim Chip bestimmt werden können.

5. Atominterferometer

Das volle Potential von Atomen in Mikro-fallen kommt dann zum Tragen, wenn diequantenmechanische Phase eines Bose-Einstein-Kondensats genutzt wird. Sie istAusdruck des Wellencharakters der Atomeund bietet entsprechende Möglichkeiten,die über die klassische Physik hinausge-hen. Zwei Kondensate, die sich dieselbeZeit in unterschiedlichen Potentialen be-finden, sammeln eine relative Phasenver-schiebung an. Überlagert man beide Kon-densate anschließend, können sich derenMateriewellen teilweise auslöschen und esentsteht ein charakteristisches Interferenz-muster. Das ist die Grundlage der inter-ferometrischen Kraftmessung. Vorausset-zung zur Realisierung solcher Materie-wellen-Interferometer ist eine Methode,

Fragmentierung ultrakalter atomarerWolken an einem stromdurchflossenenDraht. Unser Experiment hat bewie-sen, dass die Fragmentierung auf einMagnetfeld zurückzuführen ist. Zusehen ist die Seitenansicht einer amChip gefangenen Wolke. Der Strom-leiter verläuft parallel zur horizontalengestrichelten Linie. Im oberen Bild istdas Testfeld parallel zur Stromrich-tung, im unteren anti-parallel. Dasssich dabei die Positionen der maxima-len Atomdichten mit denen derMinima vertauschen, beweist, dass dieFragmentierung durch eine räumlicheFluktuation des Magnetfelds zustandekommt. Sie ist auf Unregelmäßigkeitender Leitergeometrie zurückzuführen.Ultrakalte Wolken und Kondensatesind ultragenaue Magnetfeldsensoren!

Fragmentation of ultracold atom cloudsat a current carrying wire. Our experi-ment has shown that the fragmentationis due to a magnetic field. The sideview shows a cloud trapped at the chip.The current line runs parallel to thehorizontal dashed line. In the uppergraph, the test field is parallel to thecurrent direction; in the lower graph itis anti-parallel. The positions of maximum and minimum atom densitiesare inverted by changing current direction. This proves that the frag-mentation is due to spatial fluctuationsof the magnetic field, which in turn iscaused by irregularities of the conduc-tor geometry. Ultracold clouds and condensates are ultra-precision magnetic field sensors!

03

KON DE NSATE AM CH I P 63

mit der sich ein Kondensat teilen und wie-der zusammenführen lässt, ohne die Phasedes Kondensats unkontrolliert zu verän-dern. Eine nahe liegende Möglichkeit amChip ist die Verwendung eines periodi-schen Potentials, an dem das Kondensatgebeugt wird, ähnlich wie Licht in einemoptischen Gitterspektrograph.

Die Demonstration eines solchen Beugungs-gitters für atomare Materiewellen aufeinem Chip war daher ein entscheidendesZiel und wurde durch die reproduzierbarpräzise Positionierung von Bose-Einstein-Kondensaten an einem integrierten mag-netischen Gitter erreicht. Das Gitterpo-tential wird von dem Magnetfeld zweierineinander verflochtener, mäanderförmiggeführter Leiter gebildet. Die nur ein Mik-rometer breiten Leiterbahnen haben wirmit aktueller höchstauflösender Technikauf einem Siliziumplättchen strukturiert(04a). Das entstehende Magnetfeld, steigtzur Chipoberfläche hin exponentiell anund ändert entlang der Oberfläche allevier Mikrometer periodisch seine Rich-tung. Der exponentielle Anstieg wirkt wieeine Art „elektromagnetische Reflexions-beschichtung” und verhindert, dass Ato-me die Chipoberfläche berühren. Wegender periodischen Modulation des Poten-tials wird das Kondensat jedoch nicht nurreflektiert, sondern auch gebeugt. DieBeugung entsteht durch die Modulationder makroskopischen Phase des Konden-sats während der Berührung mit demGitterpotential.

Eine einfallende Materiewelle spaltet sich beider Beugung in mehrere Wellen mitunterschiedlichen Wellenlängen auf. Dieverschiedenen Wellenlängen entsprechenverschiedenen Geschwindigkeiten parallelzur Oberfläche, so dass sich das Kondensatim zeitlichen Verlauf auch räumlich inmehrere „Beugungsordnungen” aufteilt.Die Stärke der Beugung wird durch dieAmplitude der Magnetfeldmodulationbestimmt und kann daher mit dem Stromim Gitter eingestellt werden. 04b zeigtdie Beugungsordnungen rechts und linksvom ursprünglichen Kondensat. Mitwachsender Modulationsamplitude wer-den sie zunehmend ausgeprägter. Nachdem Kontakt mit dem Gitter und einerkurzen nachfolgenden Zeit, in der sich dieBeugungsordnungen um wenige Mikro-meter räumlich trennen, werden alleStröme des Chips ausgeschaltet. DasKondensat bewegt sich im freien Fall von

der „über Kopf” montierten Oberflächedes Chips weg. In Abwesenheit der Fallen-potentiale dehnen sich die einzelnen Beu-gungsordnungen aufgrund der abstoßen-den Kraft zwischen den Atomen räumlichweiter aus. Das resultierende Interferenz-muster der sich überlagernden Beugungs-ordnungen kann jetzt mit einer Kamerabeobachtet werden (04b).

Bei dieser neuen interferometrischen Metho-de beruht das Aufteilen des Kondensats aufeiner Phasenmodulation und die Rekombi-nation der Wellenpakete erfolgt aufgrundder repulsiven Wechselwirkung zwischenden Atomen. Ein besonderes Merkmal die-ser neuen Methode ist, dass durch das

04b

04a

a) Das magnetische Gitter am Chiphaben wir mit mäanderförmig geführ-ten Leiterbahnen erzeugt. Die Leiter

haben eine Breite von einemMikrometer.

b) Schwingt das Kondensat gegen dasGitter, wird es gebeugt: S=0 unge-beugtes Kondensat, S=1.2 und 1.4

gebeugte Kondensate mit zunehmenderStärke der Beugung. Die vertikal

gemittelten Dichteprofile zeigen dieBeugungsordnungen. Gestrichelt ist der

Untergrund thermischer Atome. Dieinkohärente Summe (rote Linie) ergibt

die Gesamtatomzahl. Die Form desKondensats wird jedoch erst durch

Berücksichtigung der quantenmechani-schen Phase und Interferenz der

gebeugten Ordnungen korrekt beschrieben.

a) The magnetic lattice at the chip isrealized by meandering current lines;those have a width of one micrometer.

b) When the condensate approaches the lattice, it is diffracted: S=0

undiffracted condensate, S=1.2 and1.4 diffracted condensate with

increasing order of diffraction. Thevertically averaged density profiles

show the diffraction orders. The dashedline is the background due to thermalatoms. The incoherent sum (red line)yields the total number of atoms. Theshape of the condensate, however, can

only be described correctly if the quantum-mechanical phase and inter-

ference of the diffraction orders aretaken into account.

simultane Auftreten von benachbartenBeugungsordnungen nicht nur Kräfte,sondern auch deren Gradienten und höhe-re Ableitungen gemessen werden können.Solche integrierte Atominterferometersind als integrierte, hochempfindlicheKraftsensoren besonders interessant. Nochbevor eine Kraft den Schwerpunkt eineseinzelnen frei schwebenden Atoms ver-schieben könnte, reagiert die quantenme-chanische Phase der Atome im Kondensatauf die Kraft und die interferometrischeMessung gibt Vollausschlag.

6. Supraleitende Mikrofallen

Supraleitung ist eines der faszinierendstenPhänomene in der Festkörperphysik.Durch eine Paarung von Elektronen zusogenannten „Cooper-Paaren“ bei tiefenTemperaturen verschwindet der elektri-sche Widerstand, und das Magnetfeld wirdaus dem Supraleiter verdrängt („Meissner-Effekt“) oder in ein Gitter aus sogenann-ten Abrikosov-Flusswirbeln gezwungen(siehe 01 in [2]). Hierbei trägt jeder Fluss-wirbel den quantisierten magnetischenFluss Φ0 = 2.07·10-15 Tesla·m2. Man sprichthier von einem Flusswirbel, oder „Vortex“,da dieser von supraleitenden zirkulieren-den Ringströmen umgeben ist. Die Quan-tisierung dieser Flusswirbel ist hierbei einedirekte Konsequenz aus der Tatsache, dassdie Gesamtheit aller Cooper-Paare durcheine einzige „makroskopische“ Wellen-funktion beschrieben werden kann (fürweitere Informationen zur Supraleitungund Flussquantisierung siehe [2]).

Das makroskopische Quantenphänomen derSupraleitung ist mit der Bose-Einstein-Kondensation von Atomen eng verwandt.In beiden Fällen kann man dem Systemeine Wellenfunktion zuordnen und diephysikalischen Vorgänge auf Wellenverhal-ten und eine Vielzahl von Interferenz-effekten zurückführen. Die Josephson-Oszillationen zwischen zwei Supraleiternsind schon lange bekannt. Hierbei handeltes sich um eine zeitliche Interferenz derWellenfunktionen von zwei Supraleitern,die über eine „Schwachstelle“ (demJosephson-Kontakt) gekoppelt sind. Bose-Einstein-Kondensate zeigen ähnlichesVerhalten, wenn man sie in einem Dop-pelmuldenpotential miteinander schwachkoppelt. Supraleitende Quanteninterfero-meter (SQUIDs) finden bereits breite An-wendung, vor allem in der Materialana-

lyse und in der medizinischen Diagnostikbei der Messung von schwachen Magnet-feldern. Bei einem SQUID handelt es sichim Prinzip um einen supraleitenden Ring,der von einem oder zwei Josephson-Kon-takten unterbrochen ist. Die Funktions-weise von SQUIDs beruht auf der Kombi-nation der Flussquantisierung mit demJosephson-Effekt in Supraleitern. Hierbeibewirkt die Änderung des magnetischenFlusses im SQUID-Ring ein messbaresSpannungssignal, und die Funktionsweiseeines SQUIDs kann auch als räumlichesInterferometer der Wellenfunktionen derSupraleiter in den beiden Armen desSQUID-Rings aufgefasst werden. ÄhnlicheRinginterferometer sind vor kurzem mitBose-Einstein-Kondensaten ebenfallsdemonstriert worden.

Neben diesen prinzipiellen Ähnlichkeitenweisen Supraleiter und Kondensate jedochauch wesentliche Unterschiede auf. Zumeinen haben Cooper-Paare eine elektrischeLadung, während Atome neutral sind,zum anderen findet die Supraleitung indichten atomaren Gittern von Festkörpernstatt, während Kondensatatome bei extremkleinen Dichten, etwa 1.000mal dünner alsLuft, in optischen oder magnetischen Fal-lenpotentialen im Vakuum schweben.Kann man denn diese, bereits einzeln sehrvielseitigen Quantensysteme miteinanderin Wechselwirkung bringen, um eine kohä-rente Kopplung zwischen atomaren Gasenund Festkörpern zu realisieren? Mit dieserFrage befassen wir uns im Rahmen desSonderforschungsbereichs SFB TRR21.

Um ultrakalte Atome an Supraleiter heran-zuführen haben wir einen Helium-Durch-flusskryostaten in eine Bose-Einstein-Apparatur integriert. Der Kryostat hängtfrei als „Kaltfinger“ neben den Elektro-magneten der BEC-Apparatur im Vaku-um. Die Temperatur des Kaltfingers kannhierbei variabel zwischen Raumtempera-tur (ca. 300 K) und der Siedetemperaturvon flüssigem Helium (ca. 4 K) eingestelltwerden. Als supraleitendes Material ver-wenden wir derzeit Niob (Nb), das unter-halb der Sprungtemperatur Tc = 9 Ksupraleitend wird. Alternativ können aberauch sogenannte „Hochtemperatur-supraleiter“, wie z.B. YBa2Cu3O7 (YBCO,Tc = 92 K), verwendet werden. Atomewerden zunächst in einer magnetoopti-schen Falle gefangen, darauf folgend inMagnetfallen auf Temperaturen von weni-gen Mikrokelvin gekühlt und schließlich

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E64

KON DE NSATE AM CH I P 65

mit einer „optischen Pinzette“ zur Ober-fläche des Kryostaten transportiert. AmKryostat wird die Atomwolke in das Mag-netfeld einer supraleitenden Falle geladen.

