Qualität im (hyper)lokalen Bürgerjournalismus

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Institut fr Kommunikationswissenschaft Westflische Wilhelms-Universitt Mnster Wintersemester 2010/2011 Examensmodul

Bachelorarbeit

Qualitt im (hyper)lokalen Brgerjournalismus Quality in (hyper)local citizen journalism

Erstbetreuer: Prof. Dr. Christoph Neuberger Zweitprfer: Priv.-Doz. Dr. Armin Scholl

Vorgelegt von: Johannes Haupt Matrikelnummer 356306 1-Fach B.A. Kommunikationswissenschaft 5. Fachsemester Schmale Strae 17 48149 Mnster Telefon 0251 4199343 [email protected]

1. Einleitung 2. Brgerjournalismus 2.1 Entstehung und Entwicklung von Brgerjournalismus in Deutschland 2.2 Hyperlokaler Brgerjournalismus 2.3 Hyperlokaler Brgerjournalismus im Internet 2.4 Strukturelle Vielfalt im hyperlokalen Brgerjournalismus 2.5 Ebenen der Partizipation 3. Journalistische Identitt brgerjournalistischer Angebote 4. Qualitt im Journalismus 4.1 Konzeptualisierung journalistischer Qualitt 4.2 Spezifika von Qualitt im Lokaljournalismus 4.3 Spezifika von Qualitt im Online-Journalismus 5. Qualitt im (hyper)lokalen Brgerjournalismus 5.1 Vielfalt 5.2 Richtigkeit / Originalitt 5.3 Transparenz 5.4 Aktualitt 5.5 Nutzwert/Relevanz 5.6 Produktprsentation 5.7 Usability 5.8 Interaktivitt 6. Fazit 7. Literaturverzeichnis

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1. Einleitung Der professionelle Journalismus steckt in einer tiefen Krise, insbesondere Tageszeitungen stehen vielfach am wirtschaftlichen Abgrund. Um ber 15% brachen im Jahr 2009 die Anzeigenerlse der deutschen Tageszeitungen im Vergleich zum Vorjahr ein (vgl. Neises 2010). Werbegelder wandern ins Internet ab, wo Zeitungsverlage mit zahlreichen nichtjournalistischen Angeboten konkurrieren: Allein ein Drittel aller Online-Werbegelder vereinte im Jahr 2008 Google auf sich (vgl. Sterling 2009); Kleinanzeigenportale wie Craigslist und Stdteguides wie Qype.com locken Werbekunden mit zielgenauen Ansprachemglichkeiten. Auch und insbesondere Lokalzeitungen sind Leidtragende dieser Entwicklung, denn hufig sind es gerade ihre Anzeigekunden, die Werbebudgets umschichten. Hinzu kommen gesellschaftliche Wandlungsprozesse, im Zuge derer sich das individuelle Mediennutzungsverhalten verndert und die persnliche Relevanz von lokalen Ereignissen vielfach abnimmt. Lokalzeitungen mit ihren meist ohnehin eher geringen Auflagenzahlen und nichts desto trotz medienbedingt hohen Produktionsfixkosten befinden sich darum seit lngerem in einem Konzentrationsprozess: In den USA gab es schon im Jahr 1995 nur noch 36 Stdte mit mehreren Tageszeitungen, die gleichzeitig nicht alle demselben Unternehmen gehrten (vgl. usembassy.de 2010). Die aktuelle Zeitungskrise hat diesen Trend noch einmal verstrkt; im amerikanischen Detroit gibt inzwischen berhaupt keine tglich erscheinende Lokalzeitung mehr (vgl. Prez-Pena 2009). Whrend professioneller Lokaljournalismus also vor einer ungewissen Zukunft steht, bilden sich im Zuge der jngsten technologischen Entwicklungen neuartige publizistische Einheiten, die ausschlielich oder mageblich von sogenannten Laien getragen werden. Offene Online-Plattformen von regional verwurzelten Zeitungsverlagen wie die kalifornische The Northwest Voice - ein typischer Vertreter ultralokal ausgerichteter Nachrichtensites (Engesser 2008b: 119) versuchen sich ebenso wie eigenstndige Portale und Brgerblogs als zentrale Informations-, Publikations- und Diskussionsstelle fr Nachrichten aus der Nachbarschaft zu etablieren. Dass der amerikanische Nachrichtensender MSNBC in 2009 fr die bernahme des hyperlokalen Startups EveryBlock wohl mehrere Millionen US-Dollar ausgab (vgl. Tartakoff 2009), verdeutlicht die auch seitens Medienunternehmen in hyperlokale brgerjournalistische Online-Angebote gesetzten Hoffnungen. Das Aufkommen hyperlokaler Online-Angebote mit Nutzerbeteiligung wird allerdings auch kritisch verfolgt. So warnte die gemeinschaftlich von Journalisten, Medienaufsicht, Selbstkontrolle und Verlegern getragene Initiative Qualitt im Journalismus schon im Jahr 2006

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vor den Gefahren eines so genannten Brgerjournalismus (vgl. Initiative Qualitt 2006). Im Zusammenhang mit einer Beschreibung von sich nicht an journalistischen Arbeitstechniken orientierenden Brgerreportern bemngelt die Initiative Qualitt einen Qualittsverlust in den Medien infolge einer Partizipation von Laien: Die fahrlssige Inkaufnahme von Regelverletzungen beschdigt in jedem Fall die Qualitt der Medien, ihr Ansehen und ihre Glaubwrdigkeit (ebd.). Der Deutsche Journalisten-Verband uert sich sogar noch deutlicher: Brgerjournalismus schadet auf Dauer dem Qualittsprodukt Zeitung, so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken (DJV 2006). Es entwertet die Arbeit von Redaktionen, wenn Themenfindung und Recherche als Kernttigkeiten professioneller Redakteure von Laien erledigt wrden; Redaktionen bekmen auch ohne Brgerjournalisten ausreichenden Input, die Beteiligung von Laien sei nicht erforderlich (ebd.). Sowohl die Initiative Qualitt als auch der DJV unterstellen Brgerjournalismus eine im Vergleich zu professionell-journalistischer Arbeit mangelhafte Qualitt; durch oder unter Einbezug von Laien generierte Inhalte wrden Medien-Angebote nicht etwa bereichern, sondern seien der publizistischen Qualitt abtrglich. Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht, in welchem Sinne sich eine Nutzerbeteiligung tatschlich auf die Qualitt lokaler und hyperlokaler Onlinemedien auswirkt. Dabei wird eine Differenzierung von verschiedenen Ebenen der Mitarbeit von Laien an Medienprodukten vorgenommen, um mglichst przise Aussagen zu Qualittsvernderungen infolge von brgerjournalistischen Ttigkeiten treffen zu knnen. Dazu sind spezifische journalistische Qualittskriterien fr den Untersuchungsgegenstand herauszuarbeiten. Im Folgenden soll zunchst der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt und in einen greren zeitlichen und sozialen Kontext gestellt werden. Anschlieend erfolgt in Abschnitt 3 eine Diskussion des Journalismusbegriffs und seiner Anwendbarkeit auf eine publizistische Ttigkeit von Laien, bevor in Abschnitt 4 journalistische Qualitt und ihre Rahmenbedingungen und Ausprgungen im Internet sowie im lokalen Raum thematisiert werden. In Abschnitt 5 wird dann die spezifische Qualitt von hyperlokalem Brgerjournalismus anhand vorab erschlossener Qualittskriterien untersucht. Abschlieend erfolgt im Fazit eine Gesamtbetrachtung sowie eine kritische Reflektion der Ausarbeitung. 2. Brgerjournalismus Brgerjournalismus (engl. Citizen Journalism) hat zahlreiche Facetten und Ausprgungen, weshalb eine einheitliche Definition problematisch ist. Partizipative Vermittlungsformen und formate werden mit verschiedensten teils synonym zueinander gebrauchten Begrif-

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fen benannt, anderes herum werden teilweise unter gleichen Namen unterschiedliche Phnomene beschrieben (vgl. zusammenfassend Kopp/Schnhagen 2008: 80); in diesem Zusammenhang ist von einer Begriffshyperinflation (Engesser 2008a: 48) die Rede. Die weithin gebruchliche synonyme Verwendung der Begrifflichkeiten Brgerjournalismus und partizipartiver Journalismus (vgl. z.B. Lehmann 2010: 3, Rannikko 2010, Seelye 2005) soll auch im Rahmen dieser Bachelorarbeit vorgenommen werden. Es sei darauf verwiesen, dass die beiden Begrifflichkeiten in wissenschaftlicher Literatur teilweise zwar durchaus auch voneinander abgegrenzt werden in der Verwendung beispielsweise abhngig davon, ob professionelle Journalisten am Produktionsprozess der Inhalte beteiligt sind oder nicht (vgl. Paulussen 2007: 137, Nip 2006: 217f). Weil im Rahmen empirischer Studien (vgl. z.B. Schaffer 2007) ebenso wie in der Praxis wenn wie schon in Abschnitt 1 skizziert die Initiative Qualitt im Journalismus vor den Gefahren eines so genannten Brgerjournalismus (Initiative Qualitt 2006) durch von professionellen Redaktionen zur Partizipation aufgeforderte Leserreporter warnt - diese analytische Unterscheidung nicht vorgenommen wird, soll auch hier aus heuristischen Grnden auf eine Differenzierung verzichtet werden.

Gem einer auch vom DJV gefolgten (vgl. DJV 2007: 2) Begriffsbestimmung der amerikanischen Non Profit Organisation American Press Institute handelt es sich bei Brgerjournalismus umthe act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires (Bowman/Willis 2003: 9)

Dieser Definition inhrent sind bereits eine ganze Reihe normative Qualittsansprche beziehungsweise -kriterien: Unabhngigkeit, Richtigkeit, Zuverlssigkeit/Nachhaltigkeit, Vielfalt und Relevanz. Hinzu kommt ein Verweis auf die gesellschaftlich-funktionale Rolle von Brgerjournalismus im Rahmen von Demokratien. 2.1 Entstehung und Entwicklung von Brgerjournalismus in Deutschland Auf Grundlage der im vorigen Kapitel genannten Definition lassen sich erste Formen von Brgerjournalismus bereits im 19. Jahrhundert ausmachen. Unter dem Titel Eingesandt verffentlichten verschiedene deutsche Periodika schon damals Leserbriefe zu aktuellen Themen; auch und gerade lokale Ereignisse wurden diskutiert und oftmals an prominenter Stelle abgedruckt (vgl. Kopp/Schnhagen 2008: 79). Abseits von periodischen Massenmedien knnen erste Wurzeln des Brgerjournalismus sogar bereits im 16. Jahrhundert

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verortet werden, als Reformisten mittels in Eigenregie publizierter Flugbltter und Flugschriften ihren Unmut gegenber dem damals allmchtigen Klerus kund taten (vgl. Hooffacker/Lokk 2009: 10). Flugbltter sowie Plakate dienten auch in den folgenden Jahrhunderten einzelnen Brgern und Interessengruppen zur Artikulation: Vom 30jhrigen Krieg ber die deutsche Revolution 1848 bis hin zum Widerstand der Geschwister Scholl gegen das NS-Regime lsst sich eine lange Tradition von selbst verlegtem Brgerjournalismus nachzeichnen (vgl. ebd.: 12ff). In den spten 1960er Jahren entstanden in Deutschland innerhalb kurzer Zeit eine groe Zahl alternativer Zeitungen und Zeitschriften sowie freie Radios, die in der Regel unter das Konzept der Gegenffentlichkeit gefasst werden. Gemeint sind damit Aktionen, Strukturen und publizistische Ziele kritischer Teilffentlichkeiten beziehungsweise ihrer Publikationen, angefangen von der damaligen Studentenbewegung bis hin zu heutigen Nichtregierungsorganisationen (vgl. Engesser/Wimmer 2009: 44). Antrieb fr das publizistische Engagement ist dabei in der Regel die Unzufriedenheit einzelner gesellschaftlicher Gruppen mit den bestehenden Verhltnissen, verbunden mit dem Gefhl einer nicht ausreichenden Wrdigung der eigenen Anliegen in der bestehenden Medienlandschaft (vgl. ebd.: 46); im Fall einer individuellen publizistischen Ttigkeit ist hier gem der eingangs genannten Definition zweifellos von Brgerjournalismus zu sprechen. Dies gilt so pauschal freilich nur fr die Mikroebene: Professionell strukturierte Alternativmedien weisen zwar auf organisationaler Ebene durchaus partizipative Merkmale auf genannt sei hier die als Genossenschaft organisierte linksalternative taz (vgl. taz.de 2010) , eine individuelle publizistische Interessenartikulation ereignet sich jedoch nicht. Statt dessen erfolgt die Kommunikation hier durch professionelle Journalisten, welche mglichst aber nicht selbstverstndlich den Positionen der reprsentierten Teilffentlichkeiten beziehungsweise ihrer individuellen Akteure Publizitt verschaffen. So verffentlichte die taz im Dezember 2010 ein Gesprch zwischen Henryk M. Broder und Thilo Sarazzin, in welchem die Thesen aus Sarazzins Buch Deutschland schafft sich ab sowie die sich daran entzndete Debatte uerst wohlwollend thematisiert wurden (vgl. Serrao 2010). Das zweiseitige Interview zog viel berwiegend uerst negatives Feedback der taz-Leser nach sich, allein die Online-Version des Artikels wurde weit ber 100 mal kommentiert (vgl. Broder 2010). Infolge des Aufschwungs alternativer Medien bildeten sich in den letzten Jahrzehnten auch neuartige Print-Formate dediziert lokaler Prgung heraus, welche von professionelljournalistischen Publikationen offen gelassene inhaltliche oder geografische Lcken auffllten (vgl. Jonscher 1995: 73). Die mit der Verffentlichung verbundenen publizistischen