Supraleitenden Fallen stellen wir im Hausher. Diese bestehen aus mikrostrukturier-ten Nb-Dünnfilmleiterbahnen mit typi-schen Strukturbreiten ähnlich zu denGold-Mäandern in 04a. In 05a ist dasDesign einer solchen supraleitendenMikrofalle gezeigt. Zehn geschlossene Nb-Leiterbahnen der Breite von 2 μm sind ineinem Quadrat angeordnet. Kühlt mandiese Struktur in einem Magnetfeld unterdie kritische Temperatur und schaltetanschließend das Magnetfeld ab, so werdenin den Nb-Leitern Dauerströme angewor-fen die in den Ringstrukturen verlustfreizirkulieren ohne dass die Ströme voneiner externen Stromquelle gespeist wer-den müssen. Man spricht in diesem Fallvon einem „persistent Mode“ Betrieb. Die-ser hat den Vorteil, dass aufgrund derFlussquantisierung in einem supraleiten-den Ring der Effekt von externen fluktu-ierenden Magnetfeldern auf elegante Weiseabgeschirmt wird und die supraleitendeFalle mit einer extrem hohen Stabilitätarbeitet. An einer Stelle der quadratischenStruktur verlaufen Teile der Leiter in einerS-Form. An dieser Stelle erzeugen dieSupraströme eine (magnetische) Potential-mulde für das Kondensat von Atomen.

Der Einsatz supraleitender Fallenstrukturenlässt eine drastische Reduzierung derAtomverluste aufgrund thermischer Fluk-tuationen in den Stromleitern erwarten.Dies sollte also zu einer enormen Erhö-hung der Lebensdauern der Kondensateführen, was in einem der ersten Experi-mente mit unseren supraleitenden Fallenexperimentell überprüft werden soll. Die-ser zunächst rein technische Vorteil gegen-über normalleitenden Mikrofallen ermög-licht die Strukturierung von Kondensatenauf den physikalisch relevanten Längen-skalen im Mikrometerbereich, und da-durch eröffnen sich eine Vielzahl von Mög-lichkeiten für neue spannende Experi-mente.

Zudem kann man versuchen die spezielleEigenschaft von Supraleitern im Magnet-feld – die spontane Ausbildung von quanti-sierten Flusswirbeln – für die Realisierungneuartiger zweidimensionaler Fallenpoten-tiale auszunutzen. Im homogenen „Typ-IISupraleiter“ bildet sich ein periodischesAbrikosov-Vortexgitter in einer Dreiecks-

anordnung aus. Man kann aber durch ge-zieltes Einbringen von Defekten geeigneterGröße – im einfachsten Fall sind dies„Antidots“, d.h. Löcher im supraleitendenFilm – die Flusswirbel an diesen Defektenverankern und dadurch in verschiedensteKonfigurationen zwingen. Ein interessan-tes Beispiel ist in 06 dargestellt: Hier bil-den die Antidots im Nb-Film ein Penrose-Muster; diese regelmäßige Anordnung von„dicken“ und „dünnen“ Rhomben zeich-net sich dadurch aus, dass sie keine Trans-lationssymmetrie aufweist. Eine solcheAnordnung wird auch als „Quasikristall“bezeichnet. Unsere Experimente an sol-chen Strukturen haben gezeigt, dass in„passenden“ Magnetfeldern die Anord-nung der Flusswirbel kommensurabel mitdem Antidot-Gitter ist, d.h. dass sich ein„Vortex-Quasikristall“ ausbildet. Damiteröffnen sich möglicherweise völlig neuar-tige Wege der Strukturierung von BECs inzweidimensionalen Fallenpotentialen.

Vor dem Einsatz komplexer supraleitenderStrukturen haben wir ein einfaches Ex-periment durchgeführt, in dem die supra-leitende Falle aus einem einfachen Niob-draht besteht. Das Ziel war, die neue Tech-nologie des Kryostaten im BEC-System zutesten. Es ist uns dabei gelungen, Atomeeffizient in die supraleitende Falle zuladen, und wir haben bereits den Meißner-Effekt des Supraleiters mit kalten Atomendetektiert. Als nächstes stehen experimen-telle Aufgaben zur Spin-Kohärenz vonAtomen an der supraleitenden Oberflächeund zur Kopplung von Atomen an supra-leitende Schaltungen an. Auf diesem expe-rimentellen Neuland ist besonders span-nende Physik zu erwarten.

05

(a) Design der supraleitendenMikrofalle für den Betrieb im „persi-

stent Mode“. Mehrere Leiterbahnensind ringförmig angeordnet. An einer

Stelle des Rings sind einige Leiter S-förmig angeordnet.

Hier entsteht das Fallenpotential.(b) Rasterelektronenmikroskopische

Aufnahme der supraleitendenMikrofalle, bestehend aus Nb-

Dünnfilmleiterbahnen mit 2 μm Breiteim gegenseitigen Abstand von 2 μm.

(a) Design of superconducting micro-trap for operation in a persistent mode.Several current lines are arranged in aclosed circular geometry. At one loca-

tion within the ring geometry somelines form an S-shaped structure, which

creates the trapping potential.(b) Scanning electron microscope

image of the superconducting micro-trap, consisting of Nb thin film current

lines of 2 μm width with a separationof 2 μm.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E66

7. Ausblick

Ähnlich zu elektronischen Heterostruktu-ren, in denen die Wellenfunktionen derElektronen auf vielseitige Weise maßge-schneidert werden können, bieten Experi-mente mit Bose-Einstein-Kondensaten anChipoberflächen einzigartige Möglichkei-ten, atomare Materiewellen zu manipulie-ren und für neue Technologien nutzbar zumachen. Die winzigen Wolken ultrakalterAtome sind interferenzfähig und verhaltensich ähnlich wie Laserlicht in einer Glas-faser. Der Chip kann dabei alle „atomopti-schen” Komponenten enthalten, die zurManipulation notwendig sind. Zur Detek-tion des Interferenzmusters entwickeln wirneuartige Detektoren, welche in der Lagesind, einzelne Atome nachzuweisen.

Die sich aus Mikrofallen entwickelnde neueQuantentechnologie findet ihre Anwen-dung nicht nur in hochsensitiven Messun-gen magnetischer oder elektrischer Kräftebei sehr kleinen Abständen und in inter-ferometrischen Messungen von Inertial-

kräften, wie sie bei Rotationen oder Be-schleunigungen auftreten, sondern bietetauch die Möglichkeit, gespeicherte Atomemit anderen nanoskaligen Objekten, Mak-romolekülen, oder Nano-Instrumenten,wie z.B. supraleitende Schaltungen odernanomechanische Resonatoren, kontrol-liert in Wechselwirkung zu bringen. DieKonstruktion von Quanteninstrumentenauf der Grundlage dieser neuen Technolo-gien an der Schnittstelle der Physik ultra-kalter Quantengase und der Nanowissen-schaften ist ein lohnendes und äußerst fas-zinierendes Ziel, welches wir in unserenArbeitgruppen aktiv verfolgen. •

József Fortágh, Dieter Kölle, Claus Zimmermann

Referenzen

[1] J. Fortágh and C. Zimmermann, Rev.Mod. Phys. 79, 235 (2007).

[2] E. Goldobin, R. Kleiner, D. Kölle, W.Schleich, K. Vogel, R. Walser, „FraktionaleFlussquanten – Steuerbare „Atome“ imSupraleiter“ (in diesem Heft).

RasterelektronenmikroskopischeAufnahme eines Nb Dünnfilms mitnanostrukturierten Löchern (Antidots).Die Antidots sind auf den Kreuzungs-punkten eines 5-faltigen Penrose-Gitters (gelbe Linien) platziert.

Scanning electron microscope image ofa Nb thin film with nanopatternedholes (antidots). The antidots are placed on the vertices of a 5-foldPenrose lattice (yellow lines).

06

Claus Zimmermann

(l.) promovierte 1990 in München und ist seit 1998 Professor in Tübingen. Bevor er sich der Physik ultrakalter Atome zuwandte, lag sein Hauptinteresse im Bereich derPräzisionsspektroskopie und der Entwicklung von Laserquellen mit Hilfe von Halbleiter-lasern und Frequenzkonversion in nichtlinearen Kristallen. Seine aktuellen Forschungs-interessen sind ultrakalte Gemische, Quantengase in optischen Resonatoren, undQuantenoptik an Oberflächen.

József Fortágh

(m.) hat in Budapest und München studiert und 2003 in Tübingen promoviert. Er kam über sein Interesse an statistischer Physik und Festkörperphysik zu den Experimenten an ultrakalten atomaren Gasen. Seine aktuellen Forschungsinteressen sind an der Schnittstelle der Atom- und Festkörperphysik an-gesiedelt. Er entwickelt supraleitende Mikrofallen für ultrakalte Atome und untersucht die Wechselwirkung von Atomen mit Oberflächen. Für sein Projekt„Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Quantengase“ erhielt er 2006 den Forschungspreis „NanoFutur“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Seit 2007 ist er Professor für Experimentalphysik in Tübingen.

Dieter Kölle

(r.) studierte in Tübingen (Promotion 1992) und war anschließend an der UC Berkeley, der Universität Köln und am Forschungszentrum Jülich tätig. Seit 2001 ist er Professor für Experimentalphysik im Bereich Festkörperphysik in Tübingen. Seine aktuellen Forschungsinteressen liegen im Bereich supra-leitender und magnetischer Schichtsysteme, mit Schwerpunkten auf Dünnschichttechnologie, Josephson-Kontakte, SQUIDs, nicht-lineare Dynamik und abbildende Verfahren bei tiefen Temperaturen.

KontaktPhysikalisches Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen, CQ Center for Collective Quantum Phenomena and their ApplicationsAuf der Morgenstelle 14, 72076 Tübingen, Tel.: 07071/2976270, Fax: 07071/295829E-Mail: [email protected], Internet: www.CQ.physik.uni-tuebingen.de

DIE AUTOREN

AN Z E IG E N68

1. Einleitung

Max Planck hat mit seinen Arbeiten aus demJahr 1899 die Quantentheorie begründet. Jenäher die Forscher um Werner Heisen-berg, Max Born, Erwin Schrödinger, Wolf-gang Pauli und Niels Bohr in der Folge die-ser kontrovers diskutierten neuen Theorieauf den Grund gingen, desto mehr stelltees sich heraus, dass lieb gewonnene Kon-zepte der klassischen Physik in der Weltder Quanten völlig versagten. So regte sichdann auch sofort vielfältiger Widerspruchgegen die neue Theorie, auch von promi-nenter Seite, denn Albert Einstein konntesich mit den Vorhersagen und grundsätzli-chen Eigenschaften der Quantentheorienie anfreunden. Eine Reihe von experi-mentellen Tests hat inzwischen zweifels-frei erwiesen, dass Einstein nicht Rechthatte und wir tatsächlich die Quanten-theorie als vollständige und universell fürdie gesamte Natur gültige Beschreibungansehen müssen, siehe Referenz [1]. Damitwar eine neue Epoche angebrochen.

Seither steht im Mittelpunkt des wissen-schaftlichen Interesses die Erforschung derQuanteneigenschaften, um diese für zu-künftige Anwendungen nutzbar zumachen. Wie in wohl jedem neuen For-schungsfeld ist es am Anfang noch nichtklar, wo die wichtigsten Anwendungen inder Zukunft liegen werden. Zurzeit sehenwir die Hauptgebiete der Anwendung inder Übermittlung, der Speicherung undder Verarbeitung von Information. An-wendungen für hochgenaue Sensoren undfür die hochgenaue Messung von Fre-quenzen werden ebenfalls diskutiert unduntersucht. In allen diesen Fällen sind esvor allem die paradoxen Quanteneigen-schaften, die völlig ungeahnte neue Mög-lichkeiten bieten. Es ist damit zu rechen,dass wir in Zukunft mit unterschiedlich-sten Quanten-Instrumenten zu rechnenhaben, die unsere klassischen Instrumenteweit in den Schatten stellen.

Träger der Quanteninformation sind einzelneIonen, die von elektrischen Feldern imUltra-Hochvakuum gehalten werden. Der

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E70

Auf dem Weg zumQuantencomputerQuanten-Verschränkung mi t gefangenen Ionen

Quanten-Verschänkung durchkreuzt auf

einschneidende Weise alle Konzepte der

klassischen Physik. Für den rasch an

Bedeutung wachsenden Bereich der

Quanten-Informationsverarbeitung stellt

Verschränkung die wesentliche Ressource

dar. Der Beitrag stellt am Beispiel des

erfolgreichen Ansatzes eines Quanten-

prozessors mit gefangenen ultrakalten

Ionen eine Reihe von Anwendungen zur

Verarbeitung und zur Kommunikation von

Quanteninformation vor.

QUANTE N I N FOR MATION 71

Beitrag beschreibt zunächstmoderne Ionenfallen, indenen Ionen gespeichert,beobachtet und transpor-tiert werden. Laserpulseerlauben es, den Zustandvon Ionen in kontrollierterWeise zu manipulieren unddamit Algorithmen zudemonstrieren. Wir be-schreiben, wie verschränk-te Zustände erzeugt wer-den und wie Verschrän-kung als Ressource für Te-leportation genutzt wird.Schließlich skizzieren wireine Quanten-Schnittstelle,ein Bauelement in demQuantenbits aus den Ionenausgelesen und direkt inQuantenbits in Form ein-zelner Photonen umge-setzt werden können. Die-ses Bauteil ist wichtig alsZwischenverstärker inGlasfasernetzen für dasÜbertragen von geheimenSchlüsseln und für dieQuanten-Kommunikation.

2. Ionenfalle: Aufbauund Funktion

Ionen werden in einer An-ordnung von Elektrodengespeichert, die auf Wolf-gang Paul zurückgeht: Be-sonders vorteilhaft ist einelineare Paulfalle, siehe 01,da sich hier die Ionen alsQuantenbits in einer Per-lenschnur aufreihen. Sokönnen die einzelnenQuantenbits separat einge-schrieben, manipuliertund ausgelesen werden.Dazu wird ein Laser aufjeweils eines der Ionenfokussiert. Weit flexiblerund damit auch skalierbarzu einer großen Anzahlvon Quantenbits ist einesegmentierte lineare Mik-rofalle, die in 02 und ineiner Detailaufnahme in03 zu sehen ist.

Entanglement is one of the phenomena that make thequantum world most radically different from ourclassical intuition. It means of a sort of correlationthat cannot be imagined, that is, represented like weusually do with physical reality around us. However,recent progress in the engineering of quantumsystems has made possible to produce and to controlit in a way that the founding father of quantummechanics only considered possible in Gedankenexperiments. Not only the foundations of the theorycan now be probed with unprecedented accuracy, butalso revolutionary applications are emerging thatexploit entanglement to push forward technologicalcapabilities beyond what was imaginable only a fewyears ago. A range of fields is affected, from com-putation to secure telecommunications as well asmetrology and sensing. At the heart of these newentanglement technologies lies the ability to createand manipulate quantum correlations between singlequantum objects. Among the most advanced systemsfor these applications are trapped ions, where entan-glement has recently been achieved with very highfidelity (error smaller than one percent). The big-gest challenge scientists are now facing is to scalethis technology up to a high number of controlledions. In this context a very promising approach is touse microscopic traps, up to a thousand times smal-ler than those already used in first generation expe-riments. We describe here the ongoing work in thisdirection, and we outline different technologicalapplications.

SUM MARY

Quantenbit, elementarer Träger vonQuanteninformation

Aus unserem täglichen Leben sind Computer und derAustausch von Daten in digitaler Form nicht mehrwegzudenken. Alle Information wird dazu in Formvon Bits gespeichert und verarbeitet, und jedes ein-zelne Bit nimmt entweder den Wert 0 oder 1 an. ImGegensatz dazu können Quantenbits, die elementarenTräger von Quanteninformation, alle Überlagerungs-zustände (Superpositionen) der Quantenzustände 0und 1 annehmen. Ganz allgemein ist der Zustandeines Quantenbits damit α|0> + β|1> mit kom-plexen Zahlen α, β, sodass der Betrag beider Zahlen|α|2+|β|2 = 1 ist. Bildliche Darstellung einesklassischen Bits (links) mit den Zuständen 0 oder 1,und eines Quantenbits (rechts) mit einem Überlage-rungszustand aus 0 und 1. Ein Quantenbit lässt sichauf einer Kugel bildlich darstellen, z.B. findet sichder Zustand 0 am Südpol. Gemäß der Quantentheo-rie geht der Zustand eines Quantenbits erst bei seinerMessung in einen der klassischen Werte 0 oder 1über. Ein Überlagerungszustand 0+1 wird in etwa500 von 1000 Fällen als 0 und in der anderenHälfte der Fälle als 1 ermittelt. Bei jeder einzelnenMessung ergibt sich völlig zufällig einer der beidenWerte.

Klassisches Bit und Quantenbit im Vergleich

Information ist eine physikalische Größe. Sie wirdauch in physikalischen Systemen gespeichert und ver-arbeitet. In einem herkömmlichen Computer, wie wirihn täglich gebrauchen, benutzt man dafür diemagnetische Festplatte und Halbleiterbauelemente.In einem Rechner, der Quanteninformation verarbei-ten soll, müssen die erforderlichen Speicher undProzessoren aber weit höheren Anforderungen genü-gen. Einerseits sollen die Quantenbits durch eineAbfolge logischer Gatteroperationen für Algorithmenexakt kontrolliert werden, andererseits ist eine nahezuperfekte Isolation der Quantenbits gegenüber derAußenwelt nötig, da sonst ihr Zustand zerstört wird.Unter den Systemen, die für einen zukünftigenQuantenrechner untersucht werden, ist der Ionen-Quanten-Prozessor am weitesten fortgeschritten.

I NFOBOX

01

Lineare Ionenfalle. Die Ionen werden durch elektrischeRadiofrequenz-Felder auf der Fallenachse gehalten.

Zusätzlich legt man eine Hochspannung von 1000V an die beiden Spitzen, die sich im Abstand von 5mm

befinden. Die Ionen arrangieren sich dann zu einem linearen Kristall, dessen Fluoreszenz auf einer CCD

Kamera beobachtet wird. Einzelne Ionen (hier sichtbar alshohe Lichtintensität kodiert in rot) positionieren sich bei

Abständen von etwa 5 µm.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E72

2.1. Beobachtung einzelner Ionen

Ein großer Vorteil bei derVerwendung von einzelnenIonen für einen Quanten-computer ist das hocheffizi-ente Nachweisverfahren, mitdem der Quantenzustandausgelesen werden kann.Um die von einem einzelnenIon abgestrahlte Fluoreszenzbeobachten zu können, sindzwei physikalische Errungen-schaften notwendig. Einmaldie Paulfalle, die ein einfachpositiv geladenes Atom, ein

Ion, auf praktisch unbegrenzte Zeit spei-chert und andererseits die Methoden dermodernen Laserspektroskopie und derLaserkühlung. Wird die Wellenlänge desLaser-Lichtes etwas rot verstimmt gegenü-ber der Resonanzwellenlänge des elektro-nischen Überganges im Ion, dann absor-biert das Ion vorzugsweise, wenn es sich inRichtung des Laser-Strahls bewegt. Soüberträgt man Impuls auf das Ion, sodassdie Bewegung auf Temperaturen vonweniger als 1/1000 K gekühlt wird. Dasgestreute Licht wird auf einer CCD Kame-ra und auf einem Photomultiplier, einemhochempfindlichen Einzelphotonenzäh-ler, nachgewiesen (01 zeigt das gestreuteLicht von acht Ionen). Innerhalb von nur1/1000 Sekunde sammeln wir mit unsererAbbildungsoptik typischerweise pro Ion 50Photonen. Man kann ohne Mühe einzelneAtome mit dem bloßen Auge sehen. Wenndas Ion bei einer gut sichtbaren Wellenlän-ge streut, leuchtet es heller als ein Sternam Himmel (02, 03).

Der Zustand des in einem Ion eingespeicher-ten Quantenbits – nach Ablauf des ge-wünschten Quantenalgorithmus – wirddurch zustandsabhängige Fluoreszenz aus-gelesen. Wird das Quantenbit in |1> ge-messen, beobachten wir Fluoreszenzphoto-nen, wird das Quantenbit durch die Mes-sung auf den Zustand |0> projiziert, beob-achten wir kein gestreutes Licht. Die Zu-standsmessung erreicht in 1/1000 Sekundeschon 99 Prozent Wahrscheinlichkeit.

2.2. Manipulation einzelner Ionen in Fallen

Die Positionen und Bewegungen der Ionenin der linearen Kette (siehe Bild) sinddurch Coulomb-Wechselwirkungen unterden positiv geladenen Ionen bestimmt. Die

02

Segmentierte Mikro-Ionenfalle. Miteiner Schlitzbreite von 500µm und250µm und laser-geschnittenenElektrodensegmenten von einer Breitevon 100µm ist diese lineare Ionenfalleum etwa zwei Größenordnungen kleinerals die in 01 gezeigte konventionellelineare Falle. Durch die große Zahlvon einzelnen Elektroden, ist ein indieser Falle realisierter Quanten-prozessor skalierbar hin zu einer größe-ren Anzahl von Quantenbits, sieheReferenz [7].

Elektronenmikroskopische Detail-aufnahme des Prozessorbereichs derMikro-Falle. Die einzelnen Elektrodender Breite 100µm werden mit Span-nungen angesteuert, um Ionen in maß-geschneiderten Potentialen zu haltenund zu bewegen.

03

Klassische und quantenlogische Gatter

Klassische Rechner verwenden das X-OR Gatter,welches auch exklusives Oder genannt wird. Es ent-spricht einer bitweisen Addition beider Eingängemodulo 2, also immer wenn die Eingänge mit un-gleichen Bits belegt sind, gibt das Gatter eine logi-sche Eins aus, bei gleichen Eingängen eine logischeNull. Eine typische Anwendung ist ein Addiererfür binär kodierte Zahlen. Das quantenlogische C-NOT Gatter erweitert die Charakteristik des X-OR, denn das quantenlogische Gatter hat zweiEingänge und ebenfalls auch zwei Ausgängen. Inder Wertetabelle sieht man, dass der Zustand desersten Quantenbits, des Kontrollbits, nach derOperation unverändert bleibt, der Wert des zweitenEingangs, des Target-Quantenbits, der klassischenLogik des X-OR folgt. Er wird genau dann inver-tiert, wenn das Kontrollbit auf 1 gesetzt ist.

a) Klassisches Gatter und

b) Quantengatter im Vergleich

Beim quantenlogischen C-NOT sieht man, dass dieOperation vorwärts genauso wie rückwärts ablaufenkann. Diese Zeit-Umkehrbarkeit ist charakteri-stisch für Rechenprozesse in einem Quantencom-puter. Der zweite wichtige Unterschied des C-NOT Quantengatters gegenüber seinem klassischenAnalog X-OR ist die Möglichkeit, Superpositions-zustände von Quantenbits als Kontroll- und alsTarget-Qubit zu verwenden. Wenn z.B. das Kon-trollbit im Zustand 1/√2 (|0+1>)Kontrol und dasTargetbit in |0>Target gesetzt sind, erzeugt ein C-NOT einen Bell-Zustand 1/√2 (|0> Kontrol |0>

Target +|1> Kontrol |1> Target). Zwei Quantenbitssind damit in einem verschränkten Zustand.

I NFOBOX

QUANTE N I N FOR MATION 73

Ionen hängen dabei gleichsam wie mitFedern zusammen. Nie schwingt nur eineinzelnes Ion, sondern die Schwingungs-bewegungen werden von allen Ionengeteilt (sogenannten Schwingungsmo-den). Mit Laserpulsen wird einerseits derQuantenbit-Zustand jedes einzelnen Ionsmanipuliert, andererseits kann Impuls aufdie lineare Kette übertragen werden unddamit eine Schwingungsmode gezieltangeregt werden. Um verschränkte Quan-tenzustände zu erzeugen, werden dieIonen mit Laserpulsen angeregt, sodass esunter Beteiligung der Schwingungsmodezu einem gemeinsamen Quantenzustandkommt. Um z.B. einen Bell-Zustand|1a,1b> + |0a,0b> zu präparieren, wirdzunächst das Ion a in eine Überlagerungder Quantenbit-Zustände 0 und 1 ge-bracht. Die Schwingungsmode befindetsich ebenfalls in einer Superposition, so-dass der Zustand |1a,1Mode> + |0a,0Mode>vorliegt. Mit einem zweiten Laserpuls wirddiese in der Schwingungsmode zwischen-gespeicherte Information auf das zweiteQuantenbit umgeschrieben; nun sindbeide Ionen in einem maximal quanten-korrelierten Bell-Zustand Φ. Dieser Zu-stand kann als Ressource für die Telepor-tation eingesetzt werden.

3. Verschränkte Quantenzustände

Für eine größere Zahl von Ionen lassen sichBell-Zustände zu einem Greenberger-Horne-Zeilinger (GHZ)-Zustand verallge-meinern. Dabei werden in einer Kette vonIonen alle Quantenbits in Zustand 1 über-lagert mit dem Zustand, wo alle in 0 sind,|1a,1b,…1y,1z > + |0a,0b,…0y,0z >. Beieiner Messung dieses Zustandes beobach-tet man entweder Fluoreszenz aller oderkeines Ions. Beide Ergebnisse treten zufäl-lig und mit gleicher Wahrscheinlichkeit

auf. 04 und 05 zeigen schematisch, wieein quantenverschränkter Zustand herge-stellt wird. Die Referenzen [3] und [4]erläutern die Messungen im Detail.