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und konomischen Zielsetzungen sowie Erfolge differierten dabei erheblich. Am nachhaltigsten etabliert haben sich die vorwiegend ab den 1970er Jahre gegrndeten Stadtmagazine, welche inzwischen zumeist kommerziell betrieben werden und weiche Nachrichten, Veranstaltungstipps und hnliches zu ihrem Verbreitungsgebiet beinhalten. 1994 gab es deutschlandweit 250 solcher Stadtmagazine (vgl. ebd.: 73f); der partizipative Charakter dieser Formate unterscheidet sich von Titel zu Titel, drfte infolge der Kommerzialisierung und einer damit einhergehenden organisationalen Professionalisierung insgesamt betrachtet aber eher abgenommen haben. Ebenfalls mit lokalem oder regionalem Fokus, aber primr aus politischen Grnden verlegt wurden sogenannte Stattzeitungen (sic!), Initiativzeitungen und Volksbltter, in denen (gem eingangs aufgefhrter Definition) klassischer Brgerjournalismus praktiziert wurde: Es handelte sich um Medien von Brgern fr Brger, die das rtliche Geschehen skizierten und diskutierten. Ebenso bekamen auch von der professionellen Lokalpresse nicht bercksichtigte Brgerinitiativen hier eine Mglichkeit zur Artikulation (vgl. ebd.: 73f, Hooffacker/Lokk 2009: 30). Innerhalb kurzer Zeit entstanden deutschlandweit zahlreiche alternative Lokalmedien mit Klein- und Kleinstauflagen, 1986 wurden mehr als 600 solcher Zeitungen und Zeitschriften verzeichnet; nach einer kurzen Hochphase ging die Zahl der Titel infolge der Selbstauflsung vieler politischer Gruppen aber massiv zurck (vgl. Hooffacker/Lokk 2009: 30f). Alternative Printmedien sind in Deutschland inzwischen nahezu vollstndig vom Markt verschwunden: Entsprechende Publikationen wurden entweder eingestellt oder lassen sich infolge einer nun gewinnorientierten Ausrichtung mittlerweile nicht mehr im politisch-partizipativen Sinne als alternativ bezeichnen (vgl. Httner/Nitz 2009: 39). 2.2 Hyperlokaler Brgerjournalismus Journalismus mit sublokaler beziehungsweise hyperlokaler Orientierung die beiden Begrifflichkeiten werden in der Wissenschaft synonym zueinander gebraucht (vgl. Engesser/Wimmer 2009: 48) zeichnet sich durch seine besonders kleinteilige geografische Orientierung aus. Statt ganzer Stdte bilden blicherweise Stadtteile, Wohngebiete oder Gemeinden das Zentrum hyperlokaler Berichterstattung; Inhalte und Leserschaft rekrutieren sich aus einem vergleichsweise kleinen Einzugsgebiet. Die Ausbildung von Medien mit hyperlokaler Orientierung ist zum einen vor dem Hintergrund des Bevlkerungswachstums insbesondere in deutschen Grostdten und damit einhergehenden Entfremdungstendenzen zu sehen: Die immer greren und fragmentierteren Stdte verloren im 20. Jahrhundert teil-

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weise ihre Integrationsfunktion, die Identifikation der Bevlkerung mit ihrer Stadt als Ganzes und infolge dessen das Interesse an lokaler Berichterstattung nahm ab. Statt dessen orientierten sich die Brger zunehmend an berschaubareren Lebenswelten wie ihrem Stadtteil. Zum anderen vollzog sich in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Pressekonzentration im lokalen Raum (vgl. auch Abschnitt 4.2 dieser Arbeit), infolge der sich viele der verbliebenen (Monopol)Zeitungen auf ein greres Einzugsgebiet fokussierten und sich inhaltlich entsprechend neu ausrichteten (vgl. Jonscher 1995: 30f). Schon in den 1970er Jahren beschrnkte sich nur noch jede fnfte Lokalzeitung auf die Berichterstattung zum Tagesgeschehen in einer einzigen Gemeinde, worunter Umfang und Tiefe der journalistischen Aufbereitung leiden (vgl. Bundesregierung 1978: 23). Seitdem hat sich diese Entwicklung fortgesetzt durch die fortwhrenden Konzentrationsprozesse, aber teilweise auch infolge des Medienwandels. Im Internet versuchen sich Lokalzeitungen tendenziell geografisch breiter aufzustellen als im Printbereich (vgl. Kretzschmar et al. 2009: 78), was einer professionell-journalistischen kleinteiligen Berichterstattung eher abtrglich ist. Angebots- und/oder nachfrageseitig entstehende Informationsdefizite im Bezug auf hyperlokale Berichterstattung begegneten ab den 1960er Jahren Stadtteilzeitungen ein Sammelbegriff, unter den sowohl Periodika fr Stadtviertel, Vororte und Trabantenstdte als auch etwa von Brgerinitiativen publizierte Brgerbltter mit Kleinstauflagen gefasst wurden (vgl. Bundesregierung 1978: 23). Auch Parteien begannen zu dieser Zeit mit der konzentrierten Grndung von sublokalen Medien, die oftmals als gedrucktes Brgerforum konzipiert waren: Die Leser sollten ihre Sorgen und Probleme in den Blttern artikulieren, welche dabei als Verbindungsglied zwischen Partei und Brgern fungieren und Anknpfungspunkte fr reale Gesprche und Diskussionen geben sollten (vgl. Jarren 1980: 47). In der Praxis scheiterten viele dieser Projekte aber auf der Mikroebene sowohl seitens der professionellen Redakteure als auch bei den Brgern gab es oftmals Berhrungsngste voreinander sowie gegenber dem offen ausgelegten Format; der partizipative Charakter dieser Stadtteilzeitungen war entsprechend oftmals gering (vgl. ebd.: 47f). 2.3 Hyperlokaler Brgerjournalismus im Internet Ein grundstzliches Problem bei der Publikation von Medien mit hyperlokaler Ausrichtung und entsprechend spitzer Zielgruppe ergab sich lange Zeit aus dem Trgermedium. Printerzeugnisse zeichnen sich konomisch durch hohe reichweitenunabhngig anfallende Fixkosten fr Redaktion oder zumindest Administration, Produktion und Vertrieb

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bei

niedrigen

Grenzkosten

und

infolge

dessen

kontinuierlich

sinkenden

Durchschnittskosten aus (Fixkostendegression; vgl. fr den Pressesektor z.B. Beck 2005: 133ff), was die Finanzierung von eher auflagenschwachen hyperlokalen Printmedien grundstzlich problematisch machte. Werbefinanzierten hyperlokalen Printangeboten macht im Wettbewerb mit reichweitenstrkeren Lokal- und Regionalzeitungen zudem die Systematik der Anzeigen-Auflagen-Spirale zu schaffen: Umso geringer die Auflage, desto niedriger die Werbeeinnahmen und desto kleiner entsprechend das Budget fr Verbesserungen am Medienprodukt, was wiederum einer greren Verbreitung im Weg steht (vgl. ebd.: 136f). Weil hyperlokale Angebote allerdings im Vergleich eine geografisch gezieltere Kundenansprache ermglichen und entsprechend mutmalich sowohl hhere Tausender-Kontakt-Preise verlangen knnen als auch fr einen greren Kreis an nur sublokal agierenden Anzeigekunden etwa fr den rtlichen Bcker interessant sind, drfte der Effekt der Anzeigen-Auflagen-Spirale hier nicht so gro ausfallen wie bei gleichartigen Medienprodukten mit geografisch breiterer Ausrichtung. Der technologische Fortschritt insbesondere die zunehmende Verbreitung des Internet hat die finanziellen Hrden fr Grndung und Betrieb eines publizistischen Produkts deutlich reduziert, was in den letzten Jahren in der Ausbildung zahlreicher neuartiger Medienformate im Internet resultierte (vgl. Kurpius et al. 2010: 360). Viele Geschftsmodelle wren ohne das Internet berhaupt nicht wirtschaftlich realisierbar: Gerade hyperlokale Inhalte mit naturgem meist sehr berschaubaren Zielgruppen lassen sich online wesentlich gnstiger bereitstellen als in gedruckter Form, wo eine Publikation vielfach unwirtschaftlich wre (vgl. Huber/Mller 2007: 306f). Kollaborative Formate profitieren in mehrfacher Hinsicht in besonderem Mae von der Digitalisierung. Fr Anbieter sind entsprechend automatisierte Portale besonders gnstig im Betrieb, weil neben der analog zu Printformaten an Laien ausgelagerten Contenterstellung hufig auch Kategorisierung/Strukturierung, Priorisierung und Qualittssicherung von der Gemeinschaft bernommen werden die Rede ist in diesem Zusammenhang von kollaborativen Filtern (vgl. ebd.: 315f). Brgerjournalisten profitieren im Internet von einem vereinfachten und rumlich sowie zeitlich weitgehend unabhngigen Zugang, direkterem und lebhafterem Austausch infolge von deutlich krzeren Zeitrumen zwischen Einreichung und Publikation von Beitrgen als bei Print, mehr Vielfalt durch potenziell unbegrenzten Platz sowie zumindest in technischer Hinsicht niedrigeren Hrden zur Partizipation (vgl. Schnbach 2008: 505, Engesser/Wimmer 2009: 44ff).

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In der Konsequenz vollzieht sich hyperlokaler Brgerjournalismus inzwischen vorwiegend im Internet allein in den USA gab es im November 2010 mehr als 800 Portale mit entsprechender Ausrichtung (vgl. kcnn.org 2010). Auch einige ehemals gedruckt publizierte Alternativmedien teilweise mit betrchtlicher Tradition wie etwa die 1980 gegrndete Nrtinger Stattzeitung erscheinen inzwischen nur noch online (vgl. Tichy/Werner 2009: 58f). Darum fokussiert sich auch die vorliegende Arbeit auf Qualittsaspekte von Brgerjournalismus im Internet, bercksichtigt dabei allerdings gleichermaen sogenannte konvergente kollaborative Medienangebote wie myheimat.de, wo ausgewhlte Online-Artikel in hyperlokal verteilten Anzeigenblttern mnden (vgl. Huber/Mller 2007: 306). Ein nachhaltiges Geschftsmodell fr Burgerjournalismus hat sich aber auch im digitalen Raum noch nicht herausgebildet. Selbst die mehr als zehn Jahre alte sdkoreanische Plattform Ohmynews mit 70 festangestellten Redakteuren, 70.000 Brgerreportern und 2,5 Millionen tglichen Besuchern eines der grten Medien des Landes und als lange Zeit profitables Angebot ein Vorbild fr viele gleichartige Portale ist infolge der Weltwirtschaftskrise und damit einhergehend deutlich zurckgegangenen Werbeeinnahmen inzwischen defizitr; im August 2010 musste die englischsprachige internationale Ausgabe der Seite eingestellt werden (vgl. Albrecht 2010). Eine Untersuchung der Geschftsmodelle von zehn hyperlokalen partizipativen Online-Angeboten in den USA kam zu dem Ergebnis, dass die Finanzierung von Brgerjournalismus allein ber den Werbemarkt gegenwrtig in der Regel nicht mglich ist die meisten hyperlokalen US-Portale werden im Wesentlichen von Stiftungen und sonstigen Non Profit Organisationen subventioniert. Auch in den nchsten Jahren werden sich hyperlokale Angebote wohl ber verschiedene Quellen finanzieren mssen, wobei es fr einen nachhaltigen Betrieb dieser Portale essentiell erscheint, Nutzer auch zu einem finanziellen Engagement zu bewegen (vgl. Kurpius et al. 2010). 2.4 Strukturelle Vielfalt im hyperlokalen Brgerjournalismus Die in den letzten Jahren entstandenen hyperlokalen Online-Portale mit brgerjournalistischer Frbung weisen auf verschiedenen Ebenen eine groe Diversitt auf. Publizistische und konomische Ziele der Betreiber differieren ebenso wie organisationale Strukturen, Beschaffenheit und Prsentation der Inhalte sowie Partizipationsmglichkeiten (vgl. Schaffer 2007: 10). Entsprechend schwer gestaltet sich eine Klassifizierung der zahlreichen Angebote. Das J-Lab ein Institut der American University School of Communication in Washington