4. Teleportation

Klassische Information kann nach Beliebenkopiert werden. Soll z.B. eine klassischeFax-Nachricht übermittelt werden, so legtman das Papier auf die Maschine und beimEmpfänger wird ein Papier mit der identi-schen Nachricht bedruckt. Im Idealfall hatdie Kopie genau die gleiche Qualität wiedas Original. Nicht so beim Transport vonQuanteninformation, der sogenanntenTeleportation. Jedes Quantenbit wird beieiner Messung in seinem Zustand zerstört.Die Quanteninformation der Superposi-tion geht über in die klassische Informa-tion Null oder Eins. Für die Übermittlungvon Quantenbits wäre es daher eine fal-sche Strategie, die Quanten-bits zu messen und dieseklassische Information zuverschicken.

Jedoch gibt es einen Quan-ten-Algorithmus, der zumgewünschten Ziel führt –einen Quantenzustand|Ψ>. Als Ressource wer-den maximal quantenkor-relierte Zustände, Bell-zustände Φ an beide Part-ner für den Informations-austausch, also Senderund Empfänger verteilt.Der Sender ermittelt dasErgebnis einer Bell-Mes-sung, indem er die Quan-tenkorrelationen zwischendem zu teleportierendenQuantenbit und seinemQuantenbit des Bellzu-

05

Erzeugen eines GHZ-Zustandes. ErsterSchritt: Die Ionen befinden sich in der

linearen Falle als linearer Ionenkristall,hier z.B. acht Ionen. Alle Ionen sind

zunächst in den Quantenbitzustand|0> gebracht worden. Ein Laserpuls

wird auf das erste der Ionen geschossenund regt beides, die gemeinsame

Schwingungsbewegung und den Quan-tenbitzustand des ersten Ions an, sodass

ein Superpositionszustand entsteht.Dieser Zustand ist in 05 skizziert.

Erzeugen eines GHZ-Zustandes.Zweiter Schritt: Ein zweiter Laserpulstrifft auf das Ion am zweiten Platz deslinearen Kristalls ein und wird den inSchritt eins erzeugten Superpositions-zustand weiter verarbeiten. Um einenGHZ-Zustand aus acht Ionen zu er-

zeugen, sind etwa zehn Laserpulse notwendig.

Quanten-Verschränkung

Quantenzustände, z.B. Quantenbits können Überlage-rungszustände annehmen. Bei Systemen aus mehrerenQuantenbits beobachtet man Verschränkung, die hierfür ein System aus nur zwei Quantenbits a und berklärt wird, aber ebenso verallgemeinert für Vielteil-chen-Quantensysteme gilt. Mathematisch beschreibtΦ = |1a,1b> + |0a,0b> einen verschränkten Quan-tenzustand, bei dem eine Messung an dem Teilchen aden Zustand auf eine der beiden Anteile der Wellen-funktion reduziert. Damit tauchen die Resultate 0a

und 1a gleich häufig und völlig zufällig auf. JedesMessergebnis am Sub-System a ist mit einem Ergebnisan b korreliert, denn immer wenn hier ein Ergebnis 1vorliegt wird dort auch 1 gemessen. Die Eigenschaftender Sub-Systeme sind damit völlig unbestimmt, die desGesamt-Systems dagegen vollständig bestimmt.

I NFOBOX

04

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E74

stands feststellt. Diese Messung erzeugtzwei Bit klassische Information, d.h. 00,01, 10 oder 11. Dieses Bitmuster sendet erzum Empfänger, der nun an seinemQuantenbit des Bellzustands eine Rota-tion durchführt, die davon abhängt, wel-ches Bitmuster er empfangen hat. Nunerhält er |Ψ>, die Teleportation hat statt-gefunden. Interessant ist es zu sehen, dassder Sender tatsächlich keine Informationüber den Quantenzustand |Ψ> behält,der Zustand wurde ja gemäß den Geset-zen der Quantentheorie nicht kopiert,sondern unzerstört teleportiert. 06 zeigtden zeitlichen Ablauf der Einzelschritte,im Experiment müssen dazu etwa 40äußerst genaue Laserpulse auf die drei

Ionen geschossen werden,wobei z.B. die Frequenz desLaserlichtes um nicht mehrals einen fast unvorstellbarkleinen Bruchteil von 10-12

schwanken darf, damit dieTeleportation gelingt.Details der Teleportationsind in Referenz [5] darge-stellt.

5. Quanten-Atomuhren undQuantensensoren

Quanten-korrelierte Zustände mehrererQuantenbits ergeben bei einer Messungkorrelierte Ergebnisse. Damit ist das Mess-rauschen geringer als bei einer klassischenMessung an unkorrelierten Teilchen. Diemodernen Atomuhren, die zurzeit ver-wendet werden, erreichen die fast unvor-stellbare Ganggenauigkeit von etwa 10-16.Über das Alter des Universums wäre einesolche Uhr weniger als eine Sekunde falschgegangen. Um hier noch höhere Genauig-keit zu erreichen, werden quanten-korre-lierte Zustände eingesetzt, mit denen mandie systematischen Fehler und Rauschquel-len unterdrücken kann. Auch andere hoch-genaue Quanten-Sensoren, z.B. für magne-

tische Felder, elektrischeStröme und mechanischeVibrationen sind möglichund können eine Vielzahlvon Anwendungen hervor-bringen. Die prominentesteAnwendung, die jedochauch mit den größtenSchwierigkeiten bei der Rea-lisierung verbunden ist, stelltder Quantencomputer da.

6. Auf dem Weg zu einem skalierbaren Quantencomputer

Während Systeme aus wenigen Quantenbitsin Laborexperimenten schon für rudimen-täre Algorithmen eingesetzt worden sind,wie etwa die experimentelle Realisierungder Teleportation mit drei gefangenenIonen, stellen sich für einen zukünftigenQuantencomputer zwei Probleme: Einmalsind die quantenlogischen Operationennoch nicht perfekt genug, da selbst durchkleine einzelne Fehler nach einer Reihevon Rechenoperationen das Endergebnisfehlerhaft wird. Dies ist keineswegs eingrundsätzliches Problem, denn schon heu-te können Rechenoperationen mit einerTreue von über 99 Prozent durchgeführtwerden, siehe Referenz [6]. Der technischeFortschritt ist hier schnell, vieles lässt sichweiter optimieren. Das Ziel wird es sein,eine Genauigkeit von 99.99 Prozent zuerreichen, denn bei dieser Qualität kannman die restlichen Fehler aktiv korrigie-ren, d.h. die Fehler detektieren und danndie entsprechenden Quantenbits wieder inihren richtigen Zustand versetzen. Injedem klassischen Computer laufen stän-dig ähnliche Prozesse. Der zweite entschei-dende Durchbruch wird sein, wenn esgelingt, einen skalierbaren Quantenpro-zessor zu realisieren. Denn es sind je nachAufgabe und Algorithmus zwischen 40und 1.000 Quantenbits nötig – aktuelle Ex-perimente arbeiten noch mit weniger als10 Quantenbits.

Um einen skalierbaren Prozessor mit Ionenzu untersuchen, haben wir eine segmen-tierte Mikro-Ionenfalle gebaut, in derIonen und damit die in ihnen gespeicherteQuanteninformation bewegt werdenkann, siehe Referenz [7]. So wird es miteiner solchen segmentierte Falle möglich,Operationen immer nur an einer kleinen– daher beherrschbaren – Zahl von Ionendurchzuführen. Verschränkte Zustände

Quantenschaltkreis für eine Tele-portation: Gesendet wird das Quanten-bit, welches auf Ion 1 gespeichert ist.Ein Bellzustand wird als Ressourceverwendet, der vorher in den Ionen 2und 3 eingeschrieben wurde. DerSender führt eine Bellmessung an seinen Quantenbits 1 und 2 durch undschickt klassische Information an denEmpfänger. Der rotiert das dritte Ionund erhält den originalen Quanten-zustand, was durch eine abschließendeMessung an Ion 3 nachgewiesen wird.

06

Schema für einen skalierbarenQuantencomputer basierend auf einersegmentieren Mikrofalle: Ionen, in die-sem Fall zwei der fünf Ionen, werdenjeweils für die nächste quantenlogischeOperation transportiert, wo Laser dieInformation einschreiben, verarbeitenund schließlich auslesen. Wichtig ist es,die elektrischen Spannungen an den ein-zelnen Fallensegmenten für einenschnellen und kontrollierten Transportder Ionen perfekt maßzuschneidern.

07

QUANTE N I N FOR MATION 75

werden dann zu Speicherregionen trans-portiert und neue Quantenbits, ähnlichwie bei einem Abakus, für die nächstenquantenlogischen Operationen in die Pro-zessorregion geschoben. 07 und 08 zeigenden schematischen Ablauf.

7. Quanten-Schnittstellen und Quantenkorrelationenüber weite Distanzen

Das wohl wichtigste Anwendungsgebiet fürQuanten-Informationsverarbeitung ist einedurch die Prinzipien der Physik gewährleis-tete abhörsichere Kommunikation. Wie amBeispiel der Teleportation dargestellt, kannman Quantenbits nicht kopieren, daherfällt jeder Abhörversuch sofort auf undgewährleistet damit die in vielen Anwen-dungen gewünschte Sicherheit. Quanten-kanäle über eine Entfernung von etwa 100Kilometer sind auch schon mit Photonen,die über konventionelle Glasfasernetze ge-schickt wurden, realisiert worden underste Firmengründungen vermarkten dieseAnwendung. Das entscheidende Problemist die begrenzte Reichweite von maximal100 Kilometern, die viele Anwendungenausschließt. Der Grund dafür liegt darin,dass durch die restliche Absorption inGlasfasern das Signal einzelner Photonen„nachverstärkt“ werden müsste. DieserVerstärker darf jedoch kein klassischerVerstärker sein, sondern er muss Quanten-information verarbeiten können. In dereinfachsten Version bestände solch einBauteil aus drei Ionen, die durch Laserpu-lse kontrolliert werden. Zwei mikro-opti-sche Faserresonatoren erlauben es, das ineinem Ion gespeicherte Quantenbit in eineinzelnes Photon „umzuschreiben“ undüber die angeschlossene Glasfaser zumEmpfänger zu transportieren, 09. Selbstwenn diese Operationen nicht in 100 Pro-zent der Fälle erfolgreich sind, funktioniertdas Schema trotzdem, denn die Messungan einem dritten Ion verrät, ob ein Fehlerunterlaufen ist und daher der Schritt wie-derholt werden muss. In dieser Weise kön-nen quantenkorrelierte Zustände auchüber weite Distanzen erzeugt werden undeine Ressource für Kommunikationsproto-kolle darstellen. Für die Realisierung einessolchen Quanten-Netzwerkes sind dietechnologischen Hürden geringer als fürden Quantencomputer, da nur eine ver-gleichsweise geringe Zahl von Quantenbitsbeherrscht werden muss.

8. Ausblick

Quantenkorrelationen kön-nen an kleinen Systemenerzeugt und beobachtetwerden. Bei diesen ausmehreren EinzelobjektenzusammengesetztenQuantensystemen sind dieEigenschaften der Sub-systeme unbestimmt, während die desGesamtsystems vollständig bestimmt sind.Die sehr spezifischen Eigenschaften sol-cher nichtklassischen Zustände sind nichtnur für zukünftige Anwendungen ent-scheidend, sondern auch für den Grund-lagenforscher von fundamentalemInteresse. • F. Schmidt-Kaler, T. Calarco

Literatur

1: Eine schöne, allgemeinver-ständliche Darstellung derGedankenwelt der Quan-tenphysik findet sich in„Einsteins Schleier – dieneue Welt der Quanten-physik“, A. Zeilinger, C.H.Beck Verlag (2003).

2: „Quanteninformations-verarbeitung: SegmentierteMikrochip-Falle für kalte Ionen”, S. Schulz,F. Schmidt-Kaler, Physik in unserer Zeit,Vol. 38, Issue 4 , 162 (2007).

3: „Tomography of entangled massive par-ticles“, C.F. Roos, G.P.T. Lancaster, M.Riebe, H. Häffner, W. Hänsel, S. Gulde, C.Becher, J. Eschner, F. Schmidt-Kaler, R.Blatt, Phys. Rev. Lett. 92, 220402 (2004).

4: „Control and Measurement of Three-QubitEntangled States“, C. Roos, M. Riebe, H.Häffner, W. Hänsel, J. Benhelm, G. Lancas-ter, C. Becher, F. Schmidt-Kaler, R. Blatt,Science 304, 1478 (2004).

5: „Deterministic quantum teleportation withatoms“, M. Riebe, H. Häffner, C. F. Roos,W. Hänsel, J. Benhelm, G. P. T. Lancaster, T.W. Körber, C. Becher, F. Schmidt-Kaler, D.F. V. James, R. Blatt, Nature 429, 734 (2004).

6: „Towards fault-tolerant quantum compu-ting with trapped ions”, J. Benhelm, G.Kirchmair, C. F. Roos, R. Blatt, NaturePhysics 4, 463 (2008).

7: „Sideband cooling and coherent dynamicsin a microchip multi-segmented ion trap”,S. Schulz, U. Poschinger, F. Ziesel and F.Schmidt-Kaler, New Journal of Physics 10,045007 (2008).

08

09

Quanten-Schnittstelle, aufgebaut mitzwei Ionen und zwei faser-optischenMikroresonatoren. Im ersten Schritt

werden quantenkorrelierte Zustände,wie z.B. Bell-Zustände, mit Hilfe von

Laserpulsen erzeugt. Zwei Ionen werden in die optischen

Mikroresonatoren geschoben um dieQuantenbits in Photonen über die

Glasfasern zu transportieren.Verschränkte Photonen können so an die

Partner der Quantenkommunikation verteilt werden.

Die zwei Ionen befinden sich in derProzessor-Region, wo sie mit Laser-lichtfeldern wechselwirken und durch

eine Abfolge von Laserpulsen ein ver-schränkter Bell-Zustand erzeugt wird.

Später können weitere Ionen aus derSpeicherregion (links) in die

Wechselwirkungsregion weiterbefördertwerden.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E76

Ferdinand Schmidt-Kaler

(l.) studierte an den Universitäten Bochum, Bonn und München und schlossmit dem Diplom in Physik an der TU München ab. In seiner Doktorarbeitbei T.W. Hänsch am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garchingbeschäftigte er sich mit Präzisionsspektroskopie an Wasserstoff. Nach einerPost-Doc Zeit bei S. Haroche an der Ecole Normale Superieure in Pariswurde er Assistent bei R. Blatt im Institut für Experimentalphysik Innsbruckund forschte dort an ultrakalten gespeicherten Ionen für einen Quanten-prozessor. Seit 2004 ist er Leiter des Instituts für Quanten-Informationsver-arbeitung an der Universität Ulm. Er erhielt den Helmholtz-Preis derPhysikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig, den Rudolf-KaiserPreis, und ist seit 2008 stellvertretender Vorsitzender der FachgruppeQuantenoptik und Photonik der DPG.

Tommaso Calarco

hat in Padua und Ferrara studiert und mit einer Dissertation über Modelle der Quantenchromodynamik promoviert. Danach arbeitete er bei P. Zoller in Innsbruck innerhalb der Quanteninformationsverarbeitung, insbesondere zur Theorie einer physikalischen Implementierung von skalierbaren Quanten-prozessoren. Nach Anstellungen als Post-Doc an der Universität Innsbruck, dem ECT in Trient und dem NIST in Gaithersburg, USA, wurde er2004 Senior Researcher beim BEC-Zentrum in Trient und war 2005 bis 2007 Visiting Scholar an der Universität Harvard. Seit 2007 gehört er zumInstitut für Quanten-Informationsverarbeitung der Universität Ulm. Er war zweimal Marie-Curie Fellow der Europäischen Kommission sowie einmalFulbright Fellow des US Department of State. 2002 erhielt er den Wallnöfer Preis der Tiroler Industriellenvereinigung.

KontaktInstitut für Quanten-Informationsverarbeitung, Universität UlmAlbert-Einstein-Allee 11, 89069 Ulm, Tel.: 0731/50-22830, Fax: 0731/50-22839E-Mail: [email protected], Internet: www.quantenbit.de

DIE AUTOREN

1. Materialeigenschaften von Diamant

Diamant wird seit Jahrzehnten als nahezuidealer Halbleiter gehandelt. Einerseits ister optisch transparent mit einer Bandlü-cke von ca. 5.5 eV und damit für die Opto-elektronik nahezu ideal geeignet – im Ge-gensatz zu Silizium. Andererseits besitzt ereine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit, sodass

eines der größten Hindernisse zunehmen-der Integrationsdichte in modernen nano-elektronischen Schaltkreisen, die Hitzeent-wicklung, für den Diamant kein Problemdarstellen würde. Allerdings ist es trotzjahrelanger intensiver Forschung nichtgelungen durch Dotierung genug Lei-tungselektronen in Diamant zu erzeugen,um die für viele elektronische Anwendun-gen notwendige Leitfähigkeit herzustellen.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E78

Ein Quantencomputerin Diamant

Die Möglichkeit Materialien auf

der atomaren Skala zu struktu-

rieren und ihre chemische Zu-

sammensetzung zu kontrollieren

hat dazu geführt, dass Quanten-

effekte, die in der Vergangenheit

nur aufwendig im Forschungs-

labor herzustellen waren, nun

Einzug in die technische

Nutzung halten. Da sich die ato-

mare Welt in Teilen völlig anders

als die makroskopische Welt ver-

hält, hält die Quantenmechanik

einige Möglichkeiten parat, die unseren Alltag komplett revolutionie-

ren würden, wenn sie makroskopisch „nutzbar“ gemacht werden

können. Dazu bedarf es einerseits eines tiefgehenden Verständnis-

ses der Quantenmechanik, andererseits des richtigen Systems um

diese möglichst unter Umgebungsbedingungen sichtbar zu machen.

Überraschenderweise stellt Kohlenstoff unter bestimmten Gesichts-

punkten ein solches Material dar. Zurzeit sorgt beispielsweise

Graphen, das sind Monolagen aus Kohlenstoff in sp2-hybridisierter

Form (wie im Graphit), aufgrund seiner ungewöhnlichen elektroni-

schen Eigenschaften für Furore. Aber auch Diamant verspricht auf-

grund einiger seiner Eigenschaften ein nahezu perfektes Quanten-

material zu sein.

QUANTE NCOM PUTE R I N D IAMANT 79

Die Karriere von Diamant als Elektronik-material der Zukunft ist damit ungewiss.

Im Bereich der Quantenspintronik stellt sichdie Situation allerdings vollkommenanders dar. Hier ist man nicht auf derSuche nach einem System, das wie bei derklassischen Elektronik, viele beweglicheElektronen (und Löcher) im Leitungsband(bzw. Valenzband) aufweist. Eher imGegenteil sucht man nach Festkörper-materialien in denen sich einzelne Quan-tensysteme, das bedeutet z.B. einzelneElektronen, lokalisieren lassen. Nebendem Herstellungsproblem besteht dabeidie Herausforderung, diese Quantensyste-me auch zu detektieren und in größereEinheiten zu integrieren. Mit anderenWorten, statt elektronische Schaltungenmit einigen 1016 Elektronen zu betreiben,basiert die Funktion z.B. einer Quanten-spintronik auf dem magnetischen Momenteinzelner Elektronen. Hier kommen nundem Diamant Eigenschaften zugute, dieseinen Einsatz im Bereich der klassischenElektronik eher erschweren.

Die große Bandlücke von Diamant beispiels-weise erlaubt es, einzelne Quantensystemeoptisch zu adressieren. Diese Möglichkeitbesteht z.B. in Silizium aufgrund dergeringen Bandlücke nicht. Weiterhin lässtsich das Material mittlerweile in einerReinheit herstellen, die selbst die vonhochreinem Silizium übertrifft. Um dieQuanteneigenschaften des definiertenSystems nutzen zu können, ist es zudemunerlässlich, eine Ausgangssituation zuschaffen, in denen diese nicht durchUmgebungseffekte verwischt werden.Üblicherweise werden hierzu die Quanten-systeme auf sehr geringe Temperaturenabgekühlt, sodass sämtliche Umgebungs-einflüsse ausgefroren werden. In Festkör-pern sind dies zumeist Schwingungen derBausteine, aus denen das Material aufge-baut ist. Diese Schwingungen (Phononen)sorgen dafür, dass die Phase eines Quan-tenzustandes, der beispielweise aus einerÜberlagerung der beiden Quantenzustän-de des magnetischen Momentes einesElektrons resultiert, innerhalb einer kur-zen Zeit einen zuvor eingestellten Wertverliert.

Ein praktisch nutzbares Quantenmaterialwird daher dadurch ausgezeichnet sein,dass solche Phononen unter Umgebungs-bedingungen nicht oder kaum existieren.Auch hier kommt Diamant eine vorteil-hafte Sonderrolle zu. Aufgrund der gerin-

gen Massen der Gitterbau-steine und deren hoherBindungskraft liegen dieFrequenzen der Phononenbei so hohen Werten, dassdiese thermisch selbst beiRaumtemperatur nichtoder kaum angeregt sind.In der Tat war bereits inden 60er Jahren bekannt,dass viele Eigenschaftenvon Diamant bei einerTemperatur von T=20°Cdenen von z.B. Silizium beiT=–200°C entsprechen.Man kann daher von Dia-mant als RaumtemperaturQuantenmaterial spre-chen.

Es besteht nun die Frage,welche Quantensystemesich in Diamant definierenlassen und wie mit diesengearbeitet werden kann.Dazu benutzen wir Farb-zentren im Diamant, diewir gezielt durch eine Do-tierung mit Fremdatomenherstellen. Den meistenwird Diamant als farbloser,transparenter Edelsteinbekannt sein. Allerdings istdie überwiegende Anzahlgeschürfter und auchkünstlich hergestellterDiamanten farbig. Zumeistfindet man eine bräunlichebzw. gelbliche Färbung derSteine, die auf eine hoheStickstoffkonzentrationschließen lassen (siehe01c). Neben diesen Fär-bungen findet man prak-tisch sämtliche anderenFarben der Farbskala. Häu-fig übertreffen die farbigenDiamanten bei entspre-chender optischer Qualitätdie farblosen Varianten bei weitem anWert. Die Farbe kommt dadurch zustande,dass in das Diamantgitter Fremdatomeeingebaut werden, die Licht einer für dieVerunreinigung spezifischen Wellenlängeabsorbieren und dem farblosen Stein seineFarbe verleiht.

Im Falle der hier geschilderten Forschungs-arbeiten wird Diamant gezielt mit Stick-stoffatomen dotiert. Das Stickstoffatom

In recent years quantum technology has evolved fromthe laboratories towards technical application. Someof them like quantum cryptography are already incommercial use, others like quantum computers arein development. The biggest obstacle with quantumdevices is decoherence, the loss of the quantum pro-perties due to interaction with the environment.Solid state systems usually have to be cooled downto low temperatures in order to freeze out the vibra-tions of the lattice. Diamond has several advantagesover all other candidates in the field, because of itsunique material properties. It is transparent soqubits embedded in the lattice can be addressedoptically. Its vibrational properties at room temper-ature match those of e.g. Silicon at 20 K. For 12Chas no nuclear spin the lattice is mostly invisible toa given qubit. One can speak of Diamond as a high-temperature-quantum-material.We use the nitrogen-vacancy-color-center (NV-center) as a quantum register. It is exceptionallysuitable for this task, for it features a triplet groundstate which can be initialized by simply shininggreen laser light on the center. The fluorescencelight intensity depends on the spin state, so laserscan be used for read out as well. With those opticalproperties the NV-center can serve as a single pho-ton source for quantum cryptography. As qubits theelectron spin of the NV as well as nuclear spins(e.g. 13C) in close vicinity of the center are utili-zed. Because the nuclear spins cannot be read-outoptically they are controlled via their hyperfine cou-pling to the electron spin of the NV-center. Up tofour qubits are realizable at a single site right now.This is sufficient for the use as a quantum repeater,a device to mediate quantum entanglement over longdistances. To scale up the number of qubits severalNV-centers have to be coupled together. Thisshould again be possible e.g. via optics. Thereforeone has to be able to place the NV-centers in thelattice precisely. For that purpose ion implantationtechniques are being greatly improved. Since quan-tum effects are way out of our normal experience,bringing them into our macroscopic world will surelyrevolutionize our daily lives.

SUM MARY

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E80

alleine absor-biert Lichtnicht beson-ders stark.Falls sichallerdings einsogenanntesStickstoff-Fehlstellen-zentrum(NV-Zen-trum) bildet,kommt es zueiner intensi-ven Absorp-tion undauch Emissi-

on (Fluoreszenz) des Defekts. Es hat sichein sogenanntes Farbzentrum gebildet(01a). Die Absorptionswellenlänge desFarbzentrums liegt bei ca. 640 nm, d.h. imroten Spektralbereich. Diamanten, die einehohe Konzentration an NV Zentren auf-weisen, sind daher dunkelblau oder pinkgefärbt. In den hier geschilderten Experi-menten sind die Farbzentren durch Im-plantation von Stickstoff aus einem Stick-stoffatomstrahl erzeugt worden (01b).Absorptions- und Emissionsstärke der NVZentren sind in etwa mit einem gutenFarbstoffmolekül vergleichbar, d.h. dieFluoreszenz einzelner Defektzentren kannmit einem konfokalem Mikroskop undentsprechend hochempfindlichen Detek-toren nachgewiesen werden (01b). Diesist die wesentliche Grundlage aller im wei-teren beschriebenen Experimente undAnwendungen.