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DC fhrte im Sommer 2006 eine Vollerhebung von hyperlokalen partizipativen Plattformen in den USA durch. Die ber 500 erfassten Angebote wurden in insgesamt sieben Kategorien gruppiert, wobei viele Projekte mehr als einer Gruppe zuzuordnen waren. Unterteilt wurden 1) hyperlokale Austausch- und Diskussionsplattformen 2) Plattformen, auf denen intern journalistisch geschulte Laien publizieren 3) Angebote unabhngiger professioneller Journalisten mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht 4) Hyperlokale Blog-Aggregatoren 5) Standardisierte Multi-Seiten Modelle 6) von etablierten Medienunternehmen betriebene Brgerjournalismusangebote 7) alleinstehende hyperlokale Angebote mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht (Vgl. Schaffer 2007: 13ff). Alle Formate finden sich auch in Deutschland. So werden Brger bei den teilweise auch online empfangbaren offenen Kanlen journalistisch und medientechnisch trainiert sowie betreut (vgl. z.B. Pla 2010), der Heddesheimblog von Hardy Prothmann ist ein Beispiel fr ein unabhngiges professionell-journalistisch betriebenes Angebot mit aktiver Einbeziehung der hyperlokalen Nutzerschaft (vgl. Winterbauer 2009). Als besonders genormtes und skalierendes hyperlokales deutsches Online-Angebot ist myheimat.de zu nennen, welches - bei gegenwrtigem Fokus auf einige wenige Bezirke, die mit Printausgaben bedient werden (vgl. myheimat.de 2009) Einstiegsseiten fr Orte in ganz Deutschland vorhlt. Deutsche Presseverlage betreiben verschieden konzeptionierte brgerjournalistische Angebote, etwa in Form von (Regio- oder Stadt-)Wikis oder Brgerblogs (vgl. Langer 2009). Auch lokale und hyperlokale Diskussionsplattformen gibt es in Deutschland, beispielsweise das von einem gemeinntzigen Brgerverein betriebene Angebot muenster.org. Spezialisierte Blog-Aggregatoren wie das US-Angebot greensboro101.com, wo hyperlokale Inhalte aus verschiedenen Stadtblogs auf eine Seite syndiziert werden, sind im deutschsprachigen Raum ebenfalls auszumachen; beispielhaft sei hier die bersichtseite portalweit zuletzt geposteteter Beitrge der im November 2010 gestarteten Blog-Plattform von hamburg.de genannt (vgl. blog.hamburg.de 2010). 2.5 Ebenen der Partizipation Besonders interessant gerade im Hinblick auf die dieser Arbeit zugrunde liegenden Frage nach der Qualitt von Brgerjournalismus im Vergleich zu professionellem Journalismus sind Unterschiede im Umfang der journalistischen Nutzerbeteiligung. Zur analytischen Differenzierung wurden dazu in den letzten Jahren verschiedene Modelle entworfen. So definierte Joyce Y. M. Nip fnf verschiedene Kategorien fr die Verknpfung von Journalismus und Publikum; zwischen den beiden extremen Polen Traditional Journalism und Citizen Journalism findet sich hier etwa der Public Journalism, also die versuchte Aktivierung und Einbeziehung des Publikums durch professionelle Journalisten (vgl. Nip

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2006: 216ff). Steve Outing identifizierte elf verschiedene Partizipationslevel angefangen von der Kommentierbarkeit journalistischer Beitrge ber hybride Arbeitsformen bis hin zu Wiki journalism wie wikinews.org, wo Nutzer Beitrge sowohl schreiben als auch editieren knnen (vgl. Outing 2005). J.D. Lasica nahm eine hnlich strukturierte Unterteilung vor, modellierte jedoch nur sechs verschiedene Kategorien (vgl. Lasica 2003). Sven Engesser hat die Klassifikationen von Outing und Lasica weiter entwickelt und zu einem autonomen Modell zusammengefhrt, anhand dessen im weiteren Verlauf dieser Arbeit die betrachteten Angebote klassifiziert und Untersuchungsergebnisse eingeordnet werden sollen. Engesser unterscheidet in seinem Ansatz nur noch drei Ebenen journalistischer Nutzerbeteiligung: Erstens die Mitarbeit von Laien bei der Zulieferung einzelner Beitragselemente beispielsweise Fotos , zweitens die Publikation ganzer Beitrge aus User Generated Content in einem redaktionellen Umfeld beziehungsweise mit professionellem Gatekeeping oder Gatewatching, drittens die Integration nativ partizipativer Medienformate wie Blogs oder Wikis in professionell-journalistische Websites ohne professionelle Moderation oder Untersttzung (vgl. Engesser 2008b: 113ff). Engesser interessierte sich in seiner auf der Klassifizierung aufbauenden Untersuchung fr das Spannungsverhltnis zwischen ausgebildeten Journalisten und Laien im Rahmen von professionell-partizipativen Angeboten; das erschwert die Einordnung von weitgehend automatisierten und redaktionell von den Nutzern selbstverwalteten Formaten wie myheimat.de. Im Hinblick auf den Grad der Nutzerbeteiligung sollen dergestalt strukturierte Angebote in dieser Arbeit auf die Ebene der Medienformate eingeordnet werden Engesser verfuhr analog, als er die 2006 inhaltlich noch ausschlielich von Laien verwaltete Readers Edition zu diesem Zeitpunkt ebenfalls der hchsten Partizipationsebene zurechnete (vgl. ebd.: 121). 3. Journalistische Identitt brgerjournalistischer Angebote Zur Beurteilung der Qualitt von hyperlokalem Brgerjournalismus im Internet anhand journalistischer Qualittskriterien muss zunchst einmal ermittelt werden, in wieweit von Laien (mit-)betriebene Angebote eine journalistische Identitt aufweisen. Der Begriff Brgerjournalismus impliziert ebenso wie die englische Bezeichnung Citizen Journalism bereits einen journalistischen Gehalt in mit Brgerbeteiligung entstandenen Inhalten. Dieser Umstand ist allerdings durchaus umstritten. Kopp/Schnhagen sprechen schon in der berschrift ihrer Untersuchung vom Rollenselbstbild sogenannter Brgerjournalisten und problematisieren die Begrifflichkeit auch im weiteren Verlauf ihres Beitrags: Laien knnten

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aus gesellschaftlich-funktionaler Sicht keine Vermittlungs- und Konzentrationsleistungen erbringen, statt dessen wrden lediglich Einzelinteressen in unberschaubarer Anzahl artikuliert (vgl. Kopp/Schnhagen 2008: 79f). Vorgeschlagen wird infolge dessen die Nutzung des Begriffs Laienpublizistik fr Angebote ohne professionell-journalistische Beteiligung (vgl. ebd.: 80) Portalen mit einer Nutzerbeteiligung auf der Ebene der Medienformate (vgl. Abschnitt 2.5) wird hier also eine journalistische Identitt abgesprochen. Eine funktionale Definition von Journalismus schlgt auch Klaus Meier vor:Journalismus recherchiert, selektiert und prsentiert Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Er stellt ffentlichkeit her, indem er die Gesellschaft beobachtet, diese Beobachtung ber periodische Medien einem Massenpublikum zur Verfgung stellt und dadurch eine gemeinsame Wirklichkeit konstruiert. Diese konstruierte Wirklichkeit bietet Orientierung in einer komplexen Welt (Meier 2007: 13)

Dieser Begriffsbestimmung scheint hyperlokaler Brgerjournalismus zumindest in einer Beziehung nicht zu gengen: Inhalte richten sich zumeist an ein sehr fragmentiertes Publikum und knnen entsprechend auch nur in einem eher kleinen Kreis zur Konstruktion einer gemeinsamen Wirklichkeit beitragen. Die erbringbaren Selektionsleistungen variieren im Einzelfall und ergeben sich vorwiegend aus der Mesoebene: Verfgen Online-Portale ber einen ausreichend intelligenten nutzergetriebenen Bewertungs- und Rankingmechanismus oder ber professionell-journalistische Gatekeeper beziehungsweise Gatewatcher, kann durchaus von einer Nachrichtenauswahl und Prsentation gem den definierten Anforderungen ausgegangen werden; auch die bernahme einer Orientierungsfunktion ist dann mglich. Ohnehin gestaltet sich eine klare Abgrenzung zwischen Journalismus und Nicht-Journalismus in vielen Fllen problematisch: Meier selbst fhrt an, man knne hufig nur von mehr oder weniger Journalismus sprechen (vgl. ebd.).

Thorsten Quandt hat im Rahmen seiner Untersuchung von Online-Redakteuren eine Begriffsbestimmung fr Journalismus im digitalen Raum aufzustellen versucht. Demnach bieten sich vier verschiedene Mglichkeiten zur Eingrenzung des (Online-)Journalismusbegriffs: Man knne eine normative Vorgabe zur Begriffsbestimmung machen, eine Nominaldefinition aufstellen, sich dem Begriff durch eine Explikation seiner Bestandteile und Bedeutungsdimensionen nhren oder aber ganz auf eine Definition verzichten und sozusagen stillschweigend einen Konsens ber das mit dem Begriff Gemeinte voraussetzen (vgl. Quandt 2005: 22f). Abgeleitet von einer multidimensionalen Untergliederung des Journalismusbegriffs durch Scholl, als Kombination von verschiedenen Anstzen aus Akteurs- und SystemPerspektive und erweitert um Online-Spezifika gelangt Quandt zu einer dreigeteilten Ar-

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beitsdefinition von Online-Journalismus als Grundlage fr seine Arbeit (vgl. ebd.: 40). Die journalistischen Aussagen im Online-Journalismus werden von professionell arbeitenden Kommunikatoren hergestellt, heit es darin zur Beschreibung von Online-Journalismus auf der Mikroebene (vgl. ebd.) publizistisch ttige Laien waren damit ausgeschlossen. Wie Meier schrnkt aber auch Quandt die Aussagekraft seiner Eingrenzung ein: Aus Raum- und Zeitgrnden sei eine umfassende Bestimmung nicht mglich gewesen, weiterhin handele es sich nur um eine Annhrung zur Erklrung des Grundverstndnisses in der singulren Arbeit. Zudem wandele sich das Forschungsfeld Online-Journalismus in einer solchen Geschwindigkeit, dass ohnehin jede Begriffsbestimmung nur kurze Zeit Bestand haben kann (vgl. ebd.: 39f). Neuberger et al. entwarfen zur Bestimmung journalistischer Online-Angebote eine angebotsbezogene Journalismusdefinition. Aus gesellschaftlich-funktionaler Perspektive wurde hier anders als von Kopp/Schnhagen partizipativen Formaten zumindest das Potenzial zugestanden, journalistische Vermittlungsleistungen zu erbringen (vgl. Neuberger et al. 2009a: 198f). In einem mehrstufigen Verfahren wurden die als potenziell journalistisch identifizierten Websites auf Publizitt (im Sinne von Erreichbarkeit), redaktionelle Autonomie, Aktualitt (relevante aktuelle Informationen), Periodizitt (regelmige Beitrge) und Universalitt (thematische Breite) hin untersucht; nur alle Merkmale aufweisende Angebote wurden als journalistisch gekennzeichnet (vgl. ebd.: 200ff). Daraus ergab sich eine Grundgesamtheit, die auch einige eindeutig partizipative Angebote enthielt, darunter neben verschiedenen Blogs welchen allerdings ein etwas differierendes Auswahlverfahren zugrunde lag unter anderem auch die Angebote de.wikinews.org und de.indymedia.org (vgl. ebd.: 221), wo eine Nutzerbeteiligung auf Ebene der Medienformate vorliegt (vgl. dazu Abschnitt 2.5). Zusammengefasst ist gegenwrtig eine uneinheitliche Beurteilung des journalistischen Charakters partizipativer Online-Angebote zu konstatieren die Bestimmung ist abhngig von den betrachteten Darstellungsformen oder konkreten Angeboten, aber auch von den Untersuchungen zugrunde liegenden Theorien. Das noch junge und sich kontinuierlich wandelnde Forschungsfeld in Kombination mit dem seit jeher uneinheitlich oder sogar widersprchlich konzeptualisierten Journalismusbegriff (vgl. dazu Quandt 2005: 23f) stehen einer Konsensdefinition im Weg. Wissenschaftliche Journalismusdefinitionen lassen sich bislang im Wesentlichen in zwei Kategorien unterteilen: Journalismus wird entweder aus Akteursperspektive oder aus einer systemorientierten Perspektive betrachtet (vgl. ebd.: 24). Eine ausschlielich oder zumindest unter anderem systemtheoretische Modellierung des Journalismusbegriffs lsst sich mit Ausnahme von

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Kopp/Schnhagen 2008 bei allen zuvor vorgestellten Definitionen ausmachen und erscheint auch im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Brgerjournalismus sinnvoll, der sich auf Akteursebene ja gerade durch seine Vielfalt auszeichnet. Fr die in Abschnitt 2.5 skizzierten Partizipationsebenen lsst sich festhalten, dass Angebote jeder der drei Ebenen eine journalistische Identitt aufweisen knnen. Funktionalen Journalismusdefinitionen weitgehend gemein und auch fr diese Arbeit als konstitutiv fr die journalistische Identitt eines Angebots erachtet ist eine notwendige Periodizitt und Aktualitt der publizierten Beitrge, was etwa (hyper-)lokale Brgerwikis wie das von der HNA betriebene Regiowiki (vgl. Regiowiki 2010) ausklammert. Solche strukturell nichtperiodischen Angebote weisen demnach keine journalistische Identitt auf, weshalb hier die nachfolgend ausgearbeiteten Qualittskriterien keine Anwendung finden knnen. 4. Qualitt im Journalismus Nachdem in den vorigen Abschnitten hyperlokale Online-Portale mit Nutzerbeteiligung in einen zeitlichen und sozialen Kontext eingeordnet und als zumindest potenziell journalistisch gekennzeichnet wurden, knnen partizipative Angebote nun anhand journalistischer Qualittskriterien untersucht werden. Dazu soll zunchst der Qualittsbegriff reflektiert werden, bevor auf Besonderheiten journalistischer Qualitt im Internet sowie in der Lokalberichterstattung einzugehen ist. In Abschnitt 5 wird dann anhand zuvor abgeleiteter konkreter Qualittskriterien die Qualitt von hyperlokalem Brgerjournalismus verschiedener partizipativer Ausprgungen diskutiert. 4.1 Konzeptualisierung journalistischer Qualitt Debatten zur Beschaffenheit und Beurteilung von Qualitt im Journalismus fanden vorwiegend in der jngeren Vergangenheit statt und wurden zumeist von auen und im Zusammenhang von singulren Ereignissen angestoen in Deutschland etwa durch die Rolle der Medien beim Geiseldrama von Gladbeck 1988, in den USA durch eine Problematisierung der Berichterstattung zur Lewinsky-Affre (vgl. Fabris 2004: 393f). Auch im Zuge der Einfhrung des dualen Rundfunksystems in den 1980er Jahren sowie im TV-Bereich damit verbunden der Kommerzialisierung der Massenmedien wurden Qualittsaspekte verstrkt beleuchtet (vgl. ebd.: 394). Die Beschftigung mit einzelnen mglichen Qualittskriterien wie Aktualitt oder der Trennung von Nachricht und Meinung hat dem gegenber eine lngere Tradition (vgl. ebd.: 400); normative Vorgaben zur anzustrebenden Beschaffenheit von Zeitungen gehen sogar bis ins 17. Jahrhundert zurck (vgl. Wilke 2003: 35f).

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In den letzten zwei Jahrzehnten wurden eine Vielzahl von Konzeptualisierungen und Theorien zu journalistischer Qualitt publiziert; bei aller Unterschiedlichkeit der Anstze aus fremden Fchern, aus der Kommunikationswissenschaft oder Journalistik sowie der Alltagstheorien von Praktikern herrschte dabei weitgehend Konsens ber die Vielschichtigkeit des journalistischen Qualittsbegriffs (vgl. Fabris 2004 403). Qualitt ist beobachterabhngig und variiert mit den rollenspezifischen Interessen und Ansprchen: Eine Differenzierung kann dabei etwa zwischen der Perspektive von Medienpraktikern, von Medienunternehmen, von medienexternen Reprsentanten etwa Lobbyisten , von medienexternen Experten beispielsweise Wissenschaftlern sowie der Perspektive des Medienpublikums erfolgen (vgl. Bucher 2003: 12f). Weil sich die Erwartungshaltungen von Anspruchsgruppen teilweise diametral zueinander verhalten, ist prinzipiell im Vorfeld einer Definition journalistischer Qualitt zu bestimmen, wessen Perspektive als mageblich betrachtet werden soll (vgl. Neuberger 2004: 34f). Ob jede der einzelnen Anspruchsgruppen ber ein entwickeltes Qualittsbewusstsein' verfgt, ist umstritten: Anhand der hohen TV-Einschaltquoten, Printauflagen und OnlineReichweiten fr qualitativ vermeintlich minderwertige Angebote liee sich etwa argumentieren, dem Publikum fehle es an Qualittsbewusstsein an dieser Stelle htte das Bildungssystem bei der Vermittlung einer hinreichenden Medienkompetenz versagt (vgl. Ru-Mohl 2008: 104). Dem liee sich allerdings wiederum ein Verweis auf die Beobachterabhngigkeit und Normativitt jeder Qualittsbestimmung entgegenhalten (vgl. ebd.: 102ff). Keine Bercksichtigung findet bei dieser Argumentation freilich der gesellschaftlich-funktionale Charakter von Journalismus. Wie die Beurteilungsperspektiven stellen sich auch die Bezugspunkte von Qualittskriterien, -ansprchen und -urteilen multidimensional dar: Fokussiert werden knnen gleichermaen der Herstellungsprozess beziehungsweise ihm zugrunde liegende Aspekte etwa die Ausbildung von Journalisten oder Recherchepraktiken , das daraus resultierende journalistische Gesamtprodukt wie auch dessen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Folgen (vgl. Bucher 2003: 13). Schweiger hat dazu sechs verschiedene Stufen medialer Bewertungsobjekte ausgearbeitet: Erstens den Akteur beziehungsweise den Urheber, zweitens die redaktionelle Einheit, drittens das Medienprodukt, viertens das Mediengenre, fnftens die Mediengattung und sechstens das Mediensystem (vgl. Schweiger 2007: 250). In wissenschaftlichen Anstzen sowie in Literatur aus der Praxis wird dabei hufig auf mehrere Ebenen Bezug genommen: Die DJV-Charta zu Qualitt im Journalismus etwa fordert infolge eines Verweises auf die Funktionen von Journalismus in der Gesellschaft

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eine fundierte Ausbildung von Journalisten ebenso ein wie professionelle organisatorische Arbeitsbedingungen und eine Trennung von Nachricht und Werbung (vgl. DJV 2002). Unabhngig von spezifisch definierten journalistischen Qualittskriterien wird in wissenschaftlichen Debatten vielfach die Meinung vertreten, Qualittsjournalismus habe konomisch einen schweren Stand: Weil es sich bei Medien um Erfahrungs- oder sogar Vertrauensgter handelt, deren Qualitt kaum vor Kauf beziehungsweise Rezeption beurteilt werden kann, stehen hohen Investitionen in Qualittsstandards gerade Anfangs nur geringe Mehrerlse entgegen Erfahrungswerte zur Qualitt von Medienangeboten bilden sich beim Publikum nur langsam aus (vgl. z.B. Altmeppen 2003: 119). Auch die berwiegende oder ausschlieliche Finanzierung der meisten Medienprodukte ber den Werbemarkt ist der Ausbildung eines Kosten- und in der Konsequenz eines Qualittsbewusstseins hinderlich (vgl. ebd.: 122). Entsprechend geht die zunehmende Kommerzialisierung der Medien sowie die zunehmend schwierigere Finanzierungssituation von Journalismus im besonderen Mae auf Kosten der Qualitt; zum einen direkt durch Personalabbau, zum anderen indirekt beispielsweise durch die Auflsung von strukturierenden Ressorts (vgl. ebd.: 116ff). konomisch lsst sich Qualittsjournalismus darum auch als meritorisches Gut charakterisieren: Qualitativ hochwertige Inhalte werden weniger nachgefragt und kommen entsprechend seltener vor, als es als gesellschaftlich wnschenswert erachtet werden kann (vgl. Neuberger 2004: 36). Daraus ergeben sich Forderungen nach politischen Eingriffen: Entweder durch bindende Vorgaben fr Qualittsstandards und Qualittsziele wie schon heute in der Schweiz vorzufinden (vgl. Wyss 2008: 128) oder durch staatliche Subventionen oder Steuervergnstigungen fr Eigentmerfamilien (vgl. Habermas 2007: 4). Auch hier lsst sich aber die Beobachterabhngigkeit des Qualittsbegriffs problematisieren RuMohl wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, warum Internet-User sowie Gratisund Bild-Zeitungsleser die Lieblingslektre von Professoren und anderen privilegierten Eliten mitfinanzieren sollten (vgl. Ru-Mohl 2008: 116). 4.2 Spezifika von Qualitt im Lokaljournalismus Eine Lokalzeitung beziehungsweise ein eigenstndiges lokales Angebot ist thematisch und strukturell nicht etwa die Miniaturausgabe einer geografisch breiter aufgestellten Publikation, sondern entsteht unter einzigartigen Rahmenbedingungen und hat spezifische Funktionen zu erfllen, anhand derer hufig die publizistische Qualitt beurteilt wird (vgl. Kretzschmar et al. 2009: 33).

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Als Ergebnis der zunehmenden Pressekonzentration insbesondere im Lokalen in diesem Zusammenhang auch Lokalkonzentration genannt (vgl. Tonnemacher 2003: 126) haben viele Tageszeitungen inzwischen eine Monopolstellung im Bezug auf Lokalinformationen inne. 2008 gab es in 239 von 413 deutschen Kreisen beziehungsweise kreisfreien Stdten nur einen einzigen gedruckten lokalen Informationsdienstleister, bundesweit kommen auf einen Zeitungskreis durchschnittlich lediglich 1,5 Publikationen unterschiedlicher Verlage (vgl. Schtz 2009: 481). Qualitt entsteht aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht blicherweise aus Wettbewerb (vgl. Ru-Mohl 2009: 104), umgekehrt wirkt sich die Lokalkonzentration Publikationen aus. Der Forschungsstand zu dieser Frage stellt sich uneinheitlich dar. Teilweise konnte Monopolzeitungen eine geringere Quellen- und Akteurstransparenz sowie ein allgemein geringeres publizistisches Niveau im Vergleich zu Wettbewerbszeitungen nachgewiesen werden, teilweise wird die lokale Konkurrenzsituation als weitgehend folgenlos fr die Qualitt erachtet, teilweise wird Monopolzeitungen sogar ein (zumindest struktureller) Vorteil attestiert: Gegenber den Objekten ihrer Berichterstattung seien sie in einer strkeren Position und knnten entsprechend unbefangener berichten als bei mehreren Zeitungen vor Ort, die Akteure bei der Zufhrung von Informationen gegeneinander ausspielen knnten (vgl. Kretschmar et al. 2009: 58). Ob Lokalmonopole aus Vielfaltsgesichtspunkten zudem per se kritisch zu beurteilen sind oder nicht etwa die Meinungsvielfalt innerhalb einer Publikation entscheidender ist, wird ebenfalls differenziert gesehen (vgl. ebd: 57). Der Selektionsdruck auf Lokalredakteure ist infolge des deutlich umfangreicheren Platzangebots als in anderen Ressorts wesentlich geringer, vielmehr ist die tgliche Befllung zahlreicher Seiten eine Herausforderung (vgl. ebd.: 109). Aus diesem Druck zur Produktion vieler Inhalte innerhalb kurzer Zeit und weil Agenturmeldungen nur selten einen lokalen Bezug haben ergibt sich, dass im Lokalteil in groem Umfang mit Pressemitteilungen gearbeitet wird und die eigene Meinung oder Stimmen Dritter vergleichsweise selten in die Berichterstattung einflieen (vgl. Namacher/Namacher 2007: 219). Hufig kommen mangelhafte Quellenverweise sowie eine fehlende redaktionelle Gegenprfung der Informationen hinzu, worunter Richtigkeit und Objektivitt der Inhalte leiden (vgl. Jonscher 1995: 6). Weil Lokaljournalisten sich weitgehend auf die Verarbeitung ihnen zugetragener Informationen beschrnken, sind Personen und Gruppen ohne professionelle Auendarstellung hier im besonderen Mae benachteiligt. demzufolge eher negativ auf die Qualitt der verbliebenen