2. Einzelphotonenquellen für geheime Datenübertragung

In einer Welt, in der der Datentransfer stän-dig zunimmt, kommt dessen sichererÜbertragung eine steigende Bedeutung zu.Internethandel oder Banktransaktionensind darauf angewiesen, dass die Informa-tionen zwischen Empfänger und Sender ineiner Weise übermittelt werden, dass einAbhören vertraulicher Daten unmöglichist. Gegenwärtig wird diese Abhörsicher-heit durch eine Datenverschlüsselung mitöffentlichen Schlüsseln z.B. nach demsogenannten RSA-Verfahren gewährleis-tet. Verkürzt gesagt tauschen Sender undEmpfänger öffentlich einen Schlüssel, d.h.eine N-stellige Zahl aus. Die Verschlüsse-lung der Nachricht geschieht mit diesem

Schlüssel und basiert darauf, dass es fürdas Zerlegen einer Zahl in Primfaktorenkeinen effizienten Algorithmus gibt. Be-nutzt man große Zahlen als Schlüssel zurVerschlüsselung einer Nachricht nachdem RSA Verfahren, so müssen zu derenEntschlüsselung zunächst die Primfakto-ren dieser Zahl gefunden werden. Da dieDauer der Suche nach diesen Faktorenexponentiell mit der Anzahl der Stellenanwächst, ist dieses Verfahren umso siche-rer, je länger der verwendete Schlüssel ist.Gegenwärtig wird z.B. bei der Übermitt-lung der elektronischen Steuerklärung einSchlüssel mit einer Länge von 128 Bit be-nutzt. Mit den verfügbaren Rechenleis-tungen und unserem Kenntnisstand beider Primzahlzerlegung würde ein Knackendieser Verschlüsselung derzeit ca. 1019

Jahre dauern. Allerdings ist bisher nichtbewiesen, dass es keine effizienteren Zer-legungsalgorithmen gibt. Ein zukünftigerQuantencomputer z.B. hätte das Potential,die Primzahlzerlegung mit dem Shor-Algorithmus erheblich zu beschleunigenund damit die gegenwärtigen Verschlüsse-lungssysteme, auch wenn noch deutlichlängere Schlüssel zum Einsatz kämen,unbrauchbar zu machen. Es gibt daher eingroßes Interesse daran, neuartige Ver-schlüsselungsprinzipien zu entwickeln.

Eine neue Methode, die bereits Eingang indieses Anwendungsfeld gefunden hat, istdie Quantenkryptografie. Hier beruht dieVerschlüsselung von Daten auf fundamen-talen physikalischen Prinzipien, derenGültigkeit in zahllosen Messungen bestä-tigt wurde. Genauer nutzt man den Um-stand, dass eine Messung an einem Quan-tensystem stets dieses Quantensystemselbst beeinflusst. Dieser Einfluss lässt sichnachweisen und somit ein Abhören einesKommunikationskanals im Nachhineinfeststellen. Dazu muss allerdings die Infor-mation mittels eines Quantensystemsübertragen werden.

Das offensichtlich am besten geeignete Sys-tem sind einzelne Photonen. Beispielsweiselässt sich eine Null oder Eins als Polarisa-tion des Photons darstellen. Die Methodewird genutzt, um einen Schlüssel der nureinmal verwendet wird, ein sogenanntes„one time pad”, zwischen einem Sender(Alice) und Empfänger (Bob) auszutau-schen. Das „one time pad” als Verschlüsse-lungsverfahren kann nicht gebrochenwerden, wenn der Schlüssel nicht, z.B.durch Abhören der Schlüsselübertragung,

01

a) Struktur des NV Zentrum imDiamantgitter. b) FluoreszenzmikroskopischeAufnahme von einzelnen NV Zentrenin einem Diamantkristall. c) Diamantkristalle in verschiedenenStadien der Präparation

QUANTE NCOM PUTE R I N D IAMANT 81

bekannt wird. Wird jedes Bit dieses Schlüs-sels mit nur einem Photon übertragen, solässt sich aus der Übermittlung schließen,ob die Daten von einem „Spion“ (Eve) ab-gehört wurden.

In groben Zügen gehen Sender und Empfän-ger dabei wie folgt vor. Der Sender polari-siert Photonen entlang zweier orthogona-ler Richtungen, um die Bitwerte „0“ und„1“ zu codieren. Der Empfänger benutztPolarisatoren vor dem Photonendetektor,um diese Bitwerte auszulesen. Indem siedie gemessenen Werte miteinander ver-gleichen, erhalten beide Information darü-ber, ob jemand während der Übertragungdie Polarisation der Photonen gemessenund damit verändert hat. Erst wenn derQuantenschlüssel auf beiden Seiten derKommunikationspartner vorliegt, benut-zen sie ihn um geheime Botschaften aus-zutauschen.

3. Einzelphotonenquelle aus Diamant

Eine wichtige Voraussetzung für die abhörsi-chere Quantenkryptographie ist es, dassder Sender über eine Quelle für einzelnePhotonen verfügt. Geeignete Einzelphoto-nenquellen präparieren dabei gezielt einenausgewählten Quantenzustand. In einemLaserstrahl dagegen unterliegt die Anzahlder Photonen einer Poissonverteilung, beider die Abweichung um einen Mittelwert(z.B. N Photonen) √N beträgt. D.h. auchwenn die Laserintensität so eingestelltwird, das im Mittel nur ein Photon emit-tiert wird, besteht eine bestimmte, durchdie Poissonverteilung festgelegte Wahr-scheinlichkeit, dass kein bzw. zwei Photo-nen emittiert werden. Eine geeignete Ein-zelphotonenquelle muss also Quantenzu-stände realisieren, die keiner Wahrschein-lichkeitsverteilung unterliegen, bei denendie Photonenzahl also einen definierten,scharfen Wert besitzt. Solche Zuständewerden als Fockzustände bezeichnet undwerden beispielsweise durch die Emissioneinzelner Quantenemitter, z.B. Farbzen-tren realisiert.

Eine von der Poissonverteilung abweichendePhotonenemission wird durch die Mes-sung einer Intensitätsautokorrelations-funktion bestätigt (02a). In dieser Grafikist die Wahrscheinlichkeit aufgetragen, einPhotonenpaar mit einem zeitlichen Ab-stand τ zu detektieren. In der Abbildungist die entsprechende Statistik für die

Fluoreszenzemission eines einzelnen NVDefekts durchgeführt worden. Wie aus derAbbildung ersichtlich wird, geht die Wahr-scheinlichkeit, Fluoreszenzphotonen miteinem Zeitabstand τ=0 nachzuweisengegen Null. Ein einzelnes NV Zentrumemittiert demnach immer nur ein einzel-nes Photon. Physikalisch lässt sich diessehr leicht anhand des Energieniveau-schemas in 02b nachvollziehen. Wirdvom Farbzentrum ein einzelnes Photonemittiert, so befindet sich der NV Defektanschließend im Grundzustand. Aus die-sem Zustand muss das NV Zentrum zu-nächst in den ersten angeregten Zustand(E) durch den Anregungslaser gebrachtwerden. Die mittlere Zeit die hierzu not-wendig ist, beträgt Ω12t= π, wenn Ω12 dieLaserrabifrequenz ist.

Nach diesen Überlegungen werden niemalszwei Photonen gleichzeitig emittiert. Dasssich mit der Emission von einzelnen Pho-tonen aus NV Defektzentren Daten über-tragen lassen, konnte J.F. Roch 2004 zei-gen, indem er und seine Kollegen einenKryptoschlüssel zwischen zwei Gebäude-flügeln des Photonikzentrums in Cachanbei Paris übertrugen (03a). Diese erstenExperimente mussten aufgrund der Frei-strahlübertragung und der geringenEmissionsrate des Zentrums bei Nachtdurchgeführt werden. Um höhere Über-tragungsraten zu erhalten und einen Rou-tinebetrieb unabhängig von der Umge-bungsbedingung zu erreichen, ist es ent-scheidend, eine größere Emissionsrate zu

02

a) Die Fluoreszenzautokorellations-funktion zeigt mit ihrem Dip bei τ=0

ns, dass ein einzelnes NV-Zentrumvorliegt. Optisch detektierte magneti-

sche Resonanz an einzelnen NVDefekten zeigt die beiden Übergänge

zwischen den Niveaus mS=0↔–1 und0↔+1.

b) Energieniveauschema des NV De-fekts inklusive der Spin Feinstruktur. c) Kernspins (blauer, grüner, gelberPunkt) mit verschiedenen Abständenzum NV-Zentrum (roter Punkt) er-

zeugen aufgrund verschiedener Hyper-feinkopplungen eine unterschiedlich

starke Aufspaltung des ElektronenspinResonanzspektrums. Je kleiner der

Abstand desto größer die Linienauf-spaltung (siehe Farbkodierung).

TH E M E N H E FT FORSCH U NG QUANTE N MATE R I E82

erreichen und auch die Emissionswellen-länge entsprechend anzupassen. Dies ge-lingt durch die Wahl anderer Defekte wieNickelatomen, die im Diamantgitter ein-gebaut sind. Derzeit bereitet die Arbeits-gruppe um Prof. Roch Tageslichtübertra-gungen mit diesem Emitter vor.

Es gibt eine ganze Reihe von Quantensyste-men, die sich als Einzelphotonenemittereignen. Letztendlich sind alle Quantensys-teme, die eine hohe Photonenemissions-rate aufweisen, geeignete Kandidaten.Dazu gehören Farbstoffmoleküle undQuantenpunkte. Farbzentren in Diamanthaben einen großen Vorteil, denn sie blei-chen nicht aus und müssen nicht bei nied-rigen Temperaturen betrieben werden.Entsprechend ist bereits von einer Firma inAustralien ein Gerät auf den Markt ge-bracht worden, das als Einzelphotonen-quelle für Telekommunikationsanwendun-gen auf einzelnen Defekten in Diamantbasiert (03b).

4. Verstärker für Einzelphotonen

Momentan sind Quantenkryptografiesyste-me auf relativ kurze Entfernungen be-schränkt, da aufgrund von Übertragungs-verlusten einzelne Photonen maximal ca.100 km weit übertragen werden können.Klassische Signalverstärker, wie derzeit inder optischen Datenübertragung üblich,können nicht zum Einsatz kommen, dadas Verstärken wie eine Messung des

Signals zur Dekohärenz, dem Verlust derQuanteneigenschaften, führt und damitdie sichere Übertragung nicht mehrgewährleistet wäre. Den Ausweg bietensogenannte, bisher nur vorgeschlagene,Quantenrepeater, kleineQuantencomputer, die zunächst einenKanal aufbauen, indem sie untereinanderverschränkt werden. Das bedeutet auto-matisch, dass der erste Repeater mit demletzten der Reihe verschränkt ist. Nunkann die gewünschte Information zwi-schen den beiden Endstellen teleportiertwerden.

Teleportation (siehe Beitrag Schmidt-Kaler, in diesem Heft) beruht auf einerMessung an einem Paar von verschränktenQuantenbits, welche den Zustand einesdritten Quantenbits beim Empfängernichtlokal festlegt. Hierfür wären schonQuantencomputer mit sehr kleinen Regis-tern ausreichend, da im Prinzip immernur wenige Qubits gespeichert werdenmüssen. Ein erster Schritt besteht darin,zwei entfernte Defektzentren miteinanderzu verschränken. Dies kann durch diePhotonen, die beide Defekte emittierengeschehen. Überlagert man diese Photo-nen auf einem Strahlteiler, so kann mandie Interferenz der beiden von unter-schiedlichen Defekten emittierten Photo-nen nutzen, um die Defekte selber mitein-ander zu verschränken, ohne dass diesejemals direkt miteinander in Wechsel-wirkung getreten sind.

Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die De-fektzentren Photonen emittieren, die einegeringe Frequenzbandbreite aufweisen,sodass das Interferenzmuster deutlich aus-geprägt ist. Dies konnte in dem in 03a

dargestellten Experiment gezeigt werden.Der zeitliche Verlauf der dargestelltenRabioszillationen des optischen Übergangszeigt, dass die emittierten Photonen trans-ferlimitiert sind, d.h. eine Kohärenzzeitaufweisen, die nur durch die Lebensdauerdes angeregten Zustandes des Defektzen-trums begrenzt ist. Das NV Zentrum hatdamit beste Voraussetzung, um als Knotenin einem Quantenrepeater eingesetzt zuwerden.

5. Verschränkte Quantenbits in Diamant

Seit Ende der 90er Jahre wird nach Realisie-rungsmöglichkeiten für Quantencompu-ter geforscht. Ansätze mit eingefangen

a) Übertragungsstrecke in Cachan(Paris) auf der mittels einzelner NVPhotonen ein Kryptographieschlüsseltransmittiert wurde. b) Schematische Darstellung derVerschränkung zweier Defekte mittelsder Interferenz zweier ununterscheid-barer Photonen auf einem Strahlteiler.