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Anstelle einer hintergrndigen, sachlichen und differenzierten Berichterstattung dominierten insgesamt fassadenhafte, positivistische und personalisierte Beitrge den Lokaljournalismus, so der gegenwrtige Forschungsstand (vgl. ebd., Kretschmar et al. 2007: 54ff). Mit urschlich dafr ist auch die im lokalen Raum groe soziale und rumliche Nhe zwischen den Journalisten und den Objekten ihrer Berichterstattung: Aufgrund hier besonders starker Vertrauens- und Abhngigkeitsverhltnisse sowie bestehender privater Kontakte sind investigative Recherchen und Enthllungen im Lokaljournalismus eher selten (vgl. Hintze 2002: 112). Die negative Beurteilung der Qualitt von Lokaljournalismus beschrnkt sich dabei vorwiegend auf deutsche Publikationen. Im angloamerikanischen Raum etwa hat das Lokale traditionell einen hheren Stellenwert als die nationale oder internationale Ebene, die publizistische Landschaft ist geprgt von zahlreichen Community Papers mit Kleinstauflagen. Dort flieen die meisten Ressourcen in die Lokalberichterstattung, zudem bemhen sich viele Lokalzeitungen in den USA seit Jahrzehnten um einen greren Einbezug ihrer Leserschaft (vgl. Ru-Mohl 2009: 97ff). 4.3 Spezifika von Qualitt im Online-Journalismus Online-Journalismus weist hinsichtlich seiner Struktur, dem journalistischen Herstellungsprozess und der Produktprsentation eine ganze Reihe besondere Merkmale auf, welche sich auf die Qualitt auswirken. Teilweise ergeben sich daraus Chancen fr einen hherwertigen Journalismus, teilweise ist die publizistische Qualitt im Internet aber auch strukturell gefhrdet. Betrachtet man Qualitt aus der Nutzerperspektive und setzt sie mit der Popularitt von Inhalten gleich durchaus umstritten, wie in Abschnitt 4.1 skizziert , macht das Internet Qualitt besonders gut eruierbar: Kein anderes Medium ermglicht eine so exakte und schnelle Kontrolle ber die Reichweite einzelner Inhalte. Die Praxis hat in den letzten Jahren aber gerade bei werbefinanzierten Angeboten bereits die Kehrseite dieser Entwicklung gezeigt: Zum einen fand bei Online-Ablegern seriser Printpublikationen eine Boulevardisierung zugunsten einer hheren Reichweite statt, zum anderen werden Inhalte wie Bilderstrecken teilweise wenig nutzerfreundlich zerteilt beides mit dem Ziel einer Steigerung der werberelevanten Seitenaufrufe (vgl. Meier 2003: 247f). Verlage fokussieren sich auch deshalb in einem solchen Mae auf die Generierung von Werbeeinnahmen fr sich genommen momentan ebenfalls kein nachhaltiges Erlsmodell, wie in der Einleitung beschrieben , weil kostenpflichtige Inhalte gegenwrtig kaum

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angenommen werden. Einer in 2010 vom Pew Research Center durchgefhrten Befragung zufolge prognostizieren nur 15% der Entscheider in Verlagshusern, in der nchsten drei Jahren einen relevanten Teil ihrer Einnahmen mit Paid Content zu erzielen (vgl. journalism.org 2010). Dabei scheint es bei den Rezipienten grundstzlich eine Zahlungsbereitschaft fr OnlineJournalismus zu geben: Bei einer entsprechenden internationalen Befragung im Oktober 2009 (N=5083) gaben 63% der befragten Deutschen (n=1006) an, dass sie fr Onlinenachrichten auch zahlen wrden durchschnittlich 5 US-Dollar im Monat. Im Bezug auf die Inhalte liegt die grte Zahlungsbereitschaft fr Lokalnachrichten vor, als Anbieter werden berregionale und regionale/lokale Zeitungen gegenber reinen Online-Portalen prferiert (vgl. Boston Consulting Group 2009: 2ff). Dies ist auch ein Beispiel fr den Vertrauensvorschuss, welchen etablierten Medienmarken im vielfltigen und wenig strukturierten Internet haben; die aus den alten Medien bekannten Marken fungieren im digitalen Raum als Qualittsindikatoren (vgl. Bode 2010: 29). Eine mgliche Ursache fr die mangelhafte Akzeptanz von Bezahlmodellen bei gleichzeitiger Zahlungsbereitschaft in breiten Bevlkerungsteilen wird in gegenwrtig vorliegenden Mngeln bei Qualitt und Qualittstransparenz von Online-Angeboten bei einer gleichzeitig problematischen Finanzierungssituation gesehen: Verlage mssten mit Investitionen in qualittssteigernde Manahmen in Vorleistung treten und einen Qualittsvorsprung dann auch sichtbar machen, bevor Einnahmen aus Paid Content Angeboten generierbar sind (vgl. Neuberger 2004: 53f). Qualittsmindernd wirkt dabei die oftmals unsaubere Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten, die im Zuge von Content-Kooperationen und -syndikationen hufig in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander prsentiert werden oder sogar miteinander verknpft sind (vgl. Meier 2003: 249ff). Contentseitig wird weiterhin ein Mangel an Originalitt und Recherchequalitt konstatiert, weil sich viele verschiedene Redaktionen derselben Online-Recherchemethoden bedienen und in der Konsequenz gleiche und zuweilen wenig transparente und valide Quellen nutzen. (vgl. ebd.: 252f). Einer Anbieterbefragung von Neuberger et al. zufolge stellen Suchmaschinen und hier praktisch ausschlielich Google inzwischen zwar tatschlich ein essentielles Rechercheinstrument dar, welches alternative Zugangswege zu Quellen zudem teilweise verdrngt hat; die Recherche ber Google wird allerdings vorwiegend ergnzend zu konventionellen Recherchemethoden genutzt, Journalisten beurteilen die Verfgbarkeit von Suchmaschinen auerdem selbst als der publizistischen Qualitt frderlich (vgl. Neuberger et al. 2009b: 316ff). Auch die fr das Internet charakteristische stndige Aktualisierbarkeit von Webseiten ist Gefahr und Chance zugleich: Auf der einen Seite knnen Inhalte so stndig aktuell gehal-

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ten und um zustzliche Informationen angereichert werden. Auf der anderen Seite tritt durch den sich aus den technischen Mglichkeiten ergebenden Aktualittsdruck die Richtigkeit einer Meldung gegenber der Schnelligkeit ihrer Verffentlichung in den Hintergrund, was in mangelhafter Recherche und einer ungengenden berprfung der Fakten resultieren kann. Um sich diesem Aktualittsdruck zu entziehen, verzichten einige onlinejournalistische Angebote etwa faz.net als Manahme zur Qualittssicherung seit Jahren bewusst auf die Angabe einer Publikationszeit bei neuen Beitrgen (vgl. Gaube 2003: 346). Neben der permanenten Aktualisierbarkeit haben drei weitere zentrale Kennzeichen vom Internet direkten Einfluss auf Rahmenbedingungen und Beschaffenheit von Qualitt im Online-Journalismus: Hypertextualitt, Multimedialitt und Interaktivitt. Aus der Hypertextualitt ergibt sich ein Selektionsdruck auf die Nutzer, der auf Angebotsseite eine ansprechende Prsentation sowie die Attraktivitt smtlicher Inhalte erforderlich macht die Kupplung vermeintlich qualitativ hochwertiger und kulturell wertvoller, aber wenig nachgefragter Artikel mit seichten, aber populren Inhalten ist im Internet nicht mglich. Weiterhin bieten Hypertexte zwar weniger Halt und Orientierung als statische (Print-)Seiten, ermglichen ber sinnvolle Verknpfungen zu weiterfhrenden, hintergrndigen und einordnenden Informationen aber eine Steigerung des Nutzwerts und damit der Qualitt von Inhalten (vgl. Seibold 2002: 13ff). Gleiches gilt fr die im digitalen Raum mgliche umfassende Verknpfung von Schrift, Bild und Ton im Verbund mit einem technisch unbegrenzten Raumangebot (vgl. ebd.: 16f), welches auf journalistischen Websites etwa die Aufwertung von Nachrichtentexten durch groformatige Fotos und hochauflsende Videos erlaubt. Durch eine Integration mehrerer verschiedenartiger Prsentationselemente lassen sich ganz neue journalistische Darreichungsformen realisieren: Die Visualisierung der von der Enthllungsplattform Wikileaks im November 2010 publik gemachten US-Diplomatendokumente auf Spiegel Online ist ein Beispiel dafr, wie mittels multimedialer Aufbereitung Komplexitt reduziert und auch umfangreicher Inhalt erfassbar gemacht werden kann (vgl. Spiegel Online 2010). Eine Multimedialisierung journalistischer Online-Inhalte kann allerdings auch nicht pauschal als qualittsfrderlich beurteilt werden; zu viele, qualitativ minderwertige, falsche oder auch mangelhaft integrierte audiovisuelle Elemente knnen die Gesamtqualitt vielmehr auch mindern und das Nutzungserlebnis beeintrchtigen. Die multimediale Strukturierung der 251287 Depeschen auf Spiegel Online ist als Interaktiver Atlas (ebd.) gekennzeichnet; vielmehr handelt es sich bei dem Angebot aber um ein selektives Element, weil hier keine wechselseitige Kommunikation zwischen aufeinander Bezug nehmenden Akteuren erfolgt (vgl. zum Interaktivittsbegriff Neuberger

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2007: 34ff). Aber auch die vielfltigen Mglichkeiten eines Austauschs zwischen Nutzern untereinander sowie mit Redakteuren stellen zentrale Alleinstellungsmerkmale vom Online-Journalismus gegenber anderen Medienformen dar. Determinanten wie eine (technisch mgliche, aber nicht immer realisierte) unmittelbare Publikation von Kommentaren und Diskussionsbeitrgen sowie das unbegrenzte Raumangebot ermglichen im Internet einen einzigartigen interpersonalen Austausch. Daraus kann sich ein Qualittsgewinn auf drei Ebenen ergeben: Erstens ein Mehrwert fr die Rezipienten, denen hier Raum zur Artikulation gegeben wird; zweitens eine Aufwertung fr das Online-Angebot, etwa weil vielfltigere Perspektiven abgebildet werden; drittens auf der Ebene des journalistischen Handelns, wo der Kommunikator ein direktes Feedback zu seiner Arbeit bekommt (vgl. Meier 2003: 255ff). 5. Qualitt im (hyper)lokalen Brgerjournalismus Qualittsbegriffe sind grundstzlich normativ (vgl. Vlasic 2004: 28), und so gibt es in der Wissenschaft eine Vielzahl verschiedenartiger Kriterienkataloge zur Beurteilung von publizistischer Qualitt fr unterschiedliche Medien. Viele Kataloge sind allerdings kaum theoretisch begrndet, zudem mangelt es an Trennschrfe. Weiterhin lsst sich die oftmals vorgenommene Gleichsetzung von Qualitt mit geltenden Berufsnormen problematisieren, weil diese nicht zwingend den gesellschaftlichen beziehungsweise rezipientenseitigen Erwartungen zu entsprechen haben (vgl. Neuberger 2004: 36f). In diesem Zusammenhang ist auch die in Abschnitt 4.1 beschriebene Perspektivenabhngigkeit von Qualitt relevant. Wenngleich auch kein wissenschaftlich aufgestellter Kriterienkatalog Allgemeingltigkeit und allseitige Akzeptanz fr sich beanspruchen kann, so gibt es zumindest eine begrenzte Anzahl immer wieder genannter Qualittskriterien (vgl. Beck et al. 2010: 42). Beck et al. fhrten eine Metaanalyse von acht Kriterienkatalogen durch und konnten dabei ein Set von 15 Qualittskriterien ermitteln, die in sieben der acht Kataloge aufgestellt fr verschiedene Medien und mit verschiedenen Verfahren genannt wurden: Aktualitt, Objektivitt, Transparenz, Originalitt, Vielfalt, Relevanz, Professionalitt, Akzeptanz, Rechtmigkeit, Richtigkeit, Vermittlung, Ausgewogenheit, Vollstndigkeit, Wahrhaftigkeit und Unterhaltsamkeit (vgl. ebd: 24f). Bei dieser Untersuchung nicht bercksichtigt wurde der Ansatz von Klaus Meier: Meier entwarf einen internetspezifischen Kriterienkatalog und differenzierte dabei zwischen den Qualitten vom journalistischem Herstellungsprozess und vom publizistischem Produkt, wobei es sich eher um eine analytische als um eine faktische Trennung handelt (vgl.

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Meier 2003: 249). Hinsichtlich der Produktqualitt wurden dabei Aktualitt, Vielfalt, Richtigkeit/Originalitt, Transparenz, Interaktivitt, Trennungsnorm, Verstndlichkeit, Usability, Accessibility (Barrierefreiheit), Spannung/Sinnlichkeit/Anschaulichkeit prsentation), Nutzwert und Transparenz herausgearbeitet (vgl. Meier 2005: 5ff). Aus forschungspraktischen Grnden fokussiert sich die nachfolgende Untersuchung auf die sich hier berschneidenden und damit als konsensual betrachteten Qualittskriterien Vielfalt, Richtigkeit/Originalitt, Nutzwert/Relevanz, Aktualitt und Transparenz. Weiterhin im Zusammenhang mit der Forschungsfrage als besonders interessant erachtet und darum ebenfalls nachfolgend diskutiert sind die vor allem im Zusammenhang mit OnlineJournalismus thematisierten Qualittskriterien Produktprsentation, Usability und Interaktivitt, die im Hinblick auf die im vorigen Abschnitt skizzierten technischen Potenziale vom Internet sowie hinsichtlich der spezifischen Anforderungen an Lokaljournalismus eine besondere Bedeutung haben. Im Wesentlichen wird die Qualitt auf der Angebotsseite untersucht, gelegentlich aber auch auf die Publikumssicht verwiesen. Das Vorgehen lsst sich heuristisch damit erklren, dass in Befragungen zumindest eine hohe bereinstimmung zwischen den Qualittskriterien von Nutzern und professionell-journalistischen Akteuren festgestellt wurde (vgl. Neuberger 2003: 134ff) und der Einbezug des Publikums in die Untersuchung von Brgerjournalismus gerade unter partizipativen Gesichtspunkten einen Erkenntnisgewinn verspricht. Weil sich hyperlokale brgerjournalistische Angebote in ihrer Struktur erheblich unterscheiden (vgl. Abschnitt 2.4) und entsprechend keine allgemeinen Aussagen zur Qualitt dieser Projekte getroffen werden knnen, sollen die in Abschnitt 2.5 beschriebenen drei Ebenen der journalistischen Nutzerbeteiligung nach Engesser - Beitragselemente, Beitrge und Medienformate - nachfolgend zur Differenzierung der Produktqualitten dienen. 5.1 Vielfalt Eine vielfltige Berichterstattung gilt weithin als Grundlage und zentrales Bestimmungskriterium fr Qualitt im Journalismus, dem weitere Kriterien nachgelagert beziehungsweise untergeordnet sind (vgl. Meier 2003: 258, Arnold 2009: 59). Teilweise wird Vielfalt sogar staatlich-regulativ eingefordert: In der Schweiz haben sich neue Rundfunkanbieter dazu zu verpflichten, fr eine ausreichende Themen-, Meinungs- und Akteursvielfalt in ihrem Programm Sorge zu tragen (vgl. Wyss 2008: 128). Abgesehen von dieser angebotsbezogenen Perspektive lsst sich Vielfalt auch noch auf der Ebene des Mediensystems beziehungsweise des Verbreitungsgebiets betrachten (vgl. Meier 2003: 258). (Produkt-

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Brgerjournalismus im Internet kann in verschiedenen Dimensionen einen Beitrag zu mehr Vielfalt leisten. Auf Systemebene knnen brgerjournalistische Angebote Themen in die ffentlichkeit tragen, welche in der konventionellen Medienlandschaft keine Stimme haben; in Indien beispielsweise die systematische Benachteiligung bestimmter Minderheiten und sexuelle Belstigungen von Frauen (vgl. Sonwalkar 2009: 83). Auf supranationaler Ebene erffnen etwa palstinensische Brgerjournalisten neue Einblicke auf den Nahostkonflikt sowie auf das alltgliche Leben in den sogenannten besetzten Gebieten. Zahlreiche Blogs sowie die kollaborative Nachrichtenseite www.electronicintifada.net sind in englischer Sprache gehalten und adressieren mit ihren Nachrichten und Kommentaren dediziert ein internationales Publikum (vgl. Zayyan/ Carter 2009: 87ff). Im lokalen Raum lassen sich brgerjournalistische Online-Angebote funktional in die Tradition der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Alternativmedien stellen, wenngleich Portale wie myheimat.de aus anderen (konomischen statt politischen) Grnden betrieben werden. Meinungsvielfalt ist gerade im Lokalen ein als besonders wichtig erachteter Qualittsaspekt: Brger erhoffen sich vom Lokalteil ihrer Zeitung beziehungsweise von lokalen Angeboten Untersttzung bei der individuellen Meinungsbildung. Dazu sollen divergierende Meinungen von verschiedenen Akteuren gegenbergestellt werden; statt einer rein reaktiven Berichterstattung wird von Lokalmedien erwartet, Diskussionen aktiv voranzutreiben (vgl. Von Saldern 2003: 252) Tatschlich kommen Leserbeitrge und kontroverse sowie meinungsgefrbte redaktionelle Artikel in Lokalzeitungen allerdings wesentlich seltener vor als in berregionalen Publikationen (vgl. Hintze 2002: 101ff) Im Verbund mit der in Abschnitt 4.2 beschriebenen Lokalkonzentration und der groen sozialen Nhe zwischen Journalisten und den Akteuren ihrer Berichterstattung sowie bestehenden Abhngigkeitsverhltnissen kommt Brgermedien gerade auf lokaler Ebene eine groe Bedeutung bei der Gewhrleistung einer publizistischen Vielfalt vor Ort zu. ber offene Online-Plattformen knnen Sachverhalte thematisiert beziehungsweise aus einer neuartigen Perspektive beleuchtet werden, die im professionell-journalistischen (Monopol)Angebot keinen Raum bekommen. Kommentare machen einen groen Teil der Inhalte auf partizipativen Online-Angeboten aus (vgl. Schaffer 2007: 23), welche hier das schon beschriebene Defizit an Meinungsvielfalt in den professionell-journalistischen Lokalmedien ausfllen. Auch mit Pressearbeit wenig vertraute Akteure haben die Mglichkeit, sich ber einfach zugngliche brgerjournalistische Angebote Publizitt zu verschaffen. Das Medium Internet gewhrleistet in diesem Zusammenhang kommunikatorseitig einen einfachen und weitgehend barrierefreien Publikationsprozess; auf Angebotsseite ist das technisch unbe-

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grenzte Platzangebot kennzeichnend, welches eine einzigartige publizistische Vielfalt ermglicht. Auch aus geografischer Sicht: Im digitalen Raum knnen Themen publizistisch behandelt werden und erhhen somit die Themenvielfalt, die aus den in Abschnitt 2.3 beschriebenen konomischen Grnden in gedruckter Form nicht journalistisch erfasst worden wren. Die Ausprgung der publizistischen Vielfalt eines Online-Angebots variiert dabei mit dem Grad der Nutzerbeteiligung am journalistischen Publikationsprozess. Bei einer Nutzerbeteiligung auf Ebene der Medienformate etwa bei myheimat.de, wo keine redaktionelle Bearbeitung der online publizierten Beitrge erfolgt liegt beim Blick auf das gesamte Angebot die grte Vielfalt vor; bei Seiten dieses Typs ist auch von einer grten Bereicherung der Vielfalt im Bezug auf das (lokale) Mediensystem auszugehen. Allerdings stellt sich in beiden Fllen die Frage der Visibilitt: Eine automatisierte Anzeige besonders populrer oder gut bewerteter Beitrge auf der Startseite beziehungsweise in anderen stark frequentierten Seitenbereichen wie etwa bei myheimat.de (vgl. myheimat.de 2010a) schrnkt die Sichtbarkeit weniger populrer Themen und Meinungen ein. Auch die automatische Platzierung der zuletzt verffentlichten Beitrge an erster Stelle geht zu Lasten von eher sporadisch artikulierten kritisch zu beurteilen. Weiterhin ist hier die Akteurs- und Meinungsvielfalt innerhalb einzelner Artikel zu hinterfragen: Eine neutrale oder zumindes ausgewogene, verschiedene Positionen vorstellende und abwgende Berichterstattung ist zumeist berhaupt nicht die Intension von brgerjournalistischen Autoren, wie etwa eine Befragung unter Mitgliedern der von der Rheinischen Post betriebenen Brgerplattform opinio.de ergab statt dessen steht die bloe Artikulation der eigenen Meinung im Vordergrund (vgl. Kopp/Schnhagen 2008: 87). Bei Partizipation auf Beitragsebene also bei einer berprfung und gegebenenfalls berarbeitung, Sperrung oder Nicht-Freigabe von Laien eingereichter Artikel durch professionelle Journalisten fllt die Vielfalt insgesamt geringer aus. Das sdkoreanische Brgerjournalismusportal Ohmynews etwa lehnt rund 30% aller eingereichten Beitrge ab, weil sie zum Beispiel nicht den eigenen Mindestanforderungen hinsichtlich Informationsgehalt und Faktentreue gengen (vgl. Riefler 2006: 3) das kommt der Nutzbarkeit der Plattform zugute (vgl. auch Abschnitt 5.7), ist aber mit Einschnitten bei der Vielfalt verbunden. Auf der Ebene der Beitragselemente schlielich ist die durch Brgerjournalisten generierte Vielfalt am geringsten. Das ist vor allem dem strikten Selektionsprozess der Nischenthemen und Minderheitsmeinungen. Solche Algorithmen begnstigen dominante Positionen und sind aus Vielfaltsgesichtspunkten

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professionell-journalistischen Akteure geschuldet: Die BILD-Zeitung etwa druckte bislang nur knapp 2% der ihr zugesandten Leserreporter-Fotos ab (Bouhs 2010). Zudem kommen bei der Auswahl professionell-journalistische Selektionsmechanismen zum Tragen, partizipative Inhalte werden hufig wenig sichtbar eingebunden (vgl. zu BILD Leserreporter-Fotos Engesser et al. 2010: 141ff), Themenwahl und -ausarbeitung liegen in redaktioneller Hand das Plus an Vielfalt ist insgesamt als niedrig einzustufen. 5.2 Richtigkeit/Originalitt Glaubwrdigkeit ist eine zentrale Anforderung von Rezipienten an Nachrichtenangebote: Erwartet werden vertrauenswrdige Informationen, die nicht noch einmal eigenstndig auf ihren Wahrheitsgehalt berprft werden mssen. Ob Brgerjournalisten Inhalte von einer solchen Qualitt berhaupt generieren knnen beziehungsweise ob es eine grundstzliche Nachfrage nach entsprechenden nicht professionell-journalistisch verifizierten Informationen gibt, ist umstritten (vgl. Schnbach 2008: 506) eine vergleichende Inhaltsanalyse von Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica ergab, dass zumindest bei Enzyklopdien kollaborative Projekte eine hnliche groe inhaltliche Richtigkeit wie professionelle Publikationen aufweisen knnen (vgl. Lehnen-Beyel 2005). Im Bezug auf die Originalitt und Richtigkeit von Inhalten weisen zudem professionelle Angebote insbesondere im lokalen Raum eine eher niedrige Qualitt auf; wie in Abschnitt 4.2 ausgefhrt ist etwa die bernahme von Informationen aus Pressemitteilungen ohne Verifizierung ihrer Richtigkeit eine gngige Praxis in vielen Lokalredaktionen. Weil die Richtigkeit von Informationen beziehungsweise die Gesamtqualitt eines Medienprodukts nicht sofort ersichtlich ist (vgl. Abschnitt 4.1) und im Internet auch viele journalismushnliche Akteure vertreten sind (vgl. Neuberger 2004: 42), haben Medienmarken hier eine besonders groe vertrauensbildende Wirkung. Bekannte Marken fungieren als Qualittssignal fr die Richtigkeit von Inhalten (vgl. Abschnitt 4.3). Das gilt auch fr die von renommierten Medienhusern betriebenen brgerjournalistischen Angebote mit oder ohne hyperlokale Ausrichtung. Auch bekannte Medienmarken knnen aber nicht mehr als ein Indikator fr die Richtigkeit der publizierten Informationen sein. Im Oktober 2008 etwa stellte ein Brgerreporter auf der von CNN betriebenen offenen Nachrichtenplattform iReport.com die falsche Nachricht ein, der Apple-CEO Steve Jobs habe einen Herzinfakt erlitten und befinde sich gegenwrtig auf der Intensivstation. Innerhalb weniger Minuten brach der Aktienkurs von Apple ein, der Firmenwert sank um fast fnf Milliarden US-Dollar. Infolge eines offiziellen Dementis von Apple lschte CNN die Meldung von seiner Website, der Image-Schaden und Vertrauensverlust fr iReport.com sowie fr die Muttermarke war jedoch bereits