03

QUANTE NCOM PUTE R I N D IAMANT 83

Ionen, supraleitenden Ringen und flüssig-NMR führten zu Quantencomputern mitbis zu 8 Qubits (2005 an der UniversitätInnsbruck). Die Stärke eines zukünftigenQuantencomputers liegt darin, dass ernicht mit klassischen Bits arbeitet, die„nur“ die beiden Werte „0“ oder „1“annehmen können, sondern mit Quan-tenbits. Liest man diese aus, erhält manzwar auch nur die Werte „0“→ |0⟩ oder„1“→ |1⟩, aber während man mit ihnenarbeitet, können sie auch alle Werte „da-zwischen“ annehmen. Man spricht dannvon einem Überlagerungszustand. Dieser„Lebensraum“ eines Qubits entspricht derOberfläche einer Kugel, der sogenanntenBloch-Kugel (04a). Dabei entsprechen dieZustände |0⟩ und |1⟩ gerade den Polen.Der Blochvektor zeigt von der Mitte zurPosition des Quantenbits auf der Kugel-oberfläche. Da ein Quantencomputernicht nur mit „0“ und „1“ rechnet, son-dern auch mit allen Überlagerungszustän-den, kann man mit ihm massiv parallelarbeiten, d.h. das Ergebnis einer Rechnungwürde z.B. alle Lösungen enthalten, dieman mit einem herkömmlichen Rechnerin vielen Einzelrechnungen ermittelnmüsste. Das gibt dem Quantencomputerseinen Geschwindigkeitsvorteil, der mitwachsendem Quantenregister mehr undmehr zum Tragen kommt (siehe Info-kasten Quantenbits auf Seite 71).

Das Hauptproblem bei der Vergrößerungvon Quantenregistern ist Dekohärenz,dem Verlust der Quanteneigenschaftendurch Wechselwirkung mit der Umgebungund der freien Zeitentwicklung gekoppel-ter Qubits. Fügt man immer mehr Qubitseinem Register hinzu, verkürzt sich dieZeit, die man für Berechnungen zur Ver-fügung hat, immer weiter. Man benötigtalso ein System, dass gut von seiner Um-gebung abgeschirmt ist und es zulässt, dieWechselwirkung zwischen einzelnenQubits an- und abzustellen. In den meistenSystemen begegnet man diesen Proble-men, indem man zu sehr tiefen Tempera-turen übergeht, was sehr großen techni-schen Aufwand erfordert.

Wie bereits erwähnt, verhält sich Diamantbei Raumtemperatur bei diesen Dekohä-renzprozessen, wie andere Materialien erstbei tiefen Temperaturen. Somit sind tiefeTemperaturen hier nicht zwingend not-wendig und Experimente am NV-Zentrumkönnen unter Umgebungsbedingungendurchgeführt werden. Neben seiner zuver-

lässigen und großen „Helligkeit“, welchedas NV-Zentrum zu einem Kandidat fürEinzelphotonenquellen macht, besitzt esnoch eine weitere interessante Eigenschaft.In seinem elektronischen Grundzustandbesitzt es zwei ungepaarte Elektronen,welche zusammen einen Gesamtspin vonS=1 haben. Man nennt ein solches SystemTriplett, da dieser Spin in einem Magnet-feld drei mögliche Einstellungen bzw.Zustände annehmen kann, bezeichnet mitder magnetischen SpinquantenzahlmS=–1,0,+1 (02b). Mit zwei dieser dreiZustände kann man nun ein Qubit dar-stellen.

Eine weitere Besonderheit des NV-Zentrumsmacht es außerdem möglich, den Spin-zustand eines einzelnen Zentrums auszu-lesen und damit den Zustand des Qubits.Befindet sich das Farbzentrum im mS=0Zustand und regt man es mit grünemLaserlicht an, erhält man eine starke Fluo-reszenzintensität, da das Zentrum vommS=0 Niveau des angeregten Triplett Zu-standes wieder direkt unter Emission einesPhotons in den Grundzustand zerfällt(mS=0) (02b). Befindet sich das Farbzen-trum jedoch im Grundzustand in einemder beiden Niveaus mS=±1, wird es in dasentsprechende Niveau des angeregtenZustandes gebracht und gelangt seltenerdirekt unter Photonenemission in denGrundzustand. Wahrscheinlicher ist einÜbergang in einen Singulettzustand(02b). Hier gibt es keine ungepaartenElektronen mehr und damit auch keinen

a) Rabioszillation eines einzelnen NV Elektronenspins,

b) eines einzelnen 13C Kernspinsjeweils mit entsprechender Pulssequenz

für Laser, Mikrowelle (MW) undRadiofrequenz (RF). In a) ist zusätz-

lich die Blochkugel als Lebensraumeines Spins und der Blochvektor

(blauer Pfeil), der den Zustand desSpins zeigt, abgebildet. Der schwarzegestrichelte Pfeil deutet zusätzlich die

Entwicklung während derRabioszillation an.

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Elektronenspin (S=0). Es gibt somit nurein Niveau. Der Übergang über diesenSingulettzustand zurück in den Grundzu-stand dauert länger und es wird kein Pho-ton im ursprünglichen Wellenlängenbe-reich emittiert. Somit kann man den Über-gang in den Singulettzustand mit demÜbergang in einen Dunkelzustand gleich-setzen, da die mittlere emittierte Pho-tonenrate drastisch reduziert ist. Somitsind die Zustände mS=±1 an einer gerin-gen Fluoreszenzintensität zu erkennen.

Mit Hilfe des Laserlichts liest man den Quan-tenzustand des NV-Zentrums nicht nuraus, man kann auch einen gezielten An-fangszustand herstellen. Dabei ist derSingulettzustand behilflich. Von diesemaus relaxiert das System nämlich haupt-sächlich in das mS=0 Niveau des Grundzu-standes. Dorthin kehrt es, wie oben be-schrieben, nach mehreren Anregungs-und Zerfallszyklen auch immer wiederzurück, während die Wahrscheinlichkeit,das System im mS=±1 Zustand zu findenmit jedem Zyklus weiter abnimmt. AmEnde liegt das System polarisiert im mS=0Niveau des Grundzustandes vor (02b).Zusammenfassend haben wir ein einzelnesQuantensystem vorliegen, dessen Anfangs-zustand (mS=0) gezielt hergestellt werdenkann und dessen Endzustände optisch aus-gelesen werden können.

Zwischen den Eigenzuständen (mS=–1,0,+1)kann man mittels MikrowellenstrahlungÜbergänge induzieren und ein sogenann-tes Elektronenspin-Resonanzspektrumerzeugen (02b). Dabei schaut man sichdie Fluoreszenzintensität eines Farbzen-trums an während man die Frequenz derMikrowellenstrahlung verändert. Ent-spricht diese der Übergangsenergie zwi-schen den Niveaus mS=0 und –1 oder 0und +1, kann man das System aus demAnfangszustand 0 in den Zustand –1 oder+1 bringen. Diese besitzen eine geringereFluoreszenzintensität und das wird imSpektrum sichtbar als „Spitze“ nachunten. Die Lage der Resonanzfrequenzenkann durch ein externes Magnetfeld be-einflusst werden.

Untersucht man genauer, was eine resonan-te Mikrowellenstrahlung mit dem An-fangszustand mS=0 macht, erkennt man,dass sich der Zustand z.B. in den mS=–1entwickelt und wieder zurück. Das wirdsichtbar gemacht, indem man das NV-Zentrum mit einem kurzen Laserpuls inden Anfangszustand bringt (04a).

Während der Laser aus ist, schaltet mankurz die Mikrowellenquelle ein. Am Endeliest man mit einem weiteren Laserpulsden Zustand aus. Lässt man die Länge desMikrowellenpulses immer länger werden,erkennt man eine cosinusförmige Oszilla-tion der Fluoreszenzintensität (04a), dieRabioszillation.

Solche kohärenten Manipulationen, also sol-che bei denen der Ausgangszustand wiederhergestellt werden kann, werden in derQuantenmechanik mit unitären Transfor-mationen beschrieben, die als Drehungenum bestimmte Winkel interpretiert wer-den können. Anschaulich kann man dieseEntwicklung zwischen den beiden Zustän-den mS=0 und –1 auf einer Kugeloberflä-che, der Blochkugel, graphisch darstellen(04a), wie bei einem Qubit. Sie entsprichteiner Kreisbewegung entlang eines Längen-grades der Kugel angefangen beim Südpol,dem mS=0 Zustand hin zum Nordpol,dem mS=–1 Zustand. Wie in 04a zu er-kennen ist, sind die Pole mittlerweile nichtmehr mit den mS Niveaus beschriftet son-dern mit |0⟩ und |1⟩. Dies sind die zweiEigenzustände eines Qubits, welches durchdas NV-Zentrum dargestellt wird. Brichtman die Rabioszillation nach einer halbenPeriode ab, wurde die Besetzungswahr-scheinlichkeit komplett von einem auf dasandere Niveau übertragen, man sprichtvon einem Pi-Puls. Nach einer viertelPeriode wurde eine 50/50 Superpositionhergestellt, der für die Quantencomputer-Anwendung interessante Zustand, manspricht von einem Pi-halbe-Puls.

Neben den oben beschriebenen Gitter-schwingungen (Phononen) kann derQuantenzustand des NV-Zentrums auchdurch die Wechselwirkung mit anderenSpins in der Umgebung zerstört werden.Hier zeichnet sich Diamant speziell da-durch aus, dass sein elementarer Baustein,das Kohlenstoffatom (C), hauptsächlichals Isotop 12C vorliegt, welches keinenKernspin besitzt und somit das Diamant-gitter, bis auf den Anteil 13C (Kernspin 1/2),für die Qubits „unsichtbar” ist. Dies führtzu sehr langen Kohärenzzeiten (die Zeitdie ein Quantenzustand erhalten bleibt)von etwa 1 ms bei Raumtemperatur.

Der kleine Anteil an 13C Atomen ist nunaber kein Fluch, sondern kann sogar einSegen sein. Denn deren Kernspins stelleneine weitere Ressource von nützlichenSpins bzw. Qubits dar. Die einzelnen Kern-spins können zwar nicht direkt im opti-

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schen Mikroskop adressiert, jedoch kön-nen Sie durch ihre Hyperfeinwechselwir-kung mit dem Elektronspin gesteuert wer-den. Wie bereits weiter oben erwähnt weistdas NV Zentrum einen Elektronentriplett-Grundzustand auf (02a).

Durch ihre Wechselwirkung mit dem NV-Zentrum teilt jedes 13C Atom jede Liniedes Elektronenspinresonanzspektrums(02a) in zwei neue Linien mit einemAbstand, der von der Entfernung NV-13Cabhängt, auf (02c). Je kleiner dabei derAbstand ist, desto größer ist die Aufspal-tung der zwei Linien. Eine Linie repräsen-tiert den |1⟩-, die andere den |0⟩-Zustanddes Kernspins. Somit weist das Spektrumfür jede Einstellmöglichkeit der Qubits einEnergieniveau auf. Wählt man nun die Re-sonanzfrequenz einer dieser Linien aus,kann man nur für die entsprechendeKernspineinstellung den Elektronenspinbeeinflussen.

Die kohärente Manipulation der Kernspinserfolgt analog zum Elektronenspin überRadiowellenpulse, die auf die jeweiligenEnergieabstände abgestimmt sind und sodie einzelnen Übergänge selektiv treiben.

Quantencomputing mit Spins im Diamantfunktioniert also wie folgt: zunächst wirdmittels eines Lasers das System initialisiert,dann führt man eine Radio-/Mikrowellen-Pulssequenz, sozusagen das Programm,durch und liest schlussendlich den ge-wünschten Zustand wieder mit dem Laseraus (04b). Auf diese Art wurden bislangan der Universität Stuttgart zunächstkomplexe Quantenzustände aus mehrerenQubits hergestellt, die praktisch dieGrundlage für weitere Anwendungen, z.B.Quantenalgorithmen bilden. Diese Zu-stände werden nach Physikern, die erst-mals ihre besondere Rolle hervorgehobenhaben als Bell-, Greenberger-Horne-Zei-linger (GHZ)- und W-Zustände benannt.Dabei handelt es sich um die maximal ver-schränkten Zustände von zwei (Bell), bzw.drei (GHZ und W) Qubits.

Verschränkung ist eine Quanteneigenschaft,die beschreibt, dass bei der Messung einesQubits auch der Zustand des mit ihm ver-schränkten Qubits feststeht, egal wie weitdie beiden Systeme voneinander getrenntsind. Aus den Quantenzuständen lokalerQubits, d.h. Kernspins lassen sich dem-nach globale Quantenzustände herstellen,bei dem sich die Teilsysteme stets alsBestandteil des Gesamtsystems verhalten.Im Fall des GHZ Zustandes handelt es sich

um eine Drei-Teilchen Verschränkung,entfernt man ein Qubit, bleibt keine Ver-schränkung der anderen beiden zurück.Anders verhält es sich beim W-Zustand,bei dem die drei Qubits jeweils paarweisemiteinander verschränkt sind. Entferntman hier ein beliebiges Qubit bleibt einBell-Zustand der restlichen beiden Qubits.Wie man sieht, ist die Verschränkung beimW-Zustand wesentlich robuster gegenäußere Einflüsse als der GHZ-Zustand.