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betrchtlich (vgl. Allan/Thorsen 2009: 2f). Der Fall ist ein Beleg fr die generell unsichere Richtigkeit von Nachrichten bei Angeboten wie iReport.com oder auch myheimat.de, wo eine Nutzerbeteiligung auf Ebene der Medienformate vorliegt. Bekannte Marken und kollaborative Filter wie Bewertungen der Autoren stellen zwar Indizien fr die Einordnung von Nachrichten dar, knnen aber keine Sicherheit geben. Das Beispiel iReport zeigt, dass auch Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsrichtlinien bei einer allenfalls reaktiven professionellen Qualittskontrolle (nach Meldung von Beitrgen durch Nutzer) keinen Schutz vor Falschmeldungen gewhrleisten knnen. Im Vergleich zu Wikipedia fehlt zudem brgerjournalistischen Angeboten gerade im hyperlokalen Raum mit den damit verbundenen kleinteiligen Zielgruppen von Inhalten die erforderliche kritische Lesermasse fr eine effiziente nutzergetriebene Kontrolle der Richtigkeit von Informationen. Findet eine professionell-journalistische berprfung von Fakten oder zumindest ein geregeltes Screening neu eingereichter Beitrge statt, ist von einer greren Validitt der Inhalte auszugehen. Obgleich aufgrund der im hyperlokalen Raum vorliegenden besonders groen Originalitt (vgl. Kopp/Schnhagen 2008: 88) aus praktischen Grnden keine Verifizierung smtlicher Informationen mglich ist, so lsst sich schon durch die bloe Existenz einer solchen moderativen Instanz sowie durch eine zumindest oberflchliche Kontrolle die Validitt von Informationen einer Seite deutlich erhhen. Bei einer Nutzerbeteiligung lediglich auf Ebene der Beitragselemente ist die Richtigkeit und Originalitt am hchsten anzusiedeln vorbehaltlich der redaktionellen Arbeitspraxis im Einzelfall, welche wie skizziert gerade im Lokaljournalismus teilweise mangelbehaftet ist. Grundstzlich wird aber selbst von myheimat.de Geschftsfhrer Martin Huber nicht in Zweifel gezogen, dass eine professionelle Nachrecherche dem Wahrheitsgehalt von brgerjournalistischen Nachrichten generell zutrglich ist (vgl. Langer 2009). Leserbeitrge wie Fotos oder Augenzeugenberichte etwa von Unfllen in der Nachbarschaft knnen professionellen Nachrichten ein ganz neues Ma an Originalitt verleihen, wobei sich auch hier hufig die Richtigkeit der brgerjournalistischen Einreichungen nicht mit absoluter Sicherheit besttigen lsst. 5.3 Transparenz Die Transparenz sowohl im Lokaljournalismus als auch im Online-Journalismus wird grundstzlich kritisch beurteilt. Bei lokaljournalistischen Inhalten fehlen oftmals Quellenangaben etwa wenn Pressemitteilungen verarbeitet wurden sowie Angaben zu Abhngigkeitsverhltnissen im Rahmen des journalistischen Produktionsprozesses; im Internet ist die bisweilen ungengende Kennzeichnung von werblichen Inhalten ein zentraler

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Kritikpunkt (vgl. Abschnitt 4.2 und Abschnitt 4.3). Dabei birgt gerade das Internet durch seine Hypertextualitt und das unbegrenzte Raumangebot ein besonderes Potenzial fr Transparenz: Quellen knnen direkt verlinkt und auch innerhalb eines Artikel ausfhrlich kritisch reflektiert werden. Andererseits ist im digitalen Raum die Qualittstransparenz aus den schon diskutierten Grnden Medien sind Erfahrungs- oder sogar Vertrauensgter, knnen also allenfalls infolge ihres kontinuierlichen Konsums auf ihren Wert beurteilt werden gegenwrtig generell noch recht gering (vgl. Meier 2003: 261); das gilt umso mehr, wenn keine bekannte Medienmarke im Hintergrund steht. Online-Anbieter auf allen Ebenen der Nutzerbeteiligung am journalistischen Produktionsprozess sowie rein professionelle Online-Angebote versuchen mit einer Offenlegung ihrer internen Redaktions- beziehungsweise Community-Leitlinien eine grtmgliche Transparenz sicherzustellen und ihren Nutzern damit die Einschtzung zur Qualitt der journalistischen Ttigkeit zu erleichtern; als erste deutschsprachige Online-Redaktion stellte faz.net im Januar 2001 ihren redaktionellen Kodex ins Netz (vgl. Gaube 2003: 359), in deren aktueller Fassung sich die Redaktion unter anderem zu einer klaren Kennzeichnung von PR-Material und Werbung sowie zur sorgflligen Prfung von Quellen verpflichtet (vgl. faz.net 2009). myheimat.de fordert in seinem Verhaltenskodex Brgerjournalisten zur Offenlegung eventueller persnlicher Interessen auf:Fr jeden Nutzer soll es so einfach wie mglich gemacht werden, etwaige kommerzielle, parteipolitische oder verdeckte Interessen einer Verffentlichung zu erkennen. Daher sind diese Interessen durch den Autor aufzudecken bzw. offenzulegen. (vgl. myheimat.de 2010b)

Das eigenmchtige Einstellen von kommerziellen Beitrgen ist generell untersagt, statt dessen wird auf die Mglichkeit einer Werbebuchung verwiesen; Nutzer werden dazu angehalten, augenscheinlich werbliche Beitrge zu melden (vgl. ebd.). Hinsichtlich der Angebotstransparenz sieht sich myheimat.de mit seinem automatisierten Ansatz gut aufgestellt: ber kommunizierte Algorithmen sei klar ersichtlich, warum bestimmte Beitrge gut positioniert sind etwa weil sie herausragend bewertet oder besonders hufig betrachtet wurden (vgl. Langer 2009). Eine solche technisch-kollaborative Selektion frdert zweifellos die Angebotstransparenz; generell lsst sich die Transparenz eines Angebots aber nur bedingt mit dem Grad der Nutzerbeteiligung in Zusammenhang setzen. Die Offenlegung und kritische Beleuchtung von Quellen sowie eine strikte Trennung von journalistischen und werblichen Inhalten sind

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vielmehr abhngig von einzelnen Unternehmen oder sogar von einzelnen Akteuren. Professionell-journalistische Lokalmedien weisen zwar wie schon angesprochen eine eher geringe Transparenz auf, die von einer Nutzerbeteiligung auf Ebene von Beitragselementen wohl nicht wesentlich positiv beeinflusst werden kann. Allerdings verfolgen Brgerjournalisten mit der Publikation von Beitrgen oftmals sehr dedizierte persnliche Interessen (vgl. Schaffer 2007: 22) etwa wenn sie sich gegen den Bau einer Umgehungsstrae argumentieren, von deren Lrm sie selbst betroffen wren , whrend professionelle Journalisten in der Regel weniger involviert sind (wenngleich auch im Lokaljournalismus mehr als bei berregionalen Medien). 5.4 Aktualitt Eine kontinuierliche und auf die Gegenwart bezogene Publikationsweise stellt ein konstitutives Kriterium fr Journalismus dar (vgl. Abschnitt 3). Im Rahmen vom neuen Medium Internet hat die Bedeutung von Aktualitt dabei eine Wandlung erfahren: Aktuell beziehungsweise zeitlich relevant sind hier nicht mehr per Definition jene Ereignisse, die zwischen zwei Ausgaben passiert sind (vgl. Arnold 2009: 168f). Statt dessen gibt es fr Online-Publikationen mit ihrer stndigen Aktualisierbarkeit einen permanenten Aktualittsdruck, der wiederum zu Lasten anderer Qualittskriterien gehen kann (vgl. Neuberger 2004: 46 und Abschnitt 4.3). Eine Nutzerbeteiligung am journalistischen Produktionsprozess kann Online-Medien einen substanziellen Aktualittsvorsprung verschaffen, was insbesondere in Ausnahmesituationen zum Tragen kommt: Brgerjournalisten lieferten unter anderem erste Fotos zum Anschlag auf die Londoner U-Bahn, zum Tsunami in Sdostasien (vgl. Riefler 2006: 1) und ein auch von CNN genutztes Augenzeugenvideo zum Amoklauf an der Virginia Tech University (vgl. Allan/Thorsen 2009: 2); die Notlandung eines Flugzeugs im New Yorker Hudson River wurde zuerst von einem Twitter-Nutzer dokumentiert, dessen Foto auch von zahlreichen professionell-journalistischen Medien aufgegriffen wurde (vgl. Leo 2009). Auf der Ebene der Beitragselemente ist also mit Sicherheit von einer qualitativen Verbesserung der Aktualitt infolge der Partizipation von Laien auszugehen. Das gilt zumindest strukturell in noch grerem Mae bei einer Nutzerbeteiligung auf Beitragsebene sowie auf Ebene der Medienformate, weil eine noch unmittelbarere Publikation brgerjournalistischer Inhalte erfolgen kann. Zudem knnen hier auch aktuelle Nachrichten eingestellt werden, die von konventionellen Nachrichtenseiten aufgrund ihrer spitzen (hyperlokalen) Ausrichtung keine Bercksichtigung finden. In der Praxis weisen viele partizipative Formate allerdings eine gegenber professionelljournalistischen Angeboten eher geringe Aktualitt auf. Lacy et al. fhrten im Sommer

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2009 eine Inhaltsanalyse von insgesamt 139 amerikanischen Brgerjournalismus-Seiten (86 Blogs, 53 Nachrichtenseiten differenziert nach der Selbstbeschreibung) sowie 63 Websites von lokalen Tageszeitungen durch, wobei auch die Aktualitt der Inhalte untersucht wurde. Demnach wurden nur rund 28% der Brgerjournalismusseiten am Vortag der Untersuchung aktualisiert, 62% der untersuchten Seiten wiesen Eintrge innerhalb der letzten Woche auf (N=137). Lacy et al. resumierten entsprechend, partizipative Portale lieen im Bezug auf ihre Zeitigkeit eher mit Wochen- als mit Tageszeitungen vergleichen (vgl. Lacy et al. 2010: 40ff). Kritisch anzumerken ist hier allerdings die groe Anzahl aggregiert betrachteter Portale reichweitenstarke Seiten wie myheimat.de mit mehr als 30.000 angemeldeten Brgerjournalisten (vgl. Langer 2009) haben andere Voraussetzungen und auch einen anderen Zuspruch als etwa einzelne Blogger. 5.5 Nutzwert/Relevanz Das Kriterium der Relevanz hat im Rahmen lokaler Berichterstattung eine andere Bedeutung als bei supralokalen Inhalten. Leser wnschen sich hier vor allem sie direkt betreffende Informationen etwa zu ihrem Wochenmarkt oder zur Schule ihrer Kinder , woraus sich eine groe Anzahl verschiedenartiger Erwartungen ergibt. Auerhalb der Lokalberichterstattung gibt es im Vergleich eher einen Konsens zur Relevanz einzelner Nachrichten, der sich an gemeinsam geteilten Nachrichtenfaktoren orientiert (vgl. Kretschmar et al. 2009: 52). Das Internet gibt Medien zumindest die technischen Mglichkeiten, diese sehr spezifischen Publikumserwartungen auch zu bedienen praktisch ist dafr eine journalistische Prsenz vor Ort von Nten, die am ehesten zumindest unter Mithilfe von Laien erzielt werden kann. Brgerjournalisten knnen beispielsweise auch bei Gemeindeversammlungen zugegen sein, deren Entscheidungen nur fr einige wenige Brger eine Relevanz besitzen der Nutzwert eines Artikels zum Thema ist fr die Betroffenen dafr umso grer. Bei einer Nutzerbeteiligung auf Ebene der Medienformate ist das Relevanzpotenzial am hchsten hier werden smtliche von Brgerjournalisten eingereichte Beitrge auch publiziert, die auch nur fr einzelne Brger relevant sein knnen. Praktisch ist allerdings wohl bei einer Nutzerbeteiligung auf Beitragsebene die sichtbare Relevanz am grten Ohmynews lehnt etwa Beitrge ohne ein gewisses Ma an Informationsgehalt generell ab, was die Visibilitt tatschlich fr bestimmte Personengruppen relevanter Meldungen erhht (vgl. Riefler 2006: 3); myheimat.de mchte mit individuell anpassbaren Startseiten einen hnlichen Effekt erreichen (vgl. Huber/Mller 2007: 313). Steuern Brgerjournalisten nur Beitragselemente wie Fotos oder Informationsfragmente bei, wird hinge-

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gen am meisten selektiert, was zu Lasten der spezifischen Relevanz eines lokaljournalistischen Online-Angebots fr einzelne Brger geht. Professionelle Journalisten haben allerdings infolge ihrer Ausbildung in grerem Mae als Laien das Potenzial, durch Einordnungen, Abwgungen sowie Reflektionen und Hervorhebungen einzelner Aspekte einer Thematik (vgl. auch Arnold 2009: 170f) angereichert mit brgerjournalistischen Beitragselementen einen zustzlichen Nutzwert zu generieren. 5.6 Produktprsentation Wie in Abschnitt 4.3 ausgefhrt ermglicht das Internet neuartige Prsentationsformen fr journalistische Inhalte, die idealer Weise zur anschaulicheren und ansprechenderen Vermittlung von Informationen genutzt werden. Die Nutzung audiovisueller Elemente wie Online-Videos hat auf professionell-journalistischen Nachrichtenseiten in den letzten Jahren deutlich zugenommen (vgl. Lacy et al. 2010: 37), und auch auf vielen brgerjournalistischen Angeboten knnen multimediale Beitrge publiziert werden. Vielfach wird davon auch Gebrauch gemacht: Bei myheimat.de gehen monatlich rund 45.000 Fotos bei 10.000 neuen Beitrgen online (vgl. Kontakter 2010: 21), was einem Verhltnis von mehr als vier Fotos pro Meldung entspricht . Auch die Einbettung von an anderer Stelle hochgeladenen Videos ist auf dieser Plattform mglich (vgl. Tacke 2008). Das Beispiel lsst sich allerdings nicht generalisieren: In der von Lacy et al. durchgefhrten Inhaltsanalyse war nur bei knapp der Hlfte der in diesem Zusammenhang untersuchten brgerjournalistischen Nachrichtenseiten (n=53) ein Upload von Fotos mglich, Audiodateien und Fotos konnten nur bei etwa einem Drittel der Portale hochgeladen werden. Weiterhin lieen sich auf weniger als 10% der brgerjournalistischen Blogs (n=86) audiovisuelle Dateien hochladen hier war aber auch insgesamt nur in 14% der Flle berhaupt die Einreichung von Informationen durch externe Brgerjournalisten vorgesehen (vgl. Lacy et al. 2010: 41). Wie schon im Zusammenhang mit dem Qualittskriterium Aktualitt ist auch hier auf den Einzelfall zu verweisen: Whrend gewinnorientiert betriebene Multi-Seiten-Plattformen wie myheimat.de wohl nahezu durchweg die Integration multimedialer Elemente erlauben, haben Betreiber hyperlokaler Blogs teils berhaupt keine Ambitionen hinsichtlich einer mglichst ansprechenden Aufbereitung ihrer Inhalte. Hinzu kommt, dass aufwndige multimediale Anreicherungen etwa die in Abschnitt 4.3 angesprochene Flash-Weltkarte zur Illustration der US-Depeschen bisweilen mit erheblichen Kosten verbunden sind, zu deren Refinanzierung viele Brgerjournalisten nicht in der Lage oder nicht Willens sind (vgl. Lacy et al.: 44). Verbunden mit dem Faktum, dass viele brgerjournalistische Beitrge lediglich aus unbearbeiteten Foto- oder Videodateien bestehen (vgl. Schaffer 2007: 22ff), lsst sich eine grtmgliche Qualitt der Produktprsentation nutzergenerierter Inhalte

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offensichtlich auf der Ebene der Beitragselemente erzielen. Bei Nachrichten mit hyperlokalem Einschlag und entsprechend kleinen Zielgruppen drften aufwndige multimediale Kompositionen aber auch im professionell-journalistischen Umfeld aus konomischen Grnden eher die Ausnahme sein. 5.7 Usability Der Begriff Usability verbindet die Verstndlichkeit von Inhalten mit dem in Abschnitt 4.3 beschriebenen Selektionsdruck und einem latenten Orientierungsproblem fr Nutzer im Internet die Usability eines Angebots liegt damit gleichermaen in der Verantwortlichkeit von journalistischen Akteuren und von Webdesignern (vgl. Meier 2003: 259). Damit ist die Usability einer Website genauso abhngig vom Grad der Nutzerbeteiligung wie vom hinter dem Portal stehenden Unternehmen. Im Heddesheimblog etwa publiziert ein professioneller Journalist, der mit dem Projekt bislang aber nur sehr beschrnkt Werbeeinnahmen generiert (vgl. Winterbauer 2009); entsprechend wird die Seite mit einem kostenlosen WordPress-Template betrieben (vgl. Heddesheimblog 2010), welches wohl keiner spezifischen Usability-Optimierung unterzogen wurde. myheimat.de hlt dagegen im Internet ausschlielich Beitrge von Laien vor, verfgt aber ber ein weit entwickeltes Content Management System mit umfangreichen Personalisierungsfunktionen (vgl. Huber/Mller 2007: 313); die Usability muss hier also differenziert betrachtet werden. Im Bezug auf Struktur und Eingngigkeit der Inhalte also die sachliche Verstndlichkeit ist professionellen Journalisten sicherlich ein hheres Qualittsniveau zuzutrauen, und so ist bei einer Nutzerbeteiligung auf Ebene der Beitragselemente von einer grtmglichen Usability des Angebots auszugehen. Allerdings ist auf anderen Partizipationsebenen eine grere Hypertextualitt festzustellen: Gem der Inhaltsanalyse von Lacy et al. verfgen sowohl brgerjournalistische Nachrichtenseiten als auch brgerjournalistische Blogs ber eine signifikant hhere Anzahl externer Links zu anderen Nachrichtenseiten als professionelle Angebote (vgl. Lacy et al. 2010: 42f), womit die dort publizierten Inhalte in einen greren Kontext eingeordnet werden das ist dem Gebrauchswert dieser brgerjournalistischen Angebote insgesamt frderlich. 5.8 Interaktivitt Das Internet ist aus den in Abschnitt 4.3 genannten Grnden prdestiniert fr den interpersonalen Austausch zu aktuellen Themen. Brgerjournalistische Angebote kommen diesem gerade im lokalen Bereich verbreiteten Bedrfnis nach Meinungsbildung und austausch (vgl. auch Abschnitt 5.1) schon strukturell entgegen, weil Brger hier sowohl

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aktiv als auch reaktiv am journalistischen Produktionsprozess beteiligt sein knnen. Dabei werden auch bei Portalen mit einer Nutzerbeteilung auf Ebene der Medienformate beide Standpunkte angenommen: myheimat.de konnte innerhalb von anderthalb Jahren 500.000 Kommentare bei 170.000 Beitrge verzeichnen (vgl. Langer 2009), was durchschnittlich immerhin knapp drei Kommentare pro Beitrag entspricht . Auch Eintrge in eigenstndigen hyperlokalen Brgerblogs haben bisweilen mehrere Dutzend Kommentare zur Folge (vgl. Riefler 2006: 1) die Kommunikation verluft hier also nicht eindimensional ber publizierte Meldungen, vielmehr stellen neue Artikel Impulse zur weiteren Diskussion dar. Weil bei einer Nutzerbeteiligung auf Beitrags- und auf Formatsebene nicht nur die Reaktionen, sondern auch die Meldungen selbst von vielen verschiedenen Akteuren kommen, sind hier die Mglichkeiten des Austausches beziehungsweise der Grad der Interaktivitt am grten. Bei einer Nutzerbeteiligung auf Ebene von Beitragselementen knnen sich Brger senderseitig nur ber Fragmente artikulieren, die mglicherweise in einen von ihnen nicht intendierten Kontext eingebettet werden. Darber hinaus besteht hier lediglich die Mglichkeit der Interaktion durch Diskussionen in mglicherweise angeschlossenen Foren sowie durch direktes Feedback an den Redakteur oder Seitenbetreiber; beides ist bei professionellen Nachrichtenseiten immerhin eher mglich als bei strukturell partizipativen Angeboten. 98% der von Lacy et al. untersuchten Websites von US-Tageszeitungen weisen eine E-Mail Adresse aus, 57% verfgen ber ein Forum (n=63). Bei brgerjournalistischen Nachrichtenseiten beziehungsweise Blogs gibt es nur in 91% beziehungsweise 28% der Flle eine Kontakt E-Mail Adresse, 47% beziehungsweise 37% der Angebote verfgen ber ein Forum (n=53 beziehungsweise n=68; vgl. Lacy et al. 2010: 41). Was bei der Inhaltsanalyse als Forum identifiziert wurde, geht aus dem Untersuchungsbericht allerdings nicht hervor weil ein berragender Anteil der Blogs das freie Content Management System WordPress nutzt (vgl. Sobel 2010, Krogsgard 2010), welches nativ ein umfangreiches Kommentarsystem mitbringt (vgl. WordPress Codex o.J.), ist allerdings selbst bei infrastrukturell eher schlecht aufgestellten hyperlokalen Angeboten von zumindest anderweitigen direkten Interaktionsmglichkeiten auszugehen. 6. Fazit Hinsichtlich der Qualitt von lokalem und hyperlokalem Brgerjournalismus ergibt sich unter Betrachtung verschiedener Ebenen der Nutzerbeteiligung ein uneinheitliches Bild. Jede Art und jeder Umfang der Partizipation von Laien an journalistischen OnlineAngeboten hat seine spezifischen Vorzge und Nachteile. Abgesehen vom Qualittskriterium der Richtigkeit knnen Brgerjournalisten aber in allen untersuchten Dimen-

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sionen einen klaren qualitativen Mehrwert generieren und insbesondere im strukturell problematischen Lokaljournalismus eine Verbesserung der publizistischen Qualitt in der Berichterstattung vor Ort begnstigen. Indikatoren fr einen grundstzlich negativen Einfluss von Brgerjournalismus auf die Qualitt in den Medien wie von der Initiative Qualitt und vom DJV angemahnt lieen sich in der Untersuchung nicht feststellen. Bei Betrachtung der drei untersuchten primr internetbezogenen Qualittskriterien lsst sich bilanzieren, dass im digitalen Raum vor allem Brgerjournalismus in einem professionellen (Betriebs-)Umfeld qualittsbehaftet sein kann dieser Aspekt ist allerdings ebenso abhngig vom Grad der Nutzerbeteiligung eines spezifischen Angebots wie von dessen konomischen und sozialen Rahmenbedingungen. Hier greift die in der Arbeit vorgenommene Untergliederung hauptschlich nach Partizipationsebenen nicht weit genug, zur Beurteilung im Einzelfall mssten auch Infrastrukturen sowie die allgemeinen Produktionsbedingungen einzelner Angebote ins Auge gefasst werden. In diesem Zusammenhang relevant und aus forschungspraktischen Grnden hier auch nur oberflchlich behandelt sind Potenziale und konkrete Manahmen der Plattformbetreiber zu Qualittssicherung und Qualittsmanagement. Ein weiterer von knftigen Forschungsarbeiten zu betrachtender Aspekt ist die Beurteilung von Qualitt im hyperlokalen Brgerjournalismus aus Perspektive der Werbetreibenden. Weil ein nachhaltiges Geschftsmodell fr Journalismus im Internet immer noch nicht gefunden und die publizistische Qualitt eines Angebots wie beschrieben direkt abhngig von seiner Profitabilitt ist, kommt der Attraktivitt von Plattformen fr die Werbeindustrie eine essentielle Bedeutung fr den Erhalt (brger-)journalistischer Arbeit zu zumindest solange die Finanzierung ber Stiftungen, Mikrospenden oder sogar mittels staatlicher Subventionen keine auf breiter Basis nutzbaren Alternativen darstellen. Um die gem Umfragen prinzipiell vorhandene Zahlungsbereitschaft von Nutzern fr (hyper)lokale Online-Inhalte abzuschpfen und hyperlokalen Angeboten mittelfristig vielleicht auch auf diesem Weg einen gesicherten Geschftsbetrieb ermglichen zu knnen, empfiehlt sich weiterhin eine eingehende Untersuchung der Qualittsbeurteilung hyperlokale Brgerportale aus der Publikumsperspektive.

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7. LiteraturverzeichnisAlbrecht, Philipp (2010): Sdkorea: Auf- und Abstieg des Brgerjournalismus. In: politik-digital.de. 03.11.2010. http://politik-digital.de/OhmyNews-S%C3%BCdkorea-B%C3%BCrgerjournalismusOh-Yeon-ho (12.12.2010). Allan, Stuart / Thorsen, Einar (2009.): Introduction. In: Dies. (Hrsg): Citizen Journalism: Global Perspectives. New York: Peter Lang, 1-16. Altmeppen, Claus-Dieter (2003): Ist der Journalismus strukturell qualittsfhig? In: Bucher, HansJrgen/Altmeppen, Claus-Dieter (Hrsg.): Qualitt im Journalismus. Grundlagen Dimensionen - Praxismodelle. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 113-128. Arnold, Klaus (2009). Qualittsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz: UVK. Beck, Hanno (2005): Medienkonomie. Print, Fernsehen und Multimedia. 2., erweiterte Auflage. Berlin: Springer. Beck, Klaus / Reineck, Dennis / Schubert, Christiane (2010): Journalistische Qualitt in der Wirtschaftskrise. Konstanz: Uvk. blog.hamburg.de (2010): Aktive Blogs. Eine bersicht der neuesten Blog-Beitrge auf blog.hamburg.de. http://blog.hamburg.de/aktive-blogs/ (12.12.2010). Bode, Philipp (2010): Mar