Die Herstellung maximal verschränkterZustände ist ein wichtiger Meilenstein aufdem Weg zu konkreten Quantenalgorith-men, die im Allgemeinen mehr als dreiQubits benötigen. Anhand des Bell Zu-stands Φ– soll nun das Vorgehen zur Er-zeugung und zum Nachweis von ver-schränkten Zuständen von Spins in Dia-mant näher erklärt werden. Der Zustandwird in zwei Schritten erreicht: Zunächstwird eine Superposition der Quantenzu-stände zweier Kernspins nämlich |01⟩ und|00⟩, mit einem Pi-halbe Mikrowellenpulshergestellt. Das System befindet sich nunim Zustand 1/√2(|00⟩ +|10⟩). Nun erfolgtein Pi-Puls auf den Übergang |01⟩ nach|11⟩. Danach sind wir im Zustand Φ– =1/√2(|00⟩ +|11⟩) angelangt (05a). Um nunnachzuweisen, dass man wirklich diegewünschte Kohärenz hergestellt hat, be-dient man sich sogenannter Ramsey-Fringes (s. 05b). Dazu ändert man dieFrequenz der Mikrowellen ein wenig undist dadurch nicht mehr exakt resonant mitdem Übergang. Die Abweichung der bei-

Erzeugung, Auslesen und derNachweis von Bellzuständen zwischenzwei 13C Kernspins am NV Zentrum.

Oben ist die entsprechende Pulssequenzdargestellt. Links sind die Energien der

Zustände und die sie verbindendenRadiofrequenzübergänge (RF1/2)

gezeigt. Rechts ist die Entwicklung vonBellzuständen als Schema und anhandvon Messdaten, den Ramsey-Fringes,

zu sehen.

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den eingesetzten Mikrowellenquellenbezeichnen wir mit Δω1 bzw. Δω2. Da-durch ist das Phasenverhältnis zwischenMikrowelle und Gesamtzustand nichtmehr konstant und der Spin beginnt sichrelativ zur Mikrowelle mit der FrequenzΔω=Δω1+Δω2 zu drehen. Die Frequen-zen der beiden Spins verbinden sich hierzu einer einzigen Frequenz, wodurch nocheinmal die Globalität des Zustands plaka-tiert wird. Diese Oszillation kann mandetektieren. Anhand der Phasenlageunterscheidet man, ob der Φ+ =1/ √2(|00⟩+|11⟩) oder der Φ– =1/ √2(|00⟩ +|11⟩)Zustand erzeugt wurde. Für die anderenbeiden Bell Zustände Ψ� =1/ √2(|10⟩�|01⟩) subtrahieren sich die beiden Fre-quenzen. Wäre keine Kohärenz erzeugtworden, würde man bei dieser Messungkeine Oszillation sehen.

Leider ist ein Quantenregister aus einem ein-zelnen NV-Zentrum gegenwärtig aufwenige Qubits beschränkt, da es bei klei-nen 13C Konzentrationen (1,1 Prozent istdas natürliche Vorkommen) sehr schwie-rig ist, mehrere 13C in der direkten Umge-bung eines NV-Zentrums zu finden. Er-höht man die 13C Konzentration verkürztman gleichzeitig die Kohärenzzeit. DerAusweg besteht in der gezielten Positionie-rung von 13C-Atomen oder der Kopplungmehrerer NV-Zentren. Dorthin führenzwei Wege, entweder man schafft es NV-Zentren so nahe beieinander (<10nm) zuerzeugen, dass sie direkt miteinander

wechselwirken, oder man koppelt sie op-tisch durch eine Resonatormode, in derLicht von NV-Zentrum zu NV-Zentrumgeführt wird und die Kopplung über-nimmt. In 03b ist schematisch der Auf-bau eines solchen Quantennetzwerks ge-zeigt, bei dem mehrere NV-Zentren durchInterferenz an einem Strahlteiler mitein-ander wechselwirken. Je nachdem, ob zweiPhotonen in einem räumlich symmetri-schen oder antisymmetrischen Gesamtzu-stand auf den Strahlteiler treffen, werdensie hinter dem Strahlteiler den gleichenWeg wählen, bzw. sich auf zwei verschiede-nen Wegen bewegen. Nun misst man, mitzwei Photodetektoren, wo Photonen auf-treffen. Sieht man in jedem Arm ein Pho-ton, sind die Quellen der Photonen mit-einander verschränkt, andernfalls ist diesnicht der Fall und man muss einen neuenVersuch starten. Auf diese Art und Weisekönnen im Prinzip beliebig viele NV-Zentren miteinander gekoppelt werden.Dies birgt allerdings immense technischeHerausforderungen, da die beiden Photo-nen am Strahlteiler völlig ununterscheid-bar sein müssen. Das bedeutet vor allem,dass sie ihn innerhalb eines sehr kurzenZeitfensters, das kleiner als die Zeitun-schärfe des Photons selbst sein muss, errei-chen müssen. Um so ein Netzwerk aufzu-bauen, müssen außerdem die NV-Zentrenkontrolliert in ihren Resonatoren erzeugtwerden. Dazu bedient man sich derIonenimplantation.

6. Deterministische Implantationvon Farbzentren

Schon jetzt sind mit eingebetteten Farbzen-tren verschränkte Zustände in Diamanthergestellt worden. Unser Ziel ist es aber,eine weit größere Zahl von solchen Qubitsin einem zukünftigen Festkörper-Quan-tencomputer zu nutzen. Natürlich einge-bettete Farbzentren sind nie so zueinanderpositioniert, dass gegenseitige Kopplungenfür eine Verschränkung genutzt werdenkönnen, denn die Wahrscheinlichkeit, dasssich solche NV Zentren in größerer Zahlgenau auf den richtigen Abständen befin-den ist praktisch Null. Die deterministi-sche Implantation von einzelnen Stick-stoffatomen wird z.Z. entwickelt, um eineuniversell einsetzbare Methode zu haben,die eine nm genaue Einzelatom-Dotierungermöglicht. Als ultra-kalte Quelle nutzenwir dabei eine lineare segmentierte Ionen-

a)Schema der deterministischenImplantation. Ionen werden aus derFalle mit einer Linse in das Diamant-substrat fokussiert. Zur Zeit ist anStelle der Ionenoptischen Linse einIonendetektor eingebaut. b) Bild der segmentierten Ionenfalle,die als deterministische Ionenquelledient. Diese Quelle ist 250mm vomDetektor entfernt ist. c) links: Zwei Ionen werden auf derCCD Kamera beobachtet und dannaus der Falle geschossen, der Detektorzeigt das Signal der Ionen nach etwa12 µs, was einer Geschwindigkeit von20000km/s entspricht. Rechts: EineIonenwolke wird aus der Falle geschos-sen. Signale der Ionen sind auf demDetektor zu messen.

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Philipp Neumann (r.) undFlorian Rempp (mitte vorn)studierten Physik an der Universität Stuttgart und promovieren dort am3. Physikalischen Institut.

Fedor Jelezko

(mitte hinten) hat in Minsk Physik studiert und an den Universität vonBordeaux I und der Belarusian State University in Minsk promoviert.Zwischen 1999 und 2000 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an derTU Chemnitz. 2000 bis 2007 war er wissenschaftlicher Angestellteram 3. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart. Seit 2007 ist erAkademischer Rat. 2006 verbrachte er im Rahmen des Forschungs-stipendium „Quantum Communication Victoria” in Melbourne. 2007lehrte er als Gastdozent an der Ecole Normale Supérieure de Cachan inFrankreich. 2008 erhielt er den Walter-Schottky-Preis der DPG.

Jörg Wrachtrup

(li.) studierte Physik an der FU Berlin. Dort promovierte er 1994 mit einer Doktorarbeit über Magnetische Resonanz an einzelnen Molekülen. Nach einer Postdoktorandenzeit am Institut für Physik der TU Chemnitz habilitierte er sich dort im Jahr 1998 mit einer Arbeit über OptischeSpektroskopie an einzelnen Quantensystemen im Festkörper. Er erhielt Rufe an die Universitäten Hamburg, Göttingen und Leipzig sowie Stuttgart. Seit Januar 2000 leitet er das 3. Physikalische Institut der Universität Stuttgart.

Ferdinand Schmidt-Kaler

(l.) studierte an den Universitäten Bochum, Bonn und München undschloss mit dem Diplom in Physik an der TU München ab. In seinerDoktorarbeit bei T.W. Hänsch am Max-Planck-Institut für Quanten-optik in Garching beschäftigte er sich mit Präzisionsspektroskopie anWasserstoff. Nach einer Post-Doc Zeit bei S. Haroche an der EcoleNormale Superieure in Paris wurde er Assistent bei R. Blatt im Insti-tut für Experimentalphysik Innsbruck und forschte dort an ultrakaltengespeicherten Ionen für einen Quantenprozessor. Seit 2004 ist er Leiterdes Instituts für Quanten-Informationsverarbeitung an der UniversitätUlm. Er erhielt den Helmholtz-Preis der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt Braunschweig, den Rudolf-Kaiser Preis, und ist seit2008 stellvertretender Vorsitzender der Fachgruppe Quantenoptik undPhotonik der DPG.

Kilian Singer

(m.) studierte Physik an der Universität Heidelberg und promovierte an der Universität Freiburg mit einer Doktorarbeit über ultrakalte RydbergAtome. Nach einer Postdoktorandenzeit am selben Institut ist er seit 2005 Assistent bei F. Schmidt-Kaler im Institut für Quanten-Informations-verarbeitung an der Universität Ulm (Akademischer Rat). Er wird seit Anfang diesen Jahres vom Eliteförderprogramm für Postdoktoranden derLandesstiftung Baden-Württemberg gefördert.

Wolfgang Schnitzler

(r.) studierte Physik an der Universität Ulm und promoviert dort am Institut für Quanten-Informationsverarbeitung.

Kontakt3. Physikalisches Institut, Universität StuttgartPfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel.: 0711/685-65278, Fax: 0711/685-65281, E-Mail: [email protected]

DIE AUTOREN

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falle, in der einzelne Ionen gefangen, ge-kühlt und identifiziert werden. Ist dierichtige Anzahl, z.B. ein einzelnes Ion vor-handen, wird eine Hochspannung ange-legt und das Ion deterministisch aus derFalle extrahiert. Durch die Laserkühlungkann ein Ion in Ort und Impuls auf diefundamentale Grenze der Heisenberg-schen Unbestimmtheitsrelation gekühltwerden, was typisch einer Wellenpaket-größe von wenigen nm entspricht. Dieextrahierten einzelnen Ionen müssen nurnoch durch eine Ionenlinse auf das Sub-strat geschickt werden, um dort einzelneFarbzentren erzeugen zu können. UnsereMethode ist universell, kann also mitjedem atomaren und sogar einer großenAnzahl molekularer Ionen arbeiten. Sieerlaubt die genaue Zahl von Dotierungs-atomen vorher einzustellen und dieräumliche Auflösung sollte nach unserennumerischen Simulationen eine Genauig-keit von etwa 5 nm erreichen können. Bis-her haben wir schon zeigen können, dassdeterministisch extrahierte Ionen nacheiner Entfernung von 250 mm in einemDetektor nachgewiesen werden können,und dass die Geschwindigkeitsverteilungtatsächlich sehr eng ist, sodass Ionen-opti-

sche Elemente sehr hohe Auflösung errei-chen.

7. Ausblick

Wir konnten in diesem Artikel zeigen, wieeinzelne Farbzentren im Diamantgittereingebaut, und für die Speicherung undVerarbeitung von Quantenzustände ge-nutzt werden. Mit zunehmender Miniatu-risierung elektischer und optischer Bau-elemente treten quantenmechanischeEffekte in den Vordergrund. Quanten-chemische Phänomene können gezieltgenutzt werden; die Quanteninforma-tionsverarbeitung und die Quantenkrypto-logie sind erste Schritte auf diesem Weg.Auch in der Metrologie, also bei Präzi-sionsmessungen physikalischer Größen,ermöglicht die Quantentechnologie ent-scheidende Verbesserungen. Aber nichtnur für zukünftige technologische Ent-wicklungen sondern auch für die Grund-lagenforschung ist die Quanteninforma-tionsverarbeitung in Festkörpersystemenhochinteressant. •

Fedor Jelezko, Philipp Neumann, Florian Rempp,Wolfgang Schnitzler, Kilian Singer,

Ferdinand Schmidt-Kaler, Jörg Wrachtrup